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RG, 13.10.1883 - V 198/83

Daten
Fall: 
Wiederkaufsrecht auf die Erben
Fundstellen: 
RGZ 10, 218
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.10.1883
Aktenzeichen: 
V 198/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Stendal
  • OLG Naumburg

Geht das Wiederkaufsrecht auf die Erben über, wenn zur Ausübung desselben eine bestimmte Zeit verabredet ist?

Gründe

"Der erste Richter hat in Anwendung des argumentum e contrario aus §. 316 A.L.R. I. 11 den Rechtssatz entnommen, daß ein Wiederkaufsrecht, zu dessen Ausübung eine bestimmte Zeit kontraktlich festgesetzt ist, nicht mit dem Tode des Berechtigten, sondern erst mit dem Ablaufe der bestimmten Frist erlösche und also auf die Erben des Verkäufers übergehe. Der Berufungsrichter hat diese Ansicht als rechtsirrtümlich verworfen, indem er aus der Vorschrift des §. 314 A.L.R. I. 11, nach welcher das Wiederkaufsrecht ohne Einwilligung des Besitzers der Sache einem Dritten nicht abgetreten werden kann, folgert, daß es auch unvererblich sei, und aus §.317 a. a. O., auf den der §. 318 mit dem Ausdrucke "nach obigen Bestimmungen" ausschließlich Bezug nehme, die Vorschrift entnimmt, das Wiederkaufsrecht gehe nur dann auf die Erben des Verkäufers über, wenn letzterer es denselben ausdrücklich vorbehalten habe, oder sonst aus der Fassung des Vertrages deutlich hervorgehe, daß die Ausübung des Rechtes zu allen Zeiten stattfinden solle.

Es ist zuzugeben, daß die Ansicht des Berufungsrichters in der preußischen Doktrin ausnahmslose Anerkennung gefunden hat. Bornemann, Civilrecht Bd. 2 S. 52, Koch, Recht der Forderungen Bd. 3 §. 247 und Übertragung der Forderungsrechte S. 81, Förster, Theorie Bd. 1 S. 649, Dernburg, Privatrecht Bd. 1 S. 880 und Bd. 2 S. 191, haben sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, daß aus der kontraktlichen Festsetzung einer bestimmten Zeitgrenze noch nicht gefolgert werden könne, es solle das Recht bis zum Ablauf derselben eventuell auch von den Erben ausgeführt werden dürfen.

Gleichwohl muß der Auslegung des ersten Richters der Vorzug gegeben werden. Zunächst findet die Annahme des Berufungsrichters, daß unter den "obigen Bestimmungen" im §. 318 allein die in dem §.317 enthaltenen Vorschriften zu verstehen seien, in der Ausdrucksweise ihre Widerlegung, welcher, sich das Allgemeine Landrecht ausnahmslos bedient, wenn es sich in einer Verweisung lediglich auf den unmittelbar vorhergehenden Paragraphen unter Ausschluß vorhergehender Bestimmungen beziehen will. Im ganzen A.L.R. findet sich kein einziges Beispiel, in welchem bei solcher Beschränkung der Bezugnahme der umfassende - also auch unzutreffende - Ausdruck "nach obigen Bestimmungen" gebraucht wäre, vielmehr lassen sich unzählige Stellen für die peinliche Sorgfalt anführen, mit welcher die Redaktoren in solchen Fällen jedem Mißverständnisse dadurch vorzubeugen gesucht haben, daß sie die gemeinten Paragraphen in Parenthese speziell bezeichnen (vgl. z. B. Einl. §. 30; I. 45. §§. 78. 87. 92. 138. 159. 178; I. 5. §§. 184. 222. 236. 358. 372; I. 7. §§. 94. 148. 154. 177 und viele andere). Die vom Berufungsrichter beliebte Einschränkung der Beziehung erscheint hiernach unzulässig. Wäre eine solche beabsichtigt, so würde dies durch eine Fassung des §. 318 dahin klar ausgedrückt sein: Wenn nach vorstehender Bestimmung (§.317) das Recht auf die Erben übergeht etc.. Sie ist aber nicht bloß durch den Wortlaut des §. 318, sondern auch durch den Inhalt des §. 317 und der vorhergehenden Paragraphen ausgeschlossen. Denn der §. 317 hat gar nicht die Bestimmung, eine allgemeine Regel darüber aufzustellen, wann das Wiederkaufsrecht vererblich ist, sondern die gemeinrechtliche Kontroverse zu entscheiden, ob das Recht, wenn es auf die Erben übergeht, durch Verjährung erlischt. Allgemeine Grundsätze über die Vererblichkeit sind vielmehr lediglich aus den vorhergehenden Bestimmungen der §§. 312-316 zu entnehmen, und es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß unter den "obigen Bestimmungen" im §. 318 gerade die aus ihrem Zusammenhange mit den §§. 312-315 zu erklärende Vorschrift des §. 316 zu verstehen ist, und daß daher der erste Richter mit Recht auf diese das hauptsächlichste Gewicht legt.

