Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (01.06.1794), Zweyter Theil
ZWEYTER THEIL des Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten. (Einleitung - Erster Theil - Zweyter Theil)
- Erster Titel. Von der Ehe
- Erster Abschnitt. Von den Erfordernissen einer gültigen Ehe
- Zweyter Abschnitt. Von Ehegelöbnissen
- Dritter Abschnitt. Von der Vollziehung einer vollgültigen Ehe
- Vierter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Eheleute, in Beziehung auf ihre Personen
- Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Eheleute in Beziehung auf ihr Vermögen
- Sechster Abschnitt. Von der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten
- Siebenter Abschnitt. Von Trennung der Ehe durch den Tod
- Achter Abschnitt. Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch
- Neunter Abschnitt. Von der Ehe zur linken Hand
- Zehnter Abschnitt. Von den rechtlichen Folgen gesetzwidrig geschlossener Ehe
- Eilfter Abschnitt. Von den rechtlichen Folgen des unehelichen Beyschlafes
- Zweyter Titel. Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Aeltern und Kinder
- Erster Abschnitt. Von ehelichen Kindern
- Zweyter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Aeltern und der aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder, so lange die letztern unter väterlicher Gewalt stehn
- Dritter Abschnitt. Von dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder
- Vierter Abschnitt. Von Aufhebung der väterlichen Gewalt
- Fünfter Abschnitt. Von der Erbfolge der Kinder und andrer Verwandten in absteigender Linie
- Sechster Abschnitt. Von der Erbfolge der Aeltern und andrer Verwandten in aufsteigender Linie
- Siebenter Abschnitt. Von der Pupillar-Substitution
- Achter Abschnitt. Von den Kindern aus einer Ehe zur linken Hand
- Neunter Abschnitt. Von den aus unehelichem Beyschlafe erzeugten Kindern
- Zehnter Abschnitt. Von der Annahme an Kindesstatt
- Eilfter Abschnitt. Von der Einkindschaft
- Zwölfter Abschnitt. Von Pflegekindern
- Dritter Titel. Von den Rechten und Pflichten der übrigen Mitglieder einer Familie
- Vierter Titel. Von gemeinschaftlichen Familienrechten
- Erster Abschnitt. Von gemeinschaftlichen Familienrechten überhaupt
- Zweyter Abschnitt. Von Familienstiftungen
- Dritter Abschnitt. Von beständigen Familien - Fideicommissen
- Vierter Abschnitt. Von der Successionsordnung in Familien-Fideicommisse
- Fünfter Abschnitt. Von der Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommiß-Folger und den Erben des letzten Besitzers
- Sechster Abschnitt. Von dem Näherrechte auf Familiengüter
- Fünfter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes
- Sechster Titel. Von Gesellschaften überhaupt, und von Corporationen und Gemeinen
- Siebenter Titel. Vom Bauerstande
- Erster Abschnitt. Vom Bauerstande überhaupt
- Zweyter Abschnitt. Von Dorfgemeinen
- Dritter Abschnitt. Von unterthänigen Landbewohnern, und ihrem Verhältnisse gegen ihre Herrschaften
- Vierter Abschnitt. Von den persönlichen Pflichten und Rechten der Unterthanen
- Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen in Ansehung ihres Vermögens
- Sechster Abschnitt. Von den Diensten der Unterthanen
- Siebenter Abschnitt. Von den Zinsen und Abgaben der Unterthanen
- Achter Abschnitt. Von der Entlassung aus der Unterthänigkeit
- Achter Titel. Vom Bürgerstande
- Erster Abschnitt. Vom Bürgerstande überhaupt
- Zweyter Abschnitt. Von Städten und Stadtgemeinen
- Dritter Abschnitt. Von Handwerkern und Zünften
- Vierter Abschnitt. Von Künstlern und Fabrikanten
- Fünfter Abschnitt. Von Brauern, Gastwirthen, Garköchen, und Andern, welche mit dem Verkaufe zubereiteter Speisen oder Getränke ein Gewerbe treiben
- Sechster Abschnitt. Von Apothekern
- Siebenter Abschnitt. Von Kaufleuten
- Achter Abschnitt. Von Wechseln
- Neunter Abschnitt. Von Handelsbillets und Assignationen
- Zehnter Abschnitt. Von Mäklern
- Eilfter Abschnitt. Von Rhedern, Schiffern, und Befrachtern
- Zwölfter Abschnitt. Von Haverey und Seeschäden
- Dreyzehnter Abschnitt. Von Versicherungen
- Vierzehnter Abschnitt. Von der Bodmerey
- Fünfzehnter Abschnitt. Von Fuhrleuten
- Neunter Titel. Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes
- Zehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats
- Eilfter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften
- Erster Abschnitt. Von Kirchengesellschaften überhaupt
- Zweyter Abschnitt. Von den Mitgliedern der Kirchengesellschaften
- Dritter Abschnitt. Von den Obern und Vorgesetzten der Kirchengesellschaften
- Vierter Abschnitt. Von den Gütern und dem Vermögen der Kirchengesellschaften
- Fünfter Abschnitt. Von Parochien
- Sechster Abschnitt. Von dem Pfarrer und dessen Rechten
- Siebenter Abschnitt. Von weltlichen Kirchenbedienten
- Achter Abschnitt. Von Kirchenpatronen
- Neunter Abschnitt. Von der Verwaltung der Güter und des Vermögens der Pfarrkirchen
- Zehnter Abschnitt. Von Pfarrgütern und Einkünften
- Eilfter Abschnitt. Von Zehnten und andern Pfarrabgaben
- Zwölfter Abschnitt. Von geistlichen Gesellschaften überhaupt
- Dreyzehnter Abschnitt. Von katholischen Domstiftern und Capiteln
- Vierzehnter Abschnitt. Von Collegiatstiftern
- Fünfzehnter Abschnitt. Von Klostergesellschaften
- Sechszehnter Abschnitt. Von geistlichen Ritterorden
- Siebzehnter Abschnitt. Von weltgeistlichen Canonicis
- Achtzehnter Abschnitt. Von Mönchen und Ordensleuten
- Neunzehnter Abschnitt. Von den Mitgliedern der geistlichen Ritterorden
- Zwanzigster Abschnitt. Von protestantischen Stiftern, Klöstern, Ritterorden, und deren Mitgliedern
- Zwölfter Titel. Von niedern und höhern Schulen
- Dreyzehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten des Staats überhaupt
- Vierzehnter Titel. Von den Staatseinkünften und fiskalischen Rechten
- Fünfzehnter Titel. Von den Rechten und Regalien des Staats in Ansehung der Landstraßen, Ströhme, Hafen, und Meeresufer
- Sechszehnter Titel. Von den Rechten des Staats auf herrnlose Güter und Sachen
- Siebenzehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten des Staats zum besondern Schatze seiner Unterthanen
- Achtzehnter Titel. Von Vormundschaften und Curatelen
- Erster Abschnitt. Von den Personen, welchen Vormünder oder Curatoren bestellt werden müssen
- Zweyter Abschnitt. Von denjenigen, welchen die Bestellung der Vormünder und Curatoren zukommt und obliegt
- Dritter Abschnitt. Von den Personen, welche das Amt eines Vormundes zu übernehmen schuldig, und dazu fähig sind
- Vierter Abschnitt. Von Verpflichtung und Bestätigung der Vormünder
- Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Vormünder überhaupt
- Sechster Abschnitt. Von der Sorge für den Unterhalt, und die Erziehung der Pflegebefohlnen
- Siebenter Abschnitt. Von der Vorsorge für das Vermögen der Pflegebefohlnen
- Achter Abschnitt. Von Aufhebung der Vormundschaften
- Neunter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Curatoren
- Neunzehnter Titel. Von Armenanstalten, und andern milden Stiftungen
- Zwanzigster Titel. Von den Verbrechen und deren Strafen
- Erster Abschnitt. Von Verbrechen und Strafen überhaupt
- Zweyter Abschnitt. Von Staatsverbrechen überhaupt und vom Hochverrathe insbesondere
- Dritter Abschnitt. Von Verbrechen gegen die äußere Sicherheit des Staats
- Vierter Abschnitt. Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats
- Fünfter Abschnitt. Von Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat
- Sechster Abschnitt. Von Beleidigungen der Religionsgesellschaften
- Siebenter Abschnitt. Von Anmaßungen und Beeinträchtigungen der vorbehaltnen Rechte des Staats
- Achter Abschnitt. Von den Verbrechen der Diener des Staats
- Neunter Abschnitt. Von Privatverbrechen
- Zehnter Abschnitt. Von Beleidigungen der Ehre
- Eilfter Abschnitt. Von körperlichen Verletzungen
- Zwölfter Abschnitt. Von fleischlichen Verbrechen
- Dreyzehnter Abschnitt. Von Beleidigungen der Freyheit
- Vierzehnter Abschnitt. Von Beschädigung des Vermögens überhaupt und von Entwendung insonderheit
- Fünfzehnter Abschnitt. Von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz und Betrug
- Sechszehnter Abschnitt. Von Beschädigungen des Vermögens aus Rache, Bosheit und Muthwillen
- Siebzehnter Abschnitt. Von Beschädigungen mit gemeiner Gefahr
Erster Titel. Von der Ehe
§. l. Der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung der Kinder.
§. 2. Auch zur wechselseitigen Unterstützung allein kann eine gültige Ehe geschlossen werden.
Erster Abschnitt. Von den Erfordernissen einer gültigen Ehe
Eheverbote wegen zu naher Verwandtschaft.
§. 3. Ehen zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie sind gänzlich verboten.
§. 4. Auch Ehen zwischen voll- und halbbürtigen in oder außer der Ehe erzeugten Geschwistern sind unzuläßig.
§. 5. Stief- oder Schwieger-Aeltern dürfen sich mit ihren Stief- oder Schwieger-Kindern ohne Unterschied des Grades, nicht verheirathen.
§. 6. Diese Eheverbote (§. 5.) dauern fort, wenn gleich die Ehe, wodurch die Verbindung zwischen Stief- oder Schwieger-Aeltern und Kindern entstanden war, durch Tod oder richterlichen Ausspruch wieder getrennt worden.
§. 7. In allen übrigen Graden der Verwandtschaft und Schwägerschaft ist die Ehe erlaubt, und bedarf es dazu keiner Dispensation.
§. 8. Nur wenn jemand die Schwester seines Vaters, oder seiner Mutter, oder eines weitern Verwandten in aufsteigender Linie, die an Jahren älter ist, heirathen will, muß er dazu die Erlaubniß des Staats nachsuchen.
§. 9. Diese Erlaubniß soll nur aus erheblichen Gründen, und wenn eine solche Ehe beyden Theilen augenscheinlich vortheilhaft ist, ertheilt werden.
§. 10. In den durch die Gesetze des Staats schlechterdings verbotenen Graden (§. 3-6.) findet keine Dispensation, sie werde ertheilt von wem sie will, mit rechtlicher Wirkung statt.
§. 11. In wie fern aber katholische Glaubensgenossen, in den durch die Landesgesetze erlaubten Fällen, die Dispensation der geistlichen Obern, nach den Grundsätzen ihrer Religion nachzusuchen haben, bleibt dem Gewissen derselben überlassen.
§. 12. Doch verliert eine Ehe, welche nach den Landesgesetzen erlaubt ist, dadurch, daß die Dispensation der geistlichen Obern nicht nachgesucht, oder versagt worden, nichts von ihrer bürgerlichen Gültigkeit.
Zwischen angenommenen Aeltern und Kindern
§. 13. Zwischen Personen, deren eine die andere an Kindesstatt angenommen hat, kann so lange, als die Adoption nicht auf gesetzmäßige Art wieder aufgehoben worden, keine gültige Heirath geschlossen werden.
Zwischen Vormündern und Pflegebefohlnen.
§. 14. Ein Vormund soll während seiner Vormundschaft, ohne vorhergegangene Untersuchung und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, weder sich selbst, noch seine Kinder, mit seinen Pflegebefohlnen verehlichen.
§. 15. Auf Curatoren, welche Pflegebefohlnen bloß zu einem mit keiner fortwährenden Administration verbundenen einzelnen Geschäfte zugeordnet worden, ist dieses Eheverbot nicht zu deuten.
§. 16. Ein Mann kann nur Eine Frau, und eine Frau nur Einen Mann zu gleicher Zeit zur Ehe haben.
Von Ehen schon verheirathet gewesener Personen.
§. 17. Wer zur zweyten und fernern Ehe schreiten will, muß die Trennung der letztvorhergehenden Ehe sowohl dem Pfarrer, welcher das Aufgebot, als demjenigen, welcher die Trauung verrichten soll, nachweisen.
§. 18. Sind aus einer vorhergehenden Ehe Kinder vorhanden, welche wegen minderjährigen Alters, oder sonst, sich selbst nicht vorstehen können: so muß deren gesetzliche Abfindung nachgewiesen; oder doch ein Erlaubnißschein des vormundschaftlichen Gerichts vor der Trauung beygebracht werden.
§. 19. Wittwen und geschiedne Frauen, welche sich aus der vorigen Ehe geständlich oder notorisch schwanger befinden, müssen, ehe sie zu einer femern Ehe schreiten können, ihre Entbindung abwarten.
§. 20. Außer diesem Falle dürfen Wittwen und geschiedne Frauen nicht eher, als Neun Monathe nach Trennung der vorigen Ehe, sich wieder verheirathen.
§. 21. Ist jedoch die vorige Ehe wegen böslicher Verlassung getrennt worden: so kann der geschiedene Theil sogleich, nachdem das Urtel die Rechtskraft erlangt hat, zur fernern Ehe schreiten.
§. 22. Auch in andern Fällen kann der ordentliche Richter einer Wittwe, oder geschiednen Frau, die anderweitige Verheirathung derselben noch vor Ablauf der Neun Monathe zulassen, wenn nach den Umständen, und dem Urtheile der Sachverständigen, eine Schwangerschaft nicht wahrscheinlich ist.
§. 23. Doch soll dergleichen Dispensation vor Ablauf Dreyer Monathe, nach getrennter voriger Ehe, niemals ertheilt werden.
§. 24. Ein Wittwer kann erst nach Verlauf von Sechs Wochen, nach dem Ableben der vorigen Frau, sich wieder verheirathen.
Verbot der Ehe zwischen Personen, welche Ehebruch mit einander getrieben haben.
§. 25. Personen, welche wegen Ehebruchs geschieden wurden, dürfen diejenigen, mit welchen sie den Ehebruch getrieben haben, nicht heirathen.
§. 26. Auch diejenigen, welche durch verdächtigen Umgang, oder sonst gestiftete Mißhelligkeiten, Anlaß zu Trennung einer Ehe gegeben haben, sollen die geschiedene Person nicht ehelichen.
§. 27. Ist aber der Ehebruch, oder der verdächtige Umgang, oder die Stiftung von Mißhelligkeiten, in dem Scheidungsprocesse nicht gerügt, oder von dem Richter nicht als die Ursache der erkannten Scheidung befunden worden: so verdient eine später erfolgende Anzeige keine Rücksicht.
§. 28. Sind mit dem Ehebruche, oder verdächtigen Umgange, Nachstellungen gegen das Leben des andern Ehegatten verbunden gewesen: so findet zwischen dem schuldigen Ehegatten, und dessen Zuhalter, eine Heirath auch alsdann nicht statt, wenn gleich die vorige Ehe nur durch den Tod getrennt worden.
§. 29. Vielmehr muß der Richter, wenn ihm ein solcher Vorfall angezeigt wird, die Untersuchung desselben von Amtswegen in so weit verfügen, als er dazu in Ansehung eines jeden ihm angezeigten Verbrechens schuldig ist.
Eheverbot wegen Ungleichheit des Standes.
§. 30. Mannspersonen von Adel können mit Weibspersonen aus dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande keine Ehe zur rechten Hand schließen.
§. 31. Zum hohem Bürgerstande werden hier gerechnet, alle öffentliche Beamte, (die geringern Subalternen, deren Kinder in der Regel dem Canton unterworfen sind, ausgenommen;) Gelehrte, Künstler, Kaufleute, Unternehmer erheblicher Fabriken, und diejenigen, welche gleiche Achtung mit diesen in der bürgerlichen Gesellschaft genießen.
§. 32. Zu ungleichen Ehen eines Adlichen (§. 30.) kann das Landes-Justiz-Collegium der Provinz Dispensation ertheilen, wenn der, welcher eine solche Ehe schließen will, nachweist, daß Drey seiner nächsten Verwandten desselben Namens und Standes darein willigen.
§. 33. Kann er dergleichen Einwilligung nicht beybringen, oder findet sich von Verwandten, die mit den Consentirenden gleich nahe sind, ein Widerspruch: so kann die Dispensation nur von dem Landesherrn unmittelbar ertheilt werden.
§. 34. Officiere, welche in wirklichen Kriegsdiensten stehen, können ohne königliche Erlaubniß nicht heirathen.
§. 35. Bey Unterofficieren, Soldaten, und allen, welche gleich diesen zur Fahne geschworen haben, wird die Einwilligung des Chefs oder Commandeurs von dem Regimente, Bataillon, oder Corps, zu welchem sie gehören, erfordert.
Erfordernisse einer gültigen Ehe, in Ansehung der Religion, des Alters.
§. 36. Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche nach den Grundsätzen ihrer Religion, sich den christlichen Ehegesetzen zu unterwerfen gehindert werden.
§. 37. Mannspersonen sollen vor zurückgelegtem Achtzehnten, und Personen weiblichen Geschlechts, vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre nicht heirathen.
der Freyheit der Einwilligung.
§. 38. Ohne die freye Einwilligung beyder Theile ist keine Ehe verbindlich.
§. 39. So weit eine Willenserklärung überhaupt, wegen Mangels persönlicher Fähigkeiten, oder wegen Zwanges, Furcht, oder Betruges, unverbindlich ist, so weit ist auch eine unter solchen Umständen geschlossene Ehe ungültig. (Th. I. Tit. IV. §. 31. sqq.)
§. 40. So weit eine jede Willensäußerung wegen Irrthums unkräftig ist, so weit hebt ein solcher Irrthutn auch die Einwilligung in eine Heirath auf, wenn in der Person des künftigen Ehegatten, oder in solchen persönlichen Eigenschaften, welche bey Schließung einer Ehe von dieser Art vorausgesetzt zu werden pflegen, geirrt worden ist. (Ebend. §. 75-83.)
§. 41. Eine durch Zwang, Betrug, oder Irrthum veranlaßte Ehe wird verbindlich: wenn sie nach entdecktem Irrthume oder Betruge, oder nach aufgehobenem Zwange, ausdrücklich genehmigt, oder länger als Sechs Wochen nach diesem Zeitpunkte freywillig fortgesetzt worden.
§. 42. Ist der angeblich gezwungene, betrogene, oder sonst im Irrthume gewesene Theil verstorben, ohne die Nichtigkeit der Ehe zu rügen: so kann die Ehe von dessen Erben nicht mehr angefochten werden.
§. 43. Ist jedoch aus einer angeblich erzwungenen Ehe kein Kind vorhanden: so haben die Erben des unschuldigen Theils ein Recht, auf die Nichtigkeit dieser Ehe zu klagen.
§. 44. Die Frist, welche dem Erblasser noch übrig war, wird den Erben, vom Todestage an gerechnet, verdoppelt.
§. 45. Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand können sich, ohne Einwilligung ihres leiblichen Vaters, nicht gültig verheirathen.
§. 46. Auch solche Kinder, die schon verheirathet gewesen, ingleichen Söhne, die der väterlichen Gewalt entlassen, und Töchter, die über vier und zwanzig Jahre alt sind, so wie Kinder aus einer Ehe zur linken Hand, müssen die väterliche Einwilligung nachsuchen.
§. 47. Wer an Kindesstatt förmlich angenommen worden, bedarf zu seiner Heirath nur der Genehmigung desjenigen, welcher ihn dazu angenommen hat.
§. 48. Kinder, welche von ihren natürlichen Aeltern verlassen, und von andern aufgenommen worden, bedürfen zu ihrer Verheirathung nur der Einwilligung dererjenigen, welche alsdann in dem Verhältnisse eines Pflegevaters gegen sie stehen. (Tit. II. Sect. XII.)
der Mutter, der Großältern und des Vormundes.
§. 49. Bey noch minderjährigen vaterlosen Waisen ist die Einwilligung der Mutter und des Vormundes nothwendig.
§. 50. Ist auch die Mutter verstorben: so muß an ihrer Stelle die Einwilligung der Großältern nachgesucht werden.
§. 51. Unter mehrern Großältern haben diejenigen den Vorzug, welche das Kind zu sich genommen und erzogen haben.
§. 52. Sonst gehen die Großväter den Großmüttern, und die von des Vaters Seite denen von der Mutter Seite vor.
§. 53. Sind auch keine Großältern mehr vorhanden: so ist die Einwilligung des Vormundes allein hinreichend.
§. 54. Der Vormund kann seinen Consens ohne Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts nicht ertheilen.
§. 55. Was vorstehend (§. 49-54.) von Minderjährigen verordnet ist, gilt auch von denen welche als gerichtlich erklärte Verschwender unter Vormundschaft genommen sind.
§. 56. Steht derjenige, dessen Einwilligung erfordert wird, selbst unter Vormundschaft, oder ist sein Aufenthalt unbekannt: so ist eben so zu verfahren, als wenn er gar nicht mehr vorhanden wäre.
§. 57. Die Einwilligung solcher Aeltern und Großältern, welche außerhalb Europa leben, kann, wenn das Beste des zu verheirathenden Kindes durch deren Abwartung leiden würde, von dem vormundschaftlichen Gerichte ergänzt werden.
§. 58. Diejenigen, deren Einwilligung nach obigen Vorschriften (§. 45. sqq.) erfordert wird, sollen dieselbe nicht ohne erheblichen Grund versagen.
Gründe zur Versagung dieser Einwilligung.
§. 59. Erhebliche Gründe sind alle diejenigen, aus welchen eine vernünftige und wahrscheinliche Besorgniß, daß die künftige Ehe unglücklich und mißvergnügt seyn dürfte, entspringt.
§. 60. Dahin ist besonders zu rechnen, wenn den künftigen Eheleuten das nöthige Auskommen fehlen würde.
§. 61. Oder wenn der andre Theil zu einer infamirenden, oder auch nur sonst nach der gemeinen Meinung schimpflichen Strafe, durch ein rechtskräftiges Criminal-Erkenntniß verurtheilt worden.
§. 62. Ferner, wenn derselbe der Verschwendung, Trunkenheit, Liederlichkeit, oder sonst einem groben Laster ergeben ist.
§. 63. Desgleichen, wenn er schon einmal geschieden, und in dem Scheidungsurtel für den schuldigen Theil erklärt worden ist.
§. 64. Oder, wenn er mit epileptischen Zufällen, der Schwindsucht, venerischen oder andern ansteckenden Krankheiten behaftet ist.
§. 65. Endlich, wenn eine minderjährige Person des Adels oder höhern Bürgerstandes, sich mit einer solchen, die nach obigen Bestimmungen (§. 30. 31.) zu einer niedrigen Classe gehört, verheirathen will.
§. 66. Aeltern und Großältern versagen ihre Einwilligung mit Grunde, wenn sie von dem andern Theile mit Beschimpfungen oder Thätlichkeiten gröblich beleidigt worden.
§. 67. Oder, wenn die Kinder die nicht erbetene oder verweigerte Einwilligung durch heimliche Ehegelöbnisse, Entführung, oder andere unerlaubte Mittel, zu erzwingen gesucht haben.
Ergänzung der ohne Grund versagten Einwilligung.
§. 68. Wenn Aeltern oder Großältern die Einwilligung verweigern: so muß, auf Anrufen der Kinder, oder des andern Theils, über die Rechtmäßigkeit dieser Weigerung von dem ordentlichen Richter erkannt werden.
§. 69. Verweigert der Vormund seine Einwilligung: so kann dieselbe von dem vormundschaftlichen Gerichte durch ein bloßes Dekret ersetzt werden.
§. 70. Beharret aber der Vormund auf seiner Weigerung: so steht ihm frey, auf richterliches Gehör und Erkenntniß darüber anzutragen.
§. 71. Eben dazu ist auch derjenige befugt, welchem die Heirath mit einer unter Vormundschaft stehenden Person, von dem vormundschaftlichen Gerichte, mit oder ohne Beytritt des Vormundes, oder der Verwandten, untersagt worden.
§. 72. Sind mehrere Vormünder unter sich nicht einig: so giebt unter ihnen bloß der Schluß des vormundschaftlichen Gerichts den Ausschlag.
§. 73. In wie fern die Einwilligung der Gutsherrschaften erforderlich sey, wird in dem Titel von den Rechten und Pflichten der Gutsunterthanen bestimmt. (Tit. VII. Sect. IV.)
§. 74. Die rechtlichen Folgen der Vernachläßigung vorstehender Erfordernisse einer gültigen Ehe sind im Zehnten Abschnitte festgesetzt.
Zweyter Abschnitt. Von Ehegelöbnissen
Erfordernisse eines gültigen Ehegelöbnisses.
§. 75. Das Ehegelöbniß ist ein Vertrag, wodurch zwey Personen verschiedenen Geschlechts einander künftig zu heirathen versprechen.
§. 76. Unter Personen, und in Fällen, wo keine rechtsbeständige Ehe statt findet, kann auch kein gültiges Ehegelöbniß errichtet werden.
§. 77. Auch dadurch, daß ein zur Zeit des errichteten Vertrages entgegen gestandenes Eheverbot, durch Dispensation, oder sonst, gehoben worden, erlangt das von Anfang an ungültige Ehegelöbniß keine verbindliche Kraft.
§. 78. Besteht hingegen das Ehehinderniß nur in dem Mangel der Einwilligung dererjenigen, deren Consens zur Gültigkeit der Ehe erfordert wird: so ist, bis zu dessen Erfolge, das Ehegelöbniß nur für den, welcher einer solchen Einwilligung bedarf, unverbindlich.
§. 79. Der andre Theil aber kann so lange nicht zurücktreten, als die Personen, auf deren Einwilligung es ankommt, sich darüber noch nicht erklärt haben. (Th. I. Tit. V. §. 13.)
§. 80. So lange ein gesetzmäßiges Ehegelöbniß besteht, soll keiner der Verlobten sich in ein folgendes einlassen. (§. 132. 133. 134.)
§. 81. Es ist nicht nothwendig, daß vor jeder Ehe ein förmliches Ehegelöbniß hergehe.
§. 82. Wenn aber aus einem Ehegelöbnisse ein Recht, auf Vollziehung der Ehe zu klagen, entspringen soll: so muß dasselbe gerichtlich, oder vor einem Justizcommissario und Notario geschlossen und niedergeschrieben werden.
§. 83. Gemeine Landleute können ihre Verlobungen vor Schulzen und Schöppen vollziehen und niederschreiben lassen.
§. 84. Für die schriftliche Aufnehmung des bloßen Eheversprechens an ordentlicher Gerichtsstelle sollen den Parteyen keine Gebühren abgefordert werden.
§. 85. Bey der Aufnehmung des Ehegelöbnisses müssen die Parteyen in Person gegenwärtig seyn.
§. 86. Wenn beyde Theile sich nicht an Einem Orte befinden: so muß die Aufnehmung des Ehegelöbnisses an dem Aufenthaltsorte der Braut erfolgen.
§. 87. Alsdann kann der Bräutigam durch einen gerichtlich ernannten Bevollmächtigten das Geschäfte vollziehen.
§. 88. Ist die Braut großjährig, und nicht mehr unter väterlicher Gewalt: so muß sie mit einem von ihr selbst gewählten männlichen Beystande erscheinen.
§. 89. Der Richter oder Justizcommissarius ist schuldig, vor Aufnehmung des Vertrages Erkundigung einzuziehen: ob vielleicht Ehehindernisse vorwalten.
§. 90. Was die Verschweigung wirklich vorhandener Ehehindernisse in Ansehung desjenigen Theils, welcher sich deren schuldig macht, für Folgen habe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Sect. X.)
§. 91. Ehegelöbnisse, bey welchen die gesetztliche Form nicht beobachtet worden, sind für bloße Unterhandlungen zu achten.
§. 92. Wenn jedoch mit beyder Theile Bewilligung das Aufgebot schon erfolgt ist: so finden zwischen ihnen eben die Rechte und Pflichten, wie aus einem förmlichen Ehegelöbnisse statt.
§. 93. Die der Gültigkeit eines förmlichen Ehegelöbnisses entgegenstehende Mängel, werden durch den hinzukommenden Beyschlaf nicht gehoben.
§. 94. Was aber überhaupt die Folgen eines unter dem Versprechen der Ehe vollzogenen Beyschlafs sind, wird unten bestimmt. (Abschn. XI.)
§. 95. Ehegelöbnisse, deren Erfüllung von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht worden, können, so lange die Bedingung noch nicht eingetroffen ist, von jedem Theile, auch einseitig, widerrufen werden.
§. 96. Ein Gleiches gilt von Ehegelöbnissen, deren Erfüllung auf eine ungewisse Zeit hinausgesetzt worden, so lange der Zeitpunkt noch nicht eingetroffen ist.
§. 97. Ist in dem Vertrage wegen der Zeit zur Vollziehung der Ehe gar nichts bestimmt: so ist ein Theil auf den andern nur zwey Jahre lang zu warten verbunden.
§. 98. Ein gleiches findet statt, wenn die Vollziehung der Ehe in unbestimmten Ausdrücken, nach Möglichkeit, oder nach Gelegenheit versprochen, oder wenn dieselbe der Willkühr eines oder des andern Urtel ausdrücklich überlassen worden.
§. 99. Uebrigens aber soll niemand, wider den Willen des Andern, von einem gültigen Ehegelöbnisse, ohne rechtlichen Grund zurücktreten.
§. 100. Gründe, aus welchen eine schon vollzogene Ehe getrennt werden könnte, rechtfertigen den Rücktritt von einem Ehegelöbnisse. (Abschnitt VIII.)
§. 101. Auch bloßer verdächtiger Umgang, geringere Thätlichkeiten, schimpfliche oder verächtliche Begegnung, können, wenn sie gleich zur Trennung einer schon vollzogenen Ehe noch nicht hinreichend wären, dennoch den Rücktritt von einem Ehegelöbnisse begründen.
§. 102. Fehler in dem moralischen Verhalten, des einen Verlobten, weswegen Aeltern ihre Einwilligung nach §. 61. 62. 63. versagen könnten, berechtigen den andern Verlobten zum Rücktritte, wenn dieselben erst nach der Verlobung entstanden, oder ihm bekannt geworden sind.
§. 103. Wegen einer erst nach der Verlobung entdeckten ekelhaften, ansteckenden, besonders venerischen, ingleichen wegen einer jeden unheilbaren Krankheit des einen Theils, kann der andre sein Eheversprechen zurücknehmen.
§. 104. Ein gleiches gilt von einer auffallenden Häßlichkeit des Körpers, oder einem andern Ekel und Widerwillen erregenden Gebrechen, welche ein Theil dem andern vor der Verlobung verheimlicht hat.
§. 105. Ein nach der Verlobung entdeckter Irrthum in Ansehung des Vermögens, rechtfertigt den Rücktritt nur alsdann, wenn es den künftigen Eheleuten an dem nöthigen Auskommen fehlen würde.
§. 106. Jeder, auch nur in Ansehung des Vermögens, von einem Verlobten, oder dessen Aeltern verübter Betrug, giebt dem andern ein Recht zum Rücktritte.
§. 107. Veränderungen, welche nach der Verlobung in der Person, oder in den persönlichen, oder Vermögensumständen eines Verlobten sich ereignen, berechtigen denjenigen zum Rücktritte, welcher, wenn er den Fall hätte voraus sehen können, das Ehegelobniß wahrscheinlich nicht eingegangen seyn würde.
§. 108. Religionsveränderung giebt nur dem andern Theile, nicht aber dem Verändernden, ein Recht zum Rücktritte.
§. 109. Wenn ein Theil seine in dem Ehegelöbnisse, oder Ehevertrage ausdrücklich übernommene Verbindlichkeit nicht erfüllen kann: so ist der andre zurückzutreten berechtigt.
§. 110. Die bloße Minderjährigkeit hingegen ist kein rechtmäßiger Grund zum Rücktritte, von einem unter den gesetzlichen Erfordernissen geschlossenen Ehegelöbnisse.
§. 111. Wenn Umstände, weswegen Aeltern, Großältem, oder Vormünder, ihre Genehmigung zu versagen befugt sind, sich erst in der Folge ereignen, oder offenbaren: so können dieselben ihre schon ertheilte Einwilligung wieder zurücknehmen.
Folgen eines ohne Grund genommenen Rücktritts.
§. 112. Wer ohne rechtlichen Grund die Erfüllung eines Ehegelöbnisses beharrlich verweigert, oder sich selbst dazu außer Stand setzt; der verliert die dem andern Theile gemachten Geschenke, muß die von demselben erhaltenen zurückgeben, und alle wegen des Ehegelöbnisses aufgewendete Kosten ersetzen.
§. 113. Ist auf den Fall des Rücktritts eine Conventionalstrafe verabredet: so muß diese noch außerdem entrichtet werden.
§. 114. Ist keine Conventionalstrafe vorbedungen: so muß der Schuldige noch über die §. 112. bestimmte Entschädigung, dem Unschuldigen mit dem vierten Theile desjenigen, was in dem Ehegelöbnisse, oder in einem besondern Ehevertrage, als Mitgabe, oder als Gegenvermächtniß ausgesetzt worden, abfinden.
§. 115. Ist keine Mitgabe oder kein Gegenvermächtniß vorbedungen, wohl aber dem Unschuldigen, auf den Fall, wenn er den andern überleben sollte, eine gewisse in sich bestimmte Summe oder Sache zum Erbtheil verschrieben worden: so kann derselbe den Vierten Theil davon, als Abfindung fordern.
§. 116. Sind nach Verschiedenheit der Fälle verschiedene Summen bestimmt: so wird die Abfindung nach der geringsten Summe gerechnet.
§. 117. Kann der Zurücktretende die nach diesen Vorschriften dem andern Theile gebührende Abfindung aus eigenen Mitteln nicht aufbringen: so sind seine Aeltern, in so fern dieselben in das Ehegelöbniß gewilligt, und den Rücktritt veranlaßt oder genehmigt haben, zu deren Entrichtung verbunden.
§. 118. Ist keiner der vorstehenden Fälle zu Bestimmung einer dem Unschuldigen anzuweisenden Abfindung vorhanden: so muß zwar derselbe mit der §. 112. bestimmten Entschädigung allein sich begnügen.
§. 119. Doch muß alsdann gegen den ohne rechtmäßigen Grund zurücktretenden Theil, nach Bewandniß seines bewiesenen Leichtsinnes, und der der verlassenen Braut zugefügten Kränkung, auf verhältnißmäßige Geld- oder Gefängnisstrafe erkannt werden.
Folgen eines aus erheblichen Gründen genommenen Rücktritts.
§. 120. Nöthigt ein Verlobter, durch sein moralisches Verhalten nach der Verlobung, den andern Theil zum Rücktritte: so kann letzterer die vorstehend (§. 112-119.) bestimmte Entschädigung und Abfindung fordern.
§. 121. Bezieht sich aber die rechtmäßige Ursache des Rücktritts auf Umstände, welche schon vor der Verlobung vorhanden gewesen, und dem andern Theile nicht betrüglicher Weise verheimlicht worden sind: so kommt dem zurücktretenden Theile nur allein die §. 112. bestimmte Entschädigung zu.
Folgen der ohne Schuld des einen oder andern Theils unterbleibenden Erfüllung.
§. 122. Wird ein Ehegelöbniß mit beyder Theile Bewilligung, oder sonst aus rechtlichen Gründen getrennt, ohne daß einem oder dem andern Theile ein Uebergewicht der Schuld zur Last fällt: so müssen die Geschenke von beyden Seiten zurückgegeben werden.
§. 123. Wird die Erfüllung des Ehegelöbnisses durch den Tod des einen Verlobten gehindert: so hat der Ueberlebende die Wahl: ob er die empfangenen Geschenke behalten, oder sie zurückgeben und die seinigen widerfordern wolle.
Rechte und Pflichten der Erben aus Ehegelöbnissen der Erblasser.
§. 124. Das Recht die §. 112-119. bestimmte Entschädigung und Abfindung zu fordern, geht auf die Erben in der Regel nicht über.
§. 125. Doch kann der Unschuldige gegen die Erben des schuldigen Theils daraus antragen, wenn letzterer, auf die aus dem Ehegelöbnisse angestellte Klage, seine Weigerung, die Ehe zu vollziehen, gerichtlich, oder doch schriftlich erklärt hat.
§. 126. Desgleichen, wenn der Schuldige noch vor seinem Tode sich an eine andre Person wirklich verheirathet hat.
§. 127. Dagegen können die Erben des unschuldigen Theils die Entschädigung und Abfindung von dem Schuldigen nur in so fern fordern, als dieselbe dem Erblasser bereits rechtskräftig zuerkannt ist.
Verjährung des Rechts aus Ehegelöbnissen.
§. 128. Wer vom Ablauf der in dem Ehegelöbnisse zur Vollziehung desselben bestimmten Zeit, Ein Jahr verstreichen läßt, ohne den Andern zur Erfüllung aufzufordern, der hat kein Recht mehr daraus zu klagen.
§. 129. Ist keine Zeit bestimmt; und es hat, binnen Zwey Jahren vom Tage des geschlossenen Ehegelöbnisses, keiner von beyden Theilen zur Erfüllung desselben bey dem Andern sich gemeldet: so hat das Ehegelöbniß selbst seine Kraft verloren. (§. 97.)
§. 130. Außerdem erlöscht die Klage zur Erfüllung eines solchen Ehegelöbnisses nach Verlauf Eines Jahres, von der letzten fruchtlos geschehenen Aufforderung.
§. 131. Wer selbst früher als der andre Theil heirathet, kann gegen denselben aus dem Ehegelöbnisse, auch nicht auf Entschädigung, klagen.
§. 132. Das Recht, nach der Aufhebung des Ehegelöbnisses die Geschenke zurück zu fordern, (§. 122. 123.) erlöscht, wenn es nicht binnen Jahresfrist ausgeübt worden.
§. 133. Wer noch gesetzmäßig verlobt ist, und eine andre Person zu einer spätern Verlobung verleitet, muß derselben, wenn sie zurücktritt, alles das leisten, was §. 112-119. festgesetzt worden.
§. 134. Ist aber dem später Verlobten das frühere Verlöbniß des andern Theils bekannt gewesen: so entstehn aus der spätem Verlobung weder Rechte noch Pflichten.
§. 135. Jede spätere Verlobung des einen Theils giebt dem Erstverlobten ein Recht, von der frühern Verlobung zurückzutreten, und nicht nur Entschädigung, sondern auch gesetzmäßige Abfindung zu fordern.
Dritter Abschnitt. Von der Vollziehung einer vollgültigen Ehe
§. 136. Eine vollgültige Ehe wird durch die priesterliche Trauung vollzogen.
§. 137. Zwischen Personen fremder im Staate geduldeter Religionen, wird die Vollziehung einer vollgültigen Ehe lediglich nach den Gebräuchen ihrer Religion beurtheilt.
§. 138. Das Aufgebot muß vor der Trauung hergehn.
§. 139. Das Aufgebot muß in beyder Verlobten Parochie geschehen.
§. 140. Wer zu keiner Parochie gehört, muß dennoch das Aufgebot in der Kirche, wohin sein Wohnort gehört, veranstalten.
§. 141. Wer noch nicht Ein Jahr an seinem gegenwärtigen Wohnorte sich aufhält, muß auch in der Kirche seines vormaligen Wohnorts aufgeboten werden.
§. 142. Gesinde, welches noch nirgend einen festen Wohnsitz aufgeschlagen hat, muß sich, außer seiner gegenwärtigen Parochie, auch an dem Orte seiner Geburt, ohne Unterschied der Zeit seiner Entfernung von demselben, aufbieten lassen. (Tit. XI. Sect. V.)
§. 143. Auch ein Fremder, der in Königlichen Landen getraut seyn will, muß sich in der Parochie seiner Heimath aufbieten lassen.
§. 144. Kann er dies nicht bewerkstelligen: so muß er durch gerichtliche oder beglaubte Notariatszeugnisse nachweisen, daß an dem Orte seiner Heimath kein Ehehinderniß wider ihn bekannt sey.
§. 145. Hat aber ein Fremder sich in hiesigen Landen niedergelassen, und länger als Ein Jahr darin aufgehalten: so ist das Aufgebot in seiner hiesigen Parochie, so wie bey Eingebornen, hinreichend.
§. 146. Wird dem Pfarrer, welcher das Aufgebot verrichten soll, ein in beglaubter Form ausgefertigtes Ehegelöbniß nicht vorgezeigt: so muß derselbe nach obigen Vorschriften Erkundigung einziehen: ob vielleicht Ehehindernisse vorhanden sind.
§. 147. Findet der Pfarrer ein Bedenken: so muß er um nähere Verhaltungsbefehle bey seinen Vorgesetzten anfragen.
§. 148. Das Aufgebot behält inzwischen zwar seinen Fortgang: die Trauung aber muß bis zum Eingange der Vorbescheidung ausgesetzt bleiben.
§. 149. Hat der Pfarre die Erkundigung unterlassen; oder ein bekannt gewordenes Hinderniß leichtsinnig übergangen: so soll er deshalb mit verhältnißmäßiger fiskalischer Strafe belegt werden.
§. 150. Das Aufgebot muß deutlich, mit Benennung des Standes, Vor- und Zunamens beyder Theile, und der Aeltern der Braut, geschehen.
§. 151. Es muß Drey Sonntage hinter einander von der Kanzel verlesen werden.
§. 152. Wer nur zweymal für dreymal aufgeboten seyn will, dem kann, nach Bewandniß der Umstände, die dem Pfarrer der Braut vorgesetzte Obrigkeit, Dispensation dazu ertheilen.
§. 153. Soll das Aufgebot nur ein- für allemal geschehen: so muß die Dispensation bey Hofe gesucht werden.
§. 154. Die unterlassene Befolgung obiger Vorschriften wegen des Aufgebots, macht zwar die Ehe nicht ungültig;
§. 155. Die Parteyen aber, und der Pfarrer, welcher die Trauung verrichtet, haben, nach Maaßgabe der verschuldeten Unterlassung, und des daraus für irgend jemanden entstandenen Nachtheils, fiskalische Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 156. Auch die Strafe fällt weg, wenn wegen plötzlicher Todesgefahr die Trauung beschleunigt werden mußte, und weder bedenkliche Umstände vorwalteten, noch die Verfügung der Vorgesetzten abgewartet werden konnte.
§. 157. Ein Gleiches findet statt, wenn der Bräutigam in Angelegenheiten des Staats eine langwierige oder gefährliche Reise so schnell antreten muß, daß zum Aufgebote oder zur Einholung der Dispensation keine Zeit übrig ist.
§. 158. Wer Einspruch thun will, kann denselben nur auf ein älteres förmliches Ehegelöbniß, oder auf eine unter dem Versprechen der Ehe erfolgte Schwängerung gründen.
§. 159. Wird dem Pfarrer ein dergleichen förmliches Ehegelöbniß vorgelegt: so muß er mit Aufgebot und Trauung sofort inne halten.
§. 160. Soll eine unter dern Versprechen der Ehe erfolgte Schwängerung den Einspruch begründen: so muß dieser Klagegrund bey der Obrigkeit des Orts, wo das Aufgebot oder die Trauung geschehen soll, bescheinigt, und von dieser das fernere Aufgebot oder die Trauung untersagt werden.
§. 161. Entsteht darüber ein Prozeß: so gehört dessen Erörterung vor dasjenige Gericht, welchem der Angesprochene in Sponsalien- und Ehesachen unterworfen ist.
§. 162. Erklärt sich der angesprochene Theil, die den Anspruch machende Person nicht heirathen, sondern allenfalls nur nach den Gesetzen und richterlichem Ermessen abfinden zu wollen: so muß er dieser Abfindung wegen annehmliche Sicherheit bestellen.
§. 163. Sobald dieses geschehen ist, kann mit dem fernern Aufgebote und der Trauung verfahren werden.
§. 164. Wird der Einspruch in der Folge ungegründet befunden: so soll der Einsprechende, als ein Injuriant, nachdrücklich bestraft werden.
§. 165. Wird dem Richter, vor der Trauung, ein oder anderes bis dahin nicht bekannt gewesenes Ehehinderniß glaubhaft angezeigt: so muß Aufgebot sowohl, als Trauung untersagt werden.
§. 166. Die Aufhebung eines solchen Verbots findet nicht eher statt, als bis das Hinderniß entweder gehoben, oder durch Urtel und Recht als unerheblich verworfen worden.
