RG, 22.10.1881 - I 585/81
1. Ist die Befugnis, einen bestimmten Familiennamen zu führen, ein im Rechtswege verfügbares Privatrecht?
2. Wer ist befugt, gegen ein uneheliches Kind auf Aberkennung des Rechtes zur Führung des Familiennamens des Erzeugers zu klagen?
3. Welche Wirkung hat die Erlaubnis des Erzeugers, seinen Familiennamen zu führen?
Tatbestand
Der außerehelich geborene Mündel der Beklagten war im Kirchenbuch einer holsteinischen Gemeinde unter dem Namen v. d. P. mit dem Bemerken eingetragen, daß die Mutter den Kläger als Vater des Kindes benannt habe. Kläger erhob Klage auf Feststellung, daß der Mündel der Beklagten nicht berechtigt sei, den Familiennamen v. d. P. zu führen, noch Wappen und Siegel derer v. d. P. zu gebrauchen. Beklagte beriefen sich darauf, daß Kläger der Vater des Kindes sei und der Mutter desselben gegenüber vor der Geburt eingewilligt habe, daß das Kind seinen Namen führen dürfe. In zweiter Instanz wurde dem Kläger auferlegt zu beschwören, daß er diese Einwilligung nicht erteilt habe, und für den Fall der Nichtleistung dieses Eides die Klage bezüglich des Familiennamens abgewiesen, für den Fall der Leistung des Eides nach dem Klagantrage erkannt. Beklagte legten Revision ein mit dem Antrage, die Klage abzuweisen. Kläger erhob Anschlußrevision mit dem Antrage, unter Beseitigung des Eides alsbald nach dem Klagantrage zu erkennen. Sowohl die Revision als die Anschlußrevision wurden zurückgewiesen.
Gründe
I.
"Die Revision der Beklagten greift das angefochtene Erkenntnis zuvörderst um deswillen an, weil die Befugnis, einen bestimmten Familiennamen zu führen, nicht als ein im Rechtswege verfolgbares Privatrecht anzusehen sei, sondern gegen unbefugte Führung von Namen und Adelsprädikaten nur im öffentlichen Interesse vorgeschritten werden könne.
Es wird allerdings darüber gestritten, ob im Gebiete des gemeinen Rechtes die gedachte Befugnis als ein Privatrecht anzuerkennen sei.1
Die Bejahung der Frage unterliegt jedoch keinem Bedenken. Wenn nach der heutigen Sitte die einzelnen Personen in der Weise unterschieden werden, daß innerhalb der menschlichen Gesellschaft zunächst die Familien durch einen Familiennamen und sodann innerhalb der durch die Familien gebildeten Gruppen deren einzelne Mitglieder durch Vornamen sich unterscheiden, und diese Sitte wegen des öffentlichen Interesses an einer festen und deutlichen Unterscheidung der Individuen durch Gesetz oder Gewohnheit zu einem Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist, so handelt es sich zunächst um eine im öffentlichen Recht begründete Pflicht, indem die Wahl des Familiennamens nicht im Belieben des Einzelnen steht, sondern jeder den Namen der Familie zu führen hat, welcher er - sei es durch die Geburt oder durch einen Rechtsakt (Verheiratung, Annahme an Kindesstatt, Legitimation) - angehört, und die im römischen Recht (l. un. Cod. de mutatione nominis 9, 25) anerkannte Freiheit der Namensänderung nicht mehr stattfindet. Dieser Pflicht entspricht aber zugleich das Recht, den Familiennamen zu führen, welches als eine aus dem Familienverbande entspringende Berechtigung dem Privatrecht angehört, wie die Familienrechte überhaupt. Wie die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Familie ein hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Wirkungen durch Rechtsnormen geordnetes Verhältnis, also ein Rechtsverhältnis, und zwar ungeachtet des zugleich obwaltenden öffentlichen Interesses an der Ordnung der Familienverhältnisse ein Privatrechtsverhältnis ist, so gilt dasselbe auch von der als Ausfluß dieses Rechtsverhältnisses erscheinenden Befugnis, die Namen und Zeichen zu führen, welche als äußere Kennzeichen der Familienangehörigkeit dienen. Das gemeine Recht stimmt hierin mit den neueren Gesetzbüchern überein; insbesondere ist das Recht zur Führung des Familiennamens als Privatrecht dadurch anerkannt, daß solche Gesetzbücher, welche nur das Privatrecht zum Gegenstände haben, Bestimmungen darüber enthalten.2
Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß über das Recht zur Führung eines bestimmten Familiennamens oder Familienwappens im Civilrechtswege entschieden werden kann. Hiermit stimmt die Rechtsprechung überein, nicht allein im Gebiete des gemeinen Rechtes.3
Auch das Reichsgericht hat bereits (Entsch. in Civils. Bd. 2 S. 147) hinsichtlich einer Familie des hohen Adels ausgesprochen, daß das Recht zur Führung des Titels und Wappens eines bestimmten adeligen Geschlechtes dem Privatrechte angehört und Gegenstand eines bürgerlichen Rechtsstreites sein kann. Wenn dies bei dem hohen Adel anzunehmen ist, obgleich die demselben angehörigen Familien Vorrechte genießen, welche dem öffentlichen Rechte angehören, so muß dasselbe um so mehr bei nichtadeligen oder dem niederen Adel ungehörigen Familien angenommen werden, denen keinerlei dem öffentlichen Rechte ungehörige Vorrechte zustehen.
