RG, 13.11.1883 - II 255/83

Daten
Fall: 
Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung
Fundstellen: 
RGZ 10, 290
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.11.1883
Aktenzeichen: 
II 255/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Aachen
  • OLG Köln

Kann durch die Streitverkündung die Verjährung - abgesehen von Art. 80 W.O. - unterbrochen werden?
Was ist unter Vorladung vor Gericht in Art. 2244 Code civil zu verstehen?

Aus den Gründen

"Unbestritten sind mehr als sechs Monate seit der Ablieferung der Dampfmaschine bis zur Erhebung der vorliegenden redhibitorischen Klage des Käufers abgelaufen, sodaß die vom Beklagten als Verkäufer vorgebrachte Einrede der Verjährung aus Art. 349 Abs. 2 H.G.B. an sich als zutreffend erscheint. ...

Wie hiernach die Abweisung der Klage auf Grund der Verjährung zu einem rechtlichen Bedenken keinen Anlaß giebt, so erscheint auch der auf die Streitverkündung gestützte Angriff der Revisionsklägerin als verfehlt.

In dem Vorprozesse zwischen der jetzigen Klägerin und der Firma B., an welche der nämliche Dampfkessel von der jetzigen Klägerin weiter verkauft war, handelte es sich ebenfalls um eine von der Firma B. gegen die jetzige Klägerin am 2. November 1880 erhobene, redhibitorische Klage, und die damalige Beklagte (jetzige Klägerin) hat ihrer Verkäuferin, der jetzigen Beklagten, den Streit verkündet. Die Revisionsklägerin macht nun geltend, daß die Streitverkündung gleich einer " citation en justice" nach Maßgabe des Art. 2244 B.G.B, die Verjährung unterbreche. Dies wird gegründet auf ausdehnende Interpretation des Art. 2244, auf die Vorschrift in Art. 80 der deutschen W.O. und deren Beibehaltung unter der Herrschaft der Civilprozeßordnung, sowie auf die Möglichkeit, mit der Streitverkündung die Zustellung einer Ladung zu verbinden und endlich auf die der Streitverkündung in C.P.O. §.71 Abs. 3 verglichen mit §. 65 beigelegte Wirkung. Diese Gründe können jedoch nicht für zutreffend erachtet werden.

Abgesehen von den hier nicht anwendbaren Sondervorschriften in Artt. 148. 149 enthält das Handelsgesetzbuch keine Bestimmung über die Unterbrechung der Verjährung, insbesondere auch nicht hinsichtlich der sehr kurzen Verjährung in Art. 349. Vom gesetzgeberischen Standpunkte mag dies bedenklich sein, da der Art. 349 wohl Anlaß zu einer dem Art. 80 Abs. 2 W.O. entsprechenden Bestimmung hätte geben können; der Käufer ist nämlich allerdings unter Umständen durch die kurze Verjährung des Art. 349 H.G.B, in seinem Rechte gefährdet, sofern er nicht von der nach §. 231 C.P.O. möglichen Feststellungsklage Gebrauch zu machen in der Lage ist.

Indessen fehlt eben eine gesetzliche Spezialbestimmung über die Unterbrechung der Verjährung des Art. 349, weshalb hierüber das bürgerliche Recht entscheidet.

Anlangend zunächst das hier maßgebende rheinische bürgerliche Gesetzbuch, handelt es sich um eine nach Aufhebung des Code de proc. civile erhobene Klage und um eine in dem dadurch entstandenen Prozesse erfolgte Streitverkündung, weshalb dermalen der Ausdruck des Art. 2244 Code civil " citation en justice" aus der Reichs-Civilprozeßordnung zu erläutern ist.

Übrigens war auch nach der früheren rheinisch-französischen Doktrin und Praxis die Tragweite jener Bestimmung keine so ausgedehnte, als die Revisionsklägerin behauptet, indem immerhin ein Akt erfordert wurde, der auf Grund eines Anspruches eine Ladung vor Gericht enthält, wobei man allerdings der gewöhnlichen Klage andere Akte gleichstellte, insbesondere die Garantieklage ( demande en garantie). Dem früheren rheinisch-französischen Prozeßrechte war die deutsch-rechtliche Streitverkündung unbekannt; denn die Garantieklage ist davon wesentlich verschieden, weil sie eine wirkliche Geltendmachung des Regreßanspruches vor Gericht enthielt, wovon bei der Streitverkündung keine Rede ist. Die Erhebung der Garantieklage hatte auch Litispendenz zur Folge, welche die Verjährung suspendiert (Art. 2247 Code civil), während die Streitverkündung bei dem Mangel einer Ladung jedenfalls keine Rechtshängigkeit erzeugt (§§. 235. 239 C.P.O.).

