RG, 24.11.1883 - I 376/83
Kann bei taxierten Seeversicherungspolicen der Versicherer im Falle eines Partialschadens eine Erhöhung der Taxe verlangen, wenn er beweist, daß dieselbe den wahren Wert des versicherten Gegenstandes nicht erreicht?
Tatbestand
Die Klägerin hatte bei der Beklagten Versicherung auf das Kasko eines Dampfschiffes genommen. In der Police war eine Million Mark mit dem Beisatze "auf Grundlage gegenseitiger Vereinbarung ohne weiteren Beweis" als Wert des Schiffes angegeben; die Beklagte hatte darauf 630000 M gezeichnet. Nachdem ein Schaden in Havariegrosse eingetreten war, forderte Klägerin den auf das Schiff entfallenden Anteil des Schadens nach Verhältnis der vereinbarten Taxe. Da aber in der Dispache der Wert des Schiffes auf Grund einer Schätzung zu (rund) 1200000 M angegeben war, behauptete Beklagte, daß in betreff des Mehrbetrages über eine Million Mark Selbstversicherung vorliege, und die von ihr zu zahlende Schadenvergütung nach Verhältnis des wahren Wertes zu berechnen sei. Die Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem von der Klägerin geforderten und dem von der Beklagten zugestandenen Betrage wurde in erster Instanz als unbegründet abgewiesen. Die zweite Instanz dagegen verurteilte nach dem Klagantrage und die hiergegen eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Die Seeversicherungspolice, aus welcher geklagt wird, hat unstreitig die Eigenschaft einer taxierten Police im Sinne des Art. 797 H.G.B. Streitig ist, ob bei einer solchen Police dem Versicherer die Befugnis zusteht, behufs Berechnung des von ihm bei einem Partialverluste zu zahlenden Betrages eine Erhöhung der Taxe zu verlangen, wenn er beweist, daß dieselbe den wahren Wert des versicherten Gegenstandes nicht erreicht.
Aus besonderen Bedingungen der Police, auf welche die Klage sich gründet, kann diese Befugnis nicht hergeleitet werden. Mag der bei der Wertangabe in der Police beigefügte Zusatz "auf Grundlage gegenseitiger Vereinbarung ohne Beweis" nur bedeuten, daß dem Versicherten der Beweis des Wertes erlassen ist, oder zugleich, daß dem Versicherer der Gegenbeweis nicht zusteht; jedenfalls ist dem Versicherer das Recht, die Taxe als zu niedrig anzufechten, wenn es ihm ohnedies nicht zusteht, durch diese Policeklausel nicht beigelegt.
Ebensowenig kann die gedachte Befugnis aus den allgemeinen Seeversicherungsbedingungen von 1867 hergeleitet werden, welche der Police zum Grunde liegen. Als es sich darum handelte, den früheren allgemeinen Plan hamburgischer Seeversicherungen mit Rücksicht auf das Handelsgesetzbuch umzugestalten, wurde zwar in den ersten und zweiten Entwurf die Bestimmung aufgenommen, daß der Versicherer befugt sei, eine Erhöhung der Taxe zu fordern, wenn er beweise, daß dieselbe hinter dem wahren Werte zurückbleibe (§§. 15. 51 des 1863 gedruckten Entwurfes, §. 16 des 1864 gedruckten Entwurfes); diese Bestimmung wurde aber infolge des von verschiedenen Seiten dagegen erhobenen Widerspruches in den dritten Entwurf (§. 16 des 1866 gedruckten Entwurfes) nicht aufgenommen. Demgemäß beschränken die allgemeinen Seeversicherungsbedingungen von 1867 sich darauf, im §. 16 Abs. 2 den Art. 797 H.G.B., mit einem hier nicht in Betracht kommenden Zusätze, lediglich wiederzugeben. Hierdurch ist die Befugnis des Versicherers, Erhöhung der Taxe zu fordern, wenn auch - sofern sie anderweit begründet sein sollte - nicht abgeschnitten, doch jedenfalls nicht anerkannt oder begründet worden.
