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RG, 03.10.1918 - IV 213/18

Daten
Fall: 
Erbauseinandersetzungsvertrag
Fundstellen: 
RGZ 93, 334
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.10.1918
Aktenzeichen: 
IV 213/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Wann bedürfen die bei einem Erbauseinandersetzungsvertrage beteiligten minderjährigen Miterben je eines besonderen gesetzlichen Vertreters?
2. Inwieweit wird durch den Mangel einer solchen Vertretung die Wirksamkeit des Vertrags beeinflußt?

Tatbestand

Am 26. Mai 1910 schlossen die S.schen Erben, und zwar die Klägerin "handelnd für sich selbst und kraft der elterlichen Gewalt" für ihre damals noch minderjährigen vier Kinder, "zum Zwecke teilweiser Erbauseinandersetzung" einen notariellen Vertrag, in welchem dem Beklagten verschiedene zum Nachlaß gehörige Grundstücke für den Preis von 40 000 M zu Eigentum übertragen wurden. Der Preis wurde unter die Erben einschließlich des Beklagten nach Verhältnis ihrer Erbteile verteilt, und der Beklagte verpflichtete sich, jedem der Miterben den auf ihn entfallenden ziffermäßig berechneten Betrag bei der Auflassung bar zu zahlen. Zur Auflassung kam es nicht. Mit der Klage verlangte die Klägerin unter Berufung auf § 181 BGB. die Feststellung der Wirkungslosigkeit des Vertrags.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Gründe

... "Wie das Reichsgericht im Beschlusse vom 9. November 1907 RGZ. Bd. 67 S. 61 und im Beschlusse der Vereinigten Zivilsenate vom 13. Mai 1909 Bd. 71 S. 162 ausgeführt hat, muß, wenn bei einem Erbauseinandersetzungsvertrage mehrere minderjährige Miterben beteiligt sind, jeder von ihnen nach §§ 181, 1795, 1915 BGB. durch einen besonderen Pfleger vertreten werden. Diese Auffassung liegt auch dem Berufungsurteile zugrunde, und ein Anlaß, davon abzugehen, besteht nicht. Anders würde allerdings die Rechtslage sein, wenn mehrere minderjährige Miterben einem volljährigen Miterben den gesamten Nachlaß übereignen und letzterer sich verpflichtet, jedem der minderjährigen Miterben eine bestimmte Abfindungssumme zu zahlen. In solchem Falle darf ein und derselbe gesetzliche Vertreter den Vertrag namens aller beteiligten Minderjährigen schließen. Denn jeder der letzteren wäre berechtigt, durch einen gemäß § 2033 Abs. 1 geschlossenen besonderen Vertrag unabhängig von den anderen seinen Anteil an dem Nachlasse einem Dritten gegen einen bestimmten Preis zu übertragen; die Übertragung des gesamten Nachlasses in einem Vertrage stellt sich also lediglich als eine Zusammenfassung mehrerer einzelner von den Kindern mit dem Erwerber getroffener Abkommen dar. Zu vertraglichen Abmachungen zwischen den Kindern selbst kommt es in solchem Falle nicht (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 28. November 1910 Johows Jahrb. Bd.40 S. 1, vom 3. Januar 1911 Seufferts Bl, für Rechtsanw. Bd 76 S 486; Entsch. des bayer. Ob.LG. Bd. 3 S.311, Bd. 9 S. 126; Planck Anm. 2d zu § 181, Staudinger Anm. 4 zu § 181; Komm. v. RGR. Anm. 1 zu § 1795; Schneider, Zeitschr. des deutschen Notarvereins Bd. 11 S. 658 flg.).