Die §§. 312-316 lassen aber ihrer Wortfassung und ihrem logischen Zusammenhange nach keinen Zweifel über ihren Sinn. Unter den gemeinrechtlichen Juristen bestand hauptsächlich darüber Streit, ob das kontraktlich nicht begrenzte Wiederkaufsrecht als res merae facultatis der Verjährung unterworfen sei, und eventuell darüber, wann diese Verjährung beginne. Dagegen war man darüber einverstanden, daß es als ein vertragsmäßiges reines Vermögensrecht der allgemeinen Regel nach auf die Erben übergehe, wenn es nicht ganz ausdrücklich bloß dem Verkäufer als ein jus personalissimum eingeräumt war. In der That liegt auch in der Natur des Rechtsgeschäftes, als eines pactum da retrovendendo, das, wie Koch (Recht der Forderungen Bd. 3 S. 217) zutreffend ausführt, nichts Besonderes hat, sondern ein Kauf wie jeder andere Kauf ist, nicht der geringste Grund, das dadurch begründete reine Vermögensrecht als ein unübertragbares jus personalissimum aufzufassen.

Die hier in Rede stehenden Bestimmungen des A.L.R.'s enthalten auch nicht die entfernteste Andeutung, daß die Redaktoren von einer anderen Auffassung des Wesens des Wiederkaufsvertrages ausgegangen sind als die gemeinrechtlichen Juristen, und daß sie die darüber aufgestellten Rechtsregeln aus dem Charakter des Rechtes als eines unübertragbaren jus personalissimum abgeleitet halten. Sie unterscheiden vielmehr das Wiederkaufsrecht von dem gesetzlichen Vorkaufsrecht und deutschrechtlichen, dinglich wirkenden Näher- und Retraktrecht ganz ausdrücklich, indem sie das Wiederkaufsrecht als einen Nebenvertrag des Kaufes, das gesetzliche Vorkaufs- und Näherrecht aber in einem besonderen Abschnitt des 20. Titels unter den dinglichen Rechten abhandeln. Beide Institute sind auch nach ihrem Wesen, ihren Voraussetzungen und Wirkungen wesentlich verschieden. Gerber (Privatrecht S. 474) charakterisiert das Näherrecht zutreffend als auf einer gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Verpflichtung beruhend und demjenigen zustehend, der sich in dem vom Gesetze privilegierten Verhältnisse (Verwandtschaft, Markgenossenschaft, Nachbarschaft, Lehnsverband etc.) befindet, und folgert daraus, daß es durch Vertrag oder Testament nicht entstehen könne. Seine Unübertragbarkeit auf andere, die nicht selbst in jenem Verhältnisse stehen, ist seiner inneren Natur nach von selbst ausgeschlossen, und es ist daher weder cessibel, noch vererblich. Dem Erben steht es nicht vermöge seines Erbrechtes, sondern stets nur aus eigenem Recht zu, falls er nämlich selbst in dem dasselbe bedingenden Verhältnisse steht.1

Ganz anderer Natur ist das vertragsmäßig bedungene Wiederkaufsrecht, das ganz im Gegenteil als ein persönliches, lediglich auf Konvention beruhendes und durch besondere individuelle Verhältnisse oder Eigenschaften des Berechtigten in keiner Weise bedingtes Vermögensrecht der allgemeinen Regel unterliegt, wonach solche Rechte sowohl cessibel als auch vererblich sind.2

Seine Unübertragbarkeit könnte niemals aus seiner inneren Natur, sondern nur aus der präsumtiven Willensmeinung der Kontrahenten hergeleitet werden, und in der That haben denn auch die §§. 312-318 A.L.R. I. 11, lediglich die Natur von Auslegungsregeln. Dies erhellt aus einer Vergleichung mit der Vorschrift des §. 594 A.L.R. I. 20, wo in betreff des gesetzlichen Vorkaufsrechtes die Unübertragbarkeit aus der Natur des Rechts hergeleitet und deshalb die Abtretbarkeit unbedingt und unabhängig von der Willensmeinung der Kontrahenten ausgeschlossen wird. Es heißt daselbst, das gesetzliche Vorkaufsrecht könne anderen, die für sich selbst dazu nicht befugt sind, d. h. die nicht selbst in dem gesetzlich privilegierten Verhältnisse stehen, niemals - also auch nicht mit Genehmigung des anderen Teils - abgetreten werden, während die §§. 312 flg. alles auf die präsumtive Willensmeinung der Kontrahenten stellen.

