RG, 16.01.1884 - III 251/84
Ist in der Vorschrift des §. 11 Ziff. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1879, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, wonach gegen den Singularsuccessor desjenigen, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen ist, die gegen den letzteren begründete Anfechtung stattfindet, wenn er zu den in §. 3 Nr. 2 genannten Personen gehört und nicht beweist, daß er zur Zeit seines Erwerbes von den Umständen, welche die Anfechtung gegen den Rechtsvorgänger begründen, keine Kenntnis gehabt habe, eine Erweiterung des Umfanges der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen im Verhältnisse zu den Grundsätzen des gemeinen Rechtes enthalten?
Frist der Verjährung der Paulianischen Klage nach gemeinem Rechte.
Tatbestand
Der Ehemann der Beklagten, der Halbmeier Kn. zu Leese, übertrug mittels Vertrages vom 5. April 1875 seinem Schwiegervater F. seine zu Leese belegene Halbmeierstelle, sowie sein sonstiges Vermögen gegen bestimmte Gegenleistungen. F. übertrug die Stelle durch Vertrag vom 23. Dez. 1876 auf seine Tochter, die jetzige Beklagte. Am 8. Juli 1880 erwirkte der Kläger ein Urteil, durch welches der Halbmeier Kn. zur Zahlung von 1694 M verurteilt wurde. Er betrieb die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner Kn., dieselbe blieb jedoch erfolglos, Kn. leistete im Jahre 1882 den Offenbarungseid und ist seitdem verschwunden. Der Kläger hat nun gegen die Beklagte die gedachten beiden Verträge als fraudulös angefochten und sich dabei namentlich auf die Bestimmungen in §§. 3. 11 des Gesetzes vom 21. Juli 1879 bezogen. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt, insbesondere bestritten, daß ihr Ehemann die Stelle, in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, veräußert, und daß ihr Vater oder sie von den die Anfechtung begründenden Umständen Kenntnis gehabt haben, auch in der Berufungsinstanz die Einrede der Verjährung vorgeschützt. Beide Vorderrichter haben angenommen, daß die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1879 Anwendung finden, und die Klage bezüglich des Vertrages vom 5. April 1875 für begründet erkannt.
Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des Oberlandesgerichtes aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Da das von dem Kläger angefochtene Rechtsgeschäft, die Übergabe der dem Ehemanne der Beklagten gehörigen Halbmeierstelle zu Leese an seinen Schwiegervater, den Bürger F. zu Schlüsselburg, am 5. April 1875 abgeschlossen worden ist, so finden die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1879, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, in Gemäßheit der Bestimmung in §.14 des Gesetzes auf die vorliegende Klage nur Anwendung, sofern dieses Rechtsgeschäft nicht nach den Vorschriften der bisherigen Gesetze der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfange unterworfen war. Es muß also die erhobene Klage sowohl nach diesem Reichsgesetze, als nach dem bisherigen Rechte, den Vorschriften des hannoverschen Anfechtungsgesetzes vom 2. Juli 1864, beziehungsweise den über die actio Pauliana im gemeinen Rechte bestehenden Rechtsnormen begründet sein.
Das Oberlandesgericht erachtet, in Übereinstimmung mit dem Landgerichte, die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 1879 für die Entscheidung maßgebend, weil die beiden, die Anwendbarkeit derselben auf vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vorgenommene Rechtshandlungen ausschließenden, in §. 14 a. a. O. aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Es nimmt zunächst an, daß nach dem in dieser Beziehung durch das hannoversche Gesetz vom 2. Juli 1864 nicht abgeänderten gemeinen Rechte die Anfechtung einer Rechtshandlung des Schuldners richtiger Ansicht zufolge auch gegen den Singularsuccessor des ersten Erwerbers zulässig sei, sofern derselbe die fraudulöse Absicht des Schuldners gekannt habe, und führt dann aus, daß, wenn danach der Erwerb der Beklagten, den Beweis der klägerischen Behauptungen vorausgesetzt, an sich der Anfechtung unterliege, derselbe auch durch Verjährung nach dem bisherigen Rechte der Anfechtung nicht entzogen sei. Denn da nach §. 2 des Gesetzes vom 2. Juli 1864 der Lauf der Verjährung beginne, wenn das Verfahren behufs zwangsweiser Beitreibung der Forderung des Gläubigers ergeben habe, daß das Vermögen des Schuldners zur Tilgung derselben nicht ausreiche, da ferner nach dem gemeinen Rechte dem annus utilis das quadrienium continuum als Verjährungsfrist auch für Fälle der vorliegenden Art substituiert sei, so könne im vorliegenden Falle die Verjährung noch nicht abgelaufen sein, weil das zu vollstreckende Urteil erst am 8. Juni 1880 erlassen, die Anfechtungsklage aber bereits im Jahre 1883 erhoben sei.
