BVerfG, 07.05.1969 - 2 BvL 15/67
1. Der Begriff des Maßnahmegesetzes ist verfassungsrechtlich irrelevant.
2. Einzelfallgesetze sind als solche nach dem Grundgesetz nicht schlechthin unzulässig. Ein über Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG hinausgreifendes Verbot von Einzelfallgesetzen läßt sich insbesondere nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten. Dem Grundgesetz kann nicht entnommen werden, daß es - von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG abgesehen - von einem Gesetzesbegriff ausgeht, der als Inhalt der Gesetze lediglich generelle Regelungen zuläßt. Mit der Regelung eines einzelnen Falles greift der Gesetzgeber nicht notwendig in die Funktionen ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat.
Urteil
des Zweiten Senats vom 7. Mai 1969
- 2 BvL 15/67 -
in dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 27. April 1967 (BGBl. I S. 505) - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Dortmund vom 10. August 1967 (8 Akt E 1/67)-.
Entscheidungsformel:
Artikel 3 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 27. April 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 505) ist, soweit Artikel 3 Absatz 2 die Anwendung der neuen Fassung des § 16 Satz 2 des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes regelt, mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
A.
I.
1.
Nach § 96 Abs. 1 des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 - AktG - (BGBl. I S. 1089) setzt sich der Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften zusammen
- bei Gesellschaften, für die § 76 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, - bei Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus weiteren Mitgliedern, - bei Gesellschaften, für die die §§ 5 bis 13 des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes gelten, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus einem weiteren Mitglied, - bei den übrigen Gesellschaften nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre.
Im allgemeinen besteht der Aufsichtsrat eines Unternehmens, das wirtschaftlichen Zwecken dient, gemäß § 76 Abs. 1 i.V.m. § 81 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1952 (BGBl. I S. 681), zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6. September 1965 - EG AktG - (BGBl. I S. 1185), zu zwei Dritteln aus Vertretern der Aktionäre und zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmervertreter werden von den Arbeitnehmern der Betriebe des Unternehmens gewählt. Demgegenüber hat das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. März 1951 - Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) - (BGBl. I S. 347), zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Aktiengesetz, für die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie eine qualifizierte (paritätische) Mitbestimmung eingeführt: Der Aufsichtsrat setzt sich aus Mitgliedern zusammen, die zu einer gleichen Zahl von seiten der Anteilseigner und der Arbeitnehmer entsandt werden, sowie aus einem weiteren - neutralen - Mitglied (vgl. im einzelnen §§ 4 bis 9 MitbestG). Ein Teil der von der Arbeitnehmerseite entsandten Aufsichtsratsmitglieder wird auf Vorschlag der Spitzenorganisationen der in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften gewählt. Der Aufsichtsrat bestellt einen Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands (§ 13 MitbestG).
Das Mitbestimmungsgesetz wird ergänzt durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. August 1956 - Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz (Mitbest- ErgG) - BGBl. I S. 707) in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz. Dieses Gesetz, auch Holding-Novelle genannt, betrifft Unternehmen, die selbst nicht unter das Mitbestimmungsgesetz fallen, aber auf Grund eines Organschaftsverhältnisses ein Unternehmen beherrschen, in dem die Arbeitnehmer nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes ein Mitbestimmungsrecht haben (§ 1 MitbestErgG; im folgenden: herrschende Unternehmen). Wird bei einem solchen herrschenden Unternehmen "der Unternehmenszweck des Konzerns durch Konzernunternehmen und abhängige Unternehmen gekennzeichnet, die unter das Mitbestimmungsgesetz fallen" (§ 3 Abs. 1 MitbestErgG), so gelten für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens die besonderen Vorschriften der §§ 5 bis 13 des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes. Der Unternehmenszweck des Konzerns wird durch die unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen dann gekennzeichnet, wenn diese mehr als die Hälfte der Umsätze sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen erzielen (§ 3 Abs. 2). Das nach § 3 maßgebliche Umsatzverhältnis hat der Abschlußprüfer des herrschenden Unternehmens zu ermitteln. Er hat für jedes Geschäftsjahr binnen fünf Monaten nach dessen Ende über das Ergebnis seiner Ermittlungen schriftlich zu berichten (§ 4 MitbestErgG).
Das Gesetz bestimmt, daß sich eine Veränderung des Unternehmenszwecks erst dann auf die Organisation der Verwaltungsträger (die Mitbestimmungsform) auswirken soll, wenn das maßgebliche Umsatzverhältnis nicht nur in einem, sondern in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren vorgelegen hat. § 16 MitbestErgG hatte in der bis zum 6. Mai 1967 geltenden Fassung des § 40 Abs. 3 EG AktG - die hinsichtlich des maßgeblichen Zeitraums von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren der ursprünglichen Fassung der Vorschrift entsprach - folgenden Wortlaut:
§§ 5 bis 13 sind auf das herrschende Unternehmen erst anzuwenden, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 eingetreten sind. §§ 5 bis 13 sind nicht mehr anzuwenden, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 weggefallen sind.
2.
Durch Art. 1 des - am 6. Mai 1967 verkündeten - Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 27. April 1967 - Änderungsgesetz (ÄndG) - (BGBl. I S. 505) hat § 16 MitbestErgG folgende Fassung erhalten:
§§ 5 bis 13 sind auf das herrschende Unternehmen erst anzuwenden, wenn in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 vorliegen. §§ 5 bis 13 sind nicht mehr anzuwenden, wenn in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 nicht mehr vorliegen.
Art. 3 ÄndG lautet:
(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
(2) Die Ersetzung von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren durch fünf aufeinanderfolgende Geschäftsjahre nach Artikel 1 dieses Gesetzes gilt erstmals für das am 31. Dezember 1966 endende oder laufende Geschäftsjahr.
II.
1.
Die Aktiengesellschaft Rheinische Stahlwerke mit Sitz in Essen ist eine Konzernobergesellschaft, die auf Grund von Organschaftsverträgen auch Unternehmen beherrscht, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen. Ihr Aufsichtsrat besteht aus 21 Mitgliedern. Er ist seit 1958 nach den Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes zusammengesetzt. Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr.
Der Unternehmenszweck der Rheinischen Stahlwerke wurde bis einschließlich 1964 durch die unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Konzernunternehmen gekennzeichnet. Im Geschäftsjahr 1965 überwogen erstmals - als Folge der Eingliederung der Henschel-Unternehmen in den Rheinstahl-Konzern - die Umsätze der "nicht-mitbestimmten" Konzernunternehmen, und zwar im Verhältnis 54,6 v.H. : 45,4 v.H. Im Geschäftsjahr 1966 überwogen die Umsätze der nicht-mitbestimmten Konzernunternehmen mit 60,3 v.H. : 39,7 v.H. Der Bericht des Abschlußprüfers für das Geschäftsjahr 1966 ging am 15. April 1967 bei der Gesellschaft ein. Mit Rücksicht auf die Vorschriften des Änderungsgesetzes ist der Aufsichtsrat weiterhin nach den Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes zusammengesetzt.
2.
Nach § 98 AktG entscheidet, wenn streitig oder ungewiß ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zusammenzusetzen ist, auf Antrag das Landgericht (Zivilkammer), in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens, Rechtsanwalt und Notar Max Wolter, ist Aktionär der Rheinischen Stahlwerke. Er hat beim Landgericht Dortmund Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gestellt. Das Landgericht hat beschlossen, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 ÄndG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es hat ausgeführt:
Die Gültigkeit des Art. 3 Abs. 2 ÄndG sei für die vom Antragsteller begehrte gerichtliche Entscheidung erheblich. Bei Ablauf des Geschäftsjahres 1966 der Rheinischen Stahlwerke sei auf Grund des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts bereits erkennbar gewesen, daß die Umsätze der nicht-mitbestimmten Konzernunternehmen zum zweiten Mal überwogen hätten. Die Gesellschaft sei deshalb bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes nach § 16 Satz 2 a.F. MitbestErgG bereits aus der qualifizierten Mitbestimmung herausgewachsen gewesen. Im Falle der Ungültigkeit des Art. 3 Abs. 2 ÄndG - d.h. ohne die in dieser Vorschrift normierte Rückwirkung des Änderungsgesetzes - sei also Art. 1 ÄndG auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Rheinischen Stahlwerke nicht anzuwenden. Der Aufsichtsrat sei nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz zu bilden. Sei Art. 3 Abs. 2 ÄndG hingegen gültig, so seien die Mitglieder des Aufsichtsrats der Rheinischen Stahlwerke wegen § 16 MitbestErgG i.d.F. des Art. 1 ÄndG weiterhin gemäß §§ 5, 12 MitbestErgG zu wählen. Denn Art. 1 ÄndG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Art. 3 Abs. 2 ÄndG sei verfassungswidrig. Die Vorschrift sei wegen der in ihr enthaltenen gezielten Rückwirkung ein rückwirkend belastendes Einzelfallgesetz. Es werde nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand zum Nachteil der Aktionäre und der Unternehmensleitung der Rheinischen Stahlwerke eingegriffen, die sich auf die ab 1. Januar 1967 geltende neue Rechtslage bereits eingestellt hätten. Art. 3 Abs. 2 ÄndG stelle zugleich ein unzulässiges Maßnahmegesetz in der Form eines sogenannten Einzelfallgesetzes dar. Die Vorschrift sei allein geschaffen worden, um zu verhindern, daß die Rheinischen Stahlwerke mit Ablauf des 31. Dezember 1966 aus der qualifizierten Mitbestimmung ausschieden. Die gesetzliche Regelung erschöpfe sich in dieser Maßnahme. Bei der Verabschiedung des Änderungsgesetzes sei lediglich für die Rheinischen Stahlwerke erkennbar gewesen, daß die Umsätze der nicht-mitbestimmten Konzernunternehmen diejenigen der mitbestimmten Unternehmen im zweiten Jahr übersteigen würden. Art. 3 Abs. 2 ÄndG beeinträchtige schließlich die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Aktionäre und der Unternehmensleitung sowie das ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 geschützte Recht der Aktionäre, ihre mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechte ungehindert durch rückwirkende Überraschungsgesetze auszuüben.