Der §.312 erklärt denn auch das Wiederkaufsrecht keineswegs für incessibel, sondern nimmt nur an, daß nach der Willensmeinung der Kontrahenten die Einwilligung des Besitzers zur Abtretung an eine dritte Person erforderlich sei. Ganz abwegig erscheint es daher, wenn der Berufungsrichter mit Koch - Kommentar zu H. 312 - den Schluß zieht, daß, weil das Wiederkaufsrecht für nicht cessibel erklärt sei, es auch nicht auf die Erben übergehe. Ein solcher Schluß würde unzulässig sein, selbst wenn das A.L.R. festsetzte, daß das Wiederkaufsrecht an Dritte niemals abgetreten werden könne, da es viele Rechte giebt, welche zwar nicht an dritte Personen abgetreten werden können, wohl aber auf die Erben übergehen, und aus der Willensmeinung, daß die Übertragbarkeit eines Rechtes unter Lebenden ausgeschlossen sein solle, in keiner Weise zu folgern ist, daß es auch nicht auf die Erben übergehe.

Um die Regel der Vererblichkeit eines reinen Vermögensrechtes auszuschließen, hätte es daher einer positiven Bestimmung bedurft, daß das Wiederkaufsrecht weder cediert werden könne, noch auch auf die Erben übergehe, wie dies §. 1070 des österr. G.B. anordnet, weil es das Wiederkaufsrecht einem gesetzlichen Vorkaufsrechte gleich behandelt.3

Der §. 312 schließt aber die Cessibilität nur bedingungsweise aus und sagt über die Vererblichkeit garnichts. Es ist daher schon aus §. 312 in Anwendung des argumentum e contrario der Schluß zulässig, daß es in betreff des Überganges auf die Erben bei der allgemeinen Regel bleibe. Dasselbe Resultat ergiebt die Vorschrift des §. 314, wonach, wenn für die Ausübung des Wiederkaufsrechtes eine gewisse Zeit bestimmt ist, dasselbe mit dem Ablauf dieser Zeit verloren geht, womit deutlich gesagt ist, daß es vor Ablauf dieser Zeit nicht verloren geht, namentlich auch nicht durch den Tod des Berechtigten. Wenn nun außerdem noch §. 316 - und zwar in der Fassung einer Ausnahme von der als selbstverständlich vorausgesetzten Regel der Vererblichkeit - sagt:

Ist keine Zeit zur Ausübung des Wiederkaufsrechtes bestimmt, so geht dasselbe auf die Erben des Verkäufers nicht über,

so kann gewiß nicht deutlicher ausgesprochen werden, daß, wenn eine bestimmte Zeitgrenze für die Ausübung gesetzt ist, keine Rede davon sein kann, daß es mit dem Tode des Berechtigten erlösche. Der ganze Zusammenhang der §§. 312 flg. in Verbindung mit den Marginalen beweist unwiderleglich, daß dem Gesetzgeber nicht der Übergang des Rechtes auf die Erben bedenklich erschienen ist, sondern lediglich die unbeschränkte Dauer der Ausübung, und daß diese ihn bestimmt hat, den Übergang auf die Erben ausnahmsweise auszuschließen, aber selbstverständlich nur für den Fall, wenn nicht anderweitig eine Zeitgrenze gesetzt war, eine zweite Begrenzung durch den Tod des Berechtigten sich also als überflüssig erwies.

Es leuchtet ein, daß, wenn man mit Koch annähme, es sei bereits im H. 312 die Incessibilität und Unvererblichkeit des Rechts als Prinzip ausgesprochen, der §. 316 ganz überflüssig sein würde, daß sich dann der Nichtübergang auf die Erben beim Mangel einer Zeitbestimmung ganz von selbst verstehen würde, und sich höchstens fragen könnte, ob nicht eine Ausnahme von der Unvererblichkeit wenigstens in dem Fall zu statuieren sei, wenn eine bestimmte Begrenzung der Dauer anderweit erfolgt ist. Unmöglich kann sich ein Gesetzgeber in so unlogischer Weise ausdrücken, wie es ihm die Auslegung des Berufungsrichters zumutet: das Wiederkaufsrecht sei seiner Natur noch als ein jus personalissimum unvererblich, es gehe indes in dem Fall, wenn eine bestimmte Zeitgrenze gesetzt sei, auf die Erben nicht über. Das A.L.R. sagt vielmehr ganz klar, das Wiederkaufsrecht sei seiner Natur nach ein vererbliches Vermögensrecht, es gehe jedoch nach der präsumtiven Willensmeinung der Kontrahenten ausnahmsweise auf die Erben nicht über, wenn der Dauer seiner Ausübung gar keine Zeitgrenze gesetzt sei." ...

  • 1. Vgl. Entsch. des Obertribunals Bd. 23 S. 342.
  • 2. Vgl. Bornemann Bd. 3 S. 51 Note 4.
  • 3. Vgl. Unger Bd. 1 S. 570.