Auch aus dem Handelsgesetzbuche, welches die Grundlage der allgemeinen Seeversicherungsbedingungen von 1867 bildet, ist diese Befugnis nicht herzuleiten. Revisionsklägerin glaubt dieselbe auf Art. 797 Abs. 2, Art. 799 Abs. 2 (§. 16 Abs. 2, §. 18 Abs. 2 der allgemeinen Seeversicherungsbedingungen) stützen zu können und ficht das Berufungsurteil wegen Verletzung dieser Bestimmungen an. Es ist jedoch der Auslegung, welche denselben von dem Berufungsgerichte gegeben wird, beizustimmen.
Art. 797 Abs. 2 H.G.B. erklärt den Versicherer für befugt, eine Herabsetzung der Taxe zu fordern, wenn er beweist, daß dieselbe wesentlich übersetzt sei, legt demselben aber nicht die Befugnis bei, eine Erhöhung der Taxe zu fordern, wenn er beweist, daß dieselbe den wahren Versicherungswert nicht erreiche. Stellte diese Vorschrift sich als Anwendung des Grundsatzes dar, daß dem Versicherer freistehe, eine vereinbarte Taxe durch den Nachweis, daß sie dem wahren Werte des versicherten Gegenstandes nicht entspreche, zu beseitigen und den wahren Versicherungswert an deren Stelle zu setzen, so würde der Einwand der zu niedrigen Taxe allerdings darauf gestützt werden können. Es ergiebt sich aber aus der Entstehungsgeschichte des Art. 797 a. a. O. (vgl. den revidierten allgemeinen Plan hamburgischer Seeversicherungen 1860 §. 11 und die Protokolle der Kommission zur Beratung des Handelsgesetzbuches S. 3065 flg. S. 4266), daß die Bestimmung des Abs. 2 des Art. 797 nicht als eine Anwendung des vorgebuchten Grundsatzes angesehen, sondern auf die Regel, daß die Versicherungssumme den Versicherungswert nicht übersteigen kann, zurückgeführt wurde. Aus dieser im Wesen der Versicherung begründeten und deshalb durch Privatwillkür nicht auszuschließenden Regel wurde die Folgerung gezogen, daß eine Überversicherung auch nicht in der Weise bewirkt werden kann, daß ein den wahren Wert des versicherten Gegenstandes übersteigender Versicherungswert vereinbart wird. Erscheint demnach die Bestimmung des Art. 797 Abs. 2 als Anwendung des im Art. 790 a. a. O. enthaltenen Grundsatzes, so kann vor Anwendung derselben auf den Fall der Vereinbarung eines hinter dem wahren Werte zurückbleibenden Versicherungswertes keine Rede sein, da eine solche Vereinbarung dem Wesen der Versicherung nicht widerstreitet und die Schranken erlaubter Privatwillkür nicht überschreitet.
Aus Art. 799 Abs. 2 a, a. O. kann für die vorliegende Frage nichts entnommen werden. Der ganze Art. 799 betrifft lediglich die Frage, in welcher Weise, namentlich nach welchem Zeitpunkte, der Versicherungswert eines Schiffes durch Schätzung zu ermitteln ist. Wenn Abs. 2 bestimmt, daß die Vorschrift des Abs. 1 auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Versicherungswert des Schiffes taxiert ist, so ist dadurch nur ausgesprochen, daß, wenn und soweit es bei einer vorliegenden Taxe auf die Ermittelung des wahren Wertes durch Schätzung ankommt, diese gemäß der in Abs. 1 enthaltenen Vorschrift zu bewirken ist. Ob und wieweit aber der Versicherer gegenüber einer vorliegenden Taxe die Ermittelung des wahren Wertes verlangen könne, bestimmt nicht Art. 799, sondern Art. 797 a. a. O. Daß Abs. 2 Art. 799 eine weitergehende Bedeutung nicht hat, wird auch durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt, indem derselbe einen Zusatz enthält, welcher im Entwurfe erster Lesung Art. 691 noch fehlte und auch in zweiter Lesung (Protokolle S. 4269) nicht erörtert, sondern, wie es scheint, erst bei der Schlußredaktion und lediglich zu dem Zwecke beigefügt wurde, dem Mißverständnisse vorzubeugen, als sei durch die Worte in Abs. 1 "wenn die Parteien nicht eine andere Grundlage für die Schätzung vereinbart haben" die Anwendung des Abs. 1 auf taxierte Policen gänzlich ausgeschlossen. Wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, soll die mit Art. 793 a. a. O. beginnende, Reihe von Bestimmungen über die Ermittelung des Versicherungswertes (§§. 6 flg. der Referentenvorlage, Protokoll S. 2986 Artt. 691 flg. des Entwurfes erster Lesung) nach der bei der Beratung gegebenen Erläuterung (Protokoll S. 3022) auf taxierte Policen nur alsdann Anwendung finden, wenn die Taxe vom Versicherer als wesentlich übersetzt angefochten wird und zu entscheiden ist, ob dieselbe den höchsten zulässigen Schätzungswert erheblich übersteigt oder nicht.
