BGH, 08.02.1979 - VII ZR 141/78

Daten
Fall: 
Ansprüche gegen den vollmachtlosen Vertreter
Fundstellen: 
BGHZ 73, 266; DB 1979, 1741; JZ 1979, 307; MDR 1979, 571; NJW 1979, 1161
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
08.02.1979
Aktenzeichen: 
VII ZR 141/78
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Vogt, Meise, Recken, Doerry, Obenhaus
Instanzen: 
  • LG Dortmund
  • OLG Hamm, 13.03.1978

1. Die Ansprüche gegen den vollmachtlosen Vertreter (§ 179 BGB) verjähren in der Frist, die für den Erfüllungsanspruch aus dem Vertrage gegolten hätte, der mangels Vollmacht des Vertreters und Genehmigung durch den Vertretenen nicht wirksam geworden ist (abweichend von RGZ 145, 40).
2. Die Verjährung beginnt mit der Weigerung des Vertretenen, den Vertrag zu genehmigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. März 1978 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Eheleute Dr. W. bauten 1969 in D.-H., R.straße ..., ein Mehrfamilienhaus. Der Beklagte war ihr Architekt, die Heizungsinstallation wurde dem Kläger übertragen.

Als der Kläger seine Arbeiten nahezu vollständig ausgeführt hatte, stellte sich heraus, daß die Fenster zu groß waren und deshalb nicht zu den bereits montierten Heizkörpern paßten. Der Bauführer des Beklagten beauftragte deshalb den Kläger mit dem Einbau niedrigerer Heizkörper. Der Beklagte war damit einverstanden. Der Kläger führte die Änderung aus und verlangte dafür mit Rechnung vom 31. Dezember 1969 von den Eheleuten Dr. W. 7.747,31 DM. Diese weigerten sich, die Mehrkosten zu übernehmen.

Im Jahre 1973 führte der Kläger gegen die Eheleute Dr. W. drei Prozesse (8 O 5/73, 8 O 7/73 und 8 O 79/73, sämtlich LG Dortmund). In der Sache 8 O 79/73 klagte er auf Zahlung von 8.874,96 DM nebst Zinsen. In diesem Betrage waren 6.641,64 DM aus jener Rechnung vom 31. Dezember 1969 enthalten. Die Eheleute Dr. W. wendeten ein, der jetzige Beklagte sei zu einem Handeln in ihrem Namen nicht bevollmächtigt gewesen, er habe den Auftrag auf eigene Rechnung erteilt. Der Kläger verkündete daraufhin dem jetzigen Beklagten den Streit. Das Landgericht wies die Klage ab. Seine dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger am 2. Dezember 1974 zurück.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger mit der am 2. März 1976 eingereichten und alsbald zugestellten Klage vom Beklagten als vollmachtlosem Vertreter gemäß § 179 Abs. 1 BGB Zahlung von 7.747,31 DM Werklohn sowie Ersatz der ihm durch die vorbezeichneten Prozesse entstandenen Kosten in Höhe von 5.373,80 DM, jeweils mit Zinsen. Der Beklagte beruft sich vor allem auf Verjährung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

Mit der - zugelassenen - Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch für verjährt.

Das ist richtig. Die Meinung der Revision, daß dieser Anspruch erst in dreißig Jahren verjähre, trifft nicht zu.

1.

Die Frage, in welcher Frist die Ansprüche aus § 179 BGB verjähren, ist allerdings umstritten.

a)

Das Reichsgericht hat die dreißigjährige Frist des § 195 BGB als maßgeblich angesehen und dabei zwischen den einzelnen von § 179 BGB gewährten Ansprüchen nicht unterschieden (RGZ 145, 40, 41/42). Es hat gemeint, der Fall, daß ein vollmachtloser Vertreter als Bevollmächtigter auftrete, weiche von den Tatbeständen des § 196 BGB wesentlich ab; dabei handele es sich um keine alltägliche Erscheinung, und es wäre höchst unzweckmäßig, auch für die Haftung aus § 179 BGB die kurze Verjährungsfrist einzuführen. Diese könne nämlich verstrichen sein, bevor sich ein Tatbestand habe feststellen lassen, der die Haftung des Vertreters begründe, ja bevor dessen nicht immer bekannte Person ermittelt sei. Die Streitverkündung bilde nur einen Notbehelf, der bei Unbekanntheit des Vertreters gänzlich versagen würde.

