Art. 28 GG

BVerfG, 22.07.1969 - 2 BvK 1/67

Zu den Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG für die Länder verbindlichen Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des GG gehört nicht das Prinzip des Art. 69 Abs. 2 GG, wonach das Amt des Regierungschefs in jedem Fall mit dem Zusammentritt eines neuen Parlaments endet.

BVerfG, 24.06.1969 - 2 BvR 446/1964

1. Der Begriff "Gesetz" in § 91 Satz 1 BVerfGG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG umfaßt nicht nur Gesetze im formellen Sinn, sondern auch Rechtsverordnungen.
2. Der Begriff "Gesetze" in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfaßt nicht nur Gesetze im förmlichen Sinn, sondern auch Rechtsverordnungen, die auf einer dem Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechenden Ermächtigung beruhen.
3. Der zwangsweise Anschluß einer Gemeinde an einen Schulzweckverband ist mit der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) vereinbar.

BVerfG, 29.04.1958 - 2 BvL 25/56

1. Der durch Art. 28 Abs. 2 GG auch gegenüber dem Gesetzgeber geschützte Wesensgehalt der Selbstverwaltung wird nicht dadurch angetastet, daß der Staat sich Rechtsentscheidungen über Angelegenheiten der Kommunalbeamten in gewissem Umfang vorbehält.
2. Ein Landesgesetz verstößt dann nicht gegen §§ 63, 23 Abs. 2 G 131, wenn solche staatliche Behörden als "oberste Dienstbehörden" bestimmt werden, die herkömmlich auch in anderen Fällen über personalrechtliche Fragen der Kommunalbeamten entscheiden.

BVerfG, 24.05.1995 - 2 BvF 1/92

1. Als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar (BVerfGE 83, 60 <73>). Es kommt nicht darauf an, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft. Will der Gesetzgeber die Beschäftigten an Entscheidungen über innerdienstliche Maßnahmen mit Rücksicht auf deren spezifische Interessen als Dienst- und Arbeitnehmer beteiligen, so sind ihm durch das Erfordernis hinreichender demokratischer Legitimation Grenzen gesetzt.
2. In welcher Art und in welchen Fällen die Mitbestimmung oder eine andere Form der Beteiligung der Personalvertretung verfassungsrechtlich zulässig ist, ist unter Würdigung der Bedeutung der beteiligungspflichtigen Maßnahmen sowohl für die Arbeitssituation der Beschäftigten und deren Dienstverhältnis als auch für die Erfüllung des Amtsauftrags zu bestimmen: Die Mitbestimmung darf sich einerseits nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur so weit gehen, als die spezifischen in dem Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen (Schutzzweckgrenze). Andererseits verlangt das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrags jedenfalls, daß die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (Verantwortungsgrenze).

BVerwG, 28.11.1963 - I C 74.61

Eine Landschaftsschutzverordnung, die den räumlichen Geltungsbereich ihres Veränderungsverbotes nicht in ihrem verkündeten Text bestimmt, sondern insoweit nur auf die Eintragungen in eine nicht veröffentlichte Karte verweist, verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip.

BVerfG, 21.05.1968 - 2 BvL 2/61

Zur Frage der Vereinbarkeit der sog. Vorbelastungsregelung in § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Hessen vom 27. März 1958 (GVBl. S. 43) mit Art. 28 Abs. 2 GG.

BVerfG, 18.07.1967 - 2 BvF 3/62; 2 BvF 4/62; 2 BvF 5/62; 2 BvF 6/62; 2 BvF 7/62; 2 BvF 8/62; 2 BvR 139/62; 2 BvR 140/62; 2 BvR 334/62; 2 BvR 335/62

1. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Es besagt jedoch nicht, daß der Gesetzgeber für die Verwirklichung dieses Zieles nur behördliche Maßnahmen vorsehen darf; es steht ihm frei, dafür auch die Mithilfe privater Wohlfahrtsorganisationen vorzusehen.
2. Der Bund kann nach Art. 84 Abs. 1 GG im Rahmen seiner materiellen Gesetzgebungszuständigkeit die Einrichtung und das Verfahren kommunaler Behörden regeln, sofern dies für die Gewährleistung eines wirksamen Gesetzesvollzugs notwendig ist.
3. Eine vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Vorschrift, die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt, muß den Erfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen, wenn das materielle Recht, zu dessen Durchführung die zu erlassenden Verordnungen dienen sollen, nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wesentlich geändert worden ist.
4. Die Wahrnehmung von Förderungsaufgaben durch den Bund fällt unter Art. 30, 83 GG. Sie ist, sofern dem Bund dafür vom Grundgesetz nicht ausdrücklich eine Verwaltungszuständigkeit eingeräumt ist, nur bei Aufgaben eindeutig überregionalen Charakters zulässig.
5. Die zwangsweise Anstalts- oder Heimunterbringung eines Erwachsenen, die weder dem Schutz der Allgemeinheit noch dem Schutz des Betroffenen selbst, sondern ausschließlich seiner "Besserung" dient, ist verfassungswidrig.

BVerfG, 26.11.1963 - 2 BvL 12/62

1. Der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG steht nicht entgegen, daß das vorlegende Gericht zuvor die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts darüber eingeholt hat, ob eine landesgesetzliche Norm mit einer Vorschrift der Landesverfassung vereinbar ist, die einer Bestimmung des Grundgesetzes entspricht.
2. Gesetzliche Regelungen, die die Personalhoheit der Gemeinden dadurch beeinträchtigen, daß sie die Gemeinden zur Übernahme von Bediensteten verpflichten, lassen den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung unangetastet und sind mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, wenn die Übernahmepflicht sich beschränkt auf Bedienstete, die Aufgaben wahrgenommen haben, die auf die Gemeinden übergegangen sind.

BVerfG, 30.05.1961 - 2 BvR 366/60

Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG schreibt zwingend vor, daß jeder Wahlberechtigte seine Stimme bei der Wahl soll abgeben können. Diesem Gebot ist nicht Genüge getan, wenn das Wahlergebnis durch die Aufstellung und Duldung entsprechender Wahlvorschläge vorweggenommen werden kann (sogenannte Friedenswahlen). Die Möglichkeit, die Wahlhandlung selbst, durch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge erzwingen zu können, ist kein Ersatz für die verfassungsrechtlich garantierte Ausübung des Stimmrechts.