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Art. 28 GG - Landesverfassungen, Selbstverwaltung der Gemeinden (Kommentar)

(1) ¹Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. ²In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. ³Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. ⁴In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) ¹Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. ²Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. ³Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

1. Allgemeines

Art. 28 GG regelt die verfassungsmäßige Ordnung der Länder, Kreise und Gemeinden. Der Artikel stellt eine der Säulen des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland dar und sichert die verfassungsrechtlichen Mindeststandards in den Ländern sowie die Einheitlichkeit der demokratischen Ordnung innerhalb des föderalen Systems. Art. 28 GG gilt als sog. Homogenitätsklausel, da er die gleiche Beschaffenheit der deutschen Staatsstruktur auf der Grundlage demokratischer, republikanischer und sozialer Rechtsstaatsprinzipien sicherstellt.

2. Zu den Absätzen des Art. 28 GG

2.1. Art. 28 Abs. 1 GG: Verfassungsmäßige Ordnung und kommunale Selbstverwaltung

2.1.1. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG: Demokratische Grundsätze der Verfassungsordnung der Länder

Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats entsprechen muss. Dieser Satz bezieht sich auf die grundlegenden Staatsstrukturprinzipien, wie sie in Art. 20 GG niedergelegt sind. Die Länder genießen zwar Autonomie in der Ausgestaltung ihrer Verfassungen, müssen aber diese Mindeststandards einhalten, die als unantastbar für die Bundesrepublik Deutschland gelten. Damit stellt Art. 28 Abs. 1 GG sicher, dass es innerhalb des Bundes keine unterschiedlichen, widersprüchlichen Staatsformen gibt, was für die Einheitlichkeit des Bundes entscheidend ist.

Die Landesverfassungen dürfen diese Prinzipien nicht unterlaufen oder beschränken. Das Prinzip der Homogenität hat erhebliche praktische Auswirkungen auf die Verfassungen und Verwaltungspraxis der Länder. So müssen z. B. auch die Verfassungsorgane der Länder demokratisch legitimiert sein und den Grundsatz der Gewaltenteilung respektieren.

2.1.1.1. Republikanisches Prinzip

Das republikanische Prinzip ist im Gegensatz zur Monarchie ein Grundsatz, der die Regierungsform als Sache der gesamten Bürgerschaft versteht. Alle deutschen Bundesländer sind daher verpflichtet, sich als republikanische Staaten zu organisieren. Dies schließt aus, dass ein Land eine Monarchie oder eine andere Regierungsform einführt, die der Republikidee widerspricht. Die Ausprägung dieses Grundsatzes findet sich sowohl in der Unzulässigkeit der Wiedereinführung von monarchischen Strukturen als auch in der Notwendigkeit, dass alle Staatsorgane ihre Legitimation aus dem Volk ableiten.

2.1.1.2. Demokratisches Prinzip

Das demokratische Prinzip verlangt, dass alle wesentlichen Entscheidungen durch das Volk oder durch von ihm gewählte Vertreter getroffen werden. Es sichert damit die Volkssouveränität und garantiert, dass das Volk die oberste Quelle der Staatsgewalt ist. Dies bedeutet, dass sowohl die Gesetzgebung als auch die Exekutive und Judikative in den Ländern nach demokratischen Prinzipien organisiert sein müssen. Die Verfassungen der Länder müssen also sicherstellen, dass Macht nur durch Wahlen oder durch Wahlen legitimierte Organe ausgeübt wird.

2.1.1.3. Sozialstaatsprinzip

Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet die Länder dazu, eine sozial gerechte Ordnung zu gewährleisten. Dies schließt Maßnahmen zur Absicherung und Förderung sozial Schwächerer ein, sowie die Verpflichtung, ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit und sozialem Ausgleich zu gewährleisten. Die Länder haben hierbei Gestaltungsspielräume, müssen aber in ihren Verfassungen und Gesetzen sicherstellen, dass diese Grundsätze eingehalten werden.

