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EuGH, 09.07.1991 - C-146/89

Daten
Fall: 
Kommission / Vereinigtes Königreich
Fundstellen: 
EuGH Slg. 1991, I-3533
Gericht: 
Europäischer Gerichtshof
Datum: 
09.07.1991
Aktenzeichen: 
C-146/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Änderung der Basislinien des Küstenmeeres - Folgen für die Tätigkeit der Fischer anderer Mitgliedstaaten.

Leitsätze

1. Die Verordnung Nr. 170/83 ist Ausdruck eines sorgfältig hergestellten Gleichgewichts zwischen dem System des ausschließlichen Zugangs der Fischer der Küstenstaaten zu den Küstengewässern, das die Verordnung abweichend vom Grundsatz des gleichen Zugangs verlängert und in den innerhalb der Zwölfmeilenzone liegenden Gebieten zu verallgemeinern gestattet, einerseits und dem Schutz bestimmter Tätigkeiten der Fischer anderer Mitgliedstaaten in den in Anhang I der Verordnung angegebenen Gebieten andererseits. Dieses Gleichgewicht, das sich aus Artikel 6 ergibt, würde in Frage gestellt, wenn die Gebiete, in denen die dort definierten und gestatteten Fangtätigkeiten ausgeuebt werden, verschoben würden und Räume in sie einbezogen würden, die durch ganz andere Fanggründe, natürliche Bedingungen und Verkehrsaufkommen gekennzeichnet sind. Die Tragweite des Anhangs I der Verordnung kann somit nicht durch das einseitige Tätigwerden eines Mitgliedstaats in Form der Verschiebung seiner Basislinien geändert werden.

Deshalb sind die Bestimmungen des Artikels 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 dahin auszulegen, daß sie sich auf die Basislinien beziehen, wie sie am 25. Januar 1983, dem Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung, bestanden haben. Dies verbietet es einem Mitgliedstaat, in bestimmten Gebieten für die Fischereimodalitäten, die für seine Küstengewässer in den genannten Bestimmungen festgelegt sind, neue Basislinien anzuwenden, die weiter von seinen Küsten entfernt sind als die, die zu diesem Zeitpunkt bestanden haben.

2. Ein Mitgliedstaat kann die Nichterfuellung der ihm nach dem EWG-Vertrag obliegenden Verpflichtungen nicht damit rechtfertigen, daß andere Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen nicht erfuellt hätten und weiterhin nicht erfuellten. Denn in der durch den Vertrag geschaffenen Rechtsordnung kann die Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten nicht von einer Gegenseitigkeitsvoraussetzung abhängig gemacht werden, da die Artikel 169 und 170 EWG-Vertrag die geeigneten Klagemöglichkeiten vorsehen, um den Verletzungen der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten entgegenzutreten.

3. Das vorbildliche Verhalten eines Mitgliedstaats, der, nachdem er Vorschriften erlassen hatte, die von der Kommission und anderen Mitgliedstaaten beanstandet wurden und deren Erlaß schließlich vom Gerichtshof in einem Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag als Vertragsverletzung angesehen worden ist, die Anwendung dieser Vorschriften ausgesetzt hat, ohne daß beim Gerichtshof der Erlaß einstweiliger Anordnungen beantragt zu werden brauchte, bildet einen aussergewöhnlichen Grund im Sinne des Artikels 69 § 3 der Verfahrensordnung, der es rechtfertigt, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Entscheidungsgründe

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 24. April 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, nach Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem es in bestimmten Gebieten für die Fischereimodalitäten, die für seine Küstengewässer in Artikel 6 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 170/83 des Rates vom 25. Januar 1983 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen (ABl. L 24, S. 1) festgelegt sind, neue Basislinien anwendet, die weiter von den Küsten entfernt sind als die, die am 25. Januar 1983 bestanden haben.

2 Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, wie sie insbesondere in den Artikeln 3, 4 und 11 des am 29. April 1958 in Genf unterzeichneten Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone (United Nations Treaty Series, Bd. 516, S. 205; im folgenden: Übereinkommen über das Küstenmeer) sowie in den Artikeln 5, 7 und 13 des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichneten Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UN Doc A/CONF 62/122, mit Berichtigungen; Tractatenblad van het Koninkrijk der Nederlanden, 1983, Nr. 83; im folgenden: Seerechtsübereinkommen) kodifiziert sind, ist die normale Basislinie für die Messung der Breite des Küstenmeeres die Niedrigwasserlinie entlang der Küste, wie sie in vom Küstenstaat amtlich anerkannten Seekarten grossen Maßstabs eingetragen ist (Artikel 3 des Übereinkommens über das Küstenmeer und Artikel 5 des Seerechtsübereinkommens).

3 Wo die Küste tiefe Einbuchtungen und Einschnitte aufweist oder wo sich entlang der Küste in deren unmittelbarer Nähe eine Inselkette erstreckt, kann zur Festlegung der Basislinie, von der aus die Breite des Küstenmeeres gemessen wird, das Verfahren der geraden Basislinien angewandt werden, die geeignete Punkte miteinander verbinden. Der Verlauf der geraden Basislinien darf nicht erheblich von der allgemeinen Richtung der Küste abweichen, und die innerhalb dieser Linien gelegenen Meeresteile müssen mit dem Landgebiet genügend eng verbunden sein, um sie den Rechtsvorschriften über die inneren Gewässer unterwerfen zu können. Trockenfallende Erhebungen, das heisst natürlich entstandenes Land, das bei Ebbe von Wasser umgeben ist und über den Wasserspiegel hinausragt, jedoch bei Flut überspült wird, dürfen nicht Ausgangs- oder Endpunkt der geraden Basislinien sein, sofern nicht Leuchttürme oder ähnliche ständig über den Wasserspiegel hinausragende Anlagen auf ihnen errichtet sind (Artikel 4 Absätze 1 bis 3 des Übereinkommens über das Küstenmeer und Artikel 7 Absätze 1, 3 und 4 des Seerechtsübereinkommens).

