RG, 23.11.1917 - III 256/17
Strafrechtliche Einziehung. Schreibt das Gesetz allgemein die Ladung des Eigentümers vor?
Tatbestand
Der Tagelöhner V. wurde am 28. April 1915 betroffen, als er im Auftrage des Klägers zwei diesem gehörige Pferde von der neutralen, Belgien von Preußen trennenden Straße her ins Inland führte. Durch Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts Aachen wurde V. wegen Vergehens gegen das Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909 § 74 in Verb. mit §§ 1, 4, 7 bei viehseuchenpolizeilichen Anordnung des Regierungspräsidenten in Aachen zu Strafe verurteilt und nach § 77 des Gesetzes die Einziehung der Pferde angeordnet. Der Kläger wurde vom Kriegsgerichte der Landwehrinspektion Cöln, Zweigstelle Aachen, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft in Aachen verkaufte auf Grund des rechtskräftigen Urteils gegen V. die Pferde um 2575 M für Rechnung des preußischen Staates an den Kläger. Dieser verklagte den Staatsfiskus auf Ersatz, indem er namentlich geltend machte, daß seine Zuziehung zum Verfahren gegen V. gesetzwidrig unterblieben sei. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Seine Revision blieb erfolglos.
Aus den Gründen
"Die Revision findet unter Berufung auf Löwe, Strafprozeßordnung Anm. 1 A. zu §§ 477 bis 479, ein nach dem Gesetze vom 1. August 1909 in Verb. mit § 839 BGB. vom Beklagten zu vertretendes Verschulden der Staatsanwaltschaft darin, daß sie den Kläger nicht in Anwendung des § 478 Abs. 2 StPO. zur Hauptverhandlung gegen V. geladen habe. Dieser Vorwurf ist jedoch nicht begründet. Die Vorschriften der §§ 477 bis 479 StPO. gelten ihrem Wortlaute nach nur für die Fälle, in denen nach gesetzlicher Vorschrift auf Einziehung und ähnliche Maßregeln selbständig erkannt werden kann und nicht in Verbindung mit einem gegen einen bestimmten Angeklagten ergehenden Urteil entschieden wird. Die Frage, ob die Vorschriften der §§ 478, 479 StPO. auch in einem gegen einen bestimmten Angeklagten gerichteten Verfahren anzuwenden sind, ist bestritten und auch in der Rechtsprechung nicht immer gleichmäßig beantwortet worden. In RGSt. Bd. 5 S. 375 wurde eine Anwendung auf gleichliegende Fälle für statthaft erklärt, weil in den fraglichen Vorschriften nur eine einzelne Anwendung des allgemeinen Grundsatzes liege, daß in das Eigentum eingreifende Entscheidungen nicht getroffen werden dürfen, ohne daß dem unmittelbar Betroffenen die Möglichkeit gewährt wird, in dem vorausgegangenen Verfahren mit seinen Einwendungen gehört zu werden. Die spätere Rechtsprechung (RGSt. Bd. 34 S. 388) erklärte die Anwendung der §§ 478, 479 StPO. auf andere Fälle für ausgeschlossen und versagte dem an der Einziehung eines Gegenstandes beteiligten Dritten ein Recht auf Zuziehung zu dem gegen eine bestimmte Person gerichteten Verfahren. Die Entwürfe zu einer neuen Strafprozeßordnung haben das Bedürfnis einer Zuziehung auch für diesen Fall anerkannt und besondere Vorschriften (§§ 456 flg.) vorgesehen. Die Begründung verweist auf RGSt. Bd. 34 S. 388, erklärt, der Entwurf fülle die danach bestehende Lücke aus, nimmt aber zur Streitfrage selbst vom Standpunkte des geltenden Rechtes aus keine Stellung. Es bedarf indessen einer Entscheidung der Streitfrage auch hier nicht. Denn jedenfalls kann man der Staatsanwaltschaft keinen Vorwurf daraus machen, daß sie der derzeit maßgebenden Auffassung des Reichsgerichts gefolgt ist und von einer Ladung des Klägers abgesehen hat. Nicht zu entscheiden ist aber auch die weitere, in RGSt. Bd. 5 S. 375 verneinte, in RGSt. Bd. 34 S. 388 offengelassene Frage, ob ein ohne Zuziehung des Eigentümers erlassenes Urteil gegen diesen vollstreckt werden könnte. Denn das Berufungsgericht stellt fest, daß die Pferde im Besitze des V. gefunden und beschlagnahmt worden seien. Einer Vollstreckung gegen den Kläger bedurfte es also nicht. Für einen solchen Fall nimmt auch Löwe nur eine Befugnis des Eigentümers an, sich zu melden und am Verfahren zu beteiligen, nicht eine Notwendigkeit, ihn von Amts wegen zuzuziehen." ...