Ebensowenig aber sei der Umfang der Anfechtung für den vorliegenden Fall durch das Gesetz vom 21. Juli 1879 vergrößert; denn die in §. 11 Ziff. 2 gegebene, im gemeinen Rechte nicht anerkannte Beweisregel könne als solche als eine Erweiterung des Umfanges der Anfechtbarkeit im Sinne jener Bestimmung des §. 14 nicht angesehen werden.
Der Berufungsrichter verwirft sodann die von der Beklagten vorgeschützte Einrede der Verjährung, weil der auf das Gesetz vom 21. Juli 1879 gestützten Klage nur eine zehnjährige Verjährung entgegenstehen würde.
Die Revisionsklägerin hat diese Erwägungen des Berufungsgerichtes und die auf sie gestützte Entscheidung mit Recht als auf der Verletzung des Gesetzes beruhend angefochten.
Durch die 1. 7 Cod. de temp. in integr. rest. 2, 53 ist die im gemeinen Rechte für die Paulianische Klage bestimmte einjährige Verjährungsfrist nicht in eine vierjährige verwandelt worden. Denn die auf die Restitution wegen Minderjährigkeit und Abwesenheit sich beziehende Vorschrift der I. 7 a. a. O. läßt ihres singulären Charakters wegen eine Ausdehnung auf andere Fälle nicht zu.1
Die Verjährung der angestellten Klage konnte daher aus dem vom Berufungsgerichte geltend gemachten Grunde nicht für ausgeschlossen erachtet werden, es war vielmehr festzustellen, ob bei Anstellung der Klage die einjährige Verjährungsfrist von dem Zeitpunkte an, wo das Verfahren wegen zwangsweiser Beitreibung der Forderung des Klägers ergeben hatte, daß das Vermögen des Schuldners K. zu deren Befriedigung nicht ausreiche, abgelaufen war. Denn wenn dieses der Fall war, so würde nicht das Gesetz vom 21. Juli 1879 zur Anwendung zu bringen sein, da eine bereits vollendete Klageverjährung in Ansehung ihrer Voraussetzungen und Wirkungen nach dem bisher geltenden Rechte zu beurteilen ist, weil die Bestimmungen desselben für die Beklagte günstiger sein würden, als diejenigen des Gesetzes vom 21. Juli 1879. Ob aber zur Zeit der Anstellung der vorliegenden Klage die Verjährung bereits vollendet war, ist nach den getroffenen Feststellungen nicht zu ersehen. Denn es steht weder fest, wann die auf Grund des Urteiles vom 8. Juni 1880 von dem Kläger gegen den Ehemann der Beklagten eingeleitete Zwangsvollstreckung begonnen und die Unzulänglichkeit des Vermögens des Schuldners zur Befriedigung des Klägers ergeben hat, sondern nur, daß der Kläger die Zwangsvollstreckung erfolglos gegen K. betrieben und dieser im Jahre 1882 den Offenbarungseid geleistet hat, noch ist der Tag der Klagerhebung festgestellt. Es fehlt allerdings in beiden Richtungen an den erforderlichen Angaben vonseiten der Beklagten. Allein, wäre das Berufungsgericht nicht von dem von ihm seiner Entscheidung zu Grunde gelegten unrichtigen Rechtssatze ausgegangen, so hätte es durch Ausübung des Fragerechtes (§. 130 C.P.O.) die Beklagte zur Ergänzung ihrer ungenügenden Angaben bezüglich der von ihr vorgeschützten Einrede der Verjährung veranlassen müssen.
