Öffentliches Baurecht in Baden-Württemberg für Anfänger

Die nachfolgenden Inhalte zum Öffentlichen Baurecht in Baden-Württemberg für Anfänger entstanden aus einem Skript, das der Verfasser für Auszubildende des Ausbildungsberufs Verwaltungsfachangestellte/-r für deren Abschlusslehrgang in Villingen-Schwenningen bei der Badischen Gemeindeverwaltungsschule e. V. erstellt hat.

Inhaltsverzeichnis 

1. Einführung

Der Verfasser erhebt bei den nachfolgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit. Vielleicht mögen die ein oder anderen Ausführungen des Skripts für Auszubildende auch zu weitgehend oder zu abstrakt sein. Sofern dies der Fall ist, sei darauf hingewiesen, dass das Skript im Sinne der Nachhaltigkeit ggf. auch dazu geeignet sein soll, um für spätere Ausbildungsabschnitte herangezogen werden zu können. Die vom Verfasser erarbeiteten Erklärungen müssen nicht unbedingt vom Leser geteilt werden. Der Leser soll aber in die Lage versetzt werden, selbständig Lösungen vor allem auf Basis der gesetzlichen Regelungen, aber ggf. auch der zitierten Rechtsprechung und Literaturmeinungen zu entwickeln.

Das vorliegende Skript richtet sich daher auch an jedermann, der sich mit dem öffentlichen Baurecht beschäftigen will oder muss. Die Grundlagen des allgemeinen Verwaltungsrechts werden dabei vorausgesetzt. Der Verfasser ist über jegliche Art von konstruktiver Kritik dankbar. Da sich die Ausführungen an Einsteiger in das Rechtsgebiet richten, wird auf die Darstellung von Meinungsstreitigkeiten grundsätzlich eher verzichtet, hingegen wird versucht, die gesetzlichen Strukturen, welche für das Verständnis der Regelungen hilfreich sind, herauszuarbeiten.

Hierzu gehört gleichzeitig aber auch die Anpassung an die jüngste Gesetzesnovellierung im Bauordnungsrecht mit dem Gesetz zur Digitalisierung von Baurechtlichen Vorschriften vom 20.11.2023 (GBl. vom 24.11.2023, S. 422 - 423).

Last but not least möchte ich bereits hier allen Personen danken, die mich bei der Erstellung des Skripts unterstützt haben. Hierzu gehören zuallererst meine Eltern, die beruflich und privat stets zu mir gehalten haben, Herr Bürgermeister Gerster und Frau Rade als meine beiden Vorgesetzten, die mich sowohl mit interessanten Rechtsfragen konfrontieren als auch herzliches und konstruktives Feedback geben, sowie allen anderen Personen in meinem näheren und weiteren Umfeld.

2. Abgrenzung Bauplanungs-/Bauordnungsrecht

Das öffentliche Baurecht umfasst die Gesamtheit der Rechtsvorschriften, welche die Zulässigkeit und die Grenzen, die Ordnung und die Förderung der baulichen Nutzung des Bodens, insbesondere durch Errichtung, bestimmungsgemäße Nutzung, wesentliche Veränderung und Beseitigung baulicher Anlagen, betreffen. Die Gesetzgebungskompetenz für das öffentliche Baurecht ist nach dem Grundgesetz zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. Das Bauplanungsrecht fällt in die Kompetenz des Bundes, den Ländern bleibt die Befugnis zum Erlass des Bauordnungsrechts. Das öffentliche Baurecht ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts in Art. 14 GG.

Öffentliches Baurecht

  • Bauplanungsrecht
    • Rechtsgrundlagen: Baugesetzbuch (BauGB), Baunutzungsverordnung (BauNVO), Planzeichenverordnung (PlanZV)
    • Bezugspunkte: Flächenbezogen, Steuerung der städtebaulichen Bodennutzung, städtebauliche Entwicklung (wo wird was gebaut?), Bundesrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG)
  • Bauordnungsrecht
    • Rechtsgrundlagen: Landesbauordnung (LBO), Allgemein Ausführungsverordnung zur LBO (LBOAVO), Verfahrensverordnung zur LBO (LBOVVO)
    • Bezugspunkte: Objektbezogen: Errichtung, Erhaltung, Änderung und Abriss baulicher Anlagen, insbesondere Gefahrenabwehr, bauaufsichtliche Verfahren, Landesrecht

Beide der vorgenannten Rechtsmaterien werden im Baugenehmigungsverfahren miteinander verklammert.

Exkurs: Baunebenrecht:

Es handelt sich hierbei um weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften für besondere Regelungsgegenstände, die, wie auch das BauGB oder die LBO, die Zulässigkeit oder Rechtmäßigkeit der Errichtung, Änderung oder Nutzung von baulichen Anlagen unmittelbar beeinflussen. Beispiele sind:

  • Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
  • Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
  • Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmale (DSchG)
  • Gebäudeenergiegesetz (GEG)
  • Straßengesetz für Baden-Württemberg (StrG)

Exkurs: Privates Baurecht

Das private Baurecht regelt hingegen die Rechtsverhältnisse der am Bau beteiligten Privaten, es hat seinen Anknüpfungspunkt im (privaten) Eigentumsrecht (§§ 903 ff. BGB), daneben greift noch das Nachbarrecht oder das Bauvertrags- und Werkmängelrecht (§§ 633 ff. BGB), die HOAI, die VOB/B (als spezielles Werkvertragsrecht), etc. Zu den Beteiligten zählen Bauherren, Bauträger, Generalunternehmer, Handwerker, Architekten, Nachbarn etc.

3. Bauplanungsrecht

3.1. Bauleitplanung

Die Bauleitplanung erfolgt grundsätzlich in zwei Planungsschritten (§ 1 Abs. 2 BauGB): Auf der Grundlage eines Flächennutzungsplans (vorbereitender Bauleitplan), der das gesamte Gemeindegebiet umfasst, wird die Nutzung konkreter Grundstücke in Bebauungsplänen (verbindlicher Bauleitplan) festgelegt.

3.1.1. Aufgabe der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 1 BauGB)

§ 1 Abs. 1 BauGB bestimmt: „Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.“. Hieraus ergibt sich das Folgende:

  • Gegenstand der Bauleitplanung ist: Bauliche Nutzung und sonstige Nutzung der Grundstücke (umfassend),
  • Funktion der Bauleitplanung ist: Vorbereitung und Leitung (umfassend).
Damit kommt also auch zum Ausdruck, dass sich die Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung nur der Instrumente und Verfahren des Baugesetzbuchs (und z. B. der Baunutzungsverordnung) bedienen darf. Es wird klargestellt, dass nur Grundstücke in der Gemeinde bzw. im jeweiligen Gemeindegebiet von der Bauleitplanung erfasst sind.
Beispiel: Die Stadt Sigmaringen kann keine Bauleitplanung im Gemeindegebiet der Stadt Gammertingen betreiben.

Dem steht aber nicht entgegen, dass sich mehrere Gemeinden zu einem Planungsverband zusammenschließen oder einen gemeinsamen Flächennutzungsplan (§ 204 BauGB) aufstellen.

3.1.2. Planungshoheit der Gemeinde und Erforderlichkeit der Bauleitplanung

Die Bauleitplanung ist Aufgabe der Gemeinde (§ 1 Abs. 3 BauGB). Die Planungshoheit, die sich insbesondere im Erlass der Flächennutzungspläne und Bebauungspläne realisiert, zählt zum grundsätzlich unentziehbaren Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG). § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB stellt klar, dass es sich bei der Bauleitplanung um eine weisungsfreie Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde handelt.

Die Planungshoheit der Gemeinde hat jedoch folgende Grenzen:

  • Art. 20 Abs. 3 GG: Bauleitplanung muss sich im Rahmen der Gesetze halten,
  • die Planungshoheit ist auf die örtliche Gemeinschaft (das Gemeindegebiet) beschränkt,
  • § 1 Abs. 4 BauGB: Die kommunale Bauleitplanung ist an die Ziele der Raumordnung anzupassen,
  • § 2 Abs. 2 BauGB: Die Interkommunale Abstimmungspflicht besagt, dass Kommunen ihre Bauleitplanung miteinander abstimmen müssen.

Dort, wo (noch) kein Bebauungsplan besteht, greifen z. B. die Planersatzvorschriften (§§ 34 und 35 BauGB), oder wo ein bestehender Bebauungsplan durchbrochen werden soll (§ 31 BauGB), wird die Planungshoheit – in jedem Fall – durch das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB gesichert.

§ 1 Abs. 3 BauGB bestimmt weiter, dass Bauleitplanung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sein muss. Hieraus ergibt sich eine Planungspflicht, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, also wenn es eine städtebauliche Motivation der Gemeinde gibt und sich das Gebiet hierfür auch eignet.

Umgekehrt ergeben sich hieraus aber auch Planungsverbote. Diese sind:

  • Verbot von Bauleitplänen, die ein Vorhaben ausschließlich verhindern wollen,
  • Verbot von Bauleitplänen, die ausschließlich privaten Interessen dienen wollen,
  • Verbot von Bauleitplänen, die sich nicht umsetzen lassen.

3.1.3. Instrumente der Bauleitplanung

3.1.3.1. Flächennutzungsplan

Der Flächennutzungsplan ist die erste Stufe der gemeindlichen Bauleitplanung. Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 BauGB ist in einem Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet die Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in Grundzügen darzustellen, die sich aus der beabsichtigten (gesamt-)städtebaulichen Entwicklung ergibt.
Ein Beispiel eines (gemeinsamen) Flächennutzungsplans ist hierersichtlich.

Der Flächennutzungsplan enthält als schlichter Plan nur ein sehr grobmaschiges Konzept. Aus ihm sollen die einzelnen Bebauungspläne entwickelt werden (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB).

3.1.3.2. Bebauungsplan

Ein Bebauungsplan stellt die zweite Stufe der gemeindlichen Bauleitplanung dar. Er konkretisiert als sog. verbindlicher Bauleitplan nach § 1 Abs. 2 BauGB die Darstellungen des Flächennutzungsplans und begründet als Satzung ihre materiell-rechtliche Bindungskraft nach außen, d. h. gegenüber jedermann.
Ein Beispiel eines Bebauungsplans ist hierersichtlich.

Ein Bebauungsplan setzt sich häufig aus einem Planteil und einem Textteil zusammen. Der Planteil dient dazu, zeichnerische Festsetzungen aufzunehmen, die ggf. schwierig mit Worten zu beschreiben sind. Es ist aber auch denkbar, einen Bebauungsplan aufzustellen, der nur aus einem Textteil besteht. Außerdem ist es denkbar, einen Bebauungsplan auch nur für ein einziges Grundstück aufzustellen (sog. Briefmarkenbebauungsplan)1. In diesem Fall kommt es aber stärker auf die Erforderlichkeit der Planung an; der Rechtfertigungsbedarf hinsichtlich der städtebaulichen Ziele (§ 1 Abs. 5 BauGB) ist höher.

3.1.3.3. Exkurs: Sonstige Städtebauliche Satzungen

Das Baugesetzbuch thematisiert in § 35 Abs. 4 - Abs. 6 BauGB die sog. Innenbereichssatzung, in § 35 Abs. 6 BauGB wird die sog. Außenbereichssatzung thematisiert.

Zur Innenbereichssatzung:

Das Gesetz unterscheidet zwischen:
Klarstellungssatzung
- Voraussetzungen: Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils
- Folgen:
- Stellt vorhandenen Innenbereich klarstellend dar,
- es wird kein neues Baurecht geschaffen,
- keine Festsetzungsmöglichkeiten
Entwicklungssatzung
- Voraussetzungen: Im Flächennutzungsplan muss eine Baufläche dargestellt sein
- Folgen:
- Möglichkeit der Entwicklung einer Splittersiedlung zum Ortsteil,
- es entsteht neues Baurecht,
- bestimmte Festsetzungen sind möglich
Einbeziehungssatzung
- Voraussetzungen: Vorliegen eines hinreichend prägenden bebauten Bereichs
- Folgen:
- Außenbereichsgrundstücke können in gewissem Umfang in den Innenbereich einbezogen werden,
- es ensteht neues Baurecht,
- bestimmte Festsetzungen sind möglich

Zur Außenbereichssatzung:

  • Voraussetzungen:
    • Bebauter Bereich im Außenbereich
    • Nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt
    • Bereits Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden
    • Satzung ist mit geordneter städtebaulicher Entwicklung vereinbar
    • Satzung begründet keine Zulässigkeit von Vorhaben, die UVPG-pflichtig sind
    • Keine Anhaltspunkte für Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7b) BauGB genannten Schutzgüter
  • Folgen:
    • Öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB können der Vorhabenzulassung nicht entgegengehalten werden:
    • Darstellungen des Flächennutzungsplans
    • Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung
    • Wohnbauvorhaben oder kleine Handwerksbetriebe sind zulässig

3.1.3.4. Exkurs: Planerlassverfahren

Man kann das Planerlassverfahren grundsätzlich in vier Schritten wie folgt zusammenfassen:
Schritt 1: § 2 Abs. 1 BauGB
- Aufstellungsbeschluss der Gemeinde
- Öffentliche Bekannmachung
= förmliche Verfahrenseinleitung; fakultativ (kann auch mit der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zusammenfallen)
Schritt 2: §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BauGB - Zweck: Breite Informationsgewinnung
- Frühzeitige Öffentlichkeits und Behördenbeteiligung
- Öffentliche Bekanntmachung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung
- Frühzeitige Behördenunterrichtung
Schritt 3: §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB - Zweck: Verarbeitete Informationen sollen spezifiziert werden auf die angepasste Planung
- Förmliche Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung
- Öffentliche Bekanntmachung der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung
- Einholung der Stellungnahmen der Behörden / Träger öff. Belange (beschränkt auf deren Aufgabenbereich)
Schritt 4: §§ 6, 10 Abs. 1 BauGB
- Genehmigung des Flächennutzungsplans und Einstellen ins Internet (§ 6a BauGB)
- Satzungsbeschluss und öffentliche Bekanntmachung (§ 10 Abs. 3 BauGB) des Bebauungsplans

3.1.4. Einzelheiten zum Flächennutzungsplan (§§ 5 ff. BauGB)

Ein Flächennutzungsplan (FNP) ist ein vorbereitender Bauleitplan. Er ist weder eine Rechtsnorm (Satzung) noch ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 LVwVfG), auch nicht in Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 LVwVfG), noch eine Polizeiverordnung (§§ 17 ff. PolG), sondern nach herrschender Ansicht eine hoheitliche Maßnahme eigener Art. Mit anderen Worten: Der Flächennutzungsplan ist ein schlichter Plan, der die Absichten der Gemeinde über deren künftige bauliche Entwicklung dokumentiert.

Der FNP hat grundsätzlich keine unmittelbare Verbindlichkeit für den Eigentümer eines Grundstücks. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 2 BauGB: Ein FNP enthält inhaltlich vor allem „Darstellungen“, wohingegen ein verbindlicher Bebauungsplan „Festsetzungen“ hat (vgl. § 9 Abs. 1 BauGB). In dessen Darstellungsmöglichkeiten ist der FNP nicht begrenzt (vgl. § 5 Abs. 2 HS. 1 BauGB: „insbesondere“).

Trotzdem ist der FNP wichtig, da er ein planungsbindender Plan ist. Die Bebauungspläne sollen aus dem FNP entwickelt werden (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB = Entwicklungsgebot). D. h., für die Gemeinde selbst ist der FNP in gewissem Maße verbindlich.

Inhalte des Flächennutzungsplans
Darstellungen (§ 5 Abs. 1, Abs. 2 BauGB) Kennzeichnungen (§ 5 Abs. 3 BauGB) Nachrichtliche Übernahmen (§ 5 Abs. 4 S. 1 BauGB) Vermerke (§ 5 Abs. 4 S. 2 BauGB)
Bauflächen + Baugebiete Besondere Flächen
Infrastruktur
Sonstige Nutzung
Rechtswirkungen Keine Rechtswirkungen Keine Rechtswirkungen Keine Rechtswirkungen
Die städtebaulich wichtigste Darstellung des FNP ist die der für die Bebauung vorgesehenen Flächen. Dies erfolgt durch die Darstellung von Bauflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB wird durch § 1 Abs. 1 BauNVO konkretisiert: Danach gibt es vier verschiedene Arten von Bauflächen:
  1. Wohnbauflächen (W): Bsp.: nur oder vorwiegend Wohnnutzung
  2. gemischte Bauflächen (M): Bsp.: Wohnnutzung, nicht störendes Gewerbe
  3. gewerbliche Bauflächen (G): Bsp.: Gewerbe- oder Industrienutzung
  4. Sonderbauflächen (S): Bsp.: Hochschul-, Klinik- Ferienhausgebiet, großflächiger Einzelhandel.

