RG, 24.11.1883 - I 375/83

Daten
Fall: 
Den Geschäftsherrn verpflichtende Verwendung
Fundstellen: 
RGZ 10, 260
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.11.1883
Aktenzeichen: 
I 375/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Breslau
  • OLG Breslau

Liegt eine den Geschäftsherrn verpflichtende Verwendung des zur alleinigen Annahme von Zahlungen nicht befugten Kassierers schon darin, daß der Kassierer, welcher eine dem empfangenen Betrage gleiche Summe demnächst unterschlagen hat, die empfangenen Geldstücke in die Geschäftskasse gelegt hat, in welcher sie mit dem Gelde des Geschäftsherrn vermischt sind?

Tatbestand

Kläger hat an K., den damaligen Kassierer des beklagten Vorschußvereines, 3000 M gezahlt, um eine Darlehnsforderung an den Verein zu gewinnen. Durch die in dieser Sache ergangenen früheren Urteile ist festgestellt, daß dem Kläger diese Darlehnsforderung nicht erwachsen ist, weil K. für sich allein nicht legitimiert war, Gelder namens des beklagten Vereines anzunehmen, und denselben durch seine alleinige Annahme und durch Ausstellung einer nur von ihm unterzeichneten Urkunde nicht verpflichtete, Kläger aber unterlassen hatte, die Mitunterschrift des zweiten kontrollierenden Vorstandsmitgliedes, welche Mitunterschrift nach den Statuten des Vereines zu dessen Verpflichtung erforderlich ist, einzuholen. Das Reichsgerichtsurteil vom 7. März 1883 hatte indessen die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die Frage zu prüfen, ob nicht eine Verpflichtung des beklagten Vereines aus dein Gesichtspunkte der Bereicherung vorliegt. Die anderweite Verhandlung hat stattgefunden, das Berufungsgericht hat nun durch Urteil vom 4. Juli d. Js. die Klage auch aus diesem Gesichtspunkte abgewiesen. ... Kläger hat behauptet, der Kassierer K. habe die ihm behändigten 3000 M in den Geldschrank des beklagten Vereines gelegt. Das Berufungsgericht hält diese Thatsache, auch wenn sie erwiesen wäre, was dahingestellt gelassen ist, nicht für ausreichend, um die Haftung des beklagten Vereines zu begründen. Diese Haftung würde, wie das Berufungsurteil weiter ausführt, selbst dann noch nicht begründet sein, wenn eine untrennbare Vermischung dieses Geldes mit den zur Zeit vor dessen Einlage vorhandenen oder demnächst hinzugekommenen Geldern eingetreten wäre; denn die eingezahlten 3000 M seien nicht an den Verein gekommen, sie seien auch nicht in den Nutzen dieses Vereines verwendet.

Ein Zueignungsakt des Vereines sei nicht behauptet. Die Gelder seien auch in den Büchern des Vereins nicht vereinnahmt. Vielmehr sei anzunehmen, daß der Kassierer K. selbst sich die Einlage des Klägers, auch wenn sie sich zeitweise im Vereinskassenbehälter befunden, zu Nutzen gemacht habe.

Auf Grund der Aussage des K. wird festgestellt, daß er in die Vereinskasse nicht bloß die für den Verein bestimmten, sondern auch die von ihm selbst in seinen Privatgeschäften vereinnahmten Gelder eingelegt habe. Er habe nun bei der Vergleichung des Kassenbestandes mit dem Resultate der anläßlich der Kassenberichte allmonatlich vorgenommenen Aufrechnung der in die Vereinsbücher eingetragenen Einnahmen und Ausgaben die sich ergebenden Überschüsse als ihm zugute gekommen angesehen und sich zugeschrieben. Unter diese Überschüsse sei auch die nicht gebuchte und folgeweise bei dem Kassenabschlusse als ein Plus zur Erscheinung gekommene Einzahlung des Klägers gefallen, sofern sie von K. überhaupt bis dahin im Kassenschranke belassen war. Die Annahme, daß er den Betrag tatsächlich für sich aus der Kasse entnommen und in seinen Nutzen verwendet habe, würde dadurch bestätigt, daß K. dem als Zeugen vernommenen Kaufmann D. gegenüber im November 1881 erklärt habe, er sei dem Sch. (dem jetzigen Kläger) 3000 M schuldig geworden, zu deren Deckung D. ihm die Mittel gewähren möge.