4 Ist eine trockenfallende Erhebung ganz oder teilweise um nicht mehr als die Breite des Küstenmeeres vom Festland oder einer Insel entfernt, so kann die Niedrigwasserlinie dieser Erhebung als Basislinie zur Messung der Breite des Küstenmeeres verwendet werden. Ist die gesamte trockenfallende Erhebung um mehr als die Breite des Küstenmeeres vom Festland oder einer Insel entfernt, so hat die Erhebung kein eigenes Küstenmeer (Artikel 11 des Übereinkommens über das Küstenmeer und Artikel 13 des Seerechtsübereinkommens).

5 Vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zu den Gemeinschaften bestimmte sich das Verhältnis zwischen diesem Staat und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Fischereisektor insbesondere nach dem am 9. März 1964 in London unterzeichneten Fischerei-Übereinkommen (United Nations Treaty Series, Bd. 581, S. 76; im folgenden: Londoner Übereinkommen). Nach Artikel 2 dieses Übereinkommens hat der Küstenstaat innerhalb der von der Basislinie seines Küstenmeeres aus gemessenen Sechsmeilenzone das ausschließliche Recht zu fischen und die ausschließliche Hoheitsgewalt in Fischereiangelegenheiten. Nach Artikel 3 des Übereinkommens darf innerhalb der Zone zwischen der sechsten und der zwölften Meile das Recht zu fischen nur vom Küstenstaat und von denjenigen anderen Vertragsparteien ausgeuebt werden, deren Fischereifahrzeuge dort gewohnheitsmässig zwischen dem 1. Januar 1953 und dem 31. Dezember 1962 gefischt haben.

6 Was das Gemeinschaftsrecht angeht, so bestimmte Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2141/70 des Rates vom 20. Oktober 1970 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft (ABl. L 236, S. 1), daß die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten für die Ausübung der Fischerei in den ihrer Oberhoheit oder ihrer Gerichtsbarkeit unterliegenden Meeresgewässern zu keiner unterschiedlichen Behandlung anderer Mitgliedstaaten führen dürfen. Die Mitgliedstaaten waren insbesondere verpflichtet, allen die Flagge eines Mitgliedstaats führenden und im Bereich der Gemeinschaft registrierten Fischereifahrzeugen gleichen Zugang zu den Fanggründen und zur Fischerei in diesen Gewässern zu gewähren.

7 Artikel 100 der Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassung der Verträge, beigefügt dem Vertrag über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 1972, L 73, S. 14; im folgenden: Beitrittsakte), ermächtigte die Mitgliedstaaten, abweichend von Artikel 2 der Verordnung Nr. 2141/70 bis zum 31. Dezember 1982 in den ihrer Hoheitsgewalt oder ihrer Gerichtsbarkeit unterliegenden Gewässern innerhalb einer Zone von sechs Seemeilen, die von den Basislinien des an der Küste gelegenen Mitgliedstaats aus berechnet wurde, die Ausübung des Fischfangs nur solchen Schiffen zu gestatten, die herkömmlicherweise von den Häfen der betreffenden Küste aus in diesen Gewässern Fischfang trieben (Absatz 1 Unterabsatz 1). Es wurde bestimmt, daß diese Vorschrift die zum Zeitpunkt des Beitritts geltenden günstigeren Regelungen unberührt ließ (Absatz 1 Unterabsatz 2) und daß, wenn ein Mitgliedstaat seine Fischereigrenzen in bestimmten Gebieten auf zwölf Seemeilen erweiterte, die innerhalb der zwölf Seemeilen bestehende Ausübung des Fischfangs keine Verschlechterung gegenüber der am 31. Januar 1971 bestehenden Lage erleiden durfte (Absatz 3).

8 In der Folgezeit trat an die Stelle der Verordnung Nr. 2141/70 die Verordnung (EWG) Nr. 101/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft (ABl. L 20, S. 19), die in Artikel 2 Bestimmungen enthält, die mit den vorgenannten Bestimmungen der Verordnung Nr. 2141/70 übereinstimmen. Jedoch wird in der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 101/76 darauf hingewiesen, daß bei der Anwendung dieser Verordnung den Abweichungen, die insbesondere in Artikel 100 der Beitrittsakte vorgesehen sind, Rechnung zu tragen ist.

9 Nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 170/83 des Rates dürfen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1992 die Regelung des Artikels 100 der Beitrittsakte beibehalten und die im gleichen Artikel vorgesehene Grenze von sechs Seemeilen generell bis zu zwölf Seemeilen ausdehnen. Die von dieser Regelung umfassten Fangtätigkeiten unterliegen jedoch den Modalitäten des Anhangs I, der für jeden Mitgliedstaat das geographische Gebiet der Küstenstreifen der übrigen Mitgliedstaaten, wo diese Tätigkeiten ausgeuebt werden, und die Arten festlegt, auf die sie sich erstrecken.

10 Hinsichtlich der Küstengewässer des Vereinigten Königreichs nennt Anhang I eine Reihe von Gebieten zwischen der Sechs- und der Zwölfseemeilenlinie, in denen Frankreich, Irland, die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande und Belgien bestimmte Fangtätigkeiten ausüben können.

11 Das Vereinigte Königreich hatte zum Zeitpunkt seines Beitritts zu den Gemeinschaften ein Küstenmeer von drei Seemeilen und beanspruchte gemäß den Bestimmungen des Londoner Übereinkommens eine ausschließliche Fischereizone von zwölf Seemeilen, vorbehaltlich der herkömmlichen Fischereirechte anderer Staaten. Die Breite seines Küstenmeeres wurde durch Section 1 (1) des Territorial Sea Act (Gesetz über das Küstenmeer) 1987 auf zwölf Seemeilen ausgedehnt. In diesem Gesetz heisst es, daß die Basislinien, von denen aus das Küstenmeer gemessen wird, durch Order in Council (Regierungsverordnung) festgelegt werden. Sektion 1 (4) verweist dazu auf die Territorial Waters Order in Council (Regierungsverordnung über das Küstenmeer) 1964 in der geänderten Fassung; Section 1 (5) bestimmt dagegen, daß immer dann, wenn diese Rechtsakte auf das an das Vereinigte Königreich grenzende Küstenmeer verweisen, diese Verweisung im Einklang mit Section 1 des Territorial Sea Act 1987 auszulegen ist.

