RG, 29.11.1881 - III 487/81

Daten
Fall: 
In öffentlicher Versteigerung abgeschlossener Kauf
Fundstellen: 
RGZ 6, 152
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.11.1881
Aktenzeichen: 
III 487/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Detmold
  • OLG Celle

Kann ein in öffentlicher Versteigerung abgeschlossener Kauf von dem Käufer wegen Verletzung über die Hälfte angefochten werden?

Gründe

"Die Zurückweisung der Einrede der Verletzung über die Hälfte gereicht den Revisionsklägern deshalb nicht zur Beschwerde, weil dieselbe bei Verkäufen in öffentlicher Versteigerung nicht zulässig ist. Diese Frage ist allerdings in der Doktrin und Praxis bestritten, es muß jedoch die Ansicht, daß bei den in öffentlichen Versteigerungen geschehenen Verkäufen dieses Rücktrittsrecht ausgeschlossen sei, gebilligt werden.

Es kann zwar auf das für diese Ansicht geltend gemachte Argument, daß derjenige Wert stets als der wahre angesehen werden müsse, welcher durch die öffentliche Versteigerung erzielt worden, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, weil die Erfahrung lehrt, daß der bei öffentlichen Versteigerungen durch das Höchstgebot erreichte Kaufpreis dem allgemeinen Verkehrswerte der Sache nicht selten nicht entspricht. Es sind ferner die Stellen, welche für diese Meinung angezogen sind:

I. 5 Cod. de fide et jure hastae fisc. 10, 3; l. ult. Cod. si propter public. pensitat. vend. fuerit celebr. 4, 46; l. 8 Cod. de remiss. pignor. 8, 26,

nicht geeignet, eine Ausnahme von den allgemein die Aufhebung eines Kaufes wegen Verletzung über die Hälfte zulassenden Gesetzen:

      1. cod. de rescind. vend. 4, 44; c. 3. 6. X. de emt. et vend. 3. 17,

zu begründen, weil sie dieselbe für Verkäufe in öffentlicher Versteigerung nicht ausschließen, und weil sie nur von fiskalischen Versteigerungen sprechen und daher nicht allgemeine Anwendung auf alle öffentlichen Versteigerungen finden können. Die Annahme, daß der Käufer den in öffentlicher Versteigerung abgeschlossenen Kauf wegen Verletzung über die Hälfte nicht anfechten könne, findet aber darin ihre Begründung, daß das im römischen Rechte, aus Gründen, welche sich nur für den Verkäufer geltend machen, diesem wegen übermäßiger Verletzung gewährte Rücktrittsrecht zwar durch Gewohnheitsrecht auf den Käufer erstreckt worden ist, daß aber in Beziehung auf die Frage, ob auch bei Versteigerungen dem Käufer dieses Anfechtungsrecht eingeräumt werden dürfe, ein die dagegen sich erhebenden Bedenken ausschließendes Gewohnheitsrecht nicht besteht; und daß es nicht gerechtfertigt erscheinen kann, die in Doktrin und Praxis bestehende Streitfrage zu Gunsten des Ersteigerers zu entscheiden, wenn man berücksichtigt, daß einerseits der letztere es regelmäßig sich selbst zuzuschreiben hat, wenn er mit seinem Gebote über das Doppelte des wahren Wertes der Sache hinausgegangen ist, und insbesondere daß andererseits, wenn man dem Meistbietenden, welchem der Zuschlag erteilt ist, gestatten wollte, von dem Kaufe nachher wegen Verletzung über die Hälfte zurückzutreten, derselbe außerstande sein würde, den Versteigerer in die vorige Lage zurückzuversetzen, diesem vielmehr dadurch ein erheblicher Nachteil würde zugefügt werden, daß ihm die Möglichkeit entzogen worden, die Sache dem Bieter zuzuschlagen, welcher das dem Meistgebote vorhergehende Gebot abgegeben hatte, und daß mit einer Wiederholung der Versteigerung nicht unerhebliche Kosten verbunden sind."