III.
1.
Der Deutsche Bundestag ist dem Verfahren beigetreten. Sein Bevollmächtigter Rechtsanwalt Martin Hirsch hat vorgetragen:
Die Vorlage sei unzulässig. Die Ansicht des Landgerichts Dortmund, die Rheinischen Stahlwerke seien gemäß § 16 a.F. MitbestErgG am 31. Dezember 1966 aus dem Geltungsbereich der qualifizierten Mitbestimmung automatisch ausgeschieden und rückwirkend durch Art. 3 Abs. 2 ÄndG wieder einbezogen worden, sei offensichtlich unhaltbar. Auch lasse die Begründung des Vorlagebeschlusses nicht erkennen, wie das Landgericht zu dieser Auffassung gekommen sei. Art. 3 Abs. 2 ÄndG lege nach seinem eindeutigen Wortlaut nur fest, inwieweit die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verflossenen Zeiträume mit Konzernumsätzen im Sinne von § 3 Abs. 2 MitbestErgG auf die in § 16 n.F. MitbestErgG festgelegten neuen Zeiträume anzurechnen seien. Die Vorschrift sage aber nichts darüber, daß der geänderte § 16 MitbestErgG auch für diejenigen Unternehmen gelte, die bereits am 31. Dezember 1966 die Voraussetzungen des § 16 a.F. MitbestErgG für eine Änderung der Mitbestimmungsform erfüllt hatten. Bei der einfachen und der qualifizierten Mitbestimmung handle es sich zudem um konkrete Organisationsformen, die nicht automatisch bei Vorliegen bestimmter gesetzlicher Tatbestandsmerkmale endeten. Für einen Wechsel in der Mitbestimmungsform seien vielmehr besondere rechtsgestaltende Maßnahmen erforderlich.
Art. 3 Abs. 2 ÄndG sei im übrigen mit der Verfassung vereinbar. Die Vorschrift sei weder ein verfassungswidriges Maßnahmegesetz noch verstoße sie gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Der Umstand, daß die Rheinischen Stahlwerke nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes im Laufe des Jahres 1967 aus der qualifizierten Mitbestimmung ausgeschieden wären, sei zwar der Anlaß für den Gesetzentwurf gewesen. Dennoch sei das Änderungsgesetz kein Maßnahmegesetz. Die in Art. 3 Abs. 2 ÄndG enthaltene Klausel über die Anrechnung der Fristen beziehe sich bei richtiger Auslegung auf alle Konzernobergesellschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits für eine gewisse Zeit Konzernumsätze erzielt hätten, welche gemäß Art. 3 Abs. 2 MitbestErgG für die Form der Mitbestimmung erheblich werden könnten.
Die Vorschrift beziehe nicht rückwirkend irgendein Unternehmen in die qualifizierte Mitbestimmung ein. Wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG für die Dauer von zwei Jahren nicht mehr erfüllt habe, so scheide es nach § 16 Satz 2 a.F. MitbestErgG nicht automatisch aus der qualifizierten Mitbestimmung aus. Aus den §§ 96 Abs. 2 und 97 Abs. 2 Satz 2 AktG ergebe sich vielmehr, daß die Worte "§§ 5 bis 13 sind nicht mehr anzuwenden" in § 16 Satz 2 MitbestErgG lediglich bedeuteten, daß die qualifizierte Mitbestimmung in die Regelform der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz umzuwandeln sei. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes seien die Rheinischen Stahlwerke noch nach den Grundsätzen der qualifizierten Mitbestimmung verwaltet worden.
2.
Für die Bundesregierung hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung u. a. ausgeführt:
Ursprünglich hätten acht Konzernobergesellschaften die Voraussetzungen für eine Anwendung des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes erfüllt. Von diesen seien in den Jahren 1957 bis 1959 nach Aufnahme von etwa 25 Tochtergesellschaften durch Konzernobergesellschaften fünf Konzernobergesellschaften aus dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes ausgeschieden und in den des Mitbestimmungsgesetzes hinübergewechselt. Übrig geblieben seien nur die Rheinischen Stahlwerke, die Gelsenkirchener Bergwerks-AG und die Salzgitter AG. Der Montanumsatz in diesen drei Gesellschaften zeige seit längerer Zeit fallende Tendenz. Zur Überprüfung des Gesamtkomplexes der Mitbestimmung habe der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 die Einberufung einer Kommission unabhängiger Sachverständiger angekündigt.
Die Bundesregierung hält das Änderungsgesetz nicht für verfassungswidrig: Der Gesetzgeber habe für alle drei dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz unterworfenen Konzernobergesellschaften den Status quo beibehalten wollen. Das Änderungsgesetz ändere den Mitbestimmungsstatus dieser Gesellschaften nicht; es bestimme nur, daß das bei ihnen in gleicher Weise geltende Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz zunächst weitergelten solle. Diese Wirkung folge auch für die Rheinischen Stahlwerke schon aus Art. 1 ÄndG. Art. 3 Abs. 2 ÄndG habe "keine selbständige Normenwirkung". Er sei im Laufe der parlamentarischen Beratungen lediglich zur Verdeutlichung des gesetzgeberischen Willens in das Gesetz eingefügt worden, um nicht völlig auszuschließende Zweifel, daß auch die Rheinischen Stahlwerke in die gesetzliche Neuregelung einbezogen seien, zu vermeiden. Aus den §§ 96 bis 98 AktG ergebe sich, daß die Rheinischen Stahlwerke am 31. Dezember 1966 nach dem damals geltenden Recht keineswegs aus dem Geltungsbereich des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes ausgeschieden seien. Die zuletzt maßgebliche Mitbestimmungsform gehe nach § 96 Abs. 2 AktG aus wohl erwogenen Gründen nicht automatisch in einen anderen Mitbestimmungsstatus über; ein Wechsel trete vielmehr nur dann ein, wenn das in den §§ 97 und 98 AktG vorgesehene Verfahren durchgeführt worden sei. Der Vorstand der Rheinischen Stahlwerke habe ein Verfahren nach § 97 AktG nicht eingeleitet; über den Antrag des Antragstellers gemäß § 98 AktG sei eine rechtskräftige Entscheidung bisher nicht ergangen. Das Betriebsverfassungsgesetz sei deshalb in dem hier fraglichen Zeitraum zu keinem Zeitpunkt für die Mitbestimmung in den Organen der Rheinischen Stahlwerke verbindlich gewesen. Das Unternehmen sei also bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes der qualifizierten Mitbestimmung ebenso unterworfen gewesen wie die Gelsenkirchener Bergwerks-AG und die Salzgitter AG.
Es liege demnach weder ein unzulässiges Maßnahmegesetz in der Form eines getarnten Einzelfallgesetzes noch ein rückwirkender Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand vor. Auch ein Fall unechter Rückwirkung sei nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe keine unwiderruflichen Vertrauenspositionen geschaffen, wenn er in § 16 Satz 2 a.F. MitbestErgG das Ausscheiden aus der qualifizierten Mitbestimmung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft habe. Er sei deshalb auch nicht gehindert, das Fortbestehen der qualifizierten Mitbestimmung von anderen sachgerechten Maßstäben abhängig zu machen.
3.
Von den Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben sich geäußert:
a) Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens, Rechtsanwalt und Notar Wolter, in der mündlichen Verhandlung vertreten durch Rechtsanwalt Freiherr v. Stackelberg, hält die Vorlage für zulässig. Er ist der Ansicht, das Änderungsgesetz sei ein rückwirkend belastendes Einzelfallgesetz. Art. 3 Abs. 2 ÄndG ziele auf die Rheinischen Stahlwerke, die mit Ablauf des Jahres 1966 aus der qualifizierten Mitbestimmung herausgewachsen seien. Das Änderungsgesetz habe die Stellung der Aktionäre und der Arbeitnehmer des Rheinstahl-Konzerns beeinträchtigt.
Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens hat zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes ein Rechtsgutachten der Professoren Hans Heinrich Rupp und Peter Schneider vorgelegt, das zu folgendem Ergebnis kommt: Werde der Nachweis erbracht, daß den Rheinischen Stahlwerken oder ihren Aktionären durch die Rückwirkungsklausel des Art. 3 Abs. 2 ÄndG Vertrauensschaden entstanden sei, so verstoße das streitige Gesetz gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Unabhängig davon handle es sich um ein Individualgesetz insofern, als durch die Rückwirkungsklausel i. V.m. dem Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ausschließlich und gezielt die Rheinischen Stahlwerke erfaßt würden. Weder der Rückwirkungseffekt noch der Effekt des Individualgesetzes könnten unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt werden, daß sie im Hinblick auf eine sachgerechte Gesamtregelung in Kauf genommen werden müßten. Die Gesamtregelung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
In der mündlichen Verhandlung hat Professor Dr. Hans Heinrich Rupp als Beistand des Antragstellers des Ausgangsverfahrens ausgeführt: Art. 3 Abs. 2 ÄndG sei ein unzulässiges Einzelfallgesetz i. S. des Art. 19 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift des Grundgesetzes habe die Aufgabe, alle grundrechtsbeschränkenden Gesetze "vorzufiltern". Das in Art. 19 Abs. 1 GG formulierte Verbot des Einzelfallgesetzes errichte eine Barriere für alle Gesetze, die Grundrechte tangierten. Einzelfallgesetze seien als Quelle möglicher Einseitigkeit und Ungerechtigkeit verboten; sie beseitigten mit der Schaffung von Einzelfallrecht die Garantien der Gewaltenteilung. Die Anknüpfung an den Mitbestimmungsstatus der Rheinischen Stahlwerke, der bis Ende 1966 bestanden habe, sei nicht sachgerecht. Das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz stelle für die Mitbestimmungsform auf den Montanumsatz ab. Hiervon dürfe der Gesetzgeber nicht im Wege einer "Fristverlängerung" abgehen. Eine Art Bestandsgarantie für die qualifizierte Mitbestimmung bei Konzernobergesellschaften, die einmal der qualifizierten Mitbestimmung unterlegen hätten, lasse sich aus der Verfassung nicht herleiten.
b) Folgende Mitglieder des Aufsichtsrats der Rheinischen Stahlwerke haben zu dem Vorlagebeschluß Stellung genommen:
aa) Professor Dr. Otto Bayer (Vorsitzender des Aufsichtsrats der Farbenfabriken Bayer AG), Rechtsanwalt Ruppert Siemon (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.) und Herbert Waldthausen (Firma Lohmann & Co.) halten das Änderungsgesetz übereinstimmend für verfassungswidrig. Sie berufen sich hierzu im wesentlichen auf den Vorlagebeschluß.
bb) Der Prozeßbevollmächtigte von Dr. Hans Deuss (Vorsitzender des Aufsichtsrats der Commerzbank AG), Professor Dr. Fritz Rittner, ist der Auffassung, für die Rheinischen Stahlwerke habe gemäß § 16 Satz 2 a.F. MitbestErgG ab 1. Januar 1966 das Betriebsverfassungsgesetz gegolten. Mit Ablauf des Bestimmungszeitraumes von zwei Jahren habe sich die Rechtslage geändert. Die §§ 96 Abs. 2 ff. AktG enthielten lediglich eine Anpassungsregelung mit dem Ziel, den gesetzlich gebotenen Zustand herbeizuführen. Die dort geregelten Verfahren seien für den Eintritt einer anderen Mitbestimmungsform nicht konstitutiv; sie hätten vielmehr nur deklaratorische Funktion. Das Änderungsgesetz habe folglich hinsichtlich der Rheinischen Stahlwerke rückwirkend in einen abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht anders zu beurteilen als der vom Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 19. Dezember 1961 (BVerfGE 13, 261 [271 ff.]) entschiedene Fall. Das Änderungsgesetz greife ferner in den gesetzlich angeordneten und gewährleisteten Anpassungsprozeß nach den §§ 96 Abs. 2 ff. AktG und in einzelrechtliche Positionen der Aktionäre und der Arbeitnehmer ein. Diese Rückwirkung dreifacher Art sei nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil der Gesetzgeber systemwidrig und damit willkürlich Gesellschaften dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz unterstellt habe, obwohl sie nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers nicht mehr zu den Unternehmen des Bergbaus oder der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie gehörten.
cc) Als Prozeßbevollmächtigter für Cai Graf zu Rantzau (Vorstandsmitglied der Dresdner Bank AG) hat Rechtsanwalt Dr. Heinz Bauernfeind dargelegt, aus der Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 ÄndG ergebe sich, daß der Gesetzgeber durch diese Bestimmung die Einbeziehung der Rheinischen Stahlwerke sicherstellen wollte. Die Vorschrift sei als rückwirkendes Individualgesetz, das gegen den Gleichheitssatz verstoße, verfassungswidrig. Sie könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß sie dem Gemeinwohl diene.
dd) Peter Kemmerling (Betriebsratsvorsitzender des Gußstahlwerks Oberkassel AG) und Willi Michels (Vorstandsmitglied der IG-Metall, Zweigbüro Düsseldorf) beziehen sich auf die Stellungnahme der Betriebsräte des Rheinstahl-Konzerns (nachstehend unter c), Michels außerdem auf die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (nachstehend unter d). Joachim Rduch (Betriebsratsvorsitzender der Rheinstahl Bergbau-Verwaltung) und Josef Reimann (Rheinstahl Bergbau AG) verweisen auf ihre Stellungnahmen im Ausgangsverfahren, in denen sie die Ansicht vertreten haben, das Änderungsgesetz stehe mit dem Grundgesetz in Einklang.
c) Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Spieker, Prozeßbevollmächtigter der Betriebsräte sämtlicher Betriebe des Rheinstahl-Konzerns, trägt u.a. vor:
Das Änderungsgesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Für keinen der Beteiligten seien mit Ablauf des Jahres 1966 schutzwürdige Rechtspositionen entstanden. Die bisherige Unternehmensverfassung sei für die Rheinischen Stahlwerke am 7. Mai 1967 nach wie vor verbindlich gewesen. Die Gesellschaft wäre deshalb auch ohne Art. 3 Abs. 2 ÄndG von der Neuregelung erfaßt worden. In der Gesetzgebungspraxis einer sich in ständigem Wandel befindlichen modernen Industriegesellschaft sei eine Unterscheidung zwischen "klassischen" und "nicht-klassischen Gesetzen" nicht möglich.
Das Änderungsgesetz enthalte eine in jeder Hinsicht ausgewogene, am Gleichheitssatz und am Rechtsstaatsprinzip ausgerichtete Regelung. Die neue Fassung des § 16 MitbestErgG regle nicht nur die Voraussetzungen für den Wechsel von der qualifizierten Mitbestimmung zu der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern auch die Voraussetzungen für den umgekehrten Fall. Die Verlängerung des Beurteilungszeitraums könne sich auch auf die beiden anderen derzeit den Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes unterliegenden Konzernobergesellschaften auswirken. Das ergebe sich aus den Umsatzverhältnissen dieser Unternehmen.
Gelsenkirchener Bergwerks-AG: Geschäftsjahr (1.1. bis 31.12.): 1963; 1964; 1965; 1966; 1967 Montanumsatz: 47,8%; 53,2%; 52,9%; 52,9%; 45,3%
Salzgitter AG: Geschäftsjahr (1.10. bis 30.9.): 1963/64; 1964/65; 1965/66; 1966/77 Montanumsatz: 49,96%; 50,87%; 49,26%; 46,72%
Im Geschäftsjahr 1967/68 liege bei der Salzgitter AG der Montanumsatz jedoch wiederum über 50 v. H., und zwar wegen der Ausgliederung der Borsig AG und der Howaldts-Werke Hamburg AG und der Kieler Howaldts-Werke AG. Ein Bestimmungszeitraum von fünf Jahren sei sachgerecht. Wirtschaftliche Strukturwandlungen ließen sich in der heutigen Zeit nur über längere Zeiträume hinweg beurteilen.
Der Gesetzgeber habe mit dem Erlaß des Änderungsgesetzes angesichts der öffentlichen Diskussion um die Ausdehnung der qualifizierten Mitbestimmung auf Großunternehmen und Konzerne aller Wirtschaftszweige und angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse im Frühjahr 1967, insbesondere im Ruhrgebiet, durch Aufrechterhaltung des Status quo für einen begrenzten Zeitraum zur Milderung wirtschaftlicher und sozialer Spannungen beitragen wollen.
d) Rechtsanwalt Dr. Adolf Arndt, Prozeßbevollmächtigter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, hält die Vorlage für unzulässig. Für die Entscheidung des Landgerichts Dortmund komme es auf die Gültigkeit des Art. 3 Abs. 2 ÄndG nicht an. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob das Landgericht wirklich von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sei. Das Gericht habe lediglich seine "Ansicht" zum Ausdruck gebracht.
Das Änderungsgesetz stehe mit der Verfassung in Einklang. Art. 3 Abs. 2 ÄndG besage nichts, was sich nicht ohnehin aus dem Änderungsgesetz ergebe. Die Vorschrift stelle nur klar, daß das Gesetz auch die Rheinischen Stahlwerke erfasse. Sie solle ferner die Fristberechnung erleichtern.