12 Nach der Territorial Waters Order in Council 1964 ist die im allgemeinen für die Messung der Breite des Küstenmeeres zu berücksichtigende Basislinie die Niedrigwasserlinie entlang der Küste einschließlich der Küste von Inseln. Insoweit sind trockenfallende Erhebungen, die definiert werden als natürlich entstandene trockenfallende Landzonen, die von Wasser umgeben sind und sich bei mittlerer Flut unter Wasser befinden, als Inseln anzusehen, sofern sie ganz oder teilweise innerhalb des Küstenmeeres liegen, wie es ungeachtet dieser Erhebungen gemessen würde.

13 Die Fishing Boats (European Economic Community) Designation Order (Verordnung über die Bezeichnung der Fischereifahrzeuge - Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) 1983, die die Gebiete innerhalb der Fischereigrenzen des Vereinigten Königreichs angibt, in denen Fischer anderer Mitgliedstaaten Fangtätigkeiten ausüben können, enthält die gleiche Liste der zwischen sechs und zwölf Seemeilen von den Basislinien aus liegenden Gebiete wie Anhang I der Verordnung Nr. 170/83. Es wird ausdrücklich bestimmt, daß die zu berücksichtigenden Basislinien die gemäß der Territorial Waters Order in Council 1964 festgelegten Basislinien sind.

14 Die Regierung des Vereinigten Königreichs informierte die Fischereibehörden der betroffenen Mitgliedstaaten sowie die Kommission mit Schreiben vom 1. Oktober 1987 über das Inkrafttreten des Territorial Sea Act am selben Tag. Sie wies insbesondere darauf hin, daß nach der Ausdehnung des Küstenmeeres bestimmte trockenfallende Erhebungen, die sich innerhalb der Grenze von zwölf Seemeilen befänden, nunmehr Basispunkte bildeten, von denen aus die Basislinien des Küstenmeeres gezogen würden und von denen aus auch die Sechs- und Zwölfmeilenfischereizonen gemessen würden. Die neuen Grenzen waren auf Seekarten angegeben, die den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten übersandt wurden, wobei sie gebeten wurden, diese Karten an diejenigen Fischerorganisationen weiterzuleiten, die von diesen Änderungen betroffen sein könnten. Ausserdem wurde angekündigt, daß der Fischereischutzdienst alle Fahrzeuge, die innerhalb der neuen Grenzen fischten, während eines Gewöhnungszeitraums von zwei bis drei Monaten auf die geänderte Situation aufmerksam machen werde, daß aber jedes Schiff, das weiterhin rechtswidrig fische, zum Zweck der Strafverfolgung angehalten werden könne.

15 Aufgrund von Protesten der Fischer und Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten ersuchte die Kommission das Vereinigte Königreich am 27. Oktober 1987, bis zu einer genauen Prüfung der Situation die neuen Rechtsvorschriften nicht auf solche Fischereifahrzeuge der Mitgliedstaaten anzuwenden, die in Gebieten fischten, in denen dies nach dem Gemeinschaftsrecht gestattet sei. Nachdem Diskussionen zwischen dem Vereinigten Königreich, Belgien, Frankreich und der Kommission stattgefunden hatten, teilte die Regierung des Vereinigten Königreichs am 8. Dezember 1987 mit, daß sie die zuständigen Fischereibehörden angewiesen habe, keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Streit verschärfen könnten.

16 Mit Schreiben vom 11. Dezember 1987 ersuchte die Kommission die Regierung des Vereinigten Königreichs gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag, sich zu äussern. Die Regierung bestritt in ihrer Antwort vom 7. Januar 1988, die sie durch Schreiben vom 11. und 19. Januar erläuterte und berichtigte, die Ausführungen der Kommission und wies deren Beanstandungen zurück. Am 9. Juni 1988 gab die Kommission die mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag ab. Mit Schreiben vom 29. Juli und 8. August 1988 teilte die Regierung mit, sie sei nicht in der Lage, die mit Gründen versehene Stellungnahme zu akzeptieren und ihr nachzukommen.

17 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrens und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

18 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission die Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen des Vereinigten Königreichs mit den Regeln des Völkerrechts über die Abgrenzung des Küstenmeeres und den Verlauf der Basislinien nicht bestreitet.

19 Sodann ist festzustellen, daß die Parteien im wesentlichen über die Auslegung der Bestimmungen des Artikels 6 in Verbindung mit denen des Anhangs I der Verordnung Nr. 170/83 streiten, die die Gebiete innerhalb der Zwölfmeilenzone festlegen, in denen die Fischer anderer Mitgliedstaaten Fangtätigkeiten ausüben können. Die Kommission, die von der französischen Regierung unterstützt wird, meint, daß die dort angegebenen Gebiete, insbesondere diejenigen zwischen der Sechsmeilenlinie und der Zwölfmeilenlinie in den Küstengewässern des Vereinigten Königreichs, von den Basislinien aus gemessen werden müssten, die am 25. Januar 1983, dem Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 170/83, bestanden hätten. Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs dagegen sind die insoweit zu berücksichtigenden Basislinien diejenigen, die von Zeit zu Zeit existierten, so wie sie von dem betroffenen Mitgliedstaat im Einklag mit dem Völkerrecht gezogen würden.