Exkurs: Ausnahmsweise verbindliche Wirkung des FNP:
Im Rahmen der Außenbereichsvorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ist der FNP verbindlich, da er die mittels indirekter gesetzlicher Regelung die Kraft hat, privilegierte Vorhaben auszuschließen (Ausweisung von Konzentrationsflächen für z. B. Windkraftanlagen).2

3.1.5. Einzelheiten zum Bebauungsplan (§§ 8 ff. BauGB)

Der Bebauungsplan (BPlan) bildet das Kernstück der Bauleitplanung. Der BPlan ergeht als Satzung der Gemeinde (§ 10 Abs. 1 BauGB). Er soll, wie erwähnt, grundsätzlich aus dem FNP entwickelt werden (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB). Hiervon gibt es drei Ausnahmen, die sich alle direkt aus dem Gesetz ergeben:

  • § 8 Abs. 3 BauGB: Vom FNP abweichender BPlan ergeht im Parallelverfahren. Gleichzeitig mit der Aufstellung des BPlans wird der FNP geändert.
  • § 8 Abs. 2 S. 2 BauGB: Selbständiger BPlan ohne FNP.
  • § 8 Abs. 4 BauGB: Vorzeitiger BPlan.

3.1.5.1. Rechtswirkungen des Bebauungsplans

Der BPlan schafft grundsätzlich als kommunale Satzung für die Eigentümer von Grundstücken in dessen Geltungsbereich das Recht, dort bauliche Anlagen zu errichten und ist deshalb insbesondere bedeutsam für die Zulässigkeit von Einzelvorhaben gemäß der §§ 29, 30 BauGB.

Der BPlan kann aber auch von der Gemeinde vollzogen werden, wenn diesem z. B. Hindernisse entgegenstehen. Dies kann durch Baugebote (§§ 175 ff. BauGB) geschehen. Diese finden jedoch in der Praxis nicht so häufig Anwendung.

3.1.5.2. Inhalte des Bebauungsplans (§ 9 BauGB)

§ 9 BauGB enthält eine lange Liste von Regelungen, die in einem BPlan festgesetzt werden können. Die Gemeinde ist an diese Regelungen gebunden und hat grundsätzlich3 kein Festsetzungserfindungsrecht. Von Bedeutung sind vor allem § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB. Danach können Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die Bauweise, die überbaubaren bzw. nicht überbaubaren Grundstücke/Grundstücksflächen und die Stellung der baulichen Anlagen im BPlan festgesetzt werden. Weitere wichtige Rechtsgrundlage für diese Festsetzungen ist die Baunutzungsverordnung i. V. m. § 9a BauGB.

Überblick über die wichtigsten Festsetzungen im Bebauungsplan:

Festsetzung Rechtsgrundlagen Beispiel
Art der baulichen Nutzung §§ 2 – 15 BauNVO, §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 9a BauGB Baugebiet: Allgemeines Wohngebiet
Maß der baulichen Nutzung §§ 16 – 21a BauNVO, §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, 9a BauGB Grundfläche, Geschossfläche, Höhe, Baumasse, Vollgeschosse
Bauweise § 22 BauNVO, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 9a BauGB Offene Bauweise, geschlossene Bauweise
Überbaubare Grundstücksfläche § 23 BauNVO, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 9a BauGB Baulinien, Baugrenzen
Verkehrsflächen4 § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB Erschließungsstraße

Häufig sind in einem BPlan sog. Nutzungsschablonen eingezeichnet. Diese geben zusammengefasst wieder, welche Art und welches Maß der baulichen Nutzung im jeweiligen Bereich oder Baufenster des Bebauungsplans gilt. Die einzelnen Zeichen und Farben, die als Festsetzung im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans enthalten sind, werden auch in der Planzeichenverordnung (PlanZV) erläutert.

3.1.5.3. Exkurs: Die verschiedenen Planungsebenen

  1. Europäische / internationale Raumordnung
  2. Bundesraumordnung (Rechtsgrundlage: Raumordnungsgesetz (ROG))
  3. Landesplanung (z. B. Landesentwicklungsplan = Rechtsverordnung)
  4. Regionalplanung (z. B. Region Bodensee-Oberschwaben oder Region Schwarzwald-Baar-Heuberg; Rechtsgrundlage: Landesplanungsgesetz (LplG); Zuständigkeit liegt beim jeweiligen Regionalverband)
  5. (Gemeinsamer) Flächennutzungsplan (Rechtsgrundlage: §§ 5 ff., 204 BauGB – Zuständigkeit liegt bei der Gemeinde)
  6. Bebauungsplan (Rechtsgrundlage: §§ 8 ff. BauGB – Zuständigkeit liegt bei der Gemeinde)

3.1.6. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 ff. BauGB)

3.1.6.1. Einleitung und Übersicht

Die §§ 29 ff. BauGB haben die konkrete bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelbauvorhaben zum Gegenstand. Der „Link“ vom Bauplanungsrecht in das Bauordnungsrecht im späteren Baugenehmigungsverfahren ist § 29 Abs. 2 BauGB.

§ 29 BauGB: Vorhaben
Innenbereich Außenbereich (§ 35 BauGB)
Beplant (§ 30 BauGB) Unbeplant (§ 34 BauGB)
§ 30 Abs. 1 BauGB § 30 Abs. 2 BauGB § 30 Abs. 3 BauGB Einfügen in die nähere Umgebung nach Art und Maß der baulichen Nutzung
Qualifizierter BPlan: Festsetzungen des BPlans Vorhabenbezogener B-Plan: Festsetzungen des BPlans Einfacher BPlan: Festsetzungen + §§ 34, 35 BauGB
Erschließung gesichert Erschließung gesichert Erschließung gesichert Erschließung gesichert Erschließung gesichert

3.1.6.2. Der § 29 BauGB als „Einfallstor“ für die §§ 30 – 37 BauGB

Wie in vorstehender Tabelle erkennbar, finden über den § 29 BauGB die §§ 30 – 37 BauGB für alle Bauvorhaben Anwendung. Mit anderen Worten: Die einzige Aufgabe der Vorschrift ist es, über die Anwendbarkeit der planungsrechtlichen Bestimmungen in den §§ 30 – 37 BauGB zu befinden. Nach der Vorschrift sind zwei Gruppen von Vorhaben bauplanungsrechtlich erheblich:

  • Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben;
  • Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten.
3.1.6.2.1. Vorhaben, die bauliche Anlagen betreffen

Von einem Vorhaben i. S. d. § 29 BauGB wird immer ausgegangen, wenn eine bauliche Anlage errichtet, geändert oder anders genutzt (Nutzungsänderung) werden soll.

  • Errichtung bedeutet erstmaliges Herstellen
  • Änderung meint Umbau, Ausbau oder Erweiterung einer baulichen Anlagen
    Bsp.: Bauer B will seine Scheune vergrößern.
  • Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn eine bauliche Anlage zu einem anderen als dem ursprünglich genehmigten Zweck genutzt werden soll und die neue Nutzung die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren und damit planungsrechtlich erheblich sein kann. Bloße Nutzungsintensivierungen reichen nicht.
    Bsp.: Bauer B will seine Scheune als Dorfdisco nutzen. Es stehen Belange des § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB im Raum (Umweltschutz wegen verstärkten Immissionen).
Der Begriff der baulichen Anlage ist im BauGB nicht definiert, sondern wird vorausgesetzt. Auf die Definition in § 2 Abs. 1 S. 1 LBO („Bauliche Anlagen sind unmittelbar mit dem Erdbo-den verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen.“) kann eigentlich nicht zurückge-griffen werden, da Landesrecht das Bundesrecht nicht zu definieren vermag5. Vielleicht hilft folgende weitere Aufteilung weiter: Eine Anlage ist von Menschenhand künstlich angelegt und mit dem Erdboden verbunden. Baulich ist die Anlage, wenn die Anlage aus Bauprodukten hergestellt und mit dem Erdboden für eine gewisse Dauer verbunden ist.
Beispiele für bauliche Anlagen sind: Gebäude jeder Art, auch stationäre Wohnwagen, Zäune, ein über Monate auf einem Grundstück abgestelltes Bienenhaus, ein befestigter Parkplatz, an eine Hauswand angebrachte großflächige Werbetafel, usw..
3.1.6.2.2. Aufschüttungen, Abgrabungen und Ähnliches

§ 29 Abs. 1 HS. 2 BauGB bezweckt mit dessen Formulierung, Lagerstätten, aber auch Eingriffe in die Landschaft wie z. B. Kiesgruben oder Steinbrüche den bauplanungsrechtlichen Bindungen zu unterwerfen. Einzelheiten sind häufig umstritten. Die Anlage oder Erweiterung eines Friedhofs als solche ist jedenfalls kein Bauvorhaben, auch wenn ein Friedhof Gegenstand eines Bebauungsplans sein kann6.

3.1.6.2.3. Die (dauerhaft gesicherte) Erschließung

Ganz unabhängig von der Lage des Grundstücks (egal ob im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, im unbeplanten Innen- oder Außenbereich) ist ein Vorhaben planungsrechtlich nur zulässig, wenn seine Erschließung gesichert ist. Der Begriff der Erschließung meint den Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz, dessen Versorgung mit Strom und Wasser und die Abwasserbeseitigung.

Die Erschließung ist jedenfalls bereits dann gesichert, wenn damit gerechnet werden kann, dass bis zur Fertigstellung der baulichen Anlage die Erschließungsanlagen funktionsfähig angelegt und auf Dauer benutzbar sein werden.

3.1.6.2.4. Exkurs zur Erschließung

Die Erschließung ist aber nicht nur im BauGB geregelt, sondern auch in der Landesbauordnung, vgl. § 4 Abs. 1 LBO. Die Vorschrift stellt nochmals weitergehende Anforderungen für die Errichtung von Gebäuden und bestimmt:
Gebäude dürfen nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; bei Wohnwegen kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn keine Bedenken wegen des Brandschut-zes bestehen.“

Die Erschließung kann z. B. dauerhaft durch Grunddienstbarkeit (§ 1018 ff. BGB) oder Baulast (§§ 4 Abs. 1, 71 LBO) gesichert werden. Nicht ausreichend ist hingegen nur ein Notwegerecht (§ 917 BGB).

3.1.6.3. Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans - § 30 BauGB (beplanter Innenbereich), Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB)

§ 30 BauGB unterscheidet in dessen drei Absätzen zwischen verschiedenen Bebauungsplanarten. Diese unterscheiden sich, grob gesagt, dadurch, dass sie einem Bauherrn, jeweils unterschiedlich strenge Anforderungen an die Hand geben im Hinblick auf dessen geplantes Bauvorhaben.

Qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) Vorhabenbezogener Bebauungsplan (§ 30 Abs. 2 BauGB) Einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB)
Bauvorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten BPlans müssen sich an dessen Bestimmungen orientieren. Nach § 30 Abs. 1 BauGB ist die Genehmigung für das Bauvorhaben zu erteilen, wenn das Vorhaben dem BPlan nicht widerspricht. Bauvorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen BPlans müssen sich an dessen Bestimmungen orientieren. Es ist hier immer ein konkretes Bauvorhaben erforderlich. Der vorhabenbezogene BPlan schnürt insbesondere durch den Durchführungsvertrag, an den der Vorhabenträger (Investor) gebunden ist, ein sehr enges Korsett bzgl. des zu genehmigenden Vorhabens. Die Zulässigkeit von Vorhaben richtet sich nach §§ 34, 35 BauGB sowie sonstiger Bestimmungen des Bebauungsplans.

Unterschiede im Hinblick auf die Genauigkeit zwischen qualifiziertem und vorhabenbezogenem Bebauungsplan sind manchmal nicht so einfach zu erkennen. Ein qualifizierter Bebauungsplan kann auch die Form eines projektbezogenen Bebauungsplans haben und so zugeschnitten sein, dass er (fast) auf ein konkretes Vorhaben passt. In der Regel wird man aber sagen können, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan eher auf die kurzfristigte Verwirklichung eines Einzelvorhabens ausgelegt ist (z. B. Bau eines Hochhauses); der qualifizierte Bebauungsplan eignet sich dagegen eher zur Schaffung eines neuen Baugebiets (man bezeichnet dies auch als sog. Angebotsplanung).

Ausnahmen und Befreiungen sind in § 31 BauGB geregelt. Die Vorschrift findet nur bei BPlänen Anwendung. Ausgangssituation ist die Folgende: Manchmal stellt der BPlan als Satzung mit seinen abstrakt-generellen Regelungen relativ strenge Anforderungen an ein geplantes Einzelvorhaben. Dies kann für Bauwillige schwer zumutbar sein, insbesondere, wenn sie mit dem Bauvorhaben auch einen sozialen Zweck verfolgen wollen (z. B. günstige Wohnraumschaffung) und die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks schlecht ist. In dem Fall kann (d. h., es liegt im Ermessen) die Baurechtsbehörde Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des BPlans gem. § 31 BauGB zulassen. Die Unterscheidung ist:

  • Ausnahmen (§ 31 Abs. 1 BauGB) sind Bestandteil des B-Plans. Ausnahmen sind bereits vom Willen der Gemeinde abgedeckt und im Bebauungsplanverfahren von der Gemeinde quasi mitberücksichtigt worden. Ausnahmen im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung (z. B. Tankstelle in einem allgemeinen Wohngebiet, § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO) sind in der Baunutzungsverordnung ebenfalls ausdrücklich geregelt. D. h., die Vorschrift des § 31 Abs. 1 BauGB ist auch im Zusammenhang mit den §§ 2 – 9 jeweils Abs. 3 BauNVO zu verstehen.
  • Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) sind nicht Bestandteil des B-Plans. Die Vorschrift ist streng auszulegen, es kommt auf einen atypischen Einzelfall an. Die Funktion der Befreiung ist es, in vom B-Plan nicht vorgesehenen Sonderfällen von einer nicht verallgemeinerungsfähigen Festsetzung im B-Plan abzuweichen. Die Befreiung muss immer grundstücksbezogen sein und darf sich nicht an den subjektiven Verhältnissen des Bauherrn orientieren. Es kommt in besonderem Maße auf das Einvernehmen der Gemeinde an (s. § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB). Zusätzliche Sonderregelungen zum Befreiungstatbestand in § 31 Abs. 2 BauGB enthält § 246 BauGB, z. B. für die Flüchtlingsunterbringung.
Faustregeln für eine Befreiung: Das Vorhaben muss sich trotzdem noch in die nähere Umgebung einfügen; man denkt sich hierbei die Festsetzungen / den B-Plan weg und misst das Vorhaben an der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB . Eine Befreiung darf daher niemals gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Eine Befreiung scheidet auch immer aus, wenn ein B-Plan zur Lösung städtebaulicher Konflikte erforderlich ist.

Im unbeplanten Innen- und Außenbereich (§§ 34, 35 BauGB) ist für die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen kein Raum, sondern nur dort, wo auf § 31 BauGB ausdrücklich verwiesen wird (z. B. § 34 Abs. 2 BauGB bzgl. der Art der baulichen Nutzung).

Exkurs:
Die Landesbauordnung enthält in § 56 LBO eine wichtige Vorschrift, welche ebenfalls u. a. Ausnahmen und Befreiungen regelt. Die Vorschriften in § 31 BauGB und § 56 LBO haben aber jeweils andere Zielrichtungen, somit auch andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen. § 56 LBO kann definitiv nicht herangezogen werden, um § 31 BauGB zu konkretisieren.

3.1.6.4. Vorhaben während der Aufstellung des Bebauungsplans - § 33 BauGB

Unter den in § 33 BauGB genannten Voraussetzungen kann ein Bauvorhaben bereits vor Inkrafttreten des BPlans genehmigt werden. Die Vorschrift bezweckt eine Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens; der Bürger muss nicht erst warten, bis der BPlan als Satzung beschlossen, ausgefertigt und öffentlich bekannt gemacht worden ist.