§. 167. Privatpersonen können bey der Trauung durch Bevollmächtigte nicht vertreten werden.
§. 168, Welchem Pfarrer die Trauung zukomme, ist nach den unten vorgeschriebenen Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. XI. Abschn. VI.)
§. 169. Daß die Trauung nicht von dem gehörigen Pfarrer vollzogen worden, macht die Ehe selbst nicht ungültig.
§. 170. Wer aber, um die Gesetze des Landes unwirksam zu machen, in fremden Landen sich trauen läßt, hat, außer den übrigen rechtlichen Folgen der Nichtigkeit oder Ungültigkeit einer solchen gesetzwidrigen Ehe (Sect. X.), auch noch eine fiskalische Strafe von Zehn bis Dreyhundert Thalern verwirkt.
§. 171. Die Kosten des Aufgebots, der Trauung, und der Hochzeit, tragen beyde Eheleute gemeinschaftlich, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich verabredet, oder an dem Orte, wo die Braut wohnt, unter der Classe, zu welcher sie gehört, hergebracht ist.
§. 172. Das Eigenthum der Hochzeitsgeschenke; wird beyden Theilen gemein; in so fern nicht der Geschenkgeber ein Anderes ausdrücklich festgesetzt hat; oder es aus der Beschaffenheit des Geschenks abzunehmen ist.
Vierter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Eheleute, in Beziehung auf ihre Personen
Gemeinschaftliche Rechte und Pflichten der Eheleute.
§. 173. Die Rechte und Pflichten der Eheleute nehmen sogleich nach vollzogener Trauung ihren Anfang.
§. 174. Eheleute sind schuldig, sich in allen Vorfallenheiten nach ihren Kräften wechselseitigen Beystand zu leisten.
§. 175. Sie müssen vereint mit einander leben, und dürfen ihre Verbindung eigenmächtig nicht aufheben.
§. 176. Auch wegen Widerwärtigkeiten dürfen sie einander nicht verlassen.
§. 177. Oeffentliche Geschäfte, dringende Privatangelegenheiten, und Gesundheits-Reisen, entschuldigen die Abwesenheit.
§. 178. Eheleute dürfen einander die eheliche Pflicht anhaltend nicht versagen.
§. 179. Wenn deren Leistung der Gesundheit des einen oder des andern Ehegatten nachtheilig seyn würde, kann sie nicht gefordert werden.
§. 180. Auch säugende Ehefrauen verweigern die Beywohnung mit Recht.
§. 181. Zur ehelichen Treue sind beyde Ehegatten wechselseitig verpflichtet.
§. 182. Die Verletzung derselben von Seiten des einen Ehegatten berechtigt den andern nicht zu gleichen Vergehungen.
§. 183. Auch Handlungen, welche den Verdacht einer solchen Verletzung erregen könnten, müssen vermieden werden.
Rechte und Pflichten des Mannes,
§. 184. Der Mann ist das Haupt der ehelichen Gesellschaft; und sein Entschluß giebt in gemeinschaftlichen Angelegenheiten den Ausschlag.
§. 185. Er ist verbunden, seiner Frau standesmäßigen Unterhalt zu gewähren.
§. 186. Mit dem nothdürftigen Unterhalte muß sie sich begnügen, wenn ihr der Mann den standesmäßigen nicht verschaffen kann.
§. 187. Zum Unterhalte der Frau gehören auch die sie betreffenden Cur- und Prozeßkosten. (§. 229.230.)
§. 188. Der Mann ist schuldig und befugt, die Person, die Ehre, und das Vermögen seiner Frau, in und außer Gerichten zu vertheidigen.
§. 189. In der Regel kann daher die Frau, ohne Beiziehung und Einwilligung des Mannes, mit Andern keine Prozeße führen.
§. 190. Auch gegen angestellte Injurienklagen ist der Mann die Frau auf seine Kosten zu vertheidigen schuldig.
§. 191. Bey Criminal-Untersuchungen gegen die Frau, bleibt der unschuldige Mann von Tragung der Kosten aus eignen Mitteln in so fern frey, als das von der Frau begangene Verbrechen ihn auf Ehescheidung anzutragen berechtigt.
§. 192. Die Frau überkommt durch eine Ehe zur rechten Hand den Namen des Mannes.
§. 193. Sie nimmt Theil an den Rechten seines Standes, so weit dieselben nicht allein an seine Person gebunden sind.
§. 194. Sie ist schuldig, dem Hauswesen des Mannes nach dessen Stande und Range vorzustehn.
§. 195. Wider den Willen des Mannes darf sie für sich selbst kein besonderes Gewerbe treiben.
§. 196. Ohne des Mannes Einwilligung kann die Frau keine Verbindungen eingehen, wodurch die Rechte auf ihre Person gekränkt werden.
§. 197. Der Mann kann aber auch, ohne die Einwilligung der Frau, keine Verbindungen treffen, wodurch ihre Person einem Dritten verhaftet wird.
§. 198. In allen Fällen, wo die Frau in stehender Ehe zu etwas, wozu sie die Gesetze nicht verpflichten, dem Manne, oder zu dessen Vortheile verbindlich gemacht werden soll, muß der Vertrag, oder die Verhandlung, gerichtlich vollzogen werden.
§. 199. Aus bloßen außergerichtlichen Verträgen zwischen dem Manne und der Frau, können daher für die letztere zwar Befugnisse, aber keine Verbindlichkeiten entstehen.
§. 200. Auch bey gerichtlichen Verhandlungen der Frau mit dem Manne ist die Zuziehung eines entweder selbst gewählten oder von dem Richter ernannten Beystands für erstere erforderlich.
§. 201. Doch muß der Richter zugleich selbst von Amtswegen darauf sehen, daß die Frau bey solchen Verhandlungen nicht übereilt, oder hintergangen werde.
§. 202. Wenn der Mann sich entfernt hat, ohne wegen Besorgung seiner Angelegenheiten Verfügungen zu treffen, und sein Aufenthalt unbekannt ist: so ist die Frau berechtigt, alles zu thun, was zu einer ordentlichen und gewöhnlichen Vermögensverwaltung erforderlich ist.
§. 203. Ein Gleiches findet wegen solcher Geschäfte, wo Gefahr im Verzuge ist, auch alsdann statt, wenn der Aufenthalt des Mannes zwar bekannt, aber so entfernt ist, daß seine Willensmeinung darüber nicht eingeholt werden kann.
§. 204. Wie weit, in Abwesenheit des Mannes, die Frau zum Betriebe gerichtlicher Angelegenheiten für ihn, auf den Grund einer rechtlich zu vermuthenden Vollmacht zugelassen werde, bestimmt die Prozeß-Ordnung.
Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Eheleute in Beziehung auf ihr Vermögen
§. 205. Durch die Vollziehung der Ehe geht das Vermögen der Frau in die Verwaltung des Mannes über; in so fern diese Verwaltung der Frau durch Gesetze oder Verträge nicht ausdrücklich vorbehalten worden.
Vorbehaltenes Vermögen der Frau.
§. 206. Zum gesetzlich vorbehaltenen Vermögen gehört, was nach seiner Beschaffenheit zum Gebrauche der Frau gewidmet, ist.
§. 207. Ferner die bey Schließung der Ehe von dem Manne versprochene Morgengabe.
§. 208. Was außerdem vorbehaltenes Vermögen seyn soll, muß durch Verträge dazu ausdrücklich bestimmt werden.
§. 209. Je nachdem dergleichen Vertrag vor, oder nach der Hochzeit errichtet wird, muß dabey die §. 82. sqq. oder §. 198. sqq. bestimmte Form beobachtet werden.
§. 210. Was weder durch solche Verträge, noch vermöge des Gesetzes, (§. 206. 207.) der Frau vorbehalten ist, hat die Eigenschaft des Eingebrachten.
§. 211. Was die Frau in stehender Ehe erwirbt, erwirbt sie, der Regel nach, dem Manne. (§. 219. 220.)
§. 212. Was sie aber während der Ehe, durch Erbschaft, Geschenke, oder Glücksfälle überkommt, wird dem Eingebrachten beygerechnet.
§. 213. Auch die darunter begriffenen Mobilien und Kostbarkeiten sind nur dann als vorbehalten anzusehen, wenn sie die §. 206. angeführte Beschaffenheit haben.
§. 214. Hat der Erblasser oder Geschenkgeber über die Eigenschaft, welche der Anfall haben soll, etwas bestimmt: so dient diese Bestimmung zur Richtschnur.
§. 215. Auch die Eheleute können obige gesetzliche Bestimmung (§. 210-212.) durch ausdrückliche Verträge unter sich abändern.
§. 216. Sollen aber Grundstücke oder Capitalien, welche nach gesetzlicher Bestimmung zum Eingebrachten gehören, durch solche Verträge die Eigenschaft des Vorbehaltenen, auch in Beziehung auf einen Dritten, erlangen: so müssen sie auf den Namen der Frau geschrieben werden.
§. 217. Was die Frau von den Einkünften des vorbehaltenen Vermögens erspart, wächst diesem Vermögen zu.
§. 218. Es muß aber dergleichen Ersparniß, zur Zeit der Absonderung des Vermögens beyder Eheleute, auf den Namen der Frau geschrieben seyn; oder es muß sonst klar erhellen, daß sie den Besitz der ersparten Sachen oder Gelder noch nicht aufgegeben habe.
§. 219. Grundstücke und Capitalien, die von den Einkünften eines besondern Gewerbes der Frau angeschafft, und zur Zeit der Vermögensabsonderung auf ihren Namen geschrieben sind, gehören ebenfalls zum Vermögen der Frau.
§. 220. Sie haben aber, wenn das Gewerbe nicht bloß mit dem vorbehaltenen Vermögen der Frau getrieben, oder sonst ein Anderes ausdrücklich verabredet worden, nur die Eigenschaft des Eingebrachten.
Rechte der Frau im vorbehaltenen Vermögen.
§. 221. In Ansehung des vorbehaltenen Vermögens gebühret der Frau die Verwaltung, der Nießbrauch, und die freye Disposition, wenn sie sich nicht des einen oder des andern ausdrücklich begeben hat.
§. 222. Es sind daher, der Regel nach, die von der Frau über das vorbehaltene Vermögen getroffenen Verfügungen auch, ohne die Einwilligung des Mannes gültig.
§. 223. Doch soll über Juwelen, Gold, Silber, und andere bloß zur Pracht bestimmte Sachen, ohne Unterschied, ob sie zum vorbehaltenen Vermögen gehören, oder nicht, niemand mit einer Frau, ohne Vorbewußt des Mannes, in Pfand- oder Veräußerungsverträge sich einlassen.
§. 224. Macht die Frau, in Ansehung des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens, sich eines unwirtschaftlichen Betragens verdächtig: so ist der Mann befugt, Maaßregeln zu dessen Verhütung zu treffen.
§. 225. In Ansehung des durch Vertrag vorbehaltenen Vermögens aber, kann der Mann die Frau in ihrer Disposition nur alsdann einschränken, wenn sie sich einer wirklichen Verschwendung schuldig macht.
§. 226. Solchenfalls muß ihr, gleich andern Verschwendern, ein Curator gerichtlich bestellt werden.
§. 227. In der Regel muß der Mann die Curatel, und mit derselben, in Ansehung des vorbehaltenen Vermögens, alle Pflichten eines fremden Curators übernehmen.
§. 228. Die Lasten und Kosten wegen des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens muß der Mann in allen Fällen tragen, wenn die Frau keine vorbehaltene Capitalien oder Einkünfte besitzt.
§. 229. Dagegen müssen die Lasten und Kosten des durch Vertrag vorbehaltenen Vermögens von der Frau aus diesem Vermögen bestritten werden.
§. 230. Prozesse, welche das durch Vertrag vorbehaltene Vermögen betreffen, kann die Frau auch ohne Zuziehung des Mannes gültig betreiben.
Rechte des Mannes im eingebrachten Vermögen.
§. 231. In Ansehung des eingebrachten Vermögens der Frau hat der Mann alle Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers. (Th. I. Tit. XXL Sect. I.)
§. 232. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche zum Eingebrachten gehören, kann der Mann, ohne die ausdrückliche Einwilligung der Frau, weder veräußern, noch verpfänden, noch sonst etwas dabey vornehmen, wodurch denselben eine bleibende dingliche Last aufgelegt würde.
§. 233. Capitalien, welche auf den Namen der Frau, oder ihrer Erblasser, oder Geschenkgeber geschrieben sind, kann der Mann ohne Bewilligung der Frau nicht einziehn, verpfänden, veräußern, oder sonst abhanden bringen.
§. 234. In die Veräußerung und Verpfändung eingebrachter Güter und Capitalien, desgleichen in die Einziehung der letztern, ist die Frau nur in so fern zu willigen verbunden, als nothwendige die Substanz betreffende Ausgaben, welche aus dem Nießbrauche nicht getragen werden dürfen, dergleichen Verfugung erfordern.
§. 235. Ferner alsdann, wenn der Mann die Einziehung eines Capitals wegen besorgter Unsicherheit nöthig findet;
§. 236. Desgleichen wenn das Capital von dem Schuldner selbst aufgekündigt wird;
§. 237. Oder wenn der Mann ein Capital auf eine andre Art höher zu nutzen Gelegenheit findet.
§. 238. Doch ist in den zuletzt benannten drey Fällen der Mann ein solches Capital anderweit auf den Namen der Frau, entweder bey sich selbst, oder bey einem Dritten, gegen hinlängliche Sicherheit zu belegen verbunden.
§. 239. Wenn die Frau ihre Einwilligung in Fällen, wo sie dieselbe zu ertheilen schuldig ist, verweigert, so kann diese Einwilligung von dem obervormundschaftlichen Gerichte, nach vorhergegangener Untersuchung der Umstände, ergänzt werden.
§. 240. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche während der Ehe aus dem Eingebrachten der Frau angeschafft, oder Capitalien, welche von diesem Vermögen ausgethan worden, werden nur in so fern ein Eigenthum der Frau, als sie auf ihren Namen geschrieben sind.
§. 241. Außer diesem Falle ist sie, wegen der solchergestalt verwendeten Summen nur als Gläubigerin des Mannes anzusehen.
§. 242. Doch genießt sie auch deshalb das in den Gesetzen dem Eingebrachten überhaupt vor andern Schulden des Mannes beygelegte Vorrecht.
§. 243. Sind Capitalien, welche zum Eingebrachten gehören, ohne die Einwilligung der Frau eingezogen worden: so muß sie sich deshalb zuvörderst an den Mann halten.
§. 244. Kann sie aber von diesem nicht befriedigt werden: so ist sie von dem vorigen Schuldner, welcher ohne ihre Einwilligung gezahlt hat, Entschädigung zu fordern wohl befugt.
§. 245. Gerichtliche Angelegenheiten, welche die Substanz des Eingebrachten betreffen, kann der Mann nur mit Zuziehung der Frau betreiben.
§. 246. Doch hat er in den gehörigen Orts näher bestimmten Fällen, die rechtliche Vermuthung, von der Frau bevollmächtigt zu seyn, für sich. (Th. I. Tit. XIII. Sect. I.)
Rechte wegen der eingebrachten und vorbehaltenen Mobilien.
§. 247. Ueber die eingebrachten Mobilien hat der Mann die freye Verfügung.
§. 248. Ueber die vorbehaltenen Mobilien ist er nur mit Bewilligung der Frau zu verfügen berechtigt.
§. 249. Einseitige Verfügungen des Mannes über solche Mobilien, welche zu den gesetzlich vorbehaltenen gehören (§. 206.), sind nichtig.
§. 250. Dagegen hat, in Ansehung der nur durch Vertrag vorbehaltenen, und von dem Manne einseitig veräußerten Mobilien, die Frau nur in so weit ein Rückforderungsrecht, als dasselbe jedem Eigenthümer gegen einen dritten Besitzer zusteht. (Th. I. Tit. XV.)
Abänderung der Gesetze durch Verträge.
§. 251. Was einmal zum eingebrachten oder vorbehaltenen Vermögen ausgesetzt worden, behält diese Eigenschaft, so lange nicht ein Andres durch ausdrückliche Verträge bestimmt wird.
§. 252. Solche Verträge können jedoch einem Dritten in seinen auf dergleichen Vermögen bereits erworbenen Rechten nicht schädlich seyn.
§. 253. Auch kann die Natur des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens, durch dergleichen Verträge, zum Nachtheile eines Dritten nicht geändert werden.
Rechte der Frau wegen des Eingebrachten in dem Vermögen des Mannes.
§. 254. Wenn der Mann Grundstücke besitzt: so kann die Frau, auch ohne besondre Einwilligung desselben, die wegen ihres Eingebrachten ihr zukom- menden Rechte in dem Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 255. Außer diesem Falle kann die Frau besondere Sicherheitsbestellung, wegen ihres Eingebrachten, von dem Manne nur alsdann fordern, wenn sich Umstände ereignen, welche die wahrscheinliche Besorgniß eines bevorstehenden Verlustes begründen.
§. 256. So lange der Mann seiner Frau, und den mit ihr erzeugten Kindern, den nach Verhältniß ihres Standes nothwendigen Unterhalt gewährt, ist die Frau ihm die Verwaltung und den Nießbrauch des Eingebrachten zu entziehen nicht berechtigt.
§. 257. Die, auch einseitigen, Gläubiger eines Mannes sind daher befugt, sich an diesen Nießbrauch zu halten.
§. 258. Wenn aber der Mann diese Verbindlichkeit (§. 256.) nicht mehr zu erfüllen vermögend ist: so kann die Frau ihr Eingebrachtes zurückfordern, und allenfalls auf Eröffnung des Concurses über das Vermögen des Mannes antragen.
§. 259. In welcher Ordnung die Frau aus der Masse befriedigt werden müsse, wird in der Concursordnung bestimmt.
§. 260. Zum Beweise der geschehenen Einbringung ist, gegen die Gläubiger des Mannes, die Quittung desselben allein nicht hinreichend.
§. 261. Die Verwaltung und Nutzung des aus dem Concurse geretteten Eingebrachten fällt an die Frau zurück.
§. 262. Doch muß aus den Einkünften desselben der nöthige Unterhalt des Mannes, nebst der Verpflegung und Erziehung der mit ihm erzeugten Kinder, so weit diese Einkünfte dazu erforderlich und hinreichend sind, besorgt werden.
§. 263. Die Verwaltung der Frau ist in diesem Falle eben den Einschränkungen von Seiten des Mannes unterworfen, welche sonst bey der Verwaltung des Mannes von Seiten der Frau statt finden. (§. 232. sqq.)
§. 264. Wenn der Mann wieder zu bessern Vermögensumständen gelangt: so kann er fordern, daß ihm die Verwaltung und der Nießbrauch des Eingebrachten zurück gegeben werden.
§. 265. Doch hat die Frau ein Recht zum Widerspruche, wenn der erste Vermögensfall des Mannes durch seine nachläßige oder verschwenderische Wirthschaft entstanden ist.
§. 266. So weit dem in Concurs verfallenen Ehemanne, durch Gesetze oder Verträge, ein Erbrecht auf das Eingebrachte, dessen Entziehung nicht von dem Willen der Frau abhängt, versichert ist, kann die Frau die Herausgabe desselben nur gegen bestellte hinlängliche Sicherheit fordern.
§. 267. Kann sie diese nicht leisten: so muß sie sich damit begnügen, daß ein zu ihrer Befriedigung hinreichendes Capital, bis zur Trennung der Ehe, in der Masse zurückbleibe: und sie bis zu diesem Erfolge nur die Zinsen davon erhalte.
§. 268. Hat die Frau, vor oder bey Schließung der Ehe, durch einen an sich rechtsbeständigen Vertrag sich die Befugniß vorbehalten, auch über diesen Theil ihres Vermögens, bey einem über den Mann ausbrechenden Concurse, nach Gutfinden zu verfügen: so ist sie denselben weder in der Masse zurückzulassen, noch Sicherheit dafür zu bestellen verpflichtet.
§. 269. Die Rechte, welche der Frau, zur Sicherheit ihres Eingebrachten, in dem Vermögen des Mannes zukommen, gebühren ihr auch wegen der von dem Manne versprochenen, aber nicht ausgezahlten Morgengabe.
§. 270. Auch wegen des vorbehaltenen und nicht mehr in Natur vorhandenen Vermögens, dessen Besitz und Verwaltung der Mann in stehender Ehe überkommen hat, gebühret der Frau, zu ihrer Sicherheit, ein in der Concursordnung näher bestimmtes Vorrecht vor andern Gläubigern.
§. 271. Hat sie aber dem Manne zinsbare Darlehne aus ihrem vorbehaltenen Vermögen gemacht: so wird ihr Rang unter den übrigen Gläubigern lediglich nach der Beschaffenheit der sich ausdrücklich vorbedungenen Sicherheit beurtheilt.
§. 272. Eine Entsagung der Frau auf ihre gesetzmäßigen Vorrechte in dem Vermögen des Mannes, ist nicht anders, als wenn sie gerichtlich erklärt wird, gültig.
§. 273. Begiebt sich eine Frau ihres gesetzlichen Vorrechts zu Gunsten eines Gläubigers ihres Mannes: so muß, das Eingebrachte mag im Hypothekenbuche vermerkt seyn, oder nicht, die bey Bürgschaften vorgeschriebene Verwarnung hinzukommen. (Th. I. Tit. XIV. §. 229. 230.)
§. 274. Dagegen verliert die Frau ihr Vorrecht, und steht allen andern Gläubigern des Mannes nach, wenn sie in dessen Abwesenheit sein Vermögen übel verwaltet, und dadurch zu seinem Verfalle Anlaß gegeben hat.
§. 275. Ingleichen, wenn der Mann durch sie zu einer verschwenderischen Lebensart verleitet worden.
§. 276. Aeltern, Verwandte, und Freunde, welche den Eheleuten etwas aus ihrem eignen Vermögen zuwenden, sind berechtigt, Bedingungen festzusetzen, unter welchen die Eheleute dasselbe besitzen und genießen sollen.
§. 277. Verordnen sie, daß dergleichen Zuwendung zum Besten der aus dieser Ehe erzeugten Kinder aufbewahrt werden solle: so heißt dieses ein Erbschatz.
§. 278. Verwandte und Fremde können alles, was sie den Eheleuten zuwenden, zum Erbschatze bestellen.
§. 279. Aeltern haben gleiche Befugniß; jedoch mit Ausschluß der Mobiliarausstattung und mit Vorbehalt des Rechts der Kinder wegen ihres Pflichttheiles.
§. 280. Ein Erbschatz kann nur in einer gewissen bestimmten Summe bestellt werden.
§. 281. Die Bestellung selbst muß allemal schriftlich geschehen.
§. 282. Will der Besteller des Erbschatzes demselben eine besondere Sicherheit auf Grundstücke oder ausstehende Capitalien verschaffen: so muß deren Regulirung gerichtlich erfolgen.
§. 283. Wird die zum Erbschatze bestellte Summe auf ein Grundstück angewiesen: so muß der Richter dafür sorgen, daß sie in das Hypothekenbuch eingetragen, und die Eigenschaft des Erbschatzes dabey vermerkt werde.
§. 284. Wird ein Capital zum Erbschatze bestellt: so muß diese Bestimmung auf dem Instrumente, und wenn dasselbe eingetragen ist, auch im Hypothekenbuche bemerkt, und dem Schuldner davon Nachricht ertheilt werden.
§. 285. Wo die über den Erbschatz ausgestellten Instrumente verwahrt werden sollen, hängt von dem Willen des Bestellers ab.
§. 286. Hat dieser sich nicht erklärt: so gebührt die Verwahrung der Instrumente demjenigen, welchem der Nießbrauch des Erbschatzes zukommt.
§. 287. So lange die Ehe, für welche der Erbschatz ausgesetzt worden, besteht, gebührt die Verwaltung und der Nießbrauch dem Manne; in so fern nicht der Besteller ein Anderes ausdrücklich verordnet hat.
§. 288. Nach getrennter Ehe fällt der Nießbrauch dem überlebenden oder unschuldigen Ehegatten zu. (§. 541. sqq.)
§. 289. Auch das Eigenthum fällt demselben anheim, wenn aus der Ehe, für welche der Erbschatz bestimmt war, keine Kinder vorhanden sind.
§. 290. Sind aber Kinder vorhanden: so erlangen diese das Eigenthum nach den im folgenden Titel enthaltenen Bestimmungen.
§. 291. Der zum Nießbrauch berechtigte Ehegatte hat, wegen der Verwaltung des Erbschatzes, nur eben die Rechte, welche einem Ehemanne in Ansehung der eingebrachten Capitalien seiner Frau beygelegt sind.
§. 292. Nur unter denjenigen Umständen, unter welchen ein solches Capital von dem Ehemanne, auch ohne den Willen der Frau, eingezogen werden kann, ist der Nießbraucher des Erbschatzes zu dessen Einziehung berechtigt.
§. 293. War aber der Erbschatz nach §. 282. sqq. gerichtlich versichert: so muß auch die Einziehung gerichtlich geschehen, und die dafür anderweit zu bestellende Sicherheit gerichtlich regulirt werden.
§. 294. So lange der Besteller noch am Leben ist, kann derselbe, mit Zuziehung der Eheleute, die Eigenschaft des Erbschatzes wieder aufheben, und demselben die Eigenschaft des eingebrachten oder vorbehaltenen Vermögens beylegen.
§. 295. Ein gänzlicher Widerruf des Erbschatzes aber kann nur vom den Gläubigern des Bestellers, und nur unter eben den Umständen erfolgen, unter welchen eine Schenkung Schulden halber widerrufen werden kann. (Th. I. Tit. XI. §. 1129. sqq.)
§. 296. Ist die zum Erbschatze ausgesetzte Summe dem Ehemanne ohne besondere Sicherheit anvertrauet worden: so kann er zur Bestellung einer solchen Sicherheit nur in dem Falle, wo er dergleichen für das Eingebrachte zu leisten verpflichtet ist, angehalten werden.
§. 297. Doch gilt, wegen Eintragung eines solchen Erbschatzes auf die Grundstücke des Ehemannes, eben das, was wegen der Eintragung des Eingebrachten verordnet ist. (§. 254. 255.)
§. 298. Nach dem Tode des Bestellers kann die Substanz des Erbschatzes, auch mit Einwilligung beyder Eheleute, nicht veräußert, verpfändet, oder sonst geschmälert werden.
§. 299. Doch können die Eheleute, wenn sie unter einander einig sind, die Hälfte des Erbschatzes zur Ausstattung der Kinder verwenden.
§. 300. Wenn aus der Ehe, für welche der Erbschatz bestellt worden, keine Kinder vorhanden, auch nach dem Laufe der Natur, wegen hohen Alters beyder Eheleute, keine mehr zu erwarten sind: so kann der Erbschatz mit ihrer gemeinschaftlichen Bewilligung, aufgehoben werden.
§. 301. In allen Fällen, wo nach dem Abgange des Bestellers eine Veränderung mit dem Erbschatze vorgenommen werden soll, muß der Richter die alsdann vorhandenen großjährigen Kinder, oder einen den Minderjährigen zu bestellenden Curator zuziehn.
§. 302. Ist die Substanz des Erbschatzes keinem der beyden Eheleute in die Hände gegeben, sondern bey einem Dritten auf ein Grundstück oder Capital angewiesen worden: so kann derselbe, bey einem über das Vermögen Eines oder beyder Eheleute entstehenden Concurse nicht zur Masse gezogen werden.
§. 303. Hat aber der Gemeinschuldner den Erbschatz in Händen gehabt: so gebührt demselben, wenn nicht eine bessere Sicherheit ausdrücklich bestellt ist, eben das Vorrecht, welches die Gesetze dem Eingebrachten beylegen.
§. 304. Reicht die Masse zur Bezahlung des Eingebrachten und des Erbschatzes zugleich nicht hin; so wird der Ueberrest unter beyden, nach Verhältnis ihres Betrages, vertheilt.
§. 305. Sogleich als über das Vermögen des Verwalters und Nießbrauchers eines Erbschatzes Concurs entsteht, und der Richter von dem Daseyn einer solchen Stiftung Nachricht erhält, muß er von Amtswegen dafür sorgen, daß dem Erbschatze ein Curator bestellt werde.
§. 306. Dieser Curator überkommt sodann die Verwaltung des Erbschatzes.
§. 307. Die Einkünfte aber müssen nach der Verordnung des Bestellers, und in deren Ermangelung, nach den Vorschriften der Gesetze, zur Tragung der Lasten des Ehestandes, besonders zum Unterhalte und zur Erziehung der Kinder, verwendet werden.
§. 308. Bleibt sodann von den Einkünften noch etwas übrig: so gehört es den Gläubigern des in Concurs verfallenen Nießbrauchers.
§. 309. Auch an die Substanz können diese Gläubiger sich halten, sobald dieselbe in der Folge dem Gemeinschuld der als freyes Eigenthum anheim fällt.
Von Schenkungen unter Eheleuten.
§. 310, Geschenke unter Eheleuten sind, wie unter Fremden, gültig.
§. 311. Auch der Widerruf ist nur unter solchen Umständen zuläßig, unter welchen auch ein fremder Geschenkgeber dazu berechtigt seyn würde.
§. 312. Doch können Schenkungen eines in Concurs verfallenen Ehegatten, die auf einer bloßen Freygebigkeit beruhen, ohne Unterschied der Zeit, wann sie gemacht worden, von den Gläubigem desselben widerrufen werden.
§. 313. Erhellet aber, daß die Schenkung zu einer Zeit geschehen, wo der schenkende Ehegatte noch nicht über sein Vermögen verschuldet war: so findet der Widerruf nur in so fern statt, als die geschenkte Sache noch in dem Vermögen des beschenkten Ehegatte vorhanden ist; oder dieser im Besitze eines durch die Schenkung erlangten Vortheils sich noch wirklich befindet.
§. 314. Was der Mann der Frau zum standesmäßigen Unterhalte, an Kleidern, oder andern Sachen gegeben hat, wird ein freyes Eigenthum derselben.
§. 315. Dergleichen Zuwendungen können auch von den Gläubigern des Mannes, unter dem Vorwande einer Schenkung, nicht widerrufen werden.
§. 316. Bey demjenigen hingegen, was die Frau an Juwelen, Gold, Silber, oder sonst zur Pracht, von dem Manne erhalten hat, gilt bey einer erfolgenden Absonderung des Vermögens die Vermuthung, daß ihr solches nur geliehen worden.
§. 317. Kann die Schenkung erwiesen werden: so gilt auch von solchen Effekten alles das, was von Schenkungen unter Eheleuten überhaupt verordnet ist.
Von den Schulden der Eheleute.
§. 318. Das vorbehaltene Vermögen kann die Frau, auch ohne die Bewilligung des Mannes, mit Schulden belasten.
§. 319. Doch muß der, welcher einer Ehefrau auf ihr vorbehaltenes Vermögen Credit giebt, wenn er seine Befriedigung während der Ehe fordern will, dasselbe durch Eintragung in das Hypothekenbuch, oder durch Uebergabe des Obligationsinstruments, oder der beweglichen Sache, sich besonders versichern lassen.
§. 320. In Ansehung des eingebrachten Vermögens sind alle von der Frau, während der Ehe, ohne Bewilligung des Mannes, gemachten Schulden nichtig.
§. 321. Hat jedoch die Frau zu gewöhnlichen Haushaltungsgeschäften oder Nothdurften, Waaren oder Sachen auf Borg genommen; so muß der Mann, dergleichen Schuld als die seinige anerkennen.
§. 322. Hat eine Frau dergleichen Schulden gemacht, ob ihr gleich von dem Manne das nöthige Geld zur Besorgung der Wirthschaft eingehändigt worden: so ist der Mann berechtigt, aus ihrem vorbehaltenen, und in dessen Ermangelung, aus der Substanz des eingebrachten Vermögens, Ersatz zu fordern.
§. 323. Kann oder will er dieses nicht: so steht ihm frey, zur Verhütung künftiger Schulden dieser Art, richterliche Hülfe durch öffentliche Bekanntmachung, nachzusuchen.
§. 324. Hat die Frau Sachen oder Gelder erborgt, und zum gemeinschaftlichen Besten beyder Eheleute nützlich verwendet: so wird dadurch die Schuld verbindlich. (§. 321. 322.)
§. 325. Hat eine Frau, welcher von dem Manne ein Theil seines Gewerbes übertragen worden, während seiner Abwesenheit, zum Betriebe desselben Schulden gemacht: so sind dieselben gültig; wenn gleich weder die Verwendung geschehen, noch der gehoffte Nutzen daraus erfolgt ist.
§. 326. Hat der Mann sich entfernt, ohne wegen des Unterhalts seiner Familie, oder des Betriebes seines Gewerbes, hinreichende Verfügungen zu treffen: so muß er diejenigen Schulden, welche die Frau zu solchem Behufe hat aufnehmen müssen, als die seinigen anerkennen.
§. 327. Ein Gleiches findet statt, wenn der Mann durch eine anhaltende Krankheit völlig außer Stand gesetzt wird, wegen Unterhaltung der Hauswirthschaft, oder zum Betriebe seines Gewerbes, die nöthigen Verfügungen zu treffen.
§. 328. In vorstehend benannten Fällen, (§. 321- 327.) ist der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten Schuld, sich an den Mann zu halten wohl befugt.
§. 329. Auch wegen einer solchen Schuld der Frau, in welche der Mann nur eingewilligt hat, wird seine Person und Vermögen dem Gläubiger verhaftet.
§. 330. Ausgenommen ist der Fall, wenn der Mann, bey Ertheilung seines Consenses, sich gegen die Selbsthaftung ausdrücklich verwahrt hat.
§. 331. Alsdann aber muß der Mann, vermöge seiner Einwilligung, geschehen lassen, daß der Gläubiger seine Befriedigung gegen die Frau, allenfalls auch durch persönlichen Arrest derselben nachsuche.
§. 332. Hat der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten Schuld, sich ein Unterpfandsrecht in dem Vermögen der Frau bestellen lassen: so ist ihm, der von dem Manne ertheilten Einwilligung ungeachtet, doch nur das Vermögen der Frau verhaftet.
§. 333. In allen Fällen, wo der Mann, bloß wegen seiner ertheilten Einwilligung, eine Schuld der Frau bezahlen muß, findet die Verordnung des §. 322. Anwendung.
§. 334. Ist eine Schuld der Frau, wegen ermangelnder Einwilligung des Mannes, ganz ungültig: so kann der Gläubiger nur dasjenige zurückfordern, was von den gegebenen Sachen oder Geldern erweislich noch vorhanden, oder nützlich verwendet ist. (Th. I. Tit. XIII. Sect. III.)
§. 335. Die Schulden einer Frau, die für sich ein eignes Gewerbe treibt, welches seiner Beschaffenheit nach Credit und Verlag erfordert, bedürfen in keinem Falle einer Genehmigung des Mannes.
§. 336. Vielmehr können die Gläubiger einer solchen Ehefrau die Execution in ihr bereitetes Vermögen, so wie gegen ihre Person, nachsuchen.
§. 337. Auch der Mann ist ihnen verhaftet, wenn die Frau die Einkünfte eines solchen besondern Gewerbes sich nicht ausdrücklich vorbehalten hat.
§. 338. Hat die Frau vor der Heirath Schulden gehabt: so sind die Gläubiger, sich deshalb an ihre Person und Vermögen ohne Einschränkung zu halten, wohl befugt.
§. 339. Wird durch solche Schulden, welche die Frau dem Manne verschwiegen hatte, deren Eingebrachtes vermindert: so kann er den Ersatz dieses Abgangs aus dem vorbehaltenen Vermögen fordern.
§. 340. Ein Gleiches findet statt, wenn die Frau dem Manne wissentlich fremde Sachen als ihre eignen eingebracht hat, und dieselben demnächst, während der Ehe, wieder herausgegeben werden müssen.
Von Bürgschaften der Ehefrauen.
§. 341. Alles, was die Gesetze bey den Bürgschaften einer Frauensperson überhaupt erfordern, muß auch bey den Verbürgungen einer Ehefrau beobachtet werden. (Th. I. Tit. XIV. §. 221. sqq.)
§. 342. Soll für die zum Besten eines Fremden geleistete Bürgschaft auch das Eingebrachte der Ehefrau haften: so ist dazu die Einwilligung des Mannes nothwendig.
§. 343. In allen Fällen, wo die Frau, während der Ehe, Bürgschaft für den Mann leisten, seine Schulden übernehmen, oder zum Besten seiner Gläubiger sich ihrer Vorrechte begeben will, muß die Handlung nicht nur gerichtlich, sondern auch mit Zuziehung eines ihr bestellten rechtskundigen Beystandes erfolgen.
§. 344. Auch muß ihr in allen dergleichen Fällen die vorgeschriebene Verwarnung geschehen, wenn sie gleich bey einer unverheiratheten Frauensperson nicht erforderlich wäre.
Sechster Abschnitt. Von der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten
Wie die Gütergemeinschaft entstehe.
§. 345. Die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten findet nur da statt, wo sie durch Provinzialgesetze oder Statuten eingeführt ist.
§. 346. Die bloße statutarische Gütergemeinschaft erstreckt sich nicht auf Eheleute, die zwar an dem Orte leben, aber vermöge ihres Standes, von der Gerichtsbarkeit der ordentlichen Obrigkeit des Orts ausgenommen sind.
§. 347. Ist jemand einer doppelten persönlichen Gerichtsbarkeit unterworfen; und in Einer derselben findet Gütergemeinschaft statt, in der andern aber nicht: so ist anzunehmen, daß unter diesen Eheleuten keine Gütergemeinschaft entstanden sey.
§. 348. Gilt unter der einen Gerichtsbarkeit die Gemeinschaft aller Güter, unter der andern aber nur die Gemeinschaft des Erwerbes: so findet nur die letztere statt.
§. 349. Sind bey einer in beyderley Gerichtsbarkeiten geltenden Gemeinschaft von gleicher Art, nur verschiedene Bestimmungen vorgeschrieben: so gelten diejenigen, welche mit den Vorschriften des gegenwärtigen Abschnitts am meisten übereinkommen.
§. 350. Durch Provinzialgesetze und Statuten wird die Gemeinschaft der Güter nur alsdann begründet, wenn an dem Orte, wo die Eheleute, nach vollzogener Heirath, ihren ersten Wohnsitz nehmen, dergleichen Gesetze vorhanden sind.
§. 351. Die Veränderung dieses ersten Wohnsitzes verändert in der Regel nichts an den Rechten, welchen sich die Eheleute vorher unterworfen haben.
§. 352. Haben jedoch Eheleute ihren Wohnsitz von einem Orte, wo keine Gütergemeinschaft obwaltet, an einen andern Ort, wo dieselbe statt findet, verlegt: so müssen alle von ihnen an diesem letztern Orte vorgenommenen Handlungen, in Beziehung auf einen Dritten, nach den Regeln der Gütergemeinschaft beurtheilt werden.
§. 353. Was von Veränderungen des Wohnsitzes der Eheleute vorstehend verordnet ist, gilt auch von andern Veränderungen des Gerichtsstandes, welchem die Eheleute zur Zeit der geschlossenen Heirath unterworfen waren.
§. 354. An Orten, wo die Gütergemeinschaft nicht aus Provinzialgesetzen oder Statuten statt findet, kann sie durch einen Vertrag nur vor Vollziehung der Heirath eingeführt werden.
§. 355. Wenn jedoch Eheleute ihren Wohnsitz von einem Orte, wo keine Gütergemeinschaft obwaltet, an einen andern, wo dieselbe statt findet, verlegt haben: können sie sich derselben, auch in Ansehung der Erbfolge, durch einen Vertrag unterwerfen. (§. 352.)
§. 356. Jeder Vertrag, wodurch eine Gütergemeinschaft entstehen soll, muß gerichtlich vollzogen werden.
§. 357. Dabey ist in der Regel die Zuziehung des Vaters der Ehefrau erforderlich.
§. 358. In dessen Ermangelung muß der Frau ein rechtskundiger Beystand zugeordnet werden.
§. 359. Ist es, nach der Fassung eines solchen Vertrages, zweifelhaft, ob dadurch eine Gemeinschaft aller Güter, oder nur des Erwerbes, hat eingeführt werden sollen: so wird letzteres vermuthet.
I. Rechte bey der Gemeinschaft aller Güter.
§. 360. Wo Verträge, Statuten, oder Provinzialgesetze nicht ein Anderes ausdrücklich verordnen, da finden, wegen der Gütergemeinschaft, und deren rechtlichen Folgen, nachstehende allgemeine Vorschriften Anwendung.
§. 361. Die Gemeinschaft der Güter nimmt unmittelbar nach vollzogener Trauung ihren Anfang.
§. 362. Wird sie erst während der Ehe durch einen Vertrag eingeführt: so entsteht sie vom Tage der gerichtlich abgegebenen Erklärung.
§. 363. Die Gemeinschaft der Güter erstreckt sich über alles, was der freyen Veräußerung eines jeden der beyden Ehegatten unterworfen ist.
§. 364. Doch sind die nothwendigen Kleidungsstücke der Frau davon ausgenommen.
§. 365. Besitzt einer der Ehegatten Grundstücke unter einer andern Gerichtsbarkeit, wo sonst keine Gütergemeinschaft statt findet: so muß das, nach den Gesetzen des Wohnorts, dem andern Ehegatten angefallene Miteigenthum, im Hypothekenbuche vermerkt werden.
§. 366. Ein Gleiches muß in Ansehung aller Grundstücke geschehen, wenn die Gemeinschaft bloß durch einen Vertrag eingeführt wird.
§. 367. Ist die Eintragung unterblieben: so kann die Gütergemeinschaft dem Dritten, welcher sich auf Verträge und andere Verhandlungen über solche Grundstücke nach den Regeln des gemeinen Rechts eingelassen hat, nicht nachtheilig werden.
§. 368. Sind dergleichen unbewegliche Sachen außerhalb Landes gelegen: so muß die Verlautbarung bey den dortigen Gerichten, und nach den Gesetzen des Orts geschehen.
§. 369. Ist nach den Gesetzen des persönlichen Gerichtsstandes der Eheleute, keine Gütergemeinschaft unter ihnen vorhanden: so gilt sie auch nicht in Ansehung auswärtiger Grundstücke; wenn gleich sonst an dem Orte, wo diese Grundstücke liegen, die Gemeinschaft der Güter obwaltet.
§. 370. Auch von solchen Grundstücken, die an sich der Gemeinschaft nicht unterworfen sind (§. 363.), gehören die Nutzungen in der Regel zum gemeinschaftlichen Vermögen.
§. 371. Der Erwerb beyder Ehegatten wächst dem gemeinschaftlichen Vermögen zu.
§. 372. Was während der Ehe durch Glücksfälle, Geschenke, Erbschaften oder Vermächtnisse, einem der Ehegatten zufällt, und seiner Natur nach der Gemeinschaft fähig ist (§. 363.), wird gemeinschaftlich.
§. 373. Doch kann derjenige, welcher einem der Ehegatten ein Grundstück oder ausstehendes Capital solchergestalt zuwendet, das Miteigenthum des andern Ehegatten durch eine ausdrückliche Erklärung ausschließen.
§. 374. Er muß aber alsdann dafür sorgen, daß die Ausschließung in dem Hypothekenbuche des Grundstücks vermerkt, oder dem Schuldner des Capitals gerichtlich bekannt gemacht werde.
§. 375. Ist die Zuwendung in einer letzten Willensverordnung geschehen: so muß der Richter, welcher diese Verordnung publicirt, der Ehefrau, so weit dieselbe dabey ein Interesse hat, zur Besorgung der Eintragung oder Bekanntmachung, einen Curator bestellen.
§. 376. Ist die Eintragung oder Bekanntmachung unterblieben: so gilt die Ausschließung der Communion zwar unter den Eheleuten, aber nicht in Ansehung eines Dritten.
§. 377. Dem Ehemanne gebührt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens.
§. 378. Doch kann er Grundstücke und Gerechtigkeiten nicht ohne Einwilligung der Frau verpfänden oder veräußern.
§. 379. Capitalien, die auf den Namen der Frau ihres Erblassers oder Geschenkgebers, oder auf den Namen beyder Eheleute geschrieben sind, kann er ohne Bewilligung der Frau nicht aufkündigen oder einziehn.
§. 380. Außerdem gelten alle von dem Manne, in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens, auch einseitig getroffenen Verfügungen: und dies Vermögen haftet für alle während der Ehe von ihm gemachten Schulden.
§. 381. Auch Schenkungen des Mannes aus dem gemeinschaftlichen Vermögen, kann die Frau der Regel nach nur in so weit anfechten, als ihr, wenn sie die Schenkung selbst gemacht hätte, der Widerruf nach den Gesetzen verstattet seyn würde.