20 Der Gerichtshof hat somit die Argumente zu prüfen, mit denen die Parteien ihre Thesen begründen. Die Kommission entnimmt ihre Argumente im wesentlichen der allgemeinen Struktur der Verordnung Nr. 170/83, den Zielen des Gemeinschaftsgesetzgebers und den praktischen Konsequenzen der von den Behörden des Vereinigten Königreichs erlassenen Maßnahmen. Die Regierung des Vereinigten Königreichs entnimmt ihre Argumente dem Wortlaut der fraglichen Bestimmungen, dem Verhältnis zwischen ihnen, der Beitrittsakte und den vorher bestehenden völkerrechtlichen Übereinkommen, der Praxis bei früheren Änderungen der Basislinien, der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Konsequenzen der Ausdehnung der nationalen Fischereizonen sowie den praktischen Schwierigkeiten, zu denen die von der Kommission befürwortete Auslegung führen würde, insbesondere für die Darstellung auf den Seekarten, die Tätigkeit der für die Anwendung des Fischereirechts der Gemeinschaft zuständigen Dienststellen und schließlich die Verwaltung des Gebietes Shetland.

Zur allgemeinen Struktur der Verordnung Nr. 170/83 und zu den Zielen des Gemeinschaftsgesetzgebers

21 Die Kommission führt aus, bei Erlaß der Verordnung Nr. 170/83 habe der Gemeinschaftsgesetzgeber ein ausgehandeltes Inventar der Tätigkeiten der Fischer der Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Fischer des Küstenstaats aufstellen wollen. Diese Mitgliedstaaten dürften den Umfang des Schutzes, den das Gemeinschaftsrecht bestimmten Fangtätigkeiten gewähre, deren Natur von der geographischen Lage der Gewässer abhänge, in denen sie ausgeuebt würden, nicht durch eine Änderung ihrer Basislinien einseitig ändern. Die Anwendung der neuen Bestimmungen des Vereinigten Königreichs über das Küstenmeer auf die in der Verordnung Nr. 170/83 festgelegten Gebiete bewirke aber, daß die Fischer der anderen Mitgliedstaaten von fischreichen und leicht zu nutzenden Gebieten ausgeschlossen würden.

22 Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die Verordnung Nr. 170/83 Ausdruck eines sorgfältig hergestellten Gleichgewichts ist zwischen dem System des ausschließlichen Zugangs der Fischer der Küstenstaaten zu den Küstengewässern, das die Verordnung abweichend vom Grundsatz des gleichen Zugangs verlängert und in den innerhalb der Zwölfmeilenzone liegenden Gebieten zu verallgemeinern gestattet, einerseits und dem Schutz bestimmter Tätigkeiten der Fischer anderer Mitgliedstaaten in den in Anhang I angegebenen Gebieten andererseits.

23 Weiterhin ist darauf hinzuweisen, daß diese Tätigkeiten selbstverständlich unlösbar verbunden sind mit der Art und der Tiefe der Fanggründe, in denen sie ausgeuebt werden, sowie mit den allgemeinen Bedingungen des fraglichen Meeresraums, wie den Umrissen des ihn umgebenden Ufers, dem Vorhandensein von Inseln, Felsen oder trockenfallenden Erhebungen, der Existenz und den Merkmalen von Erscheinungen wie Gezeiten und Strömungen, den in dem Gebiet herrschenden meteorologischen Verhältnissen, dem Grad der Meeresverschmutzung und dem Schiffsverkehr. Daraus folgt, daß die Ziele der Verordnung Nr. 170/83 in Frage gestellt würden, wenn die Gebiete, in denen die dort definierten und gestatteten Fangtätigkeiten ausgeuebt werden, verschoben würden - im vorliegenden Fall manchmal um mehrere Seemeilen - und Räume in sie einbezogen würden, die durch ganz andere Fanggründe, natürliche Bedingungen und Verkehrsaufkommen gekennzeichnet sind.

24 Die Tragweite des Anhangs I der Verordnung Nr. 170/83 kann somit nicht durch das einseitige Tätigwerden eines Mitgliedstaats geändert werden. Im übrigen heisst es in der gemeinsamen Erklärung des Rates und der Kommission, die bei Erlaß der Verordnung Nr. 170/83 in das Protokoll des Rates aufgenommen wurde und zu den Akten gereicht worden ist, daß dieser Anhang I auf gemeinsames Ersuchen der unmittelbar betroffenen Mitgliedstaaten durch eine vom Rat auf Vorschlag der Kommission erlassene Verordnung geändert wird.

25 Der Einwand der Regierung des Vereinigten Königreichs, der Territorial Sea Act 1987 könne, da er mit den Regeln des Völkerrechts in Einklang stehe, nicht als einseitige Maßnahme angesehen werden, greift nicht durch. Denn das Völkerrecht ermächtigt die Staaten lediglich, ihr Küstenmeer bis auf zwölf Seemeilen auszudehnen und unter bestimmten Umständen die Basislinien festzulegen, die zur Messung der Breite des Küstenmeeres zu und von den innerhalb dieses Meeres gelegenen trockenfallenden Erhebungen verwendet werden. Unter diesen Umständen ist die Entscheidung, von den sich aus den Regeln des Völkerrechts ergebenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen und die neuen Bestimmungen zum Zweck der Festlegung der in Anhang I genannten Gebiete anzuwenden, allein den Behörden des Vereinigten Königreichs zuzurechnen, die auf diese Weise die Tragweite der Vorschriften der Verordnung Nr. 170/83 einseitig geändert haben.

Zu den Konsequenzen der von den Behörden des Vereinigten Königreichs erlassenen Maßnahmen

26 Die Auslegung des Artikels 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 dahin gehend, daß sich diese Bestimmungen auf die Basislinien beziehen, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben, wird durch eine Betrachtung der möglichen Konsequenzen der von den Behörden des Vereinigten Königreichs erlassenen Maßnahmen bestätigt.

27 Die Kommission und die französische Regierung haben zu Recht geltend gemacht, daß die Anwendung der genannten Maßnahmen dazu führen würde, Fischer der übrigen Mitgliedstaaten aus den Gebieten, in denen sie bislang gefischt hätten, die nahe an den Küsten lägen, oft durch das Vorhandensein trockenfallender Erhebungen gekennzeichnet seien und im allgemeinen fischreich, relativ geschützt und ausserhalb der grossen Schiffahrtswege gelegen seien, zu vertreiben und in Gebiete abzudrängen, wo die Ausübung der Fischerei aufgrund völlig anderer Bedingungen im allgemeinen weniger ergiebig oder sogar unmöglich sei.