Allerdings muss der in der Aufstellungsphase befindliche BPlan formelle und materielle Planreife haben, d. h., es muss also mit der im BPlanentwurf gemachten Plankonzeption gerechnet werden können. Ausnahmen und Befreiungen gem. § 31 BauGB scheiden aus, da diese einen BPlan voraussetzen und dieser eigentlich noch nicht existiert.

3.1.6.5. Vorhaben im unbeplanten Innenbereich - § 34 BauGB

Die Vorschrift ist sehr lang. Daher soll hier nur ein Überblick gegeben werden. Ein fundiertes Verständnis der Struktur der Vorschrift dürfte wichtiger sein als Detailwissen. Der § 34 BauGB ist eine Planersatzvorschrift für den Innenbereich; dies ergibt sich aus § 30 Abs. 3 BauGB.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Vorhaben im Innenbereich sind Folgende:

Voraussetzung Abgrenzung oder Bemerkung
Vorhaben i. S. d. § 29 BauGB
Kein qualifizierter B-Plan → sonst Planung vorrangig
Vorliege eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils - Abgrenzung zum Außenbereich, - Ggf. Berücksichtigung eines einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB)
Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung - Ggf. Zulässigkeit trotz fehlenden Einfügens, - Abweichungsmöglichkeit des § 34 Abs. 3a BauGB
Beurteilung bodenrechtlicher Spannungen und Rücksichtnahmegebot
Erschließung dauerhaft gesichert
Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse
Keine Beeinträchtigung des Ortsbildes

Die Vorschrift des § 34 BauGB kann folgendermaßen strukturiert werden:

Absatz Erläuterung
§ 34 Abs. 1 BauGB Städtebauliche Gemengelage: Nähere Umgebung lässt sich keinem Gebietstypus aus den §§ 2 - 10 BauNVO eindeutig zuordnen. Vorhaben ist zulässig, wenn es folgende Voraussetzungen erfüllt: Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung, dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Auf die BauNVO darf nicht unmittelbar abgestellt werden; trotzdem wird sie in der Praxis als Auslegungshilfe (also mittelbar) herangezogen.
§ 34 Abs. 2 BauGB) (Spezialvorschrift, daher vor § 34 Abs. 1 BauGB zu prüfen) Faktisches Baugebiet: Zulässigkeit des Vorhabens bzgl. der Art der baulichen Nutzung bestimmt sich nach §§ 2 – 15 BauNVO, Zulässigkeit des Vorhabens bzgl. Maß der baulichen Nutzung (Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche) beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB) von der Art der baulichen Nutzung sind im Einzelfall zulässig.
§ 34 Abs. 3 BauGB Keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
§ 34 Abs. 3a BauGB Sondervorschrift, die eine Abweichung vom Einfügegebot regelt, insbesondere ,um in städtebaulichen Gemengelagen, wo einst eine Bebauung existiert hatte, eine angemessene Nachverdichtung zu ermöglichen ohne nochmals eine aufwendige Bauleitplanung zu betreiben.
§ 34 Abs. 4 – Abs. 6 BauGB Voraussetzungen und Verfahren zur Aufstellung von Innenbereichssatzungen (s. o.)

Exkurs: Ein einst überplanter Innenbereich kann auch wieder zum unbeplanten Innenbereich werden. Früher, vor dem Inkrafttreten des BauGB im Jahre 1960, betrieben Kommunen den Städtebau öfter mit sog. Polizeiverordnungen (vgl. §§ 17 ff. PolG). Diese ähnelten heutigen B-Plänen teilweise stark. Polizeiverordnungen treten jedoch nach 20 Jahren nach ihrem Inkrafttreten wieder außer Kraft (vgl. § 25 Abs. 1 PolG). Was übrig bleibt, ist unbeplanter Innenbereich7. Dem ähnelt nun die Regelung in § 9 Abs. 2 BauGB, die u. a. befristete Festsetzungen in einem B-Plan zulässt. Ein Beispiel für ein faktisches Baugebiet findet sich hier.

3.1.6.6. Exkurs: Abrenzung zwischen Innen- und Außenbereich

Die Abrenzung zwischen einem Vorhaben im Innen- oder Außenbereich, ist nicht immer einfach. Hier gibt es sehr viele Meinungsverschiedenheiten. Wichtig ist zunächst, dass es immer auf den konkreten Einzelfall sowie die tatsächlichen Gegebenheiten (vor Ort) ankommt. In rechtlicher Hinsicht kommt es auf die genaue Anwendung des § 34 Abs. 1 S. 1 HS. 1 BauGB an, der Folgendes bestimmt: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, […]“.

Aus der Formulierung ergeben sich drei Voraussetzungen, um den Innen- vom Außenbereich abzugrenzen:

  • Bebauungszusammenhang: Dieses Merkmal meint eine tatsächlich aufeinander folgende Bebauung. Es besagt weiter, dass es auf die tatsächlich sichtbaren Verhältnisse ankommt. Somit sind „unsichtbare“ Grundstücksgrenzen für die Beurteilung, ob ein Bebauungszusammenhang vorliegt, unerheblich. Der Bebauungszusammenhang endet somit regelmäßig an der Gebäudeaußenkante, wobei wohnakzessorische Nutzungen, wie z. B. ein angemessener Hausgarten, noch dazugezählt werden.
  • Ortsteil: Dieses Merkmal bezieht sich auf den Bebauungszusammenhang und besagt, dass der Bebauungszusammenhang, der vorliegen muss, von einem gewissen Gewicht ist, also städtebauliche Relevanz hat. Maßstabsbildend, um die Eigenschaft als Ortsteil zu bejahen, sind hauptsächlich Wohngebäude.
  • Innerhalb: Das Vorhaben muss sich innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden. D. h., aber auch, dass Gebäude in Ortsrandlage noch zum Innenbereich gehören. Das Merkmal stellt weiter klar, dass ein Hinauswachsen in den Außenbereich grundsätzlich nicht erwünscht ist.
Beispiel: Ein größerer landwirtschaftlich genutzter Schuppen mit einer Grundfläche von 80 m² befindet sich in Mühlhausen Ortsrandlage. Neben dem Schuppen steht das Wohnhaus von Eigentümer E. Das Grundstück des E befindet sich in einem Dorf. Es gibt dort mehrere ältere Wohnhäuser und landwirtschaftlich genutzte Gebäude, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. E möchte den Schuppen für seinen Sohn umbauen lassen. Liegt der Schuppen noch im Innenbereich?8

Sofern man zu dem Ergebnis kommt, dass ein geplantes Bauvorhaben sowohl teilweise im Innen- als auch im Außenbereich liegt, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB9.

3.1.6.7. Vorhaben im Außenbereich - § 35 BauGB

Auch diese Vorschrift ist sehr lang. Daher soll hier nur ein Überblick gegeben werden. Ein fundiertes Verständnis der Struktur der Vorschrift dürfte wichtiger sein als Detailwissen. Die Vorschrift lässt sich jedenfalls wie folgt gliedern:

Vorhaben im Außenbereich (Anwendungsbereich des § 29 BauGB muss eröffnet sein)
Privilegierte Vorhaben § 35 Abs. 1 BauGB Nicht privilegierte Vorhaben § 35 Abs. 2 BauGB Begünstigte Vorhaben § 35 Abs. 4 BauGB
Öffentliche Belange, die (nicht abschließend) entgegenstehen können: § 35 Abs. 3 BauGB
Öffentliche Belange dürfen nicht entgegenstehen Öffentliche Belange dürfen nicht beeinträchtigt sein Bestimmte öffentliche Belange können einem Vorhaben nicht entgegengehalten werden
Bauausführung und Sicherungsmaßnahmen: § 35 Abs. 5 BauGB
Außenbereichssatzung: § 35 Abs. 6 BauGB

Der Außenbereich ist der Bereich, der außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) liegt.

Leitvorstellung des Gesetzgebers war und ist es, dass im Außenbereich grundsätzlich nicht gebaut werden soll. Das wird durch § 35 Abs. 5 BauGB unterstrichen. Die Vorschrift normiert das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Dieses hat primär Auswirkung darauf, wie ein Vorhaben ausgeführt werden soll.

Privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) sind abschließend in der Vorschrift aufgezählt. Es handelt sich hierbei um Vorhaben, die nach Auffassung des Gesetzgebers im Außenbereich zulässig sind, wenn ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert sind. Oftmals sind dies, abstrakt gesagt, Vorhaben die z. B. so störintensiv sind, dass sie im Innenbereich nicht verwirklicht werden können.
Beispiele: Schweinestall in der Nähe eines existierenden landwirtschaftlichen Betriebs (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB); Kläranlage (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB); öffentlich zugängliche Jagdhütte oder Schießplatz (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB); Windenergieanlage (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB).

Sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Es handelt sich um keine Ermessensvorschrift, jedoch um einen sehr streng auszulegenden Zulässigkeitstatbestand. In der Praxis scheitern solche Vorhaben bereits daran, dass sie entweder bereits den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen, schädliche Umweltauswirkungen hervorrufen können oder die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lassen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 7 BauGB).

Die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB sind nicht abschließend. Grundsätzlich ist jeder öffentliche Belang, den die Vorschrift nennt, dazu geeignet, die Unzulässigkeit des Vorhabens herbeizuführen. Die öffentlichen Belange beschränken also die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich.

Die begünstigten Vorhaben in § 35 Abs. 4 BauGB erweitern den Bestandsschutz im Außenbereich bereits existierender baulicher Anlagen. Die im Außenbereich vorhandenen baulichen Anlagen genießen, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Errichtung zulässig waren, nach Art. 14 GG Bestandsschutz, auch wenn sie als „sonstige Vorhaben“ zum aktuellen Zeitpunkt unzulässig wären. § 35 Abs. 4 BauGB ist eine Ausnahmevorschrift und daher eng auszulegen. Die Lockerung der Beschränkungen des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB erfolgt dadurch, dass den in § 35 Abs. 4 BauGB aufzählten Vorhaben nicht entgegengehalten werden kann, dass sie...

  • den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen,
  • die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen und
  • die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen.
Beispiel: Bauer B wohnt im Außenbereich und ist zur Zeit im Urlaub auf Rhodos. In einer schwülen Sommernacht gewittert es. Ein Blitz schlägt ins Wohngebäude des B mit angebautem Ökonomieteil ein. Das Stroh im Ökonomieteil fängt Feuer. Es kommt zum Brandüberschlag. Die Hofstelle des B fackelt bis auf die Grundmauern ab. Darf B diese nach seinem Urlaub wiederaufbauen?10

3.1.7. Baunutzungsverordnung (§ 9a BauGB i. V. m. BauNVO)

Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) ist eine auf Basis des § 9a BauGB erlassene Rechtsverordnung. Die Bedeutung der BauNVO ist äußerst hoch. Sie hat Bedeutung für die einzelnen Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 5 Abs. 2 BauGB, § 1 Abs. 1 BauNVO) und konkretisiert auch insbesondere die Art und das Maß der baulichen Nutzung, das gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Bebauungsplan festgesetzt werden kann. Außerdem hat die BauNVO Bedeutung für die Zulässigkeit von Vorhaben nach §§ 30, 34 BauGB.

Es gibt verschiedene Baunutzungsverordnungen. Die erste BauNVO trat 1962 in Kraft und wurde seither mehrmals geändert und ergänzt. Es ist somit jede BauNVO noch in Kraft. Das ergibt sich auch bereits aus dem Umstand, dass jedem Bebauungsplan zeitlich nur diejenige BauNVO zugrundegelegt werden kann, die zur Zeit der Aufstellung und des Satzungsbeschlusses des BPlans Gültigkeit hatte. D. h., wenn ein BPlan aus dem Jahr 1980 als Satzung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht wurde, ist die BauNVO 1977 heranzuziehen. Eine Ausnahme hiervon ist jedoch § 34 Abs. 2 BauGB. Die Vorschrift enthält eine dynamische Verweisung auf die jeweils gültige BauNVO.

Die BauNVO hat 5 Abschnitte: Die Vorschriften des ersten Abschnitts (§§ 1 – 15 BauNVO) betreffen die Art der baulichen Nutzung und ergänzen §§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB. Der zweite Abschnitt (§§ 16 – 21a BauNVO) macht Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung und ergänzt § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BauGB. Der dritte Abschnitt betrifft die Bauweise sowie die überbaubare Grundstücksfläche (§§ 22, 23 BauNVO) (also auch das Maß der baulichen Nutzung) und ergänzt § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB. Den vierten Abschnitt gibt es nicht mehr und der fünfte Abschnitt (§§ 25 – 27 BauNVO) enthält Überleitungs- und Schlussvorschriften.

3.1.7.1. Die Art der baulichen Nutzung: Die einzelnen Baugebietstypen

Der Gesetzgeber zählt in den §§ 1 Abs. 2, 2 – 12 BauNVO verschiedene Baugebietstypen modellhaft auf. § 1 Abs. 3 BauNVO unterwirft die planende Gemeinde bei der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich einem Typenzwang. Sie muss sich der Baugebiet des § 1 Abs. 2 BauNVO bedienen und darf keine eigenen Baugebietstypen entwickeln. Das festgesetzte Baugebiet wird Bestandteil des BPlans (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO).

Die grundsätzliche Struktur der Vorschriften in §§ 2 – 9 BauNVO ist an sich immer dieselbe:

1. Absatz: Es wird eine allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gemacht,
2. Absatz: Es werden die allgemein zulässigen Anlagen in dem Gebiet typisierend und abstrakt-generell beschrieben,
3. Absatz: Es werden ausnahmsweise zulässige Anlagen thematisiert; hier ist die Parallelvorschrift im BauGB der § 31 Abs. 1 BauGB.

Die wichtigsten Baugebietstypen beispielhaft und von der Zweckrichtung erwähnt:

Baugebietstyp Zweck und Beispiel
Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 BauNVO) Zweck: Wohnen mit intensiver Gartenbaunutzung + Kleintierhaltung, nicht zulässig: Gaststätten; Autowerkstatt
Reine Wohngebiete (§ 3 BauNVO) Zweck: Nur Wohnen (große Wohnruhe), nicht zulässig: Gaststätten, Taxibetrieb
Allgemeine Wohngebiete (§ 4 BauNVO) Zweck: Vorwiegend Wohnen und Anlagen, die den materiellen und sozialen Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen, nicht zulässig: Autowerkstatt
Dorfgebiete (§ 5 BauNVO) Zweck: Belange der Land- und Forstwirtschaft, Wohnen, nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe – Gebietstyp hat breitestes Nutzungsspektrum
Mischgebiete (§ 6 BauNVO) Zweck: Wohnen und gleichzeitige Unterbringung von Gewerbebetrieben, die Wohnen nicht wesentlich stören – beide Nutzungsarten müssen qualitativ und quantitative Gleichwertigkeit und -gewichtigkeit aufweisen
Kerngebiete (§ 7 BauNVO) Zweck: Unterbringung von Handelsbetrieben, zentralen Einrichtungen von Wirtschaft, Verwaltung und Kultur (City-Bereich einer Großstadt)
Gewerbegebiete (§ 8 BauNVO) Zweck: Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, grundsätzlich Unzulässig: Wohnen; Ausnahme: betriebliches Erfordernis
Industriegebiete (§ 9 BauNVO) Zweck: Unterbringung von immissionsintensiven Gewerbebetrieben, Bsp.: Reifen-Recycling-Betrieb
Sondergebiete der Erholung (§ 10 BauNVO) Aufzählung der versch. Sondergebiete ist nicht abschließend, Zweckbestimmung und Art der zulässigen Nutzung muss im B-Plan genau festgesetzt werden
Sonstige Sondergebiete (§ 11 BauNVO) Zweckbestimmung und Art der zulässigen Nutzung muss im B-Plan genau festgesetzt werden, Bsp.: Gebiet für großflächigen Einzelhandel (Einkaufszentrum) oder Hafengebiet, Klinikgebiet, Messegebiet, Go-Kart-Bahn, usw.

Die jeweiligen Gebietstypen haben grundsätzlich nachbarschützende Wirkung. D. h., ein Anwohner eines reinen Wohngebiets kann sich z. B. gegen eine illegal errichtete Autolackiererei in der Nachbarschaft wehren.

3.1.7.2. Das Maß der baulichen Nutzung: Begriffe (§§ 16 – 21a BauNVO)

Durch das Maß der baulichen Nutzung lässt sich die bauliche Ausnutzung des Grundstücks festlegen. Die Regelungen sind nicht aus sicher heraus nachbarschützend.

