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RG, 04.01.1884 - III 227/83

Daten
Fall: 
Kauf nach Probe
Fundstellen: 
RGZ 11, 36
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.01.1884
Aktenzeichen: 
III 227/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kiel
  • OLG Kiel

Kauf nach Probe. Unter welchen Voraussetzungen hat beim Streite über die Probemäßigkeit der gelieferten Ware der Käufer, welcher die ihm übergebe Probe nicht aufbewahrt hat, die Beweislast zu tragen?

Tatbestand

Der Beklagte hatte von dem Kläger Kokuskuchen und Palmkuchen in größeren, ratenweise zu liefernden Quantitäten gekauft. Die Parteien waren darüber einverstanden, daß der Kauf nach Probe abgeschlossen und dem Beklagten eine Probe der Waren übergeben worden sei. Näheres über den Hergang des Kaufabschlusses und der Aushändigung der Probe war nicht festgestellt und auch nicht behauptet worden. Der Beklagte hatte jedoch einige Briefe des Klägers zu den Alten geliefert, aus deren in dem Thatbestande der Vorinstanzen nicht verwerteten Inhalte sich zu ergeben schien, daß der Beklagte zunächst von den ihm offerierten Kokuskuchen einen Centner zur Probe gekauft, mit Übersendung desselben auch zugleich eine kleinere Probe der offerierten Palmkuchen erhalten und alsdann auf Grund dieser beiden Proben den obigen Kauf abgeschlossen hatte. Der Beklagte hatte festgestelltermaßen die Proben verbraucht. Nachdem der Beklagte die früheren Ratenlieferungen empfangen und bezahlt hatte, verweigerte er die Annahme der letzten Rate beider Waren. Der Kläger ließ die vergeblich angebotenen Waren im Wege des Selbsthilfeverkaufes versteigern und klagte die Differenz des Erlöses der Versteigerung und des bedungenen Preises gegen den Beklagten ein. Der Beklagte setzte der Klage, neben anderen schließlich verworfenen Einreden, auch den Einwand entgegen, daß die versteigerten Waren der Probe nicht entsprochen hätten, trat aber hierfür keinen Beweis an. Der Kläger behauptete die Probemäßigkeit derselben; er suchte zugleich auszuführen, daß die bezügliche Beweislast infolge des Verbrauches der Probe auf den Beklagten übergegangen sei, und trat nur eventuell den Beweis der Probemäßigkeit an. Das den Beklagten nach dem Klagantrage verurteilende Urteil des Berufungsgerichtes verwarf den gedachten Einwand, weil die Beweispflicht des Beklagten aus dem nachstehend ersichtlichen Grunde zu bejahen sei und derselbe es an einer Beweisantretung habe fehlen lassen. Auf die Revision des Beklagten hob das Reichsgericht dieses Urteil auf und wies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück aus folgenden Gründen.

Gründe

1... "Die Entscheidung über die Beweislast in betreff der Probemäßigkeit der im Wege der Selbsthilfe verkauften Waren ist mit Recht angefochten. Die Vorinstanz hat für die von ihr angenommene Übertragung der Beweislast auf den Beklagten nur den Grund angegeben, daß der Beklagte die ihm übergebene Probe verbraucht und dadurch dem Kläger die Führung des demselben an sich obliegenden Beweises der Probemäßigkeit der Ware wesentlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht habe. Dieser Grund ist nicht ausreichend, die getroffene Entscheidung rechtlich zu begründen.

Eine Verhaftung des Beklagten für den dem Kläger in betreff seiner Beweisführung durch den Verbrauch der Probe erwachsenen Nachteil kann nur daraus begründet werden, daß der Beklagte dem Kläger gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Probe aufzubewahren. Zur Begründung einer solchen Verpflichtung bedarf es aber einer entsprechenden, ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien. Der Umstand, daß der Kläger wegen seiner Beweislast an der Erhaltung der Probe interessiert war, kann zwar für die Auslegung des mit der Aushändigung der Probe an den Beklagten stillschweigend verbundenen Vertragswillens von Bedeutung werden, ist aber an sich nicht imstande, den Beklagten zur Aufbewahrung der Probe zu verpflichten. Der Verkäufer befindet sich auch beim Handel nach Probe, wenn die Probe nicht mehr vorhanden ist, in betreff seiner Beweislast in keiner schwierigeren Lage, als diejenige ist, welche er unabweislich zu tragen hat, wenn z. B. bedungen ist, daß die verkaufte Ware von derselben Beschaffenheit sein solle, wie eine von ihm bei irgend einer früheren Gelegenheit an den Käufer oder an einen Dritten gelieferte Ware.

