RG, 08.11.1918 - VII 132/18

Daten
Fall: 
Vermietung von Wohnungen als Gewerbebetrieb
Fundstellen: 
RGZ 94, 162
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.11.1918
Aktenzeichen: 
VII 132/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Kann die Vermietung von Wohnungen durch den Eigentümer eines Hauses als Gewerbebetrieb im Sinne des § 191 Nr. 1 BGB. angesehen werden?

Tatbestand

Den Gegenstand der Klage bilden Forderungen für Bauarbeiten, die der Vater des Klägers, zum Teil der Kläger selbst an einem Hausgrundstücke des Erblassers der Beklagten, Heinrich S., ausgeführt hatte. Dem auf Grund des § 196 Nr. 1 BGB. erhobenen Einwande der Verjährung trat der Kläger mit der Behauptung entgegen, daß die Leistungen für den Gewerbebetrieb des Schuldners erfolgt seien, da Heinrich S. durch Vermietung von Wohnungen in den ihm gehörigen Häusern ein Gewerbe betrieben habe.

Die Verjährungseinrede wurde in beiden Vorinstanzen verworfen. Die Revision blieb ohne Erfolg.

Gründe

... "In der Sache tritt die Revision lediglich der Annahme des Berufungsgerichts entgegen, daß Heinrich S. durch Vermietung von ihm gehörigen Häusern ein Gewerbe betrieben habe. Sie meint, regelmäßig könne die Vermietung von Wohnungen durch den Eigentümer des Hauses nicht als Gewerbebetrieb angesehen werden, nur unter besonderen Umständen sei dies der Fall, deshalb habe durch Ausübung des Fragerechts nach dieser Richtung eine nähere Aufklärung herbeigeführt werden müssen. Der Berufungsrichter hat aber keineswegs verkannt, daß nicht jede Vermietung von Wohnungen durch den Hauseigentümer einen Gewerbebetrieb des letzteren in sich schließt; er geht vielmehr hiervon aus und stützt seine Entscheidung auf die besonderen, in der Urteilsbegründung näher dargelegten Umstände des vorliegenden Falles. Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung wird man in der Vermietung von Wohnungen durch den Hauseigentümer, obschon diesem daraus eine Einnahmequelle entsteht, einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 196 Nr. 1 BGB. in der Regel nicht zu erblicken haben, weil es sich in solchen Fällen gewöhnlich nicht um eine auf Gewinn gerichtete selbständige Tätigkeit des Vermieters, sondern lediglich um eine in den Rahmen der Ausübung seiner Eigentümerrechte fallende, allgemein übliche Ausnutzung des Eigentums am Hause handelt, wobei die hierzu erforderliche persönliche Tätigkeit des Eigentümers als ganz unerheblich völlig in den Hintergrund tritt. Anders aber, wenn der Eigentümer wesentlich darauf ausgeht, durch die Vermietung von Wohnungen seines Hauses unter Aufwendung persönlicher Arbeitskraft seinen Unterhalt zu gewinnen; hier geht das Unternehmen des Eigentümers über den sonst üblichen Umfang der bloßen Ausnutzung des Grundstücks hinaus und steigert sich zum Betrieb eines Gewerbes. Von diesem Standpunkt aus hat auch der Berufungsrichter die Sache beurteilt. Er hat ausgeführt, Heinrich S. habe nach der Errichtung zweier Hinterhäuser ungefähr 26 Wohnungen vermietet, daneben allerdings noch einen Schweinehandel als Nebengewerbe betrieben, aus der Vermietung von Wohnungen aber seine Hauptbeschäftigung gemacht, die auf fortlaufende Gewinnerzielung aus dem Bauen und Vermieten zahlreicher Wohnungen gerichtet gewesen sei und seine persönliche Arbeitskraft in erheblichem Maße in Anspruch genommen habe. Er habe sich in dieser Tätigkeit einen dauernden Beruf geschaffen. Diese Feststellungen sind ausreichend, um die getroffene Entscheidung in der hier in Betracht kommenden Hinsicht zu rechtfertigen; einer weitergehenden Aufklärung der Sache nach dieser Richtung hin bedurfte es nicht."