Um diesen Einwand zu beseitigen, ist von der Revisionsklägerin geltend gemacht worden, es sei nach der Reichs-Civilprozeßordnung nicht ausgeschlossen, daß der Streitverkünder mit der Streitverkündung nach Maßgabe des §. 70 C.P.O. auch eine Ladung zu dem Termine zustellen lasse. Allein dies ist nur eine faktische, keine rechtliche Möglichkeit, und wenn der Streitverkünder davon Gebrauch machen würde, so stände dies mit dem Wesen der Streitverkündung nach §§. 69-71 C.P.O. in vollstem Widerspruche, indem die Streitverkündung nur eine gerichtliche Benachrichtigung über die Möglichkeit eines Anspruches des Streitverkünders an den Streitverkündeten ("Grund der Streitverkündung"), sowie über die Lage des Rechtsstreites, also auch von der Anberaumung eines Termines enthält, nicht aber darin der Anspruch selbst geltend gemacht wird, also eine Ladung des Streitverkündeten um so mehr ausgeschlossen erscheint, als davon in §. 70 keine Rede und die Ladung mit der in §. 71 dem Streitverkündeten gewährten Freiheit unvereinbar ist.1

Die mit der Streitverkündung verbundene Ladung wäre daher rechtsungültig und gemäß Art. 2247 Code civil zur Unterbrechung der Verjährung nicht geeignet.

Wie hiernach das Landesrecht der Streitverkündung die Wirkung der Unterbrechung nicht beilegt, so gilt das gleiche vom Reichsrecht mit alleiniger Ausnahme des Art. 80 W.O. Die Civilprozeßordnung verbindet die Wirkung einer Ladung, welche der Art. 2244 Code civil erheischt, zunächst mit der Erhebung der Klage (§§. 230. 239) und stellt in §§. 190. 254. 461 Abs. 2. 471 gewisse andere Akte der Klagerhebung gleich, aber darunter ist die Streitverkündung nicht genannt und konnte nicht genannt werden, weil es, wie oben erörtert, mit dem Wesen der Streitverkündung nach Maßgabe der Civilprozeßordnung unvereinbar ist.

Hiergegen läßt sich auch nichts aus der Wirkung der Streitverkündung nach Maßgabe von §. 71 Abs. 3 mit §. 65 C.P.O. einwenden; denn selbst bei Annahme einer Art von Rechtskraft des betreffenden Urteiles gegenüber dem Streitverkündeten bezieht sich dies nur auf die dort entschiedenen Fragen, nicht aber auf die Regreßpflicht des Streitverkündeten gegenüber dem Streitverkünder, welche gemäß §. 69 C.P.O. nur den Anlaß zur Streitverkündung bildet, nicht aber Gegenstand des Prozesses und der Entscheidung ist.

Aus §. 13 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur C.P.O. folgt allerdings, daß die Vorschrift des Art. 80 W.O., wonach auch die vom Beklagten geschehene Streitverkündung an einen Regreßpflichtigen eine Unterbrechung der Wechselverjährung bewirkt, in Geltung geblieben ist. Bei Erlassung der Wechselordnung und ihres Art. 80 war der Mehrzahl der geltenden Landesgesetze eine derartige Wirkung der Streitverkündung unbekannt, und dennoch ist aus Rücksicht auf die praktischen Bedürfnisse des Wechselverkehres jene Bestimmung des Art. 80 in das Gesetz aufgenommen worden. Die gleichen legislatorischen Gründe machen erklärlich, daß jene Vorschrift beibehalten worden ist, obgleich die Civilprozeßordnung eine derartige Wirkung der Streitverkündung nicht kennt. Aus der Nichtaufhebung des Art. 80 W.O. ergiebt sich daher kein Grund für die von der Revisionsklägerin aufgestellte Behauptung, daß im Sinne der Civilprozeßordnung die Streitverkündung überhaupt die Verjährung unterbrechen solle. Überdies hätte der Gesetzgeber eine so erhebliche Vorschrift ausdrücklich gegeben, wozu um so mehr Anlaß vorlag, als in §. 13 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung und in §. 3 des Einführungsgesetzes zur Konkursordnung Modifikationen des Art. 80 erfolgt sind, der Gesetzgeber sich daher wiederholt mit dem Art. 80 beschäftigt hat. Wie oben bemerkt, enthält die Civilprozeßordnung keine solche Vorschrift über die Wirkung der Streitverkündung, mithin liegt sie auch nicht im Geiste und Sinne dieses Gesetzbuches.

Was endlich den Art. 80 W.O. betrifft, so ist derselbe bereits als eine im Interesse des Wechselverkehres erlassene Bestimmung charakterisiert worden. Daraus ergiebt sich von selbst, daß die darin enthaltene Vorschrift über Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung des Beklagten sich als eine Spezialbestimmung des Wechselrechtes darstellt, die auf ihr Gebiet beschränkt werden muß, einer analogen Ausdehnung auf andere, wenn auch ähnliche Rechtsverhältnisse nicht fähig ist und am wenigsten generalisiert werden darf, zumal sie nicht von der Streitverkündung im allgemeinen, sondern nur von jener des Beklagten handelt."

  • 1. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 4 Nr. 99 S. 363.