War schon aus diesem Grunde das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen, so ist auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichtes über die Bedeutung der Vorschrift in §.11 Ziff. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1879 nicht zu billigen.
Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß nach dem bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 geltenden gemeinen Rechte die Anfechtung einer Rechtshandlung des Schuldners mit der actio Pauliana gegen den Singularsuccessor des mit dem Schuldner Kontrahierenden nur unter der Voraussetzung statthaft war, daß derselbe die fraudulöse Absicht des Schuldners kannte, daß er also selbst in bösem Glauben erworben hatte (1. 9 dig. aque in fraudem cred. 42, 8). Es bildete daher die Behauptung und der Nachweis des bösen Glaubens des beklagten Singularsuccessors eine wesentliche Voraussetzung der Begründung der Klage. Nach §. 11 Ziff. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1879 bedarf es dagegen dieser Behauptung und Nachweisung zur Begründung der Anfechtungsklage gegen den Rechtsnachfolger dessen, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen ist, nicht mehr, sofern derselbe zu den in §. 3 Ziff. 2 erwähnten Personen gehört. Die Anfechtung gegen den Rechtsnachfolger findet vielmehr, wenn sie gegen den Rechtsvorgänger desselben begründet ist, in diesem Falle statt, sofern der Rechtsnachfolger nicht beweist, daß er zur Zeit seines Erwerbes von den Umständen, welche die Anfechtung gegen seinen Rechtsvorgänger begründen, keine Kenntnis gehabt habe. Mit Unrecht erblickt hierin der Berufungsrichter lediglich eine Beweisregel und nicht eine Erweiterung der Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des Schuldners im Sinne des §. 14 a. a. O. Es handelt sich vielmehr um eine Bestimmung des materiellen Rechtes, durch welche die Anfechtungsklage gegen den Rechtsnachfolger dessen, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen ist, sofern er zu den in §. 3 a. a. O. aufgeführten Personen gehört, wesentlich erleichtert wird, indem das Vorhandensein des bösen Glaubens des Beklagten als vorhanden unterstellt und dem letzteren nur der Gegenbeweis vorbehalten wird. In einer solchen Erleichterung der Voraussetzungen der Anfechtungsklage liegt aber offenbar eine Erweiterung des Umfanges der Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen des Schuldners. Indem eine nach dem bisherigen Rechte nur unter weiteren Voraussetzungen zulässige Anfechtungsklage jetzt ohne das Vorhandensein dieser Voraussetzungen statthaft ist, werden die Grenzen der Anfechtbarkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes erweitert. Es durfte daher der gegen die Beklagte erhobene Anspruch nicht deshalb auf Grund der Vorschrift in §.11 Ziff. 2 a. a. O. für begründet erkannt werden, weil die von dem Berufungsgerichte als erwiesen erachteten Thatsachen die erhobene Anfechtung gegenüber dem Vater der Beklagten, F., begründen, und weil die Beklagte einen Beweis ihrer Unkenntnis dieser Thatsachen nicht angetreten habe, sondern es hätte das bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 21. Juli 1879 geltende Recht zur Anwendung gebracht und daher festgestellt werden müssen, daß die Beklagte bei dem Erwerbe der fraglichen Halbmeierstelle durch den mit ihrem Vater am 23. Dezember 1876 abgeschlossenen Vertrag Kenntnis von der Absicht ihres Ehemannes, durch die Veräußerung seiner Halbmeierstelle an ihren Vater seine Gläubiger zu benachteiligen, gehabt habe. Kläger hat auch behauptet und unter Beweis gestellt, daß Beklagte diese Kenntnis gehabt habe, und das Landgericht hat, jedoch ohne Angabe von Gründen, in den Entscheidungsgründen eventuell hervorgehoben, daß die Mitwissenschaft der Beklagten nach Lage der Sache nicht zu bezweifeln sei. Da es jedoch in dieser Richtung an den erforderlichen Feststellungen fehlt, so kann die Entscheidung in der Sache noch nicht erfolgen, dieselbe mußte vielmehr zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden."
- 1. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 4 S. 34.