Das Maß der baulichen Nutzung bezweckt vor allem die geordnete städtebauliche Entwicklung. Die wichtigsten Festlegungen hat § 17 BauNVO zusammengefasst und sind wie folgt:

  • Grundflächenzahl: Zweck der Grundflächenzahl ist die Begrenzung der Bodennutzung, auch die Größe des Baukörpers wird dadurch mittelbar gesteuert. Sie gibt an, wie viel Quadratmeter Grundfläche baulicher Anlagen je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Sie ist eine relative Zahl, die höchstens 1,0 betragen kann, nämlich wenn das Grundstück vollständig überbaut werden darf. Bezugsgröße ist immer die Fläche des Grundstücks.
Beispiel: Größe des Grundstücks: 1.000 m²; Grundflächezahl: 0,4. Auf dem Grundstück zulässige Grundfläche der baulichen Anlagen: 400 m²; Freifläche: 600 m².
  • Geschossflächenzahl: Durch die Festsetzung der Geschossfläche dimensioniert der B-Plan die Baukörper und gestaltet die Bebauungsdichte im Plangebiet. Die Geschossflächenzahl gibt an wie viel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeber Grundstücksfläche zulässig sind (§ 20 Abs. 2 BauNVO).
Beispiel: Ein 500 m² großes Grundstück bei einer GFZ von 0,8 darf nicht mehr als 400 Geschoss-Quadratmeter aufweisen. Die Formel ist in dem Fall 500 x 0,8.
  • Baumassenzahl: In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten kann gem. § 17 Abs. 1 BauNVO die Dimensionierung der Baukörper durch Festsetzung einer an den Maßen der Vorschrift auszurichtenden Baumassenzahl oder der Baumasse erfolgen. Die Baumassenzahl gibt an, wie viel Kubikmeter Baumasse je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind (§ 21 Abs. 1 BauNVO). Sie ist auch eine relative Zahl, welche die Größe des Baukörpers in Abhängigkeit von der Grunstücksgröße festlegt.

Zur Bauweise (§ 22 BauNVO):

Durch eine derartige Festsetzung kann die Gemeinde für aufgelockerte oder zusammenhängende Bebauung sorgen. Es gibt drei Arten von Bauweisen: Offene Bauweise (§ 22 Abs. 2 BauNVO), geschlossene Bauweise (§ 22 Abs. 3 BauNVO) und die sonstige / abweichende Bauweise (§ 22 Abs. 4 BauNVO).

Verlangt der BPlan (oder § 34 BauGB) eine geschlossene oder abweichende Bebauung, verdrängt das Planungsrecht das Bauordnungsrecht (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 LBO). Setzt der BPlan die Bauweise aber nicht fest, bestimmt das Bauordnungsrecht, ob und in welcher Breite Grenzabstände einzuhalten sind.

Zur überbaubaren Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO)

Die überbaubare Grundstücksfläche bezeichnet den Teil des Grundstücks, auf dem bauliche Anlagen errichtet werden dürfen. Um dies, bzw. die Lage des Baukörpers, genauer festzulegen, können im BPlan u. a. Baulinien und Baugrenzen festgesetzt werden.

Setzt der BPlan eine Baulinie fest, muss zwingend auf dieser Linie gebaut werden (§ 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO). Ein geringfügiges (max 10 %) Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen kann als Ausnahme (§§ 23 Abs. 2 S. 2 BauNVO, 31 Abs. 1 BauGB) zugelassen werden. Setzt der BPlan eine Baugrenze fest, heißt das, dass Gebäude- und Gebäudeteile diese Grenze nicht überschreiten dürfen. Anders als bei der Baulinie ist jedoch ein Zurücktreten hinter die Baugrenze in Ordnung. Auch hier kann der BPlan geringfügige Ausnahmen zulassen (§§ 23 Abs. 3 S. 2, S. 3, Abs. 2 S. 3 BauNVO, 31 Abs. 1 BauGB).

Exkurs: Planzeichenverordnung

Grundlage für die zeichnerischen Festsetzungen in einem Bauleitplan bildet die Planzeichenverordnung. Es handelt sich hierbei um eine Verordnung auf Basis des § 9a Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Die Gemeinde ist grundsätzlich an die Planzeichenverordnung (PlanZV) gebunden, es sei denn, es ist für eine bestimmte Festsetzung in der PlanZV kein Planzeichen vorhanden. Dann darf die Gemeinde eigene Zeichen entwickeln. Sie darf auch eigene Zeichen entwickeln, sofern diese allgemein verständlich sind oder entsprechend erläutert werden.

3.1.8. Beteiligung der Gemeinde (§ 36 BauGB)

Das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens schützt die Planungshohet der Gemeinde. Es ist denkbar und zulässig, dieses mit Nebenbestimmungen zu versehen, insbesondere, wenn ein Sachverhalt noch nicht abschließend geklärt ist. Das gemeindliche Einvernehmen ist aber kein Verwaltungsakt, sondern ein verwaltungsinterner Mitwirkungsakt der Gemeinde ggü. der Baurechtsbehörde11.

Das Einvernehmen ist bei allen Vorhaben erforderlich, deren Zulässigkeit sich nach den §§ 31, 33 – 35 BauGB richtet. Im Fall des § 30 Abs. 1 BauGB (qualifizierter Bebauungsplan) bedarf es keines gemeindlichen Einvernehmens. Stattdessen ist nur sicherzustellen, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 14, 15 BauGB (Zurückstellung von Baugesuchen) entscheiden kann.

Das Einvernehmen darf nur aus den sich aus den §§ 31, 33 – 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden (§ 36 Abs. 2 S. 1 BauGB). Wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber vorliegen, also das Vorhaben unter bauplanungsrechtlichen Aspekten genehmigt werden kann, muss die Gemeinde das Einvernehmen erteilen. Tut sie dies nicht, ist die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig. § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB bestimmt dann, dass das rechtswidrig versagte Einvernehmen ersetzt werden kann. - Diese Vorschrift bestimmt also das „Ob“ der Ersetzung. Das „Wie“, also der Verfahrensablauf der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, ist in der landesrechtlichen Bestimmung des § 54 Abs. 4 LBO geregelt, die wegen § 29 Abs. 2 BauGB noch zu prüfen ist. Vor der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch die untere Baurechtsbehörde ist die Gemeinde in jedem Fall anzuhören (§ 28 LVwVfG, § 54 Abs. 4 S. 6, 7 LBO).

Das gemeindliche Einvernehmen ist aber nicht erforderlich, wenn die Baurechtsbehörde und die Gemeinde identisch sind12.

4. Bauordnungsrecht (Baden-Württemberg)

Das Bauordnungsrecht ist Landesrecht und zählt zum besonderen Verwaltungs, bzw. Polizei- und Sicherheitsrecht. Die Vorschriften in der Landesbauordnung (LBO) sollen die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Baubereich gewährleisten, also Gefahrenabwehr von der Statik bis zum Nachbarschutz. Stets daneben anwendbar bleiben die allgemeinen Regelungen aus dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG).

4.1. Anwendungsbereich und Zweckrichtung (§§ 1, 3 LBO)

Der Anwendungsbereich der Landesbauordnung richtet sich hauptsächlich danach, ob wir es mit einer baulichen Anlage zu tun haben (§ 1 Abs. 1 S. 1 LBO), also einer unmittelbar mit dem Erdboden verbundenen, aus Bauprodukten hergestellten Anlage (§ 2 Abs. 1 S. 1 LBO). § 1 Abs. 1 S. 2 LBO bestimmt weiter, dass die LBO auch für Grundstücke, andere Anlagen und Einrichtungen gilt, an die in der LBO oder LBOAVO Anforderungen gestellt werden. § 1 Abs. 2 LBO enthält Einschränkungen und Ausnahmen vom Anwendungsbereich.

Der Geltungsbereich der LBO erstreckt sich natürlich aber auch auf solche baulichen Anlagen, die keine Baugenehmigung erfordern, wie z. B. verfahrensfreie Bauvorhaben (§ 50 Abs. 5 und 51 Abs. 4 LBO). Ob eine Baugenehmigung erforderlich ist, oder eine Kenntnisgabe möglich ist, muss anhand der §§ 49 ff. LBO geprüft werden.

4.2. Begriffe (§ 2 LBO)

Die Vorschrift enthält eine ganze Reihe von Legaldefinitionen zu Kernbegriffen der LBO. Zweck der Vorschrift ist es, die rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen sicherzustellen. § 2 LBO bezweckt aber nicht, abschließend alle im Gesetz verwendeten Begriffe zu definieren. Manche Legaldefinitionen finden sich etwas versteckter im Gesetz, z. B. diejenige des „Behelfsbaus“ (vgl. § 56 Abs. 4 Nr. 2 LBO).

4.2.1. Bauliche Anlagen und fiktive Bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 LBO)

Anders als im BauGB definiert die LBO den Begriff der (echten) baulichen Anlage ausdrücklich in § 2 Abs. 1 S. 1 LBO als „unmittelbar mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen“. Die Vorschrift hat folgende Tatbestandsvoraussetzungen:

  • unmittelbar mit dem Erdboden verbunden
    • Unmittelbarkeit: Das Erfordernis der Unmittelbarkeit bringt die Selbständigkeit baulicher Anlagen zum Ausdruck. Gegenbeispiel hierzu wären z. B. Aufzugs- oder andere haustechnische Anlagen, sowie Messestände, die nur Möblierung der Hallen für eine gewisse Zeit sind.
    • Mit dem Erdboden verbunden: Hiermit ist gemeint, dass die Anlage eine auf Dauer angedachte Ortsgebundenheit haben soll. Für die Ortsgebundenheit kann es reichen, dass die Anlage auch z. B. ohne besonderes Fundament, auf dem Grundstück ruht oder nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.
    • Herstellung aus Bauprodukten: Der Begriff der Bauprodukte ist in § 2 Abs. 10 LBO umschrieben; für die bauliche Anlage haben die Bauprodukte immer eine Hilfsfunktion.
Beispiele für echte bauliche Anlagen sind: Futtersilo, Schwimmbecken, Stützmauer.
Fiktive baulichen Anlagen gelten als bauliche Anlagen, obwohl es sich dabei nach dem Sprachgebrauch um keine Bauwerke handelt, die aus Bauprodukten hergestellt sind. Für all die in § 2 Abs. 1 S. 3 LBO aufgezählten Anlagen ist aber kennzeichnend, dass sie mit einer gewissen Dauerhaftigkeit angelegt sind und von ihnen Gefahren ausgehen oder sie bodenrechtlich beachtliche Spannungen auslösen können.
Beispiele für fiktive bauliche Anlagen sind: Parkplatz, Bogenparcours, etc..

4.2.2. Gebäude (§ 2 Abs. 2 LBO)

Gebäude sind die typische Form einer echten baulichen Anlage gem. § 2 Abs. 1 S. 1 LBO. Gebäude haben nach § 2 Abs. 2 LBO vier Tatbestandsvoraussetzungen, die alle vorliegen müssen:

  1. Möglichkeit der selbständigen Benutzbarkeit → Bauwerk kann autonom benutzt werden, d.h., ist nicht auf andere bauliche Anlagen angewiesen;
  2. Überdeckung → z. B. ein Dach, das Merkmal ist aber auch erfüllt, wenn die Überdeckung zeitweise entfernt werden kann,
  3. Betretbarkeit → Abgrenzung zum Freiraum; Betretbarkeit ist nur gegeben, wenn ein erwachsener Durchschnittsmensch ohne Mühe in die bauliche Anlage gelangt;
    und
  4. Schutzeignung

4.2.3. Wohngebäude (§ 2 Abs. 3 LBO)

Wohngebäude sind Gebäude mit Aufenthaltsräumen (s. später im Skript und vgl. § 2 Abs. 7 LBO), an die in der Bauordnung besondere Anforderungen hinsichtlich der Gefahrenabwehr und Sicherheitsstandards gestellt werden.
Beispiel: Handelsvertreter B, der für eine Zeitung arbeitet, lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in seinem Einfamilienhaus und hat sich hier noch zusätzlich einen Büroraum eingerichtet, um von dort aus Kunden zu erreichen, Rechnungen zu schreiben und für die Zeitung zu arbeiten.

4.2.4. Gebäudeklassen und (Voll-)Geschosse (§ 2 Abs. 4 – Abs. 6 LBO)

Gebäude werden seit der LBO 2010 in fünf Gebäudeklassen eingeteilt, wobei das Anforderungsniveau von Klasse 1 bis 5 in Abhängigkeit vom Brandrisiko und hinsichtlich der Standsicherheit ansteigt. Warum eigentlich?13

Die Einteilungskriterien bei den Gebäudeklassen richten sich grundsätzlich und abstrahiert nach der Gebäudehöhe, der Zahl und der Größe der Nutzungseinheiten, teilweise aber auch nach der Nutzungsart (vgl. § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Nr. 5 LBO).

Der Begriff des Geschosses und des Vollgeschosses hat innerhalb der LBO, aber auch dem BauGB und der BauNVO eine große Bedeutung. Zahlreiche Einzelvorschriften nehmen auf die Begriffe Bezug und knüpfen daran Rechtsfolgen. Beispielsweise ist die Klassifizierung der Gebäude von der Höhe des Gebäudes abhängig, die nach dem Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses bestimmt wird.

Geschoss (§ 2 Abs. 5 LBO): „Geschosse sind oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,4 m über die Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse.“.

Vollgeschosse (§ 2 Abs. 6 S. 1 LBO): „Vollgeschosse sind Geschosse, die mehr als 1,4 m über die im Mittel gemessene Geländeoberfläche hinausragen und, von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüberliegenden Decke oder bis Oberkante Dachhaut des darüberliegenden Daches gemessen, mindestens 2,3 m hoch sind.“.

Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Nur ein oberirdisches Geschoss kann ein Vollgeschoss sein.
  • Keine Vollgeschosse sind Kellergeschosse oder oberste Geschosse, bei denen die Höhe von 2,3 m über weniger als ¾ der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorhanden ist.

4.2.5. Aufenthaltsräume (§ 2 Abs. 7 LBO)

Der Begriff des Aufenthaltsraums hat in der LBO selbständige Bedeutung, weil an Aufenthaltsräume besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. § 34 LBO). Zu den Merkmalen des Aufenthaltsraums gehören neben den allgemeinen für das Gebäude (und Gebäudeteile) zur Anwendung kommenden Bestimmungskriterien weitere Zusatzmerkmale, die vorliegen müssen:

  • Die Räumlichkeit muss objektiv dazu bestimmt und geeignet sein, damit sich Menschen dort aufhalten können;
  • dies ist schon dann der Fall, wenn sich Menschen dort nur vorübergehend aufhalten können (Daueraufenthalt ist kein Erfordernis);
  • Ausreichende Belüftung und ausreichende Versorgung mit Tageslicht (§ 34 Abs. 2 LBO).
Beispiele für Aufenthaltsräume: Wohn- und Arbeitszimmer, Hotelzimmer, Klassenzimmer, Haftzelle, Turnhalle. Beispiele für keine Aufenthaltsräume: Garage, Heiz- und Trockenraum, Abstellraum, Küche von weniger als 10 m², Gang, Badezimmer, Toilette.

4.2.6. Stellplätze (§ 2 Abs. 8 LBO)

Stellplätze gehören zu den fiktiven baulichen Anlagen (§ 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 LBO). Für einen Stellplatz ist kennzeichnend, dass er im Freien außerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche gelegen und den Zweck hat, dass ein Kfz dort abgestellt werden. Die Definitionsvorschrift ist wichtig wegen § 37 LBO.

Überdachte Stellplätze, also Carports, sind in der LBO nicht geregelt. Sie gelten als Garagen (§ 2 Abs. 8 S. 2 LBO).

4.2.7. Werbeanlagen (§ 2 Abs. 9 LBO)

Der Begriff der Werbeanlage setzt sich aus mehreren Begriffsmerkmalen zusammen, die alle in § 2 Abs. 9 S. 1 LBO enthalten sind:

  • örtlich gebundenen Einrichtungen,
  • der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen
    und
  • vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar.