Revisionskläger sind mithin dadurch nicht beschwert, daß in der vorliegenden Sache der Rechtsweg zugelassen worden ist.
Ebensowenig ist darin, daß die Klage für begründet erklärt worden ist, eine die Revision begründende Verletzung einer Rechtsnorm zu erkennen.
Es handelt sich nach dem Klagantrage darum, festzustellen, ob der Mündel der Beklagten berechtigt sei, den Familiennamen v. d. P. und das Wappen der Familie v. d. P. zu führen. Die Beklagten nehmen dieses Recht für ihren Mündel als einen außerehelichen Sohn des Klägers in Anspruch, indem sie sich zugleich auf die Einwilligung des Klägers berufen. Kläger bestreitet dem Mündel der Beklagten das in Anspruch genommene Recht, obgleich er einräumt, mit der Mutter desselben in dem der Geburt des Kindes entsprechenden Zeitraum geschlechtlichen Umgang gepflogen zu haben. Daß Kläger berechtigt ist, eine gerichtliche Entscheidung hierüber durch Klage herbeizuführen, nimmt das Berufungsgericht mit Recht an. Ob die zur Begründung dieser Annahme in dem angefochtenen Erkenntnis angeführten Gründe Zutreffend sind, kann dahin gestellt bleiben. Das Berufungsgericht scheint den Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied der Familie v. d. P. für klageberechtigt anzusehen und seine Klageberechtigung auf §. 231 C.P.O. zu gründen, indem es ausführt, daß das Interesse, den eigenen Namen und die Ehre der Familie gegen den bösen oder jedenfalls falschen Schein zu wahren, der durch die Handlungen nicht berechtigter Dritter erwachsen könnte, als ein rechtliches anzusehen sei, dem der Rechtsschutz nicht versagt werden könne. Ob diese Ausführung, nach welcher auch jedes andere Mitglied der Familie des Klägers zur Anstellung der erhobenen Klage berechtigt sein würde, für richtig zu erachten ist, kann unerörtert bleiben, weil jedenfalls dem Kläger wegen der behaupteten Vaterschaft die Legitimation zur Anstellung der erhobenen Klage ganz abgesehen von §. 231 C.P.O. zukommt. Wie eine Klage auf Feststellung der Nichtexistenz der ehelichen Vaterschaft sowohl nach gemeinem Rechte (Seuffert, Archiv Bd. 21 Nr. 29), wie nach sächsischem Rechte (Sachs. V.G.B, §. 1855) stattfindet, so ist auch demjenigen, welcher als außerehelicher Vater in Anspruch genommen wird, eine Klage auf Feststellung des Nichtvorhandenseins der außerehelichen Vaterschaft oder des daraus abgeleiteten Rechtes auf Führung seines Familiennamens nicht zu versagen. Die Anerkennung der Aktivlegitimation des Klägers stellt sich daher, wenn nicht aus dem vom Berufungsgerichte angeführten Grunde, doch aus einem anderen Grunde als richtig dar. Daher kann gemäß §. 526 C.P.O. auf die etwaige Unrichtigkeit des vom Berufungsgerichte angeführten Entscheidungsgrundes die Revision nicht gestützt werden.