28 Ein solches Ergebnis würde im Widerspruch zu den Zielen der Verordnung Nr. 170/83 stehen. Diese ist erstens gerade dazu gedacht, die Tätigkeiten der genannten Fischer im Rahmen eines komplexen Gleichgewichts zwischen diesen Tätigkeiten und den ausschließlichen Rechten, die den Fischern der Küstenstaaten vorübergehend eingeräumt sind, zu schützen. Insoweit würden die neuen Maßnahmen des Vereinigten Königreichs die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen der Verordnung Nr. 170/83 unbestreitbar schmälern.

29 Zweitens bezwecken diese Bestimmungen ebenfalls, wie sich aus der fünften, der sechsten und der siebten Begründungserwägung der Verordnung ergibt, die relative Stabilität der Fischereitätigkeiten sicherzustellen. Dieses Ziel würde gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten die Natur und den Umfang der Tätigkeiten der Fischer anderer Mitgliedstaaten einseitig ändern könnten.

30 Schließlich konnten, wie die französische Regierung vorgetragen hat, die Fischer der anderen betroffenen Mitgliedstaaten ihre Tätigkeit bereits vorher in den neuen, in den Vorschriften des Vereinigten Königreichs angegebenen Gebieten ausüben. Diese Gebiete lagen nämlich jenseits der Zwölfmeilenlinie, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden hat, und unterlagen somit nicht der Regelung des ausschließlichen Zugangs für die Fischer der Küstenstaaten. Demnach sind die Gebiete, in denen die Fischer der anderen Mitgliedstaaten ihre Tätigkeiten ausgeuebt haben, nicht nur verschoben, sondern abgeschafft worden. Die fragliche Verordnung muß jedoch so ausgelegt werden, daß derartige Konsequenzen nach Möglichkeit vermieden werden.

Zum Wortlaut des Artikels 6 und des Anhangs I der Verordnung Nr. 170/83

31 Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt den Standpunkt, der Wortlaut des Artikels 6 und des Anhangs I der Verordnung Nr. 170/83, der ohne weitere Angabe auf die Sechsmeilengrenze und die Zwölfmeilengrenze verweise, könne nur die Grenzen bezeichnen, die von den Basislinien aus gemessen würden, wie sie von Zeit zu Zeit von dem betroffenen Mitgliedstaat gemäß den Regeln des Völkerrechts festgelegt würden ("nichtfeste Basislinien"), nicht dagegen von den Basislinien aus, wie sie zur Zeit des Erlasses der fraglichen Verordnung bestanden hätten ("feste Basislinien").

32 Der Begriff der Basislinien werde in sehr vielen Gemeinschaftstexten verwendet und bezeichne dort, wie die Kommission selbst einräume, stets nichtfeste Basislinien. Es sei schwer vorstellbar, daß allein für die Bestimmungen der Verordnung Nr. 170/83, die im übrigen keinen dahin gehenden Hinweis enthalte, etwas anderes gelten sollte.

33 Schließlich sei die Methode der Bezugnahme auf Basislinien, die notwendigerweise nicht fest seien, völlig ungeeignet, um besondere Meereszonen dauerhaft festzulegen. Wenn der Rat tatsächlich die Küstenstreifen zwischen sechs und zwölf Seemeilen anders als unter Bezugnahme auf nichtfeste Basislinien hätte festlegen wollen, so hätte er die Technik der zwischen Punkten auf den Breitengraden und Längengraden gezogenen Linien angewandt, wie er dies in Anhang II der Verordnung Nr. 170/83 getan habe, um das Gebiet Shetland abzugrenzen, für das Artikel 7 ein von der Kommission im Namen der Gemeinschaft verwaltetes Fanglizenzsystem vorsehe.

34 Keines der Argumente der Regierung des Vereinigten Königreichs erscheint überzeugend. Zwar wäre es, wie die Kommission selbst eingeräumt hat, wünschenswert gewesen, wenn der Rat bei seiner Bezugnahme auf die Basislinien in den streitigen Vorschriften ausdrücklich angegeben hätte, daß darunter Basislinien, wie sie zur Zeit des Erlasses der Verordnung bestanden, zu verstehen waren. Das Fehlen einer solchen Definition hindert jedoch eine dahin gehende Auslegung nicht, wenn diese die einzige ist, die die Erreichung der Ziele der fraglichen Verordnung ermöglicht.

35 Im übrigen kann der Umstand, daß andere Gemeinschaftstexte denselben Begriff der Basislinie mit einer anderen Bedeutung verwenden mögen, dadurch erklärt werden, daß diese Texte andere Ziele verfolgen, die im allgemeinen mit der Erhaltung der Fischbestände zusammenhängen und mit dem Schutz gewisser Fischereitätigkeiten in bestimmten Gebieten nichts zu tun haben.

36 Schließlich ist die Anwendung der Technik der zwischen aufeinanderfolgenden Punkten auf den Breitengraden und Längengraden gezogenen Linien, wie sie die Regierung des Vereinigten Königreichs für die Festlegung unveränderlicher Meeresgebiete befürwortet, für die Bestimmung von Küstenstreifen offensichtlich ungeeignet. Diese müssen nämlich genau den - oft zerklüfteten - Umrissen der Küste folgen, vorbehaltlich der Verwendung von geraden Basislinien dort, wo das Völkerrecht es gestattet, so daß eine sehr grosse Anzahl von Punkten auf den Breitengraden und Längengraden erforderlich und die damit entstandene Abgrenzung schwer verständlich wäre.

37 Der Wortlaut des Artikels 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 steht somit einer Auslegung der dort verwendeten Begriffe der Grenzen von sechs und zwölf Seemeilen dahin gehend nicht entgegen, daß diese auf Grenzen verweisen, die von den Basislinien aus gemessen werden müssen, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben.

