RG, 04.01.1884 - III 229/83

Daten
Fall: 
Dinglichen Klagen expressa causa
Fundstellen: 
RGZ 10, 434
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.01.1884
Aktenzeichen: 
III 229/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kassel
  • OLG Kassel

Muß bei dinglichen Klagen expressa causa geklagt werden und ist die Einführung eines neuen Erwerbsgrundes nach Zustellung der Klage als unzulässige Klagänderung anzusehen?

Aus den Gründen

... "Dem Berufungsrichter ist darin beizustimmen, daß er insoweit, als die vorliegende Eigentumsklage in der zweiten Instanz auf einen neuen Erwerbsgrund gestützt werden will, eine unzulässige Klagänderung angenommen hat.

Nach Beschaffenheit des Falles ist die Richtigkeit dieser Annahme davon abhängig, ob für die Eigentumsklage das Erfordernis aufgestellt werden muß, daß expressa causa, geklagt werde. In der früheren deutschen Gerichtspraxis und von den Schriftstellern des gemeinen deutschen Prozesses ist vorherrschend dieses Erfordernis für notwendig erachtet worden. Aber auch nach der Civilprozeßordnung, welche nunmehr die allein maßgebende Norm für die Entscheidung der Frage bildet, ist dieselbe im gleichen Sinne zu beantworten.

Der §. 230 Nr. 2 C.P.O. verlangt von der Klageschrift die bestimmte Bezeichnung des Grundes des erhobenen Anspruches und will hierunter, was nicht zweifelhaft sein kann, die Angabe des s. g. Klagegrundes verstanden wissen. Was Klagegrund sei, definiert die Civilprozeßordnung des näheren nicht. Der §. 240 a. a. O. giebt nur negative Merkmale für diese Begriffsbestimmung an die Hand, wogegen die §§. 235. 293. 489 die Wirkungen festsetzen, welche mit der vorschriftsmäßigen Erhebung eines Anspruches, bezw. mit der Geltendmachung eines Klagegrundes für das betreffende Prozeßverfahren verbunden sind. Dagegen enthalten die Motive zur Civilprozeßordnung eine Definition des fraglichen Begriffes, indem sie aus Anlaß des §. 230 Nr. 2 sich dahin aussprechen, daß unter Klagegrund diejenigen Tatsachen zu verstehen seien, welche an sich geeignet sind, den erhobenen Anspruch als in der Person des Klägers entstanden und zugleich als durch den Beklagten verletzt erscheinen zu lassen. Diese Erläuterung steht in Übereinstimmung mit dem Sinne, welchen die Gesetzesworte (§. 230 Nr. 2 a. a. O.) ergeben, und wird überdies nicht unwesentlich unterstützt durch die Vorschrift des §. 296 C.P.O.1

Hieraus folgt, daß auch bei dinglichen Klagen der Entstehungsgrund des streitigen Rechtes einen Teil des Klagegrundes bildet. Die bloße Bezeichnung des dinglichen Rechtes, welches geltend gemacht wird, kann diesem wesentlichen Erfordernisse des Klagegrundes nicht genügen. Damit wird zwar das Rechtsverhältnis, welches der Klage zu Grunde gelegt und aus welchem ein Anspruch abgeleitet ist, seinem Gegenstande und seinem allgemeinem Charakter nach erkennbar gemacht, allein es fehlt die "bestimmte Angabe des Grundes des erhobenen Anspruches", nämlich die Darlegung derjenigen Thatsachen, welche geeignet sind, den Anspruch zu erzeugen und als in der Person des Klägers erwachsen erscheinen zu lassen. Ohne Nennung des Erwerbsgrundes mangelt somit der Regel nach die tatsächliche Substantiierung, welche das Gesetz ebensowohl für die gerichtliche Verfolgung von persönlichen, wie für diejenige von dinglichen Rechten als Erfordernis aufstellt.

Dieses Resultat steht mit dem Standpunkte, von welchem der Gesetzgeber bei §. 240 C.P.O. ausgeht, nicht im Widerspruche. Wenngleich die Absicht der hier getroffenen prozessualischen Bestimmungen dahin gerichtet ist, Änderungen am Klagevorbringen in ausgedehntem Maße zu gestalten, so ist doch die Unabänderlichkeit des Klagegrundes in positivster Weise festgehalten und damit zu erkennen gegeben, daß jede Änderung des Klagegrundes selbst als unzulässige Klagänderung zu erachten sei." ...

  • 1. Vgl. Gaupp, Kommentar Bd. 2 S. 5.