BGH, 13.05.1992 - IV ZR 79/91

Daten
Fall: 
Der Vater des Klägers und das schweizerische Versicherungsunternehmen
Fundstellen: 
VersR 1992, 989
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
13.05.1992
Aktenzeichen: 
IV ZR 79/91
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Bundschuh, Ritter, Römer, Schlichting, Terno
Instanzen: 
  • OLG Bamberg, 22.11.1990

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 22. November 1990 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Beklagte ist ein schweizerisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in Zürich. Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen noch ein Versicherungsverhältnis besteht, nachdem der Vater des Klägers die Rechte aus dem Vertrag an den Versicherungsvermittler Achazi abgetreten und die Beklagte die Versicherung von diesem zurückgekauft hat.

Der Vater des in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Klägers unterzeichnete unter dem 20. März 1981 ein Antragsformular der Beklagten auf Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages. Als Versicherungsnehmer, Versicherter und Schuldner der einmaligen Prämie von 90.400 Schweizer Franken (sfr) war der Name des Klägers eingetragen. Die nach Ablauf der Versicherungsdauer von zehn Jahren zu zahlende Versicherungsleistung sollte 111.220 sfr betragen. Der Versicherungsvermittler Ac. nahm den Antrag und die einmalige Prämie in bar entgegen. Beides brachte er zur Generalagentur der Beklagten in S. (Sc.). Die Beklagte nahm den Antrag an; sie stellte am 27. März 1981 den Versicherungsschein aus, dem sie ihre Allgemeinen Bedingungen für Kapitalversicherungen auf den Todesfall beifügte. Ac. veranlaßte sodann eine Vorauszahlung von 79.331 sfr auf die Versicherungssumme. Den auf den Vorauszahlungsbetrag lautenden Scheck vom 10. April 1981 löste Ac. ein. Dabei hatte er die Unterschrift des Klägers gefälscht. Den Scheckbetrag behielt er für sich.

Unter dem 21. April 1981 unterzeichnete der Vater des Klägers auf Veranlassung von Ac. eine Urkunde über die Vorauszahlung. Ac. übergab dem Vater des Klägers eine schriftliche Erklärung mit Datum vom 6. Mai 1981, worin er die Rückzahlung von 100.000,00 DM nebst 10 % Zinsen aus einer Festgeldanlage bei Ablauf des Versicherungsvertrages 1991 zusicherte. Am 14. April 1982 unterzeichnete der Vater des Klägers eine Erklärung, nach der der Kläger sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Lebensversicherungsvertrag auf Ac. übertrug. Die Beklagte, der die Abtretung mitgeteilt worden war, stellte einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein aus. Ende Oktober, Anfang November 1982 verlangte Ac. den Rückkauf der Versicherung. Die Beklagte zahlte daraufhin nach Abzug der Vorauszahlung 2.368,10 sfr an Ac.

Am 2. Juli 1987 erteilte Ac. im Zusammenhang mit einem gegen ihn wegen anderer Vorfälle geführten Strafverfahren dem Vater des Klägers ein notarielles Schuldanerkenntnis über 100.000 sfr nebst Zinsen.

Der Kläger hat behauptet, er habe seinen Vater nicht bevollmächtigt, sich einen Betrag auf die Versicherungssumme vorauszahlen zu lassen und die Rechte aus dem Vertrag abzutreten. Er habe seinem Vater nur Vollmacht für den Abschluß des Vertrages erteilt. Von den weiteren Handlungen seines Vaters habe er erst später erfahren. Er hat beantragt

festzustellen, daß der Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und ihm noch bestehe,
hilfsweise begehrt er Zahlung von 90.400 sfr nebst Zinsen.

Die Beklagte hält den Vater des Klägers für ihren Vertragspartner; jedenfalls habe der Kläger seinem Vater aber Generalvollmacht erteilt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Versicherungsvertrag mit dem Kläger oder seinem Vater zustande gekommen ist. Sei der Vater des Klägers Vertragspartner, habe der Kläger schon deshalb keinen Anspruch. Wenn der Kläger Vertragspartner sei, bestehe kein Anspruch, weil die Beklagte die Versicherung von Achazi zurückgekauft habe, dem die Rechte aus dem Versicherungsvertrag wirksam abgetreten worden seien.

1.

Die Vertretungsmacht des Vaters zum Abschluß des Abtretungsvertrages hat das Berufungsgericht zutreffend nach deutschem Recht beurteilt (vgl. BGHZ 43, 21, 27; BGH, Urteil vom 13. Mai 1982 - III ZR 1/80 - NJW 1982, 2733 unter I 2 d). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.

2.

a)

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Kläger seinem Vater Generalvollmacht erteilt hatte, die eine Abtretung mitumfaßt hätte. Denn jedenfalls müsse sich der Kläger das Verhalten seines Vaters nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht zurechnen lassen. Der Vermittlungsagent Achazi habe gewußt, daß der Vater des Klägers zum Abschluß des Lebensversicherungsvertrages bevollmächtigt war. Damit habe auch die Beklagte Kenntnis von dieser Vollmacht gehabt. Da der Kläger gegenüber der Beklagten die Beschränkung der Vollmacht auf den Abschluß des Vertrages nicht kenntlich gemacht habe, sei auch die Abtretung der Rechte aus dem Vertrag kraft Rechtsscheins wirksam.