2.1.2. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG: Demokratische Legitimation auf kommunaler Ebene

Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG müssen die Kreise und Gemeinden Vertretungskörperschaften haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen sind. Dies stellt sicher, dass die Prinzipien der repräsentativen Demokratie auch auf kommunaler Ebene zur Anwendung kommen. Damit wird die durchgängige demokratische Legitimation aller öffentlichen Gewalt im föderalen Staatsgefüge sichergestellt.

Die Formulierung „aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen“ entspricht den Wahlrechtsgrundsätzen aus Art. 38 Abs. 1 GG. Diese Anforderungen an die Wahl sind unverzichtbar und bedeuten, dass die Wahlen frei von staatlichem Druck und unabhängig sind und dass alle Wahlberechtigten gleichen Einfluss haben müssen.

2.1.2.1. Allgemeinheit der Wahl

Die Allgemeinheit der Wahl bedeutet, dass grundsätzlich alle deutschen Staatsbürger, die das Wahlrecht besitzen, wählen dürfen. Einschränkungen sind nur in verfassungsrechtlich gerechtfertigten Fällen zulässig, etwa bei Verlust des Wahlrechts aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung.

2.1.2.2. Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl

Die Unmittelbarkeit der Wahl stellt sicher, dass die Wähler ihre Vertreter direkt wählen und nicht durch Wahlmänner oder ein anderes Zwischensystem. Die Freiheit der Wahl garantiert, dass die Wähler ihr Wahlrecht ohne unzulässigen Einfluss von außen und ohne Zwang ausüben können.

2.1.2.3. Gleichheit und Geheimheit der Wahl

Die Gleichheit der Wahl bedeutet, dass jede Stimme den gleichen Zählwert und den gleichen Erfolgswert haben muss. Das Prinzip der geheimen Wahl schützt die Wähler davor, für ihre Wahlentscheidung Repressalien befürchten zu müssen.

2.1.3. Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG: Gemeindeverwaltung und gewählte Körperschaften

Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG verpflichtet die Gemeinden, ihre Verwaltung durch eine gewählte Körperschaft führen zu lassen. Hierdurch wird eine demokratische Legitimation der Verwaltungstätigkeit in den Gemeinden sichergestellt. Dies bedeutet, dass auch die Exekutive einer demokratischen Kontrolle unterliegt und nicht durch nicht demokratisch legitimierte Stellen ausgeübt werden darf.

2.2. Art. 28 Abs. 2 GG: Gewährleistungspflicht der Länder

2.2.1. Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

Kerngehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Dies umfasst das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dieser Regelungskern wird auch als kommunales Selbstverwaltungsrecht bezeichnet – es ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Kommunalverfassungsrechts. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung umfasst sowohl eine institutionelle Garantie, d. h. den Bestand der Kommunen, als auch eine funktionale Garantie, die die inhaltliche Ausgestaltung der Aufgaben der Gemeinden betrifft.

Art. 28 Abs. 2 GG legt ferner fest, dass die Länder die verfassungsmäßige Ordnung ihrer Gemeinden zu gewährleisten haben. Diese Norm etabliert eine umfassende Aufsichtspflicht der Länder über ihre Gemeinden. Die Länder müssen sicherstellen, dass die Gemeinden ihre Aufgaben im Einklang mit der Verfassung und den gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Diese Gewährleistungspflicht kann sich in verschiedenen Aufsichtsinstrumenten manifestieren, von der allgemeinen Rechtsaufsicht bis hin zu konkreten Eingriffsmöglichkeiten in die Verwaltungspraxis der Gemeinden.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Aufsicht der Länder nicht die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden unterlaufen darf. Die Länder müssen stets die Balance zwischen ihrer Aufsichtspflicht und dem Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung wahren. Nur in Fällen schwerwiegender Rechtsverstöße oder bei Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sind Eingriffe der Länder in die Selbstverwaltung der Gemeinden gerechtfertigt.

