RG, 08.10.1883 - IV 249/83
Ändert sich die dem Patrone obliegende Kirchenbaulast mit der Verwandelung einer Stadtgemeinde in eine Landgemeinde?
Tatbestand
Die klagende Kirchengemeinde zu K. verlangte von dem Beklagten nach A.L.R. II. 11. §. 731 die Anerkennung seiner Patronatsverpflichtung, zwei Drittel der Kosten für Bau und Unterhaltung der Kirchengebäude zu K. beizutragen, da dieser Ort seit 1814 mit landesherrlicher Genehmigung die Landgemeindeordnung angenommen und somit sich aus einer Stadt in ein Dorf verwandelt habe. Beklagter bestritt die Veränderung seiner bisher für eine Stadtkirche bemessenen und darum nur zu einem Drittel der Kosten getragenen Patronatslast, da die Annahme der Landgemeindeordnung ohne seine Mitwirkung erfolgt sei und nur die politische Gemeinde betroffen habe. In beiden Vorinstanzen wurde nach dem Klagantrage erkannt und vom Reichsgerichte die Revision des Beklagten zurückgewiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Die Revision des Beklagten wendet sich lediglich gegen die Ausführung des Berufungsrichters, daß auch das Patronatsverhältnis des Beklagten zu der Kirche in K. durch die Einführung der Landgemeindeordnung vom 14. April 1856 daselbst betroffen worden sei, und hält damit die Bestimmungen der §§. 714. 731 A.L.R. II. 11 durch falsche und §§. 719. 740 a. a. O. durch unterlassene Anordnung für verletzt mit Rücksicht darauf, daß die Kirchenbaulast des Patrons privatrechtlicher Natur und nur das staatliche und kommunale Verhältnis durch die Landgemeindeordnung verändert sei. Sie erscheint indes unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie der Berufungsrichter anzunehmen scheint, das Patronat schon wegen seiner Zugehörigkeit zum öffentlichen Rechte durch die Änderung in dem öffentlichen Rechtszustande des Kirchortes K. berührt werde. Jedenfalls muß dem Berufungsrichter darin beigetreten werden, daß der Revisionskläger ein wohlerworbenes Recht, gerade nur den bisherigen Patronatsbeitrag zu den Kirchenbau- und Kirchenunterhaltungskosten leisten zu dürfen, nicht dargelegt hat. Insbesondere steht demselben in dieser Beziehung nicht nach Maßgabe des §. 710 a. a. O. die behauptete ununterbrochene Gewohnheit zur Seite und kann eine solche, wie der Berufungsrichter mit Recht hervorhebt, in der bisherigen Beitragszahlung um so weniger gefunden werden, als diese nur auf Grund der landrechtlichen Bestimmungen erfolgte, damit aber die Bildung eines besonderen Gewohnheitsrechtes infolge seiner Gleichförmigkeit mit dem bereits bestehenden Gesetze ausgeschlossen wurde. Beruhte aber die Beitragspflicht des Revisionsklägers und deren Umfang lediglich auf dem Gesetze, so hatten sie auch nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen Bestand. Demgemäß zahlte der Revisionskläger zu den Kosten nach §. 740 a. a. O. nur ein Drittel, weil und so lange der Ort K. eine Stadt und somit die darin stehende Kirche eine Stadtkirche war. Mit dem Wegfalle dieses Grundes und dieser Voraussetzung mußte auch der Betrag des Patronatsbeitrages sich ändern und insbesondere nach §. 731 a. a. O. auf zwei Drittel der Kosten sich bemessen, als unter landesherrlicher Genehmigung der Ort K. die Landgemeindeordnung annahm, folglich die Kirche eine Landkirche wurde. Wie das frühere Obertribunal schon in den Erkenntnissen vom 3. November 1865 und 25. April 1873 (Entsch. Bd. 54 S. 329 und Bd. 69 S. 202) mit Recht angenommen hat, bestimmt sich der gesetzliche Betrag des Beitrages nur nach der geographischen Lage der Kirche. Es kann daher darauf, wie Beklagter meint, nichts ankommen, daß die Einführung der Landgemeindeordnung in K. sich nur auf die staatlichen und kommunalen Verhältnisse bezogen habe, da damit der Ort jedenfalls eine Landgemeinde und die darin liegende Kirche eine Landkirche, auch dem Revisionskläger gegenüber, geworden ist, sowie, daß die Einführung ohne die Mitwirkung des Revisionsklägers geschehen sei, da die Erhöhung der Beitragslast aus dem Gesetze selbst folgt."