Dieser Auffassung ist ein Teil des Schrifttums bis in die jüngste Zeit gefolgt (z.B. Soergel/Schultze-von Lasaulx, BGB, 10. Aufl., § 179 Anm. 26; von Feldmann in Münch. Komm., § 195 BGB Anm. 16). Von anderen wird die lange Verjährung jedenfalls für den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus § 179 Abs. 1 BGB bejaht (z.B. Staudinger/Coing, BGB, 11. Aufl., § 179 Anm. 15 a.E.; Soergel/Augustin, BGB, 10. Aufl., § 195 Anm. 5; Erman/H. Westermann, BGB, 6. Aufl., § 179 Anm. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 38. Aufl., § 179 Anm. 2 und § 195 Anm. 1).

b)

In neuerer Zeit wird dagegen zunehmend für sachgerechter gehalten, daß die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch aus § 179 Abs. 1 BGB sich nach der Frist richte, welche für den Erfüllungsanspruch aus dem Rechtsgeschäft gegolten hätte, das mangels Genehmigung des Vertretenen endgültig unwirksam geworden ist (so Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 2. Aufl., § 47 3 a mit Fn. 13; Tempel in Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, 1972, S. 255/256 unter Hinweis auf Flume, a.a.O., 1. Aufl.; Steffen in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 179 Anm. 12; Thiele in Münch.Komm., § 179 BGB Anm. 39; Soergel/Leptien, BGB, 11. Aufl., § 179 Anm. 21).

c)

Gleichfalls die kurze Verjährungsfrist hat das Oberlandesgericht Hamburg für den Erfüllungsanspruch des § 179 Abs. 1 BGB gelten lassen (MDR 1971, 141) und damit vereinzelt auch dort Zustimmung gefunden, wo für den Schadensersatzanspruch des § 179 Abs. 1 BGB noch die dreißigjährige Verjährungsfrist gefordert wird (z.B. Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Soweit schließlich der auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtete Anspruch des § 179 Abs. 2 BGB in Betracht kommt, wird die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist heute fast allgemein als geboten erachtet (so außer den zu b) Genannten Staudinger/Coing, a.a.O., § 195 Anm. 5; Soergel/Augustin, BGB, 11. Aufl., § 195 Anm. 12; Erman/H. Westermann, a.a.O.; Erman/Hefermehl, BGB, 6. Aufl., § 195 Anm. 7; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 195 Anm. 2; Johannsen in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 195 Anm. 11).

2.

Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage bisher nicht Stellung genommen; in seinem Urteil BGHZ 57, 191 [BGH 28.10.1971 - VII ZR 15/70] hat der Senat sie nur beiläufig erwähnt und offen gelassen (a.a.O. 196, 198). Er beantwortet sie jetzt dahin, daß die Ansprüche aus § 179 BGB unterschiedslos innerhalb der Frist verjähren, die für den Erfüllungsanspruch aus dem ursprünglichen Rechtsgeschäft gegolten hätte.

a)