2.2.1.1. Inhalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie

Die kommunale Selbstverwaltung umfasst eine Vielzahl von Aufgabenbereichen, die vom Bauwesen über die Kulturpflege bis hin zur Daseinsvorsorge reichen. Diese Selbstverwaltung ist in ihrer inhaltlichen Reichweite darauf angelegt, den Gemeinden eine umfassende Entscheidungs- und Handlungskompetenz zu gewähren.

2.2.1.2. Einschränkungen durch die Gesetze

Die Autonomie der Gemeinden wird durch die Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ beschränkt. Dies bedeutet, dass die Gemeinden zwar weitgehend eigenständig handeln können, jedoch immer im Einklang mit den geltenden Bundes- und Landesgesetzen stehen müssen. Dabei haben die Länder durch ihre Gesetzgebungskompetenz einen wesentlichen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung.

2.2.1.3. Selbstverwaltung der Gemeindeverbände

Die Selbstverwaltungsgarantie erstreckt sich auch auf die Gemeindeverbände, wie etwa Landkreise. Diese haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs ebenfalls ein Recht auf Selbstverwaltung, das jedoch im Gegensatz zu den Gemeinden nicht unmittelbar, sondern abgeleitet von den Gemeinden erfolgt.

2.2.2. Finanzielle Grundlage der Selbstverwaltung

Das Finanzverfassungsrecht ist ein wichtiger Teil der Selbstverwaltungsgarantie, denn Selbstverwaltung kann nur dort effektiv sein, wo die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Art. 28 Abs. 2 GG umfasst daher auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung der Gemeinden, was durch die Zuweisung entsprechender Finanzmittel an die Gemeinden und Gemeindeverbände sichergestellt werden muss.

2.3. Art. 28 Abs. 3 GG: Gewährleistungspflicht des Bundes

Art. 28 Abs. 3 GG räumt dem Bund eine eigene Gewährleistungsbefugnis ein, um sicherzustellen, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des Abs. 1 entspricht. Diese Gewährleistungspflicht des Bundes ergänzt die föderale Struktur und dient dazu, die Einheitlichkeit der verfassungsmäßigen Grundsätze in der Bundesrepublik zu bewahren. Der Bund kann hierbei auch gegen die Länder vorgehen, wenn diese gegen die grundlegenden Prinzipien verstoßen.

In der Praxis bedeutet dies, dass der Bund notfalls das Bundesverfassungsgericht anrufen kann, um die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze durch die Länder zu erzwingen. In besonders gravierenden Fällen kann der Bund gemäß Art. 37 GG den „Bundeszwang“ anwenden, der eine unmittelbare Bundesaufsicht über ein Land ermöglicht. Die Regelung in Art. 28 Abs. 3 GG ist daher Ausdruck eines föderalen Sicherungssystems, das die Verbindlichkeit der Grundsatznormen des GG durchsetzbar macht.

3. Rechtsprechung zum Art. 28 GG

Zur höchstrichterliche Rechtsprechung zu Art. 28 GG.

4. Zusammenfassung

Art. 28 GG bildet eine zentrale Grundlage für die föderale Ordnung und das demokratische Verständnis der Bundesrepublik Deutschland. Die Vorschrift garantiert nicht nur eine einheitliche demokratische Ordnung auf Landes- und Kommunalebene, sondern auch die Autonomie der Gemeinden und Kreise. Durch die Einhaltung der im Art. 28 GG formulierten Grundsätze wird sichergestellt, dass die föderale Struktur Deutschlands in einem demokratischen, sozialen und rechtsstaatlichen Rahmen funktioniert. Damit schützt Art. 28 GG sowohl die Vielfalt als auch die Einheit des deutschen Staatswesens und ist unverzichtbar für das Funktionieren der föderalen Demokratie in Deutschland.