§ 2 Abs. 9 S. 2 LBO enthält eine nicht abschließende beispielhafte Aufzählung. § 2 Abs. 9 S. 3 LBO nimmt die dort genannten Anlagen ausdrücklich aus dem Kreis der Werbeanlagen aus, obwohl sie Werbeanlagen abstrakt nahekommen.

4.2.8. Bauprodukte (§ 2 Abs. 10 LBO)

Zu den Bauprodukten gehören gem. § 2 Abs. 10 LBO neben Baustoffen (z. B. Ziegelsteine), auch Bauteile (also ein vorgefertigtes Teilstück z. B. eines Wohnhauses) und Anlagen (z. B. Heizung), die hergestellt werden, um in baulichen Anlagen eingebaut zu werden.

Ein Bausatz ist ebenfalls ein Bauprodukt, das von einem einzigen Hersteller als Satz von mindestens zwei getrennten Komponenten, die zusammengefügt werden müssen, um ins Bauwerk eingefügt zu werden, in Verkehr gebracht wird.

4.2.9. (Begriffliche) Gleichstellungsklausel (§ 2 Abs. 13 LBO)

Die Vorschrift stellt klar, dass alle baulichen Maßnahmen, die sich auf die Verwirklichung einer baulichen Anlage, einer Einrichtung oder anderen Anlage beziehen, in der LBO gleichbehandelt werden. Daher gibt es bzgl. der geltenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen zwischen den verschiedenen Arten baulicher Maßnahmen grundsätzlich keinen Unterschied.
Beispiel: B will seine Scheune in Ortsrandlage so umbauen, dass sein Sohn darin wohnen kann. B will also eine Nutzungsänderung. Er muss hierbei z. B. auch das allgemeine Abstandsflächenrecht einhalten (vgl. § 5 Abs. 7 S. 2 LBO), das er auch beachten müsste, wenn er die Scheune abreißt und anschließend ein Wohnhaus errichten wollte.
Ausnahme und Beispiel: Die Scheune des B, die er umnutzen will, steht nur 0,50 m von der Grenze entfernt. Die Baugenehmigung für die Scheune erhielt er im Jahr 1984. Bs Nachbarn sind mit dem Vorhaben einverstanden, insbesondere, weil keine Fensteröffnungen zur Grenze geplant sind. Die Baurechtsbehörde wird in der Baugenehmigung für die Nutzungsänderung den Anspruch auf Abweichung (vom Abstandsflächenrecht) gem. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO berücksichtigen müssen.

4.3. Bebauung der Grundstücke und Abstandsflächen (§§ 4 – 7 LBO)

4.3.1. Bebauung der Grundstücke (§ 4 LBO)

Die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 LBO ist, dass ein Gebäude errichtet werden darf.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 LBO hat die folgenden Voraussetzungen:

  • Grundstück: Ein Grundstück ist ein räumlich abgegrenzter, katastermäßig vermessener Teil der Erdoberfläche. Der Begriff „Grundstück“ in § 4 Abs. 1 LBO bezieht sich immer auf das Buchgrundstück, nicht auf das durch Baulast (§ 71 LBO) kreierte Grundstück.
    • Ein Buchgrundstück ist in § 3 Abs. 1 GBO näher wie folgt umschrieben: „Jedes Grundstück erhält im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt). Das Grundbuchblatt ist für das Grundstück als das Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzusehen.“.
    • Beispiel für ein durch Baulast kreiertes Grundstück und gleichzeitig Beispiel für § 4 Abs. 2 LBO: Grundstück, Flst. 10, Gemarkung Pfullendorf auf Grundbuchblatt Nr. 102 und Grundstück, Flst. 45, Gemarkung Pfullendorf auf Grundbuchblatt Nr. 788 sind direkt nebeneinander. Investor I erwirbt beide Grundstücke. Er will auf den beiden Grundstücken ein großes Gebäude errichten. I erklärt vor der Baurechtsbehörde die Übernahme einer Baulast mit dem Inhalt, dass die beiden Grundstücke als ein Grundstück gelten und dies von der Baurechtsbehörde so geduldet werden soll.14
  • Das Grundstück liegt in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche: Das Bauordnungsrecht regelt hier die Erschließung nochmals speziell im Verhältnis zum Bauplanungsrecht und macht Mindestanforderungen an die Zugänglichkeit. Das Grundstück liegt dann in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche, wenn Lösch- und Rettungsfahrzeuge das Gebäude auf einem Grundstück wirksam erreichen können.

oder

  • das Grundstück hat eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche: Mit dem Merkmal der öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt ist z. B. eine Überfahrtsbaulast über ein anderes Grundstück gemeint15.

§ 4 Abs. 3 LBO regelt den einzuhaltenden Abstand von Gebäuden zu Wäldern, sowie Gebäuden mit Feuerstätten zu Wäldern, Mooren und Heiden. Die Vorschrift bezweckt die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie Sicherheit vor Bränden.

4.3.2. Abstandsflächenrecht (§§ 5 – 7 LBO)

Das Abstandsflächenrecht ist im Detail sehr kompliziert. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Grundzüge. Die Zwecke des Abstandsflächenrechts sind die Folgenden: Belichtung, Belüftung, Begegnung der Brandgefahr und die störungsfreie Benutzung im nachbarlichen Grundstückszusammenhang.

4.3.3. Die Struktur der Grundvorschrift des § 5 LBO

Normabsatz Kurzerläuterung
§ 5 Abs. 1 LBO Erforderlichkeit von Abstandsflächen bei baulichen Anlagen. Vorrang der Regelungen des Bebauungsplans zur Grenzbebauung
§ 5 Abs. 2 LBO Lage der Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst oder auf öffentlichen (Verkehrs)Flächen
§ 5 Abs. 3 LBO Grundsätzlich keine sich überdeckende Abstandsflächen
§ 5 Abs. 4 LBO Berechnungsgrundlagen der Abstandsflächentiefe: Jeweilige Wandhöhe der baulichen Anlage bei ebenem Gelände, ansonsten Mittelwert gemessen von den unteren Eckpunkten
§ 5 Abs. 5 LBO Anrechenbare Baukörper auf die Wandhöhe
§ 5 Abs. 6 LBO Bauteile, die bei der Berechnung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben
§ 5 Abs. 7 LBO Mindesttiefe der Abstandsflächen: 2,50 m dürfen nicht unterschritten werden16
Beispiel für Berechnung der Abstandsflächentiefe: B lebt in einem Dorfgebiet. Er will eine Scheune auf seinem Grundstück errichten mit einer 6 m hohen Wand, daran anschließendem Satteldach, jeweils mit Schneefanggittern mit einer Höhe von 20 cm auf der Traufseite. Welche Abstandsflächentiefen muss B zum Grundstück seines Nachbarn einhalten?17

4.3.4. Abstandsflächenrechtliche Sonderfälle des § 6 LBO

§ 6 LBO regelt Sonderfälle, die von den allgemeinen Regeln des § 5 LBO abweichen. Sicherheitspolitischer Hintergrund der Vorschrift ist, dass die z. B. in § 6 Abs. 1 LBO benannten baulichen Anlagen keine oder nur sehr geringe Gefahrneigung haben. Der § 6 Abs. 3 LBO nimmt hingegen bereits existierende bauliche Strukturen in den Blick (z. B. Traufgassenbauweise in mittelalterlichen Innenstädten) oder ungefährliche Situationen. Die Struktur der § 6 LBO ist:

Normabsatz Kurzerläuterung
§ 6 Abs. 1 LBO Bestimmte bauliche Anlagen sind in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen als auch ohne eigene Abstandsflächen zulässig. Beispiel: Grenzgarage (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 LBO).
§ 6 Abs. 2 LBO Für den Fall, dass Abstandsflächen vorgesehen werden, obwohl es nicht erforderlich wäre, ist ein Mindestabstand von 0,50 m erforderlich.
§ 6 Abs. 3 LBO Die Norm regelt einerseits einen Anspruch auf Zulassung geringerer Tiefen von Abstandsflächen als es eigentlich nach § 5 LBO notwendig wäre. Andererseits enthält die Norm die Möglichkeit, in überwiegend bebauten Gebieten geringere Tiefen als die in § 5 LBO vorgesehenen Abstandsflächen behördlicherseits zu verlangen, wenn es die Gestaltung des Straßenbildes oder besondere örtliche Verhältnisse erfordern.

4.3.5. Sicherung der Abstandsflächen durch Baulast gem. § 7 LBO

§ 7 S. 1 LBO stellt die Möglichkeit einer über § 5 Abs. 1 S. 2 LBO hinausgehenden Ausnahme vom Abstandsflächengebot des § 5 Abs. 1 S. 1 LBO dar. Voraussetzung ist die Sicherung durch öffentlich-rechtliche Baulast (§§ 71, 72 LBO) auf dem dienenden Grundstück, dass die auf diesem zu liegen kommende Abstandsfläche zu Gunsten des herrschenden Grundstücks nicht überbaut und auch nicht für andere Abstandsflächen herangezogen werden kann. Der Eigentümer des Nachbargrundstücks (dienendes Grundstück) muss in dem Fall die Übernahme einer entsprechenden Baulast vor der Baurechtsbehörde erklären.

§ 7 S. 2 LBO verweist dann mittelbar auf § 56 Abs. 2 – Abs. 5 LBO. Es sind also in (ganz) besonderen Umständen auch Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen von abstandsflächenrechtlichen Vorschriften denkbar.

Das Rechtsinstitut der Baulast wurde bereits weiter oben angesprochen. § 71 Abs. 1 S. 2 LBO enthält eine Legaldefinition der Baulast: „Durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde können Grundstückseigentümer öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten).“. Eine Baulast ermöglicht es, abstrakt gesagt, weitere inhaltliche Anforderungen an das materielle Bau(ordnungs)recht zu stellen, indem z. B. ein Nachbar teilweise auf die Einhaltung von abstandsflächenrechtlichen Vorschriften verzichtet.

4.4. Stellplätze (§ 37 LBO)

Diese wichtige Vorschrift regelt die Herstellung von Stellplätzen bei der Errichtung und (Nutzungs-)Änderung baulicher Anlagen als Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung. Zweck der Vorschrift ist, dass der ruhende Verkehr, der durch eine bauliche Anlage verursacht wird, nicht den öffentlichen Straßenraum belasten, sondern von Stellplätzen aufgenommen werden soll.

§ 37 Abs. 1 S. 1 LBO macht Vorgaben für die Anzahl der notwendigen Stellplätze bzgl. Wohnungen: Grundsätzlich gilt: Pro Wohnung ein Kfz-Stellplatz.

§ 37 Abs. 1 S. 2 macht Vorgaben hinsichtlich der Anzahl von Stellplätzen bei anderen baulichen Anlagen. Hierbei macht § 37 Abs. 1 S. 2 LBO vor allem die Vorgabe, dass die Anzahl der Stellplätze für deren ordnungsgemäße Benutzbarkeit ausreicht. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Dieser wird durch die VwV Stellplätze (derzeit vom 22. Juni 2022 – Az.: MLW22-26-204/187/16) weiter konkretisiert.

§ 37 Abs. 2 LBO bestimmt, dass auch Fahrradstellplätze hergestellt werden müssen.

Gem. § 37 Abs. 3 LBO sind bei einer Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage Stellplätze nach dem zusätzlich zu erwartenden Bedarf herzustellen. Das gilt ausnahmsweise aber nicht, wenn die (Nutzungs-)Änderung der Schaffung von zusätzlichem Wohnraum dient und die Baugenehmigung oder Kenntnisgabe für das Gebäude mindestens fünf Jahre zurückliegt (§ 37 Abs. 3 S. 2 LBO). Die Vorschrift ist im Verhältnis zu § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO spezieller, da sie für den Bauherrn günstiger ist.

Unter den in § 37 Abs. 4 LBO näher bestimmten Voraussetzungen muss die Baurechtsbehörde die Stellplatzherstellungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt zulassen.

Die Herstellungspflicht von Stellplätzen ist örtlich gem. § 37 Abs. 5 LBO nicht auf das Baugrundstück beschränkt, sondern kann, wenn entsprechend durch Baulast gesichert, auch auf einem anderen Grundstück erfüllt werden. Bei Wohngrundstücken muss die Entfernung zwischen Stellplatz und Wohnung noch zumutbar sein. Das ist bei mehr als 250 m – 300 m nicht mehr der Fall.

Ist die Herstellung der notwendigen Stellplätze unmöglich oder unzumutbar, kann die Stellplatzpflicht durch Zahlung eines Geldbetrags an die Gemeinde abgelöst werden (§ 37 Abs. 6 LBO). Dies gilt aber nicht für die notwendigen Kfz-Stellplätze für Wohnungen (§ 37 Abs. 7 S. 1 LBO), also nur für andere bauliche Anlagen. § 37 Abs. 1 S. 2 LBO enthält aber eine weitere spezielle Abweichungsvorschrift zu § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO, welche es in den eng begrenzten Fällen ohne die Zahlung eines Geldbetrags ermöglicht, keine Stellplätze für Wohnungen schaffen zu müssen.

§ 37 Abs. 8 LBO regelt, dass notwendige Stellplätze mit Rücksicht auf die Umgebung anzuordnen und herzustellen sind, also insbesondere sicher für spielende Kinder (§ 9 Abs. 2 LBO, § 1 Abs. 1 LBOAVO).

4.5. Barrierefreie Anlagen (§ 39 LBO)

Es geht hierbei um Teilhabe. Zweck der Vorschrift ist die Integration von Menschen mit Behinderungen in das gesellschaftliche und berufliche Leben durch eine hindernisfreie bauliche Umwelt. Bauliche Anlagen, die überwiegend von Menschen mit Behinderung oder alten Menschen genutzt werden (können), müssen so errichtet werden, dass sie ohne fremde Hilfe benutzbar sind. Dies gilt auch für andere Arten von Gebäuden (vgl. § 39 Abs. 2 LBO) z. B. Bürogebäude, Läden, Gaststätten und größere Gewerbebetriebe.

Ausnahmen gem. § 39 Abs. 3 LBO sind nicht möglich für Anlagen nach § 39 Abs. 1 LBO, sondern nur für Anlagen gem. § 39 Abs. 2 LBO. Bei der allgemeinen Ausnahmezulassung gilt ergänzend § 56 Abs. 3 LBO, womit immer eine atypische Situation vorausgesetzt wird. Es ist stets ein individueller Kosten-Nutzungen-Vergleich erforderlich und die Ausnahme darf nicht gegen andere bauordnungsrechtliche Belange verstoßen. Ein grober Anhaltspunkt für eine Unzumutbarkeit ist erst gegeben, wenn mehr als 20 % der Gesamtbaukosten durch die barrierefreie Herstellung überschritten sind.

4.6. Am Bau Beteiligte (§§ 41 – 45 LBO)

In den §§ 41 - 45 LBO wird die Verantwortlichkeit der am Bau beteiligten Personen ggü. der Baurechtsbehörde geregelt. Es gibt den Bauherrn (§ 42 LBO), den Entwurfsverasser (§ 43 LBO), den Unternehmer (§ 44 LBO) und den Bauleiter (§ 45 LBO).

4.6.1. Allgemeines (Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit)

Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit ist in § 41 LBO geregelt. Dieser Grundsatz wird in den Vorschriften der §§ 42 – 45 LBO jeweils weiter konkretisiert und bzgl. der einzelnen am Bau Beteiligten angepasst. Die Vorschrift bestimmt Folgendes:
Bei der Errichtung oder dem Abbruch einer baulichen Anlage sind der Bauherr und im Rahmen ihres Wirkungskreises die anderen nach den §§ 43 bis 45 am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden.“.