Kann demnach die Befugnis, eine Erhöhung der Taxe zu verlangen, auch auf die angeführten Bestimmungen des Handelsgesetzbuches nicht gestützt werden, so bleibt nur noch zu untersuchen, ob dieselbe etwa aus der Natur des Versicherungsvertrages oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen sich ergiebt. Dies ist bereits in älterer Zeit,1 wie neuerdings,2 behauptet und insbesondere darauf hingewiesen worden, in welche nachteilige Lage die Versicherer durch die Annahme des Gegenteiles geraten, indem die Versicherungsnehmer bei Vereinbarung einer niedrigen Taxe zwar für die verhältnismäßig selteneren Fälle des Totalverlustes sich mit einer partiellen Entschädigung begnügen, dagegen für die viel häufigeren Falle des Partialschadens völlige Versicherung unter Ersparung eines Teiles der Prämie erreichen können. Hiergegen wird jedoch mit Recht bemerkt,3 daß allerdings bei Vereinbarung einer Taxe unter dem wahren Werte des versicherten Gegenstandes der Versicherer ein größeres Risiko übernimmt, indem derjenige, welcher in dieser Weise Versicherung nimmt, im Falle eines partiellen Schadens einen zu großen Ersatz bekommt und mithin nicht einen so großen Teil des Verlustes zu tragen hat, wie dem Verhältnisse des eingetretenen Schadens zu dem Werte des versicherten Gegenstandes entspricht, daß aber dies sehr wohl kontraktmäßig bei der Versicherung bestimmt werden kann und deshalb eine Vereinbarung dieses Inhaltes, solange nicht wegen Betruges oder aus anderen Gründen der Vertrag selbst angefochten werden kann, für den Versicherer als bindend zu betrachten ist. Nah aber in der Vereinbarung einer den wahren Wert nicht erreichenden Taxe die Übernahme dieses Risiko ohne weiteres zu finden ist, läßt sich mit Grund nicht bezweifeln, wenn man den Inhalt einer solchen Vereinbarung näher in Betracht zieht.
Gänzlich abzuweisen ist die in England in älterer Zeit verteidigte Ansicht, daß die Vereinbarung der Taxe nur auf den Fall des Totalverlustes zu beziehen, im Falle eines Partialverlustes durch gemeinschaftliche oder besondere Havarie dagegen die taxierte Police als eine offene anzusehen sei: an average loss opens the policy. Indem die Taxe allgemein ohne Unterscheidung zwischen Total- und Partialverlust vereinbart wird, ist eine verschiedene Behandlung dieser Fälle ausgeschlossen, für welche ein innerer Grund nicht angeführt werden kann, da der Wert des versicherten Gegenstandes von der Größe des eingetretenen Schadens nicht abhängt. Die gedachte Ansicht ist daher von englischen und amerikanischen Schriftstellern bekämpft worden,4 und gilt so sehr als aufgegeben, dass Arnould (On the law of marine insurance, 5th edit. by Maclachlan 1877 Vol I, p. 301) dieselbe ohne weitere Widerlegung nur in einer geschichtlichen Notiz als irrige Meinung früherer Zeit erwähnt.