Zum Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 170/83, der Beitrittsakte und den vorher bestehenden völkerrechtlichen Übereinkommen

38 Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht zum einen geltend, daß die Regelung des ausschließlichen Zugangs der Fischer des Küstenstaats zu den Küstengewässern innerhalb der Zwölfmeilenzone sowie die Regelung der in Artikel 100 der Beitrittsakte und in den streitigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 170/83 genannten Tätigkeiten der Fischer anderer Mitgliedstaaten ihren Ursprung in der Regelung hätten, die im Londoner Übereinkommen und in den zweiseitigen Abkommen enthalten sei, die die betroffenen Staaten geschlossen hätten, um die herkömmlichen Fangtätigkeiten in dem zwischen der Sechsmeilenlinie und der Zwölfmeilenlinie liegenden Gebiet, deren Aufrechterhaltung durch das genannte Übereinkommen genehmigt worden sei, zu definieren. Alle in diesen Rechtsvorschriften genannten Meereszonen seien aber unter Bezugnahme auf nichtfeste Basislinien festgelegt worden. Vorschriften wie die des Artikels 100 der Beitrittsakte und der Verordnung Nr. 170/83, die die Vorschriften vorher bestehender Übereinkommen ersetzt hätten, seien unter Berücksichtigung dieser Übereinkommen auszulegen, wie der Gerichtshof dies im Urteil vom 23. November 1977 in der Rechtssache 38/77 (Enka, Slg. 1977, 2203) getan habe. Daraus folge, daß sich die Vorschriften der Verordnung Nr. 170/83 ebenso wie die der früheren Übereinkommen auf nichtfeste Basislinien bezögen.

39 Zum anderen bemerkt die Regierung des Vereinigten Königreichs, daß die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des Beitritts berechtigt gewesen seien, ihre Hoheitsgewalt und ihre Gerichtsbarkeit in Fischereiangelegenheiten in dem innerhalb der zwölf Seemeilen gelegenen Gebiet auszuüben, und zwar entweder durch die Ausdehnung ihrer Küstengewässer auf zwölf Seemeilen oder aufgrund der dem Küstenstaat im Londoner Übereinkommen eingeräumten Rechte. In beiden Fällen hätten die Küstengebiete, in denen die sich aus dem Völkerrecht ergebenden Kompetenzen hätten ausgeuebt werden können, nur unter Bezugnahme auf Basislinien festgesetzt werden können, wie sie von Zeit zu Zeit nach dem Völkerrecht bestanden hätten. Die Vorschriften des Artikels 100 der Beitrittsakte, die in den der Hoheitsgewalt oder der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterliegenden Gebieten hätten Anwendung finden sollen, sowie die Artikel der Verordnung Nr. 170/83, die die in dieser Akte enthaltene Regelung verlängert hätten, bezögen sich somit notwendigerweise auf dieselben nichtfesten Basislinien.

40 Zum ersten Argument ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof zwar im Urteil vom 23. November 1977 (Enka), auf das die Regierung des Vereinigten Königreichs Bezug genommen hat, eine Gemeinschaftsverordnung im Einklang mit einem völkerrechtlichen Übereinkommen, dessen Bestimmungen die Verordnung weitgehend wiedergab, ausgelegt hat, daß das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 170/83 und dem Londoner Übereinkommen ein solches Vorgehen jedoch nicht rechtfertigt. Während nämlich das Londoner Übereinkommen dem Küstenstaat ausschließliche Fischereirechte zuerkannte, beruht die Verordnung Nr. 170/83 auf dem entgegengesetzten Grundsatz des gleichen Zugangs der Gemeinschaftsfischer zu den Fischbeständen in den der Hoheitsgewalt oder der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterliegenden Gewässern, vorbehaltlich einiger vorübergehender Ausnahmen.

41 Im übrigen ist an die Stelle der Bestimmungen des Londoner Übereinkommens, die bis zum 31. Januar 1971 in den ursprünglichen Mitgliedstaaten anwendbar waren, zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Beziehungen zwischen diesen Staaten die in der Verordnung Nr. 2141/70 vorgesehene Regelung getreten, die den Gemeinschaftsfischern das gleiche Recht auf den Zugang zu und die Fischerei in den Fanggründen in den der Hoheitsgewalt oder der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterliegenden Gewässern einräumte, ohne Ausnahmen für die Küstengewässer vorzusehen. Somit weist Artikel 100 der Beitrittsakte, der die ausschließlichen Rechte des Küstenstaats in der Sechsmeilenzone vorbehaltlich der besonderen Fischereirechte, die die Mitgliedstaaten am 31. Januar 1971 geltend machen konnten, vorübergehend wiederhergestellt hat, zwar einen Zusammenhang mit dem Londoner Übereinkommen auf, kann jedoch nicht als dessen Verlängerung auf Gemeinschaftsebene angesehen werden.

42 Die mangelnde Kontinuität zwischen der Regelung des Londoner Übereinkommens einerseits und der der Beitrittsakte und der Verordnung Nr. 170/83 andererseits wird auch dadurch bewiesen, daß die erstgenannte Regelung dem Küstenstaat unabhängig von den eingesetzten Schiffen innerhalb der Grenzen der sechs oder zwölf Seemeilen ausschließliche Fischereirechte einräumte, während die zweitgenannte Regelung bestimmte Fangtätigkeiten der Küstenfischerei solchen Schiffen vorbehält, die herkömmlicherweise von den Häfen der betreffenden Küste aus in diesen Gewässern Fischfang treiben.

43 Schließlich erwähnt die Verordnung Nr. 170/83 im Unterschied zur Beitrittsakte nicht die besonderen Fischereirechte, wie sie am 31. Januar 1971 bestanden haben, sondern erhält bestimmte Fischereitätigkeiten aufrecht, die Gegenstand eines in ihrem Anhang I enthaltenen detaillierten Inventars sind und die nicht notwendigerweise den vom Londoner Übereinkommen geschützten Fischereirechten der Staaten mit Ausnahme des Küstenstaats entsprechen. Die Vorschriften dieser Verordnung können deshalb nicht unter Berücksichtigung dieses Übereinkommens ausgelegt werden.