Beim Handel nach Probe wird gewöhnlich in der Weise verfahren, daß die Probe bei den Verhandlungen über den Kaufabschluß von dem Verkäufer vorgezeigt und erst beim Abschlusse des Kaufes2 sich ausdrückt, nach dem Abschlusse des Kaufes an den Käufer ausgehändigt wird. Bei diesem Verfahren kann, da die Bestimmung der Probe, für die Verkaufsofferte die Beschaffenheit der angebotenen Ware und für den Inhalt des Kaufvertrages die Beschaffenheit der verkauften und zu liefernden Ware, statt einer wörtlichen Beschreibung derselben zu bezeichnen, bereits durch den Abschluß des Kaufes erledigt ist, die Aushändigung der Probe an den Käufer nur veranlaßt sein durch die Absicht der Kontrahenten, daß der Käufer dieselbe zum Zwecke der demnächstigen Kontrollierung der vertragsmäßigen Beschaffenheit der gelieferten Ware aufbewahren solle, und hieraus folgt, daß der Käufer, wenn er demnächst die Vertragsmäßigkeit der gelieferten Ware bestreitet, die Probe zu ihrer Begleichung mit derselben wieder vorlegen muß, sowie daß, wenn er inzwischen, dieser Verpflichtung zuwider, die Probe abhanden gebracht oder ihr Abhandenkommen verschuldet hat, er zur Ausgleichung des dem Verkäufer durch sein vertragswidriges Verhalten zugefügten Nachteiles demselben die Beweislast abzunehmen hat. Wenn dagegen dem Käufer die Probe schon während der Handlungen über den Kaufabschluß zur Bezeichnung der ihm angebotenen Ware ausgehändigt worden ist, so kann der Zweck ihrer Aushändigung bloß darin bestanden haben, daß der Empfänger über die Beschaffenheit der Ware vergewissert werden solle, es kann demselben auch gestattet sein sollen, die ganze Probe behufs ihrer näheren Untersuchung zu konsumieren, und es hängt daher hierbei von den konkreten Umständen ab, ob angenommen werden darf, daß der Käufer durch den Empfang der Probe bezw. durch den nachfolgenden Kaufabschluß sich zu deren, Aufbewahrung verpflichtet habe. Endlich ist ein Kauf nach Probe - wenigstens in einem weiteren Sinne dieses Ausdruckes - auch dann vorhanden, wenn der Käufer im Laufe der Verhandlungen über ein größeres Kaufgeschäft zunächst eine kleinere Quantität von der ihm angebotenen Ware zur Probe kauft unter Erklärung dieses Beweggrundes und nach Empfang derselben den entsprechenden weiteren Kauf abschließt. In diesem Falle liegen zwei Kaufgeschäfte vor, das erste ein Kauf zur Probe (Art. 341 H.G.B.) und das zweite ein Kauf nach Probe (Art. 340); die Warenquantität, welche für das erste Geschäft das Kaufobjekt ist, nimmt zugleich für das zweite Geschäft die Stelle der Probe ein. Da an dem Inhalte des ersten Kaufvertrages durch die Erklärung des Beweggrundes nichts geändert worden ist, so durfte der Käufer vermöge dieses Kaufes über die zur Probe gekaufte Ware unbeschränkt verfügen, und es hing auch von seinem Belieben ab, ob er hiernach die weiteren Vertragsverhandlungen fortsetzen oder abbrechen wollte. Konnte also der Verkäufer nicht beanspruchen, daß der Käufer sich im Zeitpunkte des nachfolgenden Abschlusses des Kaufes nach Probe noch im Besitze dieser Ware befinde, so kann auch aus diesem zweiten Vertrage eine Verpflichtung des Käufers, dieselbe ganz oder teilweise als Probe aufzubewahren, nicht hergeleitet werden, es sei denn, daß er eine solche Verpflichtung besonders übernommen habe.

Daß die Voraussetzung der Aufbewahrungspflicht des Käufers in einem gegebenen Falle vorhanden sei, muß von dem Verkäufer dargelegt werden.

In vorliegender Sache ist über die näheren Umstände, unter welchen der Abschluß des Kaufes und die Aushändigung der Probe an den Beklagten stattgefunden hat, von der Vorinstanz nichts festgestellt und auch vom Kläger nichts angeführt worden. Hiernach ist das angefochtene Urteil wegen Rechtsirrtümlichkeit seiner Entscheidung aufzuheben und die noch nicht spruchreife Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen." ...

  • 1. Thöl, Handelsr. Bd. 1 6, Aufl. §. 260 N. 3; Croppin Heyse u. Crop, Jur. Abh. Bd. 1 S.212; p v. Hah, Komm. Bd. 2 Aufl. 2 zu Art. 340, §. 9; n Brinckmann, Handelsr, §. 82; Endemann, Handelsr, §.117 N. 6 ("Hat der Käufer die (ihm übergebene) Probe verwahrlost, so soll er nach der gewöhnlichen Annahme den vollen Beweis der Unprobemäßigkeit liefern." - "Reichsoberhandelsgericht in seinen Entsch. Bd. 9 Nr. 10 und Seuffert, Archiv Bd. 29 Nr. 178; Entsch. Bd. 20 Nr. 19 u. Seuffert, Archiv Bd. 31 Nr. 326 (mit dem Zusatze, daß der Käufer " wenigstens in den gewöhnlichen Fällen" eventuell verpflichtet ist, die offerierte Ware anzunehmen, wenn sie derjenigen Art, über welche kontrahiert wurden war, angehört und " Handelsgut mittlerer Güte (Art. 335 H.G.B.) ist"); das O.A.G. zu Lübeckin dessen Entsch. "Hamburger Sammlung" Bd. 1 S. 485; Bd. 2 G. 808; Seuffert, Archiv Bd. 23 Nr. 74.
  • 2. vgl. Cropp in Heise und Cropp, Jurist. Abh. Bd. 1 S. 208; auch v. Hahn, Komm. Bd. 2 2. Aufl. §. 8 zu Art. 340, oder wie genauer Thöl, Handelsr. Bd. 1 6. Aufl. §. 260 Nr. 3,