Art. 3 Abs. 2 ÄndG greife nicht in Grundrechte ein. Die Vorschrift sei also, selbst wenn sie nur einen einzelnen Fall regeln würde, nicht unzulässig. Einzelfallgesetze seien als solche nicht verfassungswidrig. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG erfasse nur Gesetze, die auf Grund eines in der Verfassung enthaltenen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalts Grundrechte einschränkten. Für Gesetze, die lediglich im Wege der Schrankensetzung Inhalt und Tragweite eines Grundrechts näher bestimmten, gelte Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG hingegen nicht. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG enthalte ebenso wie der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG ein absolutes Differenzierungsverbot. Einzelfallgesetze verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Gesetzgeber nehme bei Regelung eines Einzelfalls nicht Funktionen der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung wahr. Einzelfallgesetze seien oft um der Gerechtigkeit willen geboten. Die gegenteilige Auffassung führe zu einer unerträglichen Bindung des Gesetzgebers.
Das Änderungsgesetz enthalte weder eine echte noch eine unechte unzulässige Rückwirkung. Es greife nicht rückwirkend regelnd in einen abgeschlossenen Tatbestand ein, sondern verhindere lediglich eine Änderung des bisherigen Rechtszustands. Das Gesetz führe auch nicht zur Entwertung von Rechtspositionen. Schließlich sei der Gleichheitssatz nicht verletzt. Das Grundgesetz hindere den Gesetzgeber nicht, die qualifizierte Mitbestimmung für weitere Unternehmen einzuführen. Der Gesetzgeber könne die Voraussetzungen für die qualifizierte Mitbestimmung anders als bisher regeln; er könne also z.B. für Konzernobergesellschaften auch einen Montanumsatz von nur 10 v.H. als Voraussetzung für die Anwendung des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes festlegen. Es sei ihm deshalb auch nicht verwehrt, an einen bestehenden Mitbestimmungsstatus anzuknüpfen.
e) Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft hält Art. 3 Abs. 2 ÄndG ebenfalls nicht für verfassungswidrig. Die Vorschrift könne sich nicht nur auf die Rheinischen Stahlwerke, sondern auch auf die beiden anderen derzeit der qualifizierten Mitbestimmung unterliegenden Konzernobergesellschaften auswirken. Ein Einzelfallgesetz liege deshalb nicht vor. Auch fehle es an einer Rückwirkung.
B.
1.
Das Landgericht Dortmund hat in seinem Vorlagebeschluß hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es nicht nur an der Verfassungsmäßigkeit von Art. 3 Abs. 2 ÄndG zweifelt, sondern von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt ist.
2.
Das Landgericht hat dargelegt, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit des Art. 3 Abs. 2 ÄndG abhängt (§ 80 Abs. 2 BVerfGG): Sei die Vorschrift ungültig, so sei der Aufsichtsrat der Rheinischen Stahlwerke nach § 76 des Betriebsverfassungsgesetzes zusammenzusetzen. Sei sie hingegen gültig, so seien für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats weiterhin die Bestimmungen des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes maßgebend.
3.
Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, für seine Entscheidung komme es auf die Gültigkeit von Art. 3 Abs. 2 ÄndG an, ist nicht offensichtlich unhaltbar.
Das Landgericht Dortmund meint, (a) Art. 3 Abs. 2 ÄndG bestimme, daß herrschende Unternehmen, bei denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes (7. Mai 1967) die Voraussetzungen des § 16 Satz 2 a. F. MitbestErgG für das Ausscheiden aus der qualifizierten Mitbestimmung bereits eingetreten waren, von der Änderung des § 16 MitbestErgG durch Art. 1 ÄndG erfaßt werden. Das Landgericht ist weiterhin der Ansicht, (b) Art. 3 Abs. 2 ÄndG sei eine selbständige Norm: Die Rheinischen Stahlwerke würden nicht schon durch Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG, sondern nur wegen Art. 3 Abs. 2 von der Änderung des § 16 MitbestErgG erfaßt.
a) Nach seinem Wortlaut kann Art. 3 Abs. 2 ÄndG durchaus dahin verstanden werden, daß der neue Beurteilungszeitraum von fünf Jahren nicht nur für herrschende Unternehmen gelten soll, bei denen sich das relevante Umsatzverhältnis (§ 3 Abs. 2 MitbestErgG) nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes verändert; daß die Vorschrift vielmehr auch Unternehmen erfassen soll, bei denen ein am 31. Dezember 1966 endendes Geschäftsjahr eine relevante Umsatzveränderung i. S. des § 3 Abs. 2 Mitbest.- ErgG bereits ergeben hatte.
Dieses Verständnis des Art. 3 Abs. 2 ÄndG kann sich auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützen. Im Initiativgesetzentwurf des Änderungsgesetzes war eine dem Art. 3 Ab. 2 entsprechende Vorschrift nicht enthalten (BTDrucks. V/1458). Bei der Beratung des Entwurfs im Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen des Bundestags am 8. März 1967 (Niederschrift über die 51. Sitzung, S. 11 f.) erklärten Mitglieder des Ausschusses, die Verabschiedung des Gesetzentwurfs sei im Hinblick auf die Verhältnisse bei den Rheinischen Stahlwerken eilbedürftig. Der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz legte u. a. dar (a.a.O., S. 14 f.), es sei bei der jetzigen Fassung des Entwurfs rechtlich nicht völlig sicher, daß auch die Rheinischen Stahlwerke erfaßt würden. Das Bundesministerium der Justiz neige dazu, dies zu bejahen. Unter Berufung auf § 97 Abs. 1 Satz 1 AktG könne jedoch die Ansicht vertreten werden, die Gesellschaft sei schon mit Ablauf des Geschäftsjahres 1966 aus dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz ausgeschieden, weil es in § 97 Abs. 1 AktG heiße, daß ein Aufsichtsrat nicht mehr "nach den für ihn maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt" sei. Das Bundesministerium der Justiz werde deshalb der Einfügung einer besonderen Klausel nicht widersprechen, die jeden Zweifel an der Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Rheinischen Stahlwerke ausschließen solle. Im Ausschuß für Arbeit des Bundestags (Niederschrift über die 32. Sitzung am 8. März 1967, S. 9 ff.) legte der Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung die später Gesetz gewordene Formulierung des Art. 3 Abs. 2 ÄndG vor und erklärte, das Gesetz werde so "verdeutlicht". Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit führte in seinem Schriftlichen Bericht ( zu BTDrucks. V/1525) aus, durch die Einfügung eines Absatzes 2 in Art. 3 sollten etwaige Auslegungsschwierigkeiten vermieden werden. Dementsprechend hat der Berichterstatter im Rechtsausschuß des Bundesrats (Niederschrift über die 315. Sitzung am 29. März 1967, S. 24) erklärt, Art. 3 Abs. 2 solle Auslegungsschwierigkeiten vermeiden und klarstellen, daß herrschende Unternehmen, die sonst nach dem Geschäftsergebnis vom 31. Dezember 1966 aus der qualifizierten Mitbestimmung ausgeschieden wären, ihr noch bis Ende 1969 unterlägen.
Nun ist allerdings bei der zweiten Beratung des Entwurfs im Bundestag (Sitzungsbericht über die 98. Sitzung am 15. März 1967, S. 4518 D f.) von Staatssekretär Professor Dr. Horst Ehmke (Bundesministerium der Justiz) u.a. die Auffassung vertreten worden, die Vorschrift regle lediglich, von wann an die zusätzlichen drei Jahre des Beurteilungszeitraums zu rechnen seien. Im Gesetz heiße es, zwei aufeinanderfolgende Geschäftsjahre seien durch fünf aufeinanderfolgende Geschäftsjahre zu ersetzen. "Soll das nun bis 1969 oder bis 1970 gehen? Das muß ja geregelt werden und hat mit Rückwirkung nichts zu tun."
Diese Auslegung des Art. 3 Abs. 2 ÄndG ist jedoch schon mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht die allein mögliche. Ihr könnte zudem entgegengehalten werden, daß die Frage, von welchem Zeitpunkt an die zusätzlichen drei Jahre zu rechnen seien, einer Regelung nicht bedurft habe.
Die Ansicht des Landgerichts, Art. 3 Abs. 2 ÄndG bringe zum Ausdruck, daß herrschende Unternehmen, die sonst nach dem Geschäftsergebnis vom 31. Dezember 1966 aus der qualifizierten Mitbestimmung ausgeschieden wären, ihr noch bis Ende 1969 unterliegen, ist also nicht offensichtlich unhaltbar.
b) Nicht offensichtlich unhaltbar ist auch die weitere Auffassung des Landgerichts, der neue Beurteilungszeitraum von fünf Jahren gelte für die Rheinischen Stahlwerke allein wegen der in Art. 3 Abs. 2 ÄndG enthaltenen Regelung.
Zwar setzt gemäß § 96 Abs. 2 AktG die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Bestimmungen ein besonderes, in den §§ 97, 98 AktG geregeltes Verfahren voraus. Ein Verfahren nach diesen Vorschriften war bei den Rheinischen Stahlwerken im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes nicht eingeleitet. Es ist jedoch keineswegs offensichtlich unhaltbar zu meinen, bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes habe festgestanden, daß der Aufsichtsrat der Rheinischen Stahlwerke vom Jahre 1967 an nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zusammenzusetzen sei; die §§ 97, 98 AktG enthielten lediglich Überleitungsvorschriften für die Bildung des Aufsichtsrats nach den nunmehr für ihn anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften. Diese Auffassung liegt mindestens im Ergebnis dem Vorlagebeschluß zugrunde.
4.
