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BVerfG, 10.10.1972 - 2 BvL 51/69

Daten
Fall: 
Hessisches Richtergesetz
Fundstellen: 
BVerfGE 34, 52; NJW 1973, 451; DÖV 1973, 132
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
10.10.1972
Aktenzeichen: 
2 BvL 51/69
Entscheidungstyp: 
Beschluss

1. Die Artikel 107 und 118 der Hessischen Verfassung in der Auslegung des Hessischen Staatsgerichtshofs sind mit Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 GG vereinbar.
2. Soweit der Exekutive die Befugnis zur Normsetzung übertragen ist, muß sich der Inhalt der vorordnungsrechtlichen Norm an dem Willen des Gesetzgebers orientieren und auch orientieren können.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Zweiten Senats vom 10. Oktober 1972
- 2 BvL 51/69 -
in dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 93 Abs. 2 Satz 1 des Hessischen Richtergesetzes (HriG) vom 19. Oktober 1962 (GVBl. I S. 455), soweit er zur Regelung der Erhebung vom Prüfungsgebühren ermächtigt - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) vom 29. November 1969 - III/2 - E 193/67 -.

Entscheidungsformel:
§ 93 Absatz 2 Satz 1 des Hessischen Richtergesetzes (HRiG) vom 19. Oktober 1962 (Gesetz- und Verordnungsbl. I S. 455) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er zur Regelung von Prüfungsgebühren ermächtigt.

Gründe

A.

I.

Die Befähigung zum Richteramt wird durch das Bestehen zweier Prüfungen erworben. In Hessen werden hierfür Prüfungsgebühren erhoben. Für die zweite juristische Staatsprüfung beträgt die Gebühr 200 Deutsche Mark. Rechtsgrundlage ist § 42 Abs. 1 Satz 3 der Juristischen Ausbildungsordnung vom 10. September 1965 - JAO 1965 - (GVBl. I S. 193).

Die JAO 1965 ist als Rechtsverordnung der Landesregierung ergangen. Sie gibt als Ermächtigungsgrundlage unter anderem § 93 Abs. 2 Satz 1 des Hessischen Richtergesetzes - HRiG - vom 19. Oktober 1962 (GVBl. I S. 455) an. § 93 HRiG lautet:

Erlaß von Rechtsverordnungen
(1) Die Landesregierung erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen. (2) Die Landesregierung erläßt eine Juristische Ausbildungsordnung; diese regelt die Errichtung von Prüfungsämtern, die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse, das Prüfungsverfahren, die Dauer und die Einteilung des Vorbereitungsdienstes im Rahmen des § 5 Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes sowie die beamtenrechtlichen Folgen der Ablegung und des wiederholten Nichtbestehens der zweiten Prüfung. Bis zum Erlaß einer Ausbildungsordnung nach Satz 1 bleibt die Juristische Ausbildungsordnung vom 27. November 1957 (GVBl. S. 161) in der Fassung der Verordnung vom 26. März 1962 (GVBl. S. 266) unberührt.

II.

1.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens bestand 1966 die zweite juristische Staatsprüfung in Hessen. Zuvor hatte er die Prüfungsgebühr bezahlt. Später erhob er vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) Klage. Mit ihr macht er geltend, die Prüfungsgebühr sei ohne Rechtsgrundlage gefordert worden. § 42 Abs. 1 JAO 1965 finde in § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land Hessen zur Rückzahlung der Gebühr zu verurteilen.

2.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) hält die gesetzliche Ermächtigung in § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG nicht für genügend bestimmt. Es hat zunächst beschlossen, eine Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs über die Gültigkeit des § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG und des § 42 Abs. 1 Satz 3 JAO 1965 einzuholen.