§. 382. In so fern aber der Mann durch Schenkungen, die aus bloßer Freygebigkeit herrühren, das gemeinschaftliche Vermögen, ohne Einwilligung der Frau, dergestalt erschöpft hätte, daß nach getrennter Ehe die Frau nicht so viel, als sie in die Gemeinschaft gebracht hat, zurückerhalten könnte: so ist die Frau berechtigt, dergleichen Schenkungen in so weit zu widerrufen, als es zur Ergänzung des Fehlenden nothwendig ist.
§. 383. Einseitige Schenkungen des Mannes, welche die Frau nach vorstehenden Grundsätzen hätte widerrufen können, werden, wenn kein Widerruf erfolgt, bey der Auseinandersetzung unter den Eheleuten, auf den Antheil des Mannes gerechnet.
§. 384. Geldstrafen, in welche der Mann verurtheilt wird, ingleichen die ihm zur Last fallenden Kosten einer gegen ihn verhängten Untersuchung, können aus dem gemeinschaftlichen Vermögen beygetrieben werden.
§. 385. Doch müssen dergleichen Geldstrafen, so wie die Inquisitionskosten, bey erfolgender Aufhebung der Gemeinschaft, auf den Antheil des Mannes angerechnet werden.
§. 386. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche die Frau in die Gemeinschaft gebracht hat, können wegen einseitiger Schulden des Mannes, die derselbe, bei erfolgender Auseinandersetzung, auf seinen Antheil sich anrechnen lassen müßte, nur alsdann angegriffen werden, wenn das übrige gemeinschaftliche Vermögen zu deren Bezahlung nicht hinreicht.
§. 387. Hat die Frau gegen eine vorhabende Verfügung des Mannes demjenigen, mit welchem sie vollzogen werden soll, ihren Widerspruch ausdrücklich geäußert: so muß die Ergänzung ihrer Einwilligung durch den Richter abgewartet werden.
§. 388. In allen Fällen, wo die Frau ihre Einwilligung versagt, kann selbige von dem vormundschaftlichen Gerichte ergänzt werden; wenn sich nach vorhergegangener Untersuchung findet, daß die Verfügung des Mannes nach den Umständen nothwendig, oder dem Interesse der Frau unnachtheilig sey.
§. 389. Schulden einer in der Gütergemeinschaft lebenden Frau sind nur in den §. 321. 324. bis 327. bestimmten Fällen gültig, und in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens verbindlich.
§. 390. Doch gilt wegen der Geldstrafen, in welche die Frau verurtheilt worden, und wegen der Kosten einer gegen sie verhängten Untersuchung, eben das, was in Ansehung des Mannes §. 385. verordnet ist.
§. 391. Auch solche Schulden beyder Ehegatten, welche schon vor vollzogener Heirath gemacht worden, werden der Regel nach dergestalt gemeinschaftlich, daß die Gläubiger sich deswegen an das gemeinschaftliche Vermögen halten, können.
§. 392. Hat jedoch ein Ehegatte mehr Schulden als Vermögen in die Gemeinschaft gebracht: so kann der andere innerhalb Zweyer Jahre, nach vollzogener Ehe, auf die Absonderung des Vermögens antragen.
§. 393. Alsdann können die Gläubiger, deren Forderungen vor der Heirath entstanden sind, nur an das abgesonderte Vermögen ihres eigentlichen Schuldners sich halten.
§. 394. Den während der Ehe gemachten Schulden hingegen bleibt auch in diesem Falle das gemeinschaftliche Vermögen verhaftet.
§. 395. Ist die zweyjährige Frist verstrichen: so kann selbst dem verschuldeten Ehegatten, oder dessen Erben, bey der Auseinandersetzung, wegen der vor der Ehe gemachten Schulden nichts angerechnet werden.
II. Gemeinschaft des Erwerbes.
§. 396. Ist in den Verträgen, Provinzialgesetzen, oder Statuten, nur eine Gemeinschaft des Erwerbes festgesetzt: so erstreckt sich diese der Regel nach auf den gesammten Erwerb beyder Eheleute.
§. 397. Gleich bey dem Eintritt in diese Gemeinschaft soll über das Vermögen eines jeden der Ehegatten ein Verzeichniß aufgenommen werden.
§. 398. In diesem Verzeichnisse sind sowohl bewegliche als unbewegliche Sachen, zum Behufe einer künftigen Auseinandersetzung, zu einem gewissen Werthe anzuschlagen.
§. 399. Das Verzeichniß soll gerichtlich beglaubigt, oder doch von beiden Eheleuten, mit Zuziehung eines rechtskundigen Beystandes von Seiten der Frau, unterschrieben werden.
§. 400. Von allem, was in diesem Verzeichnisse nicht angegeben, und doch wirklich vorhanden ist, wird vermuthet, daß es zum Erwerbe gehöre.
§. 401. Ist kein Verzeichniß aufgenommen worden: so gilt diese Vermuthung von allem, was bey der Auseinandersetzung vorhanden ist.
§. 402. Erbschaften und Vermächtnisse, welche einem der Ehegatten zufallen, gehören nicht zu der Gemeinschaft des Erwerbes.
§. 403. Ein Gleiches gilt von Geschenken, die auf einer bloßen Freygebigkeit beruhen.
§. 404. Alle andre Glücksfälle, die sich nach eingegangener Gemeinschaft ereignen, gehören ohne Ausnahme zum Erwerbe.
§. 405. Auch werden von allen Stücken, die an sich zur Gemeinschaft nicht gehören, die Nutzungen dennoch zum gemeinschaftlichen Erwerbe gezogen.
§. 406. Durch die Gemeinschaft des Erwerbes wird kein Ehegatte zur Bezahlung der besondern Schulden des andern aus der Substanz seines Vermögens verpflichtet.
§. 407. Der gemeinschaftliche Erwerb hingegen kann von den Gläubigern des Mannes, ohne Unterschied, ob die Schulden vor oder nach der Heirath entstanden sind, angegriffen werden.
§. 408. Auch die Gläubiger der Frau können an den Erwerb sich halten, wenn ihre Forderungen nach §. 389. gültig, oder noch vor der Heirath entstanden sind.
§. 409. Wird durch die besondern Gläubiger des einen Ehegatten der gemeinschaftliche Erwerb geschwächt: so kann der andere Ersatz aus dem eigenthümlichen Vermögen des erstern fordern.
§. 410. Hat der verschuldete Ehegatte kein eigenthümliches Vermögen in die Ehe gebracht: so kann der andre, binnen Zwei Jahren nach eingegangener Gemeinschaft, auf die Absonderung des Erwerbes, jedoch nur in Ansehung der Zukunft, antragen.
§. 411. Außer vorstehenden Bestimmungen (§. 402-410.) gilt, wegen der Rechte und Pflichten der Eheleute bey einer Gemeinschaft des Erwerbes, eben das, was wegen der Gemeinschaft der Güter überhaupt §. 377-388. verordnet ist.
Ausschließung und Aufhebung der Gemeinschaft.
§. 412. Die Gemeinschaft der, Güter, oder des Erwerbes, kann durch Vertrage vor der Heirath ausgeschlossen werden.
§. 413. Während der Ehe hingegen findet die Aufhebung einer solchen auf Provinzialgesetze oder Statuten sich gründenden Gemeinschaft, auch mit Bewilligung beyder Eheleute, in der Regel nicht statt.
§. 414. Selbst Minderjährige können eine solche Gemeinschaft, in so fern dieselbe durch ihre Verheirathung einmal entstanden ist, nach erlangter Volljährigkeit nicht widerrufen.
§. 415. In wie fern aber die Entstehung der Communion bey der Verheirathung minderjähriger Pflegebefohlnen weiblichen Geschlechts ausgesetzt bleibe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XVIII. Abscnn. VIII.)
§. 416. Wenn Eheleute ihren ersten Wohnsitz, wo keine Gütergemeinschaft war, an einen andern, wo dieselbe statt findet, verlegen: so können sie die nach §. 352. daraus entstehenden Folgen durch einen Vertrag ausschließen.
§. 417. Geschieht die Verlegung des Wohnsitzes, in stehender Ehe, von einem Orte, wo Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbes obwaltet, an einen andern, wo sie nicht statt findet: so kann die unter den Eheleuten entstandene Gemeinschaft durch einen Vertrag wieder aufgehoben werden.
§. 418. Ueberhaupt stehet es den Eheleuten zu allen Zeiten frey, die Folgen der Gemeinschaft, so weit sich dieselben nur auf ihre künftige Succession erstrecken, durch Verträge aufzuheben oder abzuändern.
§. 419. Eine bloß durch Vertrag entstandene Gemeinschaft kann zu allen Zeiten auch durch Vertrag wieder aufgehoben werden.
§. 420. Auf den einseitigen Antrag des einen Ehegatten kann die Aufhebung der Gemeinschaft in dem Falle des §. 392. 410. erfolgen.
§. 421. Ferner alsdann, wenn der eine Ehegatte in Concurs versunken ist, und der andre von der Gemeinschaft für die Zukunft wieder abgehen will.
§. 422. In allen Fällen, da die Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbes ausgeschlossen, oder aufgehoben werden soll, muß dieses gerichtlich verlautbart, und in den Zeitungen oder Intelligenzblättern der Provinz, zu dreyenmalen innerhalb Vier Wochen, bekannt gemacht werden.
§. 423. Bey Kaufleuten in Handelsstädten muß außerdem die Bekanntmachung auf der Börse, oder durch die Kaufmannsältesten; und bey Zunftgenossen durch die Vorsteher der Zunft geschehen.
§. 424. Auch muß die geschehene Ausschließung oder Aufhebung der Gemeinschaft bey allen Grundstücken, welche sonst der Gemeinschaft unterworfen seyn würden, im Hypothekenbuche vermerkt werden.
§. 425. In dem Falle des §. 417. muß die Bekanntmachung an dem Orte des vorigen Wohnsitzes geschehen.
§. 426. Wenn Eheleute, welche die an dem Orte ihres ersten Wohnsitzes obwaltende Gemeinschaft durch einen Vertrag ausgeschlossen haben, an einen andern Ort ziehen, wo dergleichen Gemeinschaft ebenfalls statt findet: so muß die Bekanntmachung des ausschließenden Vertrages daselbst wiederholt werden.
§. 427. Die Aufhebung der während der Ehe einmal entstandenen Gemeinschaft äußert ihre Wirkungen, in Ansehung der Eheleute selbst, vom Tage der gerichtlichen Erklärung.
§. 428. In Ansehung eines Dritten aber, welcher einer frühern Wissenschaft nicht überführt werden kann, äußern sich diese Wirkungen erst nach Ablauf des zur Bekanntmachung bestimmten vierwochentlichen Zeitraums.
§. 429. Ist die §. 423. vorgeschriebene Art der Bekanntmachung unterblieben: so kann die geschehene Ausschließung oder Aufhebung denjenigen, welchen sie auf diese Art hätte bekannt gemacht werden sollen, nicht entgegen gesetzt werden.
§. 430. Ist der §. 424. vorgeschriebene Vermerk in den Hypothekenbüchern unterblieben: so kann die Aufhebung der Gemeinschaft, in Geschäften, welche dergleichen Grundstücke betreffen, einem Dritten nicht nachtheilig seyn.
§. 431. Ueberhaupt bleiben, auch nach Aufhebung der Gemeinschaft, den Gläubigern, deren Forderungen während derselben entstanden sind, ihre Rechte an das gemeinschaftlich gewesene Vermögen ungeändert vorbehalten.
§. 432. In allen übrigen Stücken aber werden die Rechte und Pflichten der Eheleute, sowohl unter sich, als gegen Andre, so beurtheilt, als ob gar keine Gemeinschaft unter ihnen entstanden wäre.
§. 433. Wie alsdann bey der Auseinandersetzung und Absonderung des Vermögens zu verfahren sey, ist im folgenden Abschnitte bestimmt.
Siebenter Abschnitt. Von Trennung der Ehe durch den Tod
§. 434. Wird die Ehe durch den Tod getrennt: so muß der überlebende Ehegatte den verstorbenen anständig begraben lassen.
§. 435. Können die Begräbnißkosten aus dem Nachlasse nicht bestritten werden: so ist der Ueberlebende zu deren Bezahlung so weit, als sein Vermögen hinreicht, verbunden.
§. 436. Die Wittwe mag ein ganzes, der Wittwer aber ein halbes Jahr, um den verstorbenen Ehegatten trauern.
§. 437. Erfolgt innerhalb der Trauerzeit eine anderweitige gültige Verheirathung: so wird dadurch die Trauer geendigt.
§. 438. Die Rechte des überlebenden Ehegatten auf das Vermögen des Verstorbenen, müssen zuvörderst nach den obwaltenden Verträgen; in deren Ermangelung nach gültig errichteten letztwilligen Verordnungen; wenn aber beyde nicht vorhanden sind, nach den Gesetzen, bestimmt werden.
§. 439. Erbverträge können Eheleute sowohl vor als nach der Verheirathung schließen.
§. 440. Was von Erbverträgen überhaupt, und von Verträgen unter Verlobten oder Eheleuten insonderheit verordnet ist, findet auch bey solchen Erbverträgen Anwendung. (Th. I. Tit. XII. Abschn. II.)
§. 441. Doch ist die gerichtliche Aufnehmung eines Erbvertrages unter Eheleuten nur alsdann nothwendig, wenn die Frau dadurch an den nach den Gesetzen ihr zukommenden Rechten etwas verlieren soll.
§. 442. Wenn Erbverträge unter Eheleuten durch gegenseitige Bewilligung wieder aufgehoben werden sollen: so muß diese Einwilligung, sobald dabey die Frau im Verhältnisse gegen die in dem Vertrage ihr zugesicherten Rechte etwas verlieren soll, gerichtlich erklärt werden.
§. 443. So lange dergleichen gerichtliche Erklärung nicht erfolgt ist, besteht ein solcher Erbvertrag, wenn gleich aus der Ehe Kinder erzeugt worden, die aber vor den Aeltern wieder verstorben sind.
§. 444. Sind aber bey dem Tode des einen Ehegatten Kinder oder weitere Abkömmlinge aus dieser Ehe vorhanden, und ist ihrentwegen in dem Erbvertrage nichts bestimmt: so finden eben die Vorschriften statt, wie in dem Falle, wenn in einem Testamente wegen nachgeborner Kinder nichts verordnet ist. (Tit. II. Abschn. V.)
§. 445. Wenn es nach der Fassung des Erbvertrages zweifelhaft ist: ob der überlebende Ehegatte durch die darin ausgeworfene Summe oder Sache abgefunden, oder ob ihm selbige nur voraus beschieden seyn solle: so streitet die Vermuthung für ersteres.
§. 446. Wenn jedoch der Verstorbene Vermögen von verschiedener Art, z. B. Lehn und freyes Vermögen, besessen hat, und im Vertrage nur bestimmt ist, was der Ueberlebende aus der einen Art des Vermögens haben solle: so bleiben ihm in der andern seine Successionsrechte vorbehalten.
§. 447. Wenn es nach der Fassung zweifelhaft ist: ob die Eheleute einen Erbvertrag, oder nur ein wechselseitiges Testament haben errichten wollen: so wird letzteres vermuthet.
§. 448. Ist aber die Erbfolge durch einen wirklichen Vertrag bestimmt: so steht es nicht in der Macht des Ueberlebenden, von dem Vertrage abzugehen, und die gesetzliche Erbportion zu wählen.
§. 449. Doch kann diese Wahl, in dem Vertrage selbst, dem überlebenden Ehegatten vorbehalten werden.
§. 450. Auch ohne dergleichen Vorbehalt bleibt die Wahl dem Ueberlebenden alsdann frey, wenn über den Nachlaß des Verstorbenen in dem Vertrage ausdrücklich zum Besten einer gewissen bestimmten Person verordnet, und diese Person zur Zeit des eintretenden Sterbefalles nicht mehr vorhanden ist.
§. 451. So weit in dem Erbvertrage wegen des eigenthümlichen Vermögens des überlebenden Ehegatten nichts bestimmt ist; so weit finden darauf die bey der gesetzlichen Erbfolge vorgeschriebenen Grundsätze Anwendung.
§. 452. Der Theil des Vermögens, welchen die Ehefrau dem Manne auf den Todesfall durch Vertrag aussetzt, heißt das Ehevermächtniß.
§. 453. Während des Lebens beyder Eheleute hat der Mann, des Ehevermächtnisses wegen, keine besondre Rechte in dem Vermögen der Frau.
§. 454. Ist dem Manne eine bestimmte Sache oder Summe zum Ehevermächtnisse beschieden: so wird er, in Beziehung auf die Erben der Frau, als Legatarius angesehen.
§. 455. Besteht aber das Ehevermächtniß aus einem nur in Verhältniß gegen das Ganze bestimmten Theile (pars quota) des Nachlasses: so hat der Mann die Rechte und Pflichten eines Miterben.
Gegenvermächtniß, Leibgedinge und Witthum.
§. 456. Was der Mann der Frau aus seinem Vermögen auf den Todesfall eigenthümlich aussetzt, heißt das Gegenvermächtniß.
§. 457. Wird der Frau nur der Nießbrauch gewisser Güter oder Capitalien angewiesen: so heißt es ein Leibgedinge.
§. 458. Eine jährliche Summe, die der Frau aus dem Nachlasse des Mannes zu ihrem Unterhalte während des Wittwenstandes ausgesetzt worden, wird Witthum genannt.
§. 459. Ist die Summe des Gegenvermächtnisses im Vertrage nicht bestimmt; wohl aber die Absicht der Contrahenten, daß dasselbe mit dem Eingebrachten in Verhältniß stehen solle, aus der Fassung und den Umständen ersichtlich: so ist das Gegenvermächtniß auf die Hälfte des Eingebrachten festzusetzen.
§. 460. Ist eine solche Rücksicht auf die Summe des Eingebrachten aus dem Vertrage nicht zu entnehmen: so wird das Gegenvermächtniß dem Ehevermächtnisse gleich gesetzt.
§. 461. Ist auch kein Ehevermächtniß bestimmt: so ist die Aussetzung eines solchen ohne Bestimmung einer Summe angewiesenen Gegenvermächtnisses ohne Wirkung; und die überlebende Ehefrau kann nur auf die gesetzliche Erbfolge Anspruch machen.
§. 462. Ist die Summe des Witthums im Vertrage unbestimmt geblieben: so muß der Richter dieselbe auf den, nach Verhältniß des Standes der Frau, nothdürftigen Unterhalt, so weit die Nutzungen ihres eignen Vermögens dazu nicht hinreichen, bestimmen.
§. 463. Kann die Frau sich diesen nothdürftigen Unterhalt aus eignen Mitteln verschaffen: so ist sie dennoch, in dem §. 462. angegebenen Falle, den vierten Theil der richterlich ausgemessenen Summe aus dem Nachlasse des Mannes zu fordern berechtigt.
§. 464. Ist eine bestimmte Summe zum Witthume verschrieben, und auf die Nutzungen eines Grundstücks, oder die Zinsen eines Capitals bloß angewiesen: so muß, wenn diese Einkünfte oder Zinsen unzureichend sind, das Fehlende aus dem übrigen Nachlasse des Mannes ergänzt werden.
§. 465. Die Frau hat, wegen der, auf den Todesfall des Mannes, durch Verträge vor oder während der Ehe ihr ausgesetzten Vortheile, ein gleiches Recht, Sicherheitsbestellung von dem Manne zu fordern, wie wegen ihres Eingebrachten.
§. 466. Auch genießt sie, bey entstandenem Zahlungs-Unvermögen des Mannes, die in der Concursordnung näher bestimmten Vorrechte.
§. 467. So weit jedoch der Mann, zur Zeit der Einräumung dieser Vortheile, erweislich schon über sein Vermögen verschuldet war, muß die Frau damit allen andern Gläubigern nachstehen.
§. 468. Sind diese Vortheile auf einen nur im Verhältniß gegen das Ganze bestimmten Theil der Verlassenschaft des Mannes (pars quota) festgesetzt: so kann die Frau, bey entstandenem Zahlungs-Unvermögen des Mannes, deshalb keinen Anspruch machen.
§. 469. Nach dem Tode des Mannes wird das Gegenvermächtniß ein freyes und unwiderrufliches Eigenthum der Frau.
§. 470. Leibgedinge und Witthum aber fallen nach dem Tode der Frau an die Erben, oder Lehns- oder Fideicommiß-Folger des Mannes zurück.
§. 471. Auch hören Leibgedinge und Witthum auf, wenn die Frau sich wieder verheirathet.
§. 472. Das einer Frau zur Bedingung gesetzte Verbot, ihren Wittwenstand zu ändern, wird nicht nur in Ansehung des Leibgedinges und Witthums, sondern auch in Ansehung der von einem Dritten ihr unter dieser Bedingung zugewendeten Vortheile, außer dem Falle einer wirklichen Heirath, nur alsdann für übertreten geachtet, wenn dieselbe einer zum öffentlichen Aergerniß geführten liederlichen Lebensart gerichtlich überwiesen worden.
§. 473. Das durch anderweitige Heirath einmal verlorne Recht, lebt in dem darauf folgenden verwittweten Stande nicht wieder auf.
§. 474. Hat die Frau, gegen Erhaltung des Leibgedinges oder Witthums, ihr Eingebrachtes ganz oder zum Theil in der Erbschaftsmasse des Mannes zurücklassen müssen: so können ihr jene Vortheile auch aus den §. 471. 472. angegebenen Gründen nicht wieder entzogen werden.
§. 475. Ist der Frau die Wahl gelassen: ob sie ihr Vermögen zurücknehmen, oder Witthum fordern wolle: so ist sie nicht schuldig, sich vor Ablauf des Trauerjahres zu erklären.
§. 476. Hat sie aber alsdann einmal gewählt: so kann sie von ihrer Erklärung nicht wieder abgehen.
§. 477. Was sie in der Zwischenzeit aus dem Nachlasse des Mannes erhalten hat, das wird ihr, nach Maaßgabe ihrer Erklärung, auf ihr Eingebrachtes, oder auf das Leibgedinge oder Witthum angerechnet.
§. 478. Ein Vertrag, wodurch Eheleute aus eignem Vermögen einen Erbschatz bestellen, gilt nur als ein Erbvertrag.
§. 479. Es kann also dergleichen Bestellung, während des Lebens beyder Eheleute mit ihrer gemeinschaftlichen Bewilligung, zu allen Zeiten; und wenn sie von einem unter ihnen bloß durch einseitige Erklärung geschehen ist, von dem Besteller auch einseitig widerrufen werden.
§. 480. Wenn aber einer der Ehegatten verstorben ist: so finden wegen der Succession in den Erbschatz die Vorschriften §. 541. sqq. Anwendung.
II. Aus letztwilligen Verordnungen.
§. 481. Sind keine Verträge, wodurch die Erbfolge bestimmt wird, vorhanden: so dient die von dem verstorbenen Ehegatten hinterlassene letzte Willensverordnung zur Richtschnur.
§. 482. Nur Eheleuten ist es erlaubt, wechselseitige Testamente über ihren Nachlaß zu errichten. (Th. I. Tit. XII. §. 614. sqq.)
§. 483. Um Betrug und Ueberlistung zu vermeiden, sollen nur solche Testamente als wechselseitig gelten, welche in Einem Instrumente errichtet worden.
§. 484. Sind dergleichen Testamente von beyden Theilen unterschrieben, und dem Gerichte übergeben worden: so kommt es nicht darauf an, wer den Aufsatz selbst gefertigt habe.
§. 485. Dergleichen wechselseitige Testamente, in so fern dieselben nicht etwa als ein wirklicher Vertrag errichtet, und mit der bey Erbverträgen vorgeschriebenen Form versehen sind, werden schon durch den Widerruf eines der Ehegatten vernichtet.
§. 486. Hat jedoch der andere Ehegatte weder seines Orts ausdrücklich widerrufen, noch eine andre letztwillige Verordnung errichtet: so bestehen diejenigen Vermächtnisse, welche er in dem wechselseitigen Testamente andern als solchen Personen, die bloß mit dem Widerrufenden als Verwandte oder besondre Freunde verbunden sind, ausgesetzt hat.
§. 487. Bloße Aenderungen und Zusätze bey Vermächtnissen, und andern dergleichen Verfügungen wirken niemals die Vernichtung des gegenseitigen Testaments.
§. 488. Sie sind aber ungültig, in so fern sie bloß einseitig gemacht worden, und zum Nachtheile der überlebenden Ehegatten abzielen.
§. 489. Wenn die Ehe unter den wechselseitig testirenden Eheleuten durch Scheidung getrennt worden: so verliert das ganze wechselseitige Testament von selbst seine Gültigkeit.
§. 490. Auch nach dem Tode des einen Ehegatten hat der überlebende die Wahl: ob er die Erbschaft aus dem Testamente antreten, oder ausschlagen wolle.
§. 491. Entsagt er der Erbschaft aus dem Testamente: so finden die Vorschriften des Neunten Titels im Ersten Theile §. 398. sqq. Anwendung.
§. 492. Nimmt er die Erbschaft aus dem Testamente an: so kann er auch von seinen eignen Verordnungen nicht wieder abgehen; in so fern aus der Fassung, oder aus den Umständen erhellet, daß der Erstverstorbene ihm seinen Nachlaß, in Rücksicht auf diese Verfügungen, zugewendet habe.
§. 493. Dies wird hauptsächlich bey solchen Verordnungen des überlebenden Ehegatten vermuthet, welche zum Besten der gemeinschaftlichen Kinder, oder der Verwandten oder besondern Freunde des Erstverstorbenen abzielen.
§. 494. Wechselseitige Testamente, worin beyde Theile sich des Widerrufs ausdrücklich begeben haben, sind als Erbverträge anzusehen.
III. Aus Provinzialgesetzen oder Statuten.
§. 495. Haben die Eheleute die Erbfolge weder durch Verträge, noch durch letzte Willensverordnungen bestimmt: so wird nach den Statuten oder Provinzialgesetzen des letzten persönlichen Gerichtsstandes des Verstorbenen verfahren.
§. 496. Haben die Eheleute während der Ehe ihren Wohnsitz verändert: so hat der überlebende die Wahl: ob er nach den Gesetzen des letzten persönlichen Gerichtsstandes des Verstorbenen, oder nach den Gesetzen desjenigen Orts, wo die Eheleute zur Zeit der vollzogenen Heirath ihren ersten Wohnsitz genommen haben, erben wolle.
§. 497. In zweifelhaften Fällen gilt die Vermuthung, daß der dem überlebenden Ehegatten durch solche Gesetze bestimmte Erbtheil, demselben durch Testamente nicht geschmälert oder gar genommen werden könne.
§. 498. Wenn also dem überlebenden Ehegatten in dem Testamente des Erstverstorbenen weniger, als sein statutarischer Erbtheil beträgt, ausgesetzt worden: so kann derselbe die Ergänzung des Fehlenden aus dem übrigen Nachlasse fordern.
§. 499. Nur in so fern, als der überlebende Ehegatte sich solche Handlungen, die eine Scheidung begründen würden, hat zu Schulden kommen lassen, kann ihm sein statutarischer Erbtheil durch letztwillige Verordnungen geschmälert, oder genommen werden.
§. 500. Sind wegen der Erbfolge der Eheleute keine oder nicht hinreichende Bestimmungen in den Provinzial-Gesetzbüchern oder Statuten enthalten: so soll nach folgenden allgemeinen Vorschriften verfahren werden.
1) Absonderung der zum Nachlasse nicht gehörenden Stücke.
§. 501. Zuvörderst werden die in dem Nachlasse befindlichen Lehne und Fideicommisse, nebst Zubehör, demjenigen verabfolgt, auf welchen sie durch den Tod des letzten Besitzers gediehen sind.
2) der Gerade, Niftel und des Heergeräthes.
§. 502. Gleichergestalt nehmen diejenigen, welchen, nach Provinzialgesetzen oder Statuten, Heergeräthe, Gerade, oder Niftel zukommen, die dazu gehörenden Stücke.
§. 503. Heergeräthe verläßt nur eine Person männlichen Geschlechts dem nächsten Anverwandten von männlicher Seite und männlichem Geschlechte.
§. 504. Sind mehrere männliche Anverwandten in gleichem Grade vorhanden: so hat derjenige, welcher in Kriegsdiensten des Staats sich befindet, auf das Heergeräthe vorzüglichen Anspruch.
§. 505. Kann der Streit unter den mehrern gleich nahen Verwandten nach diesem Bestimmungsgrunde nicht entschieden werden: so hat der ältere, den Jahren nach, den Vorzug.
§. 506. Catholische Geistliche und protestantische Prediger, die in einem wirklichen Kirchenamte stehen, nehmen und hinterlassen kein Heergeräthe.
§. 507. Die Mitglieder geistlicher, auch catholischer Ritter-Orden, die nicht selbst Priester sind, bleiben hiervon ausgenommen.
§. 508. Gerade nimmt die überlebende Frau aus dem Nachlasse des Mannes.
§. 509. Niftel verläßt eine Frauensperson derjenigen Person weiblichen Geschlechts, welche mit ihr durch Weiber am nächsten verwandt ist.
§. 510. Sind mehrere Verwandtinnen von gleichem Grade vorhanden: so erhalten dieselben die Niftel zu gleichen Theilen.
§. 511. Eheliche Töchter schließen die unehelichen, so wie diese alle weitere Verwandtinnen aus.
§. 512. Außer der absteigenden Linie begründet die Verwandtschaft durch uneheliche Geburt keinen Anspruch auf die Niftel.
§. 513. Denenjenigen, welche ein Recht auf Heergeräthe, Gerade und Niftel zukommt, kann dasselbe durch letztwillige Verordnungen nicht entzogen werden.
§. 514. Wohl aber sind Verkäufe, Veräußerungen, und andre Verfügungen unter Lebendigen, sowohl in Ansehung des Ganzen, als einzelner dazu gehörender Stücke, gültig.
§. 515. Dergleichen Verfügungen können weder unter dem Vorwande einer Simulation, noch einer Verletzung, angefochten werden.
§. 516. Der bedungene Preis oder Werth tritt auch hier nicht an die Stelle des Veräußerten.
§. 517. Diejenigen, welchen Heergeräthe oder Niftel zukommt, müssen sich binnen Jahresfrist, nach erfolgtem Anfalle, zur Ausübung ihres Rechts, bey Verlust desselben, melden.
§. 518. Wer Heergeräthe oder Niftel zu verlassen nicht fähig ist, der kann auch dergleichen von andern nicht ziehn.
§. 519. Nach Provinzen, oder Oertern, wo kein Heergeräthe, oder keine Niftel gegeben wird, darf auch dergleichen nicht verabfolgt werden.
§. 520. In allen Fällen, wo Heergeräthe oder Niftel denjenigen, welche sonst durch Provinzialgesetze oder Statuten dazu berufen sind, aus einem oder dem andern der vorstehenden Gründe nicht verabfolgt werden dürfen, fallen dieselben nicht dem nächsten nach ihm zu, sondern sie bleiben in dem Nachlasse.
§. 521. Wird jedoch unter mehrern gleich nahen Verwandtinnen eine oder die andere, aus den vorstehenden Gründen, von der Niftel ausgeschlossen: so wächst ihr Antheil den übrigen zu.
§. 522. Wo das Vermögen durch Schulden erschöpft wird, findet weder Gerade, Niftel noch Heergeräthe statt.
§. 523. Das Heergeräthe begreift unter sich das beste Pferd; den Degen, dessen sich der Verstorbene zum gewöhnlichen Gebrauch bedient hat; einen vollständigen Anzug von dessen täglichen Kleidern; ein Gebett Bette, nächst dem besten, bestehend aus einem Ober- und Unterbette, einem Pfühl, zwey Kopfkissen, nebst dazu gehörigen Ueberzügen, und zwey Bettlaken; ein Tischtuch, nebst drei Servietten; und zwey Schüsseln von Zinn oder anderen gemeinen Metalle.
§. 524. Bey den in wirklichen Kriegesdiensten stehenden Personen wird auch das, was sie im Felde, oder in der Garnison, zu oder bey Verrichtung ihres Dienstes gewöhnlich gebrauchen, so weit es vorhanden ist, und nicht bey dem Regimente zurückbleiben muß, zu ihrem Heergeräthe gerechnet.
§. 525. Zur Niftelgerade gehören nur die zum weiblichen Gebrauche allein gewidmeten Geräthe, Kleidungsstücke, Wäsche und Kostbarkeiten, nebst den dazu gehörigen Behältnissen.
§. 526. Auch was zur Leibwäsche oder Kleidungsstücken zugeschnitten, in Arbeit gegeben, oder genommen ist, wird zur Niftel gerechnet.
§. 527. Dagegen hat die Niftelerbin auf Kostbarkeiten, welche der Frau von dem Manne zum Gebrauche gegeben worden, und nach obigen Vorschriften nur als geliehen anzusehen sind, keinen Anspruch.
§. 528. Die volle Gerade begreift zuvörderst alles unter sich, was nach §. 525. 526. zur Niftel-Gerade gehöret.
§. 529. Außerdem werden dazu gerechnet die zum alltäglichen Gebrauche in der Hauswirthschaft bestimmten Mobilien.
§. 530. Ferner alle Arten von Leinwand, verarbeitet oder unverarbeitet; wie auch Flachs und Garn, so weit alle diese Sachen zum Gebrauche in der Wirthschaft bestimmt sind.
§. 531. Auch die zum Hausgebrauche gewidmeten Vorräthe an Eßwaaren werden zur vollen Gerade gerechnet.
§. 532. Stall- und Kellergeräthschaften gehören nicht zur Gerade.
§. 533. Auch Mobilien, die bloß zur Pracht dienen, sind darunter nicht mit begriffen.
§. 534. Nur bey Adlichen werden Kutsche und Pferde, deren sich die Eheleute zu ihrem persönlichen Gebrauche gewöhnlich bedient haben, zur vollen Gerade gerechnet.
§. 535. Sind mehrere Stücke von dieser Art vorhanden: so kommt die Wahl der Wittwe zu.
§. 536. Vorstehende Bestimmungen in Ansehung der Gerade, der Niftel, und des Heergeräthes, gelten insgesammt nur auf den Fall, wenn in den Provinzial- oder statutarischen Gesetzen ein Anderes nicht ausdrücklich verordnet ist.
§. 537. Die Vorschriften der Provinzial- und statutarischen Gesetze müssen genau nach den Worten angewendet werden; und es finden dabey keine ausdehnende Erklärungen statt.
§. 538. Dunkle Vorschriften solcher Provinzial- oder statutarischen Gesetze müssen nach den Grundsätzen dieses allgemeinen Gesetzbuchs erklärt werden.
§. 539. In Provinzen, wo bisher kein Heergeräthe oder keine Gerade üblich gewesen sind, sollen dieselben auf den Grund des gegenwärtigen Gesetzbuchs nicht eingeführt werden.
§. 540. Ferner wird der Erbschatz, wenn dergleichen vorhanden ist, von dem Nachlasse abgesondert. (§. 276. sqq.)
§. 541. Weder die Substanz des Erbschatzes, noch die davon zu ziehenden Nutzungen, können dem überlebenden Ehegatten auf sein gesetzmäßiges Erbtheil angerechnet werden.
§. 542. Wohl aber wird in dem Falle des §. 463. bey Bestimmung des der überlebenden Ehefrau auszusetzenden Witthums, auf die ihr zu gute kommenden Nutzungen des Erbschatzes mit Rücksicht genommen.
4) des eigenthümliehen Vermögens des überlebenden Ehegatten,
§. 543. Auch das eigenthümliche Vermögen des überlebenden Ehegatten ist von dem Nachlasse des Verstorbenen abzusondern.
§. 544. Bey dieser Absonderung kommt dem Manne, dessen Erben oder Gläubigem, im zweifelhaften Falle die Vermuthung zu statten, daß das Vorhandene zu seinem Vermögen gehöre.
a) des vorbehaltenen Vermögens der Frau,
§. 545. Das vorbehaltene Vermögen der Frau muß der Regel nach in dem Zustande angenommen werden, in welchem es zur Zeit, da die Ehe getrennt worden, sich befindet.
§. 546. Hat der Mann einer Verfügung über das vorbehaltene Vermögen der Frau ohne ihren Vorbewußt, oder gar wider ihren Willen, sich angemaßt: so muß er ihr, oder ihren Erben, für den daraus entstandenen Verlust und Schaden, gleich einem unredlichen Besitzer, gerecht werden. (Th. I. Tit. VII. §. 222. sqq.)
§. 547. Hat die Frau ihr vorbehaltenes Vermögen ganz oder zum Theil dem Manne zur Verwaltung oder sonstigen Verfügung übergeben: so hat dasselbe, in Ansehung des Mannes, oder seiner Erben, mit dem Eingebrachten gleiche Rechte.
b) der eingebrachten Gelder und Capitalien,
§. 548. Das baar eingebrachte Vermögen der Frau muß in gleich guter Münzsorte, wie es der Mann erhalten hat, der Frau zurückgegeben, oder zu gute gerechnet werden.
§. 549. Die Verzinsung aber können die Frau, oder deren Erben, nur nach dem Ablaufe desjenigen Quartals fordern, in welchem die Trennung der Ehe durch den Tod erfolgt ist.
§. 550. Hat der Mann das baar eingebrachte Geld auf den Namen der Frau ausgeliehen: so haben die Frau, oder deren Erben, die Wahl: ob sie das ausgeliehene Capital übernehmen, oder baare Rückzahlung fordern wollen.
§. 553. Hat aber die Frau in die Belegung des Geldes auf ihren Namen, bey einem gewissen bestimmten Schuldner, ausdrücklich, wenn auch nur außergerichtlich, eingewilligt: so wird ein solches in stehender Ehe ausgeliehenes Capital einem eingebrachten gleich geachtet.
§. 552. Von Capitalien, welche der Mann in stehender Ehe eingezogen, und auf den Namen der Frau wieder ausgeliehen hat, gilt eben das, was wegen der baar eingebrachten und von dem Manne auf den Namen der Frau ausgeliehenen Gelder verordnet ist.
§. 553. Wegen der wirklich eingebrachten, oder denselben gleich zu achtenden Capitalien, sind der Mann oder dessen Erben nur zur Ausantwortung der darüber vorhandenen Urkunden verpflichtet.
§. 554. Doch müssen der Mann, oder dessen Erben, für jedes von ersterem, sowohl bey der Ausleihung, als bey Verwaltung der der Frau zugehörenden Capitalien, begangenes mäßiges Versehen haften.
§. 555. Bey Bestimmung des Grades der Verschuldung aber muß auf die persönlichen Fähigkeiten und Einsichten des Mannes Rücksicht genommen werden.
§. 556. Hat der Mann die baar eingebrachten Gelder, oder eingezogenen Capitalien der Frau, auf seinen Namen ausgeliehen: so trifft jeder Verlust ihn oder seine Erben.
§. 557. Sind Capitalien auf den Namen beyder Eheleute gemeinschaftlich ausgeliehen worden: so sind Theyle Eheleute als Miteigentümer anzusehen.
§. 558. Es gilt also von der Hälfte der Frau eben das, was wegen eines ganzen auf ihren alleinigen warnen ausgeliehenen Capitals verordnet ist.
c) der eingebrachten Mobilien,
§. 559. Hat die Frau dem Manne Mobilien eingebracht, ohne daß dieselben zu einem gewissen Werthe angeschlagen worden: so gehören nur die zur Zeit der getrennten Ehe erweislich noch vorhandnen Stücke zu ihrem Vermögen.
§. 560. Sind an die Stelle der nicht mehr vorhandenen Stücke andere angeschafft worden: so können die Frau oder deren Erben diese letzteren, statt der eingebrachten, zurücknehmen.
§. 561. Außerdem aber sind der Mann, oder dessen Erben, zu einer Schadloshaltung wegen der nicht mehr vorhandenen, oder am Werthe verringerten Stücke, nur in so fern verbunden, als die Vernichtung, Veräußerung, oder Verringerung, durch Vorsatz oder grobes Versehen des Mannes erfolgt ist.
§. 562. Mobilien, welche die Frau von ihrem vorbehaltenen Vermögen angeschafft, und zum gemeinschaftlichen Gebrauche hergegeben hat, werden den eingebrachten gleich geachtet.
§. 563. Hat die Frau ihre eingebrachten Mobilien dem Manne zu einem gewissen Preise ausdrücklich verkauft: so können sie, oder ihre Erben, nur den rückständigen Kaufpreis von dem Manne oder aus dessen Nachlasse fordern.
§. 564. Sind die Mobilien dem Manne nicht verkauft, sondern nur nach einem gewissen Anschlage eingebracht worden: so haben die Frau, oder deren Erben, die Wahl zwischen den Mobilien selbst, und deren angeschlagnem Werthe.
§. 565. Fällt die Wahl auf die Mobilien: so gelten die §. 559-561. vorgeschriebenen Grundsätze.
§. 566. Wird der angeschlagene Werth gewählt: so findet daran kein Abzug statt, wenn gleich die Mobilien selbst ganz oder zum Theil nicht mehr vorhanden wären.
§. 567. Hat jedoch die Frau ein oder andres Stück vorsätzlich oder aus grobem Versehen vernichtet, oder am Werthe verringert, oder ohne Genehmigung des Mannes veräußert: so ist der Abzug des bestimmten Werths zuläßig.
§. 568. Sind nur gewisse einzelne Stücke zu einem bestimmten Werthe eingebracht worden: so steht bey einem jeden solcher Stücke, der Frau, oder ihren Erben, die Wahl zu: ob sie dasselbe zurücknehmen, oder den angeschlagenen Werth fordern wollen.
§. 569. In jedem Falle gilt wegen solcher einzelnen Stücke eben das, was oben wegen der Mobilien überhaupt verordnet ist.
d) der eingebrachten Grundstücke und Gerechtigkeiten,
§. 570. Hat die Frau dem Manne Grundstücke oder Gerechtigkeiten eingebracht: so hat, wenn sie zuerst stirbt, der Mann die Wahl: ob er das Grundstück zur Verlassenschaft zurückgeben, oder dafür den Werth bezahlen wolle.
§. 571. Ist das Grundstück dem Manne nach einem gewissen Anschlage eingebracht worden: so muß der Mann, wenn er selbiges behalten will, den angeschlagenen Werth zur Masse vergüten.
§. 572. Ist die Einbringung nicht unter einem gewissen Anschlage geschehen: so müssen die Erben der Frau den Werth bestimmen; und alsdann steht es in der Wahl des Mannes: ob er das Grundstück dafür annehmen, oder den andern Erben überlassen wolle.
§. 573. Wählt der Mann das Grundstück: so muß er den von den Erben gesetzten Preis bey der Theilung
§. 574. Ueberläßt der Mann das Grundstück den Erben: so muß dasselbe auch bey der Theilung nach dem von den Erben bestimmten Werthe in Anschlag gebracht werden.
§. 575. Den Erben der Frau steht es frey, zu ihrer Information von dem Werthe des Grundstücks, eine gerichtliche Taxe aufnehmen zu lassen; und der Mann ist schuldig, den Taxatoren die vorhandenen Nachrichten und Rechnungen auf Erfordern mitzutheilen.
§. 576. Doch sind die Erben an die herausgebrachte Taxe nicht gebunden, sondern es steht ihnen frey, den Werth auch höher oder niedriger zu bestimmen.
§. 577. Können mehrere Miterben der Frau über die Bestimmung des Werths sich nicht vereinigen: so muß eine gerichtliche Taxe aufgenommen werden.
§. 578, Diese Taxe dient jedoch nur unter den streitenden Erben selbst, bey Festsetzung des von ihnen nach §. 572. dem Manne zu bestimmenden Werths, zur Richtschnur.
§. 579. Zögern die Erben länger, als Sechs Monathe nach erfolgter gerichtlicher Aufforderung, mit der Bestimmung des Werths: so muß der Richter von Amtswegen eine Taxe aufnehmen lassen, und dieselbe dem Manne zur Wahl vorlegen.
§. 580. Gegen eine solche Taxe werden den Erben keine Ausstellungen verstattet.
§. 581. Stirbt der Mann zuerst, und ist das Grundstück nach einem Anschlage eingebracht worden: so steht es in der Wahl der Frau: ob sie das Grundstück zurücknehmen, oder den angeschlagenen Werth aus dem Nachlasse des Mannes fordern wolle.
§. 582. Hat der verstorbene Mann das Grundstück zu keinem angeschlagenen Werthe übernommen: so muß die Frau mit der Zurücknahme desselben sich begnügen.
§. 583. In allen Fällen, wo ein Grundstück nach einem Anschlage eingebracht worden, kann derselbe nur bey der Absonderung des Vermögens der Frau zur Richtschnur dienen.
§. 584. In so fern hingegen das Grundstück hiernächst, bey dem Nachlasse der verstorbenen Frau, zur Festsetzung der Erbtheile mit in Anschlag kommen soll, ist keiner von den Erben an den Anschlag weiter gebunden.
