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§ 223 StGB Körperverletzung (Kommentar)
(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
1. Normzweck und Schutzgut
§ 223 StGB stellt die einfachste Form der Körperverletzung unter Strafe. Die Norm schützt die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit der Menschen vor rechtswidrigen Eingriffen. Darunter fallen sowohl die körperliche Integrität als auch die Gesundheit als umfassendes physisches und psychisches Wohlbefinden. Er ist die Grundnorm des 17. Abschnitts des StGB, der die Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit umfasst. Er dient auch dem Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte der Opfer.
2. Historie
Die Körperverletzung als Straftatbestand besteht historisch seit jeher. So heißt es etwa im Allgemeinen Landrecht:
Eilfter Abschnitt. Von körperlichen Verletzungen
Grundsatz.
§. 691. Ein jeder ist schuldig, sein Betragen so einzurichten, daß er weder durch Handlungen, noch Unterlassungen, Andrer Leben oder Gesundheit in Gefahr setze.
3. Tatbestand
Der § 223 StGB setzt sich aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand zusammen. Der objektive Tatbestand umfasst die Tatmodalitäten der körperlichen Misshandlung oder der Gesundheitsschädigung, sowie die Kausalität zwischen der Handlung und dem Erfolg. Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
3.1. Objektiver Tatbestand
3.1.1. Körperliche Misshandlung
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit eines anderen nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Dabei kommt es nicht auf die Art oder Dauer der Einwirkung an, sondern auf das Ausmaß der Beeinträchtigung. Es genügt, dass die Handlung zu einem spürbaren Schmerz oder einem anderen unangenehmen Empfinden führt. Beispiele für körperliche Misshandlungen sind Schläge, Tritte, Stiche, Bisse, Verbrennungen, Stromschläge, Würgen, Fesseln oder Einsperren.
Die körperliche Unversehrtheit wiederum bezieht sich auf den äußeren und inneren Zustand des Körpers. Eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit kann beispielsweise durch eine Schürfwunde, eine Prellung oder eine Fraktur geschehen. Entscheidend ist, dass eine solche Verletzung nicht nur geringfügig sein darf; auch geringe Schmerzen können ausreichen, sofern sie über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgehen.
3.1.2. Gesundheitsschädigung
Eine Gesundheitsschädigung ist jede nachteilige Veränderung des körperlichen oder seelischen Zustands eines anderen, die nicht nur vorübergehend ist. Dabei kommt es nicht auf die Schwere oder Dauer der Veränderung an, sondern auf deren Nachhaltigkeit. Es genügt, dass die Handlung zu einer Funktionsbeeinträchtigung eines Organs oder einer psychischen Störung führt. Beispiele für Gesundheitsschädigungen sind Knochenbrüche, Wunden, Narben, Gehirnerschütterungen, Vergiftungen, Infektionen, Allergien oder Depressionen.
3.2. Kausalität
Zwischen der Handlung und dem Erfolg muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Das bedeutet, dass der Erfolg ohne die Handlung nicht eingetreten wäre oder nicht so eingetreten wäre. Dabei ist es unerheblich, ob die Handlung allein oder zusammen mit anderen Bedingungen den Erfolg herbeigeführt hat. Es genügt auch, wenn die Handlung eine bereits bestehende Beeinträchtigung verstärkt oder verlängert hat.
3.3. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz)
Der subjektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfordert Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale. Es genügt dabei jeder Vorsatzform, also sowohl direkter Vorsatz (dolus directus 1. und 2. Grades) als auch Eventualvorsatz (dolus eventualis).
- Dolus directus 1. Grades liegt vor, wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes als sein unmittelbares Ziel verfolgt.
- Dolus directus 2. Grades setzt voraus, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung als sicher voraussieht, auch wenn sie nicht sein primäres Handlungsziel ist.
