RG, 13.10.1880 - I 330/80

Daten
Fall: 
Transportgefahr bei Versendung von Geldbeträgen
Fundstellen: 
RGZ 2, 116
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.10.1880
Aktenzeichen: 
I 330/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • SG Berlin
  • KG Berlin

Trägt der Mandant oder der Mandatar die Transportgefahr einer Postsendung, mittels welcher der Mandatar Gelder, welche er im Auftrage des Mandanten erhoben, demselben überschickt?

Gründe

"Der Apell.-Richter faßt das Verhältnis des als Kaiserlich deutscher Konsul in Serajewo fungierenden Klägers zum Beklagten, welcher für den Kläger in dessen Auftrage dessen Gehalt bei der Legationskasse in Berlin erhob und das erhobene Geld, soweit er dasselbe nicht dazu verwendete, die ihm vom Kläger aufgetragenen Zahlungen zu leisten, an den Kläger nach dessen Wohnort Serajewo per Post übersandte, als das Verhältnis des Mandanten zum Mandatar und die gedachten Postsendungen nicht als Geldzahlungen im Sinne des Art. 325 H.G.B. auf. - Er hält deshalb die Bestimmung des Art. 325 H.G.B., wonach der Schuldner die Transport-Gefahr solcher Geldzahlungen tragen soll, auf die vorliegende Postsendung nicht für anwendbar; er wendet vielmehr den Art. 324 H.G.B. an, wonach Berlin, der Wohnort und der Sitz der Handelsniederlassung des Schuldners, für seine Vertragsleistung als Erfüllungsort anzusehen sei und der Kläger, der Gläubiger, die Gefahr der Sendung zu tragen habe. Er führt aber weiter aus, daß, wenn auch der Art. 323 H.G.B. Anwendung finde, doch nach der Natur des Geschäfts nicht der Beklagte, sondern der Kläger die Gefahr der Postsendungen zu tragen, vielmehr der Beklagte, indem er die Geldsendung in Berlin zur Post gegeben, seinen Verpflichtungen gegen den Kläger vollständig genügt habe und für einen später eingetretenen Verlust nicht aufzukommen brauche. Der Appell.-Richter macht daher die Entscheidung von einem Erfüllungseide des Beklagten darüber abhängig, daß sich in dem von ihm an den Kläger abgesendeten Wertpackete zur Zeit der Einlieferung bei der Post in Berlin der von ihm behauptete Geldbetrag befunden habe. Diese Entscheidung ist vom Kläger wegen Verletzung der Artt. 324. 325 H.G.B. und des §. 62 A.L.R. I. 13 als nichtig angefochten, jedoch ohne Grund. Die Entscheidung des Appell.-Richters ist nämlich gerechtfertigt, wenn auch der Art. 325 H.G.B. für anwendbar erachtet, wenn angenommen wird, daß die fragliche Postsendung als eine Geldzahlung des Beklagten an den Kläger im Sinne des Art. 325 H.G.B. aufzufassen sei. Der Art. 325 bürdet nämlich nicht unbedingt und ausnahmslos bei solchen Geldzahlungen dem zahlenden Schuldner die Tragung der Transportgefahr auf, statuiert vielmehr ausdrücklich eine Ausnahme von dieser Regel, wenn ein anderes aus der Natur des Geschäfts oder aus der Absicht der Kontrahenten hervorgeht. Der Appell.-Richter stellt nun aber tatsächlich fest, daß dieser Ausnahme-Fall vorliege, indem es die Absicht der Kontrahenten gewesen sei, daß Beklagter die Transportgefahr nicht tragen solle. Wenn der Appell.-Richter bemerkt, daß die Absicht der Parteien gewesen sei, Berlin solle als Erfüllungsort angesehen werden, so ist dies nicht entscheidend, da, wie aus einer Vergleichung des Art. 325 Abs. 1 mit Art. 325 Abs. 2 H.G.B. hervorgeht, Berlin der Erfüllungsort für die dem Beklagten obliegende Geldsendung sein, und Beklagter doch zur Tragung der Transportgefahr verpflichtet sein konnte. (Vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen Bd. 1 S. 445 flg,) Dieser inkorrekte Ausdruck hat aber die Nichtigkeit der Entscheidung nicht zur Folge, da aus dem Zusammenhange der Ausführung des Appell. Richters zu entnehmen ist, daß er hat feststellen wollen, daß nach der Absicht der Kontrahenten, welche sich namentlich daraus ergebe, daß Beklagter für die Tragung der Gefahr des Transports keine Entschädigung vom Kläger erhalten habe, Beklagter die Gefahr der Geldsendung nicht habe tragen sollen. Diese Annahme des Appell. Richters würde auch, wenn sie einer Nachprüfung in dem Nichtigkeits-Verfahren unterläge, nur gebilligt werden können, da es nicht die Absicht der Parteien gewesen sein kann, daß der Beklagte als Mandatar des Klägers, welcher nur eine Inkasso-Gebühr bezog, die Transport-Gefahr der fraglichen Sendung tragen solle, vielmehr nicht bloß nach der Absicht der Kontrahenten, sondern auch nach der Natur des Geschäfts anzunehmen ist, daß Beklagter die Transportgefahr nicht hat tragen sollen. Wenn hiernach auch im Falle der Anwendbarkeit des Art. 325 H.G.B. die Entscheidung des Appell.-Richters ganz richtig ist, so kann unerörtert bleiben, ob der Art. 325 oder aber, wie der Appell. Richter principaliter annimmt, nicht der Art. 325, sondern nur der Art. 324 H.G.B. auf den vorliegenden Fall Anwendung findet, und es findet auch die Rüge der Verletzung des §. 62 A.L.R. I. 13 ihre Erledigung, woraus der Implorant nur ableiten will, daß eine Geldzahlung im Sinne des Art. 325 vorliege."