Für die Entscheidung des Landgerichts Dortmund kommt es allerdings auf die Gültigkeit des Art. 3 Abs. 2 ÄndG nur insoweit an, als diese Vorschrift sich bezieht auf den Satz 2 des geänderten § 16 MitbestErgG, nach dem die §§ 5 bis 13 dieses Gesetzes nicht mehr anzuwenden sind, wenn in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 MitbestErgG nicht mehr vorliegen. Satz 1 des geänderten § 16 MitbestErgG (die §§ 5 bis 13 MitbestErgG sind erst anzuwenden, wenn die genannten Voraussetzungen in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren vorgelegen haben) ist für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei den Rheinischen Stahlwerken ohne Bedeutung.
Die vom Bundesverfassungsgericht zu prüfende Frage ist entsprechend einzuschränken.
C.
In dem danach zu prüfenden Umfang ist Art. 3 Abs. 2 i. V.m. Art. 1 ÄndG mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 ÄndG ist streitig. Je nach dem Inhalt, welcher der Bestimmung beigelegt wird, sind die Erwägungen zur Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit verschieden. Das Bundesverfassungsgericht muß deshalb von sich aus die Rechtslage nach einfachem Recht prüfen. Nur auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung aller in Betracht kommenden Vorschriften kann das Bundesverfassungsgericht beurteilen, ob Bestimmungen des einfachen Rechts mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfGE 22, 28 [33]).
1.
Das Änderungsgesetz hat den Beurteilungszeitraum des § 16 MitbestErgG von zwei auf fünf Jahre verlängert. Art. 3 Abs. 2 ÄndG regelt nicht die Frage, von welchem Zeitpunkt an die drei Jahre zu rechnen sind, um die der Beurteilungszeitraum verlängert wurde. Wird ein Zeitraum, während dessen Dauer bestimmte Tatsachen vorliegen müssen, von zwei auf fünf Jahre ausgedehnt, so versteht es sich von selbst, daß diese Tatsachen nunmehr ununterbrochen fünf Jahre lang gegeben sein müssen. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß die drei zusätzlichen Jahre von dem Zeitpunkt an rechnen, in welchem die ersten zwei Jahre abgelaufen sind.
2.
a) Hingegen könnte es zweifelhaft sein, ob der neue Beurteilungszeitraum von fünf Jahren auch für Unternehmen gilt, bei denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes zwei nach § 16 a.F. MitbestErgG maßgebliche Geschäftsjahre bereits abgelaufen waren, ohne daß eine Änderung der Mitbestimmungsform herbeigeführt worden war. Zu dieser Frage besagt Art. 3 Abs. 2 ÄndG: Hat bei einem herrschenden Unternehmen in dem am 31. Dezember 1966 endenden Geschäftsjahr ein Umsatzverhältnis vorgelegen, welches nach der bisherigen Fassung des § 16 MitbestErgG zu einer Änderung der Form der Mitbestimmung der Arbeitnehmer führen konnte - wie es bei den Rheinischen Stahlwerken der Fall war -, so kann jetzt dennoch eine Änderung der Mitbestimmungsform erst herbeigeführt werden, wenn dieses Umsatzverhältnis noch während weiterer drei Geschäftsjahre vorgelegen hat.
Art. 3 Abs. 2 ÄndG stellt insofern jedoch lediglich klar, was sich bei richtigem Verständnis schon aus Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ergibt. Schon nach diesen Bestimmungen erfaßt die Verlängerung des Beurteilungszeitraums von zwei auf fünf Jahre auch solche herrschenden Unternehmen, bei denen das am 31. Dezember 1966 endende Jahr das zweite von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren war, in dem die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG nicht mehr vorlagen. Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG knüpft an die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 7. Mai 1967 an. War der Aufsichtsrat in diesem Zeitpunkt nach den Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes zusammengesetzt, so soll seine Zusammensetzung nach anderen Vorschriften (hier: nach denen des Betriebsverfassungsgesetzes) erst zulässig sein, wenn in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG nicht mehr vorgelegen haben. War er nach anderen Vorschriften zusammengesetzt, so soll eine Änderung erst erfolgen, wenn diese Voraussetzungen in fünf aufeinanderfolgenden Jahren vorlagen.
Das ergibt sich aus dem engen Zusammenhang, in dem die sozialordnungsrechtlichen Bestimmungen des Änderungsgesetzes (Art. 1: Verlängerung des Beurteilungszeitraums auf fünf Jahre; Art. 3 Abs. 1: Wirksamwerden dieser Verlängerung am 7. Mai 1967) und des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes einerseits und die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§§ 96 ff.) andererseits stehen.
Nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften kann der Aufsichtsrat nur zusammengesetzt werden, wenn nach § 97 oder nach § 98 die in der Bekanntmachung des Vorstands oder in der gerichtlichen Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind.
In der Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes heißt es zum jetzigen § 96 Abs. 2 (BTDrucks. IV/171, S. 92 ff. [133]):
"Nach Absatz 2 darf nur unter bestimmten Voraussetzungen von der einen zur anderen Form übergegangen werden. Ist der Aufsichtsrat einmal nach einer der vier möglichen Formen zusammengesetzt (vgl. § 96 Abs. 1 AktG), so bleiben, auch wenn die tatsächlichen Verhältnisse sich geändert haben und deshalb der Aufsichtsrat anders als bisher zusammenzusetzen ist, zunächst die Vorschriften maßgebend, nach denen der Aufsichtsrat bisher zusammengesetzt worden ist. Er bleibt in seiner bisherigen Zusammensetzung beschlußfähig. Ist ein Aufsichtsratsmitglied neu zu bestellen, so hat dies trotz der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach den bisher angewandten Vorschriften zu geschehen. Erst dann ist die Zusammensetzung zu ändern, wenn entweder ein außergerichtliches Verfahren nach § 94 (jetzt § 97) oder ein gerichtliches Verfahren nach § 95 (jetzt § 98) durchgeführt worden ist und auf Grund dieser Verfahren andere gesetzliche Vorschriften als die bisher angewandten maßgebend sind."
Eine Änderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats kann also nur im förmlichen Verfahren nach § 97 oder nach § 98 f. AktG herbeigeführt werden. Erst nach Abschluß eines dieser Verfahren sind nach § 96 Abs. 2 AktG "andere" als die "zuletzt angewandten" gesetzlichen Vorschriften "anzuwenden".
c) Das Verfahren nach § 97 AktG liegt allein in den Händen des Vorstands der Gesellschaft. Ist der Vorstand der Ansicht, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AktG), so hat er dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern - für die Aktionäre - und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen - für die Arbeitnehmer - bekanntzumachen und zugleich anzugeben, welche gesetzlichen Vorschriften er für maßgebend hält, sowie ferner darauf hinzuweisen, daß der Aufsichtsrat nach diesen Vorschriften gebildet werden wird, wenn nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger das nach § 98 Abs. 1 AktG zuständige Landgericht von einem nach § 98 Abs. 2 AktG Antragsberechtigten angerufen wird.
Wird das nach § 98 Abs. 1 AktG zuständige Gericht nicht innerhalb eines Monats angerufen, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Bekanntmachung des Vorstands angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen (§ 97 Abs. 2 AktG).
Bei Streit oder Ungewißheit können aber auch bestimmte, in § 98 Abs. 2 AktG bezeichnete Antragsberechtigte (z. B. der Vorstand, jedes Aufsichtsratsmitglied, jeder Aktionär, Betriebsräte und Spitzenorganisationen der Gewerkschaften) beim Landgericht beantragen festzustellen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist (§ 98 Abs. 1 AktG). Entspricht die bisherige Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der gerichtlichen Entscheidung, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen (§ 98 Abs. 4 Satz 1 AktG).
d) Zur Bildung eines neuen Aufsichtsrats mit geänderter Zusammensetzung kommt es also nur, wenn
entweder der Vorstand das Verfahren nach § 97 AktG durchgeführt hat und seinem Vorschlag nicht durch Anrufung des Gerichts widersprochen wird,
oder das zuständige Gericht im Verfahren nach § 98 f. AktG rechtskräftig entschieden hat, daß der Aufsichtsrat nach anderen als den bisher angewandten gesetzlichen Bestimmungen zusammenzusetzen ist.
Ändern sich bei einer Aktiengesellschaft die tatsächlichen Voraussetzungen, von welchen nach den in § 96 Abs. 1 AktG angeführten gesetzlichen Bestimmungen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats abhängt, leitet jedoch der Vorstand ein Verfahren nach § 97 AktG nicht ein und wird auch ein Antrag nach § 98 AktG nicht gestellt, so tritt also eine Änderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht ein. Ergänzungs- und Neuwahlen zum Aufsichtsrat erfolgen dann nach den bisher angewandten Vorschriften. Die von diesem Aufsichtsrat gefaßten Beschlüsse sind rechtswirksam.