Gründe

"Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes kann für rechtsirrtümlich nicht angesehen werden. Die Vorschriften der §§. 265 flg. A.L.R. I. 13 lassen deutlich erkennen, daß eine Verwendung in den Nutzen des Geschäftsherrn nicht schon dadurch als begründet angesehen wird, daß eine Sache damit, daß sie dem Stellvertreter eingehändigt worden ist, in das Eigentum des Geschäftsherrn gebracht ist, sofern sie der Stellvertreter, während er die Sache noch in der Hand hatte, diesem Eigentume und dem Vermögenskreise des Geschäftsherrn durch eine Verwendung in seinen Nutzen wieder entzogen hat. Denn jene nützliche Verwendung wird entweder nur dadurch begründet, daß über die Sache verfügt ist durch eine Verwendung in den Vermögenskreis des Geschäftsherrn, also etwa durch Bezahlung notwendiger Ausgaben (§§. 267 flg. a. a. O.), oder dadurch, daß der Geschäftsherr die Sache übernommen hat (§. 265 a. a. O.). Der Fall, daß das Übernommene durch einen Zufall verloren gegangen ist, ehe der Übernehmer davon wirklich Nutzen gezogen hat (§. 266 a. a. O.), steht hier außer Frage. Abgesehen von diesem Falle stimmen die Vorschriften des Allgemeinen Landrechtes mit denen des gemeinen Rechtes überein. Denn auch nach gemeinem Rechte fällt die Verwendung in den Nutzen des Geschäftsherrn mit der Frage nach dem Eigentumserwerbe nicht zusammen. Nahm der Sklave für den, in dessen Gewalt er sich befand, ein Darlehn auf, um das Geld in dessen Nutzen zu verwenden, so erwarb der Gewalthaber gewiß Eigentum an den Geldstücken; gleichwohl wurde die aus dem Gesichtspunkte der Verwendung in seinen Nutzen erhobene Klage abgewiesen, wenn der Sklave das Geld nachher zu anderen Zwecken als denen des Gewalthabers ausgegeben hatte.1

Nun ist im vorliegenden Falle nicht festzustellen gewesen, daß der beklagte Verein in seiner Gesamtheit, oder daß sein Vorstand die an den Kassierer gezahlten 3000 M übernommen habe; umgekehrt ist festgestellt, daß der Kassierer K. den Betrag von 3000 M, ohne daß er an den beklagten Verein gekommen, oder bevor er an denselben gekommen, in seinen Nutzen verwendet hat.

Wollte man nun auch annehmen, daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sei, es seien diejenigen Geldstücke, welche von dem Kläger herrührten, zu Ausgaben verwendet, welche dem Vereine zugute kamen, weil nicht festgestellt sei, daß der Kassierer K. sich gerade jene Geldstücke angeeignet habe, wenn derselbe auch den durch die Einzahlung um 3000 M vermehrten Kassenbestand wieder um den gleichen Betrag durch Entnahme gleichwertiger Geldstücke herabgemindert habe, so würde die Sachlage doch dadurch nicht verändert.

Denn es geht aus dem Urteile hervor, daß jene Einlage in die Kasse, wenn sie überhaupt erfolgt ist, und die Wiederentziehung des gleichen Betrages in innerem Zusammenhange mit einander gestanden haben. Die Sache liegt nicht so, daß der Kassierer K. jene 3000 M ordnungsmäßig für die Genossenschaft vereinnahmt, gebucht, den durch die Einnahme vermehrten Kassenbestand im Interesse des Vereines verwaltet, und später unabhängig davon, daß in die Kasse gerade jene 3000 M des Klägers geflossen waren, eine zufällig gleich hohe Summe oder eine größere Summe für sich entnommen, dem Vereine entzogen und in eigenen Nutzen verwendet hätte. Vielmehr hat der Kassierer K. alles das, was wie jene 3000 M nicht gebucht war, als das ihm Zukommende aus der Kasse entnommen, und daß er sich gerade mit Rücksicht darauf, daß von dem Kläger 3000 M eingezahlt waren, einen entsprechenden Betrag zugeeignet hat, wird dadurch nachgewiesen, daß, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, er sich selbst als den Schuldner des Klägers in Höhe jener 3000 M angesehen und Schritte gethan hat, um diesen Betrag dem Kläger zu ersetzen. Bei solcher Sachlage ist es aber ohne Belang, ob es gerade die Geldstücke des Klägers gewesen sind, welche sich K. zugeeignet hat, oder ob diese Geldstücke nach zuvoriger Vermischung mit dem übrigen Kassenbestande etwa zu Ausgaben für Rechnung des beklagten Vereines verwendet worden waren. Denn auch, wenn ein solcher Thatbestand hätte erwiesen werden können, würde die Zahlung des Klägers bei der oben geschilderten Sachlage nicht dazu geführt haben, das Vermögen des beklagten Vereines um den Betrag von 3000 M zu vermehren. Es liegt also eine Verwendung in den Nutzen des beklagten Vereines nicht vor.

Die Revision ist deshalb zurückgewiesen."

  • 1. Vgl. I. 3 §. 9 Dig. de in rem verso 15, 3.