RG, 21.10.1881 - III 280/80

Daten
Fall: 
Feuerversicherung der dauernd oder vorübergehend lagernden Waren
Fundstellen: 
RGZ 11, 218
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.10.1881
Aktenzeichen: 
III 280/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Altona
  • OLG Kiel

Versicherung der in bestimmten Räumen des Versicherungsnehmers dauernd oder vorübergehend lagernden Waren "für eigene und/oder fremde Rechnung" gegen Feuersgefahr.
Unter welchen Voraussetzungen ist der Versicherungsnehmer zur Herausgabe der für verbrannte Waren empfangenen Entschädigungsgelder an den Beschädigten verpflichtet?
Wirksamkeit eines Verbotes der Versicherung seitens des Beschädigten.

Gründe

"Das klagende Handlungshaus hat im Jahre 1875 verschiedene Maschinen im Fakturawerte von 4285 M durch Vermittlung des Speditionsgeschäftes U. & Co. zu Br. an die Firma von E. & J.. zu Altona mit der Weisung gesendet, solche zur Verfügung des N. P. jun. zu Flensburg auf Lager zu nehmen. Dieselben sind in dem Lagerhause Nr. 20 der Elbstraße zu Altona untergebracht worden. Am 15. August 1875 ist dieses Lagerhaus nebst den darin befindlichen Waren durch Feuer zerstört worden.

Laut Police vom 24. Mai 1875 hatte die Firma von E. K I. bei der "Allgemeinen Versicherungs-Aktiengesellschaft Union zu Berlin" für die Summe von 25000 M "Waren aller Art für eigene und/oder fremde Rechnung, sowie Speditionsgüter" in jedem ihrer Lagerhäuser zu Hamburg und Altona gegen Feuer versichert. Sie liquidierte der Gesellschaft gegenüber den durch jene Feuersbrunst entstandenen Schaden einschließlich der vorgebuchten Maschinen zum Fakturawerte mit im ganzen 26205 M und erhielt zur Ausgleichung des Schadens die volle Versicherungssumme, jedoch unter dem Vorbehalte seitens des Versicherers ausbezahlt, daß sie den Wert derjenigen vorbenannten Gegenstände, für welche sie den Eigentümern oder sonst Berechtigten nicht ersatzpflichtig sei, zurückerstatten müsse.

Kläger verlangt nun ( im alten Verfahren) Ersatz des ihm durch den fraglichen Brand verursachten Schadens mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte als Geschäftsführerin bei der Verbringung der Maschinen in das versicherte Lagerhaus, bezw. bei Aufmachung der Schadensliquidation und Vereinnahmung der Versicherungssumme gehandelt habe, und stützt sich dabei in Ansehung der Aktivlegitimation zur Sache auf sein Eigentum an den verbrannten Maschinen, bezw. auf eine durch öffentliche Urkunde nachgewiesene Cession des Spediteurs N. P. jun. in Fl.

Beklagte zog in Abrede, daß sie mit dem klagenden Handlungshause in Beziehung gestanden habe und dieses Eigentümer der Maschinen sei; sie will die letzteren nur von U. & Co. zur Verfügung des N. P. erhalten haben; für letzteren habe sie aber um so weniger durch Abschluß des Versicherungsvertrages und Beibringung der Maschinen in ihr Lagerhaus eine Geschäftsführung vornehmen können, als ihr N. P. längere Zeit vor Ausbruch des Brandes zum Zwecke der Ersparung von Auslagen ausdrücklich untersagt habe, die für ihn bestimmten und auf Lager genommenen Waren gegen Feuer zu versichern. Die Schadensliquidation dem Versicherer gegenüber habe sich auch nur deshalb auf die streitigen Maschinen erstreckt, weil sie, die Beklagte, inhaltlich des Versicherungsvertrages zur Angabe aller in dem Lagerräume zur Zeit des Brandes befindlichen Waren ohne Rücksicht darauf, ob solche wirklich versichert seien oder nicht, verpflichtet gewesen sei, während die empfangene Versicherungssumme nur denjenigen Beschädigten zu gute kommen könne, welche nach Maßgabe der erteilten Aufträge wirklich hätten versichert sein wollen.

