RG, 20.12.1883 - IV 381/83

Daten
Fall: 
Nachträgliche mündliche Genehmigung
Fundstellen: 
RGZ 10, 257
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.12.1883
Aktenzeichen: 
IV 381/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Breslau
  • OLG Breslau

Wird das Rechtsgeschäft, welches ein nicht mit schriftlicher Vollmacht versehener Bevollmächtigter mit einem Dritten abgeschlossen hat, gegen den Machtgeber durch dessen nachträgliche mündliche Genehmigung wirksam?

Tatbestand

Einer von dem Cedenten der ursprünglichen Gläubigerin wider den Bürgen erhobenen Darlehnsklage setzte der Beklagte die Einrede der Tilgung der Forderung durch den Hauptschuldner entgegen. Der letztere hatte an den Ackerbürger B., den Schwiegersohn der Witwe W., der ursprünglichen Gläubigerin, eine Forderung von 30 000 M abgetreten und B. diese Forderung demnächst an R. W., den Sohn der Witwe W., weiter cediert. Der Beklagte behauptete, daß die Witwe W. vor dem Abschlusse jener Rechtsgeschäfte den B. mündlich beauftragt habe, sich mit E. K., dem Hauptschuldner, über ihre Befriedigung wegen ihrer Forderung an denselben im Betrage von 9000 M zu einigen, und daß B. die Forderung von 30 000 M von E. K., welcher dem B. selbst 15 000 M schuldig gewesen sei, mit der ausdrücklich von ihm - B. - im angeblichen Auftrage der Witwe W. abgegebenen Erklärung sich habe abtreten lassen, daß dadurch die Darlehnsforderung der Witwe W. von 9000 M getilgt sein solle. Er behauptete weiter, daß die Witwe W. von der in Rede stehenden, zwischen B. und E. K. getroffenen mündlichen Abmachung und der Annahme der Cession der Forderung von 15 000 M seitens des B. Mitteilung erhalten und dazu ihre Genehmigung ausgesprochen habe, und daß auch die Weitercession der 30 000 M seitens des B. an R. W. im Auftrage und für Rechnung der Witwe W. erfolgt sei. - Das Berufungsgericht verwarf die Tilgungseinrede, weil die behaupteten Erklärungen der Witwe W. gegen die letztere wegen Mangels der Schriftform nicht wirksam seien. Diese Entscheidung wurde auf die Revision des Beklagten aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung in die Berufungsinstanz zurückgewiesen.

Aus den Gründen

1.

"Die in Rede stehenden Erklärungen der Witwe W. sind der behauptete Auftrag an B., über ihre Befriedigung wegen der Forderung von 9000 M sich mit E. K. zu einigen, und die angebliche, nach erfolgter Abtretung der Forderung von 30 000 M geschehene Genehmigung des zwischen B. und E. K. mit der Absicht der Tilgung der Forderung von 9000 M abgeschlossenen Vertrages. Nun ist zwar nach §. 8 A.L.R. I. 13 das von einem nicht mit schriftlicher Vollmacht versehenen Bevollmächtigten mit einem Dritten abgeschlossene Geschäft für den Machtgeber an sich nicht verbindlich. Allein diese Rechtsnorm schließt nicht aus, daß ein solches Rechtsgeschäft durch nachfolgende Genehmigung des Machtgebers für denselben verbindliche Kraft erhalte. Und für die Genehmigung ist die Schriftform kein Erfordernis der Rechtsverbindlichkeit. Dies hat die Rechtsprechung des vormaligen höchsten preußischen Gerichtshofes unter ausdehnender Anwendung der Rechtsgrundsätze angenommen, welche in den §§. 142-146 für den Fall der durch den Machtgeber erklärten Genehmigung einer Überschreitung des Auftrages seitens des Bevollmächtigten gegeben sind.1

Diese Ausdehnung ist von der preußischen Praxis für den Fall des Mangels einer schriftlichen Vollmacht auch in der Art nutzbar gemacht worden, daß die verbindliche Kraft der mündlichen Genehmigung nicht bloß dann eintreten soll, wenn sie dem Dritten, sondern auch dann, wenn sie nur dem Bevollmächtigten gegenüber erklärt worden ist.2

Die gedachte Rechtsprechung ist zwar mehrfach angegriffen worden. So von Koch, Kommentar Note 24 zu §. 148 A.L.R. I. 13 und von Förster, Theorie und Praxis 3. Aufl. Bd. 2 S. 306 Note 69.

Es liegt indes keine Veranlassung vor, von jener ständigen Praxis abzugehen. Dem Wesen der Ratihabition entspricht es, ihre rechtliche Wirksamkeit an die Beobachtung der für die verpflichtende Wirkung eines Vertrages vorgeschriebenen Form nicht zu binden, vielmehr die Rechtsverbindlichkeit des zwischen dem Vertreter und dem Dritten abgeschlossenen Rechtsgeschäftes, wenn dasselbe in der für dies Geschäft vorgeschriebenen Form geschlossen ist, von einer neuen Erklärung des Machtgebers gegen den Dritten überhaupt nicht abhängig zumachen, sondern eine dem Vertreter gegenüber abgegebene Genehmigungserklärung auch dem Dritten gegenüber wirken zu lassen und diese Erklärung an eine besondere Form nicht zu binden. Für die Praxis des Obertribunales hat sich auch Eccius in der vierten Auflage des Förster'schen Werkes Bd. 2 S. 361 Note 61 ausgesprochen.

Von diesem Gesichtspunkte aus ist dem zwischen B. und E. K. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte mit seiner Genehmigung durch die Witwe W. die Wirkung der Tilgung der Klageforderung an sich nicht abzusprechen. Auf das Argument des Berufungsgerichtes, daß durch das Rechtsgeschäft aus dem Vermögen des E. K. in das Vermögen der W. ein Äquivalent für das angeblich aufgegebene Forderungsrecht nicht übergegangen sei, ist kein Gewicht zu legen. Denn einerseits würde aus dem Rechtsgeschäfte nach dem in Rede stehenden Sach- und Streitstande für die Witwe W. die Mandatsklage gegen den Beauftragten begründet gewesen sein. Andererseits kommt in Betracht, daß nach der Behauptung des Beklagten die Weitercession der 30 000 M seitens des B. an R. W. im Auftrage und für Rechnung der W. erfolgt sein soll."

  • 1. Vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 9 S. 232; Plenarbeschl. vom 22. April 1850; Präj. Nr. 2196; Entsch. a. a. O. Bd. 19 S. 29; ferner Striethorst, Archiv Bd. 39 S. 310, Bd. 82 S. 41.
  • 2. Vgl. Striethorst, Archiv Bd. 51 S. 12.