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß die für die vertraglichen Erfüllungsansprüche maßgebenden Verjährungsfristen der §§ 196, 197 BGB nicht nur auf diese Ansprüche, sondern auch auf andere vertragliche und sogar auf außervertragliche Ansprüche anzuwenden sind, soweit diese wirtschaftlich die Stelle der in jenen Vorschriften aufgeführten Vergütungsansprüche einnehmen. So verjähren Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung eines Vertrages in derselben Frist wie der vertragliche Erfüllungsanspruch, weil es sich dabei um einen "Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen" handelt (BGH, Urteil vom 11. Februar 1958 - VIII ZR 34/57 = Betrieb 1958, 307 mit Nachw.). Entsprechendes gilt für die Ansprüche aus einem Vorvertrag (BGH, Urteil vom 9. Januar 1974 - VIII ZR 157/72 = WM 1974, 216), aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGHZ 32, 13, 15; 48, 125, 127), [BGH 22.06.1967 - VII ZR 181/65]auf Ersatz des Vertrauensschadens nach §§ 122 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB (BGHZ 49, 77, 83 mit Nachw.; 57, 191, 196), aus Verschulden bei Vertragsschluß (BGHZ 57, 191 [BGH 28.10.1971 - VII ZR 15/70]) und aus § 2 AbzG (BGHZ 58, 121).

b)

Für die Ansprüche aus § 179 BGB gilt dies gleichfalls.

aa)

Der tragende Grund für die Haftung nach dieser Vorschrift liegt darin, daß der vollmachtlose Vertreter beim anderen Teil Vertrauen veranlaßt und enttäuscht hat (Steffen, a.a.O., Anm. 7). Er haftet zwar kraft Gesetzes (BGH, NJW 1970, 240, 241 mit Nachw.; BGH NJW 1971, 429, 430); letztlich hat er aber nur dafür einzustehen, daß es mangels Vollmacht zu einem Vertrage nicht gekommen ist und demgemäß vertragliche Ansprüche nicht entstanden sind. Auch die gegenüber dem vollmachtlosen Vertreter vorgesehenen Ansprüche sind danach nur "Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen".

bb)

Soweit der vollmachtlose Vertreter nur für den Ersatz des Vertrauensschadens haftet (§ 179 Abs. 2 BGB), hat er für die Fehlerhaftigkeit seiner Erklärung ebenso einzustehen wie unter den vergleichbaren Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 BGB oder des Verschuldens bei Vertragsschluß, eines Rechtsgrundsatzes, der gerade auch aus den §§ 122, 179 BGB entwickelt worden ist. Für eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle besteht kein vernünftiger Grund. Das neuere Schrifttum nimmt denn auch, wie bereits ausgeführt, nahezu einhellig an, daß der Ersatzanspruch aus § 179 Abs. 2 BGB in der kurzen Frist des "Ursprungsgeschäfts" verjährt.

cc)

Für die in § 179 Abs. 1 BGB erwähnten Ansprüche ist eine abweichende Verjährung nicht gerechtfertigt. Daß nach dieser Vorschrift die Erfüllung des Vertrages oder Ersatz des positiven Interesses verlangt werden kann, begründet keinen wesensmäßigen Unterschied der Ansprüche, betrifft vielmehr - jedenfalls soweit der Schadensersatzanspruch in Rede steht - nur die Frage nach dem Schadensumfang und der Schadensberechnung (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 57, 191, 194 [BGH 28.10.1971 - VII ZR 15/70]/195).

dd)

Die Bedenken, die das Reichsgericht (a.a.O.) gegen die kurze Verjährung erhoben hat, überzeugen nicht. Das hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

Darauf, ob die vollmachtlose Vertretung eine "alltägliche Erscheinung" ist, kommt es nicht an. Die §§ 196, 197 BGB stellen nur darauf ab, ob es sich um Ansprüche handelt, die typischerweise im Wirtschaftsleben massenhaft vorkommen und in aller Regel kurzfristig abgewickelt zu werden pflegen (BGHZ 57, 191, 198) [BGH 28.10.1971 - VII ZR 15/70]. Entscheidend ist mithin die wirtschaftliche Qualität des betreffenden Rechtsgeschäfts, nicht die Art und Weise, auf die es zustande gekommen ist oder zustande kommen sollte. Daß es sich hier um einen Anspruch handelt, der - wäre der ursprünglich erteilte Auftrag nicht mangels Vollmacht des Beklagten fehlgeschlagen - nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjähren würde, bedarf keiner weiteren Begründung.