44 Was das zweite Argument betrifft, so braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß die Mitgliedstaaten in der am 30. Oktober 1976 in Den Haag gefassten und am 3. November 1976 förmlich vom Rat angenommenen Entschließung übereingekommen sind, die Grenzen ihrer Fischereizonen vor ihren Küsten an der Nordsee und am Nordatlantik vom 1. Januar 1977 an auf 200 Meilen auszudehnen. Somit liegt die unter Berücksichtigung der Basislinien, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben, festgelegte Zwölfmeilenzone jedenfalls innerhalb der Gewässer, die unter die Gerichtsbarkeit oder die Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten fallen, so daß jeder Konflikt mit den Regeln des Völkerrechts ausgeschlossen ist.

45 Daraus folgt, daß die Argumente, die die Regierung des Vereinigten Königreichs aus dem Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 170/83, der Beitrittsakte und den vorher bestehenden völkerrechtlichen Übereinkommen herleitet, nichts enthalten, was zu dem Schluß zwingen würde, daß sich die Bestimmungen des Artikels 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 auf nichtfeste Basislinien beziehen.

Zur Praxis der Mitgliedstaaten bei der Änderung der Basislinien

46 Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist darauf hin, daß sie seit 1972 zahlreiche Änderungen der Basislinien vorgenommen habe, um natürlichen Erscheinungen Rechnung zu tragen, und trägt vor, daß Frankreich, Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande entsprechende Änderungen vorgenommen hätten, namentlich in Gebieten, in denen Fischer anderer Mitgliedstaaten gemäß Artikel 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 Fangtätigkeiten ausübten. Im übrigen hätten Belgien und Irland ihre Küstenmeere 1987 und 1988 erweitert, und es scheine, daß die sich daraus ergebenden Änderungen der Basislinien nicht ohne Zusammenhang mit der Fischerei seien.

47 Dazu ist zunächst festzustellen, daß ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil vom 26. Februar 1976 in der Rechtssache 52/75, Kommission/Italien, Slg. 1976, 277) die Nichterfuellung der ihm nach dem Vertrag obliegenden Verpflichtungen nicht damit rechtfertigen kann, daß andere Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen nicht erfuellt hätten und weiterhin nicht erfuellten. Denn in der durch den Vertrag geschaffenen Rechtsordnung kann die Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten nicht von einer Gegenseitigkeitsvoraussetzung abhängig gemacht werden. Die Artikel 169 und 170 EWG-Vertrag sehen die geeigneten Klagemöglichkeiten vor, um den Verletzungen der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten entgegenzutreten.

48 Weiter ist zu bemerken, daß im Fall Belgiens die - von der Kommission vorgelegte - königliche Verordnung vom 28. Januar 1988 mit zusätzlichen nationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände ausdrücklich bestimmt, daß die Fischerei in den Meeresgewässern, die sich bis zu zwölf Seemeilen von den Basislinien aus erstrecken, von denen aus das Küstenmeer zur Zeit der Einführung der gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände, das heisst am 25. Januar 1983, gemessen wurde, Schiffen, die die belgische Flagge führen, vorbehalten ist.

49 Schließlich ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-209/89, Kommission/Italien, Slg. 1991, I-1575), daß die Klage wegen Vertragsverletzung objektiven Charakter hat und daß allein die Kommission beurteilt, ob es zweckmässig ist, eine solche Klage beim Gerichtshof zu erheben. Die Kommission war somit berechtigt, keine Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag einzuleiten, als Änderungen der Basislinien aufgrund von natürlichen Erscheinungen nur begrenzte Auswirkungen auf die Fangtätigkeiten hatten, und andererseits zu beschließen, die vorliegende Klage wegen einer sich aus der Ausdehnung des Küstenmeeres ergebenden Änderung zu erheben, die erhebliche Konsequenzen für die Fangtätigkeiten hatte.

50 Dem auf die Praxis der Mitgliedstaaten bei der Änderung der Basislinien gestützten Vorbringen kann somit nicht gefolgt werden.

Zur Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Konsequenzen der Ausdehnung der Meeresgebiete der Mitgliedstaaten

51 Die Regierung des Vereinigten Königreichs führt unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 16. Februar 1978 in der Rechtssache 61/77 (Kommission/Irland, Slg. 1978, 417) aus, daß jede Änderung der Meeresgewässer der Mitgliedstaaten automatisch zu einer entsprechenden Änderung des Anwendungsbereichs der Gemeinschaftsverordnungen führe. Sie leitet daraus her, daß die durch einen Mitgliedstaat vorgenommene Änderung seiner Basislinien sich automatisch auf die Grenzen des Gebietes auswirken müsse, in dem die Fischer des Küstenstaats ein ausschließliches Fangrecht hätten, vorbehaltlich der durch die Gemeinschaftsregelung geschützten Tätigkeiten der Schiffe anderer Mitgliedstaaten.

52 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Wie der Generalanwalt unter Nr. 45 seiner Schlussanträge dargelegt hat, enthält die Verordnung (EWG) Nr. 101/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft (ABl. L 20, S. 19), um die es in dem vorgenannten Urteil vom 16. Februar 1978 (Kommission/Irland) ging, eine unterschiedslos für alle Betroffenen geltende Regelung der Fischereitätigkeit, bei der kein Problem der Aufrechterhaltung bestimmter Fangtätigkeiten auftaucht. Die in diesem Urteil enthaltenen Erwägungen des Gerichtshofes lassen sich somit nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

Zu den praktischen Schwierigkeiten, die sich aus der Berücksichtigung von zwei verschiedenen Basislinien ergeben