Nach stattgehabter Beweisaufnahme hat die erste Instanz die Klage abgewiesen, weil nach der Absicht der Kontrahenten nur diejenigen fremden Güter durch die vorliegende offene Police versichert sein sollten, zu deren Versicherung die Beklagte beauftragt oder sonstwie verpflichtet gewesen sei. Auf Berufung des Klägers hat jedoch die zweite Instanz den Beklagten v. E. schuldig erkannt, dem Kläger über die libellierten, von der "Union" ausbezahlten 25090 M Rechnung zu stellen und den sich daraus als Anteil des Klägers ergebenden Betrag auszukehren. Nach den Entscheidungsgründen ging das Oberlandesgericht hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus:

"Der Spediteur, welcher eine Versicherung der in bestimmten Räumen jeweilig lagernden Waren für eigene und/oder fremde Rechnung, sowie von Speditionsgütern gegen Feuersgefahr bewirke, wolle zwar zunächst für sich selber sorgen, in zweiter Linie aber auch im Interesse seiner Geschäftsfreunde handeln; der Versicherer dagegen müsse alle von dem Versicherungsnehmer in jene Räume eingebrachten Waren, gleichviel wem sie gehörten, als versichert annehmen und im Falle eines Brandschadens die nach Maßgabe der Policebedingungen zu ermittelnde Entschädigung zahlen. Habe daher die Beklagte, wenn auch ohne Mandat, die fraglichen Maschinen in ihr Lagerhaus aufgenommen, so partizipiere Kläger an den Vorteilen der offenen Police, dergestalt, daß vor allem die Beträge für eigene Waren der Beklagten und für solche, zu deren Versicherung eine Rechtspflicht vorgelegen habe, von der Brandentschädigung abzurechnen, auch die bezahlten Prämiengelder und sonstigen Auslagen abzuziehen seien, und daß erst der hiernach verbleibende Rest unter diejenigen, für welche Beklagte als Geschäftsführerin gehandelt, pro ikta zur Verteilung komme. Ob das behauptete Verbot der Versicherung eine andere Auffassung bedinge, könne dahingestellt bleiben, da dieses Verbot weder erwiesen, noch thatsächlich genügend substanziiert sei. Im übrigen werde von der Beklagten zugestanden, daß sie die Maschinen für N. P. auf Lager genommen habe; sie müsse daher auch letzteren als denjenigen anerkennen, dessen Geschäfte sie geführt habe. N. P. habe seine Ansprüche an den Kläger abgetreten, und es sei daher die Eigentumsfrage bezüglich der verbrannten Maschinen für die Entscheidung der Sache unerheblich."

Die gegen dieses Erkenntnis von der Beklagten eingewendete Revision erscheint zwar in der Hauptsache nicht begründet, wohl aber mußte der Beklagten zur Einrede des Verbotes der Versicherung gegen Feuersgefahr der Gebrauch der vorbehaltenen Eideszuschiebung annoch gestattet werden.

Inhaltlich der vorliegenden Police erstreckte sich die von der Beklagten abgeschlossene Versicherung auf alle Waren, welche dieselbe in Ausübung ihres kaufmännischen Gewerbes zur Zeit eines Brandes in die versicherten Lagerräume aufgenommen hatte, gleichviel, ob solche ausschließlich für eigene oder ausschließlich für fremde oder zugleich für eigene und fremde Rechnung und ohne Unterschied, ob solche dauernd oder nur vorübergehend (als Speditionsgüter) lagerten. Es waren mithin Versicherer und Versicherungsnehmer darüber einverstanden, daß die Versicherung auch für dritte nicht genannte Personen - die Eigentümer der im Besitze der Beklagten befindlichen fremden Güter oder der sonstigen Verfügungsberechtigten - genommen sein solle, und es hat sich die Versicherungsgesellschaft gerade durch die Ausstellung einer solchen offenen Police verpflichtet, die Versicherungssumme allen Interessenten, welche nach dem Willen des Versicherungsnehmers in die Assekuranz einbegriffen waren, in Schadensfällen auszahlen zu lassen. Unbedenklich gilt dies zu Gunsten derjenigen beschädigten Dritten, welche der Beklagten Auftrag zur Versicherung gegen Feuersgefahr gegeben hatten. Dasselbe muß aber auch im Zweifel für alle sonstigen Geschäftsfreunde der Beklagten angenommen werden, indem die letztere insoweit als deren Geschäftsführerin erschien, wenn nicht entweder von seiten der Interessenten ein ausdrückliches Verbot der Versicherung erfolgte oder die Beklagte thatsächlich zu begründen imstande ist, daß sie nur ihr eigenes Interesse an den fremden Waren, also bezüglich der Speditionsgüter ihre Ansprüche aus dem Speditionsvertrage versichert habe.