Aus den §§ 96 ff. AktG ergibt sich, daß bei einer Aktiengesellschaft, bei welcher die Voraussetzungen des § 16 Satz 2 MitbestErgG erfüllt sind, nicht mit Ablauf des letzten maßgeblichen Geschäftsjahres "automatisch" ein Wechsel in der Mitbestimmungsform eintritt. Dieser Wechsel muß vielmehr erst mit Hilfe eines besonderen Verfahrens herbeigeführt werden. Kommt es nicht zu einem solchen Verfahren, so bleibt die alte Mitbestimmungsform verbindlich. Weder das Aktiengesetz noch das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz kennen einen Zeitpunkt, zu dem sich die Mitbestimmungsform automatisch ändert. Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, daß nach § 16 Satz 2 a. F. MitbestErgG die §§ 5 bis 13 dieses Gesetzes "nicht mehr anzuwenden" sind, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG weggefallen sind, und daß nach § 97 Abs. 1 AktG der Vorstand das Verfahren nach dieser Vorschrift einzuleiten hat, wenn er der Ansicht ist, der Aufsichtsrat sei "nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt".
e) Das Änderungsgesetz setzt die Regelung des Aktiengesetzes voraus und knüpft an sie an. Für Art. 3 Abs. 1 ÄndG kommt es nicht darauf an, ob sich das für das Unternehmen "anzuwendende" Recht mit dem 1. Januar 1967 geändert hatte und ob ein Verfahren nach § 97 oder § 98 AktG möglich war, sondern lediglich darauf, ob als Folge eines solchen Verfahrens der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens am 7. Mai 1967 nicht mehr nach den Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes zusammengesetzt war.
Nach dem objektiven Gehalt des Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG ist also der Beurteilungszeitraum von zwei auf fünf Jahre auch für solche herrschenden Unternehmen verlängert worden, bei denen zwar am 31. Dezember 1966 zwei Geschäftsjahre mit sogenannten "montannegativen" Umsatzverhältnissen bereits abgelaufen waren, bei denen jedoch der Aufsichtsrat am 7. Mai 1967 noch nach den für das Unternehmen zunächst weiterhin maßgebend gebliebenen Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes zusammengesetzt war.
Der Sinn von Art. 3 Abs. 2 ÄndG erschöpft sich in der Klarstellung dieser schon durch Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG getroffenen Regelung. Das wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt (siehe oben B 3 a).
Mit diesem Inhalt sind Art. 3 Abs. 1 und 2 i. V.m. Art. 1 ÄndG mit dem Grundgesetz vereinbar.
3.
Auch wenn man jedoch davon ausgeht, Art. 3 Abs. 2 ÄndG stelle nicht lediglich klar, was sich ohnehin aus Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG ergibt - wenn man also mit dem Landgericht Dortmund der Vorschrift eine konstitutive Bedeutung beimißt und sie dahin versteht, daß Unternehmen wie die Rheinischen Stahlwerke, bei denen am 31. Dezember 1966 zwei aufeinanderfolgende Geschäftsjahre mit "montannegativen" Umsatzverhältnissen abgelaufen waren, nur wegen der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 ÄndG von der Verlängerung des Beurteilungszeitraums erfaßt werden -, so ist das Ergebnis kein anderes: auch dann ist Art. 3 Abs. 2 ÄndG mit dem Grundgesetz vereinbar.
II.
1.
Das Änderungsgesetz erging, um "den Status quo im Mitbestimmungsbereich so lange zu erhalten, bis eine Neuregelung des gesamten Fragenbereichs auf Grund des Ergebnisses der von der Sachverständigenkommission zu erarbeitenden Grundlage möglich ist" (Schriftl. Bericht des Ausschusses für Arbeit des Bundestags vom 13. März 1967, zu BTDrucks. V/1525). Damals war erkennbar, bei den Rheinischen Stahlwerken werde der Unternehmenszweck ebenso wie im Jahr 1965 auch im Geschäftsjahr 1966 nicht mehr durch die unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen gekennzeichnet sein, so daß nach § 16 a.F. MitbestErgG die Voraussetzungen für das Ausscheiden des Unternehmens aus der qualifizierten Mitbestimmung eingetreten wären. Auch das sollte verhindert werden.
Das Änderungsgesetz ist deshalb als ein auf einen konkreten Sachverhalt abgestelltes Gesetz ("Maßnahmegesetz") bezeichnet worden. Maßnahmegesetze sind aber als solche weder unzulässig noch unterliegen sie einer strengeren verfassungsrechtlichen Prüfung als andere Gesetze (BVerfGE 4, 7 [18 f.]; 10, 89 [108]; 15, 126 [146 f.]; 24, 33 [52]). Der Begriff des Maßnahmegesetzes ist also verfassungsrechtlich irrelevant.
2.
Das Änderungsgesetz ist kein Einzelfall- oder Individualgesetz, das mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
a) Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG kann nicht als Einzelfallgesetz charakterisiert werden.
Eine Norm hat den Charakter eines für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen geltenden generellen Rechtssatzes - und ist also kein Einzelfallgesetz -, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht genau übersehen läßt, auf wieviele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet (BVerfGE 10, 234 [242]), wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist (BVerfGE 13, 225 [229]). Liegt ein genereller Rechtssatz vor, so ist ohne Belang, ob ein Einzelfall den Anlaß zu der gesetzlichen Regelung gegeben hat (BVerfGE 13, 225 [229]; 24, 33 [52]).
Die Verlängerung des Beurteilungszeitraums von zwei auf fünf Jahre gilt für alle Unternehmen, für die schon § 16 a.F. MitbestErgG bedeutsam war oder hätte werden können. Dabei ist irrelevant, daß es sich um eine bestimmbare Gruppe herrschender Unternehmen handelt, da diese Gruppe von Unternehmen sachlich abgegrenzt und in sich gleichartigen Regelungen unterworfen ist (vgl. BVerfGE 8, 332 [361]). Der neue Beurteilungszeitraum gilt sowohl für den Wechsel von der qualifizierten Mitbestimmung zu der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz als auch für den umgekehrten Fall.
Selbst wenn man lediglich die neue Fassung von § 16 Satz 2 MitbestErgG in Betracht zieht, so ist diese Vorschrift nicht nur auf die Rheinischen Stahlwerke anwendbar. Die Tatbestandsmerkmale sind abstrakt gefaßt, so daß nicht nur ein einmaliger Eintritt der Rechtsfolge möglich ist. Der geänderte § 16 Satz 2 MitbestErgG greift auch für die Gelsenkirchener Bergwerks-AG und für die Salzgitter AG ein, wenn sich bei diesen Unternehmen Änderungen in den Umsatzverhältnissen ergeben, die nach § 3 MitbestErgG bedeutsam sind. Im übrigen dürfte für das letztgenannte Unternehmen das Geschäftsjahr, das am 30. September 1967 endete, das zweite Geschäftsjahr mit einem "montannegativen" Umsatzverhältnis gewesen sein.
Der in Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers erschöpft sich also nicht darin, ausschließlich den Fall der Rheinischen Stahlwerke zu regeln, der den Anlaß für das Änderungsgesetz gegeben hat. Die Vorschriften sind vielmehr nach der Natur der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet, weitere Fälle zu erfassen (vgl. BVerfGE 10, 234 [243]). Deshalb liegt auch nicht ein getarntes Einzelfallgesetz vor (BVerfGE 10, 234 [244]; 13, 225 [229]; 24, 33 [52]).
b) Alles dies gilt auch dann, wenn man annimmt, die Rheinischen Stahlwerke würden nur wegen Art. 3 Abs. 2 ÄndG von der Verlängerung des Beurteilungszeitraums erfaßt. Denn die Ersetzung von zwei durch fünf aufeinanderfolgende Geschäftsjahre gilt nach dieser Vorschrift erstmals für das am 31. Dezember 1966 endende oder laufende Geschäftsjahr, ist also nicht ausschließlich für die Rheinischen Stahlwerke von Bedeutung.
c) Geht man davon aus, daß die Verlängerung des Beurteilungszeitraums durch Art. 1 ÄndG die Rheinischen Stahlwerke nur wegen Art. 3 Abs. 2 ÄndG erfaßt und zieht man weiterhin diese Vorschrift lediglich insoweit in Betracht, als sie das am 31. Dezember 1966 endende Geschäftsjahr betrifft, so liegt ein Einzelfallgesetz vor. Denn dann greift die Vorschrift nach dem gegebenen und dem Gesetzgeber bekannten Sachverhalt ausschließlich für die Mitbestimmung bei den Rheinischen Stahlwerken ein. Auch dann steht die Vorschrift mit dem Grundgesetz in Einklang.
aa) Einzelfallgesetze sind als solche nach dem Grundgesetz nicht schlechthin, sondern lediglich nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässig. Soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht oder ein grundrechtsähnliches Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten.
Ein über Art. 19 Abs. 1 GG hinausgreifendes Verbot von Einzelfallgesetzen läßt sich insbesondere nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten. Dem Grundgesetz kann nicht entnommen werden, daß es - von Art. 19 Abs. 1 GG abgesehen - von einem Gesetzesbegriff ausgeht, der als Inhalt der Gesetze lediglich generelle Regelungen zuläßt. Auch die gesetzliche Regelung eines einzelnen Falles kann erforderlich sein. Das gilt vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Sozialordnung. Mit der Regelung eines einzelnen Falles greift der Gesetzgeber nicht notwendig in die Funktionen ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat. Die Verlängerung des Beurteilungszeitraums konnte nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern er hiermit die ihm durch den Grundsatz der Gewaltentrennung gezogenen Grenzen überschritten haben sollte.
Nur für die Einschränkung von Grundrechten verbietet also das Grundgesetz Einzelfallgesetze; außerhalb dieses Bereiches sind sie als solche weder unzulässig noch unterliegen sie einer strengeren verfassungsrechtlichen Prüfung als andere Gesetze.
bb) Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein verfassungswidriges Einzelfallgesetz vorliegt, wäre also lediglich Art. 19 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm wäre jedoch nicht verletzt.