Hieraus folgt: Die Verletzung einer von § 41 LBO auferlegten Grundpflicht begründet unmittelbar dessen Verantwortlichkeit für die hierdurch herbeigeführte Gefahr. Der Verantwortliche wird zum Störer im polizeirechtlichen Sinn (vgl. §§ 6, 7 PolG).
Beispiel: Der Bauherr muss, wenn er nicht die geeignete Erfahrung hat und es sich um ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen handelt, der Baurechtsbehörde auf Verlangen einen Bauleiter benennen (§ 42 Abs. 3 LBO).
Hieraus folgt weiter: Die Baurechtsbehörde als Gefahrenabwehrbehörde kann auf Basis einer Ermächtigungsgrundlage den Verantwortlichen zur Gefahrenabwehr heranziehen.
Beispiel: Der für den Bauherrn tätige Entwurfsverfasser reicht nur unvollständige Bauvorlagen ein. Aus diesen kann nicht bewertet werden, ob die geplante Wärmepumpe die Schallschutzgrenzwerte einhält. Daher kann die Baurechtsbehörde den Entwurfsverfasser zur Vorlage weiterer Unterlagen (z. B. Schallprognose) gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 LBOVVO auffordern.
Hieraus folgt noch weiter: Die Verletzung einer Grundpflicht kann auch bußgeldrelevant sein (vgl. § 75 LBO und S. 43 des Skripts) sowie Folgen für eine zivil- oder strafrechtliche Haftung (z. B. §§ 633 ff., 280 BGB, § 319 StGB (Baugefährdung)) haben.
Beispiel: Die Baugenehmigung ergeht mit der Baufreigabe, d. h., der Bauherr kann mit dem Bau loslegen. In der Baugenehmigung wird dem Bauherrn aber aufgegeben, den „Roten Punkt“ (Baufreigabeschein) unverzüglich anzubringen. Bei einer Baukontrolle einen Monat später findet der Baukontrolleur keinen Baufreigabeschein. Der Bauherr handelt ordnungswidrig gem. §§ 75 Abs. 3 Nr. 1, 12 Abs. 2 S. 1 LBO i. V. m. der Baugenehmigung.

4.6.2. Die einzelnen am Bau Beteiligten im Überblick

4.6.2.1. Bauherr (§ 42 LBO)

Der Bauherr ist umfassend als Veranlasser des Bauvorhabens verantwortlich für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften am Bau. § 42 LBO benennt – nicht abschließend – die wesentlichen Pflichten des Bauherrn. Der Bauherr hat eine herausragende Stellung, was sich auch aus § 41 LBO ergibt. Im Verhältnis zu den anderen verantwortlichen Baubeteiligten liegt die Hauptverantwortung beim Bauherrn. Die Funktion der anderen Verantwortlichen können auch vom Bauherrn selbst übernommen werden, wenn er die benötigten fachlichen Voraussetzungen hat. Die Bauherreneigenschaft ergibt sich aus dem bestimmenden Einfluss auf die Vorbereitung und Ausführung des Vorhabens und die anderen am Bau Beteiligten. Die Bauherreneigenschaft erlischt mit der Fertigstellung des Bauvorhabens.
Beispiele für einzelne Pflichten: Bestellung eines geeigneten Entwurfsverfassers, eines geeigneten Unternehmers, nach § 42 Abs. 3 LBO auf Verlangen auch einen Bauleiter. Vornahme von Anzeigen an die Baurechtsbehörde bzw. Gemeinde im Kenntnisgabeverfahren, usw.

4.6.2.2. Entwurfsverfasser (§ 43 LBO)

Der Begriff des Entwurfsverfassers ist nirgends definiert. Er ist aber diejenige Person, die im Auftrag des Bauherrn die planerische Vorbereitung des Bauvorhabens in seiner Gesamtheit übernimmt. Im Wesentlichen sind die für den Entwurfsverfasser sich aus §§ 41, 43 LBO ergebenden Pflichten die folgenden Fünf:
  1. Eignungspflicht (§ 43 Abs. 1 S. 1 LBO)
  2. Pflicht zur vorschriftsgemäßen Entwurfsausführung (§ 43 Abs. 1 S. 1 LBO)
  3. Veranlassungspflicht zur Bestellung geeigneter Fachplaner (§ 43 Abs. 2 S. 1 LBO)
  4. Koordinierungspflicht bzgl. der Fachplanung (§ 43 Abs. 2 S. 3 LBO)
  5. Pflicht zur Bauvorlageberechtigung (§ 43 Abs. 3 – Abs. 9 LBO).

Konkret hat der Entwurfsverfasser beispielsweise dafür zu sorgen, dass die Bauvorlagen richtig sind und er muss sich z. B. auch um die notwendigen weiteren Einzelvorlagen kümmern (z. B. Statik).

4.6.2.3. Unternehmer (§ 44 LBO)

Der Begriff des Unternehmers ist nirgends definiert. Unternehmer ist ein selbständiger Handwerker oder Gewerbetreibender, der im Auftrag des Bauherrn die Ausführung einer baulichen Anlage insgesamt oder in Teilen übernommen. Die wesentlichen Unternehmerpflichten sind in § 44 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 3 LBO bestimmt. Hieraus ergibt sich folgende Zusammenfassung:
  • Pflicht zur vorschriftsgemäßen Bauausführung und Begleitpflichten (§ 44 Abs. 1 S. 1, S. 2 LBO):
  • Abstimmungspflicht (§ 44 Abs. 1 S. 1 HS. 2 LBO)
  • Baustellensicherungspflicht (§ 44 Abs. 1 S. 2 LBO)
  • Nachweispflicht (§ 44 Abs. 1 S. 3 LBO)
  • Heranziehungspflicht geeigneter Fachkräfte (§ 44 Abs. 2 S. 1 LBO)
  • Koordinierungspflicht der Facharbeiten (§ 44 Abs. 2 S. 3 LBO)

4.6.2.4. Bauleiter (§ 45 LBO)

Der Bauleiter leitet im Auftrag des Bauherrn die Baumaßnahmen als Ganzes, d. h., er bestimmt auftragsgemäß technisch die Errichtung eines Bauvorhabens in seiner Gesamtheit nach den Weisungen des Bauherrn so, dass wiederum seine Anweisungen für die Bauausführenden maßgebend sind. Er hat die folgenden Pflichten:
  • Eignungspflicht (§ 45 Abs. 2 S. 1 LBO)
  • Überwachungspflichten (§ 45 Abs. 1 LBO)
  • Pflicht zur Überwachung der Bauausführung (§ 45 Abs. 1 S. 1 LBO)
  • Pflicht zur Überwachung des sicheren bautechnischen Baustellenbetriebs (§ 45 Abs. 2 S. 2 LBO)
  • Pflicht zur Mitteilung von Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften bei der Bauausführung (§ 45 Abs. 1 S. 3 LBO)
  • Pflicht zur Bestellung geeigneter Fachbauleiter (§ 45 Abs. 2 S. 1) und Koordinierungspflicht bzgl. der Fachbauleitertätigkeiten (§ 45 Abs. 2 S. 3 LBO).

4.7. Zuständigkeiten im Bauordnungsrecht

4.7.1. Die Baurechtsbehörden (§§ 46 – 48 LBO)

Für sämtliche Maßnahmen, die im Rahmen des Bauordnungsrechts getroffen werden, sind die Baurechtsbehörden zuständig. Bauordnungsrechtliche Verwaltungsakte werden von der nach Landesrecht zuständigen unteren Baurechtsbehörde getroffen. Untere Baurechtsbehörden können sein (§ 46 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LBO):

  • Landratsämter (Regelfall)
  • Große Kreisstädte
  • Gemeinden und
  • Verwaltungsgemeinschaften

Die Landratsämter sind von sich aus untere Baurechtsbehörden; Gemeinden (auch große Kreisstädte) und Verwaltungsgemeinschaften müssen diese Eigenschaft erst bei der höheren Baurechtsbehörde beantragen. Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften müssen in dem Fall mindestens über einen Bauverständigen (z. B. Architekt, Bauingenieur) im Haus verfügen (§ 46 Abs. 4 LBO). Die Baurechtsbehörden sind nach der Vorschrift ausreichend und mit geeigneten Fachkräften zu besetzen.

Im Einzelfall können die unteren Baurechtsbehörden aber auch Sachverständige heranziehen (§ 47 Abs. 2 LBO), um ihre Aufgaben zu erfüllen..
Hinsichtlich der baurechtlichen Vorschriften haben grundsätzlich die unteren Baurechtsbehörden die umfassende Aufgabe, dass diese sowie andere öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung und den Abbruch von (baulichen) Anlagen und Einrichtungen eingehalten und befolgt werden (§§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 LBO). Die Aufgabenwahrnehmung der unteren Baurechtsbehörden sind (staatliche) Pflichtaufgaben nach Weisung.

Die höheren Baurechtsbehörden sind die Regierungspräsidien (RP Karlsruhe, Freiburg, Tübingen und Stuttgart). Diese haben die Fachaufsicht über die unteren Baurechtsbehörden (d. h. können Weisungen erlassen) und sind gleichzeitig in der Regel Widerspruchsbehörde.

Die oberste Baurechtsbehörden ist das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, am Rande aber auch, selbst wenn nicht ausdrücklich erwähnt, das Umweltministerium (Beispiele: Klimaschutz am Bau, Photovoltaik-Pflicht-Verordnung).

4.7.2. Zuständigkeiten der Baurechtsbehörden

Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 48 LBO.

Nach § 48 Abs. 1 LBO ist grundsätzlich die untere Baurechtsbehörde zuständig.

Bei Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften ist dies gem. § 48 Abs. 2 LBO ausnahmsweise nicht der Fall, wenn es sich um ein Vorhaben der Gemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft selbst handelt und ein Nachbar hiergegen Einwendungen erhoben hat. In dem Fall wird die untere Baurechtsbehörde des Landratsamts sachlich zuständig. Warum?18
Beispiel: Die Gemeinde entscheidet über ein umstrittenes Bauvorhaben (Blockheizkraftwerk in der Nähe eines denkmalgeschützten Gebäudes) einer 100%-igen Tochtergesellschaft (z. B. Stadtwerke). Wutbürger B erhebt Einwendungen.

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 LvwVfG (Bezirksprinzip), richtet sich also danach, wo sich das Vorhaben befindet. Hier gibt es ein Verzeichnis der obersten Baurechtsbehörden, welche die unteren Baurechtsbehörden und deren Zuständigkeitsgebiete nennt19.

Der Bauantrag war bis zum 24.11.2023 bei der jeweiligen Gemeinde einzureichen, in der sich das Vorhaben befindet (vgl. § 53 Abs. 1 LBO a. F.). Warum?20 Seit dem 25.11.2023 gilt § 53 Abs. 1 LBO n. F. Danach ist der Bauantrag, welcher künftig digital zu (er-)stellen sein wird, zunächst bei der jeweils zuständigen unteren Baurechtsbehörde einzureichen, die diesen dann unverzüglich an die Gemeinde weiterzuleiten hat. Im Hinblick auf die Fristen wegen des gemeindlichen Einvernehmens wirkt sich die Gesetzesnovellierung hingegen kaum aus. In der Praxis wird die untere Baurechtsbehörde gem. § 36 Abs. 2 S. 2 HS. 1 BauGB die Weiterleitung des Bauantrags regelmäßig mit dem Ersuchen über die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen verbinden.

4.8. Bauordnungsrechtliches Verwaltungsverfahren

Die LBO steht, wie aufgezeigt, als Gesetz nicht isoliert. Da es sich beim Bauordnungsrecht um spezielles Sicherheitsrecht, also besonderes Verwaltungsrecht, handelt, gelten die Grundsätze aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht und das LVwVfG weiterhin.

4.8.1. Verfahrensarten und Anspruch auf Baugenehmigung

Das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung wird oft mit einem Antrag des Bauherrn in Gang gesetzt (Bauantrag). In der LBO ist auch geregelt, welche Formalien der Bauantrag erfüllen muss (s. z. B. §§ 53, 43 LBO, § 2 LBOVVO). Ein baurechtliches Verwaltungsverfahren kann aber auch von Amts wegen eingeleitet werden (§ 22 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 LVwVfG), insbesondere, wenn hierfür bestimmte Ermessensgründe sprechen (z. B. Beseitigung eines einsturzgefährdeten Schwarzbaus). Hieraus ergibt sich folgende Übersicht:

Verfahren von Amts wegen (§ 22 S. 2 Nr. 1 LVwVfG) Antragsverfahren (§ 22 S. 2 Nr. 2 LVwVfG)
z. B. Anforderung prüffähiger Bauvorlagen beim Bauherrn gem. § 47 Abs. 1 S. 2 LBO z. B. Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 52 LBO)
z. B. Untersagung des Baubeginns gem. §§ 59, 47 LBO z. B. Reguläres Baugenehmigungsverfahren (§§ 49, 53 LBO)
z. B. Baueinstellungsverfügung gem. § 64 Abs. 1 S. 1, S. 2 LBO z. B. Antrag auf Erteilung einer Ausführungsgenehmigung (§ 69 Abs. 4 LBO)
z. B. Nutzungsuntersagung gem. § 65 Abs. 1 S. 2 LBO z. B. Antrag auf Zustimmung im Zustimmungsverfahren (§ 70 LBO)
z. B. Abbruchanordnung gem. § 65 Abs. 1 S. 1 LBO z. B. Antrag auf Bauordnungsrechtliches Einschreiten (des Nachbarn)

Aber lassen wir die Kirche im Dorf und gehen vom Normalfall aus, in dem der Bauherr eine Baugenehmigung beantragt. In dem Fall gilt es zunächst von der Baurechtsbehörde die Rechtsfolge zu beachten, die in § 58 Abs. 1 S. 1 LBO angeordnet ist. Die Vorschrift bestimmt: „Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.“.

D. h., bei der Entscheidung, ob eine Baugenehmigung zu erteilen ist oder nicht, handelt es sich im Grundsatz um eine gebundene Entscheidung (Signalwort: „ist“, „hat … zu“), nicht um eine Ermessensentscheidung (Signalwort: „kann“, „darf“, „soll“). D. h. auch, grundsätzlich hat der Bauherr einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn er nachweislich alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt oder erfüllen kann. Folgende sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften (außerhalb des Kern-Baurechts), spielen immer wieder eine Rolle:

  • Denkmalschutzrecht
  • Naturschutzrecht
  • Straßenrecht
  • Wasserrecht
  • Immissionsschutzrecht.

Im Baugenehmigungs- und Kenntnisgabeverfahren stets beteiligt ist neben der Baurechtsbehörde auch die Gemeinde. Dies hängt u. a. damit zusammen, dass der Bauantrag oder die Unterlagen im Kenntnisgabeverfahren zwar bei der unteren Baurechtsbehörde einzureichen sind, diese den Antrag oder die Unterlagen jedoch unverzüglich an die Gemeinde weiterzuleiten hat (vgl. § 53 Abs. 1 S. 4 LBO), aber auch wegen des gemeindlichen Einvernehmens (§ 36 Abs. 2 S. 2 BauGB). Auch ist es im baurechtlichen Verwaltungsverfahren die Gemeinde, welche die Eigentümer der benachbarten Grundstücke (Angrenzer / Nachbarn) zu dem Bauvorhaben benachrichtigt (§ 55 Abs. 1 LBO). Die Nachbarn können dann innerhalb der in § 55 Abs. 2 LBO vorgesehenen Vier-Wochen-Frist Einwendungen zu dem Bauvorhaben vortragen. Der Nachbar ist hingegen nicht selbst am Baugenehmigungsverfahren beteiligt (§ 13 LVwVfG), jedoch kommt ihm eine faktische Beteiligtenstellung zu (die bei einem Nachbarwiderspruch zur vollen Beteiligtenstellung erwächst).

Einwendungen sind sachliches Gegenvorbringen zu dem Bauantrag des Bauherrn, die den Anspruch auf Baugenehmigung entweder modifizieren oder schlimmstenfalls zunichtemachen. Inhaltlich gilt: „Eine Einwendung im Sinne des § 55 Abs 2 S 2 LBO erfordert die Bezeichnung des verletzten Rechtsguts und eine zumindest grobe Darlegung der im Einzelnen befürchteten Beeinträchtigungen. Die - nicht näher erläuterte - Äußerung einer bloßen Mutmaßung, das Vorhaben könne bestimmten, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfenden Vorschriften nicht genügen, reicht deshalb nicht aus.“21. Innerhalb der 4-Wochen-Frist sind alle Einwendungen vorzubringen. Trägt der Nachbar dessen Einwendungen zu spät vor, riskiert er damit materiell präkludiert zu sein (Einwendungsausschluss). Außerdem ist es nicht möglich, anders als bei der Erhebung eines Widerspruchs, eine Begründung der Einwendungen nachzuschieben. Daher bietet es sich aus nachbarlicher Sicht an, die Einwendungen argumentativ nicht besonders tief, aber vor allem breit zu streuen.