53 Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs führt die Berücksichtigung der Basislinien, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben, allein für die durch Artikel 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 geschützten Fangtätigkeiten, während die gemäß dem Völkerrecht festgelegten nichtfesten Basislinien allgemein anwendbar blieben, zu einer Reihe von praktischen Schwierigkeiten. Erstens würde die Darstellung auf den Seekarten dadurch erheblich erschwert. Zweitens hätten die für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuständigen Dienststellen zwei verschiedene Methoden für die Abgrenzung der Küstengebiete zu berücksichtigen. Drittens schließlich bestehe die Gefahr, daß sich die Verwaltung des Gebietes Shetland, das einem von der Kommission für Rechnung der Gemeinschaft verwalteten Fanglizenzsystem unterliege, mit der sich aus Artikel 6 und Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 ergebenden Regelung der Küstenfischerei überschneide. In Anhang II der Verordnung Nr. 170/83 werde dieses Gebiet an zwei Stellen unter Bezugnahme auf die Zwölfmeilenlinie von den Basislinien aus definiert, gerade um jede Überschneidung der beiden Regelungen zu vermeiden. Eine solche Überschneidung würde dagegen eintreten, wenn die Linie, auf die für die Abgrenzung des Gebietes Shetland abgestellt werde, die nichtfeste Linie wäre, während das Küstengebiet zwischen sechs und zwölf Seemeilen unter Bezugnahme auf feste Basislinien festgelegt würde.

54 Zum ersten Punkt genügt der Hinweis darauf, daß die kartographischen Möglichkeiten es erlauben, Seekarten mit zwei Zwölfmeilenlinien, die an bestimmten Stellen voneinander abweichen, auf sehr einfache Weise zu zeichnen. Es wird Aufgabe der kartographischen Behörden des Vereinigten Königreichs sein, auf den neuen Karten anzugeben, daß für die Anwendung des Artikels 6 und des Anhangs I der Verordnung Nr. 170/83 die Basislinien zu berücksichtigen sind, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben.

55 Was den zweiten Punkt angeht, so hat die Kommission im vorliegenden Verfahren die belgische königliche Verordnung vom 28. Januar 1988 vorgelegt, die gerade auf die Basislinien Bezug nimmt, wie sie zur Zeit des Erlasses der Verordnung Nr. 170/83 bestanden haben. Nichts weist darauf hin, daß die Anwendung dieser Verordnung den zuständigen belgischen Fischereibehörden Schwierigkeiten bereitet hätte. Ausserdem verlangt die Tätigkeit der Küstenüberwachung wegen des Vorliegens verschiedener Fangregelungen für die einzelnen Gebiete auf jeden Fall eine äusserste Genauigkeit von den zuständigen Behörden, wenn sie die Gebiete zu bestimmen haben, in denen sich die zu kontrollierenden Schiffe befinden. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat nicht beweisen können, daß die Berücksichtigung der Basislinien, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben, ein grösseres Maß an Sorgfalt erfordert, als normalerweise von den zuständigen Behörden verlangt wird.

56 Schließlich weist die Regierung des Vereinigten Königreichs hinsichtlich des Gebietes Shetland zu Recht darauf hin, daß jede Verwechslung und jede Überschneidung zwischen dem für dieses Gebiet in Artikel 7 der Verordnung Nr. 170/83 vorgesehenen Fanglizenzsystem und der in Artikel 6 dieser Verordnung festgelegten Regelung der Küstenfischerei vermieden werden müssen. Zu diesem Zweck hat übrigens der Rat, der das Gebiet Shetland im allgemeinen anhand von Punkten auf dem Breiten- und dem Längengrad abgegrenzt hat, in Anhang II dieser Verordnung auf die Zwölfmeilenlinie abgestellt, die von den Basislinien aus an zwei Stellen, an denen die Gefahr einer Überschneidung der Umrisse der beiden Gebiete bestand, gemessen wurde.

57 Entgegen dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs ergibt sich jedoch keine Gefahr einer Überschneidung der beiden Regelungen daraus, daß das an das Gebiet Shetland grenzende Küstengebiet mit Hilfe der Zwölfmeilenlinie abgegrenzt wird, die von den Basislinien aus, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben, gemessen wird, denn dieselbe Zwölfmeilenlinie ist an den beiden entscheidenden Stellen für die Abgrenzung des Gebietes Shetland zu berücksichtigen. Dieses Gebiet unterliegt nämlich einer Regelung, die durch besondere Erhaltungserfordernisse bestimmt wird, die nicht aufgrund einer Änderung der Basislinien variieren können, insbesondere wenn diese Änderung unabhängig ist von jeder natürlichen Erscheinung, wie es vorliegend der Fall ist.

58 Die auf die praktischen Schwierigkeiten, zu denen die Berücksichtigung von zwei verschiedenen Basislinien führen könnte, gestützten Argumente sind somit nicht begründet.

59 Aus allen vorangehenden Erwägungen folgt, daß die Bestimmungen des Artikels 6 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung Nr. 170/83 dahin auszulegen sind, daß sie sich auf die Basislinien beziehen, wie sie am 25. Januar 1983 bestanden haben. Somit ist festzustellen, daß das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem es in bestimmten Gebieten für die Fischereimodalitäten, die für seine Küstengewässer in den vorgenannten Bestimmungen festgelegt sind, neue Basislinien anwendet, die weiter von den Küsten entfernt sind als die, die am 25. Januar 1983 bestanden haben.

Kostenentscheidung

Kosten
60 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Im vorliegenden Fall ist dem vorbildlichen Verhalten der Regierung des Vereinigten Königreichs Rechnung zu tragen, die aufgrund der Gespräche, die sie mit den Regierungen einiger betroffener Mitgliedstaaten und mit der Kommission geführt hatte, freiwillig die Anwendung der streitigen Vorschriften ausgesetzt hat, ohne daß die genannten Beteiligten beim Gerichtshof den Erlaß einstweiliger Anordnungen zu beantragen brauchten. Deshalb ist zu entscheiden, daß die Parteien und die Streithelferin ihre eigenen Kosten tragen.

Tenor

Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Vereinigte Königreich hat gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, indem es in bestimmten Gebieten für die Fischereimodalitäten, die für seine Küstengewässer in Anhang I in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 170/83 des Rates vom 25. Januar 1983 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen festgelegt sind, neue Basislinien anwendet, die weiter von den Küsten entfernt sind als die, die am 25. Januar 1983 bestanden haben.

2) Die Parteien und die Streithelferin tragen ihre eigenen Kosten.