§. 585. In allen Fällen, wo das Grundstück selbst der Frau oder ihren Erben zurückgegeben wird, muß dasselbe in dem Zustande gewährt werden, in welchem es sich zur Zeit der getrennten Ehe befunden hat.
Von Verbesserungen, wenn das Grundstück zurückgegeben wird.
§. 586. Wegen gemachter Verbesserungen können der Mann, oder dessen Erben, nur in so fern Vergütung fordern, als ein Nießbraucher überhaupt nach den Gesetzen dazu berechtigt ist. (Th. I. Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 587. Die Einwilligung der Frau in eine zu machende Verbesserung, und in die darauf zu verwendende Summe, ist gültig; sobald sie gerichtlich, oder auch nur schriftlich, jedoch in diesem Falle mit Zuziehung eines ihrer nächsten Verwandten, oder eines andern wirthschaftskundigen Beystandes, abgegeben worden.
§. 588. Wenn die Frau zu einer offenbar vortheilhaften Verbesserung ihren Consens, ohne hinlänglichen Grund, beharrlich versagt: so kann derselbe auf das Anrufen des Mannes, durch das vormundschaftliche Gericht ergänzt werden. (§. 232. sqq.)
§. 589. Auch wegen der Vergütung für die, aus eignen Mitteln, von dem Manne bewirkte Befreyung des Grundstücks von darauf haftenden Capitalien, oder andern Real-Lasten, wird der Mann einem andern Nießbraucher gleich geachtet. (Th. I. Tit. XXI. §. 75-79.)
§. 590. Eben das gilt von dem Ersatze der über den Betrag des Nießbrauchs verwendeten Erhaltungskosten. (Ebend. §. 87. 88. 89.)
§. 591. Sind durch eine ausdrücklich dem Manne zugedachte Landesherrliche Gnade, Verbesserungen auf dem eigentlichen Gute veranstaltet worden: so haben der Mann, oder dessen Erben, wegen deren Vergütung, die Rechte eines redlichen Besitzers. (Th. I. Tit VII. §. 204. sqq.)
§. 592. Hat der Mann, mit oder ohne Einwilligung der Frau, Grundstücke oder Gerechtigkeiten, welche von dem eingebrachten Gute ehehin getrennt worden, damit wieder vereinigt: so können er, oder seine Erben, den Ersatz der dazu verwendeten Kosten fordern.
§. 593. Hat aber der Mann, ohne Einwilligung der Frau, neue Grundstücke oder Gerechtigkeiten zugekauft: so haben er, oder seine Erben, die Wahl: ob sie dieselben bey dem Gute lassen, oder zurücknehmen wollen.
§. 594. Wählen sie ersteres: so sind die Frau, oder deren Erben, nur zum Ersatze des wahren Werths des zugeschlagenen Stücks, an und für sich betrachtet, ohne Rücksicht auf die Verbindung mit dem Hauptgute, verpflichtet.
§. 595. Auch wegen Verringerung des eingebrachten Grundstücks haben der Mann, oder dessen Erben, nur das zu vertreten, wozu ein jeder Nießbraucher schuldig ist. (Th. I. Tit. XXI. §. 132. sqq.)
§. 596. Hat der Mann Pertinenzstücke des Guts mit Einwilligung der Frau veräußert: so kann letztere, gleich ihren Erben, nur den dafür gelöseten Werth fordern.
§. 597. Ist die Veräußerung eines Pertinenzstücks ohne Consens der Frau geschehen: so haben letztere, oder ihre Erben, die Wahl: entweder das Veräußerte von dem dritten Besitzer, nach Vorschrift des Fünfzehnten Titels im Ersten Theile, zurückzufordern; oder sich wegen des erweislichen wahren Werths, wie derselbe zur Zeit der Veräußerung beschaffen war, an den Mann oder dessen Nachlaß zu halten.
§. 598. In allen Fällen, wo die Frau, oder deren Erben, den Werth eines einseitig veräußerten Pertinenzstücks von dem Manne, oder aus dessen Nachlaße fordern, kann denselben die Compensation, wegen der daraus in den Nutzen der Frau geschehenen Verwendungen, in so fern entgegengesetzt werden, als die Frau, oder deren Nachlaß, sich dadurch noch wirklich reicher befinden. (Th. I. Tit. XIII. §. 274.)
§. 599. In gleichem Maaße können auch, wenn das veräußerte Pertinenzstück zurückgenommen worden, der Mann, oder dessen Erben, Beytrag zur Entschädigung des an den Mann oder dessen Nachlaß sich haltenden dritten Besitzers, von der Frau, oder aus deren Nachlasse fordern.
§. 600. Auch der dritte Besitzer, welcher seine Schadloshaltung von dem Manne, oder aus dessen Nachlasse, ganz oder zum Theil nicht erlangen kann, ist dieselbe in dem §. 598. bestimmten Maaße von der Frau, oder aus deren Nachlaße zu fordern befugt.
Von Verbesserungen, wenn der Werth entrichtet wird.
§ 601. In allen Fällen, wo statt des Grundstücks der angeschlagene Werth gefordert, oder genommen wird, muß derselbe der Frau, oder deren Erben, in der bedungenen Münzsorte, oder wenn keine Münzsorte verabredet ist, in dem zur Zeit der Veranschlagung im Gange gewesenen Courantgelde vergütet werden.
§. 602. Verbesserungen begründen bey einer solchen Auseinandersetzung keine Erhöhung des einmal angeschlagenen Werths.
§. 603. Auch durch zugeschlagene Pertinenzstücke, in so fern sie von dem Manne erworben worden, wird der angeschlagene Werth, zu seinem oder seiner Erben Nachtheile, nicht erhöht.
§. 604. Ist aber außerdem, während der Ehe, dem eingebrachten Grundstücke eine neue Gerechtigkeit, oder ein für sich selbst bestehendes Grundstück zugewachsen: so wird dieser Zuwachs als ein besondres Eingebrachtes betrachtet.
§. 605. Es hängt also von der Frau oder deren Erben ab, dergleichen Zuwachs entweder zurückzunehmen, oder ihn dem Manne, oder dessen Erben, mit dem Hauptgute zu überlassen.
§. 606. Im letztern Falle muß der Werth dieses Zuwachses, nach einer darüber aufzunehmenden Ertragstaxe, der Frau oder ihren Erben besonders, und noch über den Anschlag des Hauptgutes, vergütet werden.
§. 607. Doch wird alsdann nur der Ertrag des Zuwachses, an und für sich betrachtet, ohne Rücksicht auf dessen Verbindung mit dem Hauptgute, in Anschlag gebracht.
§. 608. Verringerungen berechtigen den Mann, oder dessen Erben, zu einem Abzuge von dem angeschlagenen Werthe nur in dem einzigen Falle, wenn ein Theil von der Substanz des eingebrachten Grundstücks, ohne grobes oder mäßiges Versehen des Mannes, verloren gegangen.
§. 609. Behält, in dem Falle des §. 572., der Mann das Gut für eine von den Erben der Frau gesetzte Taxe: so kann er die Vergütung der von ihm gemachten Verbesserungen aus dem Nachlasse eben so fordern, als wenn das Gut selbst wäre zurückgegeben worden.
§. 610. Erhält aber der Mann bey dem Hauptgute ein von ihm zugeschlagenes Pertinenzstück, wofür er nach §. 594. Vergütung aus der Masse zu fordern hat: so muß der Werth eines solchen Pertinenzstücks nicht in dessen Verbindung mit dem Hauptgute, sondern nur einzeln und für sich betrachtet, abgeschätzt werden.
§. 611. Mit dem Grundstücke, oder der Gerechtigkeit, muß dem Uebernehmer derselben alles gewährt werden, was nach den Gesetzen als Zubehör anzusehen ist.
§. 612. Insonderheit muß ein Landgut mit dem Viehe und Ackergeräthe, wie es zur Zeit der getrennten Sache beschaffen gewesen, übergeben werden.
§. 613. Veroffenbaren sich dabey, gegen den Zustand der Einbringung, Verbesserungen, oder Verringerungen: so finden eben die Grundsätze statt, welche von Verbesserungen oder Verringerungen überhaupt obstehend vorgeschrieben sind.
§. 614. Der Nießbrauch des Mannes in dem Eingebrachten der Frau nimmt mit dem Tode eines oder des andern Ehegatten ein Ende.
§. 615. Sowohl wegen der Nutzungen des Sterbejahres, als wegen der der frühern Jahre, findet alles das Anwendung, was wegen der Auseinandersetzung zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer, nach geendigtem Nießbrauche, verordnet ist. (Th. I. Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 616. Doch müssen, bey einem eingebrachten Landgute, aus den Einkünften des Sterbejahres die Zinsen auch solcher Capitalsschulden der Frau, die nicht auf dem Gute selbst lasten, in so fern bezahlt werden, als diese Capitalsschulden überhaupt, nach den Vorschriften des gegenwärtigen Titels, auch in Beziehung auf den Ehemann gültig sind, die Zinsen aber aus den Einkünften des übrigen Eingebrachten nicht berichtigt werden können.
§. 617. Auch muß in dem vorhandenen Hause, es gehöre dasselbe zum Eigenthume des Mannes, oder der Frau, dem überlebenden Ehegatten die bis daher inne gehabte Wohnung, wenigstens bis zum Ablaufe des nächsten Vierteljahres, nach demjenigen, in welchem der Sterbefall erfolgt ist, frey verstattet werden.
§. 618. Von der nach obigen Regeln (§. 543. bis 617.) ausgemittelten Verlassenschaft des verstorbenen Ehegatten müssen, noch vor der Theilung, die Schulden desselben abgerechnet werden.
§. 619. Für Schulden, welche die Frau während der Ehe auf ihr vorbehaltenes Vermögen einseitig gemacht hat, kann der Gläubiger nur so weit Bezahlung fordern, als das bey ihrem Ableben noch vorhandene vorbehaltene Vermögen hinreicht.
§. 620. Hat aber die Frau mit Vorwissen des Mannes, und ohne dessen Widerspruch, ein besonderes Gewerbe getrieben: so können ihre Gläubiger, die ihr zu diesem Gewerbe Credit gegeben haben, bey der Unzulänglichkeit des vorbehaltenen, auch an das eingebrachte Vermögen, nach ihrem Tode sich halten.
§. 621. Der solchergestalt ausgemittelte reine Nachlaß des verstorbenen Ehegatten wird unter den nahen Blutsverwandten und dem überlebenden Ehegatten vertheilt.
§. 622. Für nahe Verwandte werden diejenigen geachtet, welche von dem Erblasser nicht weiter, als im sechsten Grade, voller oder halber Geburt, entfernt sind.
§. 623. Hinterläßt der Verstorbene Verwandten in absteigender Linie: so ist der überlebende Ehegatte nur Erbe zum vierten Theile.
§. 624. Sind mehr als drey absteigende Linien vorhanden: so erbt der überlebende Ehegatte nur Kindes Theil.
§. 625. Hinterläßt der Verstorbene nur Verwandten in aufsteigender Linie, Geschwister, oder Geschwisterkinder ersten Grads: so ist der überlebende Ehegatte Erbe zu einem Drittel.
§. 626. Sind nur Verwandte in entferntem Graden vorhanden: so erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte.
§. 627. Sind gar keine nahe Verwandten vorhanden (§. 622.): so erbt der überlebende Ehegatte den ganzen Nachlaß.
§. 628. In allen Fällen, wo der überlebende Ehegatte mit Verwandten des Verstorbenen in der aufsteigenden oder Seitenlinie an der Erbschaft Theil nimmt, gebührt demselben alles Bett- und Tischzeug, welches die Eheleute im gewöhnlichen Gebrauche gehabt haben, zum Voraus.
§. 629. Ein gleiches gilt von Möbeln und Hausrath, in so fern dieselben nicht als Zubehör eines Grundstücks, oder einer Gerechtigkeit anzusehen sind.
§. 630. Von diesen voraus verschafften Stücken darf der überlebende Ehegatte, zur Bezahlung der Schulden des Verstorbenen, nur in so fern beytragen, als der übrige Nachlaß dazu nicht hinreicht.
§. 631. Die Hälfte der durch das Gesetz dem überlebenden Ehegatten bestimmten Erbportion ist als ein Pflichttheil anzusehen.
§. 632. Diesen Pflichttheil kann ein Ehegatte dem andern nur wegen solcher Verschuldungen schmälern, oder gar entziehn, die ihn berechtigt haben würden, auf Scheidung anzutragen.
§. 633. Uebrigens gilt von diesem Pflichttheile alles, was von der Legitima überhaupt im folgenden Titel verordnet ist.
V. Bey bestandener Gemeinschaft
§. 634. Die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten wird durch den Tod des Einen von ihnen geendigt.
§. 635. Es muß daher vor allen Dingen das gemeinschaftliche Vermögen von dem, was nicht in die Gemeinschaft gekommen ist, abgesondert werden.
§. 636. Was von letzterem dem einen oder dem andern Ehegatten eigenthümlich gehört, wird in Ansehung der Erbfolge, und sonst, nach den Vorschriften des gemeinen Rechts beurtheilt.
§. 637. Von dem gemeinschaftlichen Vermögen nimmt der überlebende Ehegatte die eine Hälfte als sein Eigenthum zurück.
§. 638. Die andre Hälfte wird als der Nachlaß des verstorbenen Ehegatten angesehen.
§. 639. Hinterläßt der Verstorbene Blutsverwandten in absteigender Linie, welche aus dem gemeinschaftlichen Vermögen noch nicht abgefunden sind: so muß der überlebende Ehegatte mit seiner Hälfte sich begnügen.
§. 640. Doch erhält er die zu seinem eignen persönlichen Gebrauche bestimmten Kleidungsstücke, Betten und Leibwäsche, vor der Theilung zum Voraus.
§. 641. Dagegen werden den Kindern des Verstorbenen die zu dessen persönlichen Gebrauche bestimmt gewesene Kleidungsstücke, Betten und Leibwäsche, ebenfalls zum Voraus angewiesen.
§. 642. Sind keine unabgefundenen Kinder vorhanden: so theilt der überlebende Ehegatte die den Nachlaß des Verstorbenen ausmachende Hälfte mit dessen nahen Blutsverwandten, nach eben den Verhältnissen, wie es bey der Erbfolge nach dem gemeinen Rechte vorgeschrieben ist (§. 625. 626).
§. 643. Doch erhält alsdann der überlebende Ehegatte, außer den §. 628. 629. bestimmten Effekten, auch noch diejenigen, die nach §. 640. zu seinem eignen Gebrauche gewidmet sind, zum Voraus.
§. 644. Abgefundene Kinder haben bey dieser Erbfolge-Ordnung, in Beziehung auf den überlebenden Ehegatten, nur mit Seitenverwandten des ersten Grades gleiche Rechte.
§. 645. In allen Fällen, wo der überlebende Ehegatte mit andern Verwandten, als unabgefundenen Kindern, an dem Nachlasse des Verstorbenen Theil nimmt, behält er den Nießbrauch des gesammten gemeinschaftlich gewesenen Vermögens auf Lebenslang.
§. 646. Die Verwandten des Erstverstorbenen, oder deren alsdann vorhandene Erben, können also, die Ausantwortung ihrer Erbtheile erst nach dem Tode des Letztlebenden fordern.
§. 647. Sind keine nahe Verwandten des Verstorbenen (§. 622.) vorhanden: so bleibt dem überlebenden Ehegatten das ganze gemeinschaftlich gewesene Vermögen eigenthümlich.
§. 648. Sind in dem zu theilenden gemeinschaftlichen Vermögen Grundstücke oder Gerechtigkeiten vorhanden: so hat der überlebende Ehegatte, eben so, wie in dem Falle des §. 571. sqq. die Wahl, selbige für eine von den übrigen Erben zu setzende Taxe zu übernehmen.
§. 649. Eben so hängt es von dem überlebenden Ehegatten ab die zum täglichen Hausgebrauche bestimmten Mobilien, in so fern er dieselben nach §. 643. nicht zum Voraus empfängt, für eine gehörig aufgenommene Privattaxe zu behalten, oder sie zur Theilung zu bringen.
§. 650. In Ansehung aller übrigen Mobilien steht es in seiner Wahl, entweder auf die Naturaltheilung, oder auf den öffentlichen Verkauf anzutragen.
§. 651. Im erstern Falle legen die Miterben die Theile, und der überlebende Ehegatte wählt.
§. 652. Doch müssen in einem solchen Falle den Miterben des überlebenden Ehegatten die auf ihren Theil kommende Mobilien sofort ausgeantwortet werden; und sie sind dem §. 645. 646. verordneten Nießbrauche nicht unterworfen.
§. 653. Bis zur wirklichen Auseinandersetzung bleibt der überlebende Ehegatte mit den Verwandten des Verstorbenen im Miteigenthume der zur Zeit des Sterbefalls vorhanden gewesenen gemeinschaftlichen Masse.
§. 654. Was also der ungetheilten Masse zuwächst oder von derselben verloren geht, trifft sämmtliche Miteigenthümer, nach Verhältniß ihres Antheils.
§. 655. Die bey Trennung der Ehe schon angefangenen Geschäfte werden nach den Gesetzen der Handlungsgesellschaft fortgeführt und beendigt.
§. 656. Der überlebende Ehegatte bleibt, bis zur wirklichen Auseinandersetzung, im Besitze und in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens.
§. 657. Er muß aber von letzterer, in so fern ihm nicht, nach §. 645. der Nießbrauch zukommt, seinen Miterben Rechnung legen.
§. 658. Was nach getrennter Ehe durch Erbschaften, Vermächtnisse, Geschenke, oder andre Glücksfälle, einem der Ehegatten zu Theil wird, das gehört nicht mehr zum gemeinschaftlichen Vermögen.
§. 659. Es kommt dabey auf den Tag an, wann der Anfall sich ereignet hat; nicht aber auf den, da er bekannt geworden ist.
§. 660. Was der überlebende Ehegatte, nach dem Tode des Verstorbenen, ohne Rücksicht auf den Besitz der Erbschaftsmasse erwirbt, darf er nicht zur Theilung bringen.
§. 661. Wegen der Schulden, die auf dem gemeinschaftlichen Vermögen haften, und der Befugniß der Gläubiger, sich auch nach erfolgter Auseinandersetzung an die einzelnen Interessenten zu halten, finden eben die Vorschriften, wie bey Erbtheilungen überhaupt, Anwendung (Th. I. Tit. XVII. Abschn. II.2)
§. 662. Hat zwischen den Eheleuten nur eine Gemeinschaft des Erwerbes obgewaltet, so muß das beyderseitige eigenthümliche Vermögen, nach den im Sechsten Abschnitte vorgeschriebenen Grundsätzen, von dem Erwerbe abgesondert werden.
§. 663. In dem eigentümlichen Vermögen des Verstorbenen findet wegen der Erbfolge eben das statt, was außerhalb der Gütergemeinschaft verordnet ist.
§. 664. In Ansehung des gemeinschaftlichen Erwerbes wird nach den §. 637. sqq. gegebnen Vorschriften verfahren.
§. 665. Wird ein Ehegatte durch Urtel und Recht für todt erklärt: so findet die Erbfolge in sein Vermögen eben so statt, als wenn er am Tage des publicirten Urtels wirklich gestorben wäre.
§. 666. Dem andern Ehegatten stehet es alsdann frey, sich wieder zu verheirathen; und diese Ehe besteht, wenn auch der Verschollne wieder zurück kehrt.
§. 667. Wenn aber die anderweitige Verheirathung nicht geschehen ist, so wird bei erfolgender Rückkehr des Verschollenen, die vorige Ehe als fortdauernd angesehen.
Achter Abschnitt. Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch
§. 668. Eine an sich gültige Ehe kann durch richterlichen Ausspruch wieder getrennt werden.
§. 669. Doch sollen Ehescheidungen nicht anders als aus sehr erheblichen Ursachen statt finden.
§. 670. Ehebruch, dessen sich ein Ehegatte schuldig macht, berechtigt den unschuldigen Theil, auf Scheidung zu klagen.
§. 671. Wenn aber die Frau sich des Ehebruchs schuldig gemacht hat: so kann sie, unter dem Vorwande, daß dem Manne ein gleiches Versehen zur Last falle, der Scheidung nicht widersprechen.
§. 672. Sodomiterey, und andere unnatürliche Laster dieser Art, werden dem Ehebruche gleich geachtet.
§. 673. Eben das gilt von unerlaubtem Umgange, wodurch eine dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründet wird.
§. 674. Bloßer Verdacht ist zur Trennung der Ehe nicht hinreichend.
§. 675. Ist jedoch scheinbarer Anlaß zu einem solchen Argwohne vorhanden, so muß dem beschuldigten Ehegatten, auf Anrufen des andern, der fernere Umgang mit der verdächtigen Person gerichtlich untersagt werden.
§. 676. Setzt derselbe, dieses Verbots ungeachtet, einen vertrauten Umgang mit der verdächtigen Person fort; so ist dieses ein erheblicher Grund zur Ehescheidung.
§. 677. Auch wegen böslicher Verlassung kann eine Ehe getrennt werden.
§. 678. Die bloße Veränderung des bisherigen Aufenthalts ist für eine bösliche Verlassung noch nicht zu achten.
§. 679. Vielmehr ist, wenn der Mann einen neuen Wohnort wählt, die Frau ihm dahin zu folgen verbunden.
§. 680. Wenn sie sich dessen auf ergehende richterliche Verfügung beharrlich weigert: so ist der Mann auf Scheidung anzutragen wohl befugt.
§. 681. Dagegen ist die Frau dem Manne zu folgen nicht schuldig, wenn derselbe, wegen begangner Verbrechen, oder sonst wider die Gesetze, sich aus den Königlichen Landen entfernt hat.
§. 682. Ingleichen, wenn der Frau die Pflicht, dem Manne zu folgen, durch einen vor der Heirath geschlossenen Vertrag erlassen worden.
§. 683. In allen Fällen ist der Mann die Frau, welche an seinen veränderten Wohnort ihm folgen will, anzunehmen in der Regel verpflichtet.
§. 684. Weigert er sich dessen beharrlich, und ohne hinreichenden Grund (§. 687.): so giebt er dadurch der Frau rechtmäßigen Anlaß, auf die Scheidung anzutragen.
§. 685. Verläßt die Frau den Mann ohne dessen Einwilligung, oder rechtmäßigen Grund der Entfernung, so muß sie der Richter zur Rückkehr anhalten.
§. 686. Bleibt die richterliche Verfügung fruchtlos: so kann der Mann auf Trennung der Ehe dringen.
§. 687. In keinem Falle ist der Mann die Frau, welche sich eigenmächtig, und ohne rechtmäßigen Grund von ihm getrennt hat, wenn sie in der Folge zurückkehrt, eher anzunehmen schuldig, als bis sie ihren inzwischen geführten unbescholtenen Wandel durch glaubhafte Zeugnisse nachgewiesen hat.
§. 688. Ist der Aufenthalt des entwichenen Ehegatten unbekannt; oder dergestalt außerhalb den Königlichen Staaten entlegen, daß keine richterliche Verfügung zur Wiedervereinigung der getrennten Ehe statt finden kann: so ist der zurückgebliebene Theil auf öffentliche Vorladung, und wenn auch diese fruchtlos wäre, auf die Scheidung anzutragen berechtigt.
§. 689. Doch müssen solche Umstände der Entfernung bescheinigt werden, die wenigstens eine dringende Vermuthung des Vorsatzes, den zurückgebliebenen Ehegatten zu verlassen, begründen.
§. 690. Auch kann die öffentliche Vorladung erst nach Verlauf eines Jahres von der Zeit an, da die Entfernung des Entwichenen bemerkt worden, nachgesucht werden.
§. 691. Während dieses Jahres muß der zurückgebliebene Ehegatte alle ihm mögliche Mühe anwenden, den Aufenthalt des Weggegangenen auszuforschen.
§. 692. Erhellet aus den Umständen, daß der abwesende Ehegatte aus erheblichen und erlaubten Gründen sich entfernt habe: so muß der Zurückgebliebene den Zehnjährigen Zeitraum nach der Entfernung abwarten, und alsdann auf die Todeserklärung antragen.
§. 693. Kann von den eigentlichen Gründen der ersten Entfernung mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit nichts ausgemitteit werden: so findet die Klage auf Trennung der Ehe nach Ablauf Zweyer Jahre von dem §. 690. bestimmten Zeitpunkte, und unter der §. 691. bestimmten Maaßgabe statt.
3) Versagung der ehelichen Pflicht.
§. 694. Halsstarrige und fortdauernde Versagung der ehelichen Pflicht soll der böslichen Verlassung gleich geachtet werden.
§. 695. Ein Ehegatte, welcher durch sein Betragen, bey oder nach der Beywohnung, die Erreichung des gesetzmäßigen Zwecks derselben vorsetzlich hindert, giebt dem andern zur Scheidung rechtmäßigen Anlaß.
§. 696. Ein auch während der Ehe erst entstandnes, gänzlich und unheilbares Unvermögen zur Leistung der ehelichen Pflicht, begründet ebenfalls die Scheidung.
§. 697. Ein Gleiches gilt von andern unheilbaren körperlichen Gebrechen, welche Ekel und Abscheu erregen, oder die Erfüllung der Zwecke des Ehestandes gänzlich verhindern.
§. 698. Raserey und Wahnsinn, in welche ein Ehegatte verfällt, können die Scheidung nur alsdann begründen, wenn sie über Ein Jahr ohne wahrscheinliche Hoffnung zur Besserung fortdauern. (§. 759.)
6) Nachstellungen nach dem Leben.
§. 699. Wenn ein Ehegatte dem andern nach dem Leben getrachtet; oder solche Thätlichkeiten an ihm verübt hat, welche desselben Leben oder Gesundheit in Gefahr setzen: so ist der Beleidigte die Trennung der Ehe zu suchen berechtigt.
§. 700. Ein Gleiches gilt von groben und widerrechtlichen Kränkungen der Ehre, oder der persönlichen Freyheit des andern Ehegatten.
§. 701. Wegen bloß mündlicher Beleidigungen oder Drohungen, ingleichen wegen geringerer Thätlichkeiten sollen Eheleute gemeinen Standes nicht geschieden werden.
§. 702. Auch unter Personen mittlern und höhern Standes kann die Scheidung nur alsdann statt finden, wenn der beleidigende Ehegatte sich solcher Thätlichkeiten und Beschimpfungen, ohne dringende Veranlassung, muthwillig und wiederholt schuldig macht.
§. 703. Unverträglichkeit und Zanksucht werden eine gegründete Scheidungsursache, wenn sie zu einem solchen Grade der Bosheit steigen, daß dadurch des unschuldigen Theiles Leben oder Gesundheit in Gefahr gesetzt wird.
§. 704. Grobe Verbrechen gegen andre, wegen welcher ein Ehegatte harte und schmähliche Zuchthaus- oder Festungsstrafe nach Urtel und Recht erlitten hat, berechtigen den daran unschuldigen Theil, die Scheidung zu suchen.
§. 705. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Ehegatte den andern solcher Verbrechen vor Gericht, gegen besseres Bewußtseyn, fälschlich beschuldigt.
§. 706. Ferner, wenn ein Ehegatte durch vorsetzliche unerlaubte Handlungen den andern in Gefahr bringt, Leben, Ehre, Amt oder Gewerbe zu verlieren.
§. 707. Wenn ein Ehegatte ein schimpfliches Gewerbe ergreift: so kann der andere auf die Scheidung antragen.
§. 708. Wegen Trunkenheit, Verschwendung, oder unordentlicher Wirthschaft des einen Ehegatten, soll die Ehe nicht sogleich getrennt werden.
§. 709. Der Richter aber soll, auf Anrufen des andern Theiles, solche Verfügungen treffen, wodurch der Schuldige gebessert, und den nachtheiligen Folgen einer solchen unordentlichen Lebensart vorgebeugt werden kann.
§. 710. Vereitelt der schuldige Theil diese richterlichen Veranstaltungen; und fährt er in seinen Unordnungen beharrlich fort: so kann, auf ferneres Anrufen des Unschuldigen, eine solche Ehe getrennt werden.
§. 711. Mangel an Unterhalte berechtigt die Frau nur alsdann zur Scheidung, wenn der Mann durch begangene Verbrechen, Ausschweifungen, oder unordentliche Wirthschaft, sich selbst außer Stand, sie zu ernähren, versetzt hat.
§. 712. Versagt aber der Mann der Frau den Unterhalt: so muß der Richter die Verpflegung der Frau nach den Umständen des Mannes bestimmen, und letztern dazu durch Zwangsmittel anhalten.
§. 713. Fährt dessen ungeachtet der Mann beharrlich fort, der Frau den Unterhalt zu versagen: so kann letztere zur Ehescheidungsklage gelassen werden.
§. 714. Ueberhaupt muß in allen Fällen, wo die Scheidung gesucht wird, der Richter von Amtswegen bemüht seyn, das gute Vernehmen unter den in Zwietracht gerathenen Eheleuten wieder herzustellen, und die Ursachen der entstandenen Mißhelligkeiten aus dem Wege zu räumen.
§. 715. In so weit als der Unterschied der Religion von Anfang an ein Ehehinderniß ist (§. 36.), in so fern giebt ein Ehegatte, durch Veränderung seiner bisherigen Religion, dem andern rechtmäßigen Anlaß, auf die Scheidung zu klagen.
11) Unüberwindliche Abneigung.
§. 716. Ganz kinderlose Ehen können auf den Grund gegenseitiger Einwilligung getrennt werden, sobald weder Leichtsinn oder Uebereilung, noch heimlicher Zwang an einer oder der andern Seite zu besorgen ist.
§. 717. Außer diesem Falle aber findet, bloß wegen behaupteter Abneigung, sobald dieselbe mit keinen gesetzmäßigen Gründen unterstützt ist, die Trennung der Ehe in der Regel keinesweges statt.
§. 718. Doch soll dem Richter erlaubt seyn, in besondern Fällen, wo nach dem Inhalte der Akten der Widerwille so heftig und tief eingewurzelt ist, daß zu einer Aussöhnung und zur Erreichung der Zwecke des Ehestandes gar keine Hoffnung mehr übrig bleibt, eine solche unglückliche Ehe zu trennen.
§. 718. b. Es muß aber in diesem Falle derjenige Ehegatte, welcher solchergestalt ohne eigentlichen gesetzmäßigen Grund, wider den Willen des Andern, auf der Scheidung beharret, für den schuldigen Theil erkläret, und in die Scheidungs-Strafen nach §. 786. verurtheilt werden.
Von der Compemation bey Ehescheidungsklagen.
§. 719. Wenn der auf die Scheidung dringende Ehegatte den andern, welcher die Ehe fortsetzen will, zu denjenigen Vergehungen, worauf die Klage gegründet wird, durch sein unsittliches Betragen selbst veranlaßt hat: so findet die Scheidungsklage nicht statt.
§. 720. Beleidigungen, welche einmal ausdrücklich verziehen worden, können in der Folge nicht weiter als Ehescheidungs-Ursachen gerügt werden.
§. 721. Einer ausdrücklichen Verzeihung wird gleich geachtet, wenn der beleidigte Ehegatte, nach erhaltener überzeugender Kenntniß, die Ehe Ein Jahr hindurch fortgesetzt hat.
§. 722. Bloß aus Leistung der ehelichen Pflicht, wozu beyde Theile vor Anstellung der Klage verbunden waren, soll kein Verzicht auf das Recht zur Scheidungsklage gefolgert werden.
Was während des Scheidungsprozesses Rechtens.
§. 723. Während des Scheidungsprozesses kann ein Theil, wider den Willen des andern, sich von demselben nicht eigenmächtig absondern.
§. 724. Wenn aber die Scheidung aus Gründen gesucht wird, die eine dem Leben oder der Gesundheit des klagenden Theils drohende Gefahr enthalten; und diese Gründe einigermaaßen bescheinigt sind: so kann der Richter gestatten, daß die Parteyen während des Prozesses von einander getrennt leben.
§. 725. Nur in diesem Falle kann die Frau verlangen, daß der Mann ihre Verpflegung auch außer dem Hause besorge.
§. 726. Die Kosten des Prozesses muß der Mann, auf Verlangen der Frau, aus ihrem Eingebrachten, und in dessen Ermangelung aus eignen Mitteln vorschießen.
§. 727. Ist die Scheidung nur aus den §. 675. 676. 702. 703. 709. 710. 711. bemerkten minder wichtigen Ursachen verlangt, und bey dem Sühnsversuche noch einige Hoffnung einer künftigen Versöhnung bemerkt worden: so kann der Richter die Publication des Erkenntnisses eine Zeitlang, jedoch nicht über ein Jahr, aussetzen.
§. 728. Während dieser Zeit kann den Eheleuten erlaubt werden, von einander getrennt zu leben.
§. 729. Wie es inzwischen mit dem Unterhalte der Ehefrau, mit Erziehung und Verpflegung der Kinder; auch mit einstweiliger Sicherung des Vermögens zu halten sey, muß der Richter, den Umständen gemäß, nach billigem Ermessen, ohne Gestattung eines besondern Prozesses darüber, festsetzen.
§. 730. Nach Verlauf der bestimmten Frist muß ein nochmaliger Sühnsversuch von Amtwegen angestellt, und wenn auch dieser fruchtlos ist, das Erkenntniß ohne weitern Verzug eröffnet werden.
§. 731. Die Trennung des Ehebündnisses durch richterlichen Ausspruch erfolgt von dem Zeitpunkte an, da das Scheidungsurtel die Rechtskraft erlangt hat.
§. 732. Dergleichen Urtel wirkt eine gänzliche Aufhebung der Ehe, und aller ihrer Folgen, in Ansehung beyder Theile.
§. 733. Auf bloße Scheidung von Tisch und Bette soll nicht erkannt werden, sobald auch nur Einer der Ehegatten der protestantischen Religion zugethan ist.
§. 734. Wird unter catholischen Ehegatten auf eine beständige Separation von Tisch und Bette erkannt: so hat dieses alle bürgerlichen Wirkungen einer gänzlichen Ehescheidung.
§. 735. In wie fern aber ein geschiedener Ehegatte, nach den Grundsätzen seiner Religion, von dieser erfolgten Trennung der vorigen Ehe zur Vollziehung einer andern Gebrauch machen könne und dürfe, bleibt seinem Gewissen überlassen.
§. 736. Wenn bey dem Scheidungsprozesse sich Umstände veroffenbart haben, welche die Wiederverheirathung des einen geschiednen Ehegatten mit einer bestimmten andern Person, nach den Vorschriften §. 25. sqq. unzuläßig machen: so muß diesem Ehegatten in dem Urtel die anderweitige Verheirathung überhaupt, nur unter dem Vorbehalte einer besonders nachzusuchenden Erlaubniß, gestattet werden.
§. 737. Diese Erlaubniß muß aber von dem Richter, welcher die Scheidung erkannt hat, sofort ertheilt werden, als aus den Scheidungsakten nicht erhellet, daß die Person, welche der geschiedne Theil heirathen will, diejenige sey, auf welche das angeführte Eheverbot Anwendung findet.
§. 738. Die geschiedene Frau behält in der Regel den bisherigen Stand und Rang des Mannes.
§. 739. Ist sie aber ausdrücklich für den schuldigen Theil erklärt: so fällt sie in den vor der Ehe gehabten niedrigern Stand zurück.
§. 740. Ist sie nicht für den schuldigen Theil erklärt worden: so kann sie in den höhern Stand, welchen sie vor der Heirath hatte, wieder hinauftreten.
§. 741. In der Regel hat die Frau die Wahl: ob sie den Namen des geschiedenen Mannes beybehalten, oder ob sie, besonders in dem Falle des §. 740. ihren vorigen Geschlechts- oder Wittwen-Namen wieder annehmen wolle.
§. 742. Ist sie aber ausdrücklich für den schuldigen Theil erklärt: so darf sie den Namen des Mannes wider dessen Willen nicht ferner führen.
Auseinandersetzung wegen des Vermögens.
§. 743. Nach getrennter Ehe müssen die gewesenen Eheleute wegen ihres Vermögens auseinandergesetzt werden.
§. 744. Diese Auseinandersetzung gehört, wenn sie gerichtlich erfolgen soll, vor den ordentlichen persönlichen Gerichtsstand des Mannes.
§. 745. Bey dem Ehescheidungsprozesse aber muß die Frage: ob und welcher von den Ehegatten für den schuldigen Theil zu achten sey, mit zur Untersuchung gezogen, und das Erforderliche darüber in dem Scheidungsurtel festgesetzt werden.
§. 746. Haben beyde Theile sich gegenseitiger Vergehungen schuldig gemacht: so muß bestimmt werden: ob und bey welchem Theile ein Uebergewicht der Schuld obwalte.
§. 747. Vergehungen, welche eine unmittelbare Verletzung der aus dem Ehebündnisse entspringenden besondern Pflichten enthalten, wirken ein Uebergewicht der Schuld gegen solche, wodurch diese Pflichten nur mittelbar verletzt worden.
§. 748. Ehebruch (§. 670-673.), bösliche Verlassung (§. 677-692.), Versagung der ehelichen Pflicht (§. 694. 695.), selbstverschuldetes Unvermögen (§. 696. 697.), Nachstellungen nach Leben, Gesundheit, Freyheit und Ehre (§. 699. 700.), falsche Beschuldigung begangener grober Verbrechen, Gefährdung des Lebens, der Ehre, oder des Amts (§. 705. 706.), sind in dieser Rücksicht für gleich schwere Vergehungen zu achten.
§. 749. Wenn also ein Ehegatte sich solcher Verletzungen schuldig gemacht hat; dem andern aber nur minder schwere Vergehungen zur Last fallen: so ist das Uebergewicht der Schuld auf der Seite des erstern.
§. 750. Bey wechselseitigen Verschuldungen von gleicher Art, soll ein Uebergewicht der Schuld nur alsdann angenommen werden, wenn erhellet, daß die Vergehungen des einen Ehegatten aus überlegtem Vorsatze, die des andern aber nur aus Leichtsinn, Uebereilung, oder Heftigkeit der Leidenschaft entstanden sind.
a) Wenn kein Theil für den schuldigen erklärt worden.
§. 751. Ist bey dem Scheidungsprozesse kein Uebergewicht der Schuld des einen Ehegatten ausgemittelt: so erfolgt zwar, wenn keine Gütergemeinschaft obgewaltet hat, die Auseinandersetzung wegen des Vermögens überhaupt, nach den bey der Trennung der Ehe durch den Tod vorgeschriebenen Grundsätzen;
§. 752. Doch fällt alsdann die in den §. 564. bis 584. dem überlebenden Ehegatten vorbehaltene Wahl hinweg; und die Frau nimmt die ihr zukommenden Vermögensstücke selbst zurück.
§. 753. In Ansehung der an den eingebrachten Grundstücken gemachten Verbesserungen, oder Verringerungen, hat der Mann die Rechte und Pflichten eines redlichen Besitzers.
§. 754. Jeder Theil behält die von dem andern vor, bey, oder während der Ehe ihm gemachten Geschenke; und die Hochzeitsgeschenke, die nicht einem oder dem andern Ehegatten zugedacht worden (§. 172.), werden für gemeinschaftlich angesehen.
§. 755. Hat unter den geschiedenen Eheleuten Gemeinschaft der Güter obgewaltet: so nimmt jeder Theil sein in die Ehe gebrachtes, oder während derselben durch Erbschaften, Vermächtnisse, Geschenke, oder bloße Glücksfälle erlangtes Vermögen zurück, und das übrige wird unter beyde Eheleute gleich getheilt.
§. 756. Alles, wovon nicht nachgewiesen werden kann, daß es von Einem der beyden Eheleute in die Ehe gebracht worden, wird als gemeinschaftlich angesehen.
§. 757. Doch werden durch diese Auseinandersetzung die Rechte der Gläubiger, in Ansehung des gemeinschaftlich gewesenen Vermögens, in nichts geändert.
§. 758. Es finden aber auch in diesem Falle die Vorschriften des §. 661. Anwendung.
§. 759. Wird die Ehe wegen Wahnsinnes oder Raserey des einen Theiles getrennt: so bleibt der andre Ehegatte verpflichtet, für die nach Verhältniß des Standes nothdürftige Verpflegung des Unglücklichen, in so fern ihm dieselbe aus eignen Mitteln nicht verschafft werden kann, nach seinem Vermögen und Kräften zu sorgen. (§. 698.).
§. 760. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Ehegatte, wegen eines dem andern während der Ehe unverschuldet zugestoßenen Unvermögens zur Leistung der ehelichen Pflicht, oder andern körperlichen Gebrechens, (§. 696. 697.) die Scheidung gesucht hat.
§. 761. Ist zum Besten der getrennten Ehe ein Erbschatz von einem Dritten bestellt worden: so fällt das Eigenthum den daraus erzeugten Kindern zu; und der Nießbrauch verbleibt beyden geschiedenen Eheleuten zu gleichen Theilen.
§. 762. Sind keine Kinder vorhanden; und der Besteller ist noch am Leben: so kann dieser über den Erbschatz frey verfügen.
§. 763. Ist der Besteller bereits verstorben: so fällt auch das Eigenthum des Erbschatzes jedem der geschiedenen Eheleute zur Hälfte zu.
§. 764. Ist jedoch der Erbschatz hauptsächlich zu Gunsten des einen Ehegatten bestellt worden: so überkommt dieser das Eigenthum des Ganzen; und dem andern Ehegatten bleibt nur der Nießbrauch der Hälfte auf Lebenslang.
§. 765. Daß der Erbschatz zu Gunsten des Einen Ehegatten bestellt worden, wird vermuthet, wenn die Bestellung von einem seiner Verwandten geschehen ist.
b) Wenn ein Theil für schuldig erklärt worden.
A. Außer dem Falle der Gütergemeinschaft.
- Auseinandersetzung des Vermögens.
§. 766. Ist in dem Scheidungsprozesse der eine Ehegatte für den schuldigen Theil erklärt worden: so erfolgt, wenn keine Gütergemeinschaft vorgewaltet hat, die Auseinandersetzung wegen des Vermögens, überall nach den bey der Trennung, der Ehe durch den Tod vorgeschriebenen Grundsätzen.
§. 767. Alle Begünstigungen, welche das Gesetz dem überlebenden Ehegatten beylegt, genießt in diesem Falle der Unschuldige.
§. 768. Nur in dem Falle des §. 573. tritt an die Stelle der von den Erben der Frau zu bestimmenden, eine gerichtlich aufzunehmende Taxe.
§. 769. Der Nießbrauch des Mannes in dem Eingebrachten der Frau endigt sich allemal mit dem Tage, da das Scheidungsurtel publiciret worden.
§. 770. Hat der schuldige Theil die Rechtskraft des Urtels durch ungegründete Rechtsmittel aufgehalten: so kann er daraus niemals einen Vortheil ziehen.
§. 771. Es wird also der Zeitpunkt der Scheidung, soweit es ihm nachtheilig ist, auf den Tag des in den folgenden Instanzen bestätigten ersten Scheidungsurtels zurück gerechnet.
§. 772. Ist der Mann für den schuldigen Theil erklärt: so hängt es von der Wahl der Frau ab, die Verwaltung des eingebrachten Grundstücks, bis zum Ablauf des Wirthschaftsjahres, selbst zu übernehmen, oder die Bestellung eines gemeinschaftlichen Verwalters auf Kosten des Mannes zu suchen.
§. 773. Der unschuldige Theil behält die empfangenen Brautgeschenke; und kann die gegebenen, in so fern sie noch vorhanden sind, zurückfordern.
§. 774. Der unschuldige Mann behält die versprochene Morgengabe; und kann die wirklich schon gegebene von dem Vermögen der Frau als eine Schuld abziehn.
§. 775. Auch die während der Ehe gemachten Schenkungen kann der unschuldige Theil, wegen der von dem schuldigen begangenen Undankbarkeit, widerrufen. (Th. I. Tit. XI. §. 1151. sqq.)
§. 776. Die zur Hochzeit, oder sonst, während der Ehe, von einem Dritten gemachten Schenkungen werden, wenn sie nicht Einem Theile ausdrücklich zugewendet, oder ihrer Beschaffenheit nach zu seinem alleinigen Gebrauche bestimmt sind, als gemeinschaftlich angesehen.
§. 777. Wegen verwendeter Hochzeitskosten findet in keinem Falle ein gegenseitiger Anspruch statt.
§. 778. Ist ein von einem Dritten bestellter Erbschatz vorhanden: so bleibt der Nießbrauch davon dem unschuldigen Theile; und das Eigenthum fällt den aus der geschiedenen Ehe erzeugten Kindern zu.
§. 779. Der unschuldige Theil kann sich nicht entbrechen, von den Einkünften des Erbschatzes einen verhältnißmäßigen Beytrag zur Erziehung und Verpflegung der Kinder zu leisten; in so fern diese Kosten von dem Schuldigen ganz oder zum Theil nicht aufgebracht werden können.
