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RG, 19.11.1881 - V 725/81

Daten
Fall: 
Nichterfüllung eines Lieferungsvertrages
Fundstellen: 
RGZ 6, 58
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.11.1881
Aktenzeichen: 
V 725/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Essen
  • OLG Hamm

Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Lieferungsvertrages. Deckungskauf vor Ablauf der Nachfrist. Zeitpunkt der Schadensberechnung.

Aus den Gründen

"Nach der Feststellung des Berufungsrichters ist zwischen den Parteien ein Vertrag abgeschlossen worden, in welchem die Beklagte sich verpflichtet hatte, für die Zeit vom 1. Dezember 1879 bis Ende Dezember 1880 dem Kläger für den Arbeitstag 1200 Centner gewaschene Kokskohle zu liefern. Die Beklagte ist bei diesen Lieferungen, wie der Berufungsrichter weiter feststellt, in den Monaten Dezember 1879 bis einschließlich Juni 1880 mit 715 1/2 Waggon rückständig geblieben, will diesen Rest nicht nachliefern, hat auch den Einwand, der Rückstand sei durch Betriebsstörungen entstanden, nicht spezifiziert. Auf Grund dieses Thatbestandes hält der Berufungsrichter die Beklagte für schadensersatzpflichtig. Trotzdem hat er den wegen Nichterfüllung erhobenen Schadensanspruch des Klägers abgewiesen, und zwar deshalb, weil Kläger die Differenz fordere zwischen dem vertragsmäßig bestimmten Kaufpreise und dem Preise, welchen er bezahlt habe für Beschaffung des fehlenden Quantums von einer anderen Zeche innerhalb der Zeit bis Ende Juni 1880, Diese Ankäufe dürften als Deckungskäufe nicht geltend gemacht werden, weil Kläger durch Schreiben vom 27. Juni 1880 der Beklagten mit der Nachlieferung bis zum 5. Juli d. J. Ausstand erteilt habe.

Nach dem ergänzten Thatbestande des angegriffenen Urteiles hatte Kläger behauptet und unter Beweis gestellt, es sei der Preis, welchen er für die anderweitig beschafften Kohlen von der Beschaffenheit der von der Beklagten zu liefernden Kohlen bezahlt habe, der marktgängige und angemessene gewesen in der ganzen Zeit von Januar bis einschließlich Juni 1880. Weil der Berufungsrichter auf diese Behauptung bei seiner Entscheidung keine Rücksicht genommen hat, beschuldigt ihn die Revision mit Recht einer Verletzung der Artikel 355-357 H. G. B.

Im Anschluß an die bislang in Lehre und Rechtsprechung1 stets festgehaltene Ansicht war davon auszugehen, daß auch bei Nicht-Fixgeschäften die Differenz zwischen dem Marktpreise und dem Kaufpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung als erwiesener Schade des Käufers gilt, wenn dieser Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert und nach Maßgabe der Bestimmungen der Artt. 355. 356 zu fordern berechtigt ist. Eine Berechtigung, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beanspruchen, wird dem Kläger vom Berufungsrichter an sich zuerkannt, es folgt daraus die Berechtigung, die erwähnte Differenz zu fordern, und wenn diese, wie Kläger behauptet, gleich ist mit der Differenz zwischen dem vertragsmäßig zwischen den Parteien bestimmten Kaufpreise und dem wirklich für anderweitig beschaffte Kohlen gezahlten Preise, so kommt es darauf, ob und wann diese beschafft worden sind, nicht weiter an; es ist das eine für die Begründung des Klaganspruches überflüssige und unerhebliche Thatsache, insbesondere deshalb, weil die Höhe des angeblich gezahlten Preises gerechtfertigt wird durch die Bezeichnung desselben als eines allgemein üblichen, angemessenen, marktgängigen Preises. auch bezüglich des Zeitpunktes. zu welchem die anderweite Beschaffung stattgefunden haben und für welchen der bezeichnete Marktpreis herrschend gewesen sein soll - der Zeitraum von Januar bis einschließlich Juni 1880 - kein Unterschied besteht. Es war also Aufgabe des Berufungsrichters. zu untersuchen, ob Kläger einen dem Gesetze entsprechenden Zeitpunkt für die beanspruchte Differenz genommen hatte. In dieser Beziehung besteht in Doktrin und Praxis gleichfalls kein Zweifel darüber, daß der Käufer als das Mindeste seines Schadensanspruches wegen Nichterfüllung die Differenz zwischen Kauf- und Marktpreis fordern darf, welche bei Beginn des Verzuges auf seiten des Verkäufers vorhanden ist. Die nach Art. 356 dem Säumigen zu gewährende Nachfrist ist dabei zum Nachteile des Käufers von keinem Einflusse. Daß im vorliegenden Falle der Kläger durch sein Schreiben vom 27. Juni 1880 der Beklagten mit der Gewährung des Ausstandes bis zum 5. Juli etwas Anderes als die in Art. 356 a. a. O. vorgesehene Nachfrist hat gewähren wollen, hat der Berufungsrichter nicht festgestellt, wohl aber, daß Beklagte Ende Juni mindestens mit dem fehlenden Betrage an Kohlen im Verzuge war. Daraus mußte rechtlich gefolgert werden, es sei Kläger befugt, den Ende Juni herrschenden Marktpreis seiner Forderung zu Grunde zu legen.

Sonach erschien die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses geboten."

  • 1. Vgl. Bd. 1 Nr. 88 S. 247; Bd. 6 Nr. 6 E. 26.