Nach dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1968 (1 BvR 638/64 u.a. S. 42) dient Art. 19 Abs. 1 GG der Sicherung derjenigen Grundrechte, die auf Grund eines speziellen im Grundgesetz enthaltenen Vorbehalts durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden können; soweit ein solcher Vorbehalt bestehe, dürfe das Gesetz nicht nur für den Einzelfall gelten. Unter einem speziellen Gesetzesvorbehalt i.S. dieser Auffassung stehen jedoch die Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 GG, mit denen das Änderungsgesetz unvereinbar sein könnte, nicht.
Auch nach der von einigen Mitgliedern des Senats vertretenen Meinung, daß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG Einzelfallregelungen nicht nur für "Einschränkungen" von Grundrechten auf Grund eines speziellen Gesetzesvorbehalts, sondern auch in anderen Fällen verbietet, steht Art. 3 Abs. 2 i. V.m. Art. 1 ÄndG mit Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG in Einklang. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG enthält nach dieser Auffassung eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Er verbietet dem Gesetzgeber, aus einer Reihe gleichartiger Sachverhalte willkürlich einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Ausnahmeregelung zu machen. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG schließt dagegen die gesetzliche Regelung eines Einzelfalls dann nicht aus, wenn der Sachverhalt so beschaffen ist, daß es nur einen zu regelnden Fall dieser Art gibt und die Regelung dieses singulären Sachverhalts von sachlichen Gründen getragen wird.
3.
a) Es ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, daß nach dem Änderungsgesetz die Verlängerung des Beurteilungszeitraums von zwei auf fünf Jahre auch für herrschende Unternehmen wirksam wird, bei denen am 7. Mai 1967 die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG für die qualifizierte Mitbestimmung der Arbeitnehmer in zwei aufeinanderfolgenden, bereits abgelaufenen Geschäftsjahren nicht mehr vorgelegen hatten.
Aufsichtsrat und Vorstand der Rheinischen Stahlwerke waren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes nach den Vorschriften über die qualifizierte Mitbestimmung zusammengesetzt, obwohl die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG bei ihnen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren weggefallen waren. Ein Verfahren nach den §§ 97 oder 98 AktG war nicht eingeleitet.
An diesen Sachverhalt hat der Gesetzgeber für die Verlängerung des Beurteilungszeitraums auf fünf Jahre angeknüpft. Er hat damit Unternehmen, bei denen die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren schon weggefallen waren, und Unternehmen, bei denen dies nicht der Fall war, gleich behandelt. Er hat außerdem Unternehmen, auf die nach § 16 a. F. MitbestErgG die §§ 5 bis 13 dieses Gesetzes "nicht mehr anzuwenden" waren und deren Aufsichtsrat i.S. des § 97 AktG "nicht nach den für ihn maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften" zusammengesetzt war, und Unternehmen, bei denen die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG nicht vorliegen oder früher weggefallen waren, ungleich behandelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muß es grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen werden, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (BVerfGE 13, 225 [228]). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die ihm Art. 3 Abs. 1 GG beläßt, besteht in erster Linie darin, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (BVerfGE 17, 381 [388]).
Die Entscheidung des Gesetzgebers ist danach keineswegs willkürlich. Für sie läßt sich anführen: In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 13. Dezember 1966 wurde die Bildung einer Kommission unabhängiger Sachverständiger in Aussicht genommen, die die bisherigen Erfahrungen mit der Mitbestimmung als Grundlage weiterer Überlegungen auswerten soll (vgl. BT, Stenographischer Bericht über die 80. Sitzung am 13. Dezember 1966, S. 3661). Diese Kommission ist im Dezember 1967 gebildet worden (vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, Nr. 142 vom 6. Dezember 1967, S. 1202). Um der in Aussicht genommenen Kommission ein Arbeiten ohne Zeitdruck zu ermöglichen, hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorbereitet, der die drei Konzernobergesellschaften, die unter das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz fallen, ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung ihrer Umsätze bis Ende 1969 dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz unterworfen hätte. Dieser Gesetzentwurf ist gegenstandslos geworden durch den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf des Änderungsgesetzes. Dem Gesetz liegt also - wie bereits dargelegt (siehe oben C II 1) - vor allem die Erwägung zugrunde, den gegenwärtigen Stand im Mitbestimmungsbereich solange zu erhalten, bis eine Neuregelung des gesamten Fragenbereichs auf der Grundlage der Ergebnisse der Sachverständigenkommission möglich ist. Das ist eine sachliche Erwägung. Sie rechtfertigt es, bei der Verlängerung des Beurteilungszeitraums an die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Vorstand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes anzuknüpfen, so daß von der Verlängerung des Beurteilungszeitraums auch Unternehmen erfaßt werden, bei denen die Voraussetzungen des § 3 MitbestErgG während zweier Geschäftsjahre schon weggefallen waren.
Die durch das Änderungsgesetz getroffene Regelung widerspricht zwar dem "System" des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes insofern, als sie eine andere Zusammensetzung der Organe des Unternehmens unterbindet, obwohl der bis zum 7. Mai 1967 maßgebende Beurteilungszeitraum von zwei Jahren mit "montannegativen" Umsatzverhältnissen abgelaufen war. Dem Grundgedanken des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes entspräche es, den Weg für eine andere Zusammensetzung der Organe freizuhalten, wenn die Voraussetzungen des § 3 Mitbest- ErgG zwei Jahre lang weggefallen sind. Es steht dem Gesetzgeber jedoch frei, von dieser Regelung abzuweichen. Solche Abweichungen sind nur dann willkürlich und mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, wenn die Grundregeln des Gesetzes ohne zureichende sachliche Gründe verlassen werden (vgl. BVerfGE 18, 315 [334]). Wie bereits dargelegt, lassen sich jedoch sachliche Gründe dafür anführen, daß von der Verlängerung des Beurteilungszeitraums auch solche Unternehmen erfaßt werden, bei denen während zweier Geschäftsjahre die Umsatzverhältnisse "montannegativ" gewesen waren, als das Änderungsgesetz in Kraft trat.
b) Entsprechende sachliche Gründe lassen sich auch für die Verlängerung des Zeitraums anführen, der nach dem Gesetz dafür maßgebend ist, ob der Unternehmenszweck des herrschenden Unternehmens durch Konzernunternehmen und abhängige Unternehmen gekennzeichnet ist, die unter das Mitbestimmungsgesetz fallen (§ 3 MitbestErgG und § 16 dieses Gesetzes i.d.F. von Art. 1 ÄndG). Ist eine Neuregelung der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in großen Unternehmen und Konzernen in Aussicht genommen, so ist eine Änderung der bisherigen gesetzlichen Regelungen gerechtfertigt, die einen Wechsel in der Form der Mitbestimmung dadurch erschwert, daß der Beurteilungszeitraum auf fünf Jahre verlängert wird mit der Folge, daß die Unternehmen trotz relevanter Veränderungen der Umsatzverhältnisse für einen längeren Zeitraum dieselbe Mitbestimmungsform behalten. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die in Aussicht stehende Regelung ihrem Inhalt nach der jetzigen Regelung ungefähr gleicht oder ob sie von anderen Grundsätzen ausgeht. Es kommt hinzu, daß sich bei dem einen oder dem anderen der unter das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz fallenden Konzerne Veränderungen und Umschichtungen in der Zusammensetzung des Konzerns abzeichneten, die bei einem nur zweijährigen Beurteilungszeitraum zu einem mehrfachen Wechsel der Mitbestimmungsform innerhalb relativ kurzer Zeiträume hätten führen können. Eine Regelung, die solche Entwicklungen verhindert, ist nicht willkürlich.
Da die Umsatzverhältnisse, die nach § 3 Abs. 2 MitbestErgG den Unternehmenszweck kennzeichnen, sich bei jedem Konzern ständig verändern, es aber - wie evident ist - nicht angängig ist, auch die Form der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und im Vorstand jeweils sogleich zu wechseln, wenn das Umsatzverhältnis (§ 3 Abs. 2 MitbestErgG) - vielleicht nur für kurze Zeit - "montannegativ" oder "montanpositiv" geworden ist, war es unerläßlich, einen nicht zu kurzen Zeitraum festzulegen, währenddessen die nach § 3 Abs. 2 MitbestErgG relevanten Umsatzverhältnisse vorgelegen haben müssen, bevor ein Wechsel in der Mitbestimmungsform zulässig wird. Der Gesetzgeber hat hierfür ursprünglich einen Zeitraum von zwei Jahren für angemessen und ausreichend erachtet. Es steht ihm jedoch frei, von diesen von ihm selbst gesetzten Regeln abzuweichen oder sie zu modifizieren. Solche Abweichungen sind - wie bereits dargelegt - als Willkür allenfalls dann mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn das "System" des Gesetzes ohne zureichende sachliche Gründe verlassen wird (vgl. BVerfGE 18, 315 [334]). Das ist hier nicht geschehen.
4.