Was nun die Frage betrifft, ob der Mündel der Beklagten berechtigt sei, Namen und Wappen des Klägers zu führen, so ist dieselbe, da es sich um ein mit der Geburt beginnendes persönliches Recht des Mündels handelt, nach demjenigen Rechte, welches zur Zeit der Geburt des Kindes an dem als Wohnort desselben geltenden Wohnorte der unehelichen Mutter in Geltung war, mithin nach holsteinischem Recht zu beurteilen. ...
Nach dem in Ermangelung partikularrechtlicher Normen in Anwendung kommenden gemeinen Rechte aber ist der Anspruch der Beklagten - abgesehen von der noch zu berührenden Einwilligung des Klägers - unbegründet, weil das uneheliche Kind zu seinem Erzeuger selbst bei anerkannter Vaterschaft ohne hinzugetretene Legitimation oder Annahme an Kindesstatt in keinem Familienverhältnisse steht, mithin auch keinen Anspruch auf Führung des Familiennamens und Familienwappens desselben hat.
Die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Auch die Anschlußrevision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht erklärt die Behauptung der Beklagten, daß Kläger die Führung seines Familiennamens durch das Kind gestattet oder gar selbst verlangt habe, für erheblich, indem zwar das Kind hierdurch nicht das Recht habe erwerben können, einen ihm nicht zukommenden Namen zu führen, der Kläger aber nicht befugt sei, Widerspruch gegen die Führung seines Namens zu erheben, wenn er dazu seine Einwilligung gegeben habe. Ob erstere Erwägung richtig ist, oder ob das holsteinische Recht etwa zu denjenigen Landesrechten gehört, welche dem unehelichen Kinde das Recht beilegen, den Familiennamen des Vaters zu führen, wenn derselbe zustimmt,4 würde, selbst wenn der deshalbige Anspruch des Berufungsgerichtes revisibel wäre, dennoch bei der Anschlußrevision nicht in Betracht kommen, weil die Zulassung des Einwandes der Einwilligung des Klägers nicht auf dieser Erwägung beruht. Den für die Zulassung des Einwandes angeführten Grund ficht Kläger um deswillen an, weil nicht feststehe, daß die Gestaltung, seinen Namen zu führen, durch einen Vertreter des Kindes angenommen worden sei. Wenn man nun auch unterstellt, daß die in Rede stehende Erklärung des Klägers - als Versprechen, die Führung des Namens nicht zu verhindern, oder als Verzicht auf das Recht des Widerspruches gegen die Führung desselben aufgefaßt - der Annahme bedürfte und zwar einer Annahme von seiten des Kindes, dem gegenüber das Versprechen gegeben oder der Verzicht erklärt wurde, so ist doch eine stillschweigende, durch schlüssige Handlungen kundgegebene Annahme aus der unbestrittenen Thatsache zu entnehmen, daß die Mutter des Kindes für dasselbe die Eintragung im Taufregister auf den Namen Paul v. d. P. erwirkt und das Kind diesen Namen seither unter Zustimmung der Vormünder geführt hat."
- 1. Vgl. einerseits: Einert, Erörterungen etc. 1846 S. 98. 109 flg., Gerber, System des deutschen Privatrechts §. 34 Nr. 1, Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts Bd. 3 S. 52; andererseits: Hermann im Archiv für civilistische Praxis Bd. 45 S. 166. 315 flg., Sarwey im würtembergischen Archiv Bd. 15 S. 18; Gareis in Busch, Archiv für Handelsrecht Bd. 35 S. 197 und Grundriß des deutschen Privatrechts §. 42, Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht S. 153 Nr. 13.
- 2. Vgl. Österr. A.B.G.B. §h. 92. 146. 165. 182. Sächs. B.G.B. §§. 1748. 1796. 1801.
- 3. vgl. Seuffert, Archiv Bd. 6 Nr. 6, 17 Nr. 3, 19 Nr. 114, sondern auch im Bereiche des preuß. Allgemeinen Landrechtes;
vgl. Entsch. des Ob.-Trib. zu Berlin Bd. 46 S. 193 flg. und des franz. Rechtes;
vgl. Dalloz, Rép. 1860, 2 p. 141. 143. - 4. vgl. Roth, System des deutschen Privatrechtes Bd. 2 S. 357 Nr. 2; Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechtes Bd. 3 S. 51 Nr. 4,