Hieraus ergibt sich folgende Übersicht:

Anspruch auf Baugenehmigung
Bauantrag des Bauherrn Einwendungen des Nachbarn
Bauherr muss grundsätzlich alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften darlegen → Bauherr ist zur Mitwirkung verpflichtet, soweit es um Anspruchsbegründung geht Nachbar kann Gegendarlegungen zu denjenigen vom Bauherrn machen → Einwendungen des Nachbarn können den Anspruch auf Baugenehmigung modifizieren oder vernichten

Hieraus ergibt sich: In der Baugenehmigung, die ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 LVwVfG) ist, wird also auch über die Einwendungen entschieden. D. h., die Einwendungen und die Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber werden Bestandteil der Baugenehmigung. Hierbei zeigt sich u. a., dass die Baugenehmigung ein aus mehreren einzelnen Entscheidungsbestandteilen zusammengesetzter Verwaltungsakt ist.

Baugenehmigung
Entscheidung über Bauantrag des Bauherrn (§ 53 LBO, §§ 2, 3 LBOVVO) Entscheidung über Einwendungen (der Nachbarn) (§ 55 Abs. 2 LBO) Entscheidung des gemeindlichen Einvernehmens (§ 36 BauGB)

Die Baugenehmigung ist somit ein gebundener, feststellender, rechtsgestaltender, mehrstufiger, mitwirkungsbedürftiger und rechtsnachfolgefähiger Verwaltungsakt. Warum?22

4.8.2. Verfahrensfreie Vorhaben (§ 50 LBO) und Kenntnisgabeverfahren (§ 51 LBO)

Bei verfahrensfreien Bauvorhaben findet überhaupt kein Verwaltungsverfahren statt. Aber was war nochmal ein Verwaltungsverfahren?23 Die verfahrensfreien Vorhaben sind so gut wie abschließend in der Anlage zu § 50 Abs. 1 LBO aufgelistet.
Beispiel für nicht ausdrücklich genanntes verfahrensfreies Vorhaben: Pizzaofen im Garten (§ 50 Abs. 1 LBO i. V. m. Nr. 12 b) des Anhangs).

Wenn kein Verwaltungsverfahren stattfindet, darf also in der Tat grundsätzlich „frei“ gebaut werden. Aber Vorsicht: Hist ist bitte der § 50 Abs. 5 S. 1 LBO beachten: Es kann z. B. trotzdem sein, dass eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erforderlich wird. Die Vorschrift des § 50 LBO besagt also nur, dass kein bauordnungsrechtliches Verfahren durchlaufen werden muss.

Das Kenntnisgabeverfahren ist in § 51 LBO geregelt. Der Begriff „Kenntnisgabeverfahren“ ist aber missverständlich. Auch bei einer Kenntnisgabe findet kein Verwaltungsverfahren statt. Das Kenntnisgabeverfahren ist nur eine bauordnungsrechtliche Anzeige mit Baufreigabefunktion.

Das Kenntnisgabeverfahren ist nur statthaft, wenn ein qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) vorliegt und das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widerspricht (§ 52 Abs. 2 LBO). Im Kenntnisgabeverfahren können nur die unter § 52 Abs. 1 LBO genannten Vorhaben verwirklicht werden, also nie Sonderbauten oder sehr großen oder stark frequentierten baulichen Anlagen. Außerdem muss sich der Bauherr im Kenntnisgabeverfahren an alle öffentlich-rechtliche Vorschriften halten; er kann weder Abweichungen, Ausnahme oder Befreiungen gem. §§ 31 BauGB, 56 LBO erhalten.

4.8.3. Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 52 LBO)

Das vereinfachte Genehmigungsverfahren hat, wie das reguläre Genehmigungsverfahren auch, das Ziel, eine Baugenehmigung zu erhalten. Dies soll aber grundsätzlich schneller geschehen. Vom klassischen Genehmigungsverfahren unterscheidet sich das vereinfachte Verfahren gem. § 52 Abs. 1 LBO durch dessen Anwendungsbereich und den Umfang des Prüfungsprogramms (§ 52 Abs. 2 LBO). Die Baurechtsbehörde prüft nur noch bestimmte öffentlich-rechtliche Vorschriften und damit nur einen Ausschnitt aus dem klassischen Baugenehmigungsverfahren.

4.8.3.1. Anwendungsbereich (§§ 52 Abs. 1, 51 Abs. 1 LBO)

Hinsichtlich des vorhabenbezogenen Anwendungsbereichs wird in § 52 Abs. 1 LBO auf § 51 Abs. 1 LBO verwiesen, davon umfasst sind also…

  • Wohngebäude (§ 2 Abs. 3 LBO)
  • sonstige Gebäude der Gebäudeklassen 1-3 (vgl. § 2 Abs. 4 S. 1 LBO), außer Gaststätten
  • sonstige bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind (z. B. Freiflächenphotovoltaikanlage)
  • Nebengebäude und Nebenanlagen zu den vorgenannten Bauvorhaben

Der räumliche Anwendungsbereich ist hingegen nicht auf einen qualifizierten Bebauungsplan begrenzt. D. h., das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren ist auch im unbeplanten Innen- oder Außenbereich möglich (§§ 34, 35 BauGB).

4.8.3.2. Prüfungsumfang (§ 52 Abs. 2 LBO)

Der Prüfumfang ist abschließend in § 52 Abs. 2 LBO geregelt. Es handelt sich um den Mindestumfang dessen, was insbesondere bzgl. der Wahrung gemeindlicher und Interessen Dritter als bedeutsam erscheint. Nachfolgend konkret wiedergegeben ist der Prüfungsumfang

  • das Bauplanungsrecht gem. §§ 14 und 29 bis 38 BauGB
  • das Abstandsflächenrecht in den §§ 5 bis 7 LBO
  • § 52 Abs. 2 Nr. 3 a) LBO bezieht sich auf alle baunebenberechtlichen Vorgaben, in denen formelle und/oder materielle Anforderungen an eine Baugenehmigung und damit Anforderungen an das Bauvorhaben gestellt werden (z. B.: §§ 3, 22 BImSchG, § 22 Abs. 2 StrG, Vorgaben aus dem Denkmalschutzrecht, etc.).
  • Bei Vorhaben im Außenbereich erweitert § 52 Abs. 2 Nr. 3 b) LBO durch Verweis auf § 58 Abs. 1 S. 2 LBO das Prüfprogramm auf eine vollständige Überprüfung aller Vorschriften des Baunebenrechts.

Auf für die Baurechtsbehörde erkennbare Verstöße gegen Vorschriften außerhalb des Prüfprogramms des § 52 Abs. 2 LBO darf diese hinweisen und ein bauaufsichtliches Einschreiten ankündigen oder zeitlich mit Erlass der Baugenehmigung treffen.

4.8.4. Reguläres Baugenehmigungsverfahren (§§ 49, 58 LBO)

Wie auch das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren hat das reguläre Genehmigungsverfahren das Ziel der Baugenehmigungserteilung. Da § 58 Abs. 1 S. 2 LBO jedoch anordnet: „Soweit nicht § 52 Anwendung findet, sind alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet.“, ist der Prüfungsumfang deutlich erweitert.

Hierzu gehören insbesondere (also nicht abschließend) die Vorschriften aus dem Bundes- und Landesnaturschutzgesetz (BNatSchG, NatSchG), der § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), die §§ 16 Abs. 6, 22 Abs. 2, Abs. 3 Straßengesetz (StrG), § 7 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz (DSchG), usw..

4.8.5. Exkurs: Weitere Verfahren (§§ 69, 70 LBO)

§ 69 LBO sieht für fliegende Bauten Sonderregelungen vor. Fliegende Bauten werden nach ihrem Verwendungszweck immer wieder an wechselnden Orten aufgestellt und abgebaut (§ 69 Abs. 1 S. 1 LBO). Hauptmerkmal ist das Fehlen einer dauerhaften Beziehung der Anlage zu einem bestimmten Grundstück. Fliegende Bauten sind immer Sonderbauten (§ 38 Abs. 2 Nr. 11 LBO), weil sie eine besondere Unfallgefährlichkeit haben. Das baurechtliche Verwaltungsverfahren ist nur auf ortsfeste Anlagen zugeschnitten. Fliegende Bauten bedürfen daher vor ihrem erstmaligen Aufstellen nur einer besonderen Ausführungsgenehmigung (§ 69 Abs. 2 S. 1 LBO) und einer Anzeige bei der Baurechtsbehörde, bevor sie in Gebrauch genommen werden können (§ 69 Abs. 6 S. 1 LBO). Die Ausführungsgenehmigung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 LVwVfG). Manchmal ist die Abgrenzung zum Behelfsbau (§ 56 Abs. 4 Nr. 2 LBO) nicht einfach.

Baurechtliche Zustimmungsvorhaben nach § 70 LBO sind solche, die an sich einer Baugenehmigung oder ggf. auch einer baurechtlichen Kenntnisgabe bedürfen. Es geht bei Zustimmungsvorhaben hauptsächlich sowohl um Vorhaben der öffentlichen Bauherren, der Kirchen und auch um Vorhaben Dritter, die das Land Baden-Württemberg in Erfüllung eigener staatlicher Baupflicht durchführt. Nicht erfasst von § 70 LBO sind verfahrensfreie Vorhaben nach § 50 LBO und fliegende Bauten gem. § 69 LBO. Das baurechtliche Zustimmungsverfahren ist ein besonderes antragsbedürftiges Zulassungsverfahren, das der Vereinfachung und Beschleunigung dienen soll. Die Baurechtliche Zustimmung ist, wie die Baugenehmigung, ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 LVwVfG); die Zustimmung ersetzt also die Baugenehmigung.

4.8.6. Bauaufsichtliches Eingriffsinstrumentarium

4.8.6.1. Übersicht und Exkurs

Es gibt die folgenden Eingriffsbefugnisse24:

LBO-Eingriffsbefugnisse Rechtsgrundlage
Baueinstellungsanordnung § 64 Abs. 1 LBO
Baustellenversiegelung (Vollstreckungsmaßnahme bei Zuwiderhandlung gegen die Baueinstellung) §§ 64 Abs. 2 LBO, 12 LVwVG
ngewahrsamnahme von Baustellengegenständen (Vollstreckungsmaßnahme bei Zuwiderhandlung gegen die Baueinstellung) §§ 64 Abs. 2 LBO, 12 LVwVG
Anordnungen im Rahmen der Bauüberwachung § 66 Abs. 1, Abs. 2 LBO
Bauabnahme; Aufnahme der Nutzung § 67 LBO
Nachträgliche Anforderungen bei bereits genehmigten Bauvorhaben in einem besonderen Gefahrenfall § 58 Abs. 6 S. 1 LBO
Vorläufige Einschränkungen / Untersagungen der Benutzung einer baulichen Anlage bei Gefahr im Verzug §§ 58 Abs. 6 S. 2 LBO
Anpassungsanordnung bei bereits bestehenden Anlagen im besonderen Gefahrenfall § 76 Abs. 1 LBO
Harmonisierungsanordnung wegen wesentlichen Änderungen von bereits bestehenden Anlagen § 76 Abs. 2 LBO
Baubeginnsuntersagungen anlässlich Kenntnisgabeverfahren §§ 47 Abs. 1 S. 2, 59 Abs. 4 S. 1, 55 Abs. 3 S. 4 LBO
Baubeginnsuntersagung anlässlich vereinfachtem Baugenehmigungsverfahren §§ 47 Abs. 1 S. 2, 52 Abs. 2 LBO
Zurückweisung (Ablehnung wegen Unzulässigkeit) von Bauanträgen im Baugenehmigungs- oder Bauvorbescheidsverfahren §§ 54 Abs. 1 S. 2; 57 Abs. 2 LBO
Besondere Anordnungen bei sog. fliegenden Bauten § 69 Abs. 1, Abs. 7 LBO
Nutzungsuntersagungsanordnungen in Form der präventiven Nutzungs-(aufnahme-)Untersagung § 47 Abs. 1 S. 2 LBO
Nutzungsuntersagungsanordnungen in Form der nachträgliche Nutzungsuntersagung § 65 Abs. 1 S. 2 LBO
Abbruchsanordnung § 65 Abs. 1 S. 1 LBO
Anforderung weiterer Bauvorlagen (im Verfahren) § 2 Abs. 2 Nr. 1 LBOVVO

Diese Eingriffsbefugnisse aus der LBO stehen jedoch nicht allein. Es gibt auch solche aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht:

LVwVfG-Eingriffsbefugnisse Rechtsgrundlage
Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte (betrifft v. a. Baugenehmigung oder Bauvorbescheide) §§ 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, Abs. 4, 50 LVwVfG
Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, vor allem Bauvorbescheide oder Baugenehmigungen mit einem Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG) § 49 Abs. 2 i. V. m. § 48 Abs. IV LVwVfG
Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, vor allem Bauvorbescheide oder Baugenehmigungen mit Auflagen (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG) § 49 Abs. 2 i. V. m. § 48 Abs. IV LVwVfG

Sofern bauordnungsrechtliche Maßnahmen nicht befolgt werden, können diese auch vollstreckt werden. Verwaltungsakte sind grundsätzlich als Vollstreckungstitel anzusehen. Die Befugnisse nach dem Vollstreckungsrecht sind Folgende:

LVwVG-Eingriffsbefugnisse Rechtsgrundlage
(Ermessens-)Androhung eines bestimmten Zwangsmittels (z. B. Zwangsgeld)25 § 20 LVwVG
Anwendung eines bestimmten Zwangsmittels §§ 18, 19 LVwVG, §§ 23 ff. LVwVG

Sofern eine untere Baurechtsbehörde gleichzeitig auch eine Gemeinde ist, ergeben sich teilweise interessante Überschneidungen mit den baurechtlichen Eingriffsbefugnissen aus dem Baugesetzbuch. Hierdurch werden Bebauungspläne zu vollzugsfähigen Satzungen:

BauGB-Eingriffsbefugnisse Rechtsgrundlage(n)
Zurückstellung von Baugesuchen und vorläufige Untersagung von Vorhaben anlässlich eines baurechtlichen Kenntnisgabeverfahrens § 15 BauGB (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauGB)
Städtebauliche Gebote §§ 175 ff. BauGB

4.8.6.2. Die Generalbefugnis des § 47 Abs. 1 S. 2 LBO

§ 47 Abs. 1 S. 2 LBO ermächtigt als bauordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage (Generalbefugnis) die Baurechtsbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben alle möglichen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wenn keine spezielle Ermächtigungsgrundlage greift. Man kann auch §§ 47 Abs. 1 S. 2, 3 Abs. 1 LBO zitieren. In dem Fall ermächtigt die Generalbefugnis zur Beseitigung von Gefahren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die von der Anordnung, Errichtung oder dem Abbruch von baulichen Anlagen, Grundstücken oder Einrichtungen ausgehen.

4.8.6.2.1. Voraussetzungen
  • „Störung“: Gefahr von Verstößen gegen baurechtliche oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften oder Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Anordnungen
  • Entschließungsermessen („behördliche Entscheidung tätig zu werden und ein Verwaltungsverfahren von Amts wegen aufzunehmen)
4.8.6.2.2. Rechtsfolge
  • Auswahlermessen
  • Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (geeignet, relativ mildestes Mittel, angemessen)
4.8.6.2.3. Beispiele

Von § 47 Abs. 1 S. 2 LBO sind z. B. abgedeckt …
- Aufforderung, prüffähige Bauvorlagen vorzulegen26,
- Aufräumverfügung (Entfernung von Bauschutt)27,
- Durchsetzung einer Baulastverpflichtung28,
- Verkleinerungsverfügung29,
- Anordnung einer Brandverhütungsschau30, etc.

4.9. Bauordnungswidrigkeiten (§ 75 LBO)

§ 75 LBO enthält einen Katalog von Bußgeldtatbeständen zur Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen inhaltliche Anforderungen des Bauordnungsrechts. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer (Bau-)rdnungswidrigkeit sowie das Bußgeldverfahren ergeben sich aber, abgesehen von der Regelung der Bußgeldhöhe (§ 75 Abs. 4 LBO: Bis zu € 100.000) nicht aus der LBO, sondern aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Die einzelnen Ordnungswidrigkeitentatbestände dienen der Einhaltung und Durchsetzung bestimmter vom Gesetzgeber als so wesentlich eingestufter bauordnungsrechtlicher Gebote, Verbote und Mitwirkungspflichten, dass deren vorwerfbare Missachtung zwar nicht strafbar ist, aber die Ahndung mit Geldbuße zulässt. Die Verfolgung von Verstößen gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften als Ordnungswidrigkeit hindert die Baurechtsbehörden nicht daran, zusätzlich bauaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen31.