- Dolus eventualis (Eventualvorsatz) liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Wichtig ist, dass der Täter Kenntnis von den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen haben muss, d. h. er muss wissen oder zumindest für möglich halten, dass sein Verhalten eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung verursacht. Ein Versehen oder Irrtum über die körperliche Beeinträchtigung kann zur Verneinung des Vorsatzes und damit zur Straflosigkeit führen. Der Täter muss jedoch keinen bestimmten Zweck oder Beweggrund haben. Fahrlässigkeit, d. h. die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, reicht nicht aus.
4. Rechtswidrigkeit und Schuld
Für die Strafbarkeit nach § 223 StGB muss das Verhalten des Täters nicht nur tatbestandsmäßig und vorsätzlich, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft sein.
4.1. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit ist indiziert, wenn der Tatbestand des § 223 StGB erfüllt ist, es sei denn, es liegt ein Rechtfertigungsgrund vor. Die relevanten Rechtfertigungsgründe sind insbesondere die Notwehr (§ 32 StGB), der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB), die Einwilligung des Verletzten (§ 228 StGB) oder die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Die Rechtfertigungsgründe müssen jedoch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen.
- Einwilligung: Eine wirksame Einwilligung des Verletzten kann die Rechtswidrigkeit des Eingriffs aufheben, solange die Einwilligung freiwillig, bewusst und ernsthaft erklärt wurde und der Handelnde das Recht zur Einwilligung besitzt. In bestimmten Fällen, etwa bei medizinischen Eingriffen, ist eine ausführliche Aufklärung erforderlich.
- Notwehr und Notstand: In einer Notwehrsituation ist eine Körperverletzung gerechtfertigt, wenn sie erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwehren. Im Falle des Notstands ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung erforderlich. Ein sog. Exzess der Notwehr oder des Notstand, also eine offensichtlich unverhältnismäßige Überschreitung der Gegenwehr, führt zur Strafbarkeit.
4.2. Schuld
Die Schuld erfordert die persönliche Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Verhaltens. Neben den allgemeinen Schuldausschließungsgründen wie Schuldunfähigkeit (§§ 19, 20 StGB) und entschuldigendem Notstand (§ 35 StGB) können insbesondere Irrtümer über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (§ 16 StGB) oder über die Voraussetzungen eines strafbaren Versuchs (§ 23 StGB) die Schuld ausschließen.
Die Tat muss auf einem Schuldgrund beruhen, d.h. sie darf nicht durch eine Schuldausschließungs- oder Schuldminderungsgrundlage ausgeschlossen oder gemindert sein. Schuldausschließungsgründe sind z.B. Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB), Unrechtsbewusstseinsmangel (§ 17 StGB) oder entschuldigender Notstand (§ 35 StGB). Schuldminderungsgründe sind z.B. verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), entschuldigende Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB) oder tätige Reue (§ 306e StGB).
5. Rechtsfolge
Der § 223 StGB sieht als Rechtsfolge eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Die Strafzumessung richtet sich nach den allgemeinen Regeln des § 46 StGB, die u.a. die Schuld des Täters, die Beweggründe, die Art der Ausführung, das Maß der Verletzung, die Folgen für das Opfer und das Vorleben des Täters berücksichtigen. Die Strafe kann auch zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen des § 56 StGB vorliegen.
6. Versuch
Der Versuch der Körperverletzung ist nach Absatz 2 strafbar. Das bedeutet, dass der Täter bereits mit der Ausführung seiner Tat beginnt, aber den Erfolg nicht oder nicht vollständig herbeiführt. Dabei muss der Täter den Erfolg ernstlich erstreben und nicht nur vortäuschen oder androhen. Der Versuch kann nach den §§ 23 und 24 StGB strafmildernd oder strafbefreiend behandelt werden, wenn der Täter freiwillig von der weiteren Ausführung seiner Tat zurücktritt oder deren Vollendung verhindert.
- Versuchsbegriff: Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt (§ 22 StGB). Hierbei muss die Schwelle zum "Jetzt geht es los" überschritten sein.
- Strafrahmen und Strafmilderung: Die Versuchsstrafbarkeit ermöglicht eine frühzeitige Intervention des Strafrechts, wobei der Strafrahmen in der Regel gemildert wird (§ 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 StGB).