Mit Urteil vom 4. Dezember 1968 erklärte der Hessische Staatsgerichtshof die zur Prüfung gestellten Vorschriften als mit der Verfassung des Landes Hessen vereinbar (Hess. StAnz 1969 S. 33 = DÖV 1969 S. 634). In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Die Gültigkeit der in § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG erteilten Ermächtigung sei am Grundsatz der Gewaltenteilung zu messen. Die Hessische Verfassung sei auf diesem Grundsatz aufgebaut. Sie unterscheide zwischen gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt. Jede dieser Gewalten sei besonderen Verfassungsorganen zugewiesen. Allerdings entbehre die Hessische Verfassung hinsichtlich dieses Teilungsgrundsatzes einer ausdrücklichen Vorschrift. Die Anerkennung des Prinzips der Gewaltenteilung sei aber aus dem Gesamtaufbau der Hessischen Verfassung zu entnehmen. Die Gesetzgebungsbefugnis der Legislative werde unter Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltenteilung in den in Art. 107 und 118 HV bestimmten Fällen der Exekutive übertragen. Beide Verfassungsbestimmungen bildeten den gemeinsamen Rahmen für das in Hessen geltende Verordnungsrecht. Nach Art. 107 HV erlasse die Landesregierung die zur Ausführung eines Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsverordnungen, soweit das Gesetz diese Aufgabe nicht einzelnen Ministern zuweise. Art. 118 HV räume dem Gesetzgeber die Befugnis ein, der Landesregierung durch Gesetz die Berechtigung zum Erlaß von Verordnungen über bestimmte einzelne Gegenstände zu übertragen. Ein Recht des einfachen Gesetzgebers zur Delegation der Gesetzgebungsgewalt im ganzen oder für Teilgebiete schließe die Verfassung jedoch aus. Die Gegenüberstellung der Art. 107 und 118 HV zeige, daß der Verfassungsgeber der von der Exekutive auszuübenden Befugnis zum Erlaß von Verordnungen eine Grenze setze. Diese Grenze beziehe sich sowohl auf den Kreis der Ermächtigten als auch auf den Inhalt des durch Verordnungen zu regelnden Rechts.

Aus Art. 118 HV sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz abzuleiten. Er gelte für das gesamte Verordnungsrecht in Hessen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung erfordere, daß das Schwergewicht der Gesetzgebung bei der Legislative verbleibe. Die Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens im Einzelfalle führe nicht zu einer allgemeinen Verwischung der Grenzen zwischen Legislative und Exekutive. Diesem Erfordernis trage Art. 118 HV Rechnung; er beschränke die durch Gesetz zu erteilende Ermächtigung auf bestimmte einzelne Gegenstände und schließe eine Übertragung der Gesetzgebungsgewalt im ganzen oder für Teilgebiete ausdrücklich aus. Art. 118 HV schreibe dem Gesetzgeber vor, die Verordnungsbefugnis nur unter gleichzeitiger Abgrenzung des zu regelnden Gebietes zu übertragen. Diese Grundsätze hätten auch für Art. 107 HV ihre Gültigkeit.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG widerspreche Art. 118 HV nicht. Die in § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG zum Erlaß von Bestimmungen für das Prüfungsverfahren erteilte Ermächtigung schließe nicht aus, daß die ermächtigte Landesregierung bei der von ihr erlassenen Verfahrensregelung eine Prüfungsgebühr festsetze. Die Frage der Entgeltlichkeit der Prüfung sei kein wesentliches Merkmal eines Prüfungsverfahrens. Das gelte auch für die Höhe der Prüfungsgebühr.

3.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) hat sein Verfahren erneut ausgesetzt. Es hat nunmehr dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG, soweit zur Regelung der Erhebung von Prüfungsgebühren ermächtigt werde, mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Die Verfassungswidrigkeit des § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG sieht das Gericht in einem Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gelte zwar nicht unmittelbar für landesrechtliche Ermächtigungen. Die Vorschrift konkretisiere aber jene Schranken, die für eine Übertragung rechtsetzender Gewalt an den Verordnunggeber bestehen. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gehöre daher zum Wesen des Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG müsse dies auch für die in Landesgesetzen enthaltenen Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen gelten.

In der Sache selbst genüge § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG zwar nach Inhalt und Zweck den Grundsätzen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Ausmaß der Ermächtigung sei indes zu unbestimmt. § 93 HRiG enthalte insbesondere keinen Hinweis auf die Gebührenhöhe. Hierzu würden auch Überlegungen zum Kostendeckungsprinzip und zum Äquivalenzprinzip nicht ausreichen.

III.

1.

Zur Vorlage hat sich für die Regierung des Landes Hessen der Hessische Ministerpräsident geäußert.

Der Ministerpräsident äußert Zweifel, ob die Vorlage zulässig sei. Er meint, das vorlegende Gericht habe über Aussetzung und Vorlage ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter entschieden.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG hält der Ministerpräsident für grundgesetzgemäß. Die Vorschrift verstoße weder gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG noch gegen einen aus dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitenden Grundsatz des Rechtsstaates. Art. 80 GG gelte nur für die Bundesgesetzgebung. Die Ansicht des vorlegenden Gerichts, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG binde über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG den Landesgesetzgeber, sei unzutreffend. Diese Auffassung verkenne den Sinn der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; sie überschätze die Bedeutung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Es komme nicht auf eine gleichförmige Übereinstimmung, sondern auf eine differenzierte Homogenität mit den Prinzipien des gewaltenteilenden Staatsaufbaus der Bundesverfassung an. Die Hessische Verfassung enthalte Verfassungsvorschriften, die dieser Forderung nach Gleichwertigkeit genügten.