Die Vorschrift des § 75 LBO gliedert sich wie folgt:

§ 75 Abs. 1 LBO nennt abschließend einzelne Ordnungswidrigkeitentatbestände, die vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden können.
Beispiel: Der Bauherr B errichtet ohne einen Bauantrag gestellt und eine Baugenehmigung zu haben im Außenbereich ein Wohnhaus für sich und seine vierköpfige Familie mit einer Grundfläche von 150 m². → Diese Handlung erfüllt den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 9 LBO.

§ 75 Abs. 2 LBO nennt abschließend einzelne Ordnungswidrigkeitentatbestände, die nur vorsätzlich („wider besseren Wissens“) begangen werden können.

§ 75 Abs. 3 LBO enthält Vorschriften, die tatbestandlich noch keine vollständigen Bußgeldtatbestände enthalten, sondern noch durch eine Vollzugsnorm ausgefüllt werden müssen.
Beispiel: Bauherr B hat eine Baueinstellungsverfügung erhalten. Er baut aber trotzdem weiter. → B handelt ordnungswidrig nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 LBO. Die Baueinstellungsverfügung ist eine (sofort) vollziehbare Verfügung (vgl. § 64 Abs. 1 S. 3 LBO). Die Baueinstellungsverfügung verhängt einen Baustopp. B macht trotzdem weiter und befolgt das ihm aufgegebene Unterlasse nicht.

§ 75 Abs. 4 LBO bestimmt den Bußgeldrahmen.

§ 75 Abs. 5 LBO regelt die Einziehung von Gegenständen. Näheres bestimmt § 22 OWiG. Die Einziehung ist eine Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit.
Beispiel: Damit Bauherr B, der die Einstellungsverfügung erhalten hat, diese weiter befolgt, nimmt ihm die Baurechtsbehörde die Baumaterialien weg.

§ 75 Abs. 6 LBO enthält Zuständigkeitsregelungen.

Der grundsätzliche prüfungsschematische Aufbau einer Ordnungswidrigkeit ist wie folgt:
I. Tatbestand
1. Handeln / Unterlassen
2. Objektiver Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (z. B. § 75 Abs. 1 Nr. 9 LBO)
3. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz / Fahrlässigkeit)
II. Rechtswidrigkeit
Hier wären Rechtfertigungsgründe zu prüfen, z. B. Notstand (§ 16 OWiG). Dies ist eher selten im Bauordnungswidrigkeitenrecht, aber denkbar.
Beispiel: Immer bei Starkregen schwemmt es auf das Grundstück und Haus des Bauherrn B vom Grundstück des Eigentümers und Nachbarn E Bodenschlamm in sehr massiver Weise. Um dies zu verhindern, errichtet B eine 2,50 m hohe Stützmauer. Verfahrensfrei erlaubt wären nur 2,00 m. B handelt gerechtfertigt. Er will durch die bauliche Anlage sein Eigentum schützen. Privatrechtlich kommt § 904 BGB in Betracht.
III. Verantwortlichkeit
1. Objektive Verantwortlichkeit (z. B. Täter unter 14 Jahren)
2. Subjektive Verantwortlichkeit (z. B. Täter war volltrunken)
3. Entschuldigungsgründe (z. B. Notwehrexzess)

Es sei darauf hingewiesen, dass die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nur die Verhängung einer Geldbuße zur Rechtsfolge hat. Die tatsächliche Lage wird damit nicht gestaltet. Daher sind Mittel der Verwaltungsvollstreckung unter Umständen effektiver. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die untere Baurechtsbehörde im Falle der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit grundsätzlich alle Merkmale der Ordnungswidrigkeit nachzuweisen hat, um den Ordnungswidrigkeitenanspruch erfolgreich vor den ordentlichen Gerichten (Amtsgericht) durchzusetzen. Sofern hier Beweisschwierigkeiten bestehen, können diese zu Lasten der Baurechtsbehörde gehen.

5. Exkurs: Rechtsschutz

5.1. Bebauungsplan (Normenkontrolle, § 47 VwGO)

Da ein Flächennutzungsplan keine Rechtsnorm ist, ist eine Normenkontrolle hiergegen nicht statthaft. Es bleibt daher nur die Möglichkeit dessen Rechtmäßigkeit inzident zu überprüfen.

Bebauungspläne und sonstige städtebauliche Satzungen unterliegen der Normenkontrolle vor dem Verwaltungsgerichtshof / Oberverwaltungsgericht gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Einen Normenkontrollantrag kann eine Person aber nur stellen, wenn sie geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden

Aber auch der Bebauungsplan wird vom Verwaltungsgericht inzident auf dessen Rechtmäßigkeit überprüft.
Beispiel: Die untere Baurechtsbehörde bei der Stadt Pfullendorf lehnt einen Bauantrag im Baugebiet Obere Bussen II ab, weil sie meint, der Bauherr errichte ein dreigeschossiges Wohngebäude, obwohl nur zweigeschossige Wohngebäude zulässig sind. In diesem Fall wird das Verwaltungsgericht, nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren auch prüfen, ob der Bebauungsplan hinsichtlich der Festsetzung der Anzahl der Vollgeschosse bestimmt genug und somit rechtmäßig ist.

5.2. Baugenehmigung / Ablehnender Bescheid (Widerspruch, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Anfechtungs-/Verpflichtungsklage)

Da eine Baugenehmigung, genauso wie die Ablehnung eines Bauantrags jeweils Verwaltungsakte (§ 35 S. 1 LvwVfG) sind, findet hiergegen zunächst das Widerspruchsverfahren (auch Vorverfahren) statt, welches in den §§ 68 ff. VwGO und den §§ 80 f. LvwVfG geregelt ist. Da im Baugenehmigungsverfahren auch häufig jedenfalls noch ein Nachbar existiert, der gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung auch vorgehen kann, ergeben sich teilweise relativ differenzierte Rechtsschutzkonstellationen. Noch komplizierter wird es, wenn Nebenbestimmungen (§ 36 LVwVfG) in einer Baugenehmigung (gerichtlich) angegriffen werden sollen.

Da das Widerspruchsverfahren aber eine bürgerfreundliche Selbstkontrolle der Verwaltung sein soll, fallen diese differenzierten Rechtsschutzkonstellationen in diesem Stadium noch gar nicht so sehr auf, sondern werden erst später relevant, wenn der Bauherr oder der Nachbar gerichtlichen Rechtsschutz ersuchen. Im Folgenden eine vereinfachte Übersicht:

Baugenehmigung wird erteilt Bauantrag wird abgelehnt
Situation: Der Nachbar ist nicht damit einverstanden, sieht sich durch die Genehmigung in seinen Rechten beschränkt und hat erfolglos Einwendungen erhoben Situation: Bauherr ist nicht damit einverstanden und meint einen Anspruch auf Genehmigung zu haben
Widerspruch des Nachbarn (mit der Bitte, die Baugenehmigung aufzuheben) = Anfechtungswiderspruch Widerspruch (mit der Bitte um Aufhebung der Ablehnungsentscheidung und Erteilung der Baugenehmigung) = Verpflichtungswiderspruch
Weitere Folge: Der Widerspruch wird zurückgewiesen Weitere Folge: Der Widerspruch wird zurückgewiesen
Reaktionsmöglichkeit des Nachbarn: Der Nachbar kann (Dritt-)Anfechtungsklage gem. §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO erheben. Der Nachbar muss hierbei aufzeigen, dass er in drittschützenden Rechten verletzt ist. Der Bauherr kann Verpflichtungsklage gem. §§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 113 Abs. 5 VwGO erheben. Der Bauherr muss hierbei aufzeigen und nachweisen, dass er alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Baugenehmigung erfüllt.

Das BauGB bezeichnet die Baugenehmigung auch als die „bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens“. Da der Bürger ohnehin schon u. U. ca. 2 Monate auf seine Genehmigung warten muss, ordnet § 212a BauGB an, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung haben. Das heißt beispielsweise, ein Nachbar, der Widerspruch gegen eine Baugenehmigung erhebt, erreicht damit nicht, dass es automatisch auch zum Baustopp kommt. Die prozessuale Parallelvorschrift zu § 212a BauGB ist § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BauGB. Das heißt, eine Baugenehmigung hat nie aufschiebende Wirkung.

Das bedeutet weiter, dass wenn über einen Widerspruch entschieden wird, es bereits für eine Klage zu spät sein kann. Daher gibt es die Möglichkeit, Eilrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu beantragen. Im Fall einer (Nachbar-)Anfechtung einer Baugenehmigung handelt es sich um einen Antrag auf (erstmalige) Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 (i. V. m. § 80a Abs. 3 S. 2) VwGO).

Für die Verpflichtungskonstellation ist beim Eilrechtsschutz der § 123 VwGO einschlägig. Dies ist in baurechtlichen Sachen jedoch seltener der Fall, insbesondere, weil das Hauptsacheverfahren vor Gericht hierdurch nicht vorweggenommen werden soll.

6. Nützliche Internetseiten

  • 1. Stüer, Der Bebauungsplan, 5. Aufl. (2015), Rn. 126; BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 NB 8.90.
  • 2. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15/01 – Leitsatz.
  • 3. Ausnahme: Vorhabenbezogener B-Plan, vgl. § 12 Abs. 3 S. 2 BauGB.
  • 4. Der BPlan ist also in der Lage die öffentlich-rechtliche Straßenwidmung zu ersetzen (§ 5 StrG).
  • 5. Praxistipp: Die Vorschrift kann schon verwendet werden, nur sollte man § 2 Abs. 1 S. 1 LBO nicht zitieren :-)
  • 6. VGH Kassel, Beschluss vom 21.02.1979 – IV TG 1/79.
  • 7. Ein Beispiel hierzu findet sich auch hier.
  • 8. Lösungshinweise: Sofern der Schuppen bei den Wohngebäuden 1/1 und 1 in Mühlhausen liegt, wird man noch Innenbereich annehmen können (so jedenfalls Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. (2019), § 34 Rn. 8 mit Verweis auf: BVerwG, Beschluss v. 06.12.2012 – 4 B 13/11 u. w. N.). Sofern es sich um den Schuppen ganz unten in der Mitte handelt, liegt hier kein Innenbereichsvorhaben mehr vor. Vertretbar wäre aber ebenfalls, Mühlhausen überhaupt nicht als Ortsteil, sondern als Splittersiedlung anzusehen.
  • 9. Gänslmayer/Hauth in: Rixner/Biedermann/Charlier, BauGB/BauNVO, 4. Aufl. (2022), § 34 BauGB Rn. 7.
  • 10. ösungshinweise: Ja, § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB. B sollte sich nur mit der Entscheidung über den Wiederaufbau nicht allzu lange Zeit lassen. Die Rechtsprechung hat wegen des Merkmals „alsbald“ ein Zeitmodell entwickelt.
  • 11. BVerwG, Urteil vom 27.08.2020 - 4 C 1.19. Hieran zeigt sich auch, dass die Baugenehmigung ein zusammengesetzter Verwaltungsakt ist. Das gemeindliche Einvernehmen kann nicht separat eingeklagt werden (§ 44a S. 1 VwGO).
  • 12. BVerwG, Urteil vom 19.08.2004 - 4 C 16/03.
  • 13. Lösung: Es kann in der Regel von Folgendem ausgegangen werden: Je größer und komplexer ein Gebäude ist, desto gefahrgeneigter oder schwieriger ist dessen Errichtung und spätere Benutzung (auch im Gefahrenfall).
  • 14. Exkurs und Hinweise: I hätte auch die Möglichkeit, eine Grundstücksvereinigung zu machen (§ 890 BGB). Wichtig ist, dass eine Baulast als landesrechtliches Rechtsinstitut den bundesrechtlichen Grundstücksbegriff nicht definieren und nicht durchbrechen kann.
  • 15. Hinweis vorab: Was eine Baulast ist, ergibt sich aus § 71 LBO. Es handelt sich um eine Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 LVwVfG) und ein eigenes bauordnungsrechtliches Instrument (in Baden-Württemberg), das dazu dient, das Baurecht inhaltlich weiter zu konkretisieren und zu bestimmen.
  • 16. Weiterer Hingerund dessen ist der Brandschutz und die Vorschrift des § 7 LBOAVO
  • 17. Lösungshinweise: Da B in einem Dorfgebiet ist, findet § 5 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 LBO Anwendung. D. h., die von ihm geplante Wandhöhe mit 6 m wird mit 0,2 multipliziert, woraus sich eine Abstandsflächentiefe von 1,2 m ergäbe. Da jedoch § 5 Abs. 7 S. 2 LBO eine Mindestabstandsflächentiefe von 2,5 m vorschreibt, ist diese einzuhalten. Auf die Schneefanggitter mit 20 cm Höhe kommt es nicht an (§ 5 Abs. 6 LBO).
  • 18. Lösung: § 48 Abs. 2 LBO dient der Unparteilichkeit der Verwaltung und will Befangenheit verhindern.
  • 19. https://mlw.baden-wuerttemberg.de/de/bauen-wohnen/baurecht/baurechtsbeho...
  • 20. Lösung: § 53 Abs. 1 LBO diente dazu, die Gemeinde möglichst früh zu informieren und sollte das Verfahren für den Bürger vereinfachen.
  • 21. VGH BW, Beschluss vom 23.11.2017 - 3 S 1933/17 - Leitsatz.
  • 22. Gebunden wegen § 58 Abs. 1 S. 1 LBO; feststellend, da die Baugenehmigung feststellt, dass das Vorhaben mit allen von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist; rechtsgestaltend, weil der Bauherr bauen darf; mitwirkungsbedürftig, da grundsätzlich ein Bauantrag gestellt werden muss; mehrstufig, da verschiedene Personen und Institutionen an der Zusammensetzung beteiligt sind; rechtsnachfolgefähig wegen § 58 Abs. 2 LBO.
  • 23. Vgl. bitte § 9 LVwVfG.
  • 24. Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 8. Aufl. (2020), § 47 Rn. 10-13.
  • 25. Merke: Auch bloße Androhungen von Zwangsmittel sind im Hinblick auf deren Rechtscharakter als Verwaltungsakte (§ 35 S. 1 LVwVfG) zu verstehen. Dies ergibt sich schon aus Rechtsschutzgesichtspunkten (Art. 19 Abs. 4 GG).
  • 26. VGH BW, Beschluss vom 29.11.2010 – 3 S 1019/09.
  • 27. VGH BW, Urteil vom 18.03.1976 – III 556/75.
  • 28. VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.05.2017 – 4 K 377/17.
  • 29. Gassner in: Spannowsky/Uechtritz, BauordnungsR BW, 1. Aufl. (2020), § 47 Rn. 36.
  • 30. VG Freiburg, Urteil vom 22.7.2010 – 4 K 2486/08.
  • 31. Vgl. Hofmeister/Mayer in: Sannowsky/Uechtritz, BauordnungsR BW, 1. Aufl. (2020), § 75 Überblick.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Stüer, Der Bebauungsplan, 5. Aufl. (2015), Verlag C. H. Beck.
  • Rixner/Biedermann/Charlier (Hrsg.), BauGB/BauNVO, 4. Aufl. (2022), Reguvis Fachmedien GmbH.
  • Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. (2019), Verlag C. H. Beck.
  • Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 8. Aufl. (2020), Boorberg Verlag.
  • Spannowsky/Uechtritz, BauordnungsR BW, 1. Aufl. (2020), Verlag C. H. Beck.
Weitere Literatur: 
  • Leuze-Mohr (Hrsg.), Öffentliches Recht für Rechtsreferendare – Grundprinzipien, Klausurtipps, Fallbeispiele, 3. Auflage (2012) – Boorberg-Verlag1
  • Weitere baurechtliche Skripten und Materialien: http://www.gerd-pfeffer.de/jura.html2
  • Weitere Skripten und Materialien zum allgemeinen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht: http://haakh-online.de/3
  • 1. Baurecht wird in Kapitel 8 behandelt. Das komplette Buch ist u. U. sehr umfangreich. Es werden die wichtigsten Themenkomplexe des gesamten Verwaltungsrechts zusammengefasst.
  • 2. Die Skripten sind downloadbar und oft gratis.
  • 3. Die Skripten sind downloadbar und gratis.
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