§. 780. Sind keine Kinder vorhanden, und der Besteller des Erbschatzes ist noch am Leben: so kann dieser frey darüber verfügen.
§. 781. Ist der Besteller verstorben: so fällt Eigenthum und Nießbrauch des Erbschatzes dem unschuldigen Ehegatten anheim.
§. 782, Ist aber der Erbschatz nach §. 764. 765. zu Gunsten des schuldigen Theiles bestellt worden: so können die Erben des Bestellers das Eigenthum zurückfordern; und der unschuldige Ehegatte behält nur den Nießbrauch auf Lebenslang.
2) Abfindung des unschuldigen Theiles.
§. 783. Wenn nun nach obigen Vorschriften das Vermögen der beyden geschiedenen Eheleute von einander abgesondert worden: so ist der schuldige Ehegatte den unschuldigen, wegen der künftigen Erbfolge, aus seinem Vermögen abzufinden schuldig.
§. 784. Es wird alsdann angenommen, als ob der schuldige Theil an dem Tage des publicirten und rechtskräftig gewordenen Scheidungsurtels (§. 769. 770. 771.) gestorben wäre.
§. 785. Sind über die künftige Erbfolge keine Verträge vorhanden; und ist die Ehe wegen der §. 748. benannten groben Vergehungen getrennt worden: so besteht die Abfindung des Unschuldigen in dem Vierten Theile von dem Vermögen des Schuldigen.
§. 786. Sind aber nur minder schwere Vergehungen die Ursache der Scheidung gewesen: so wird die Abfindung auf den Sechsten Theil bestimmt.
§. 787. Lehne, Fideicommisse, und was sonst der freyen Veräußerung des schuldigen Theiles nicht unterworfen ist, kommt bey der Berechnung seines Vermögens, zum Behufe der zu bestimmenden Abfindung, nicht mit in Anschlag.
§. 788. Mobilien, Grundstücke und Gerechtigkeiten, wenn keine gültige Vereinbarung über ihren Werth Platz greift, werden nur nach einer gerichtlich aufzunehmenden Taxe gerechnet.
§. 789. Es kann also auch der schuldige Theil zum Verkaufe solcher Vermögensstücke, bloß um den Werth derselben auszumitteln, niemals gezwungen werden.
§. 790. Von dem Vermögen des schuldigen Theiles werden nur solche Schulden abgerechnet, die zur Zeit der angemeldeten Scheidungsklage schon vorhanden waren.
§. 791. Was der unschuldige Theil aus dem Erbschatze erhält, kann ihm auf seine Abfindung niemals, und in keinem Falle, angerechnet werden.
§. 792. Ist die künftige Erbfolge durch Verträge bestimmt: so erhält der unschuldige Theil in der Regel alles das, was ihm darin, auf den Todesfall des Schuldigen, verschrieben worden.
§. 793. Sind die nach den Verträgen dem Unschuldigen zukommenden Vortheile geringer, als die gesetzliche Abfindung: so kann derselbe diese letztere, statt der Abfindung, aus den Verträgen wählen.
§. 794. Sind aber Kinder aus dieser Ehe vorhanden: so kann der unschuldige Theil nur die geringere vertragsmäßige Abfindung fördern.
§. 795. Ist die vertragsmäßige Abfindung des unschuldigen Theiles stärker, als die gesetzliche; und es sind aus der getrennten Ehe Kinder vorhanden: so muß der Unschuldige mit der gesetzlichen Abfindung sich begnügen.
§. 796. Sind keine Kinder vorhanden: so kann zwar der unschuldige Theil an den Vertrag sich halten;
§. 797. Doch kann auch alsdann dem Schuldigen niemals mehr, als höchstens die Hälfte von der Substanz, oder dem Nießbrauche seines Vermögens, genommen werden.
§. 798. Statt der Abfindung, welche nach obigen Vorschriften dem unschuldigen Theile aus Verträgen oder Gesetzen zukommt, kann die Frau standesmäßige Verpflegung, bis an ihren Tod, aus den Mitteln des schuldigen Mannes fordern.
§. 799. Diesen standesmäßigen Unterhalt müssen die Gerichte, nach Verhältniß des Gewerbes oder Verdienstes, oder der sonstigen Einkünfte des schuldigen Ehemannes, bestimmen.
§. 800. Jedem Theile steht frey, zum Behufe dieser nähern Bestimmung, einen Standes- oder Zunftgenossen des Mannes vorzuschlagen; und zwischen dem Gutachten derselben giebt der Befund des Richters den Ausschlag.
§. 801. Die Einkünfte des zurückgenommenen eigenthümlichen Vermögens der Frau, ingleichen der ihr etwa zugefallene Nießbrauch eines Erbschatzes, werden ihr auf die ausgemittelten Verpflegungsgelder angerechnet.
§. 802. Der Mann ist verbunden, die der Frau zu reichenden Verpflegungsgelder aus seinem bereitesten Vermögen anzuweisen, und zu versichern.
§. 803. Bey verbesserten Vermögensumständen des Mannes kann zwar die Frau keine Erhöhung, wohl aber eine bessere Versicherung ihrer Verpflegungsgelder fordern.
§. 804. Uebrigens kann die geschiedene Frau, wenn sie einmal Verpflegungsgelder gewählt hat, davon in der Regel nicht wieder abgehn, und die gesetz- oder vertragsmäßige Abfindung fordern.
§. 805. Dagegen behält sie aber auch die Verpflegungsgelder, wenn sie gleich zu einer andern Ehe schreitet.
§. 806. Nur in dem Falle, wenn bey dem Ableben des Mannes so wenig Vermögen vorhanden ist, daß die Verpflegungsgelder mehr, als die Hälfte von dem Ertrage des Nachlasses ausmachen, hat die Frau die Wahl: ob sie sich eine Heruntersetzung bis auf diese Hälfte gefallen lassen, oder aus der Substanz des Nachlasses die gesetzliche Abfindung Ein- für allemal fordern wolle.
§. 807. Bey dieser Abfindung wird der Betrag des bey der Scheidung vorhanden gewesenen Vermögens, oder der des Nachlasses, je nachdem einer oder der andere geringer ist, zum Grunde genommen.
§. 808. Dagegen aber dürfen auch der Frau die bis zum Tode des geschiedenen Mannes genossene Verpflegungsgelder auf ihre Abfindung nicht angerechnet werden.
§. 809. Ist der unschuldige Ehemann wegen Alters, Krankheit, oder anderer Unglücksfälle, sich seinen Unterhalt selbst zu verdienen nicht im Stande: so kann er, statt der aus dem Vermögen der schuldigen Frau ihm gebührenden Abfindung, standesmäßige Verpflegung wählen.
§. 810. Solchenfalls gilt für ihn alles, was zum Besten der unschuldigen Ehefrau vorstehend verordnet ist.
B. Wenn Gütergemeinschaft vorgewaltet hat.
§. 811. Hat unter den geschiedenen Eheleuten eine Gemeinschaft aller Güter vorgewaltet: so kann der unschuldige Theil wählen: ob er die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens fordern, oder auf Absonderung der Güter antragen wolle.
§. 812. Wählt er letzteres: so erfolgt die Absonderung nach den §. 755-758. ertheilten Vorschriften.
§. 813. Aus dem solchergestalt ausgemittelten besondern Vermögen des schuldigen Theiles gebührt dem Unschuldigen eben die Abfindung, welche er, außer dem Falle der Gütergemeinschaft, zu fordern hat.
§. 814. Wählt der unschuldige Theil die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens: so kann er, außer derselben, weiter keine besondere Abfindung fordern.
§. 815. Doch erhält, bey der Theilung, der Unschuldige die §. 640. bestimmten Effekten zum Voraus.
§. 816. Wegen der übrigen Effekten hat er eben die Wahl, welche §. 648. 649. und 650. dem überlebenden Ehegatten vorbehalten ist.
§. 817. Sind Grundstücke und Gerechtigkeiten in dem zu theilenden gemeinschaftlichen Vermögen vorhanden: so muß der Werth derselben, wenn keine gütliche Vereinbarung statt findet, nach einer gerichtlich aufzunehmenden Taxe in Anschlag gebracht werden.
§. 818. Alsdann hat der unschuldige Theil die Wahl, ob er diese Güter für die Taxe annehmen, oder dem Schuldigen überlassen wolle.
§. 819. Auch steht dem unschuldigen Theile frey, auf eine Privatversteigerung zwischen ihm und dem Schuldigen anzutragen.
§. 820. Nur solche Schulden, welche vor angemeldeter Scheidungsklage entstanden sind, können, zur Last des unschuldigen Theiles, von dem gemeinschaftlichen Vermögen abgezogen werden.
§. 821. Haben die Eheleute nur in einer Gemeinschaft des Erwerbes gelebt: so geschieht die Absonderung des eigenthümlichen Vermögens beyder Theile nach der Vorschrift §. 662. sqq.
§. 822. Der Erwerb wird getheilt, und die dem schuldigen Ehegatten zufallende Hälfte wird dem Vermögen beygerechnet, woraus dem Unschuldigen die gesetzliche Abfindung gebührt.
C. Wenn der schuldige Theil gar kein Vermögen hat.
§. 823. Kann der schuldige Ehegatte dem unschuldigen weder Abfindung, noch Verpflegungsgelder gewähren: so soll ersterer für die Vergehungen, wodurch er zur Scheidung Anlaß gegeben hat, nach Verhältniß der Größe und Schwere derselben, und nach Bewandniß der übrigen vorkommenden Umstände, mit Gefängniß oder Strafarbeit auf Vierzehn Tage bis Drey Monathe belegt werden.
§. 824. Außergerichtliche Verträge, wodurch der unschuldige Ehegatte der nach den Gesetzen ihm zukommenden Abfindung sich begiebt, sind für denselben unverbindlich.
§. 825. Verträge hingegen, wodurch die Abfindung, zur Vermeidung von Weitläuftigkeiten und Prozessen; auf gewisse Summen oder Sachen bestimmt worden, sind, so wie andre Verträge unter Eheleuten, gültig.
§. 826. Doch können auch durch solche Verträge weder die Gläubiger, noch die aus der Ehe erzeugten Kinder, an ihren Rechten verkürzt werden.
§. 827. Die Erben des beleidigten Ehegatten sind befugt, die Scheidungsklage, zum Behufe der Auseinandersetzung des Vermögens, zu verfolgen; in so fern der Erblasser erst nach fruchtlos angestelltem Sühnsversuche gestorben ist.
§. 828. Auch können sie selbst auf die Herausgabe des gesammten Vermögens ihres Erblassers klagen, wenn der überlebende Ehegatte den Tod des Erblassers verursacht, oder ihn durch gewaltsame Mittel zu klagen verhindert hat.
§. 829. In beyden Fällen §. 827. 828. muß die Absonderung des Vermögens nach den Vorschriften §. 766. sqq. erfolgen; und der schuldige Ehegatte verliert alle Vortheile, die er sonst aus dem Nachlasse des Verstorbenen zu erwarten hatte.
§. 830. Dagegen können die Erben des unschuldigen Theils eine Abfindung aus dem Vermögen des Schuldigen nur alsdann fordern, wenn dieselbe dem Erblasser bey seinem Leben bereits zuerkannt war; und das Urtel, vor oder nach seinem Tode, rechtskräftig, oder in den folgenden Instanzen bestätigt wird.
§. 831. Doch bleibt, bey vorgewalteter Gütergemeinschaft, auch den Erben des unschuldigen Theils, in allen Fällen, die dem Erblasser nach §. 811. zugestandene Wahl vorbehalten.
§. 832. Ist statt der Abfindung auf standesmäßige Verpflegungsgelder erkannt: so können die Erben nur die bis zum Ableben des Erblassers etwa verbliebenen Rückstände fordern.
§. 833. Stirbt der schuldige Ehegatte vor rechtskräftig entschiedenem Prozesse: so sind alle von ihm hinterlassene letztwillige Verordnungen, so weit dieselben auf Schmälerung des dem Unschuldigen aus Gesetzen oder Verträgen zukommenden Erbtheils abzielen, unkräftig.
§. 834. Was bey Ehescheidungen wegen Erziehung, Verpflegung, und Versorgung der Kinder statt finde, ist im folgenden Titel vorgeschrieben.
Neunter Abschnitt. Von der Ehe zur linken Hand
§. 835. Ehen zur linken Hand unterscheiden sich von andern Ehen bloß darinn, daß die Frau durch selbige nicht alle Standes- und Familienrechte erlangt, welche die Gesetze einer wirklichen Ehefrau beylegen.
Fälle, in welchen solche Ehen zuläßig sind.
§. 836. Dergleichen Ehen sind in der Regel nicht zuläßig; vielmehr erfordern sie allemal, wenn sie statt finden sollen, die unmittelbare Landesherrliche Erlaubniß.
§. 837. Diese Erlaubniß kann nur von Mannspersonen höhern Standes, in außerordentlichen Fällen, und aus erheblichen Gründen nachgesucht werden.
§. 838. Zu den erheblichen Gründen gehört besonders, wenn der Mann nicht Vermögen oder Einkünfte genug besitzt, um eine Frau und Familie standesmäßig zu ernähren und zu versorgen.
§. 839. Ferner, wenn er durch eine zweyte standesmäßige Heirath das den Kindern erster Ehe bestimmte Familien-Vermögen zu sehr zu belasten oder zu schmälern besorgt.
§. 840. Die Richtigkeit dieser Gründe muß sofort bescheinigt, oder gehörig untersucht werden.
§. 841. Die Beurtheilung ihrer Erheblichkeit aber bleibt dem höchsten Landesherrn allein vorbehalten.
§. 842. Alles was die Schließung einer Ehe überhaupt hindert, das steht auch einer Ehe zur linken Hand entgegen.
§. 843. Nur die Ungleichheit des Standes macht hier kein Hinderniß.
§. 844. So weit zu einer vollgültigen Ehe die Einwilligung der Eltern und Vormünder erfordert wird, ist dieselbe auch bey Ehen zur linken Hand nothwendig.
§. 845. Diese Einwilligung kann, wenn sie verweigert worden, von dem Richter niemals ergänzt werden.
§. 846. Die Schließung einer Ehe zur linken Hand setzt einen schriftlichen Contrakt nothwendig voraus.
§. 847. Bey dessen Errichtung muß alles beobachtet werden, was in Ansehung der Form der Ehegelöbnisse vorgeschrieben ist. (§. 82. sqq.)
§. 848. In dem Ehecontrakte muß der Verlobten jedesmal eine gewisse Abfindung, zu ihrem auskömmlichen Unterhalte auf den Fall der getrennten Ehe, bestimmt seyn.
§. 849. Diese Abfindung kann in jährlichen Verpflegungsgeldern, oder auch in einer ein für allemal zu entrichtenden Capitalssumme bestehen.
§. 850. In dem Contrakte muß zugleich bestimmt seyn: wie der Verlobten diese Abfindung versichert werden solle.
§. 851. Ist darin nichts bestimmt, so hat dieselbe eben die Rechte, welche bey einer vollgültigen Ehe dem Gegenvermächtnisse beygelegt worden. (§. 466. sqq.)
§. 852. Vor Errichtung eines solchen Contrakts, in welchem die Abfindung der Verlobten bestimmt ist, soll die Erlaubniß zur Vollziehung der Ehe nicht ertheilt werden.
§. 853. Wenn nach würklich geschlossenem Ehecontrakte ein oder beyde Theile vor der Vollziehung der Ehe wiederum davon abgehen wollen, so findet eben das Statt, als bey dem Rücktritte von einem gültigen Ehegelöbnisse. (§. 99. sqq.)
§. 854. Wer also ohne Grund zurücktritt, oder den andern Theil zum Rücktritte veranlaßt, muß demselben so viel, als der Vierte Theil des im Ehecontrakte bestimmten Capitals, oder der zu Capital zu rechnenden Verpflegungsgelder ausmacht, zur Schadloshaltung entrichten.
§. 855. Der Vollziehung der Ehe zur linken Hand muß, so wie bey einer vollgültigen Ehe, das Aufgebot vorangehen.
§. 856. Es ist jedoch hinreichend, wenn in Ansehung eines jeden Theils nur bekannt gemacht wird, daß derselbe eine eheliche Verbindung schließen wolle.
§. 857. Daß bey der Proklamation des Bräutigams der Name der Braut, oder bey dem Aufgebot der Braut der Name des Bräutigams genannt werde, ist nicht nothwendig.
§. 858. Nach erhaltner Landesherrlicher Erlaubniß, müssen beyde Theile bey dem Landes-Justizcollegio der Provinz sich melden, und den unter ihnen geschlossenen Contrakt zur Bestätigung vorlegen.
§. 859. Zu diesem Contrakte müssen sie sich vor dem Gerichte, oder einem Commissario desselben persönlich bekennen, und die Festhaltung durch Handschlag angeloben.*
§. 870. Nach dieser geschehenen Verlautbarung muß die Ehe durch die wirkliche Trauung an die linke Hand vollzogen werden.
§. 871. Bey der Eintragung der erfolgten Copulation in das Kirchenbuch muß ausdrücklich bemerkt werden, daß die Ehe zur linken Hand geschlossen worden.
Rechte und Pflichten aus dieser Ehe.
§. 872. Alle persönliche Pflichten, welche bey der vollgültigen Ehe stattfinden, gelten der Regel nach auch zwischen denjenigen, welche sich durch eine Ehe zur linken Hand verbinden.
§. 873. Die Frau erlangt jedoch weder den Namen, noch den Stand und Rang des Mannes, sondern behält diejenigen, welche sie vor der Ehe gehabt hat.
§. 874. War sie Wittwe, so muß sie ihren Geschlechtsnamen wieder annehmen.
§. 875. Sie tritt nicht in die Familie des Mannes, und darf sich seines Titels und Wappens nicht bedienen.
§. 876. Doch geht sie in diejenige Gerichtsbarkeit über, welcher der Mann unterworfen ist.
§. 877. Steht sie noch unter Vormundschaft, so wird diese bis zur erlangten Volljährigkeit ungeändert fortgesetzt.
§. 878. Außerdem aber wird eine solche Frau, in Ansehung der Befugniß, mit andern verbindliche Geschäfte vorzunehmen, wie eine unverheyrathete volljährige Frauensperson betrachtet.
§. 879. Doch kann sie, ohne des Mannes Einwilligung, keine Verbindungen eingehn, wodurch ihre Person während der Ehe verhaftet wird.
§. 880. Die Frau zur linken Hand kann von dem Manne nur einen ihrem Stande gemäßen Unterhalt fordern.
§. 881. Curkosten sind unter diesem Unterhalte mit begriffen; nicht aber Prozeßkosten, als in so fern diese bloß die Person der Frau betreffen.
§. 882. Den Mann macht die Frau zur linken Hand, ohne seine ausdrückliche Einwilligung, nur in so fern verbindlich, als er durch die Handlungen der Ehefrau verhaftet wird. (§. 321. sqq.)
besonders in Ansehung des Vermögens.
§. 883. Ist die Frau zur linken Hand noch minderjährig, so behält ihr Vater oder Vormund die Verwaltung ihres Vermögens.
§. 884. Ist sie volljährig, so verbleibt ihr selbst die uneingeschränkte Verwaltung desselben.
§. 885. Der Mann kann auf den Nießbrauch davon niemals Anspruch machen.
§. 886. Die nach Statuten oder Provinzialgesetzen unter Eheleuten obwaltende Gemeinschaft der Güter oder des Erwerbs, entsteht niemals durch eine Ehe zur linken Hand.
§. 887. Auch durch Verträge kann unter solchen Eheleuten eine Gütergemeinschaft nicht eingeführt werden.
§. 888. Hat die Frau etwas von ihrem Vermögen dem Manne zum Gebrauch, zur Verwahrung, oder Verwaltung überlassen, so hat sie deshalb eben die Rechte gegen ihn, als gegen einen Fremden.
§. 889. Hat der Mann sich etwas von ihrem Vermögen eigenmächtig angemaaßt, so kann sie dasselbe auch noch in stehender Ehe zurück fordern.
§. 890. Geräth der Mann in Concurs, so hat die Frau, wegen ihrer von demselben eigenmächtig an sich genommenen Vermögens-Stücke, eben die Rechte, wie die Ehefrau wegen ihres vorbehaltenen Vermögens.
§. 891. Hat der Mann von dem eigenmächtig an sich genommenen Vermögen der Frau etwas verzehrt, veräußert, oder sonst abhanden gebracht, oder auch die Sache beschädigt, oder sonst verringert, so muß er auch in Ansehung des Werths alles vertreten, wozu ein unredlicher Besitzer verpflichtet ist. (Th. I. Tit. VII. §. 222. sqq.).
§. 892. Sind aber bewegliche Sachen der Frau in der Wirthschaft des Mannes verbraucht oder abgenutzt worden, so wird der Mann, in Rücksicht der Vertretung, als ein Leiher angesehn. (Th. I. Tit. XXI. §. 248. sqq.)
§. 893. Während der Ehe kann der Mann seiner Frau zur linken Hand keine Geschenke machen, so lange Kinder oder Enkel aus einer vollgültigen Ehe vorhanden sind.
§. 894. Auch durch den nachher erfolgenden Abgang solcher Kinder oder Enkel gelangen die vorhin gemachten Geschenke nicht zur Gültigkeit.
§. 895. Hat aber der Mann keine Verwandten in absteigender Linie, so sind seine der Frau zur linken Hand gemachten Geschenke, wie unter Fremden gültig.
§. 896. Was die Frau von dem Manne an Juwelen, Kostbarkeiten, und überhaupt zur Pracht erhält, wird in zweifelhaftem Falle nur für geliehen geachtet.
§. 897. Dergleichen Sachen kann der Mann von der Frau, oder auch von einem Dritten, welcher sie von ihr ohne des Mannes Einwilligung erhalten hat, zu allen Zeiten zurück fordern.
§. 898. Auch gültige Geschenke fallen, jedoch nur in so fern, als sie noch vorhanden sind, an den Mann zurück, wenn die Frau vor dem Manne stirbt, und keine Abkömmlinge aus der mit ihm geführten Ehe verläßt.
§. 899. Dagegen bleibt jederzeit, und ohne Unterschied der Fälle, dasjenige, was der Mann seiner Frau zur linken Hand an Kleidern, Wäsche oder sonst, zu einem ihrem Stande gemässen Unterhalte gegeben hat, wenn es auch zur Zeit der getrennten Ehe noch vorhanden ist, ihr unwiderrufliches Eigenthum.
§. 900. Alles, was vorstehend §. 893. 894. 895. von Geschenken des Mannes verordnet ist, gilt auch von solchen, welche die Frau dem Manne macht, je nachdem dieselbe andere, als mit ihm erzeugte Abkömmlinge hat, oder nicht.
§. 901. Will eine Frau zur linken Hand sich für den Mann verbürgen, so müssen die Vorschriften §. 343. 344. beobachtet werden.
§. 902. Wegen Bürgschaften für Fremde wird eine solche Frau nur als eine andere unverheyrathete Frauensperson angesehen.
Trennung der Ehe zur linken Hand durch den Tod.
§. 903. Wird die Ehe zur linken Hand durch den Tod getrennt; so findet wegen der Beerdigung und Trauer alles Statt, was bey vollgültigen Ehen verordnet ist.
§. 904. Doch darf die Frau zur linken Hand nur ihrem Stande gemäß begraben werden; und nach dem Tode des Mannes, die Trauer nur so, wie sie unter Leuten ihres Standes gewöhnlich ist, anlegen.
§. 905. Auf den Nachlaß der Frau kann der überlebende Mann sich keines Erbrechts anmaaßen.
§. 906. Sie kann aber darüber, auch zum Besten des Mannes, durch Erbvertrag oder Testament, wie für einen Fremden, verfügen.
§. 907. Sind aus der Ehe zur linken Hand Kinder vorhanden, so bleibt diesen die in dem Ehecontrakte der Mutter verschriebene Abfindung.
§. 908. Andre Erben der Frau hingegen können auf diese Abfindung keinen Anspruch machen.
§. 909. Nach dem Tode des Mannes, erhält die überlebende Frau die ihr im Ehecontrakte verschriebene Abfindung aus dem Nachlasse, als eine Schuld.
§. 910. Verläßt jedoch der Mann Kinder oder Enkel aus vollgültiger Ehe, und nicht so viel Vermögen, daß dieselben zusammen wenigstens halb so viel, als die Abfindung beträgt, zum Erbtheile übrig behalten; so muß das an dieser Hälfte Fehlende aus der Abfindung ergänzt werden.
§. 911. Ein Gleiches findet statt, wenn die Abfindung in Verpflegungsgeldern besteht, und der Ertrag des den Abkömmlingen übrig bleibenden Nachlasses nicht halb so viel, als diese Verpflegungsgelder, ausmacht.
§. 912. Die Frau zur linken Hand behält aber auch die Verpflegungsgelder, selbst wenn sie wieder heyrathet.
§. 913. Außer der Abfindung hat die Frau zur linken Hand an dem Nachlasse des Mannes kein gesetzliches Erbrecht.
§. 914. Durch Erbvertrag oder Testament kann der Mann, zum Vortheile der Frau, wie für einen Fremden verordnen, wenn er zur Zeit der geschlossenen Heirath keine Kinder aus einer vollgültigen Ehe am Leben hatte.
§. 915. Waren aber damals dergleichen Kinder vorhanden, so kann, selbst wenn dieselben in der Zwischenzeit gestorben sind, der Mann seiner Frau zur linken Hand nicht mehr, als den Zehnten Theil seines eigenthümlichen freyen Nachlasses, letztwillig zuwenden.
§. 916. Die Abfindung aus dem Ehecontrakte wird, wenn die Masse zum Behufe der Ausmittelung dieses Zehntels bestimmt werden soll, als eine Schuld abgerechnet.
§. 917. Die Frau erhält also ein solches nach den Gesetzen zuläßiges Vermächtniß noch, über ihre Abfindung.
§. 918. Beträgt das Vermächtniß mehr als den Zehnten Theil des Nachlasses, so muß dasselbe auf so weit heruntergesetzt werden.
Verwandlung in eine vollgültige Ehe.
§. 919. Die Ehe zur linken Hand kann in eine vollgültige Ehe verwandelt; werden.
§. 920. Dazu wird die freye Einwilligung,beyder Theile, und wenn eine gänzliche Ungleichheit des Standes obwaltet, auch der Consens der nächsten Anverwandten erfordert. (§. 30-33.)
§. 921. Hatten die Eltern des Mannes nur in eine Ehe zur linken Hand gewilligt, so ist zu deren Verwandlung in eine vollgültige Ehe ein nochmaliger Consens derselben nothwendig.
§. 923. Ueberhaupt aber muß in allen Fällen die ausdrückliche Landesherrliche Erlaubnis hinzukommen.
§. 924. Auf diese Erlaubniß soll niemals angetragen werden, wenn die Kinder aus einer vollgültigen Ehe, zu deren Begünstigung die Heirath zur linken Hand geschlossen worden, in der Zwischenzeit gestorben oder sonst abgegangen sind; und auch nur ein entfernter Verdacht vorhanden ist, daß dieser Abgang durch Vernachläßigung, üble Behandlung, oder auf andre Art, von Seiten der Eltern veranlaßt oder befördert worden.
§. 925. Nach erfolgter Landesherrlichen Erlaubniß muß der Mann vor dem Landes-Justizcollegium der Provinz, oder einem Commissario desselben, persönlich erklären, daß er die Frau nunmehr für seine würkliche Ehefrau erkenne, und ihr alle mit diesem Stande verbundenen Rechte einräume.
§. 927. Diese Erklärung muß die Frau, der Regel nach, in Person annehmen.
§. 928. Ihr muß darüber eine förmliche Ausfertigung ertheilt werden.
§. 929. Ein Aufgebot ist so wenig, als eine nochmalige Trauung nothwendig.
§. 930. Doch muß davon dem gehörigen Pfarrer, zur Eintragung in das Kirchenbuch, Anzeige geschehen.
Durch richterlichen Ausspruch.
§. 931. Die Trennung einer Ehe zur linken Hand kann, durch richterlichen Ausspruch, nur in eben den Fällen erfolgen, in welchen eine andere Ehe, nach den Vorschriften des Achten Abschnitts, getrennt werden kann.
§. 932. Doch sind Vergehungen, welche zwischen anderen Eheleuten die Trennung der Ehe nach §. 699-703. nur in einem höhern Grade begründen können, auch in einem mindern Grade schon hinreichend, den Mann zu dem Antrage auf Scheidung einer Ehe zur linken Hand zu berechtigen.
§. 933. Auch muß der Richter, wenn die Frau wegen bloß mündlicher Beleidigungen, oder geringerer Thätlichkeiten die Scheidung verlangt, auf die Verschiedenheit des Standes zwischen solchen Eheleuten billige Rücksicht nehmen.
§. 934. Wird die Ehe zur linken Hand durch Urtel und Recht getrennt, und die Frau für den schuldigen Theyl erklärt, so verliert sie die im Ehecontrakte ihre versprochene Abfindung.
§. 935. Auch muß sie die Braut- und die von dem Manne während der Ehe erhaltenen Geschenke, in so fern dieselben noch vorhanden sind, oder sie dadurch noch wirklich reicher ist, zurückgeben.
§. 936. Die §. 899. bemerkten Sachen sind jedoch auch in diesem Fälle keiner Rückgabe unterworfen.
§. 937. Kommt der Anlaß zur Scheidung zwar von Seiten der Frau, aber ohne moralisches Verschulden derselben; so behält sie die Geschenke, und der Mann muß ihr die im Ehecontrakte verschriebene Abfindung entrichten.
§. 938. Ist der Mann der schuldige Theil; so wird die der Frau gebührende Abfindung nach richterlichem Ermessen bestimmt.
§. 939. Diese Abfindung kann, bewandten Umständen nach, bis auf das Doppelte der im Ehecontrakte verschriebenen Summe erhöht werden.
§. 940. Giebt der Mann zwar, jedoch ohne sein moralisches Verschulden, Anlaß zur Scheidung; so findet die Vorschrift §. 937. Anwendung.
§. 941. In allen Fällen, wo der Frau Verpflegungsgelder statt der Abfindung zuerkannt sind, behält sie dieselben auch nach geschlossener anderweitigen Ehe.
§. 942. Die Frau kann für diese Verpflegungsgelder Eintragung auf die Grundstücke des Mannes fordern.
§. 943. Ist dergleichen besondre Sicherheit nicht bestellt, so haben solche Verpflegungsgelder das Vorrecht der auf gerichtliche Verschreibungen gegründeten Ansprüche.
§. 944. Von den Rechten und Pflichten der aus einer Ehe zur linken Hand erzeugten Kinder wird im Achten Abschnitt des folgenden Titels gehandelt.
Zehnter Abschnitt. Von den rechtlichen Folgen gesetzwidrig geschlossener Ehe
§. 945. Ehen, welche wegen obwaltender Verbotsgesetze niemals bestehen können, heißen nichtig.
§. 946. Ehen, welche zwar von Anfang an gesetzliche Hindernisse im Weg stehen, die aber doch in der Folge, durch Hebung dieser Hindernisse, verbindliche Kraft erlangen können, werden ungültig genannt.
§. 947. Nichtig sind Ehen, welche innerhalb der durch die Gesetze verbotenen Grade geschlossen worden. (§. 3. 4. 5.)
§. 948. Ferner diejenigen, bey deren Schließung Einer oder beyde Theile annoch anderweitig verheirathet waren. (§. 16.)
§. 949. Ein Gleiches gilt von Ehen zwischen einer geschiedenen Person, und derjenigen, welche sie, wegen des zur Scheidung gegebenen Anlasses, nach den Gesetzen nicht heirathen darf. (§. 25-29.)
§. 950. Auch solche Ehen, die von Militairpersonen, ohne die, in Ansehung ihrer, nach den Gesetzen besonders erforderliche Einwilligung geschlossen worden, sind nichtig. (§. 34. 35.)
§. 951. Eben das findet in Fällen statt, wo der Unterschied der Religionen ein gesetzliches Ehehinderniß ausmacht. (§. 36.)
§. 952. Ehen, welche die Gesetze wegen Ungleichheit des Standes verbieten, werden, wenn sie ohne die erforderliche Dispensation dennoch geschlossen worden, ebenfalls für nichtig angesehen. (§. 30-33.)
§. 953. Auch wenn in den Fällen des §. 948. 950. 951. 952. das Ehehinderniß in der Folge gehoben werden könnte; bleibt die Ehe in der Regel dennoch nichtig.
§. 954. Nur in dem Falle des §. 948., wenn die vorige Ehe aus einem unverschuldeten Irrthume für getrennt angenommen worden, da sie doch noch wirklich bestanden hat, ist die spätere Ehe keinesweges nichtig, sondern nur ungültig.
§. 955. Wenn also das der spätern Ehe zur Zeit ihrer Vollziehung entgegen gestandene Ehehinderniß durch eine nachher wirklich erfolgende Trennung der frühern gehoben worden: so ist die spätere Ehe als von Anfang an gültig anzusehn.
§. 956. Für einen unverschuldeten Irrthum ist es zu halten, wenn der wirklich noch nicht erfolgte Tod des vorigen Ehegatten gesetzmäßig bescheinigt war: oder wenn die vorige Ehe durch ein richterliches Erkenntniß, dem aber ein wesentliches Erforderniß der Gültigkeit ermangelte, für getrennt erklärt worden.
§. 957. Hat aber der vor Trennung der frühern zu einer nachherigen Ehe schreitende Theil den vorgefallenen Fehler vorsetzlich, oder durch sein eignes grobes oder mäßiges Versehen, selbst veranlaßt: so bleibt die Ehe von Anfang an nichtig.
§. 958. Soll außer dem Falle des §. 948. die nichtige Ehe nach gehobnem Hindernisse zur Gültigkeit gelangen: so muß sie auf die in den Gesetzen vorgeschriebene Art nochmals feyerlich vollzogen werden.
§. 959. Mit dem Zeitpunkte dieser nochmaligen Vollziehung nimmt die Gültigkeit einer solchen Ehe erst ihren Anfang.
§. 960. Ist eine Ehe, in dem Falle des §. 8. ohne die erforderliche Dispensation geschlossen worden: so ist sie nicht nichtig, sondern nur ungültig; und besteht also von Anfang an, wenn die Dispensation in der Folge noch ertheilt wird.
§. 961. Doch finden, wegen des übertretnen Ehegesetzes, auch in diesem Falle die unten verordneten Strafen statt.
§. 962. Die Fortsetzung nichtiger Ehen ist der Richter zu dulden nicht befugt.
§. 963. Vielmehr muß er, sobald dieselben zu seiner Kenntniß gelangen, die Verbundenen von Amtswegen trennen, und einen fiskalischen Bedienten anweisen, auf die förmliche Nichtigkeitserklärung anzutragen.
§. 964. Aus einer solchen nichtigen Verbindung entstehen daher auch unter den Verbundnen selbst niemals Rechte und Pflichten, wie aus einer wirklichen Ehe.
§. 965. Hat der Mann das Vermögen der Frau in seine Verwaltung überkommen: so muß er alles leisten und vertreten, wozu ein Verwalter fremder Güter verpflichtet ist. (Th. I. Tit. XIV. Sect. II.)
§. 966. Doch darf er von den während dieser Verbindung gezogenen Nutzungen in der Regel keine Rechnung ablegen.
§. 967. Vielmehr werden diese Nutzungen gegen das, was zum Unterhalte der Frau verwendet worden, aufgehoben.
§. 968. Hat aber der Mann das Ehehinderniß gewußt; und der Frau ist selbiges unbekannt gewesen: so wird der Mann als ein unredlicher Besitzer des in seine Verwaltung übernommenen Vermögens der Frau angesehn.
§. 969. Er muß also auch wegen der Nutzungen dieses Vermögens alles vertreten, wozu ein unredlicher Besitzer verpflichtet wird; und kann nur das, was zum Unterhalte der Frau, oder sonst in ihren Nutzen erweislich verwendet worden, davon abziehn.
§. 970. In allen Fällen, wo das Ehehinderniß der Frau unbekannt gewesen ist, hat dieselbe zur Sicherheit ihres dem Manne überlaßnen Vermögens das Vorzugsrecht der Fünften Classe, von dem Tage an, da der Mann die Verwaltung übernommen hat.
§. 971. Ist das Ehehinderniß der Frau bekannt, dem Manne aber unbekannt gewesen: so darf letzterer, bey seiner Verwaltung, nur für ein grobes Versehen haften.
§. 972. Daraus, daß eine Ehe für nichtig erklärt wird, kann einem Dritten, welchem das obwaltende Ehehinderniß anbekannt gewesen, niemals ein Nachtheil erwachsen.
§. 973. Wer also mit einem oder dem andern der vermeinten Eheleute redlicher Weise in Geschäfte sich eingelassen hat, der erlangt daraus eben die Rechte, als wenn unter ihnen eine gültige Ehe bestanden hätte.
§. 974. Doch können in dem Falle des §. 948. durch die Verhandlungen eines Dritten mit dem vermeinten zweyten Ehegatten, die Rechte des ersten und wahren Ehegatten nicht gekränkt werden.
§. 975. Wenn ein Theil den andern, durch Verschweigung oder Verheimlichung des obwaltenden Ehehindernisses, oder sonst durch betrügliche Vorspiegelungen, zur Schließung einer nichtigen Ehe verleitet hat: so muß der Schuldige den Unschuldigen schadlos halten.
§. 976. Zur Bestimmung dieser Schadloshaltung dienen die Ehescheidungsstrafen, welche, bey Trennung einer an sich gültigen Ehe, der schuldige Theil dem unschuldigen entrichten muß, zum Maaßstabe.
§. 977. Doch muß in der Regel auf den höchsten Satz der Ehescheidungsstrafen erkannt werden.
§. 978. Entsteht die Nichtigkeit der Ehe aus einer Ungleichheit des Standes, so hat die Unschuldige die Wahl: ob und wie lange sie auf die von dem Schuldigen nachzusuchende Dispensation warten; oder ob sie sogleich auf die Strafen der Ehescheidung antragen wolle.
§. 979. Hat derjenige Theil, welcher an Schließung einer nichtigen Ehe unschuldig war, während derselben solche Handlungen begangen, welche die Trennung einer gültigen Ehe, und die Ehescheidungsstrafe nach sich ziehen würden: so hat er sein Recht auf Schadloshaltung verloren.
§. 980. Ungültig sind Ehen, die ein Vormund für sich, oder seine Kinder, mit seinen Pflegebefohlnen, ohne Erlaubniß des vormundschaftlichen Gerichts, geschlossen hat. (§. 14.)
§. 981. Ferner solche, die mit einer an Kindesstatt angenommenen Person, ohne vorhergegangene Aufhebung der Adoption, geschlossen worden (§. 13.)
§. 982. Ein Gleiches gilt von Heirathen mit einer Person, die das mannbare Alter noch nicht erreicht hat. (§. 37.)
§. 983. Auch Heirathen, wobey es von der einen Seite an der freyen Einwilligung ermangelt, sind ungültig. (§. 38-44.)
§. 984. Eben das findet von Ehen statt, bey welchen die Einwilligung derjenigen, deren Consens die Gesetze zur Gültigkeit einer Ehe erfordern, nicht beygebracht ist. (§. 45. 49. 50. 52.)
§. 985. Ungültige Ehen können nur auf das Anrufen desjenigen, welcher das Ehehinderniß zu rügen, nach den Gesetzen berechtigt ist, als nichtig aufgehoben werden.
§. 986. Erfolgt dergleichen Nichtigkeitserklärung: so findet bey ungültigen Ehen alles das Anwendung, was von den absolut nichtigen vorstehend §. 964-977. 979. verordnet ist.
§. 987. Wird aber das Ehehinderniß in der Folge gehoben: so muß angenommen werden, daß die Ehe von Anfang an gültig gewesen sey.
§. 988. Ist das Ehehinderniß von dem, welcher dazu berechtigt ist, innerhalb der durch die Gesetze bestimmten Frist nicht gerügt worden: so wird dasselbe für gehoben angesehen. (§. 41-44.)
Insonderheit von Ehen zwischen Vormündern und Pfegebefohlnen.
§. 989. Hat ein Vormund sich selbst, oder sein Kind, mit einer seiner Pflege befohlnen Person gesetzwidrig verheirathet: so muß er der Vormundschaft sofort entsetzt, und dem Pflegebefohlnen ein andrer Vormund bestellt werden.
§. 990. Dieser muß unter Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts genau prüfen: ob die pflegbefohlne Person die Ehe fortsetzen wolle, und ob ihr deren Fortsetzung zuträglich sey.
§. 991. Findet sich dabey eine wirkliche Abneigung der Pflegebefohlnen: oder sonst ein überwiegender Nachtheil für sie: so muß auf die förmliche Nichtigkeitserklärung bey dem Richter angetragen werden.
§. 992. Wird aber die Fortsetzung der Ehe von dem vormundschaftlichen Gerichte nachgegeben: so verbleibt dennoch das Vermögen der Frau, bis zur erlangten Volljährigkeit, unter der Verwaltung des neubestellten Vormundes.
§. 993. Der Mann kann bis dahin auf die Einkünfte dieses Vermögens nur in so weit Anspruch machen, als dieselben zum standesmäßigen Unterhalte der Frau, nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts, nothwendig sind.
§. 994. Alle Zuwendungen, welche die Frau einem solchen Manne in einem vor erreichter Volljährigkeit gemachten Vertrage oder Testamente bestimmt hat, sind ungültig.
§. 995. Nach erlangter Volljährigkeit hängt es von dem freyen Entschlusse der Frau ab, was sie von ihrem Vermögen dem Manne einbringen, oder sich vorbehalten wolle.
§. 996. Ist während der Minderjährigkeit einer solchergestalt gesetzwidrig verheiratheten pflegebefohlnen Person, die Ungültigkeit der Ehe nicht gerügt worden: so bleibt ihr selbst das Recht dazu noch innerhalb sechs Monathen nach zurückgelegtem vier und zwanzigstem Jahre vorbehalten.
Zwischen angenommenen Aeltern und Kindern,
§. 997. Hat jemand sein angenommenes Kind wider die Gesetze geheirathet; und ist dasselbe noch minderjährig: so muß dem angenommenen Kinde ein Curator bestellt, und alsdann eben so, wie bey der gesetzwidrigen Heirath eines Vormundes mit seiner Pflegebefohlnen, verfahren werden.
§. 998. War die an Kindesstatt angenommene Person bereits volljährig: so kann dieselbe die Ungültigkeit der Ehe nur innerhalb Sechs Monathen nach deren Vollziehung rügen.
§. 999. In allen Fällen, wo eine solche Ehe für nichtig erklärt wird, verliert der Mann alle aus der Annahme an Kindesstatt, über die Person und das Vermögen der Adoptirten entstandenen Rechte.
§. 1000. Dagegen bleiben der Adoptirten die ihr auf das Vermögen des angenommenen Vaters, so wohl unter Lebendigen, als von Todeswegen, zukommende Ansprüche vorbehalten.
§. 1001. Wird eine solche Ehe in der Folge gültig: so werden alle aus der Annahme an Kindesstatt wechselseitig entstandene Rechte und Verbindlichkeiten für erloschen angesehen.
mit noch nicht mannbaren Personen,
§. 1002. Bestand das Ehehinderniß in dem noch nicht erreichten gesetzmäßigen Alter: so wird die Ehe gültig, wenn der Mangel nicht innerhalb Sechs Monathen nach Zurücklegung dieses Alters, gerügt worden.
§. 1003. Sollte jedoch eine Person, die weder unter väterlicher Gewalt, noch unter einem Vormunde steht, solchergestalt gesetzwidrig verheirathet werden: so muß ihr der Richter, sobald er davon Kenntniß erlangt, einen Vormund von Amtswegen bestellen.
§. 1004. Von diesem muß alsdann nach den Vorschriften §. 990-995. weiter verfahren werden.
wobey die freye Einwilligung oder
§. 1005. Wegen des aus dem Mangel der freyen Einwilligung bey einer der verheiratheten Personen entstehenden Hindernisses hat es bey den Vorschriften §. 41-44. sein Bewenden.
der Consens der Aeltern ermangelt.
§. 1006. Die Ungültigkeit einer Ehe, bey welcher es von der einen oder andern Seite an der Einwilligung des leiblichen Vaters ermangelt, muß von diesem innerhalb Sechs Monathen, nach erhaltener Nachricht von der Vollziehung der Ehe, gerichtlich gerügt werden.
§. 1007. Ist dieses nicht geschehen: so behält zwar die Ehe selbst ihre volle Wirkung;
§. 1008. Doch ist der Vater alsdann das ungehorsame Kind bis auf die Hälfte des Pflichttheils zu enterben berechtigt.