Für unrichtig ist auch die Ansicht zu erachten, daß die Vereinbarung einer Taxe unter dem wahren Werte des versicherten Gegenstandes ebenso zu beurteilen sei, wie die Versicherung eines Teiles des Versicherungswertes, sodaß die bei einer Teilversicherung eintretende Verteilung des Schadens zwischen dem Versicherer und dem Versicherten als sogenanntem Selbstversicherer auch im ersteren Falle stattfinde. Die Vereinbarung, durch welche der Wert des versicherten Gegenstandes hinsichtlich der aus der Versicherung entstehenden Rechte und Pflichten auf eine bestimmte Summe (Taxe) festgestellt wird, hat einen anderen Inhalt, als die Vereinbarung, welcher Teil des Wertes versichert sein soll. Erstere Übereinkunft betrifft den Versicherungswert, letztere die Versicherungssumme. Die Vereinbarung, daß nur ein Teil des Versicherungswertes versichert sein soll (Teil- oder Quotenversicherung), kann bei taxierten wie bei offenen Policen vorkommen; im §. 15 der allgemeinen Seeversicherungsbedingungen von 1867 ist der Fall vorgesehen, daß bei einer taxierten Police - wie bei derjenigen, aus welcher hier geklagt ist - die Versicherungssumme nur einen Teil des Taxbelaufes ausmacht. Ist aber die Taxe so zu verstehen, daß sie den Wert des ganzen versicherten Gegenstandes darstellt, und ist nicht verabredet, daß nur ein Teil des Taxbelaufes versichert sein soll, so drückt die Taxe zugleich die Versicherungssumme aus, welche im Falle des Totalverlustes voll und im Falle des Partialverlustes teilweise zu zahlen ist. Es liegt alsdann keine Teilversicherung, sondern eine Versicherung des ganzen Versicherungswertes vor. Eine solche liegt auch dann vor, wenn der wahre Wert des versicherten Gegenstandes höher ist als die Taxe; denn die Parteien sind übereingekommen, als Wert des ganzen Gegenstandes den Betrag der Taxe gelten zu lassen und diesen Betrag ganz zu versichern. Die verbindende Kraft einer solchen Übereinkunft ist nicht davon abhängig, ob dem Versicherer beim Abschlusse des Versicherungsvertrages bekannt war oder nicht, daß der wahre Wert des versicherten Gegenstandes höher ist, als die Taxe. Wußte er dies oder war ihm der wahre Wert unbekannt, so übernahm er, indem er unter solch en Umständen die Taxe mit dem Versicherungsnehmer vereinbarte, bewußterweise das aus dem schon feststehenden oder doch möglicherweise vorhandenen höheren Werte sich ergebende Risiko. Nahm er dagegen irrtümlich an, daß die Taxe dem wahren Werte entspreche, so wurde zwar sein Versprechen, die Versicherungssumme nach Maßgabe der Taxe zu zahlen, durch einen Irrtum veranlaßt, die Gültigkeit des Versprechens aber durch diesen nur den Beweggrund zum Vertragsschlusse bildenden Irrtum nicht beeinträchtigt; überdies würde, selbst wenn der Irrtum einen Anfechtungsgrund abgäbe, hierauf nur die Anfechtung des Versicherungsvertrages, nicht aber ein Anspruch auf Erhöhung der Taxe gegründet werden können.
Zu verwerfen ist endlich auch die von der Revisionsklägerin hauptsächlich geltend gemachte Ansicht, der Vereinbarung der Taxe in der Police sei die Bedeutung beizumessen, daß der Taxe nur bis zum Beweise eines anderen Wertes als Versicherungswert gelten solle. Dieser Auffassung zufolge würde die Vereinbarung der Taxe nur ein beiderseitiges Anerkenntnis enthalten, daß der Taxbelauf dem wahren Werte des versicherten Gegenstandes entspreche, welches Anerkenntnis nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen den Gegenbeweis nicht ausschlösse. Die Bedeutung der Taxe würde nach dieser Auffassung sich darauf beschränken, die dem Versicherten bezüglich des Wertes des versicherten Gegenstandes obliegende Beweislast auf den Versicherer zu übertragen, welcher den Beweis der Unrichtigkeit der Taxe sowohl in der Richtung, daß sie zu hoch, wie daß sie zu niedrig sei, führen könnte, je nachdem er auf die eine oder die andere Behauptung einen Anspruch oder eine Verteidigung gründet. Bei dieser Auffassung der