RG, 11.07.1918 - II 52/18
1. Haften, wenn bei einer Gesellschaft m. h. H. das Stammkapital erhöht wird, für Fehlbeträge der neuen Stammeinlagen auch die ursprünglichen Gesellschafter?
2. Macht es einen Unterschied, ob sie der Kapitalerhöhung zugestimmt haben oder nicht?
Tatbestand
Im November 1912 erhöhte die Gesellschaft m. b. H. Gu. Grauwackensteinbrüche ihr Stammkapital von 600000 auf 900000 M. Von dem neuen Kapital übernahm die Beklagte eine Stammeinlage von 60000 M, der Kaufmann G. eine solche von 55000 M. Im April 1914 wurde der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Der zum Verwalter bestellte Kläger behauptete, G. habe auf seine Einlageschuld nichts bezahlt; er sei mit Recht ausgeschlossen worden, die Forderung könne auch weder von ihm eingezogen noch durch Verkauf seines Geschäftsanteils gedeckt werden. Hierauf gestützt, nahm er die Beklagte als subsidiär Verpflichtete in Anspruch, und zwar auf Zahlung von 11000 M, d. h. des fünften Teiles des Fehlbetrags, weil sie ein Fünftel des neuen Kapitals übernommen habe. Die Beklagte bestritt die Voraussetzungen der subsidiären Haftung, wandte aber ferner ein, daß sie schlimmstenfalls nur auf ein Fünfzehntel hafte. Das neue und das alte Kapital seien zusammenzurechnen; entscheidend sei mithin, daß sie zu einem Fünfzehntel am Gesamtkapitale beteiligt sei.
Das Landgericht, das das Klagvorbringen für erwiesen erachtete, gab dem Kläger in vollem Umfange Recht. Dagegen stellte sich das Oberlandesgericht mit Bezug auf den Betrag des Anspruchs auf den Standpunkt der Beklagten. Bevor es tatsächliche Feststellungen traf, wies es die Klage durch Teilurteil in Höhe von 7333,33 M, d. h. zu zwei Dritteln ab.
Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen.
Gründe
"Es handelt sich um die für die Auslegung des § 24 GmbHG. bedeutsame Streitfrage, ob die ursprünglichen Gesellschafter auch für Fehlbeträge späterer Kapitalerhöhungen haften.
In dem umgekehrten Falle, wenn neu eintretende Mitglieder zur Tilgung der Reste früherer Einlagen herangezogen werden, hat der Senat in RGZ. Bd. 82 S. 116 die Haftung angenommen. Was von einzelnen Schriftstellern dagegen eingewandt worden ist, gibt zu einer Änderung der Rechtsprechung keinen Anlaß. Die jetzt streitige Frage sollte in dem früheren Urteile zwar nicht entschieden werden, doch führen die Gründe des Urteils auch hier zur Bejahung der Haftung. Wortlaut und Zweck des Gesetzes verlangen die nur nach der Höhe der Geschäftsanteile abgestufte, im übrigen gleichmäßige Heranziehung sämtlicher Gesellschafter. Für die Ansicht, daß durch Kapitalerhöhungen dauernd unterscheidbare Vermögensmassen oder Gruppen von Gesellschaftern geschaffen würden, fehlt jeder gesetzliche Anhalt; die dafür angeführten §§ 5 Abs. 2, 55 bis 57 ergeben nichts. Liegt es doch bei der Mithaftung für die Stammeinlagen nach § 24 gar nicht anders als im Falle des § 31 Abs. 3, wenn einem Mitgliede Gesellschaftsvermögen unter Verletzung des Stammkapitals ausgezahlt worden ist. Auch im letzteren Falle trifft die übrigen Gesellschafter eine subsidiäre Haftung, und doch wird hier schwerlich jemand daran denken, die Angehörigen der einzelnen Emissionen zu unterscheiden. Es ist eben nach dem Gesetze nicht anders: der Gesellschafter muß unter Umständen erhebliche Beträge zahlen, ohne daß er das Ereignis, das seine Verpflichtung auslöste, verhindern konnte. Dagegen läßt sich mit Betrachtungen über den Begriff der beschränkten Haftung so wenig ausrichten wie mit Erwägungen dir Billigkeit. Übrigens kann es, was die Fälle der vorliegenden Art anlangt, auch nicht für unbillig erachtet werden, wenn die Gründer der Gesellschaft, denen die Kapitalerhöhung doch mit zugute kommt, die damit verbundenen Nachteile mitzutragen haben.
In zweiter Linie glaubt die Revision, auch von der Grundlage des Urteils Bd. 82 S. 116 aus die Einschränkung machen zu dürfen, daß nur diejenigen früheren Gesellschafter haften, die der Kapitalerhöhung zugestimmt haben. Es soll sich das aus § 53 Abs. 3 ergeben, wonach eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden kann. Auch dieser Auffassung läßt sich nicht beitreten. An einer Kapitalerhöhung sind mit Rücksicht auf die Folgen des § 24 alle bisherigen Gesellschafter beteiligt. Widersprechen einige, so würden die zustimmenden -- die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 3 einmal vorausgesetzt -- doch immer nur dann für Fehlbeträge der neuen Einlagen haften, wenn sie nicht nur unter der Bedingung der Beteiligung aller Gesellschafter hätten zustimmen wollen. Es liefe das tatsächlich auf die Nichthaftung der früheren Gesellschafter heraus, denn daß die zustimmenden in eine Vorbelastung vor den übrigen gewilligt hätten, würde kaum jemals festzustellen sein.
Indessen greift der § 53 Abs. 3 überhaupt nicht Platz. Allerdings macht es für diese Vorschrift nichts aus, ob die Leistungspflichten, deren Vermehrung es gilt, den Gesellschaftern durch die Satzung oder durch das Gesetz auferlegt sind. Käme es z. B. darauf an, statt der in § 24 vorgeschriebenen verhältnismäßigen Haftung eine Gesamthaftung einzuführen, so würde es dazu der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen. Wesentlich aber bleibt stets, daß der Beschluß, wenn § 53 Abs. 3 anwendbar sein soll, eine Vermehrung der Pflichten zum Inhalt haben, d. h. unmittelbar betreffen muß. Es genügt nicht, wenn er inhaltlich auf etwas anderes gerichtet ist und höhere Pflichten nur mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit nach sich zieht. Der Kapitalerhöhungsbeschluß aber hat seinem Inhalte nach mit den Verpflichtungen der bisherigen Gesellschafter nichts zu tun.
Hiernach beruht es nicht auf Rechtsirrtum, daß das Berufungsgericht bei Bemessung der Haftungssumme die ursprünglichen Gesellschafter mitgerechnet hat."