Das Änderungsgesetz verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Rückwirkung belastender Gesetze. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob man der Ansicht folgt, die Verlängerung des Beurteilungszeitraums erfasse die Rheinischen Stahlwerke schon wegen der durch Art. 3 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 ÄndG getroffenen Regelung, oder ob der verfassungsrechtlichen Prüfung die Auffassung zugrunde gelegt wird, diese Rechtsfolge ergebe sich für die Rheinischen Stahlwerke nur aus Art. 3 Abs. 2 ÄndG.
a) Belastende Gesetze, die sich "echte" Rückwirkung beilegen, sind wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Gebot der Rechtssicherheit - die für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet - grundsätzlich nichtig (BVerfGE 13, 261 [270 f.]; 14, 288 [297]; 15, 313 [324]; 18 429 [439]; 21, 117 [131 f.]). "Echte" (retroaktive) Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139 [145 f.]; 13, 261 [270 f.]; 14, 288 [297]). Grundsätzlich soll sich der Bürger darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als sie im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren (BVerfGE 15, 313 [324]).
Ein "abgeschlossener Tatbestand", in den das Änderungsgesetz eingegriffen hätte, liegt jedoch nicht vor.
Zwar war bei den Rheinischen Stahlwerken zur Zeit der Verabschiedung des Änderungsgesetzes durch den Bundestag (am 15. März 1967) und den Bundesrat (am 7. April 1967) in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren der Unternehmenszweck nicht mehr durch die zum Konzern gehörenden Montanunternehmen gekennzeichnet (§ 3 MitbestErgG). Deshalb hatte sich i. S. des § 16 a.F. MitbestErgG mit dem 1. Januar 1967 das auf die Rheinischen Stahlwerke "anzuwendende Recht" geändert, und i. S. des § 97 Abs. 1 AktG war der Aufsichtsrat vom gleichen Zeitpunkt an "nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften" zusammengesetzt. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es hätte ein "abgeschlossener" Tatbestand vorgelegen.
Das ergibt sich aus dem Ineinandergreifen der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen über Wahl und Zusammensetzung des Aufsichtsrats und der sozialordnungsrechtlichen Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes und des Änderungsgesetzes über die Unternehmensverfassung. Mit der Änderung des "anzuwendenden Rechts" und der für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats "maßgebenden gesetzlichen Vorschriften" i. S. von § 16 MitbestErgG und § 97 Abs. 1 AktG war für die Rheinischen Stahlwerke ein abgeschlossener Tatbestand nicht gegeben. Ob ein solcher Tatbestand vorliegt, ist eine verfassungsrechtliche Frage, die nur unter Berücksichtigung des "einfachen" Rechts entschieden werden kann.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich insbesondere aus § 96 Abs. 2 AktG, daß allein durch den Fortfall der Voraussetzungen für die qualifizierte Mitbestimmung (§ 3 i. V.m. § 16 a.F. MitbestErgG) nichts "abgeschlossen" war, weil nämlich die Folgen des Wegfalls der genannten Voraussetzungen nur im Wege der Verfahren nach §§ 97, 98 AktG herbeigeführt werden können und diese Folgen erst dann eintreten, wenn eines dieser Verfahren abgeschlossen ist. Hinsichtlich der Rheinischen Stahlwerke lag also weder für das Unternehmen noch für dessen Aktionäre oder Arbeitnehmer ein abgeschlossener Tatbestand vor, in den das Änderungsgesetz hätte eingreifen können. Ein solcher Tatbestand wäre vielmehr erst dann gegeben, wenn gemäß § 96 Abs. 2 AktG "nach § 97 oder nach § 98 die in der Bekanntmachung des Vorstands oder in der gerichtlichen Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind".
Das Änderungsgesetz hat auch nicht insofern in einen abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen, als es - nachdem bei den Rheinischen Stahlwerken zwei Geschäftsjahre mit "montannegativen" Umsatzverhältnissen abgelaufen waren - einem Verfahren des Vorstands nach § 97 AktG oder Anträgen der nach § 98 Abs. 2 AktG Antragsberechtigten durch die Verlängerung des Beurteilungszeitraums die Grundlage entzogen hat. Abgesehen davon, daß derartige Verfahren vor dem 7. Mai 1967 bei den Rheinischen Stahlwerken von keinem der Berechtigten eingeleitet waren, kann ein "Eingriff" in diese vom Aktiengesetz vorgesehenen Verfahren vor ihrem Abschluß nicht als Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand gewertet werden.
Es liegt hier anders als in dem durch Urteil vom 19. Dezember 1961 (BVerfGE 13, 261 [272 f.]) entschiedenen Fall: Dort ist dargelegt worden, daß die Steuerschuld in Höhe des bisherigen Steuersatzes mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums entstanden ist. Das ist ein abgeschlossener Tatbestand, der rechtlich endgültig geregelt war. Dem Gesetzgeber war es verwehrt, den Steuersatz für diesen Veranlagungszeitraum nach dessen Ablauf zu erhöhen. Bei den Rheinischen Stahlwerken lag nach Ablauf des zweijährigen Beurteilungszeitraums mit "montannegativen" Umsatzverhältnissen ein abgeschlossener Tatbestand nicht vor, und zwar deshalb nicht, weil es zur Änderung der Mitbestimmungsform zusätzlich bestimmter, in §§ 97, 98 AktG geregelter Verfahren bedurfte, die bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes nicht eingeleitet waren.
b) Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergeben sich auch für die "unechte" (retrospektive) Rückwirkung verfassungsrechtliche Grenzen. Schutz kann unter Umständen auch das Vertrauen des Bürgers darauf beanspruchen, daß seine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet wird, die lediglich für die Zukunft auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirken (BVerfGE 14, 288 [297]; 15, 313 [324 f.]; 21, 117 [132]; 24, 33 [55]). Das Änderungsgesetz hat jedoch Rechtspositionen nicht entwertet.
Mit dem Eigentum an einer Aktie ist das Recht verbunden, bei der Wahl des Aufsichtsrats mitzuwirken. Die Verlängerung des nach § 16 MitbestErgG maßgeblichen Beurteilungszeitraums auf fünf Jahre hat zur Folge, daß dieses Recht von den Aktionären der Rheinischen Stahlwerke für weitere drei Jahre nur nach Maßgabe der Vorschriften des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes ausgeübt werden kann. Diese Einschränkung bestand jedoch auch schon bisher. Das Änderungsgesetz bewirkt lediglich, daß eine Verbesserung der Rechtsposition der Aktionäre i.S. einer stärkeren Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats - die auf Grund der früheren Fassung des § 16 MitbestErgG im Sommer 1967 eingetreten wäre - unterbleibt. Die bisherige Rechtsposition der Aktionäre der Rheinischen Stahlwerke oder der Aktionäre anderer Konzernobergesellschaften, die unter das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz fallen, ist also nicht entwertet worden. Das Vertrauen der Aktionäre darauf, die qualifizierte Mitbestimmung werde wegfallen, ist verfassungsrechtlich ebensowenig geschützt wie ihr Vertrauen, daß sie nicht auf weitere Unternehmen erstreckt werden wird.
5.
Art. 3 i. V.m. Art. 1 ÄndG steht schließlich in Einklang sowohl mit Art. 14 GG als auch mit Art. 2 Abs. 1 GG.
a) Die Aktie ist sowohl Vermögensrecht als auch Mitgliedschaftsrecht. Sie ist gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum und genießt als Vermögensrecht den Schutz des Art. 14 GG (BVerfGE 14, 263 [276 f., 278]). Der Charakter als Vermögensrecht kann von dem als Mitgliedschaftsrecht nicht getrennt werden (BVerfGE 14, 263 [285]). Inhaltlich wird dieses Recht durch das Gesellschaftsrecht, aber auch durch das Sozialordnungsrecht bestimmt.
Das Änderungsgesetz hat - unbeschadet der hier nicht näher zu prüfenden Frage, ob die qualifizierte Mitbestimmung als solche mit Art. 14 GG in Einklang steht - in Vermögensrechte der Rheinstahl-Aktionäre nicht dadurch eingegriffen, daß es durch die Verlängerung des Beurteilungszeitraums auf fünf Jahre ein Ausscheiden der Rheinischen Stahlwerke aus dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes verhinderte. Die Mitgliedschaftsrechte der Rheinstahl-Aktionäre sind durch das Änderungsgesetz inhaltlich nicht verändert worden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes waren bei den Rheinischen Stahlwerken Aufsichtsrat und Vorstand nach den Bestimmungen über die qualifizierte Mitbestimmung zusammengesetzt. Die Verlängerung des bestehenden Zustands enthält keine Verschlechterung der Position der Eigentümer.
b) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit und als ihren Ausfluß auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr (BVerfGE 12, 341 [347]). Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit ist jedoch nur innerhalb der Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm (BVerfGE 6, 32 [38]). Das Änderungsgesetz verstößt, wie dargelegt, nicht gegen das Grundgesetz. Die Verlängerung des Beurteilungszeitraums läßt auch den Kern der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Unternehmensleitung und der Aktionäre des Rheinstahl-Konzerns unberührt, und zwar schon deshalb, weil das Gesetz lediglich zur Folge hat, daß die bisherige Mitbestimmungsform bei den Rheinischen Stahlwerken beibehalten wird.
III.
Dieses Urteil ist im Ergebnis mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen worden.
Seuffert Leibholz Geller v. Schlabrendorff Rupp Geiger Kutscher Rinck