Die Begründung und der Nachweis eines solchen eigenen Interesses ist der Beklagten nicht gelungen. Sie kann daher den Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der Versicherungssumme nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zweiter Instanz um so weniger ablehnen, als es nach den Grundsätzen des Versicherungsrechtes nicht anging, daß sie, die Beklagte, Speditionsgüter als eigene ohne eigenes Interesse versicherte.

Zu diesen aus der Natur einer allgemeinen (offenen) Police abgeleiteten Erwägungen tritt hinzu, daß die Beklagte die zur Verfügung des N. P. stehenden mitverbrannten Maschinen bei der von ihr ausgegangenen Schadensliquidation aufgeführt und die Versicherungssumme dafür in Empfang genommen hat. Diese Thatsache muß teils auf den Abschluß des Versicherungsvertrages zurückbezogen werden, insofern aus ihr die Absicht der Beklagten, auch die fraglichen Speditionsgüter der Versicherung zu unterwerfen, erhellt, teils begründet sie selbständige Rechte für den Beschädigten, insofern der Regel nach derjenige, welcher über fremdes Vermögen thatsächlich, wennselbst unabsichtlich verfügt, gerade so zu behandeln ist, als habe er die Geschäfte des Anderen geführt.

Was die Beklagte hiergegen vorbringt, ist nicht zu beachten. Sie stellt zwar in Abrede, daß sie den Wert der fraglichen Maschinen bei der Schadensberechnung berücksichtigt habe, und behauptet, daß diese Gegenstände nur in die der "Union" mitgeteilte Deklaration über die verbrannten Güter aufgenommen worden seien; allein für die Versicherungsgesellschaft war nach der Aussage des Zeugen G. eben nur diese Deklaration bei der Regulierung des Brandschadens maßgebend. Andererseits konnte der Versicherer so wenig wie die Beklagte nach Eintritt des Brandschadens einseitig von dem zu Gunsten dritter Interessenten geschlossenen Versicherungsvertrage zurücktreten; vielmehr waren beide nach den über die auftraglose Geschäftsführung geltenden Grundsätzen den Drittinteressenten gegenüber gebunden. Und nachdem der Kläger diese Geschäftsführung nachträglich genehmigt hat, so verlangt derselbe mit Recht Auszahlung der auf ihn fallenden Rate der Versicherungssumme gegen Erstattung der Prämiengelder und unbeschadet der vor dieser Ratihabition bereits begründeten Ansprüche anderer Brandbeschädigter, ohne daß ihm dabei der von der Versicherungsgesellschaft bei der Auszahlung der Entschädigungssumme an die Beklagte erklärte Vorbehalt entgegenstände.

Dagegen ist der von der Beklagten erhobene Einwand, daß ihr N. P. die Versicherung der für ihn auf Lager genommenen Güter untersagt habe, nicht bloß für thatsächlich genügend begründet, sondern auch für rechtlich erheblich zu erachten.

In der Vernehmlassung ist zunächst vorgetragen, daß früherhin die für N. P. eingehenden Waren gegen Feuer versichert worden seien, daß letzterer aber längere Zeit vor dem Eintreffen der fraglichen Maschinen sich für die Zukunft die Versicherung solcher Güter verbeten habe, um die damit verbundenen Kosten zu vermeiden; deshalb seien denn auch die vom 6. April 1875 an für N. P. eingegangenen Waren, darunter die streitigen Maschinen, unversichert geblieben und dem N. P. keine desfallsigen Prämien in den Abrechnungen zur Last gesetzt worden. In der Duplik wird zwar von der Aufhebung einer von N. P. der Beklagten früher erteilten Order zur Versicherung geredet; allein da hierbei ausdrücklich auf die Sachdarstellung in der Klagebeantwortung Bezug genommen ist, so kann auch jenes Vorbringen nicht von der bloßen Zurücknahme eines Auftrages, sondern muß von einem bestimmten Verbote künftiger Versicherung verstanden werden.

