RG, 02.05.1884 - III 19/84
Von welchem Zeitpunkte an muß der Kollationspflichtige den Vorempfang verzinsen?
Tatbestand
Der Landwirt H. St. IV zu W. starb daselbst am 1. November 1882 mit Hinterlassung einer Witwe und zweier großjähriger Kinder. Die letzteren haben ihren Vater nach dem Gesetze beerbt. Die klagende Tochter belangt ihre Mutter und ihren Bruder auf Teilung des väterlichen Nachlasses und Herausgabe ihres Erbteiles, während die Beklagten verschiedene Einreden und Gegenansprüche geltend machen. In der gegenwärtigen Instanz handelt es sich u. a. um die Verpflichtung der Klägerin, die ihr laut Ehevertrages vom 7. Juli 1865 von beiden Eltern zugesicherte und demnächst mitgegebene Mitgift von 6000 fl. = 10285,71 M zum vollen Betrage zu konferieren, sowie um den Anfangspunkt der Zinspflicht der Klägerin in Ansehung dieses Kollationspostens. Die erste Instanz hat letzteren Anspruch überhaupt abgewiesen, das Oberlandesgericht dagegen die Klägerin schuldig erkannt, 5 % Zinsen von 5142,88 M vom 24. Februar 1883, als dem Tage der Zustellung der Klagebeantwortung, an zu entrichten.
Die Beklagten beantragen in dieser Beziehung in der Revisionsinstanz:
"den Zinsanspruch zur Mitgift vom 4. September 1865, als dem Tage der Hingabe, eventuell vom 1. November 1883, als dem Tage der Erbschaftseröffnung, an für begründet zu erachten."
Die Beschwerde wurde verworfen aus nachstehenden Gründen:
Gründe
... "Mit Unrecht rügen die Revisionskläger, daß der Berufungsrichter rechtsirrtümlich den Anspruch auf Verzinsung der Mitgift der Klägerin vom Empfangstage (4. September 1865), eventuell vom Todestage des Erblassers (1. November 1882) an verworfen und statt dessen die Klägerin schuldig erkannt habe, 5 % Verzugszinsen vom Tage der Mahnung (Mitteilung der Klagebeantwortung) ab zur Kollation zu bringen. Der angefochtenen Entscheidung mußte vielmehr auch in dieser Beziehung beigetreten werden.
Es haben zwar einige ältere Rechtslehrer, namentlich1 behauptet, daß ein Miterbe die von dem Gegenstande der Kollation noch zu Lebzeiten des Erblassers gezogenen Früchte in die Erbmasse einzuwerfen verpflichtet sei. Diese Ansicht ist jedoch ganz irrig und bedarf kaum einer Widerlegung. Der kollationspflichtige Miterbe ist erst mit dem Erbschaftsantritte zur Einwerfung des Vorempfanges verbunden und hat dasjenige, was er vom Erblasser durch Verfügung unter Lebenden im voraus erhielt, zufolge der Anordnung des Erblassers als sein Eigentum in Besitz. Bei der regelmäßig eintretenden Wertskollation müßte sich in den Gesetzen irgend ein Ausspruch finden, der sich dahin deuten ließe, daß bei der Einwerfung in die Erbmasse die vor dem Tode des Erblassers gezogenen oder gar zu ziehen gewesenen Früchte und Zinsen in Anrechnung zu bringen seien. Das römische Recht enthält aber nicht einmal eine Andeutung darüber. Zu einem anderen Ergebnisse gelangt man auch nicht bei Anwendung der Grundsätze des deutschen Rechtes, wonach der Miterbe den Wert des Vorempfanges zur Zeit der Hingabe und nicht, wie nach römischem Rechte, diesen Wert zur Zeit des Todes des Erblassers konferieren muß. Denn immerhin gehört der Gegenstand des Vorempfanges zum Vermögen des Miterben, und es werden Zinsen und Nutzungen, welche der letztere bis zum Tode des Erblassers bezogen hat, niemals in die Masse eingeworfen.
Was aber die Frage betrifft, wann nach dem Tode des Erblassers die Verbindlichkeit zur Verzinsung des Vorempfanges anfange, so ist im vorliegenden Falle darüber nicht zu befinden, ob die Klägerin die Zinsbeträge der unmittelbar nach ihrer Verheiratung als Mitgift erhaltenen Wertpapiere von der Zeit des Erbschaftsanfalles oder von irgend einem anderen Zeitpunkte an unter dem Gesichtspunkte der Accessionen - der gezogenen Nutzungen - zu konferieren habe. Denn nach dem Thatbestande hat zwar die Klägerin jene Mitgift teils durch Übergabe von 3 1/2 % und 4 % Wertpapieren, teils durch Hingabe eines Handscheines, teils bar mit 1371,43 M empfangen; es haben aber die Beklagten Wertskollation verlangt und nicht zu behaupten vermocht, daß die Wertpapiere noch in Natur vorhanden seien. Es handelt sich mithin um die Verpflichtung zur Vergütung der vom Werte des Vorempfanges zu ziehen gewesenen Zinsen. Bei solchem Sachverhalt führt ausschließlich der wirkliche, durch Interpellation begründete Verzug des Kollationspflichtigen dessen Zinsverbindlichkeit herbei, und es ist für diese weder der Erbschaftsanfall, noch der Erbschaftsantritt oder die Erbteilung entscheidend. Der Beginn der Teilung ist unerheblich, weil der Vorempfang auch nach dem Tode des Erblassers im Eigentume des Kollationspflichtigen verbleibt und dieser nur auf Verlangen der Miterben darin willigen muß, daß das Konferendum unter Zurechnung zum Nachlasse des Verstorbenen ihm auf seinen Erbteil angerechnet werde. Durch die Eröffnung und den Antritt der Erbschaft wird bloß die Fälligkeit und Klagbarkeit der Kollationspflicht herbeigeführt, keineswegs ein Verzug des Miterben in deren Erfüllung. Dieser tritt nicht von selbst ein, sondern bedarf einer besonderen Begründung. In 1. 5 §. 1 Dig. de collat. 37, 6 ist die Mora als Voraussetzung der Zinspflicht aufgestellt, nicht aber die Fälligkeit der Kollationspflicht überhaupt als ein selbständiger Fall des Eintrittes des Verzuges anerkannt.
Zur Herbeiführung des Verzuges gehört an sich nicht die Geltendmachung des Kollationsanspruches im Rechtswege. Allein die Beklagten haben sich nicht darauf berufen, daß sie vor der Zustellung der Klagebeantwortung das Ansinnen an die Klägerin gestellt haben, das streitige Konferendum zur gemeinen Teilung zu bringen.
Daß endlich diese Entscheidung weder mit dem Grundgedanken der Kollation - der Billigkeit und der Absicht der Gleichstellung der Miterben - überhaupt, noch mit dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall in Widerspruch steht, hat die vorige Instanz zutreffend ausgeführt."
- 1. Vinnius, Tract. de collat. 1664 cap. 11 §§. 3. 4,