RG, 11.07.1917 - III 394/16

Daten
Fall: 
Unverhältnismäßiger Mäklerlohn
Fundstellen: 
RGZ 90, 400
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.07.1917
Aktenzeichen: 
III 394/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Nürnberg
  • OLG Nürnberg

Begründet die Vereinbarung unverhältnismäßigen Mäklerlohns für die Vermittelung von Kriegslieferungen einen Verstoß gegen die guten Sitten?

Tatbestand

Die Beklagte hatte gegen den Anspruch des Klägers auf Zahlung der für die Vermittelung einer Lieferung von Messingstellplatten vereinbarten Mäklergebühr u. a. eingewendet, daß die Vereinbarung gegen die guten Sitten verstoße. Landgericht und Berufungsgericht verwarfen diesen Einwand. Auf die Revision der Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

... "In dem Briefe vom 21. Juni 1915 verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger den Überpreis, den sie über 48 M für das Hundert der von ihr zu liefernden Messingstellplatten erhalten würde, zu zahlen und diesen Überpreis zu garantieren. Da der Preis für die Lieferung mit der Firma E. & G. auf 55 M für das Hundert festgesetzt wurde, stellte sich der dem Kläger zugesagte Gewinn auf 7 M für das Hundert, also auf nahezu 13 v. H. des Verkaufspreises. Eine solche Vergütung ist für die Tätigkeit des Mäklers schon an sich außerordentlich hoch. Nach der Behauptung der Beklagten aber handelte der Kläger in Verbindung mit der Frau O., die ihrerseits sich den über 43 M zu erzielenden Überpreis bis zu 48 M ausbedungen hatte. So wurde der Preis der Messingplatten durch die Vermittler zwischen dem Hersteller, der Beklagten und dem ersten Abnehmer, der Firma E. & G. um 12 M für das Hundert oder um fast 28 v. H. des Herstellungspreises erhöht.

Eine derartige Preissteigerung durch die Vermittlerlöhne ist eine ganz ungewöhnliche und würde um so mehr befremden, wenn die Behauptung der Beklagten richtig wäre, daß sie selbst nur 2 M an dem Hundert verdient hätte. Die Ausführung des Berufungsgerichts, daß dem Makler die höchst wichtige Tätigkeit obliege, bei Kriegslieferungen, um die es sich hier handelte, den bestellenden Behörden oder deren unmittelbaren Lieferanten fertige Lieferungsverträge zu unterbreiten, ist nicht geeignet, einen Mäklerlohn, wie er hier den Vermittlern zugesagt war, zu rechtfertigen, am wenigsten dann, wenn der Mäkler, wovon das Berufungsgericht bei seinen weiteren Ausführungen ausgeht, jeder besonderen Sachkenntnis hinsichtlich der Erzeugungsbedingungen der zu liefernden Ware entbehrt und seine Tätigkeit sich auf das bloße Zuweisen eines ihm an die Hand gegebenen Auftrags beschränkt. Auch daß der Mäkler dem Besteller gegenüber eine gewisse Verantwortung übernimmt, kam zur Rechtfertigung derartigen Gewinnes nicht genügen. Im übrigen fehlt hier jede Feststellung darüber, was der Kläger an Arbeit, Geldaufwendung und Übernahme einer Verantwortung zu leisten hatte, um die ihm zugesagte Vergütung zu erlangen. Es steht dahin, ob des Klägers und der anderen Vermittler Tätigkeit überhaupt wirtschaftlich notwendig oder auch nur zweckmäßig war, ob sie sich nicht lediglich um des Zwischengewinns willen zwischen den Besteller und den Abnehmer eingeschoben haben.

Der außergewöhnlich hohe Gewinn, den der Kläger sich zusagen ließ, legt die Annahme nahe, daß der Kläger und die sonstigen Vermittler entweder die Unerfahrenheit der Beklagten oder die durch den Krieg geschaffene Notlage der Heeresverwaltung und deren unmittelbaren Lieferanten, die die für die Kriegführung erforderlichen Waren in größter Eile beschaffen mußten, sich zu Nutzen gemacht haben, um Preistreibereien vorzunehmen, wie sie die - nach Abschluß der der Klage zugrunde liegenden Vereinbarung erlassene - Bundesratsverordnung vom 23. Juli 1915 unter Strafe stellt. Der Auffassung, daß die Verhältnisse des Krieges, der dringende Bedarf der Heeresverwaltung, die Schwierigkeit und vielfache Unmöglichkeit für die Behörden, die Angemessenheit der geforderten Preise bei der notwendigen Eile des Abschlusses zu prüfen und um die Preise zu feilschen, es zulässig machten, ungemessene Gewinne zu erzielen, muß die Rechtsprechung scharf entgegentreten. Das Streben nach übermäßigem Gewinn in der Zeit der Kriegsnot, sei es auf Kosten des einzelnen oder der Gesamtheit, ist besonders da, wo es sich um Gegenstände des Kriegsbedarfs handelt, als gegen die guten Sitten verstoßend zu brandmarken.

Die Frage, ob die der Klage zugrunde liegende Vereinbarung als gegen die guten Sitten verstoßend für nichtig zu erachten ist, bedarf hiernach der weiteren Aufklärung. Dabei wird es der Beklagten obliegen, darzulegen, in welcher Verbindung der Kläger mit der Frau O. stand, insbesondere, ob es sich hier um ein dem Kettenhandel ähnliches Vorgehen der Vermittler handelte, und ob etwa ihre geschäftliche Unerfahrenheit von dem Kläger ausgebeutet worden ist. Im wesentlichen aber ist es die Sache des Klägers, darzulegen, welche besonderen Umstände die Höhe der von ihm geforderten Vermittlergebühr so weit rechtfertigen, daß die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten ausgeschlossen wird." ...