RG, 21.10.1881 - IVa 644/80
Haftet ein großjähriger Haussohn auch außer dem Falle des Betruges demjenigen, mit welchem er ohne väterlichen Konsens als angeblicher Bevollmächtigter eines Dritten kontrahiert hat, ohne bevollmächtigt zu sein und ohne nachträglich dessen Genehmigung zu beschaffen, für das Vertragsinteresse?
Tatbestand
Der Vater des Georg H. stand mit R. im Streit über einen Hypothekenausfall; der Kaufmann Sch. erbot sich gegen Georg H. zur Vermittlung, und Georg H. vollzog mit seinem und seines Vaters Namen einen Schein, in welchem er dem Sch. 150 M versprach, "falls die Sache mit R. geeinigt würde". Die Einigung kam zustande, aber H. sen. erkannte das Versprechen der 150 M nicht an und Sch. wurde mit seiner Klage auf Zahlung dieser Summe gegen ihn rechtskräftig abgewiesen, und zwar, nachdem Georg H, bezeugt hatte, von seinem Vater zur Erteilung jenes Versprechens nicht ermächtigt gewesen zu sein. Nunmehr belangte er den Georg H., welcher zur Zeit der Erteilung des Versprechens noch in väterlicher Gewalt gestanden, auf Grund A. L. R. I. 13. §. 9 auf dessen Erfüllung.
Der erste Richter wies die Klage ab, weil der Kläger nur das negative Vertragsinteresse beanspruchen dürfe, der zweite verurteilte den Beklagten klaggemäß, weil der Vertrag Handlungen zum Gegenstande gehabt und diese geleistet seien. Dies Erkenntnis wurde vernichtet und die Sache in die zweite Instanz zur Beweisaufnahme darüber zurückverwiesen, ob Beklagter durch die Vorspiegelung, vom Vater bevollmächtigt zu sein, den Kläger zur Leistung der Handlungen verleitet hat.
Aus den Gründen
"Nach A. L. R. II. 2. §. 125 hängt die Rechtsbeständigkeit der Handlung eines in väterlicher Gewalt stehenden, wenn auch großjährigen Sohnes von der vorhergehenden oder hinzukommenden Einwilligung des Vaters ab, sofern mit der Handlung zugleich Lasten oder Verbindlichkeiten übernommen werden sollen. Danach ist der an sich rechtsfähige, in väterlicher Gewalt stehende großjährige Sohn - soweit nicht Verfügungen über sein freies Vermögen in Betracht kommen - unfähig Verträge, welche ihn belasten, ohne Genehmigung des Vaters zu schließen.
Die Anwendung dieser Vorschrift auf den Fall, daß ein solcher Sohn namens des Vaters mit einem Dritten, ohne bevollmächtigt zu sein und ohne nachträglich Genehmigung erlangen zu können, kontrahiert, ergiebt, daß er dem Gegenkontrahenten - wenn nicht etwa Betrug vorliegt1 - für das - negative oder volle - Vertragsinteresse nicht haftbar ist. Allerdings verordnen die §§. 9. 96. 128. 171 A. L. R. I. 13, daß derjenige, welcher unbevollmächtigt als Bevollmächtigter auftritt und so kontrahiert, dem Gegenkontrahenten verantwortlich wird und ihn schadlos halten muß. Aber der Grund dieser Haftung ist culpa in contrahendo; weil der vermeintliche Bevollmächtigte in dem Vertragsschlusse und durch ihn sich stark macht, imstande zu sein, dem Gegenkontrahenten den vertragsmäßigen Anspruch gegen den angeblichen Mandanten zu verschaffen, muß er dem Gegenkontrahenten für die Nichterfüllung dieser Pflicht aufkommen. Die Fähigkeit zur Übernahme vertraglicher Verpflichtung ist also Vorbedingung dieser Verbindlichkeit. Die von Vertragsunfähigen im eigenen und die von ihnen im fremden Namen geschlossenen Verträge stehen mithin in Ansehung der persönlichen Haftbarkeit gleich.
Der Appellationsrichter hat also den §. 9 a. a. O. durch unpassende und den §. 125 A. L. R. II. 2 durch Nichtanwendung verletzt; seine Entscheidung unterliegt also der Vernichtung." ...
- 1. Vgl. u. a. A. G. O. I. 24 §. 10.