§. 1009. Hat ein Sohn, der nicht mehr unter väterlicher Gewalt sich befindet, oder eine Tochter nach zurückgelegtem vier und zwanzigsten Jahre, ohne väterliche Einwilligung geheirathet: so bewirkt dieser Mangel keine Ungültigkeit der Ehe.
§. 1010. Dem Vater bleibt aber, auch in diesem Falle, das Recht zur Enterbung bis auf die Hälfte des Pflichttheils vorbehalten.
§. 1011. Wenn minderjährige vaterlose Waisen, ohne Einwilligung der Mutter, Großältem, oder Vormünder heirathen: so findet eben das statt, was bey einer zwischen, dem Vormunde und seinen Pflegebefohlnen ohne obervormundschaftliche Erlaubniß geschlossenen Ehe §. 990. bis 996. verordnet ist.
§. 1012. Die Mutter kann ein, nach des Vaters Tode, ohne ihre Einwilligung heirathendes minder- oder großjähriges Kind.auf die Hälfte des Pflichttheils, gleich dem Vater, enterben.
III. Von Uebertretung anderer Ehegesetze.
§. 1013. Schreitet jemand zu einer fernern Ehe, ohne sich zuvor mit seinen Kindern aus voriger Ehe auseinandergesetzt zu haben (§. 18.) so entsteht zwar daraus keine Ungültigkeit der neuen Ehe;
§. 1014. Der Vater verliert aber die Verwaltung des Vermögens der Kinder, und kann aus dem Nießbrauche desselben nur so viel verlangen, als zum Unterhalte der Kinder, in so fern sich selbige noch in seiner Verpflegung befinden, nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts erforderlich ist.
§. 1015. Sind die Kinder noch minderjährig: so muß das vormundschaftliche Gericht die Auseinandersetzung derselben, mit den zur fernern Ehe geschrittenen Aeltern, von Amstwegen betreiben.
§. 1016. So lange, bis den Kindern ihr Vermögen gehörig nachgewiesen und ausgeantwortet, oder versichert worden, kann der neue Ehegatte in den Gütern des andern keine Rechte, zum Nachtheile dieses Vermögens der Kinder aus voriger Ehe erlangen.
§. 1017. Vielmehr haftet das eigne Vermögen des Stiefvaters, oder der Stiefmutter, den Kindern zu ihrer Sicherheit, in so fern dieselben aus dem Vermögen ihrer leiblichen Aeltern ihre Befriedigung nicht erhalten können.
§. 1018. Wenn verwittwete oder geschiedene Personen früher heirathen, als es ihnen die Gesetze verstatten: (§. 19. sqq.) so entsteht zwar daraus ebenfalls keine Ungültigkeit einer solchen Ehe;
§. 1019. War aber die zu frühzeitig heirathende Wittwe oder Geschiedene schwanger: so bleiben dem Kinde seine Rechte, sowohl in Ansehung der Auseinandersetzung, als sonst, nach den Vorschriften des folgenden Titels vorbehalten.
IV. Strafen derer, welche Ehegesetze übertreten.
§. 1020. Wenn bey Schließung einer Ehe, eins der vorstehend angeführten Ehegesetze wissentlich übertreten worden, muß diese Uebertretung an dem schuldigen Theile zur öffentlichen Genugthuung geahndet werden.
§. 1021. In so fern die Uebertretung des Ehegesetzes ein Verbrechen enthält, auf welches schon an und für sich eine gewisse Strafe in den Gesetzen bestimmt ist, hat es bey dieser sein Bewenden.
§. 1022. Außerdem aber muß der vorsetzliche Uebertreter eines Ehegesetzes, nach Bewandniß der Umstände, des Grades der Moralität, und des aus der Uebertretung wirklich entstandenen, oder doch zu fürchten gewesenen Schadens, mit einer fiskalischen Geldbuße von Zehn bis Dreyhundert Thalern, oder verhältnismäßiger Gefängnißstrafe, belegt werden.
§. 1023. Wird in den Fällen des §. 983. 984. die Ungültigkeit der Ehe selbst von dem unschuldigen Theile, oder von dem Vater, nicht gerügt: so ist der Richter Untersuchung und Bestrafung von Amtswegen zu verfügen nicht berechtigt.
§. 1024. Ueberhaupt fällt die Strafe weg, sobald das Recht zur Rügung der Ungültigkeit der Ehe selbst erloschen ist.
§. 1025. Die Strafen der Prediger, welche mit Uebertretung oder Vernachläßigung eines Ehegesetzes, eine ungültige Ehe durch die Trauung vollziehn, werden unten bestimmt. (Tit. XL Abschn. VI.)
§. 1026. Was die Aushebung einer nichtigen oder ungültigen Ehe, in Ansehung der daraus erzeugten Kinder für rechtliche Folgen habe, ist im Zweyten Titel festgesetzt.
Eilfter Abschnitt. Von den rechtlichen Folgen des unehelichen Beyschlafes
I. Erste Art der Entschädigung, Entbindungs- und Wochenkosten.
§. 1027. Wer eine Person außer der Ehe schwängert, muß die Geschwächte entschädigen, und das Kind versorgen.
§. 1028. In der Regel kann jede Geschwächte von dem Schwängerer Niederkunfts- und Taufkosten, ingleichen sechswöchentliche ihrem Stande gemäße Verpflegung fordern.
§. 1029. Auch andere während der Schwangerschaft, oder nach der Niederkunft, aufgelaufene unvermeidlich gewesene Kosten, ist der Schwängerer zu übernehmen verbunden.
§. 1030. Wenn die Geschwächte während der Wochen stirbt: so muß der Schwängerer die Begräbnißkosten tragen; in so fern dieselben aus ihrem Nachlasse nicht bestritten werden können.
§. 1031. Die §. 1028. beschriebenen Kosten und Verpflegungsgelder kann die Geschwächte noch vor der Niederkunft einklagen.
§. 1032. Ist die Schwangerschaft ausgemittelt, und der Beyschlaf überhaupt eingestanden, oder einigermaßen bescheinigt: so muß der Richter die Summe dieser Kosten durch ein vorläufiges Dekret festsetzen.
§. 1033. Doch steht dem Beklagten frey, diesen festgesetzten Betrag, bis zur erfolgenden Entbindung, gerichtlich niederzulegen.
§. 1034. Erfolgt innerhalb der gesetzmäßigen Zeit (§. 1089.) keine Entbindung: so kann er die niedergelegte Summe zurückfordern.
§. 1035. Auch findet die Rückforderung in sofern statt, als wegen erfolgten Absterbens der Mutter, oder des Kindes, die Verpflegungs- oder Taufkosten nicht gebraucht worden sind.
§. 1036. Der Einwand, daß die Geschwächte auch Andern den Beyschlaf gestattet habe, befreyet den Beklagten nicht von dieser ersten Art der Entschädigung.
Wer diese Entschädigung nicht fordern könne.
§. 1037. Frauenspersonen, die sich in öffentlichen Hurenhäusern aufhalten, können selbst auf diese geringere Entschädigung keinen Anspruch machen.
§. 1038. Ein Gleiches gilt von solchen, die sich Mannspersonen gegen Bezahlung zur Wollust überlassen.
§. 1039. Ferner von Ehefrauen, die bey ihren Männern leben, wenn sie auch während der Ehe sich mit andern fleischlich vermischt hätten.
§. 1040. Frauenspersonen, welche die Mannspersonen zum Beyschlafe verleitet haben, können diese geringere Art der Entschädigung nur alsdann fordern, wenn sie die Kosten der Niederkunft, der Taufe, und der Wochen, ganz oder zum Theil, aus eignen Mitteln zu bestreiten nicht vermögend sind.
Wer sich damit begnügen müsse.
§. 1041. Mit dieser ersten Art der Entschädigung müssen diejenigen für ihre Person sich begnügen, die vorhin schon außer der Ehe geschwängert worden.
§. 1042. Ferner die Ehefrauen, welche zwar noch in der Ehe, aber von ihren Männern getrennt leben.
§. 1043. Desgleichen diejenigen, welche sich vormals in Hurenhäusern aufgehalten haben, oder wegen eines unzüchtigen Lebenswandels berüchtiget sind.
II. Zweyte Art der Entschädigung.
§. 1044. Wer aber eine unbescholtene ledige Weibsperson außer der Ehe schwängert, der ist ihr deshalb möglichst vollständige Genugthuung zu leisten verbunden.
§. 1045. Wittwen werden, in ähnlichen Fällen, den Jungfrauen gleich geachtet.
§. 1046. Auch geschiedene Frauen haben gleiche Rechte, wenn sie nicht begangenen Ehebruchs halber geschieden worden.
1) Wenn die Ehe versprochen worden, und keine Ehehindernisse entgegen stehn.
§. 1047. Hat der Verführer die Geschwächte unter dem Versprechen der Ehe geschwängert, und stehen keine Ehehindernisse entgegen; so muß derselbe von dem Richter, allenfalls mit Zuziehung eines Geistlichen, ernstlich aufgefordert und angemahnet werden, die Ehe mit der Geschwächten wirklich zu vollziehen.
§. 1048. Weigert er sich dessen beharrlich, so soll zwar kein Zwang zur Vollziehung der Ehe durch priesterliche Copulation statt finden.
§. 1049. Dagegen sollen aber in dem abzufassenden Erkenntnisse der Geschwächten der Name, Stand und Rang des Schwängerers, so wie überhaupt alle Rechte einer geschiedenen für den unschuldigen Theil erklärten Ehefrau desselben, beygelegt werden.
§. 1050. Dieser Rechte soll sie sich im bürgerlichen Leben, und bey allen Verhandlungen desselben, würklich zu erfreuen haben.
§. 1051. Auch sind ihr, zu ihrer Abfindung, die gesetzlichen Ehescheidungsstrafen aus dem Vermögen, oder den Einkünften des Schwängerers zuzuerkennen.
§. 1052. Ob diese Strafen nach §. 785. auf den Vierten, oder nach §. 786. nur auf den Sechsten Theil zu bestimmen, bleibt nach Bewandniß der Umstände eines jeden Falles, der mehrern oder mindern von dem Verführer gebrauchten Arglist, der Größe seines Vermögens, und des Standes der Geschwächten, richterlichem Ermessen vorbehalten.
2) Wenn Ehehindernisse entgegenstehn.
§. 1053. Wenn der Ehe des Schwängerers mit der Geschwächten gesetzliche Hindernisse, außer der Ungleichheit des Standes, (§. 1066.) entgegenstehen, so muß der Richter gleich bey Aufnehmung der Klage prüfen: ob diese Hindernisse gehoben werden können.
§. 1054. Sind die Hindernisse so beschaffen, daß eine Hebung derselben nach gesetzlichen Vorschriften erfolgen kann; so muß dem Schwängerer eine verhältnißmäßige Zeit bestimmt werden, binnen welcher derselbe das Hinderniß aus dem Wege räumen, und sodann die Ehe würklich vollziehen solle.
§. 1055. Kann oder will er dieses nicht bewürken; so kann zwar auf Vollziehung der Ehe nicht geklagt werden.
§. 1056. Dagegen muß aber der Schwängerer der Geschwächten die Ehescheidungsstrafen, nach Bestimmung §. 1052., zu ihrer Abfindung entrichten.
§. 1057. Auch wird der Geschwächten in dem Urtel die Befugniß beygelegt, bis zu ihrer wirklichen Verheirathung den Namen des Schwängerers zu führen.
§. 1058. Vermöge eben dieses Urtels hat sie sich in der bürgerlichen Gesellschaft aller Befugnisse einer rechtmäßigen, obwohl geschiedenen Ehefrau zu erfreuen.
§. 1059. Bey dem Genusse dieser Rechte soll sie gegen jeden, der ihr den begangenen Fehler auf irgend eine Art vorrücken wollte, von dem Richter nachdrücklich geschützt werden.
§. 1060. Brgiebt sich schon bey Aufnehmung der Klage, daß das Hinderniß nicht gehoben werden könne oder wolle (§. 1054.) so bedarf es zwar keiner Bestimmung einer Frist zur Vollziehung der Ehe.
§. 1061. Dagegen finden alle Vorschriften §. 1056-1059. auch in diesem Falle Anwendung.
§. 1062. Auf Führung des Namens des Schwängerers soll nicht erkannt werden, wenn das Ehehinderniß in zu naher Verwandschaft besteht.
§. 1063. Auch alsdann nicht, wenn der Schwängerer schon verheyrathet ist.
§. 1064. Ueberhaupt kann die Geschwächte, wenn sie nicht selbst adlichen Standes ist, sich des adlichen Namens und Wappens des Schwängerers in keinem Falle (§. 1049. 1057.) bedienen.
§. 1065. In allen Fällen, wo der Geschwächten der Name des Schwängerers nicht beygelegt werden kann, muß sie von demselben dafür noch besonders, außer der eigentlichen Abfindung, entschädigt werden.
3) Wenn Ungleichheit des Standes das Ehehinderniß ist.
§. 1066. Besteht das Ehehinderniß bloß in der Ungleichheit des Standes: (§. 30-33.) so muß der Schwängerer binnen einer zu bestimmenden Frist erklären: ob er die landesherrliche Erlaubniß zu einer Ehe zur linken Hand mit der Geschwächten nachsuchen könne und wolle.
§. 1067. Sucht und erhält er diese Erlaubniß würklich, so ist ferner nach den Vorschriften des Neunten Abschnitts zu verfahren.
§. 1068. Kann oder will er die Erlaubniß nicht suchen, oder wird ihm dieselbe versagt; so finden die Vorschriften §. 1056. 1058. 1059. und 1065. Anwendung.
§. 1069. Nach eben diesen Vorschriften ist zu verfahren, wenn die Geschwächte von Anfang an erkläret, den Schwängerer zur linken Hand nicht heyrathen zu wollen; oder wenn gleich bey Aufnehmung der Klage sich mit Gewißheit ergiebt, daß der Schwängerer die Erlaubniß nicht suchen könne, oder dieselbe nicht suchen zu wollen, fest entschlossen sey.
§. 1070. In beyden Fällen (§. 1068. 1069.) soll jedoch nur auf die Ehescheidungsstrafen nach §. 786. erkannt werden.
4) Wenn die Geschwächte das Ehehindernißgewußt hat.
§. 1071. Alle obige Vorschriften (§. 1053-1070.) gelten nur in dem Falle, wenn der Geschwächten das Ehehinderniß unbekannt gewesen.
§. 1072. Hat sie aber dasselbe gewußt, und ist ihr insonderheit bekannt gewesen, daß der Schwängerer unter Aeltern, Vormündern, oder andern Personen stehe, ohne deren Consens er keine gültige Ehe schließen kann, so muß sie mit einer bloßen Abfindung sich begnügen.
5) Wenn kein Eheversprechen geschehen.
§. 1073. Ein Gleiches findet statt, wenn die Schwängerung nicht unter dem Versprechen der Ehe geschehen ist, und der Schwängerer die Geschwächte nicht heyrathen will.
6) Wenn kein lebendiges Kind gebohren worden.
§. 1074. Ferner, wenn kein lebendiges Kind aus dem Beischlafe zur Welt gebohren worden.
§. 1075. Ist die Frucht in der Geburt, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach derselben verstorben; so kann die Geschwächte ebenfalls nur Abfindung fordern.
7) Wenn die Geschwächte die Verführerin ist. Nähere Bestimmungen wegen der Ausstattung.
§. 1076. Was Rechtens sey, wenn die Geschwächte selbst den Schwängerer zum Beyschlafe verleitet hat, ist §. 1040. verordnet.
§. 1077. Die Ausstattung muß in allen Fällen, wo darauf erkannt wird, nach dem Stande der Geschwächten, und dem Vermögen des Schwängerers bestimmt werden.
§. 1078. Insonderheit ist bey dieser Bestimmung darauf zu sehen, daß die Geschwächte Hoffnung erhalte, eine ihrem Stande gemäße Heirath zu finden.
§. 1079. Ist nur die beharrliche Weigerung des Schwängerers, die Geschwächte zu heirathen, der Grund, warum Ausstattung gegeben werden muß: so ist sie höher zu bestimmen, als wenn gesetzliche Ehehindernisse im Wege stehn. (§. 1071.)
§. 1080. Mit einer geringern Ausstattung muß die Geschwächte sich begnügen, wenn aus dem Beyschlafe zwar eine Schwangerschaft erfolgt, aber kein lebendiges Kind zur Welt gekommen ist. (§. 1075.)
§. 1081. Auch die höchste Ausstattung darf den höchsten Satz der Ehescheidungsstrafe nicht übersteigen.
§. 1082. Ob die erkannte Ausstattung der Geschwächten sogleich zu verabfolgen; oder nur gerichtlich sicher zu stellen, und bis zu ihrer wirklichen Verheirathung zu verzinsen sey bleibt richterlichem Ermessen, nach Bewandniß der Umstände, vorbehalten.
§. 1083. Kann die Geschwächte von dem Schwängerer, aus Mangel an Capitals-Vermögen, nicht nach §. 1078. hinreichend ausgestattet werden: so ist er schuldig, ihr aus seinen Einkünften oder Erwerbe, einen jährlichen damit in Verhältniß stehenden Beytrag zu ihrem standesmäßigen Unterhalte, zu entrichten.
§. 1084. Diesen Beytrag muß er in bestimmten Antheilen, und zwar zu Anfange eines jeden Termins, voraus bezahlen.
§. 1085. Auch muß selbiger der Geschwächten aus den sichersten und bereitesten Einkünften oder Erwerbnissen des Schwängerers angewiesen werden.
§. 1086. Die Geschwächte verliert diesen Beytrag nicht, wenn sie sich gleich wirklich verheirathet.
§. 1087. Gelangt der Verführer zu bessern Vermögensumständen: so kann die Geschwächte Erhöhung des Beytrages, oder an dessen Stelle, Bezahlung eines Capitals zu ihrer vollständigen Ausstattung fordern.
§. 1088. Die Aeltern des Verführers sind nur alsdann schuldig, zur Ausstattung beyzutragen, wenn die Geschwächte seinen Namen zu führen berechtigt ist, und sie sich dieses nicht gefallen lassen wollen.
IV. Fälle, wo die Entschädigung wegfällt.
§. 1089. Alle vorstehend bestimmten gesetzlichen Entschädigungen kann die Geschwächte nur alsdann fordern, wenn die Niederkunft innerhalb des Zweyhundert und zehnten, und Zweyhundert fünf und achtzigsten Tages, nach dem Beyschlafe erfolgt ist.
§. 1090. Doch verliert sie durch eine frühere Niederkunft das Recht zu der §. 1028. 1029. bestimmten Entschädigung, ingleichen zur Ausstattung noch nicht, wenn das Alter der Frucht, nach dem Urtheile der Sachverständigen, mit der Zeit des Beyschlafes übereinstimmt.
§. 1091. Hat die Geschwächte sich nach dem Beyschlafe solcher Handlungen schuldig gemacht, die nach den Gesetzen die Trennung, selbst einer gültigen Ehe begründen können: so verliert sie dadurch ihr Recht, auf Ehelichung oder Ausstattung zu klagen.
§. 1092. Ein Gleiches findet statt, wenn sie sich, vor angestellter Klage gegen den Schwängerer, mit einem Andern wirklich verheirathet.
§. 1093. Ist der Schwängerer erbötig, die Ehe mit der Geschwächten zu vollziehen, und diese weigert sich dessen: so kann sie auch keine Ausstattung verlangen.
§. 1094. Doch ist sie zu einer Ausstattung alsdann berechtigt, wenn ihr der Schwängerer, durch sein Betragen nach der Schwängerung, solchen Anlaß zur Abneigung gegeben hat, welcher den Rücktritt von einem gültigen Ehegelöbnisse rechtfertigen würde. (§. 120.)
§. 1095. Die ganze Klage aus der Schwängerung erlöscht, wenn sie nicht binnen Zwey Jahren nach erfolgter Niederkunft angemeldet worden.
§. 1096. Hat der Schwängerer während dieser Zwey Jahre für den Unterhalt der Geschwächten gesorgt: so kann letztere, nach Ablaufe derselben, zwar nicht mehr auf Vollziehung der Ehe, wohl aber auf Ausstattung klagen.
§. 1097. Hat der Schwängerer innerhalb dieser Zwey Jahre seinen bisherigen Aufenthalt verlassen: so wird die Zeit, während welcher sein neuer Aufenthalt der Geschwächten unbekannt gewesen, von der Verjährungsfrist abgerechnet.
§. 1098. Den Tag, wo die Geschwächte den nachherigen Aufenthalt des abwesenden Schwängerers erfahren hat, muß dieselbe allenfalls eidlich angeben.
§. 1099. Auch wenn der Schwängerer seinen Wohnsitz verändert hat, ist die Geschwächte ihre Klage in dessen vorigen Gerichtsstande anzustellen wohl befugt.
§. 1100. Die Erben der Geschwächten können von dem Schwängerer eine Ausstattung nur in so fern fordern, als dieselbe der Erblasserin in einer Capitalssumme bereits rechtskräftig zuerkannt war.
§. 1101. Dagegen ist die Geschwächte gegen die Erben des Schwängerers in allen Fällen, auch wenn sie von ihm selbst Vollziehung der Ehe fordern könnte, auf Ausstattung zu klagen berechtigt.
§. 1102. Wenn mehrere Geschwächte gegen eben denselben Schwängerer auf Vollziehung der Ehe klagen: so kann darauf nur zum Besten derjenigen, deren Recht durch den frühem dergleichen Klage begründenden Beyschlaf zuerst entstanden ist, erkannt werden.
§. 1103. Die übrigen müssen, wegen des ihnen solchergestalt entgegenstehenden Ehehindernisses, mit einer Ausstattung sich begnügen.
l) wenn der Beyschlaf geläugnet wird,
§. 1104. Wird bey einer angestellten Schwängerungsklage der Beyschlaf geläugnet, so muß der Richter im Mangel eines vollständigen Beweises, allemal eher auf einen nothwendigen, als auf einen zugeschobenen Eid erkennen.
§. 1105. Ein zugeschobener Eid findet also nur in solchen Fällen statt, wo auch keine Vermuthungen, welche den Richter zu einem nothwendigen Eide bestimmen könnten, vorhanden sind.
§. 1106. Ob die Klägerin zum Erfüllungs- oder der Beklagte zum Reinigungseide zu lassen sey, bleibt hauptsächlich richterlichem Ermessen, nach den wegen der nothwendigen Eide überhaupt gegebenen Anweisungen, vorbehalten.
§. 1107. Doch soll der Richter dabey, in Fällen dieser Art, auf nachstehende gesetzliche Vermuthungen, in so fern dieselben nicht durch andere besondre Umstände entkräftet werden, vorzügliche Rücksicht nehmen.
§. 1108. Wenn ein vorhergegangener vertrauter Umgang zwischen beyden Theilen nachgewiesen; die Klägerin sonst von unbescholtener Aufführung, der Lebenswandel des Beklagten aber so beschaffen gewesen ist, daß man sich der That zu ihm wohl versehen kann: so ist eher auf den Erfüllungs- als auf den Reinigungseid zu erkennen.
§. 1109. Ein Gleiches findet statt, wenn der Beklagte den Beyschlaf außergerichtlich zugestanden hat, obwohl die Zeit desselben nicht genau angegeben worden.
§. 1110. Privatunterhandlungen, welche mit der Klägerin, wegen ihrer Abfindung, gepflogen worden, werden einem solchen außergerichtlichen Geständnisse nur alsdann gleich geachtet, wenn der bisherige Lebenswandel beyder Theile diese Vermuthung unterstützt.
§. 1111. Hat der Beklagte sich unzüchtiger Vertraulichkeiten mit der Klägerin berühmt: so kann dieses die Zulassung der letztern zum Erfüllungseide begründen.
§. 1112. Der Einwand, daß dergleichen Aeußerungen (§. 1109-1111.) nur Scherz gewesen, soll diese gesetzliche Vermuthung nicht entkräften.
§. 1113. Zum Reinigungseide muß der Beklagte vornehmlich alsdann gelassen werden, wenn er bis dahin einen unbescholtenen Wandel geführt, die Klägerin aber sich einer schlechten Aufführung verdächtig gemacht hat.
§. 1114. Der Verdacht einer schlechten Aufführung (§. 1108-1113.) trifft diejenigen, die eines vorhin mit Andern gepflogenen unehelichen Beyschlafes überführt sind.
§. 1115. Ferner diejenigen, welche unzüchtige oder der Hurerey wegen verdächtige Häuser besuchen, ohne daß ihr Beruf sie dazu veranlaßt.
§. 1116. Desgleichen diejenigen, welche mehrmalen an einsamen Orten mit verdächtigen Personen betroffen worden.
§. 1117. Endlich diejenigen, welche sich unanständige und freche Reden, Gebärden, oder Handlungen zur Gewohnheit werden lassen.
§. 1118. Ist wegen der gegen beyde Theile vorhandnen gesetzlichen Vermuthungen, das Erkenntniß zwischen dem Erfüllungs- und Reinigungseide zweifelhaft: so ist allemal eher auf ersteren, als auf letzteren zu erkennen.
§. 1119. Doch kann in einem solchen sehr zweifelhaften Falle der Beklagte niemals zu etwas anderm, als zu der §. 1028. bestimmten Entschädigung, und zu einer minder beträchtlichen Ausstattung verurtheilt werden.
2) wenn die Zeit desselben geläugnet wird;
§. 1120. Ist der Beyschlaf selbst ausgemittelt, die Angabe der Klägerin aber von der Zeit desselben widersprochen: so finden die aus dem Charakter und bisherigen Lebenswandel der Parteyen hergenommenen gesetzlichen Vermuthungen hier ebenfalls Anwendung.
§. 1121. Besonders aber muß die Klägerin zum Erfüllungseide gelassen werden, wenn der Beklagte den Beyschlaf oder verdächtigen Umgang anfänglich geläugnet, nachher aber eingestanden hat, oder dessen überführt worden ist.
3) wenn das Eheversprechen geläugnet wird;
§. 1122. Wenn die Schwängerung zwar eingestanden, oder bewiesen, das Eheversprechen aber geläugnet worden: so ist die Klägerin, in Ermangelung anderer Beweismittel, vornehmlich alsdann zum Erfüllungseide zu lassen, wenn der Beklagte sie für seine Braut ausgegeben, oder gegen Andre, sie heirathen zu wollen, sich hat verlauten lassen.
4) wenn Verführung von Seiten der Geschwängerten behauptet wird.
§. 1123. Wenn der Beklagte behauptet, daß er von der Klägerin zum Beyschlafe verleitet, oder das Eheversprechen ihm abgelockt worden sey: so finden, bey der Bestimmung zwischen dem Erfüllungs- und Reinigungseide, eben die aus dem persönlichen Charakter und bisherigen Lebenswandel beyder Theile hergenommenen Vermuthungen gleichfalls Anwendung.
§. 1124. Besonders aber wird eine gesetzliche Vermuthung gegen die Klägerin dadurch begründet, wenn sie bereits die Volljährigkeit, der Beklagte aber dieselbe noch nicht erreicht hat.
§. 1125. Sind beyde Theile noch minderjährig; oder beyde bereits volljährig: so streitet die Vermuthung für die Mannsperson, wenn dieselbe Ein, Zwey oder mehrere Jahre jünger ist, als die Geschwängerte.
§. 1126. Gleiche Vermuthung für den Beklagten findet statt, wenn der Beyschlaf in seinem Wohngelasse vollzogen worden, und die Klägerin keine erhebliche Veranlassung, warum sie sich damals daselbst eingefunden habe, nachweisen kann.
VI. Folgen eines durch Nothzucht verübten Beyschlafs.
§. 1127. Ist ein Beyschlaf durch Nothzucht in gesetzlichem Verstande bewerkstelliget worden: so muß der Verführer der Geschwächten alles das leisten, wozu er in dem Falle einer unter dem Versprechen der Ehe erfolgten Schwängerung verpflichtet seyn würde.
§. 1128. Kann oder will die Geschwächte die Ehe mit ihm nicht vollziehen und fortsetzen: so ist sie die Ehescheidungsstrafe, nach dem höchsten Satze, zu fordern berechtigt.
VII. Folgen der Entfernung des der Schwängerung Angeklagten.
§. 1129. Wenn eine Mannsperson, welche wegen unehelicher Schwängerung belangt worden, nach angemeldeter Klage heimlich entweicht: so wird dieselbe so lange für den wirklichen Vater angesehn, bis das Gegentheil klar gemacht worden.
§. 1130. Es wird daher sein zurückgelassenes Vermögen so lange in Beschlag genommen, bis entweder das Gegentheil der Vermuthung ausgemittelt, oder der Geschwängerten gesetzmäßige Genugthuung geleistet worden.
§. 1131. Stirbt der angegebene Vater, ohne die wider ihn streitende Vermuthung abgelehnt zu haben: so müssen Mutter und Kind aus seinem Nachlasse befriedigt werden.
Zweyter Titel. Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Aeltern und Kinder
Erster Abschnitt. Von ehelichen Kindern
Rechtmäßigkeit der Kinder, welche
§. 1. Die Gesetze gründen die Vermuthung, daß Kinder, die während einer Ehe erzeugt, oder geboren worden, von dem Manne erzeugt sind.
§. 2. Gegen diese gesetzliche Vermuthung soll der Mann nur alsdann gehört werden, wenn er überzeugend nachweisen kann, daß er der Frau in dem Zwischenraume, vom dreyhundert zweyten, bis zum zweyhundert zehnten Tage vor der Geburt des Kindes, nicht ehelich beygewohnt habe.
§. 3. Gründet er sich dabey in einem Zeugungsunvermögen; so muß er nachweisen, daß dergleichen völliges Unvermögen, während dieses ganzen Zeitraums bey ihm obgewaltet habe.
§. 4. Gründet er sich in der Abwesenheit; so muß nachgewiesen werden, daß der Mann in eben diesem ganzen Zeitraume dergestalt ununterbrochen von der Frau entfernt gewesen, daß er ihr die eheliche Pflicht nicht leisten können.
§. 5. Der bloße Nachweis, daß die Mutter um die Zeit, da das Kind gezeugt worden, Ehebruch getrieben habe, ist noch nicht hinreichend, dem Kinde die Rechte der ehelichen Geburt zu entziehen.
§. 6. Das Zeugniß der Mutter soll weder für, noch wider die Rechtmäßigkeit eines in stehender Ehe erzeugten oder gebornen Kindes, etwas beweisen.
§. 7. Der Ehemann, welcher solchergestalt die Rechtmäßigkeit eines von seiner Frau während der Ehe gebornen Kindes anfechten will, muß sich darüber binnen Jahresfrist, nach erhaltner Nachricht von der Geburt desselben, bey Verlust seines Rechts, gerichtlich erklären.
§. 8. Wird diese Erklärung vor einem andern, als dem ordentlichen Gerichte des Orts, wo die Mutter mit dem Kinde wohnet, abgegeben: so muß der Mann dafür sorgen, daß dieselbe diesem Gerichte ohne Verzug bekannt gemacht werde,
§. 9. Das ordentliche Gericht muß für die Bestellung eines Curators, welcher die Rechte des Kindes wahrnehme, von Amtswegen Sorge tragen.
§. 10. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache muß der Ehemann die Kosten zur Verpflegung des Kindes hergeben.
§. 11. Wird das Kind durch richterlichen Ausspruch für unehelich erklärt: so fallen zwischen ihm und dem Ehemanne alle Rechte und Pflichten, welche zwischen Aeltern und Kindern statt finden, hinweg.
§. 12. Der Ehemann kann die auf das Kind verwendeten Kosten von dem unehelichen Vater, oder aus dem vorbehaltenen Vermögen der Mutter, oder aus der Substanz ihres Eingebrachten zurückfordern.
§. 13. In Ansehung der Mutter hingegen, und des natürlichen Vaters, bleiben dem Kinde seine Rechte vorbehalten. (Abschn. IX.)
§. 14. Hat der Ehemann nach Vorschrift §. 7. und 8. sich gehörig erklärt, daß er das Kind nicht für das seinige erkenne: so sind, wenn er auch vor dem Austrage der Sache verstirbt, seine Verwandten zu deren Fortsetzung wohl befugt.
§. 15. Eine gleiche Befugniß steht den Verwandten innerhalb der §. 7. bestimmten Frist zu, wenn der Mann, vor dem Ablaufe derselben, ohne sich zu erklären, verstorben ist.
§. 16. Hat aber der Mann, bey seiner Lebenszeit, das Kind für das seinige ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt: so können die Verwandten desselben die Rechtmäßigkeit des Kindes niemals anfechten.
§. 17. Dagegen können Lehns- und Fideicommiß-Anwarter die Rechtmäßigkeit eines Kindes, so weit dessen Succession in das Lehn- oder Fideicommiß davon abhängt, annoch binnen Drey Jahren nach dem Tode des vorgeblichen Vaters anfechten.
§. 18. Auch durch das Anerkenntniß dieses letztern kann den Lehns- und Fideicommiß-Anwartern ihr Recht nicht benommen werden
2) nach dem Tode des Ehemannes;
§. 19. Ein Kind, welches bis zum Dreyhundert zweyten Tage nach dem Tode des Ehemannes geboren worden, wird für das eheliche Kind desselben geachtet.
§. 20. Die Erben des Mannes können die eheliche Geburt eines solchen Kindes nur innerhalb der Zeit, und nur aus den Gründen anfechten, wo und aus welchen der Verstorbene selbst dazu berechtigt seyn würde. (§. 2. 3. 4. 7.)
§. 21. Ergiebt sich jedoch aus der Beschaffenheit eines zu frühzeitig gebornen Kindes, daß nach dem ordentlichen Laufe der Natur, der Zeitpunkt seiner Erzeugung nicht mehr in das Leben des Ehemannes treffe; und kann zugleich die Wittwe eines nach seinem Tode mit andern Mannspersonen gepflogenen verdächtigen Umgangs überführt werden: so ist das Kind für ein uneheliches zu achten.
§. 22. Hat die Wittwe wider die Vorschrift der Gesetze (Tit. I. §. 20.) zu früh geheirathet, dergestalt daß gezweifelt werden kann: ob das nach der anderweitigen Trauung geborne Kind in dieser oder in der vorigen Ehe erzeugt worden: so ist auf den gewöhnlichen Zeitpunkt, nehmlich den Zweyhundert und siebenzigsten Tag vor der Geburt, Rücksicht zu nehmen.
§. 23. Fällt dieser noch in die Lebenszeit des vorigen Mannes: so ist die Frucht für ein eheliches Kind desselben zu achten, welches also zu seiner Familie gehört, und an seinem Nachlasse Theil nimmt.
§. 24. Es muß aber auch der zweyte Ehemann, welcher durch die zu frühe Verheirathung mit der Mutter den Stand des Kindes zweifelhaft gemacht hat, demselben alle Pflichten eines leiblichen Vaters leisten, ohne sich der diesfälligen Rechte über selbiges anmaßen zu dürfen.
§. 25. Doch hat ein solches Kind auf den Nachlaß des zweyten Ehemannes kein gesetzliches Erbrecht.
§. 26. Nach dem Tode eines Ehemannes können die Erben von der Wittwe Erklärung fordern: ob sie sich für schwanger halte.
§. 27. Behauptet oder vermuthet die Wittwe eine Schwangerschaft: so können die Erben verlangen, daß auf ihre Kosten der Wittwe eine anständige Gesellschafterin zugeordnet werde.
§. 28. Bleibt nach Ablauf von Fünf Monathen, seit des Mannes Tode, die Wittwe bey der Angabe einer Schwangerschaft: so muß sie, auf Verlangen der Erben, Untersuchung durch eine Hebamme gestatten.
§. 29. Ein Gleiches muß geschehen, sobald die Wittwe eine anfänglich nicht bemerkte noch vermuthete Schwangerschaft angiebt.
§. 30. Findet in beyden Fällen die Hebamme keine Zeichen einer vorhandenen Schwangerschaft; und die Wittwe beharret dennoch bey ihrer Behauptung: so muß die Beobachtung durch die Gesellschafterin bis zum Verlaufe des gesetzmäßigen Termins fortgesetzt, auch die Untersuchung durch die Hebamme von Zeit zu Zeit wiederholt werden.
§. 31. Selbst wenn die Wirklichkeit der Schwangerschaft ausgemittelt ist, steht es den Erben frey, die Aufsicht durch die Gesellschafterin bis zur Entbindung, oder bis zum Ablaufe des gesetzmäßigen Termins, fortsetzen zu lassen.
§. 32. Außerdem können sie verlangen, daß eine von dem Gerichte auf ihre Kosten zu bestellende ehrbare Matrone bey der Entbindung zugegen sey.
§. 33. Sowohl diese Matrone, als die nach §. 27. zu bestellende Gesellschafterin, müssen unbescholtene vertragsame Personen seyn, die mit der Wittwe nicht in Feindschaft und Widerwillen leben.
§. 34. Auch müssen dazu solche Personen gewählt werden, denen keiner von beyden Theilen Ausstellungen, die einen Zeugen verwerflich oder verdächtig machen, entgegen setzen kann.
§. 35. Ihre wirkliche Vereidung aber ist erst alsdann nothwendig, wenn sie über Thatsachen, die während der Schwangerschaft, oder bey der Entbindung vorgefallen sind, Zeugniß ablegen sollen.
§. 36. Die Hebamme sowohl als die Gesellschafterin, ingleichen die Hausgenossen der Wittwe, müssen, wenn die Entbindung herannahet, dafür sorgen, daß die vom Gerichte bestellte Matrone in Zeiten herbeygerufen werde.
§. 37. Daraus, daß die Entbindung in Abwesenheit dieser Matrone erfolgt ist, entsteht zwar einiger Verdacht gegen die Rechtmäßigkeit des Kindes;
§. 38. Doch ist derselbe für sich allein, und wenn nicht andre den Beweis eines vorgefallenen Betruges begründende Umstände hinzu treten, noch nicht hinreichend, die für das Kind streitende gesetzliche Vermuthung aufzuheben.
§. 39. Eine Wittwe aber, welche gegen obstehende gesetzliche Vorschriften, ihre Schwangerschaft oder Niederkunft aus Vorsatz verheimlicht hat, soll um den Vierten Theil alles dessen, was sie aus dem Nachlasse des Mannes erbt, zum Vortheile der Verwandten desselben bestraft werden.
3) nach geschiedener Ehe geboren worden.
§. 40. Wird eine Ehe durch richterlichen Ausspruch getrennt: so hat das nachgeborne Kind die Rechte eines ehelichen, wenn es bis zum Dreyhundert und zweyten Tage nach rechtskräftig erkannter Scheidung zur Welt gekommen ist.
§. 41. Will der geschiedene Mann das Kind nicht für das seinige erkennen: so findet alles das Anwendung, was §. 2-18. verordnet ist.
§. 42. Auch stehet dem Manne frey, die den Erben §. 26. sqq. nachgelassene Sicherheits-Maaßregeln vorzukehren.
§. 43. Eine Frau, welche schon vor der Scheidung von dem Manne abgesondert gelebt hat, muß, sobald sie nach dieser Absonderung eine Schwangerschaft verspürt, dem Manne davon sofort gerichtlich Anzeige machen.
§. 44. Alsdann ist der Mann auf eben diese Sicherheits-Maaßregeln anzutragen berechtigt.
§. 45. Die Unterlassung dieser Anzeige ist zwar, für sich allein, noch nicht hinreichend, dem Kinde die Rechte der ehelichen Geburt zu entziehen;
§. 46. Die Mutter aber, welche die Anzeige unterlassen hat, kann durch ein solches Kind niemals irgend einige Rechte oder Vortheile aus dem Vermögen des geschiedenen Mannes erlangen.
§. 47. Wenn der Mann eine Schwangerschaft der geschiedenen Frau behauptet, oder vermuthet; die Frau aber dieselbe läugnet: so ist ersterer auf Untersuchung einer vereideten Hebamme anzutragen berechtigt.
§. 48. Erklärt diese die Frau für schwanger: so kann der Mann die Vorkehrung der §. 27. sqq. bestimmten Sicherheits-Maaßregeln, zur Verhütung alles Unterschleifs oder Unterschlagung des Kindes, verlangen.
§. 49. Hat dessen ungeachtet die Frau das Kind unterschlagen: so soll sie dafür, als eine Betrügerin, peinlich bestraft werden.
Von Kindern aus nichtigen und ungültigen Ehen.
§. 50. Wird eine Ehe aus den Tit. I. §. 947. 948. 949. 951. angeführten Gründen für nichtig erklärt: so haben die daraus erzeugten Kinder, in Ansehung ihrer unmittelbaren Aeltern, dennoch alle Rechte der ehelichen.
§. 51. Sie treten aber nicht in die Familie, weder des Einen noch des Andern von beyden Aeltern, und können also auch auf die Erbfolge, weder der aufsteigenden, noch der Seitenverwandten, noch der Abkömmlinge der Aeltern aus andern Verbindungen, Anspruch machen.
§. 52. Unter sich selbst aber haben sie alle Rechte ehelicher Geschwister.
§. 53. Auch führen solche Kinder in der Regel den Namen der Mutter.
§. 54. In so fern beyde Aeltern oder auch eins von ihnen dergleichen nichtige Ehe wissentlich geschlossen haben, erlangen sie über die daraus erzeugten Kinder keine älterlichen Rechte.
§. 55. Doch kommen ihnen, in so fern sie die Erziehung und Verpflegung der Kinder besorgen, diejenigen persönlichen Rechte zu, welche die Gesetze den Pflegeältern beylegen. (Abschn. XII.)
§. 56. Sind Ehen aus den Tit. I. §. 950.952. angeführten Gründen nichtig: so haben die daraus erzeugten Kinder die Rechte der Kinder aus einer Ehe zur linken Hand. (Abschn. VTfl.)
§. 57. Werden ungültige Ehen in der Folge als nichtig wieder aufgehoben: so gilt von den daraus erzeugten Kindern alles, was von Kindern aus einer an sich nichtigen Ehe vorstehend §. 50 bis 55. verordnet ist.
Zweyter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Aeltern und der aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder, so lange die letztern unter väterlicher Gewalt stehn
Allgemeine Rechte ehelicher Kinder.
§. 58. Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand führen den Namen des Vaters.
§. 59. Sie erlangen die Rechte seiner Familie und seines Standes, in so fern letztere durch die bloße Geburt fortgepflanzt worden.
§. 60. Sie sind eben der Gerichtsbarkeit, wie der Vater, unterworfen, und bleiben darunter auch nach seinem Tode, so lange sie diesen Gerichtsstand auf eine gesetzmäßige Art nicht verändert haben.
Allgemeine Pflichten derselben
§. 61. Kinder sind beyden Aeltern Ehrfurcht und Gehorsam schuldig.
§. 62. Vorzüglich aber stehen sie unter väterlicher Gewalt.
§. 63. Sie sind verbunden die Aeltern in Unglück und Dürftigkeit nach ihren Kräften und Vermögen zu unterstützen, und besonders in Krankheiten deren Pflege und Wartung zu übernehmen.
Rechte und Pflichten der Aeltern:
§. 64. Beyde Eheleute müssen für standesmäßigen Unterhalt und Erziehung der Kinder mit vereinigten Kräften Sorge tragen.
§. 65. Hauptsächlich muß jedoch der Vater die Kosten zur Verpflegung der Kinder hergeben.
§. 66. Körperliche Pflege und Wartung, so lange die Kinder deren bedürfen, muß die Mutter selbst, oder unter ihrer Aufsicht besorgen.
§. 67. Eine gesunde Mutter ist ihr Kind selbst zu säugen verpflichtet.
§. 68. Wie lange sie aber dem Kinde die Brust reichen solle, hängt von der Bestimmung des Vaters ab.
§. 69. Doch muß dieser, wenn die Gesundheit der Mutter oder des Kindes unter seiner Bestimmung leiden würde, dem Gutachten der Sachverständigen sich unterwerfen.
§. 70. Vor zurückgelegtem Vierten Jahre kann der Vater das Kind, wider den Willen der Mutter, ihrer Aufsicht und Pflege nicht entziehen.
§. 71. Es wäre denn, daß es der Mutter an Kräften, oder am Willen fehlte, ihrer Obliegenheit ein Gnuge zu leisten.
§. 72. Entsteht darüber ein Streit unter den Eheleuten: so muß das vormundschaftliche Gericht die Sache untersuchen, und den Streit, jedoch ohne Zulassung eines förmlichen Prozesses, entscheiden.
§. 73. Bey der Untersuchung muß jedoch ein am Orte befindlicher Verwandter von Seiten eines jeden der beyden Eheleute, oder in deren Ermangelung, zwey Bekannte und Standesgenossen zugezogen werden.
2) wegen der Erziehung und des Unterrichts.
§. 74. Die Anordnung der Art, wie das Kind erzogen werden soll, kommt hauptsächlich dem Vater zu.
§. 75. Dieser muß vorzüglich dafür sorgen, daß das Kind in der Religion und nützlichen Kenntnissen den nöthigen Unterricht, nach seinem Stande und Umständen, erhalte.