Diese Erwägungen tragen das Ergebnis des Berufungsgerichts nicht.

b)

Sie lassen nicht erkennen, ob das Berufungsgericht von einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht ausgehen will.

Bei der Anssheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlaßt hat, so daß der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen durfte. Das ist dann der Fall, wenn er nach Lage der Dinge ohne Fahrlässigkeit annehmen darf, der Vertretene kenne und dulde das Verhalten des für ihn auftretenden Vertreters (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1986 - IVa ZR 49/85 - BGHR BGB § 167, Anscheinsvollmacht 2, m.w.N.). Dieser Rechtsgrundsatz greift aber in der Regel nur ein, wenn das Verhalten des angeblich Vertretenen, aus dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung des Dritten schließen zu können glaubt, von einer gewissen Häufigkeit und Dauer ist (BGH, Urteil vom 9. Juni 1986 - II ZR 193/85 - BGHR § 167, Anscheinsvollmacht 1, m.w.N.).

Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, inwiefern der Kläger das Verhalten seines Vaters hätte kennen und verhindern können, noch daß ein Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit vorgelegen habe, das gegenüber Ac. den Rechtsschein einer über den Vertragsschluß hinausgehenden Bevollmächtigung zur Abtretung erzeugt hätte.

Eine Duldungsvollmacht ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzunehmen, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen läßt, daß ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, daß der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (Urteil vom 9. November 1989 - VII ZR 200/88 - BGHR § 167, Duldungsvollmacht 1, m.w.N.).

Auch zu diesen tatsächlichen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

c)

Soweit das Berufungsgericht seine Erwägungen auf § 171 BGB stützen will, kann ihm nicht gefolgt werden. Es erscheint schon fraglich, in welchem Teil des Sachverhalts die "besondere Mitteilung", die § 171 Abs. 1 BGB fordert, gesehen werden soll. Das kann aber auf sich beruhen. Denn geht der Umfang der dem Dritten mitgeteilten Bevollmächtigung über den der tatsächlich erteilten Vollmacht hinaus, so kann sich der gutgläubige Dritte zwar auf die Bevollmächtigung berufen, jedoch nur in dem Umfang, der ihm kundgegeben wurde (vgl. Thiele in MünchKomm, 2. Aufl. § 171 Rdn. 1). Es hätte also konkreter Feststellungen dazu bedurft, daß der Beklagten mitgeteilt wurde, der Vater des Klägers sei auch bevollmächtigt, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abzutreten.

Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, daß der zum Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages Bevollmächtigte auch die Vollmacht hat, alle weiteren Folgegeschäfte im Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsvertrag zu tätigen. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es nicht. Die Vollmacht zum Abschluß eines Versicherungsvertrages ist auch im Verständnis eines juristischen Laien etwas anderes, als die Vollmacht für Rechtshandlungen, die das weitere Schicksal des Vertragsverhältnisses betreffen. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn - worauf die Revisionserwiderung abstellt - zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ein nahes verwandtschaftliches Verhältnis besteht; etwa wie hier zwischen Sohn und Vater.

3.

Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß im Wege der Auslegung aufgrund konkreter Umstände festgestellt werden kann, daß die Vollmacht zum Vertragsschluß konkludent auch die Berechtigung zur Abtretung der Rechte aus dem Vertrag umfaßt. Eine solche Auslegung hat das Berufungsgericht aber gerade nicht vorgenommen. Sie kann naheliegen, wenn zum Beispiel der Vater im Namen seines Sohnes eine Lebensversicherung abschließt, um in den Genuß geringerer Prämienzahlungen zu gelangen, während er das notwendige Kapital aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellt. Bei seiner Vernehmung als Zeuge hat der Vater des Klägers aber bekundet, das Geld zur Zahlung der einmaligen Prämie stamme vom Kläger; er habe von seinem Sohn 100.000,00 DM erhalten mit dem Auftrag, eine Lebensversicherung abzuschließen.

4.

Ob dies zutrifft, muß der tatrichterlichen Würdigung des Beweisergebnisses, gegebenenfalls nach weiterer Beweisaufnahme über die Behauptung des Klägers zur Herkunft des Geldes, vorbehalten bleiben. Je nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht es nicht offenlassen dürfen, wer Vertragspartner ist. Dem Vermittlungsagenten Achazi dürfte kaum entgangen sein, daß sein Verhandlungspartner, der Vater des Klägers, nicht identisch ist mit dem als Antragsteller bezeichneten 24 jährigen Studenten Othmar B. In anderem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß sich die Beklagte die Kenntnis ihres Vermittlungsagenten zurechnen lassen muß, die dieser bei der Auf- und Entgegennahme des Versicherungsantrags erlangt (Senatsurteil vom 25. Januar 1989 - IVa ZR 333/87 - VersR 1989, 398 unter 2 a).

Eine abschließende Entscheidung im Revisionsverfahren ist nicht möglich. Zur weiteren Tatsachenfeststellung und gegebenenfalls zur tatrichterlichen Auslegung der Vollmacht muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Bei der Formulierung seines Antrags wird der Kläger zu bedenken haben, daß das Versicherungsverhältnis, auch wenn es fortbestanden hat, inzwischen ausgelaufen ist.