RG, 08.01.1884 - II 330/83

Daten
Fall: 
Letztwillige Zuwendung
Fundstellen: 
RGZ 11, 305
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.01.1884
Aktenzeichen: 
II 330/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

1. Ist eine letztwillige Zuwendung, welche den Nießbrauch am Nachlasse des Verstorbenen zum Gegenstande hat, als ein Universalvermächtnis oder ein Vermächtnis unter einem Universaltitel aufzufassen?
2. Kann ein solcher "Nießbrauch" aus §. 28 des zuletzt genannten Gesetzes als "Inhaber der Erbschaft" oder als "Nachlaßverwalter" verhaftet erachtet werden?

Tatbestand

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen sind vorstehende Fragen verneinend entschieden worden, aus folgenden Gründen:

Gründe

"Was die streitige Steuerpflicht des Klägers angeht, so kann diese, wie von den vorigen Richtern zutreffend angenommen ist, auf §. 27 Nr. 3 des Erbschaftssteuerges. nicht gestützt werden. Nach der bezogenen Bestimmung sind für die von einem Nachlasse zu entrichtende Steuer außer den Miterben auch die Erwerber eines Universalvermächtnisses oder eines Vermächtnisses unter einem Universaltitel solidarisch verpflichtet. Ein solches Vermächtnis liegt aber hier, wo es sich um das Legat des Nießbrauches an dem Nachlasse der Verstorbenen, handelt, nicht vor.

Der Wortlaut der Artt. 1003. 1010 code civil, welche Sitz der Materie sind, ist klar und in diesem Sinne entscheidend. Der Legatar des Nießbrauches succediert nicht in universum jus defuncti, weder ganz noch zu einem aliquoten Teile, er erwirbt kein Eigentum, sondern nur ein dingliches Recht, ein temporäres Genußrecht - und an dieser rechtlichen Natur des Nießbrauches ändert es auch nichts, mag derselbe eine einzelne Sache oder eine Universitas zum Gegenstande haben.

Allerdings spricht Art. 610 Code civil von einem legataire universel und à titre universel de l'usufruit, indes ist diese Bezeichnung wohl auf den Umfang des Nießbrauches, nicht aber auf den gesetzlichen Charakter des legierten Rechtes zu beziehen, wie denn auch im Art. 612 a. a. O. nur von einem usufruitier universel bezw. à titre universel die Rede ist. Sodann kann auch der Umstand, daß ein solcher Nießbrauchs zu den Schulden des Nachlasses beizutragen verpflichtet ist, nicht von entscheidender Bedeutung sein. Es handelt sich nämlich hier nicht von einer persönlichen Verbindlichkeit den Gläubigern gegenüber, wie die Artt. 1009. 1012 sie den Universallegataren bezw. den Legataren unter Universaltitel auferlegen, vielmehr liegt dem Nießbrauchs des Nachlasses nur dem Eigentumserben gegenüber die Verpflichtung ob, die Lasten, welche auf den Revenüen desselben haften, Zinsen, Leibrenten, Alimentenzieler zu tragen, d. h. sich um den Betrag der letzteren diese Revenüen kürzen zu lassen, während den Gläubigern bezüglich des Kapitales ein direkter Anspruch gegen den Nießbrauchs nicht zusteht.1

Die vorstehende Auffassung ist auch die in Doktrin und Rechtsprechung vorherrschende, wie aus Sirey, Cod. annot.. 3. Ausg. S. 640 zu Art. 1010 Code civil sich ergiebt. Hinzuzufügen Arntz, Bd. 2 Nr. 2067.

Wie das Oberlandesgericht schon hervorhebt, ist in §. 27 des Entwurfes - §. 28 des Erbschaftssteuergesetzes - die Bezeichnung " Inhaber der Erbschaft", welche nach der Erklärung des Regierungskommissars gerade die Nießbraucher treffen sollte, von der Kommission des Abgeordnetenhauses,2 weil eine anomale Ausdehnung der Haftpflicht enthaltend, gestrichen, und kann daher auch eine solche etwaige Innehabung des Nachlasses seiner Ehefrau die Steuerpflicht des Klägers nicht begründen.

Ohne Rechtsirrtum haben seiner die Vorinstanzen ausgesprochen, daß letzterer nicht als " Nachlaßverwalter" (§. 28 a. a. O.) in Anspruch genommen werden kann, da diese Bezeichnung in ihrer technisch juristischen Bedeutung aufzufassen ist, im übrigen auch irgend welche bestimmte Verwaltungshandlungen desselben nicht artikuliert sind."

  • 1. Vgl. namentlich die Ausführungen von Aubry und Rau Bd. 7 S. 468 Nr. 19; Démolombe Bd. 21 Nr. 586 und Laurent Bd. 16 Nr. 526.
  • 2. vgl. Stenograph. Berichte 1872/73 Anl. Bd. 5 S. 843,