Allerdings schützt nun ein Verbot des Geschäftsherrn zur Vornahme eines Geschäftes den Geschäftsführer regelmäßig nicht gegen die Klage des ersteren ( actio negotiorum gestorum directa), indem die Haftverbindlichkeit des Geschäftsführers aus der Besorgung fremder Angelegenheiten auf dessen einseitigen Willen beruht und die Verpflichtung zur Herausgabe dessen, was er infolge der Geschäftsführung empfangen hat, nicht weniger eintritt, ja sogar bis zur Verantwortlichkeit für Zufall sich steigert, wenn derselbe dem vermutlichen Willen oder gar dem Verbote des Geschäftsherrn zuwider handelt.1

Dieser Rechtssatz könnte jedoch im vorliegenden Falle nur dann Anwendung finden, wenn besondere thatsächliche Momente vorlägen, aus denen der Wille der Beklagten, ungeachtet der entgegenstehenden Willenserklärung des N. P., die für diesen bestimmten Maschinen zu versichern, mit rechtlicher Notwendigkeit zu entnehmen wäre. Solche Momente sind von dem Kläger nirgends geltend gemacht worden. Der Thatsache allein, daß die Maschinen in eine Räumlichkeit gebracht wurden, für welche die Versicherung genommen war, mangelt es gegenüber jener Willenserklärung des N. P. an der erforderlichen Schlüssigkeit, zumal nicht erhellt, ob der Beklagten noch andere unversicherte Räumlichkeiten zu Gebote standen, in denen sie ohne Schädigung ihres eigenen Interesses die nicht versicherten Güter unterbringen konnte. Hatte aber die Beklagte nicht von vornherein die Absicht, die fraglichen Maschinen in die Versicherung einzubeziehen, so ist unter diesem Gesichtspunkte eine auftraglose Geschäftsführung zu Gunsten des N. P. auch dadurch nicht begründet worden, daß die Beklagte die Maschinen in die der "Union überreichte Deklaration der verbrannten Gegenstände aufnahm und den vollen Betrag der Versicherungssumme sich auszahlen ließ. Denn nach Lage der Sache ist es unerfindlich, was die Beklagte dazu bestimmt haben sollte, gegen den Willen des Verfügungsberechtigten für diesen eine Entschädigung wegen Brandschadens zu liquidieren und in Empfang Zu nehmen. Nur ein Anspruch des Versicherers auf Rückzahlung des zuviel Gezahlten würde daraus folgen, wenn der Wert der verbrannten Mobilien abzüglich des Wertes jener Maschinen unter dem Betrag der Versicherungssumme geblieben sein sollte.

Kläger hat seine Aktivlegitimation zur Sache in erster Reihe auf sein Eigentum an den verbrannten Maschinen und bezw. auf die Cession der Ansprüche des N. P. gestützt. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob das behauptete Verbot der Versicherung durch letzteren auch auf die primäre Klage zu beziehen sei. Es ist nicht zweifelhaft, daß, diese Frage unter den vorliegenden Umständen zu Gunsten der Beklagten zu beantworten ist, vorausgesetzt, daß das Verbot nicht bloß auf die eigenen Güter des N. P., sondern zugleich auf diejenigen sich erstreckte, welche zu dessen Verfügung bei der Beklagten eingingen. Kläger bestreitet nicht, daß die Beklagte mit N. P. in Geschäftsverbindung gestanden habe. Die Beklagte durfte daher davon ausgehen, daß sie auch bei der hier fraglichen Sendung die Order des N. P. zu befolgen habe, diesem gegenüber für die eingegangenen Güter verantwortlich sei. - Wollte Kläger gegen diese naheliegende Unterstellung auskommen, so hätte er das Rechtsverhältnis, in welches er als Eigentümer oder Absender der Maschinen zu der Beklagten getreten, aufdecken und insbesondere zur Beseitigung der von der Beklagten vorgeschützten Einrede des Verbotes der Versicherung abseiten des N. P. thatsächlich darlegen müssen, daß und aus welchen Gründen ihm selber dieses Verbot nicht präjudiziere.

Die von der Beklagten benannten und abgehörten Zeugen haben das behauptete Verbot zu bekunden nicht vermocht; es muß daher auf den vorbehaltenen Schiedseid zurückgegriffen und von dem Kläger Erklärung darüber verlangt werden, ob er den ihm zugeschobenen Eid annehmen und nach dem möglichen Grade seines Wissens ausschwören oder an die Beklagte zurückgeben wolle. Zu dem Ende ist die weitere Verhandlung und Entscheidung an die vorige Instanz zu verweisen." ...

  • 1. Vgl. 1. 11 Dig. de negot. gest. 3, 5.