Ergänzend geht der Ministerpräsident auf die Frage der Bestimmtheit des § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG ein.

2.

Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Hessischer Landtag haben von einer Äußerung abgesehen.

B.

I.

Die Vorlage ist zulässig.

1.

Das vorlegende Gericht war ordnungsgemäß besetzt. Das Verwaltungsgericht entscheidet in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 4 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das gilt auch für Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 1, 80; 16, 305 [306]; 19, 71 [72]; 21, 148 [149]; 29, 178 [179]).

An dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluß vom 26. November 1969 wirkten die beiden ehrenamtlichen Richter mit. Der Beschluß wurde im Anschluß an eine mündliche Verhandlung vor der auch mit zwei ehrenamtlichen Richtern besetzten Kammer des vorlegenden Gerichts gefaßt. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. November 1969 weist die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter an der Beratung der Sache aus.

2.

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, daß bei Ungültigkeit der Juristischen Ausbildungsordnung 1965 die streitige Prüfungsgebühr keine Rechtsgrundlage habe. Diese Auffassung ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar.

3.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) hat zunächst im Verfahren nach Art. 133 HV eine Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs eingeholt. Dies steht einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht entgegen (BVerfGE 17, 172 [179 f.]; 23, 353 [364 f.]).

II.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

1.

Die Gesetzgebungsbefugnis des Landes Hessen ist gegeben.

Der Bund besitzt auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens die konkurrierende Zuständigkeit (Art. 74 Nr. 1 GG). § 5 Deutsches Richtergesetz in seiner hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung vom 8. September 1961 (BGBl. I S. 1665) legt fest, daß die Befähigung zum Richteramt durch das Bestehen zweier Prüfungen erworben wird. Über das Prüfungsverfahren selbst enthält das Deutsche Richtergesetz keine näheren Bestimmungen. Insoweit hat der Bund die konkurrierende Zuständigkeit nicht in Anspruch genommen. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Länder (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG).

2.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG hält sich, wie der Hessische Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 1968 festgestellt hat, innerhalb der durch Art. 107 und 118 HV für den Verordnunggeber gezogenen Grenzen. Er verstößt ebensowenig wie die genannten hessischen Verfassungsvorschriften gegen das Prinzip der Gewaltenteilung, das nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG von den Ländern zu beachten ist. Dieses für die Länder verbindliche Verfassungsprinzip kann in der Landesverfassung in verschiedener Weise ausreichend konkretisiert werden. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ist eine Möglichkeit der Konkretisierung dieses Verfassungsprinzips; er gilt nur für den Bereich der Bundesgesetzgebung (BVerfGE 12, 319 [325]; 19, 253 [266]; 26, 228 [237]; 32, 346 [360 f.]). Art. 107 und 118 HV enthalten eine andere dem genannten Verfassungsprinzip genügende Konkretisierung, jedenfalls in der Auslegung, die ihnen der Hessische Staatsgerichtshof gegeben hat.

a) Die Teilung der Gewalten ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. Das Grundgesetz will die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus sich ergebende Mäßigung der Staatsherrschaft (vgl. BVerfGE 3, 225 [247]; 7, 183 [188]; 9, 268 [279 f.]). Das Prinzip der Gewaltenteilung ist für den Bereich des Bundes jedoch nicht rein verwirklicht. Es bestehen zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen. Nicht absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten ist dem Verfassungsaufbau des Grundgesetzes zu entnehmen (vgl. BVerfGE 7, 183 [188]; 9, 268 [279 f.]; 12, 180 [186]; 22, 106 [111]).

Kann somit der Sinn der Gewaltenteilung zwar nicht in einer scharfen Trennung der Funktionen der Staatsgewalt gesehen werden, so muß doch andererseits die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten bestehenbleiben. Keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten. Keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden (BVerfGE 9, 268 [279 f.]; 22, 106 [111]). Der Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar. Damit ist ausgeschlossen, daß eine der Gewalten die ihr von der Verfassung zugeschriebenen typischen Aufgaben preisgibt.