Nicht gefolgt werden kann dem Reichsgericht auch in der Erwägung, die Ansprüche aus § 179 BGB könnten verjährt sein, bevor feststehe, daß der vermeintliche Vertreter nicht bevollmächtigt gewesen, ja bevor seine nicht immer bekannte Persönlichkeit ermittelt sei. Die Ansprüche aus § 179 BGB entstehen erst, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert, und erst von diesem, dem anderen Teil in der Regel bekannten Zeitpunkt beginnt nach § 198 Satz 1 BGB die Verjährung (so mit Recht Thiele, a.a.O., Rdn. 41; Soergel/Leptien, a.a.O.; vgl. auch RGZ 128, 76, 79 für den Beginn der Verjährung beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung). Ein von der Revision für erforderlich gehaltener späterer Beginn der Verjährung kommt wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der Verweigerung (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, 15. Aufl., § 183 FN. 13 mit Nachw.) nicht in Betracht. Ist die Vertretungsmacht ungewiß, so reicht die Streitverkündung aus. Sollte der vollmachtlose Vertreter unbekannt sein, so ist es nicht unbillig, das hiermit verbundene Risiko demjenigen aufzubürden, der mit ihm unmittelbar verhandelt und seine Identität nicht geprüft hat. Derartige Gefahren läuft auch, wer mit einem Unbekannten unmittelbar Verträge schließt. Wer über seine Person täuscht und deshalb unauffindbar ist oder sich seiner Inanspruchnahme sonst schuldhaft entzieht, hat seinen Vertragspartner ohnehin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als sei die Verjährung nicht eingetreten. Im übrigen weist das Berufungsgericht mit Recht darauf hin, daß dem erst nach Eintritt der Verjährung ermittelten vollmachtlosen Vertreter die Berufung auf die Verjährung unter Umständen nach § 242 BGB versagt sein kann.

3.

Die kurze Verjährung des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt auch für den vorliegenden Fall. Vergeblich beruft sich die Revision darauf, daß die Bestätigung des angefochtenen Urteils zum Verlust unzähliger Ansprüche führen werde, weil diese im Vertrauen auf die Entscheidung RGZ 145, 40 und die sich hierauf beziehenden Kommentare nicht innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden seien. Wie der Senat bereits früher ausgesprochen hat, dürfen die Gerichte der Partei, die Recht hat, ihr Recht nicht mit der Begründung verweigern, daß ihr Gegner auf eine nunmehr als unrichtig erkannte Rechtsprechung vertraut habe (NJW 1977, 375, 376 mit Nachw.). Hier kommt hinzu, daß die Frage nach der Verjährung der Ansprüche aus § 179 BGB vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden war, sich in der Rechtsprechung eine ausdehnende Anwendung der kurzen Verjährungsfrist abzeichnete und insbesondere die dreißigjährige Verjährungsfrist selbst für Ansprüche aus § 179 Abs. 1 BGB zumindest seit 1965, nämlich seit den Ausführungen von Flume (a.a.O., 1. Aufl.), nicht mehr unumstritten war.

4.

Die Streitverkündung in dem gegen die Eheleute Dr. W. geführten Vorprozeß 8 O 79/73 LG Dortmund ist für die Verjährung der hier eingeklagten Ansprüche jedenfalls deshalb unbeachtlich, weil der Kläger nach Erledigung dieses Vorprozesses nicht binnen sechs Monaten (§ 215 Abs. 2 BGB) gegen den jetzigen Beklagten Klage erhoben hat. Die Ansprüche sind daher spätestens seit Ende 1975, also vor Klageerhebung, verjährt (§§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 BGB). Die Eheleute Dr. W. haben sich nämlich, wie das Berufungsgericht feststellt, spätestens mit Schriftsatz vom 12. November 1973 geweigert, einen vom Beklagten in ihrem Namen dem Kläger erteilten Auftrag zu genehmigen.

Die Revision ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.