§. 76. Sind die Aeltern verschiednen Glaubensbekenntnissen zugethan: so müssen, bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, die Söhne in der Religion des Vaters, die Töchter aber in dem Glaubensbekenntnisse der Mutter unterrichtet werden.
§. 77. Zu Abweichungen von diesen gesetzlichen Vorschriften kann keines der Aeltern das Andere, auch nicht durch Verträge, verpflichten.
§. 78. So lange jedoch Aeltern, über den ihren Kindern zu ertheilenden Religionsunterricht einig sind, hat kein Dritter ein Recht, ihnen darin zu widersprechen.
§. 79. Uebrigens benimmt die Verschiedenheit des kirchlichen Glaubensbekenntnisses keinem der Aeltern die ihm sonst wegen der Erziehung zustehenden Rechte.
§. 80. Auch nach dem Tode der Aeltern muß der Unterricht der Kinder in dem Glaubensbekenntnisse desjenigen von ihnen, zu dessen Geschlecht sie gehören, fortgesetzt werden.
§. 81. Auf eine in der letzten Krankheit erst erfolgte Religionsänderung wird dabey keine Rücksicht genommen.
§. 82. Hat aber der verstorbene Ehegatte ein zu seinem Geschlechte gehöriges Kind, wenigstens durch das ganze letzte Jahr vor seinem Tode, in dem Glaubensbekenntnisse des andern Ehegatten unterrichten lassen: so muß dieser Unterricht in eben der Art, auch nach seinem Tode, bis zum vollendeten Vierzehnten Jahre des Kindes, fortgesetzt werden.
§. 83. Vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre darf keine Religionsgesellschaft ein Kind zur Annahme, oder zum öffentlichen Bekenntnisse einer andern Religion, als wozu dasselbe nach vorstehenden gesetzlichen Bestimmungen gehört, selbst nicht mit Einwilligung der Aeltern seines Geschlechts zulassen.
§. 84. Nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre hingegen steht es lediglich in der Wahl der Kinder, zu welcher Religionspartey sie sich bekennen wollen.
§. 85. Auch wenn das Kind eine andere, als die Religion beyder Aeltern wählt, wird dadurch in den Rechten und Pflichten der Aeltern, wegen der Erziehung, Verpflegung und Versorgung, nichts geändert.
3) Rechte der älterlichen Zucht,
§. 86. Die Aeltern sind berechtigt, zur Bildung der Kinder alle der Gesundheit derselben unschädliche Zwangsmittel zu gebrauchen.
§. 87. Finden sie diese nicht hinreichend: so muß ihnen das vormundschaftliche Gericht, auf gebührendes Anmelden, hülfreiche Hand leisten.
§. 88. Dies Gericht muß das Verhalten der Aeltern sowohl, als des Kindes, summarisch, und ohne Zulassung eines förmlichen Prozesses untersuchen.
§. 89. Nach Befinden der Umstände muß alsdann die Art und Dauer der anzuwendenden Besserungsmittel von ihm bestimmt werden.
§. 90. Sollten Aeltern ihre Kinder grausam mißhandeln; oder zum Bösen verleiten; oder ihnen den nothdürftigen Unterhalt versagen: so ist das vormundschaftliche Gericht schuldig, sich der Kinder von Amts wegen anzunehmen.
§. 91. Nach Befund der Umstände kann den Aeltern, in einem solchen Falle, die Erziehung genommen, und auf ihre Kosten andern zuverläßigen Personen anvertrauet werden.
4) Von Erziehung der Kinder aus geschiedenen Ehen.
§. 92. Sind die Aeltern geschieden worden: so müssen die Kinder der Regel nach bey dem unschuldigen Theile erzogen werden.
§. 93. Ist der Vater zwar der schuldige Theil; die Ursache der Scheidung aber nicht so beschaffen, daß daraus die gegründete Besorgniß einer schlechten Erziehung entsteht: so kann er verlangen, daß ihm die Erziehung der Söhne gelassen werde.
§. 94. Die Pflege der Kinder, welche das Vierte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, verbleibt, ohne Unterschied des Geschlechts, bis zur Zurücklegung dieses Alters der auch für schuldig erklärten Mutter; in so fern die vorgekommenen Scheidungsursachen nicht von einer solchen Verderbniß des moralischen Charakters zeugen, daß dadurch erhebliche Besorgnisse einer Vernachlässigung der Kinder begründet werden.
§. 95. Ist Keiner der Aeltern für den schuldigen Theil erklärt: so werden die Kinder bis nach vollendetem Vierten Jahre bey der Mutter, sodann aber bey dem Vater erzogen.
§. 96. Doch kann, wenn Töchter darunter sind, der Richter die Erziehung derselben überhaupt, bewandten Umständen nach, der Mutter anvertrauen.
§. 97. Die Anordnungen, welche wegen Erziehung der Kinder bey dem Einen der gewesenen Ehegatten nach obigen Grundsätzen getroffen worden, können auf das Anrufen des Andern wieder aufgehoben werden, wenn eine erhebliche Besorgniß der Vernachläßigung, oder schlechten Erziehung erst in der Folge eintritt, oder zum Vorschein kommt.
§. 98. Hat dergleichen Besorgniß sich bey der Scheidung in Ansehung beyder gewesenen Eheleute Offenbart: so muß der den Kindern bestellte Curator, wegen deren Erziehung an einem dritten Orte Vorschläge machen.
§. 99. Der Richter muß alsdann das Nöthige deshalb von Amts wegen verordnen.
§. 100. Ein Gleiches kann geschehen, ohne daß es nöthig ist, den Antrag des andern geschiedenen Theils abzuwarten, wenn die Gründe einer solchen erheblichen Besorgniß erst nach der Scheidung eintreten oder bekannt werden.
§. 101. Sind beyde Aeltern, oder eins derselben, von der Erziehung ausgeschlossen: so soll ihnen doch der Zutritt zu den Kindern nicht gänzlich versagt werden.
§. 102. Es bleibt aber richterlichem Ermessen vorbehalten, wie oft, und unter welcher Aufsicht dergleichen Besuche zu gestatten sind.
§. 103. Die Kosten der Erziehung müssen, auch nach der Scheidung, hauptsächlich von dem Vater getragen werden.
§. 104. Doch kann derselbe von der für schuldig erklärten Mutter einen Beytrag, nach Verhältniß ihres Vermögens oder Erwerbes, bis höchstens auf die Hälfte des erforderlichen baaren Aufwandes verlangen.
§. 105. In so fern nach §. 94. der für schuldig erklärten Mutter dennoch die Erziehung der Kinder bis zum Vierten Jahre gelassen wird, muß sie die Kosten derselben allein übernehmen.
§. 106. Muß die Pflege der Kinder bis zu diesem Alter Andern anvertraut werden: so fallen die dabey auflaufenden baaren Auslagen hauptsächlich der Mutter zur Last.
§. 107. Ist der Vater die Kosten der Erziehung ganz oder zum Theil aufzubringen unvermögend: so bleibt allemal, und ohne Unterschied der Fälle, den Kindern ihr Recht deshalb an die auch unschuldige Mutter vorbehalten.
§. 108. Die Aeltern sind schuldig, ihre Kinder zu künftigen brauchbaren Mitgliedern des Staats, in einer nützlichen Wissenschaft, Kunst, oder Gewerbe, vorzubereiten.
5) Rechte und Pflichten der Aeltern bey der Wahl einer Lebensart für die Kinder.
§. 109. Die Bestimmung der künftigen Lebensart der Söhne hängt zunächst von dem Ermessen des Vaters ab.
§. 110. Er muß aber dabey auf die Neigung, Fähigkeiten, und körperlichen Umstände des Sohnes vorzügliche Rücksicht nehmen.
§. 111. Bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre muß sich der Sohn der Anordnung des Vaters schlechterdings unterwerfen.
§. 112. Bey alsdann fortdauernder gänzlicher Abneigung des Sohnes gegen die von dem Vater gewählte Lebensart, muß das vormundschaftliche Gericht, mit Zuziehung eines oder zweyer am Orte befindlichen nächsten Verwandten, und der Lehrer des Sohns, die beyderseitigen Gründe prüfen.
§. 113. Das Gericht muß solche Einrichtungen zu treffen bemüht seyn, daß die der Neigung und Fähigkeit des Sohnes, so wie dem Stande und Vermögen des Vaters gemäßeste Lebensart gewählt werden.
§. 114. In zweifelhaften Fällen ist diejenige Einrichtung, welche der Vater treffen will, zu genehmigen; und von dieser kann nur alsdann abgegangen werden, wenn auf eine überzeugende Art erhellet, daß dieselbe zu einem erheblichen und dauernden Nachtheile für den Sohn ausschlagen möchte.
§. 115. Doch soll der Sohn wider seinen Willen zum Studiren niemals angehalten; noch der Vater, die Kosten des Studirens für den Sohn herzugeben, wider seinen Willen jemals genöthigt werden.
§. 116. Will der Sohn von der einmal mit Zustimmung des Vaters, oder sonst, freywillig gewählten Lebensart zu einer andern übergehn: so ist der Vater, die durch eine solche Veränderung entstehenden größern Kosten herzugeben, in der Regel nicht schuldig.
§. 117. Kann jedoch der Sohn erhebliche Gründe dazu anführen: so muß nach der Vorschrift §. 112-115. verfahren werden.
§. 118. In wie fern nach des Vaters Tode der Mutter ein Einfluß auf die Wahl der Lebensart der Kinder gebühre, wird in dem Titel von Vormundschaften verordnet.
6) bey der Verheirathung der Kinder.
§. 119. Aeltern können ihre Kinder zur Wahl eines künftigen Ehegatten nicht zwingen.
§. 120. In wie fern aber die Einwilligung der Aeltern zur Verheirathung der Kinder erforderlich sey, oder von dem Richter ergänzt werden könne, ist im Ersten Titel vorgeschrieben. (Tit. I. §. 45-74.)
7) Pflicht der Kinder zu häuslichen Diensten.
§. 121. Die Kinder sind schuldig, den Aeltern in deren Wirthschaft und Gewerbe nach ihren Kräften hülfreiche Hand zu leisten.
§. 122. Es darf aber den Kindern dadurch die zu ihrem Unterrichte und Ausbildung nöthige Zeit nicht entzogen werden.
8) Wie weit Kinder etwas erwerben, oder sich oder die Aeltern verpflichten können.
§. 123. Was die Kinder bey solchen Gelegenheiten erwerben, das erwerben sie den Aeltern.
§. 124. Bey jeder andern Gelegenheit können die Kinder Vermögen und Gerechtsame für sich selbst, auch ohne den Beytritt des Vaters erwerben.
§. 125. Wenn aber mit dergleichen Vortheilen zugleich Lasten und Verbindlichkeiten übernommen werden sollen: so hängt die Rechtsbeständigkeit der Handlung des Kindes von der vorhergehenden oder hinzukommenden Einwilligung des Vaters ab. (Th. I. Tit. IV. §. 21. 22. Tit. V. §. 11.12. 13.)
§. 126. Nur in so fern, als jemand überhaupt durch die Handlung eines Dritten, vermöge seines Auftrages, seiner Genehmigung, oder einer in seinen Nutzen erfolgten Verwendung verpflichtet wird, kann auch ein Vater durch die Handlungen seiner Kinder verpflichtet werden.
§. 127. Wenn ein Vater sein Kind zu einer gewissen Bestimmung außer seinem Hause widmet: so genehmigt er eben dadurch alle Handlungen und Verträge desselben, ohne welche das Kind diese Bestimmung nicht erfüllen kann.
§. 128. Dagegen soll daraus, daß ein Vater die Schulden des Kindes einmal, oder auch öfter bezahlt hat, eine Genehmigung mehrerer oder neuer Schulden Niemals gefolgert werden.
§. 129. Nur das, was jemand einem außerhalb des väterlichen Hauses lebenden Kinde zu den nothwendigsten und dringendsten Bedürfnissen des Lebens giebt, soll in allen Fällen, als in den Nutzen des Vaters verwendet, angesehen werden.
§. 130. Für Sachen und Gelder, die zu andern Bedürfnissen des Kindes gegeben und verwendet worden, haftet das Vermögen des Vaters nur alsdann, wenn die Kinder keine Gelegenheit gehabt, die nöthige Unterstützung von ihm selbst zu erhalten.
§. 131. In allen Fällen, wo die Handlungen und Verträge der Kinder in Ansehung des Vaters unverbindlich sind, sind sie auch in Ansehung ihrer selbst der Regel nach ungültig.
§. 132. Auch nach aufgehobener väterlicher Gewalt sind daher die Kinder, dergleichen von Anfang an ungültige Schulden zu bezahlen, nicht verbunden.
§. 133. Nur in Fällen, wo für Personen, die nach ihrer Qualität für sich Verträge zu schließen unfähig sind, vermöge allgemeiner gesetzlichen Vorschriften, die Verbindlichkeit zum Ersatze aus der bloßen nützlichen Verwendung entsteht, müssen Kinder dergleichen Ersatz, nach aufgehobener väterlichen Gewalt, aus eignem Vermögen leisten. (Th. I. Tit. XIII- Abschn. III.)
§. 134. Der Vorwand, daß sich jemand für einen solchen, der nicht mehr unter väterlicher Gewalt steht, ausgegeben habe, macht den Vertrag oder die Schuld nicht gültig.
§. 135. Doch kann der Gläubiger, der von einem solchen Schuldner, ohne sein eignes mäßiges Versehen, wirklich hintergangen worden, aus desselben Vermögen, nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, Schadloshaltung fordern. (Th. I. Tit. V. §. 33-36. Tit. VI. §. 10. sqq.)
§. 136. Die von einem unter väterlicher Gewalt stehenden Kinde von Anfang an ungültig gemachten Schulden werden gültig, wenn sich der Schuldner, nach aufgehobener väterlichen Gewalt, zu deren Bezahlung verpflichtet. (Th. I. Tit. V. §. 37. 38.)
§. 137. Doch soll nur auf ein ausdrückliches, vor Gerichten, oder vor einem Justizcommissario erklärtes Anerkenntniß, Rücksicht genommen werden.
§. 138. Was auf die an sich ungültige Schulden eines Kindes, vor oder nach aufgehobener väterlichen Gewalt, wirklich bezahlt worden, kann der Zahlende nicht zurückfordern.
9) Von den Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen der Kinder.
§. 139. Den aus Verbrechen der Kinder entstehenden Schaden darf der Vater aus eignem Vermögen der Regel nach nicht vertreten.
§. 140. Er muß ihn aber vertreten, wenn er die unerlaubte Handlung veranlaßt, oder das Kind durch sein Beyspiel dazu verleitet hat.
§. 141. Aus einer nach der That erklärten Billigung derselben entsteht gegen den Vater die Vermuthung, daß er sie veranlaßt habe.
§. 142. Auch haftet der Vater für den entstandenen Schaden, wenn er denselben nicht verhütet hat, da es doch in seinem Vermögen gestanden hätte.
§. 143. Ferner alsdann, wenn er den Unterricht, die Erziehung, und die Aufsicht über die Kinder gröblich vernachläßigt hat.
§. 144. In den Fällen des §. 140-142. haftet auch die Mutter für den aus dem Verbrechen des Kindes entstandenen Schaden.
§. 145. Ein Gleiches findet auch in dem Falle des §. 143. statt, wenn, nach dem Abgange des Vaters, die Erziehung des Kindes der Mutter überlassen gewesen.
§. 146. Das Kind selbst bleibt zum Schadensersatze verhaftet, wenn es eigenthümliches Vermögen hat, oder nach aufgehobener väterlichen Gewalt dazu gelangt.
Dritter Abschnitt. Von dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder
Was zu dem freyen Vermögen der Kinder,
§. 147. Das eigenthümliche Vermögen der Kinder, welches dem väterlichen Nießbrauche nicht unterworfen ist, wird ihr freyes Vermögen genannt.
§. 148. Zum freyen Vermögen der Kinder gehört alles, was dieselben, außerhalb des Betriebes der väterlichen Geschäfte, durch Fleiß und Geschicklichkeit erwerben.
§. 149. Desgleichen dasjenige, was sie in Kriegs- oder Civil-Diensten vor sich bringen, oder bey Gelegenheit derselben, von ihren Aeltern oder Andern, zur Ausrüstung oder Beyhülfe erhalten.
§. 150. Auch Lehne, die den Kindern verliehen, oder wozu dieselben in die Gesammtehand mit aufgenommen worden, werden, sobald sie zum Besitze gelangen, in Beziehung auf den Vater, ihrem freyen Vermögen beygerechnet.
§. 151. Ferner die Belohnungen ihres Fleißes und ihrer Geschicklichkeit, die ihnen von den Aeltern, oder auch von Andern ertheilt worden.
§. 152. Alle Geschenke und Vermächtnisse, die ihnen aus Erkenntlichkeit für geleistete Dienste, oder für erwiesene Gefälligkeiten zufließen.
§. 153. Alles, was sie von demjenigen ersparen, was ihnen von den Aeltern zu ihrem Unterhalte außer dem väterlichen Hause, oder sonst zu ihren Ausgaben, angewiesen worden.
§. 154. Endlich alles, was ihnen von Aeltern, Verwandten, oder Fremden, unter der ausdrücklichen Bestimmung, daß es dem väterlichen Nießbrauche nicht unterworfen seyn solle, zugewendet wird.
§. 155. Nur Verwandte in aufsteigender Linie, die den Kindern einen Pflichttheil zu verlassen schuldig sind, können den Vater von dem Nießbrauche desselben nicht ausschließen.
was zu ihrem nicht freyen Vermögen gehöre.
§. 156. Alles andre, was den Kindern durch bloße Schenkungen, Erbschaften, Vermächtnisse, oder Glücksfälle zukommt, gehört zu ihrem nicht freyen Vermögen.
§. 157. Auch die Pathengeschenke werden dem nicht freyen Vermögen der Kinder beygerechnet.
I. Rechte des Vaters und der Kinder, in Ansehung des freyen Vermögens.
§. 158. Ueber das freye Vermögen haben die Kinder eben die Rechte, die einem nicht unter väterlicher Gewalt stehenden Menschen über sein Eigenthum zukommen.
§. 159. Wenn sie noch minderjährig, oder sonst ihren Sachen selbst vorzustehen unfähig sind: so gebührt dem Vater die vormundschaftliche Verwaltung desselben.
§. 160. Doch steht es bey dem, welcher dergleichen Vermögen den Kindern, unter Lebendigen, oder von Todes wegen zuwendet, zu bestimmen: ob die Verwaltung dem Vater, oder einem Dritten anvertrauet, und wie dieselbe geführt werden solle.
§. 161. Die Nutzungen dieses freyen Vermögens kann der Vater zur Verpflegung und Erziehung der Kinder, so weit sie dazu nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts erforderlich sind, mit verwenden.
§. 162. So weit diese Nutzungen hierzu nicht gebraucht werden, wachsen sie der Vermögens-Substanz zu.
§. 163. Nach erlangter Großjährigkeit, oder wegfallenden anderweitigen Gründen einer vormundschaftlichen Verwaltung, können die Kinder über ihr freyes Vermögen eben so, als wenn sie nicht mehr unter väterlicher Gewalt wären, verfügen.
§. 164. Doch müssen sie auch alsdann die Einkünfte dieses Vermögens zu ihrem eignem Unterhalte, so weit dieselben dazu hinreichen, auf Verlangen des Vaters vorzüglich anwenden.
§. 165. Alle Verträge, die sie nach erlangter Großjährigkeit in Ansehung ihres freyen Vermögens schließen, sind auch ohne Beytritt des Vaters gültig.
§. 166. Doch muß der, welcher einem noch unter väterlicher Gewalt stehenden, obwohl großjährigen Kinde, auf sein freyes Vermögen Credit geben will, sich dasselbe durch Eintragung in das Hypothekenbuch, oder durch Uebergabe des Obligations-Instruments, oder der verpfändeten beweglichen Sache, besonders versichern lassen.
§. 167. Der Ersatz des von einem Kinde durch unerlaubte Handlungen verursachten Schadens muß hauptsächlich aus dessen freyen Vermögen erfolgen.
II. In Ansehung des nicht freyen Vermögens. Verwaltung desselben.
§. 168. Von dem nicht freyen Vermögen der Kinder gebührt dem Vater, so lange die väterliche Gewalt dauert, die Verwaltung und der Nießbrauch.
§. 169. Ausstehende Capitalien der Kinder kann der Vater nach Gutfinden einziehn, anderweitig belegen, oder auch sich selbst zum Schuldner der Kinder dafür bestellen; in so fern nicht ein solches Capital den Kindern zur Sicherheit besonders verschrieben, oder die Verwaltung des Vaters darüber durch besondere Gesetze oder rechtsgültige Willenserklärungen eingeschränkt ist.
§. 170. Bey andern Vermögensstücken muß der Vater, so lange die Kinder noch minderjährig sind, zu allen Veränderungen der Substanz, die ein Nießbraucher nicht ohne den Eigenthümer vornehmen kann, die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts einholen. (Th. I. Tit. XXI. Abschn. I.)
§. 171. Dies muß besonders geschehen, wenn Grundstücke, oder Gerechtigkeiten, während der Minderjährigkeit der Kinder veräußert, verpfändet, oder mit andern bleibenden Reallasten belegt werden sollen.
§. 172. Das Gericht darf die Einwilligung nicht versagen, wenn der Vater die Notwendigkeit der Verpfändung oder Veräußerung, oder einen den Kindern daraus entstehenden erheblichen Nutzen nachweist.
§. 173. Außer dieser Einwilligung sind zur Gültigkeit des Geschäfts keine weitere Förmlichkeiten erforderlich.
§. 174. Geschieht jedoch eine solche Veräußerung bloß des Nutzens wegen: so muß das gelösete Kaufgeld entweder anderweitig zu Grundstücken auf den Namen der Kinder verwendet; oder auf Hypothek angelegt; oder von dem Vater besondere Caution dafür bestellt werden.
§. 175. So weit ein Nießbraucher zur Begründung einer Meliorationsforderung der Einwilligung des Eigenthümers bedarf, muß der Vater minderjähriger Kinder, wenn er dergleichen Vergütung künftig verlangen will, um die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts zu den vorzunehmenden Verbesserungen sich bewerben.
§. 176. Zur Sicherheit des Vermögens, welches auf die Kinder von der Mutter gediehen ist, behalten die Kinder in den Gütern des Vaters eben das Vorrecht, welches der Mutter, wegen ihres Eingebrachten, in dem Vermögen des Mannes zustand. (Tit. I. §. 254. sqq.)
§. 177. Auch wegen des übrigen nicht freyen Vermögens haben die Kinder in den Gütern des Vaters das Vorrecht der Vierten Classe, von der Zeit an, da der Vater das Vermögen der Kinder an sich genommen hat.
§. 178. Außer diesem gesetzlichen Vorrechte, ist der Vater, besondere Sicherheit für das seiner Verwaltung anvertrauete Vermögen der Kinder zu bestellen, nach der Regel nicht schuldig.
Fälle, wo besondre Sicherheit bestellt werden muß.
§. 179. Nur alsdann kann dem Vater dergleichen besondre Sicherstellung abgefordert werden, wenn er auf Behandlung oder Indult gegen seine Gläubiger anträgt; wenn Sequestration seiner Grundstücke, oder Auspfändung seiner Mobilien verhängt; oder Wechselexecution gegen ihn vollstreckt wird; oder wenn er sonst offenbar in Verfall seines Vermögens zu gerathen anfängt.
§. 180. Ferner, wenn er wegen eines Amts, einer Casse oder Pachtung, dem Fiskus oder einer andern mit fiskalischen Rechten versehenen Anstalt verhaftet ist; oder dergleichen Amt, Casse oder Pachtung auch erst nachher, da er das Vermögen der Kinder schon erhalten hat, übernimmt.
§. 181. Desgleichen alsdann, wenn er zu der Zeit, da das Vermögen der Kinder in seine Verwaltung gelangt, schon in den Diensten einer andern öffentlichen Anstalt steht, welcher die Gesetze das Vorrecht der Vierten Classe in den Gütern ihrer Cassenbedienten und Administratoren einräumen.
§. 182. Kann oder will der Vater in allen diesen Fällen keine Sicherheit leisten: so muß ihm die Verwaltung des Vermögens der Kinder genommen, und einem besondern Curator, unter näherer Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, übertragen werden.
§. 183. Nur alsdann kann das Gericht dem Vater, in den Fällen des §. 180. 181. die besondere Sicherstellung erlassen, wenn erhellet, daß er sonst die Bedienung nicht erlangen oder behalten könnte; und er gleichwohl ohne dieselbe, den Unterhalt und die Erziehung der Kinder gehörig zu besorgen, außer Stande seyn würde.
§. 184. Doch muß ein solcher Vater dem vormundschaftlichen Gerichte ein Attest seiner vorgesetzten Behörde über den richtigen Befund der Casse und Rechnung alljährig vorlegen.
§. 185. Unterläßt er dieses: so muß nach der Vorschrift §. 182. wider ihn verfahren werden.
§. 186. In wie fern eine Amtscaution, welche für den Vater aus dem den Kindern zugefallenen Vermögen bestellt ist, während der Minderjährigkeit der Kinder stehen gelassen, oder aus dem Vermögen derselben neu bestellt werden könne, ist nach den für einen ähnlichen Fall in dem Titel von Vormundschaften vorgeschriebenen Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. XVIII. Abschn. VIII.) .
§. 187. Schreitet ein Vater, welcher liegende Grunde oder Gerechtigkeiten besitzt, zur anderweitigen Verehelichung: so muß er das Vermögen der Kinder aus voriger Ehe auf diese Grundstücke eintragen lassen.
§. 188. Diese Eintragung hat jedoch nur eben die Rechte, wie eine eingetragne vormundschaftliche Caution.
Wer für diese Sicherstellung zu sorgen habe.
§. 189. Sind die Kinder großjährig, und auch sonst ihren eignen Sachen vorzustehen fähig: so können dieselben, auch wenn sie noch unter väterlicher Gewalt sind, in den Fällen des §. 179. 180. 181. 187. auf die von dem Vater zu leistende Sicherheit selbst antragen.
§. 190. Außer ihnen hat alsdann niemand ein Recht, sich in diese Angelegenheit zu mischen.
§. 191. Sind aber diese Kinder noch minderjährig, oder sonst unfähig, ihren Sachen selbst vorzustehen: so muß der bey der Auseinandersetzung mit dem Vater ihnen zugeordnete Curator für die Bestellung der Sicherheit, nach näherer Anweisung des Vormundschaftsrechts sorgen.
§. 192. Ist den Kindern noch kein Curator bestellt: so muß das vormundschaftliche Gericht für dessen Anordnung von Amtswegen sorgen, sobald der Fall, wo es einer besondern Sicherheit bedarf, zu seiner Wissenschaft gelanget.
§. 193. Zu einer desfalls dem Gerichte zu machenden Anzeige ist besonders die Mutter, und in deren Ermangelung derjenige befugt, welchem nächst dem Vater das Erbrecht zusteht.
§. 194. Ist dieser selbst noch minderjährig: so tritt der nächste nach ihm an seine Stelle.
§. 195. Auch den fiskalischen Bedienten liegt ob, sobald ein Fall der für das Vermögen minderjähriger Kinder von deren Vater zu leistenden Sicherheit zu ihrer Kenntniß gelangt, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 196. Wird durch diese Anzeige das Vermögen der Kinder von der Gefahr eines besorglichen Verlusts gerettet: so soll aus den Nutzungen desselben dem fiskalischen Bedienten eine verhältnißmäßige Belohnung seiner Wachsamkeit angewiesen werden.
§. 197. Auch diejenigen, welche jemanden ein Amt übertragen, wodurch das Vermögen desselben einem gesetzmäßigen Vorrechte unterworfen wird, sollen schuldig seyn, dem ordentlichen persönlichen Gerichtsstande des Beamten, sogleich nach seiner Einführung, davon Nachricht zu geben.
§. 198. Ist dieses von ihnen vorsetzlich, oder aus grobem Versehen unterlassen worden: so bleiben sie den Kindern, wegen des daraus entstehenden Nachtheils, verantwortlich.
§. 199. Hauptsächlich aber muß jeder Vater, welcher Vermögen von seinen Kindern in Händen hat, sobald der Fall eintritt, wo er nach den Gesetzen besondere Sicherheit dafür zu bestellen verbunden ist, es dem vormundschaftlichen Gerichte selbst anzeigen.
§. 200. Ein Vater, der diese Pflicht mit Vorsatz verabsäumt, wird seines Nießbrauchs verlustig.
Rechte der Kinder in Ansehung des nicht freyen Vermögens.
§. 201. So lange Kinder noch unter väterlicher Gewalt sind, können sie über ihr nicht freyes Vermögen, ohne Beytritt und Einwilligung des Vaters, unter Lebendigen keine gültige Verfügung treffen.
§. 202. Vielmehr gilt von den Verträgen und Schulden auch solcher Kinder, eben das, was in Ansehung der noch unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder überhaupt §. 124. sqq. verordnet ist.
§. 203. Haben Kinder durch unerlaubte Handlungen jemand Schaden zugefügt: so muß der Ersatz, in Ermangelung eines freyen Vermögens, aus dem nicht freyen, so weit dasselbe hinreicht, so fort erfolgen.
§. 204. So lange der Vater der Kinder standesmäßigen Unterhalt und Erziehung besorgt, hängt die Verwendung der Einkünfte ihres nicht freyen Vermögens lediglich von seinem Gutfinden ab.
§. 205. Auch seine eigne Gläubiger können aus diesen Einkünften ihre Befriedigung suchen.
§. 206. Wenn aber der Vater in Concurs verfällt, oder sonst außer Stand kommt, die Kinder standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen: so verliert er die Verwaltung und den Nießbrauch ihres nicht freyen Vermögens.
§. 207. Beydes fällt den Kindern anheim, in so fern dieselben großjährig, und sonst ihren Sachen selbst vorzustehen fähig sind.
§. 208. Außerdem muß den Kindern ein Curator bestellt, und durch diesen ihr nicht freyes Vermögen, unter Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, zum Besten der Kinder verwaltet werden.
§. 209. Doch ist der Vater, die benöthigte Unterstützung zu seinem Unterhalte aus den Einkünften dieses Vermögens zu fordern, in jedem Falle wohl befugt.
Vierter Abschnitt. Von Aufhebung der väterlichen Gewalt
Aufhebung der väterlichen Gewalt bey einem großjährigen Sohne;
§. 210. Wenn ein Sohn nach erlangter Großjährigkeit eine eigne von den Aeltern abgesonderte Wirthschaft errichtet: so geht er dadurch aus der väterlichen Gewalt.
§. 211. Wenn der Vater ihn seiner Gewalt noch nicht entlassen will: so muß er seinen Widerspruch gerichtlich anzeigen, und Gründe dazu beybringen, welche hinreichen, den Sohn für einen Verschwender erklären zu lassen.
§. 212. a) Wenn ein großjähriger Sohn ein eignes Gewerbe treibt, oder ein öffentliches Amt bekleidet: so ist er für entlassen aus der väterlichen Gewalt anzusehn.
§. 212. b) Die fortwährende Unterstützung von Seiten des Vaters, durch Gebung des Tisches, und sonst, macht dabey keinen Unterschied.
§. 213. Einem großjährigen Sohne, welcher sich mit seinem Gewerbe ohne weitere Unterstützung des Vaters ernähren kann, ist letzterer die Anstellung eines solchen Gewerbes zu verstatten, und ihn dadurch aus seiner Gewalt zu entlassen verbunden.
§. 214. Ein noch minderjähriger Sohn kann vor zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre, selbst mit Einwilligung des Vaters, der väterlichen Gewalt nicht entlassen werden.
§. 215. Nach zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre, und bis zur erlangten Volljährigkeit des Sohnes, kann der Vater nicht genöthigt werden, denselben aus seiner Gewalt zu entlassen.
§. 216. Wenn aber der Vater in diesem Zeiträume seinen Willen, den Sohn zu entlassen, mit Beystimmung des Sohnes, bey dem vormundschaftlichen Gerichte verlautbart: so hat dieses zugleich alle Wirkungen einer Majorennitäts-Erklärung.
§. 217. Dem Sohne muß ein beglaubtes Zeugniß darüber von dem vormundschaftlichen Gerichte ausgefertigt werden.
§. 218. Wenn der Vater ausdrücklich oder stillschweigend einwilligt, daß der noch minderjährige Sohn ein besonderes Gewerbe für eigne Rechnung anfange: so hat dieses die Wirkung einer ausdrücklich erklärten Entlassung.
§. 219. Durch die Uebernehmung eines öffentlichen Amts geht ein noch minderjähriger Sohn, auch wenn er zugleich eine besondre Wirthschaft anstellt, doch noch nicht aus der väterlichen Gewalt.
§. 220. Will ihn aber der Vater derselben entlassen, so muß er diesen seinen Willen nach Vorschrift §. 216. 217. gerichtlich erklären.
§. 221. So lange der Vater dergleichen Erklärung noch nicht abgegeben hat, ist der Sohn zwar in den Geschäften seines Amts, nicht aber in seinen Privatangelegenheiten, für einen solchen, der nicht mehr unter väterlicher Gewalt stehet, zu achten.
§. 222. Cassenbedienungen und Pachtungen, wodurch jemand dem Fiskus oder einer öffentlichen Anstalt verhaftet wird, sollen einem Minderjährigen, der noch unter väterlicher Gewalt steht, nicht anders übertragen werden, als wenn er zuvor von dem Vater ausdrücklich und gerichtlich entlassen worden.
§. 223. Auch daraus, daß der Vater seinem noch minderjährigen Sohne die Errichtung einer besondern Wirthschaft, aus seinem eignen, oder dem Vermögen seiner Frau gestattet hat, folgt noch nicht, daß derselbe der väterlichen Gewalt entlassen sey.
§. 224. Wer also mit einem Minderjährigen, dessen Vater noch am Leben ist, sich einlassen will, muß sich überzeugen, daß derselbe entweder mit Einwilligung des Vaters ein besonderes Gewerbe für eigne Rechnung treibe, oder daß ihn der Vater ausdrücklich entlassen habe.
§. 225. In allen Fällen aber, wo der Sohn eine zuerst ohne väterliche Einwilligung oder Entlassung angefangene besondere Wirthschaft, bis nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre fortsetzt, ohne daß der Vater seinen Widerspruch gerichtlich erklärt, und ihn zur Wiederaufgebung dieser abgesonderten Wirthschaft wirklich angehalten hat, geht er mit dem Zeitpunkte der erlangten Volljährigkeit zugleich aus der väterlichen Gewalt.
§ 226. Ein Sohn, welcher während der Minderjährigkeit der väterlichen Gewalt entlassen worden, kann dennoch seine Grundstücke und Gerechtigkeiten nur mit Beytritt seines Vaters verpfänden und veräußern.
§. 227. Sobald aber der Vater seine Einwilligung in solche Verfügungen gerichtlich erklärt, bedarf es weiter keiner Untersuchung oder Genehmigung von Seiten des vormundschaftlichen Gerichts.
§. 228. Wenn eine Tochter, unter ertheilter, oder von dem Richter ergänzter Einwilligung des Vaters heirathet: so hört die väterliche Gewalt über sie auf.
§. 229. Ist sie aber noch minderjährig: so bleiben dem Vater, bis zur erlangten Volljährigkeit, alle Rechte und Pflichten eines einer verheiratheten Pflegebefohlnen bestellten Vormundes. (Tit. XVIII. Abschn. VHI.)
§. 230. Eine unverheirathete Tochter kann, auch wenn sie großjährig ist, nicht anders, als durch ausdrückliche Erklärung, der väterlichen Gewalt entlassen werden.
1) Herausgabe des eignen Vermögens der Kinder.
§. 231. Nach aufgehobener väterlichen Gewalt ist der Vater schuldig, dem Kinde das bisher unter seiner Verwaltung gestandene eigenthümliche Vermögen desselben, nach den im folgenden Abschnitt, vorgeschriebenen Bestimmungen, heraus zu geben.
§. 232. Söhne, welche eine abgesonderte Wirthschaft anfangen, müssen zu deren ersten Einrichtung, und zur Anschaffung der Gerätschaften, welche zum Betriebe ihres Gewerbes unentbehrlich sind, mit einer Ausstattung versehen werden.
§. 233. Auch den heirathenden Töchtern gebührt dergleichen Ausstattung, so weit dieselbe zur Hochzeit, und zur ersten Einrichtung ihres Hauswesens erforderlich ist.
§. 234. Haben die Kinder eignes Vermögen: so können die Kosten der Ausstattung aus der Substanz desselben genommen werden.
§. 235. So weit sie kein eignes, oder kein hinreichendes Vermögen haben, ist der Vater aus dem Seinigen für diese Ausstattung zu sorgen verpflichtet.
§. 236. Ist der Vater nicht mehr am Leben; oder selbst unvermögend: so muß die Mutter, in Ansehung dieser Pflicht, an seine Stelle treten.
§. 237. Der Regel nach hängt es lediglich von dem Ermessen der Aeltern ab, wie viel sie zu vorgedachter Ausstattung der Kinder aus ihrem Vermögen hergeben wollen.
§. 238. Sollten jedoch Aeltern sich dieser ihrer Pflicht dergestalt entziehen wollen, daß sie ihren Kindern gar keine, oder nur eine ganz unzureichende Ausstattung bewilligten: so steht den Kindern frey, den Beystand des vormundschaftlichen Gerichts nachzusuchen.
§. 239. Dieses muß mit Zuziehung zweyer der nächsten Verwandten, oder zweyer Standes- oder Zunftgenossen des Vaters, billig ermessen: wie viel zur Ausstattung des Kindes nach den §. 232. 233. angegebenen Bestimmungen erforderlich sey; und sodann den Vater zur Bewilligung dieser Nothdurft zu vermögen, sich angelegen seyn lassen.
§. 240. Es muß aber darüber kein Prozeß zugelassen, und am wenigsten der Vater zur Offenlegung seines Vermögenszustandes genöthigt werden.
§. 241. Vielmehr, wenn die Aeltern auf Pflicht und Gewissen versichern, daß sie nach ihren Umständen, ohne wirklichen Nachtheil für sich und ihre übrigen Kinder, dem auszustattenden so viel, als das vormundschaftliche Gericht billig gefunden hat, nicht aussetzen können: so müssen dieses Gericht sowohl, als das auszustattende Kind, bey einer solchen Versicherung sich beruhigen.
§. 242. Kinder, die schon einmal ausgestattet sind, haben, unter keinerley Umständen, das Recht, eine nochmalige Ausstattung zu verlangen.
§. 243. Außer der vorbestimmten Ausstattung sind Kinder, vermöge der Gesetze, niemals befugt, eine Mitgabe oder Brautschatz von den Aeltern zu fordern.
§. 244. Auch wenn die Aeltern eine Mitgabe, ohne weitere Bestimmung einer gewissen Summe oder Sache, versprochen haben, sind sie nur zu dieser Ausstattung (§. 232. 233.) verpflichtet.
§. 245. Haben sie aber den Kindern einen Brautschatz oder Mitgabe, über die Ausstattung, aus eigner Bewegung wirklich zukommen lassen: so wird im zweifelhaften Falle vermuthet, daß dieselben aus dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder, so weit dasselbe dazu hingereicht hat, genommen worden.
§. 246. Haben die Kinder kein eigenthümliches Vermögen: so gilt die Vermuthung, daß der Brautschatz oder die Mitgabe aus dem Vermögen des Vaters gegeben sey.
§. 247. Ist der Vater nicht mehr am Leben: so wird der Brautschatz oder die Mitgabe aus dem Vermögen der Mutter, ohne Beytrag des Stiefvaters, genommen zu seyn geachtet, wenn gleich letzterer ausdrücklich darein gewilligt hätte.
§. 248. Nur bey der Gemeinschaft aller Güter wird jederzeit vermuthet, daß der den Kindern gegebene, und nicht aus ihrem eigenthümlichen Vermögen geflossene Brautschatz, aus dem gemeinschaftlichen Vermögen genommen worden.
Rechte der Aeltern nach aufgehobener Gewalt,
§. 249. Auch nach aufgehobener väterlichen Gewalt sind die Kinder den Aeltern kindliche Ehrerbietung schuldig.
§. 250. Die Pflicht, ihre Einwilligung zu einer Heirath nachzusuchen, wird durch Endigung der väterlichen Gewalt nicht aufgehoben. (Tit. I. §. 1009.
insonderheit wegen wechselseitiger Unterstützung.
§. 251. Auch nach aufgehobener väterlichen Gewalt sind Kinder und Aeltern einander wechselseitig zu unterstützen, und eins das andre, wenn es sich selbst nicht ernähren kann, mit Unterhalt zu versehen schuldig.
§. 252. Ist das Unvermögen, sich selbst zu ernähren, durch Krankheit, Unglücksfälle, oder sonst unverschuldet entstanden: so sind die Kinder den Aeltern, und diese jenen, anständigen Unterhalt nach ihrem Vermögen zu reichen verbunden.
§. 253. Ist aber der hülfsbedürftige Theil durch eigne Schuld verarmt; oder hat er sich gegen den andern so betragen, daß dieser ihn zu enterben berechtigt seyn würde: so muß er mit dem bloß notdürftigen Unterhalte sich begnügen.
§. 254. Kinder, die nach aufgehobener väterlichen Gewalt, von den Aeltern noch ernährt werden müssen, sind alsdann auch verbunden, den Aeltern in deren Wirthschaft und Gewerbe nach ihren Kräften behülflich zu seyn.
Besondere Fälle, wo die väterliche Gewalt aufhört.
§. 255. Außer den §. 210-230. bestimmten gewöhnlichen Fällen, hört die väterliche Gewalt von selbst auf, wenn der Vater wegen grober Verbrechen zu harter und schmählicher Zuchthaus- oder Festungs-Arbeit, zu Zehnjährigem oder lebenswierigem Gefängnisse, oder zur Landesverweisung verurtheilt worden.
§. 256. Ferner alsdann, wenn er gerichtlich für einen Verschwender erklärt wird.
§. 257. Auch alsdann, wenn er ohne Vorwissen des Staats in der Absicht, sich seinen Unterthanspflichten zu entziehn, aus den Königlichen Landen entweicht.
§. 258. Endlich, wenn er vorsetzlicher Weise die Kinder hülflos und ohne Aufsicht verlassen hat.
§. 259. In allen diesen Fällen erlangt er die väterliche Gewalt nicht wieder; auch wenn der Grund ihres Verlustes in der Folge gehoben worden.
§. 260. Dagegen ruht die väterliche Gewalt, wenn der Vater nur zu Bürgerlichem oder Festungsgefängnisse, auf länger als Zwey, aber weniger als Zehn Jahre, verurtheilt worden.
§. 261. Ingleichen alsdann, wenn der Vater in Raserey oder Blödsinn verfallen ist.
§. 262. Nach ausgestandener Strafe, erhaltener Begnadigung, oder erfolgter Wiederherstellung, tritt der Vater wiederum in alle seine Rechte.
§. 263. Sind die Kinder zur Zeit der solchergestalt aufgehobenen oder außer Wirkung gesetzten väterlichen Gewalt noch minderjährig: so muß ihnen ein Vormund bestellt werden.
§. 264. Der Nießbrauch ihres Vermögens wird, so weit er zu ihrer Verpflegung und Erziehung, oder zur Unterstützung des Vaters nicht erforderlich ist, der Substanz zugeschlagen.
§. 265. Waren die Kinder zu der Zeit, als die väterliche Gewalt außer Wirkung gesetzt wurde, bereits großjährig; oder sind sie es in der Zwischenzeit geworden: so fallen sie nicht mehr unter dieselbe zurück.
§. 266. Eingeschränkt wird die väterliche Gewalt in Ansehung der Erziehung, wenn der Vater dieselbe vernachläßigt; die Kinder grausam mißhandelt; sie zum Bösen verleitet; oder ihnen den nöthigen Unterhalt versagt. (§. 90. 91.)
§. 267. Ferner in Ansehung der Verwaltung des Vermögens der Kinder, wenn der Vater die besondre Sicherheit dafür, wozu er aus gesetzlichen Gründen verpflichtet ist, nicht bestellen kann oder will. (§. 179. sqq.)
§. 268. Endlich in Ansehung der Verwaltung und des Nießbrauchs zugleich, wenn der Vater in Concurs verfällt, oder sonst die Kinder standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen, unvermögend wird. (§. 204-209.)
§. 269. In allen Fällen, da solchergestalt die Rechte der väterlichen Gewalt aufgehoben, außer Wirkung gesetzt, oder eingeschränkt worden (§. 255-268.) bleiben der Vater und sein Vermögen zur Erfüllung der damit verbundenen Pflichten dennoch verhaftet.