Die gleiche Ansicht wird vom bayer. Obersten Landesgerichte (Bd. 9 S. 462) für einen Fall, wie den vorliegenden, vertreten, einen Fall also, in dem dem Erwerber von den übrigen Miterben nur ein einzelner Nachlaßgegenstand gegen Zahlung bestimmter Abfindungssummen an jeden von ihnen übereignet wird. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Denn im Gegensatze zu der Vorschrift des § 2033 Abs. 1 kann ein Miterbe über seinen Anteil, an den einzelnen Nachlaßgegenständen nicht verfügen (§ 2033 Abs. 2). Die Verfügung muß vielmehr nach § 2040 Abs. 1 eine gemeinschaftliche sein. Wenn sich also in einem gemeinschaftlichen Vertrage der Miterben über die Veräußerung eines Nachlaßgegenstandes jeder Miterbe von dem Erwerber als Entgelt den auf ihn entfallenden Teil des Gesamtpreises versprechen läßt, so muß einem solchen Vertrage doch eine wenn auch nur stillschweigende Einigung unter den Miterben selbst zugrunde liegen. Denn der Vertrag kann nur zustande kommen, wenn jeder Miterbe damit einverstanden ist, daß das nach § 2041 wiederum zum Nachlasse gehörende Entgelt an die einzelnen ihren Erbanteilen entsprechend verteilt wird. In mehrere selbständige Verträge der einzelnen Kinder mit dem Erwerber läßt sich ein solcher Vertrag also nicht zerlegen. Es handelt sich vielmehr um eine Auseinandersetzung zwischen allen Miterben untereinander. Soweit die Erben minderjährig sind, muß daher in diesem Falle jeder der Miterben einen besonderen Pfleger erhalten (vgl. Planck a. a. O., Entsch. des bayer. Ob.LG. Bd. 13 S. 13). Die in der Literatur vertretene Ansicht, es sei auch in dem Falle, daß sich die Miterben unter sich auseinandersetzen, die Vertretung durch einen Pfleger zuzulassen, sofern die Teilung im Grunde nur eine rechnerische sei und deshalb von einer Vertragsgegnerschaft nicht die Rede sein könne (Komm. v. RGR. Anm. 1 zu § 1795), kann nicht gebilligt werden. Teilung bleibt Teilung ohne Rücksicht darauf, ob sie einfach oder mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Eine Teilung setzt aber begrifflich eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten voraus. Das muß also auch von einer rechnerischen Teilung gelten um so mehr, als dabei Ausgleichungspflichten und sonstige Schuldverhältnisse unter den Miterben in Frage kommen können.

Jedenfalls läßt es sich im vorliegenden Falle nicht, wie die Revision meint, beanstanden, wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf den Inhalt des Vertrags annimmt, daß nicht nur ein Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und seinen Miterben, sondern daß zwischen ihnen auch ein Teilungsvertrag über den Erlös geschlossen worden ist. Als Vertragsgegner stehen sich demgemäß, wie das Berufungsgericht richtig sagt, nicht etwa nur der Beklagte einerseits und die übrigen Erben anderseits, sondern jeder einzelne Miterbe einerseits und seine Miterben anderseits gegenüber. Die Klägerin hat also im Namen der von ihr gesetzlich vertretenen minderjährigen Kinder mit sich in eigenem Namen und gleichzeitig als Vertreterin jedes der Kinder unter diesen ein Rechtsgeschäft vorgenommen, was nach §§ 181, 1630 Abs. 2. 1795, 1686 nicht zulässig war.

Denn auch darin ist dem Berufungsgerichte beizutreten, daß es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelt, das ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestand. Zwar hat jeder Miterbe einen Anspruch auf Auseinandersetzung (§ 2042), und der einzelne Miterbe erfüllt somit allerdings eine Verbindlichkeit, wenn er bei der Auseinandersetzung mitwirkt. Die Art, in welcher Weise die Auseinandersetzung zu bewirken ist, ist aber gesetzlich geregelt (§§ 2042 flg.), und deshalb kann man von der ausschließlichen Erfüllung einer Verbindlichkeit nur dann sprechen, wenn die Auseinandersetzung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, nicht aber, wenn sie auf Grund einer davon abweichenden Vereinbarung der Miterben erfolgt (vgl. RGZ. Bd. 67 S.64, Entsch. des bayer. Ob.LG. Bd. 13 S. 18). Letzteres ist aber hier geschehen. Denn wenn Grundstücke zum Nachlasse gehören, können die Miterben zwar Verkauf durch Zwangsversteigerung und Teilung des nach Tilgung der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibenden Überschusses verlangen (§§ 753, 2047), nicht aber, wie dies hier geschehen ist, freihändigen Verkauf und Teilung des Erlöses.