Taxe würde die Revisionsklägerin mit dem Einwände der zu niedrigen Taxe zu hören sein. Wenn nun auch eine Vereinbarung des Inhaltes möglich ist und einen verständigen Inhalt ergiebt,5 so ist doch der Taxe in Seeversicherungspolicen im Zweifel die Bedeutung einer solchen Vereinbarung nicht beizulegen. Die Taxe wird vereinbart, um durch Abschneidung der gerade bei den Gegenständen der Seeversicherung besonders schwierigen, zeitraubenden und kostspieligen Ermittelungen über den Versicherungswert eine im beiderseitigen Interesse des Versicherten und des Versicherers liegende rasche und glatte Erledigung der Schadensvergütung herbeizuführen. Dieser Zweck wird nicht schon durch eine bloße Umkehrung der Beweislast, sondern nur durch die gänzliche Ausschließung von Beweis- und Gegenbeweiserhebungen erreicht. Demgemäß legt Art. 797 H.G.B. der Taxe die Bedeutung bei, daß sie "unter den Parteien für den Versicherungswert maßgebend ist". Sie wird mithin nicht bloß vorläufig bis zur Erbringung des Gegenbeweises, sondern schlechthin für maßgebend erklärt. Daß hiermit die vereinbarte Taxe für den alleinigen Maßstab bei Berechnung der Versicherungssumme erklärt werden sollte, sofern nicht eine "Anfechtung der Taxe", d. h. eine Anfechtung des dieselbe festsetzenden Vertrages stattfinde, ergeben auch die Verhandlungen bei Beratung des Handelsgesetzbuches (Prot. S. 3064), welche sich nur in der Richtung bewegten, ob die Anfechtung vertragsmäßig vereinbarter Versicherungstaxen nicht noch mehr einzuschränken, nämlich nur für den Fall einer bezüglichen Übersetzung des wahren Wertes zuzulassen sei,6 wogegen für Abschwächung der Bedeutung der Taxe durch unbeschränkte Zulassung des Gegenbeweises sich keine Stimme erhob. Das einzige Mittel zur Beseitigung der Taxe ist demnach die Anfechtung des Vertrages, sei es durch Anfechtung des ganzen Versicherungsvertrages wegen Betruges oder aus anderen Gründen, oder durch Anfechtung der Versicherung, soweit sie eine Überversicherung enthält, auf Grund des Art. 790 H.G.B., welche jedoch nach Art. 797 Abs. 2 nur im Falle einer wesentlichen Übersetzung stattfindet. Auf die bloße Thatsache aber, daß die Taxe den wahren Wert des versicherten Gegenstandes nicht erreicht, kann eine Anfechtung des Vertrages nicht gegründet werden.
Das Berufungsgericht hat demnach mit Recht angenommen, daß es keinen Rechtssatz giebt, welcher dem Versicherer gestattet, die Wirkung einer vereinbarten Taxe durch den Beweis, daß dieselbe hinter dem wahren Werte zurückbleibe, zu beseitigen, daß es vielmehr dem Versicherer überlassen bleibt, gegen die Nachteile, welche ihm aus einer zu niedrigen Taxe im Falle des Partialverlustes erwachsen, durch die Versicherungsbedingungen oder durch Unterlassung derartiger Versicherungen sich zu schützen."
- 1. vgl. Weskett, Theorie und Praxis der Assekuranzen, übersetzt von Engelbrecht 1782 Bd. 2 S. 245 und Benecke, System des Assekuranz - und Bodmereiwesens 1810 Bd. 4 S. 188,
- 2. vgl. Voigt im Neuen Archiv für Handelsrecht Bd. 3 S. 68 und in den Erläuterungen zum Entwurfe eines neu revidierten allgemeinen Planes hamburgischer Seeversicherungen von 1863 S. 10.19,
- 3. vgl. Brandt, Über Seeversicherung, aus dem Norwegischen übersetzt 1878 S. 14. 15,
- 4. vgl. Phillips, Tr. on the law of marine insurance, 5th edit. Vol. 1 p. 16 Nr. 1203; Parsons, Tr. on the law of marine insurance Vol. 1 p. 272,
- 5. vgl. Kübel in der Zeitschrift für Versicherungsrecht Bd. 1 S. 387,
- 6. Die Bemerkung in den Protokollen S. 3065, daß dieser Grundsatz im englischen und französischen Rechte gelte, ist nur in betreff des englischen Rechtes richtig. Das französische Recht gestattet, ungeachtet des scheinbar entgegenstehenden Art. 336 Code de comm., die Anfechtung der Taxe wegen Übersetzung des Wertes auch außer dem Falle des Betruges; Cauvet, Ass. marit. 1862 T I No. 192. 209; Weil, Ass. marit 1879 No. 55; Droz, Ass. marit. 1881 T I No. 318 D. E.