Für das Verhältnis von Legislative und Exekutive bedeutet dies: Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt die demokratische Legitimation zur politischen Leitentscheidung. Zwar billigt das Grundgesetz - wie Art. 80 GG verdeutlicht - auch eine "abgeleitete" Normsetzung der Exekutive. Die Rechtsetzung der Exekutive kann sich aber nur in einem beschränkten vom Gesetzgeber vorgezeichneten Rahmen vollziehen (vgl. Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Aufl. 1967, S. 221). Das Parlament darf sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entziehen, daß es einen Teil seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne dabei genau die Grenzen dieser übertragenen Kompetenzen bedacht und bestimmt zu haben (BVerfGE 1, 14 [60]). Genügt die Legislative dem nicht, so wird die vom Grundgesetz vorausgesetzte Gewaltenbalancierung im Bereich der Normsetzung einseitig verschoben. Eine pauschale Übertragung normsetzender Gewalt auf die Exekutive ist mit dem Prinzip der Gewaltenteilung unvereinbar.

b) All dies ergibt sich auch aus dem Rechtsstaatsprinzip, insofern es verlangt, daß für den Bürger hinreichend berechenbar gemacht wird, was Inhalt einer auf eine gesetzliche Ermächtigung gestützten Verordnung sein kann.

Soweit der Exekutive die Befugnis zur Normsetzung übertragen ist, muß sich der Inhalt der verordnungsrechtlichen Norm an dem Willen des Gesetzgebers orientieren und auch orientieren können. Dieser Wille muß im Gesetz seinen Ausdruck gefunden haben. Es muß entscheidbar sein, ob die Exekutive als Verordnunggeber sich innerhalb der gesetzten Grenzen gehalten hat. Wird der Inhalt der Verordnung vom gesetzgeberischen Willen nicht umfaßt, so hat der Verordnunggeber die ihm von der Ermächtigung gezogene Grenze überschritten. Eine solche Verordnung ist mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Dies zu entscheiden, gehört im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG allerdings nicht in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Sehr wohl gehört aber zur Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts, ob die gesetzliche Ermächtigung den dargelegten Grundsätzen entspricht.

c) § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG überschreitet nicht die durch das Prinzip der Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen gesetzten Grenzen; der Gesetzgeber hat sich hier der ihm obliegenden und unveräußerlichen Pflicht und Verantwortung nicht begeben. Der grundsätzliche Vorrang des gesetzgeberischen Willens ist beachtet. Dieser Wille, an dem sich der Verordnunggeber soll orientieren können, ist deutlich erkennbar. Dem Verordnunggeber ist in § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG nur eine ergänzende Normsetzung aufgetragen.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG enthält keine inhaltsleere Ermächtigung. Als Gegenstand der zu erlassenden Rechtsverordnung der Landesregierung ist die "juristische Ausbildung" bezeichnet. Das Deutsche Richtergesetz und das Hessische Richtergesetz stellen dem Verordnunggeber einen ersten Rahmen bereit. Der hessische Gesetzgeber hebt das Prüfungsverfahren besonders hervor. Er ordnet zudem nicht erstmals den zu regelnden Sachbereich. Die Ermächtigungsgrundlage knüpft für die juristische Ausbildung selbst an den Normenbestand der Ausbildungsordnung vom 27. November 1957 an. Bezieht sich eine Ermächtigung auf einen Sachbereich, der bereits durch eine Verordnung geregelt war, so macht der Gesetzgeber dadurch deutlich, daß die vom Verordnunggeber zu treffende Einzelregelung sich an den bisherigen Grundsätzen orientieren soll. Der Gesetzgeber schließt zwar eine Änderung nicht aus; er erwartet vom Verordnunggeber aber, daß dieser die einmal getroffene Konzeption der früheren Verordnung nicht ohne Grund verlassen wird. § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG ist mithin nicht so weit gefaßt, daß es der Exekutive unmöglich ist, das gesetzgeberische Konzept sinnvoll nachzuvollziehen.

Das Erheben von Gebühren für eine besondere Leistung der Verwaltung gehört zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit. Kostendeckungsprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip sind richtungweisende Korrektive für den Verordnunggeber. Der Gesetzgeber darf davon ausgehen, daß der Verordnunggeber diese Prinzipien beachtet. In Anbetracht dessen werden die prinzipielle Trennung der Gewalten und die Eigenständigkeit der Legislative gegenüber der normsetzenden Exekutive nicht dadurch in Frage gestellt, daß § 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG einen ziffernmäßig bestimmten Gebührenrahmen nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. BVerfGE 20, 257 [269]). Die in der Verordnung festgesetzte Gebühr hält sich offensichtlich innerhalb der dargestellten allgemeinen Grenzen.

§ 93 Abs. 2 Satz 1 HRiG vom 19. Oktober 1962 ist also mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er zur Regelung von Prüfungsgebühren ermächtigt.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.

Seuffert v. Schlabrendorff Geiger Hirsch Rinck Rottmann