Zu einer anderen rechtlichen Beurteilung könnte man nur gelangen, wenn zunächst ein freihändiger Verkauf der Grundstücke rechtsgültig zum Abschluß gekommen und damit ein rechtlicher Anspruch der Erben auf Zahlung des Kaufpreises erwachsen wäre. Dann könnten unter Umständen die einzelnen Miterben eine teilweise Auseinandersetzung in Ansehung dieser Nachlaßforderung (§ 2041) fordern, dann nämlich, wenn dadurch den Interessen keines der Beteiligten Eintrag geschähe (Jur. Wochenschr. 1910 S. 846 Nr. 92). also wenn keine Ausgleichungspflicht und kein sonstiges Schuldverhältnis zwischen den Miterben bestünde. In solchem Falle ließe sich annehmen, daß die Verteilung des Erlöses in Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt wäre. Die Revision meint, so liege die Sache hier. Dem ist aber nicht beizutreten. Ein rechtsgültiger Vertrag über die Übereignung des Grundstücks war erst geschlossen, nachdem die notarielle Beurkundung des Vertrags beendet (§ 313) und der Vertrag vormundschaftsgerichtlich genehmigt war (§§ 1821 Nr.1, 1643, 1686). Die Teilung des Erlöses aber war mit dem Kaufvertrage selbst verbunden, also schon vor dem Eintritte seiner Rechtswirksamkeit vereinbart worden.

Dagegen ist die Begründung des Berufungsgerichts in folgendem Punkte rechtlich zu beanstanden. Der Beklagte hatte unter Beweisantritt geltend gemacht, das Wesentliche bei Abschluß des Vertrags sei die käufliche Übereignung der Grundstücke an den Beklagten gewesen; die gleichzeitige Überweisung der Kaufpreisanteile an die einzelnen Miterben habe nur nebensächliche Bedeutung gehabt. Von § 181 werde aber nur die letztere Vereinbarung getroffen, nach § 139 bleibe dagegen der Kaufvertrag in Wirksamkeit. Dazu sagt das Berufungsgericht, es sei nicht angängig, den Vertrag, wie es der Beklagte wolle, so auseinanderzureißen, daß ein Teil als Erbauseinandersetzungsgeschäft anzusprechen und von dem anderen sich als Veräußerungsgeschäft darstellenden Teile zu unterscheiden sei. Der Vertrag sei vielmehr als ein einheitlicher zu behandeln und deshalb nach § 134, ohne daß für die Anwendung des § 139 Raum wäre, seinem ganzen Umfange nach nichtig.

Nicht zutreffend ist hier zunächst die Ansicht des Berufungsgerichts, daß ein gegen den § 181 verstoßender Vertrag nichtig sei. Er ist lediglich unwirksam, kann also durch Genehmigung wirksam werden (Warneyer 1910 Nr. 414; RGZ. Bd. 71 S. 163). Diese irrige Ansicht ist allerdings für die Entscheidung ohne Einfluß.

Aber auch im übrigen gibt die Begründung zu rechtlichen Bedenken Anlaß. Das Berufungsgericht sagt nicht, weshalb für die Anwendung des § 139 kein Raum sei. Auf die tatsächlichen Behauptungen, auf die der Beklagte die Trennbarkeit der beiden Vereinbarungen gründete, geht es nicht ein. Es scheint also den § 139 aus Rechtsgründen für unanwendbar zu halten. Das wäre aber rechtsirrig. Daß das Rechtsgeschäft ein einheitliches ist, steht der Anwendbarkeit nicht entgegen, ist vielmehr Voraussetzung dafür. Erforderlich ist nur, daß das Rechtsgeschäft dergestalt teilbar ist, daß nach Abtrennung des unwirksamen Teiles ein Rest zurückbleibt, der als selbständiges Rechtsgeschäft bestehen kann. Das trifft namentlich dann zu, wenn, wie hier, mehrere Geschäfte, von denen jedes für sich bestehen kann, durch den Willen der Parteien zu einem einheitlichen Geschäfte verbunden sind. Trennt man die Geschäfte, so würde, wie sich aus obigen Darlegungen ergibt, nur die Teilung des Erlöses unwirksam sein, die Übereignung des Grundstücks an den Beklagten aber bei Bestand bleiben dergestalt, daß die Kaufpreisforderung zum Nachlaß gehört (§ 2041). Zwar ist jenes Geschäft nur unwirksam. Aber was von nichtigen Geschäften gilt, muß erst recht von unwirksamen gelten.

Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 139 vorliegen, ist tatsächlicher Natur. Ihre Beantwortung muß daher dem Berufungsgericht überlassen bleiben. Dabei ist das Berufungsgericht nicht gehindert, von der erwähnten Beweiserhebung abzusehen, wenn es glaubt, die Zulässigkeit der Trennung der beiden in Rede stehenden Vertragsbestimmungen schon auf Grund des Inhalts des Vertrags selbst bejahen zu können." ...