§. 270. Durch den bürgerlichen oder natürlichen Tod des Vaters nehmen sowohl die Rechte als Pflichten der väterlichen Gewalt ein Ende.
Fünfter Abschnitt. Von der Erbfolge der Kinder und andrer Verwandten in absteigender Linie
§. 271. Die Erbfolge in den Nachlaß verstorbener Aeltern wird entweder durch Verträge, oder, in deren Ermangelung, durch letztwillige Verordnungen, oder, wenn auch diese nicht vorhanden sind, durch Statuten oder Provinzialgesetze bestimmt.
§. 272. Sind in den Statuten oder Provinzialgesetzen keine, oder nicht hinreichende Verordnungen enthalten: so soll nach folgenden Vorschriften verfahren werden.
1) Absonderung der zum Nachlasse nicht gehörenden Stücke,
§. 273. Vor allen Dingen werden Lehne, Fideicommisse und andre Vermögensstücke, in welche nach Gesetzen oder Familienverträgen eine eigne Successionsordnung statt findet, von dem Nachlasse abgesondert. (Tit. I. §. 502-539.)
§. 274. Ist ein überlebender Ehegatte vorhanden: so wird demselben sein eigenthümliches Vermögen nach den Vorschriften des Ersten Titels verabfolgt. (Tit. I. §. 544. sqq.)
insonderheit des eigenthümlichen Vermögens der Kinder,
§. 275. Hat der verstorbene Vater eignes Vermögen der Kinder zur Verwaltung gehabt: so muß jedem Kinde das Seinige aus dem Nachlasse, als eine Schuld, herausgegeben werden.
§. 276. Bey der Absonderung des eignen Vermögens der Kinder von dem väterlichen Nachlasse, finden überhaupt diejenigen Grundsätze statt, welche im Ersten Titel auf den Fall vorgeschrieben sind, wenn die Frau nach dem Tode des Mannes ihr Vermögen aus dessen Nachlaß zurücknimmt. (Tit. I. §. 544. sqq.)
§. 277. Das eigenthümliche freye Vermögen der Kinder wird dabey dem vorbehaltnen Vermögen der Frau, und das nichtfreye dem Eingebrachten gleich geachtet.
§. 278. In allen Fällen, wo durch jene Vorschriften der Frau die Wahl gelassen ist, gebührt sie hier dem Kinde.
§. 279. Hat der Vater Mobilien und Effekten des Kindes in seiner Gewahrsam gehabt: so muß das Kind dieselben vollständig zurück erhalten.
§. 280. Sind sie in dem Zustande, wie sie der Vater übernommen hat, nicht mehr vorhanden: so muß dem Kinde der wahre Werth, nach dem Zeitpunkte der Uebernehmung, vergütet werden.
§. 281. Doch ist der Vater für einen durch Zufall entstandenen Verlust oder Verminderung des Werths so wenig, wie ein andrer Verwahrer, zu haften schuldig.
§. 282. Ein mäßiger Gebrauch der Effekten des Kindes, so weit er ohne Abnutzung derselben statt finden kann, ist dem Vater vergönnt.
§. 283. Will er sich aber solcher Mobilien, die ohne Abnutzung nicht gebraucht werden können, zu seinem Gebrauche bedienen: so muß er dafür sorgen, daß sie gerichtlich abgeschätzt werden.
§. 284. Alsdann hat das Kind, wenn ihm sein Vermögen verabfolgt werden soll, die Wahl: ob es die Mobilien, so wie sie sind, annehmen, oder den taxirten Werth fordern wolle.
§. 285. Hat der Vater keine Taxe aufnehmen lassen: so müssen dergleichen von ihm gebrauchte Mobilien dem Kinde nach dem Werthe, welchen vollkommen brauchbare Sachen dieser Art zur Zeit der Uebernehmung gehabt haben, vergütet werden.
§. 286. Doch darf von solchen Effekten, die zum alleinigen persönlichen Gebrauche des Kindes verwendet worden, der Vater, in keinem Falle, weder den Verbrauch, noch die Abnutzung vertreten.
§. 287. Kosten, welche der Vater auf die Kinder verwendet hat, werden denenselben auf die Substanz ihres eigenthümlichen Vermögens nicht angerechnet.
§. 288. Selbst bey der eigentlichen Ausstattung findet dergleichen Anrechnung in der Regel nicht statt.
§. 289. Wann aber der Vater ausdrücklich erklärt hat, daß dergleichen Verwendungen den Kindern auf ihr eigenthümliches Vermögen angerechnet werden sollen: so müssen diese sich die Anrechnung in so weit gefallen lassen, als die Verwendungen den Nießbrauch, welchen der Vater von ihrem Vermögen gehabt hat, übersteigen.
§. 290. Es wird aber alsdann eine deutliche, bestimmte, und gewisse, wenn gleich nur mündliche, Willenserklärung des Vaters erfordert.
§. 291. Die bloße Anzeichnung der auf ein Kind verwendeten Kosten ist für eine solche Erklärung nicht zu achten.
§. 292. Hat der Vater Kindern, die eignes Vermögen besitzen, bey ihrer Verheirathung oder anderweitigen Niederlassung, außer der eigentlichen Ausstattung, einen Brautschatz oder Mitgabe zugewendet: so gilt die rechtliche Vermuthung, daß es aus dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder geschehen sey. (§. 245.)
§. 293. Dergleichen besondere Mitgabe muß sich also das Kind auf sein Vermögen anrechnen lassen; in so fern nicht der Vater das Gegentheil deutlich und bestimmt erklärt hat.
§. 294. Auch der Erbschatz, welcher für die durch den Tod Eines der Aeltern getrennten Ehe bestellt worden, muß von dem Nachlasse des Verstorbenen abgesondert werden.
§. 295. Das Eigenthum desselben fällt den Abkömmlingen aus dieser Ehe nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu.
§. 296. Jeder derselben kann über seinen Antheil, als über sein freyes Eigenthum, jedoch mit Vorbehalt des dem letztlebenden Ehegatten zukommenden Nießbrauchs, verfügen. (Tit. I. §. 288. sqq.)
§. 297. Haben einige Kinder aus dem Erbschatze eine Ausstattung erhalten: so muß den andern eben so viel, vor der Theilung, zum Voraus bezahlt werden. (Ebend. §. 299.)
§. 298. Reicht der noch vorhandene Theil des Erbschatzes nicht hin, um die unausgestatteten Kinder den ausgestatteten gleich zu setzen: so muß das Fehlende aus dem Vermögen oder Nachlasse des Ausstattenden als eine Schuld ergänzt werden.
§. 299. Kann dieses, wegen Unzulänglichkeit des Vermögens oder Nachlasses, nicht geschehen: so müssen die ausgestatteten Kinder, nach Verhältniß des Empfangenen, so viel zurückgeben, daß ihre Geschwister zur gleichen Theilnahme mit ihnen an dem Erbschatze gelangen können.
2) Gesetzliche Erbfolge der Kinder des ersten Grades.
§. 300. Wenn nun nach obigen Anweisungen (§. 273-299.) von dem Nachlasse des Verstorbenen dasjenige, was zu seiner Erbschaft nicht gehört, abgesondert worden: so gelangen in das Uebrige seine sämmtlichen aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder zur Erbfolge.
§. 301. In wie fern der überlebende Ehegatte mit den Kindern zugleich an der Erbschaft Theil nehme, ist im Ersten Titel §. 623. 624. verordnet.
§. 302. Kinder beerben ihre Aeltern zu gleichen Theilen.
Ausgleichung unter denselben wegen der Ausstattungen und anderer Zuwendungen.
§. 303. Haben einige Kinder von dem Erblasser, bey dessen Lebenszeit, etwas zur Ausstattung erhalten: so muß jedem der übrigen eben so viel aus der Erbschaft, vor deren Theilung, zum Voraus verabfolgt werden.
§. 304. Unter Ausstattung wird hier alles verstanden, was Kinder bey ihrer Verheirathung, bey Errichtung einer besondern Wirthschaft, bey Anstellung eines eignen Gewerbes, oder bey Uebernehmung eines Amts, von den Aeltern erhalten haben.
§. 305. Die Mitgabe der Töchter; ein für sie oder die Söhne aus dem Vermögen der Aeltern bestellter Erbschatz; Ehevermächtniß; Gegenvermächtniß oder Witthum; die Kosten einer dem Kinde zu seiner Versorgung angekauften Präbende, oder andern Rente; die Brautgeschenke; und überhaupt alles, was von den Aeltern zu dem Ende gegeben worden, damit das Kind in den Stand gesetzt werde, seine Heirath zu vollziehen, oder die abgesonderte Wirthschaft, das Gewerbe oder Amt anzutreten, gehören in diesem Verstande zur Ausstattung.
§. 306. Ob dergleichen Ausstattung noch vorhanden sey, oder nicht, macht bey der Erbtheilung in der Regel keinen Unterschied. (§. 347.)
§. 307. Zinsen oder andere Nutzungen aber kommen dabey niemals in Anrechnung.
§. 308. Eine durch schriftlichen Vertrag versprochene, aber noch nicht wirklich gegebene Ausstattung, wird als Schuld von dem Nachlasse abgezogen; und hat übrigens mit der wirklich gegebenen gleiche Rechte.
§. 309. Sind mehrere Kinder ausgestattet, und haben sie dazu nicht gleich viel erhalten: so können die weniger Begünstigten das zur völligen Ausgleichung Erforderliche aus der Erbschaft voraus verlangen.
§. 310. Wird die Erbschaft durch diese Ausgleichung der entweder noch gar nicht, oder minder reichlich ausgestatteten Kinder mit den reichlicher versorgten erschöpft: so bleiben letztere von der Theilung ausgeschlossen.
§. 311. Die übrigen entweder noch gar nicht, oder minder reichlich versorgten Kinder theilen sich alsdann in die Erbschaft dergestalt, daß unter ihnen die möglichste Gleichheit beobachtet werde.
§. 312. Die von dem Erblasser bey seiner Lebenszeit ausgestatteten Kinder, dürfen von dem Erhaltenen an ihre Geschwister niemals etwas herausgeben.
§. 313. Ist jedoch in dem Nachlasse des verstorbenen Vaters nicht so viel vorhanden, daß die noch unversorgten Kinder die §. 232. 233. beschriebene nothdürftige Ausstattung daraus erhalten können: so müssen ihre versorgten Geschwister das daran Fehlende ergänzen.
§. 314. Sind mehrere aussgestattete Geschwister vorhanden: so müssen sie zu dieser Austattung der noch unversorgten, nach Verhältniß des Empfangenen, beytragen.
§. 315. Doch kann keinem derselben ein höherer Beytrag, als ein Drittel der selbst erhaltenen Ausstattung, abgefordert werden.
§. 316. Dieser den unversorgten Geschwistern von den ausgestatteten zu leistende Beytrag, muß zwar sogleich bey der Erbtheilung ausgemittelt und festgesetzt werden;
§. 317. Doch bleibt dasselbe bey denjenigen, die ihn zu leisten haben, so lange ohne Verzinsung stehen, bis der Fall, wo die unversorgten Geschwister wirklich ausgestattet werden sollen, eintritt.
§. 318. Bis dahin haben die unausgestatteten Kinder, zur Sicherheit dieses Beytrags, in dem Vermögen der ausgestatteten das Vorrecht der Fünften Classe, vom Tage der erfolgten Erbtheilung.
§. 319. Stirbt das unausgestattete Kind, ehe es der Ausstattung wirklich bedarf: so fällt der ausgesetzte Beytrag in das Vermögen desjenigen, der zu dessen Leistung verbunden war, zurück.
§. 320. Ein Gleiches findet statt, wenn das unversorgte Kind, durch Erbschaften oder andere Glücksfälle, sich in solchen Umständen befindet, oder auch nach des Vaters Tode darein versetzt wird, daß es zu seiner nothdürftigen Ausstattung eines Beytrags der Geschwister nicht bedarf.
§. 321. Dagegen müssen aber auch Geschwister, die bey des Vaters Lebenszeit versorgt worden, die Kosten der nothdürftigen Erziehung und Verpflegung ihrer noch unerzogenen von dem Vater hülflos zurückgelassenen Geschwister übernehmen.
§. 322. Doch tritt die §. 313. sqq. bestimmte Verbindlichkeit der versorgten Geschwister zur Erziehung, Verpflegung und Ausstattung der noch unversorgten nur in so fern ein, als diese dergleichen Unterstützung auch von der Mutter nicht erhalten können. (§. 236. sqq.)
§. 323. Die §. 303. beschriebene Ausgleichung wegen der Ausstattungen geschieht nur zwischen den Kindern unter sich; und geht den miterbenden überlebenden Ehegatten nichts an.
§. 324. Dieser nimmt also den ihm zukommenden Erbtheil aus der Masse, ehe noch die Ausgleichungssummen für die unausgestatteten Kinder davon abgezogen werden.
§. 325. Dagegen kann aber auch der überlebende Ehegatte den ausgestatteten Kindern niemals etwas anrechnen, noch von ihnen zurückfordern.
§. 326. Hat jedoch ein in der Gütergemeinschaft lebender Ehemann seine Kinder aus frühern Ehen, während einer folgenden, ohne Einwilligung der Ehefrau reichlich ausgestattet; und beträgt, nach seinem Abgange, das gemeinschaftliche Vermögen nicht so viel, daß die Ehefrau wenigstens das, was sie in die Gemeinschaft gebracht hat, zurückerhalten kann: so müssen ihr die ausgestatteten Kinder das Fehlende so weit, und in dem Verhältnisse ersetzen, wie sie mehr, als die eigentliche Nothdurft, zur Ausstattung erhalten haben.
§. 327. Alles, was von der Ausstattung der Kinder, und der deshalb unter ihnen zu treffenden Gleichheit vorstehend §. 303. sqq. verordnet ist, gilt auch in Ansehung der denselben von dem Erblasser gemachten Geschenke.
§. 328. Doch ist dieses nur auf solche Schenkungen zu deuten, die in Grundstücken, Gerechtigkeiten, oder ausstehenden Capitalien bestanden haben.
§. 329. Auf alles Uebrige, was außer der Ausstattung, und den vorbeschriebenen Schenkungen, ein und anderes Kind von den Aeltern, bey deren Lebenszeit, erhalten hat, wird bey der Theilung des Nachlasses, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, keine Rücksicht genommen.
§. 330. Doch haben, wegen des Widerrufs übermäßiger Schenkungen, die andern Kinder, so wie der überlebende Ehegatte, gegen das beschenkte Kind eben die Rechte, wie gegen einen Fremden. (Th. I. Tit. XI. §. 1091. sqq.)
Grundsätze zu Bestimmung des Betrags dieser Ausstattungen und Zuwendungen.
§. 331. Der Betrag desjenigen, was einige Kinder bey des Erblassers Lebenszeit von ihm erhalten haben, und den übrigen Kindern, nach vorstehenden Grundsätzen, aus dem Nachlasse zum voraus gebühret, soll nach folgenden Regeln bestimmt werden.
§. 332. Sind baare Gelder oder ausstehende Capitalien gegeben worden: so ist deren eigentlicher Betrag auszumitteln.
§. 333. Sind Grundstücke oder Gerechtigkeiten, ohne Bestimmung eines Werths, gegeben worden: so muß der Werth, welchen sie zur Zeit der Zuwendung gehabt haben, nach dem damaligen Ertrage derselben ausgemittelt werden.
§. 334. Kann dieser Ertrag, aus Mangel an Nachrichten, nicht mit hinlänglicher Zuverläßigkeit bestimmt werden: so dient der ehemalige Erwerbungspreis, für welchen, der Erblasser das Grundstück oder die Gerechtigkeit an sich gebracht hat, zum Maaßstabe.
§. 335. Doch bleibt den Parteyen der Nachweis offen: daß und um wie viel das Grundstück, während der Besitzzeit des Erblassers, bis zur Zuwendung an das damit ausgestattete oder beschenkte Kind, an seiner Substanz verbessert oder verringert worden.
§. 336. Hat der Erblasser, bey der Zuwendung des Grundstücks oder der Gerechtigkeit, einen gewissen Werth bestimmt; so muß dieser zur Richtschnur angenommen werden.
§. 337. Auf die Angabe der Parteyen, daß dieser Werth zu hoch oder zu niedrig sey, ist in der Regel keine Rücksicht zu nehmen.
§. 338. Ist jedoch der angeschlagene Werth dergestalt offenbar zu niedrig, daß der wahre Werth zur Zeit der Zuwendung, den Anschlag um mehr als die Hälfte übersteigt: so muß das ausgestattete Kind sich die Hälfte des eigentlichen Werths statt des Anschlages anrechnen lassen.
§. 339. Sobald daher die übrigen Kinder eine erhebliche Abweichung des angeschlagenen von dem wirklichen Werthe einigermaßen bescheinigen können, sind sie auf die Ausmittelung des letztern, nach den Vorschriften §. 333-335., anzutragen wohl befugt.
§. 340. Ein Kind, welches ein Grundstück, oder eine Gerechtigkeit, für einen von dem Erblasser bestimmten Werth einmal übernommen hat, kann diese Bestimmung unter dem Vorwande, daß sie zu hoch sey, niemals anfechten.
§. 341. Hat aber der Erblasser den Werth, nach der Uebernehmung, bloß einseitig bestimmt: so ist das Kind auf die Ausmittelung des wahren Werths, zur Zeit der Uebernehmung, anzutragen berechtigt.
§. 342. Alsdann hat das ausgestattete Kind die Wahl: ob es das Grundstück für den ausgemittelten Werth behalten, und sich denselben anrechnen lassen, oder ob es das Grundstück selbst zur Masse zurückgeben, und alsdann mit seinen Geschwistern gleich theilen wolle.
§. 343. Wählt es das letztere: so muß es die seit der Uebernahme entstandenen Verringerungen, gleich einem redlichen Besitzer, zur Masse vergüten.
§. 344. Verbesserungen kann es gegen solche Verringerungen nur compensiren; nicht aber Ersatz dafür aus der Masse fordern.
§. 345. Sind Mobilien zur Ausstattung gegeben worden, und der Erblasser hat den Werth derselben zum Behufe der Anrechnung bestimmt: so dient dieser Anschlag zur alleinigen Richtschnur.
§. 346. Ist keine solche Bestimmung des Erblassers vorhanden: so muß der Werth nur so, wie er zur Zeit der Erbtheilung wirklich ist, angeschlagen werden.
§. 347. Auf Stücke, die durch den Gebrauch oder sonst, ohne eignes grobes Versehen des ausgestatteten Kindes, vernichtet oder verloren worden, wird bey der Anrechnung der Ausstattungen keine Rücksicht genommen.
3) Gesetzliche Erbfolge der Enkel und übrigen Abkömmlinge weiterer Grade.
§. 348. Enkel und Abkömmlinge weiterer Grade gelangen zur Erbfolge nach den Linien, in welchen sie von dem Erblasser abstammen.
§. 349. Sind also Kinder des ersten Grades, und Enkel oder Urenkel von andern vor dem Erblasser verstorbenen Kindern vorhanden: so müssen so viel Theile gemacht werden, als Linien sind, die von dem Erblasser unmittelbar entspringen.
§. 350. Ein Gleiches muß geschehen, wenn gar keine Kinder ersten Grades, sondern nur noch lauter Abkömmlinge weiterer Grade vorhanden sind.
§. 351. So wie in den ganzen Nachlaß die unmittelbar von dem Erblasser entspringenden Hauptlinien succediren: so succediren die unter einer Hauptlinie stehenden Unterlinien in den Antheil dieser Hauptlinie.
§. 352. So oft daher in einer Linie der nähere Descendent nicht Erbe seyn kann, oder will, fällt sein Erbrecht auf die von ihm abstammenden weitern Descendenten.
§. 353. Enkel gelangen also zur Erbfolge der Großältern, auch wenn sie ihrer vorher verstorbenen Aeltern Erben nicht geworden sind.
§. 354. Nicht weniger alsdann, wenn ihre Aeltern von den Großältern enterbt worden sind.
§. 355. Ingleichen alsdann, wenn ihre Aeltern der Erbschaft der Großältern entsagt haben.
§. 356. Wie weit ein Kind der Erbschaft seiner Aeltern zum Nachtheile seiner Gläubiger entsagen könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Entsagungen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XVI. Abschn. VII.)
§. 357. Haben Kinder über ihr Erbrecht auf den Nachlaß der Aeltern, durch einen mit den Aeltern selbst, oder auch mit Andern geschlossenen Vertrag verfügt: so können, in so fern sie selbst den Erbanfall erleben, ihre Abkömmlinge dergleichen Vertrag nicht anfechten.
§. 358. Sind aber die Kinder, welche dergleichen Vertrag geschlossen haben, vor wirklich eingetretenem Erbanfalle verstorben: so sind deren Descendenten nur so weit, als sie ihrer Aeltern Erben geworden, an den Vertrag gebunden.
§. 359. In allen Fällen, wo nach den §. 303. sqq. vorgeschriebenen Grundsätzen, eine Ausgleichung unter den Kindern ersten Grades wegen der Ausstattungen und Geschenke erfolgen müßte, muß dieselbe auch unter den Linien geschehen; wenn gleich in einer oder der andern Linie nur entferntere Abkömmlinge zur Erbfolge gelangen.
§. 360. So müssen, z. B., Enkel, die den Großvater unmittelbar beerben, die Ausstattung, die ihr Vater erhalten hat, von dessen Geschwistern sich anrechnen lassen.
§. 361. Dagegen sind aber auch, umgekehrt, Enkel von einem unausgestatteten Kinde, ihres Vaters ausgestatteten Geschwistern das, was diese von dem Erblasser erhalten haben, anzurechnen wohl befugt.
§. 362. Bey dieser Ausgleichung unter den Linien macht es keinen Unterschied: ob die zur Succession gelangenden Abkömmlinge weiterer Grade ihrer unmittelbaren Aeltern Erben geworden sind, oder nicht.
§. 363. Was Enkel oder Abkömmlinge weiterer Grade, während der Lebenszeit ihrer unmittelbaren Aeltern, von den Großältern erhalten haben, kann weder den Aeltern, noch ihnen selbst, bey der Theilung mit den andern Linien, angerechnet werden.
§. 364. Haben aber Großältern, nach dem Tode ihrer Kinder, einem von selbigen hinterlassenen Enkel eine Ausstattung, oder ein nach §. 328. der Anrechnung überhaupt unterworfenes Geschenk zugewendet: so wird dasselbe der Linie, wozu der Ausgestattete oder Beschenkte gehört, allerdings angerechnet.
§. 365. Unter denTheilnehmern in einer und derselben Linie geschieht die Ausgleichung eben so, als wenn der begünstigte Enkel die Ausstattung oder das Geschenk von seinen unmittelbaren Aeltern erhalten hätte.
4) Erbfolge der Descendenten bey der Gütergemeinschaft.
§. 366. Hat der Erblasser in der Gütergemeinschaft gelebt: so finden, wegen der Auseinandersetzung, zwischen den hinterlassenen Ehegatten und den Kindern, die Vorschriften des Ersten Titels §. 635. sqq. Anwendung.
§. 367. In demjenigen, was nach diesen Vorschriften der Nachlaß des Verstorbenen ausmacht, erben dessen Abkömmlinge eben so, als vorstehend wegen der gesetzlichen Erbfolge nach gemeinem Rechte verordnet ist.
§. 368. Doch steht den Aeltern frey, die Kinder schon bey ihrer Lebenszeit wegen des Erbrechts an den künftigen Nachlaß abzufinden.
§. 369. Dergleichen Abfindung muß aber durch einen förmlichen Erbvertrag festgesetzt werden.
§. 370. Der Regel nach erstreckt sich die Abfindung nur auf den Nachlaß desjenigen von beyden Aeltern, welcher zuerst verstirbt.
§. 371. Sie geht aber auf alles, was dieser zuerst Versterbende an freyem Vermögen hinterläßt; es mag in die Gemeinschaft gekommen seyn, oder nicht.
§. 372. In der Regel wird angenommen, daß die Abfindung nur zu Gunsten des überlebenden Ehegatten geschehen sey.
§. 373. Stirbt also eins von den abfindenden Aeltern: so kann das abgefundene Kind an den Nachlaß desselben gar keinen Anspruch machen.
§. 374. Vielmehr verbleibt dasjenige, was ihm etwa noch von diesem Nachlasse, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, zukommen würde, dem Ueberlebenden der Aeltern.
§. 375. Stirbt aber auch dieser: so beerbt ihn das abgefundene Kind eben so, als wenn gar keine Abfindung geschehen wäre.
§. 376. Sind alsdann abgefundene und unabgefundene Kinder vorhanden: so geschieht zwischen denselben die Ausgleichung, wegen der Abfindung der erstern, und der aus dem Nachlasse des erstverstorbenen Ehegatten erhaltenen Erbtheile der letztern, nach eben den Regeln, welche §. 303. sqq. wegen der Ausstattungen vorgeschrieben sind.
§. 377. Soll durch einen solchen Abfindungsvertrag ein Kind von dem Nachlasse beyder Aeltern, auch zu Gunsten seiner übrigen Geschwister, oder eines Dritten, ausgeschlossen werden: so ist der Vertrag nach den wegen der Erbverträge zwischen Aeltern und Kindern überhaupt vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen.
5) Erbfolge der Descendenten aus letztwilligen Verordnungen.
§. 378. Von vorstehenden Gesetzen über die Erbfolge der Kinder und weitern Abkömmlinge (§. 300-376.) können die Aeltern durch letztwillige Verordnungen abweichen.
§. 379. Soll dadurch den Kindern und weitern Abkömmlingen ihr Erbrecht genommen werden: so muß dergleichen letztwillige Verordnung mit allen gesetzlichen Erfordernissen eines gültigen Testaments versehen seyn. (§. 431.)
§. 380. a) Betrifft hingegen die Verordnung nur die Grundsätze, oder die Art der Theilung unter den Kindern: so ist es genug, wenn sie nur von dem Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben, oder vor einem Justizcommissario und zweyen Zeugen mündlich zum Protocolle erklärt worden.
§. 380. b) Auch ist es zur Gültigkeit einer solchen Verordnung unter den Kindern hinreichend, wenn der Erblasser eine zwar nicht von ihm selbst geschriebene, aber doch auf allen Blättern und am Schlüsse unterschriebene Disposition, vor einem Justizcommissario und zweyen Zeugen, als die seinige, unter der ausdrücklichen Versicherung, sie vorher durchgelesen zu haben, anerkennt, und dies Anerkenntniß unter dem Originale gehörig verzeichnet wird.
§. 380. c) Ist in diesem Falle (§. 380. b.) der Verordnende aus dem Bauer- oder gemeinen Bürgerstande: so muß der Justizcommissarius sich vergewissern, daß derselbe Geschriebenes lesen könne; und wie solches geschehen, in der aufzunehmenden Registratur mit bemerken.
§. 380. d) Doch schadet die Unterlassung dieses Vermerks der Gültigkeit der Verordnung nichts, wenn nur die Fähigkeit des Verordnenden, Geschriebenes zu lesen, auf andre Art nachgewiesen werden kann.
§. 381. Ist in einer solchen ohne die Förmlichkeiten eines eigentlichen Testaments abgefaßten letztwilligen Verordnung (§. 380. a. 380. b), zu Gunsten des überlebenden Ehegatten, oder auch eines Dritten, etwas verfügt: so wird dasselbe für nicht geschrieben angesehn.
§. 382. Die Verordnung selbst aber bleibt, so weit sie die Kinder betrifft, dennoch bey Kräften.
§. 383. Aeltern können durch letztwillige, entweder in der Form eines wirklichen Testaments, oder auch einer privilegirten Disposition unter Kindern, abgefaßte Verordnungen, ihren Nachlaß unter die Kinder ungleich vertheilen.
§. 384. Sie können verfügen, daß die noch Unausgestatteten vor den Ausgestatteten weniger, als die Ausstattungen oder Schenkungen der letzern betragen, oder auch gar nichts zum Voraus nehmen sollen.
§. 385. Sie können bestimmen: wie hoch die Ausstattungen oder Schenkungen, die einige Kinder von ihnen erhalten haben, bey der Theilung mit den übrigen angerechnet werden sollen.
§. 386. Sie können eins oder das andere von den Kindern verpflichten, sich auch solche von ihnen erhaltene Gelder oder Sachen, oder auf sie verwendete Kosten, auf ihren Erbtheil anrechnen zu lassen auf welche sonst bey der gesetzlichen Erbfolge keine Rücksicht genommen wird. (§. 329.)
§. 387. Wenn jedoch die Aeltern dergleichen Anrechnung (§. 385. 386.) verordnen: so müssen sie den Betrag entweder in der Disposition selbst, oder durch Bezug auf eine von ihnen anderswo geschehene Anzeichnung, hinlänglich bestimmen.
§. 388. Ermangelt diese Bestimmung: so wird der Befehl der Anrechnung selbst für nicht geschrieben geachtet.
§. 389. Auch durch letztwillige Verordnungen können Aeltern ein Kind nicht verpflichten, etwas von demjenigen, was dasselbe einmal von ihnen eigenthümlich erhalten hat, wieder heraus zu geben.
§. 390. Was in der letztwilligen Verordnung der Aeltern nicht bestimmt ist, muß nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge beurtheilt werden.
§. 391. Alles, was vorstehend §. 383. sqq. von der Befugniß der Aeltern, über ihr Vermögen unter den Kindern nach Willkühr zu verfügen, festgesetzt ist, versteht sich jedoch mit Vorbehalt des den Kindern zukommenden Pflichttheils.
§. 392. Der Pflichtteil ist, wenn nur Ein oder nur Zwey Kinder vorhanden sind, Ein Drittel; wenn Drey oder Vier Kinder vorhanden sind, die Hälfte, und wenn mehr als Vier Kinder vorhanden sind, Zwey Drittel desjenigen, was jedes Kind zum Erbtheile erhalten haben würde, wenn die gesetzliche Erbfolge statt gefunden hätte.
§. 393. Nur der wirkliche Beytrag der erhaltenen Ausstattung, und der §. 328. beschriebenen Geschenke, ist ein Kind sich auf diesen Pflichttheil anrechnen zu lassen schuldig. (§. 331. sqq.)
§. 394. Durch andre Anrechnungen können die Aeltern denselben nicht schmälern.
§. 395. Hat jedoch der Erblasser für einen seiner Abkömmlinge Schulden, zu deren Anerkennung er nach den Gesetzen nicht verpflichtet war, dennoch bezahlt: so ist er das Gezahlte demselben auch auf seinen Pflichttheil anzurechnen wohl befugt.
§. 396. Alles was einem Kinde auf den Sterbefall, es sey unter welchen Namen es wolle, von den Aeltern zugewendet wird, ist auf den Pflichttheil anzurechnen.
§. 397. Gerade, Niftel, Heergeräthe, Lehne, Fideicommisse, und überhaupt alles, was die Kinder nicht von den Aeltern, sondern nur durch die Aeltern erhalten, ist darunter nicht mit begriffen.
§. 398. Der Pflichttheil kann mit Bedingungen oder andern Einschränkungen nicht belastet werden.
§. 399. Doch sollen die Aeltern zur gänzlichen Enterbung eines Kindes berechtigt seyn: 1) wenn dasselbe des Hochverraths, oder des Lasters der beleidigten Majestät gegen die Person des Oberhaupts im Staate, schuldig erkannt worden;
§. 400.2) Wenn es einem der leiblichen oder Stiefältern nach dem Leben getrachtet hat;
§. 401. 3) Wenn es Eins der leiblichen Aeltern eines Verbrechens, auf welches eine härtere als Geld- oder bloße bürgerliche Gefängnißstrafe verordnet ist, wider besseres Wissen, fälschlich in Gerichten angeschuldigt hat;
§. 402.4) Wenn es sich an einem der leiblichen Aeltern mit Thätlichkeiten, außer dem Falle einer wirklichen Nothwehr, vergriffen hat;
§. 403.5) Wenn es die Ehre des Erblassers mit groben Schmähungen angetastet hat.
§. 404. Ob die §. 400-403. beschrieben Beleidigungen den Aeltern von dem Kinde unmittelbar, oder durch Andre zugefügt worden, macht keinen Unterschied.
§. 405. 6) Wenn Kinder mit dem andern Theile der leiblichen oder Stiefältern blutschänderischen oder ehebrecherischen Umgang gepflogen haben;
§. 406. 7) Wenn das Kind durch grobe Verbrechen dem Erblasser einen beträchtlichen Theil seines Vermögens entzogen hat.
§. 407. Für beträchtlich wird ein solcher Schade angesehen, wenn er wenigstens den Betrag des dem Kinde sonst zukommenden Pflichttheils erreicht.
§. 408. 8) Wenn das Kind den Erblasser, als derselbe nothleidend gewesen, nicht hat unterstützen wollen.
§. 409. 9) Wenn es, bey erhaltener ehrbaren Erziehung, durch grobe Laster, schändliche Aufführung, oder durch die Wahl einer niederträchtigen Lebensart, sich bey seinen Standesgenossen öffentlich entehrt hat.
§. 410. Nur aus diesen §. 399-409. angeführten, nicht aber aus andern, wenn auch demselben gleich oder ähnlich scheinenden Ursachen, kann die gänzliche Enterbung eines Kindes statt finden.
§. 411. Aus eben diesen Ursachen können die Aeltern dem Kinde den Pflichttheil schmälern.
§. 412. Daß Aeltern ein Kind, welches ohne ihre ertheilte, oder von dem Richter ergänzte Einwilligung heirathet, bis auf die Hälfte des Pflichttheils enterben können, ist im Ersten Titel §. 1008. 1010. 1012. verordnet.
§. 413. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Kind durch unehelichen Beyschlaf die Einwilligung der Aeltern in seine Heirath hat erzwingen wollen.
§. 414. Die in einem Testamente geschehene Enterbung besteht so lange, als der Erblasser dies Testament nicht widerrufen, oder seinen Willen, die Enterbung wieder aufzuheben, nicht deutlich erklart hat.
§. 415. Dergleichen Erklärung muß, in Ansehung der äußern Form, wenigstens mit den bey einer letztwilligen Verordnung unter Kindern §. 380. vorgeschriebenen Erfordernissen versehen seyn.
§. 416. Die bloße Versöhnung mit dem Kinde, so wie dessen Wiederaufnehmung in das väterliche Haus, ist für einen Widerruf der Enterbung noch nicht zu achten.
§. 417. Ein rechtmäßig enterbtes Kind wird bey Berechnung des Pflichttheils der übrigen mitgezählt.
§. 418. Aus eben den Gründen, warum Aeltern ihren Kindern den Pflichttheil zu nehmen, oder zu schmälern berechtigt sind, können sie auch denselben mit Bedingungen belasten, oder die Verfügung des Kindes darüber sowohl unter Lebendigen, als von Todeswegen, einschränken.
Von der Enterbung aus guter Absicht.
§. 419. Außerdem können Aeltern die Kinder in der Verfügung über den Pflichttheil alsdann einschränken, wenn das Kind dergestalt in Schulden versunken ist, daß durch selbige sein Pflichttheil ganz, oder doch so weit, daß ihm davon der nöthige Unterhalt übrig bliebe, verzehrt werden würde.
§. 420. Ferner alsdann, wenn das Kind sich einer unordentlichen und verschwenderischen Wirthschaft schuldig gemacht hat.
§. 421. Endlich, wenn das Kind wegen Wahn- oder Blödsinnes, seinen Sachen selbst vorzustehen, unfähig ist.
§. 422. In allen Fällen aber muß die gesetzmäßige Ursache der Einschränkung ausdrücklich angeführt seyn.
§. 423. Aus einer solchen gesetzmäßigen Ursache können Aeltern dem Kinde die Verfügung unter Lebendigen, auch in Ansehung des Pflichttheils, gänzlich untersagen.
§. 424. Sie können verordnen, daß die gegenwärtigen und künftigen Gläubiger des Kindes sich an die Substanz des Erbtheils zu halten nicht berechtigt seyn sollen.
§. 425. Sie können aber dem Kinde den Nießbrauch des Pflichttheils nicht entziehen.
§. 426. Auch können sie dasselbe in der Verfügung auf den Todesfall, in Ansehung des Pflichttheils, nur zum Besten seiner Abkömmlinge einschränken.
§. 427. Doch können sie ihm, wenn er ohne Kinder versterben sollte, seine Geschwister, und deren Abkömmlinge, auch im Pflichttheile substituiren.
§. 428. Wenn Aeltern ihre Kinder solchergestalt in der Verfügung über ihren Antheil eingeschränkt haben: so muß der Richter dergleichen Einschränkungen auf die unbeweglichen Güter eintragen lassen; dieselben öffentlich bekannt machen; auch, nach Befinden der Umstände, dem Kinde einen Curator bestellen.
§. 429. Auf den nach §. 425. dem Kinde verbleibenden Nießbrauch können die Gläubiger desselben nur in so fern Anspruch machen, als er zum nothdürftigen Unterhalte des Kindes nicht erforderlich ist.
§. 430. Verlassen Aeltern einem Kinde sein volles Erbtheil; verfügen aber dabey, daß selbiges für die Enkel erhalten werden soll: so muß das Kind sich dieser Verordnung unterwerfen, und kann statt dessen den Pflichttheil nicht wählen.
§. 431. Alle letztwillige Verfügungen, wodurch den Kindern ihr Pflichttheil genommen, geschmälert, oder belastet werden soll, müssen, bey Strafe der Richtigkeit, in der Form eines wirklichen Testaments abgefaßt seyn; und die Form einer privilegirten Disposition unter Kindern ist dazu nicht hinreichend.
Rechtliche Folgen einer widergesetzlichen Enterbung oder Uebergehung.
§. 432. Behauptet ein in seinem Pflichttheile enterbtes, verkürztes, oder sonst belastetes Kind, daß ihm ein solcher Nachtheil aus einer nicht gesetzmäßigen, oder nicht gegründeten Ursache zugefügt worden: so muß demselben rechtliches Gehör darüber verstattet werden.
§. 433. Findet der Richter die Beschwerde gegründet: so muß dem Kinde sein Pflichttheil aus der Erbschaft verabfolgt, oder ergänzt, oder die darauf gelegte Last oder Einschränkung durch Urtel und Recht für aufgehoben erklärt werden.
§. 434. Zur Entrichtung oder Ergänzung des einem solchen Kinde zukommenden Pflichttheils, müssen die übrigen Erben und Legatarien nach Verhältniß ihrer Portionen beytragen.
§. 435. Hat aber der Erblasser den dem enterbten Kinde entzogenen Erbtheil einem der Miterben oder Legatarien ausdrücklich beschieden: so muß dieser allein das zur Ungebühr enterbte Kind abfinden.
§. 436. In allen andern die Enterbung nicht betreffenden Stücken bleibt die letztwillige Verordnung bey Kräften.
§. 437. Was im Vorstehenden von Enterbung der Kinder verordnet ist, gilt auch von Enkeln und andern Abkömmlingen weiterer Grade, in so weit denselben ein gesetzmäßiges Erbrecht zusteht.
§. 438. Wenn der Enterbte das Testament einmal ausdrücklich anerkannt hat: so kann er dasselbe in der Folge nicht mehr anfechten.
§. 439. Die bloße Annahme eines im Testamente ausgesetzten Vermächtnisses ist für ein solches Anerkenntniß noch nicht zu achten.
§. 440. Wenn der Enterbte die Verfügung der Aeltern zwey Jahre lang, nachdem er Kenntniß davon erhalten, gerichtlich nicht angefochten hat: so ist seine Befugniß dazu durch Verjährung erloschen.
§. 441. Haben Aeltern ein Kind zwar enterbt, aber gar keine Ursache der Enterbung, oder einen nicht gesetzmäßigen Grund angeführt: so finden die Vorschriften §. 432-436. Anwendung.
§. 442. Eben das gilt, wenn ein Kind oder Enkel in der letzten Willensverordnung ganz mit Stillschweigen übergangen worden.
§. 443. Ist aber ein im Testamente eingesetztes Kind vor dem Erblasser verstorben: so treten dessen Abkömmlinge ganz an seine Stelle, wenn auch ihrer im Testamente nicht ausdrücklich gedacht wäre.
§. 444. Wenn erhellet, daß die Uebergehung eines Kindes oder Enkels nur daher rühre, weil der Erblasser das Daseyn desselben nicht gewußt; oder selbiges aus Irrthum für todt gehalten habe: so muß der Uebergangene aus dem Nachlasse so viel erhalten, als im Testamente dem am mindesten begünstigten Erben ausgesetzt worden.
§. 445. Ist nur Ein Erbe, oder sind mehrere zu gleichen Theilen eingesetzt: so muß der Uebergangene so viel, als jeder der Eingesetzten erhalten.
§. 446. Ist dem am wenigsten Begünstigten weniger beschieden, als der Pflichttheil des Uebergangenen ausmachen würde: so muß letzterer den Pflichttheil erhalten.
§. 447. Zu dieser Abfindung des Uebergangenen müssen die eingesetzten Erben und Legatarien, nach Vorschrift §. 434., beytragen.
§. 448. Auch der minder Begünstigte, welchem der Uebergangene gleich gesetzt werden soll, kann sich diesem Beytrage, nach Verhältniß seiner Erbquote, nicht entziehn.
§. 449. In allen andern Stücken bleibt auch eine solche letzte Willensverordnung (§. 444.) bey Kräften.
§. 450. Ist jedoch der aus Irrthum Uebergangene nach errichtetem Testamente zurückgekehrt; oder sonst dem Erblasser das Daseyn oder Leben dasselben erweislich bekannt geworden; und hat der Erblasser nach diesem Zeitpunkte Ein Jahr verstreichen lassen, ohne in Ansehung seiner etwas zu verfügen: so verliert das Testament seine Kraft.
§. 451. Es wird also in einem solchen Falle den Kindern die gesetzliche Erbfolge eröffnet.
§. 452. Wird ein Abwesender, welcher im Testamente übergangen worden, erst nach erfolgtem Erbanfalle, weil der eigentliche Zeitpunkt seines Ablebens nicht ausgemittelt werden kann, durch Urtel und Recht für todt erklärt: so kann wegen dieser später erfolgten Todeserklärung, doch noch nicht angenommen werden, daß er den Erbanfall erlebt habe.
§. 453. Vielmehr muß die Befugniß seiner etwanigen Erben, auf den Nachlaß des Testators aus dem §. 444. Anspruch zu machen, lediglich nach der Vorschrift des Ersten Theils Tit. I. §. 38. beurtheilt werden.
§. 454. Werden dem Erblasser nach errichtetem Testamente, Kinder oder Enkel, die zur unmittelbaren Erbfolge berechtigt sind, geboren; und er verstirbt nach Verlauf Eines Jahres, ohne in Ansehung ihrer etwas verfügt zu haben: so finden die Vorschriften §. 450. 451. Anwendung.
§. 455. Ist aber der Erblasser vor Ablauf Eines Jahres nach der Geburt eines solchen Kindes oder Enkels verstorben: so bleibt es bey den Vorschriften §. 444-449.
§. 456. Hat Jemand, nach errichtetem Testamente, einen Andern förmlich an Kindesstatt angenommen, ohne wegen der Erbfolge desselben etwas verfügt zu haben: so verliert das Testament eben dadurch seine Kraft.
Pflichtteil der Kinder aus geschiednen Ehen.
§. 457. Nur in einem einzigen Falle sind Aeltern schuldig, ihren Kindern, noch bey Lebenszeiten, einen Pflichttheil auszusetzen.
§. 458. Wenn nähmlich bey Ehescheidungen Einer von den Aeltern für den schuldigen Theil erklärt wird: so muß er den aus solcher Ehe erzeugten Kindern so viel aussetzen, als ihr Pflichttheil betragen haben würde, wenn die Ehe durch seinen Tod wäre getrennt worden.
§. 459. Bey der Berechnung dieses Pflichttheils kommt das Vermögen des Schuldigen nur nach Abzug der dem Unschuldigen daraus gebührenden Abfindung in Anschlag.
§. 460. Findet sich bey der Scheidung, daß beyde Aeltern in gleichem Grade schuldig sind: so muß den Kindern ihr Pflichttheil aus beyder Vermögen angewiesen werden.
§. 461. Dieser den Kindern ausgesetzte Pfiichttheil wird das wahre Eigenthum derselben.
§. 462. Doch bleibt demjenigen, aus dessen Vermögen der Aussatz geschehen ist, die Verwaltung und der Nießbrauch davon auf Lebenslang.
§. 463. Sicherheit darf er dafür nur in denjenigen Fällen leisten, wo ein Vater dergleichen für das eigenthümliche Vermögen der Kinder zu bestellen schuldig ist.
§. 464. Ist keine besondere Sicherheit bestellt worden: so haben die Kinder deshalb in dem Vermögen des Aussetzenden eben das Vorrecht, was ihnen die Gesetze, wegen ihres eigenthümlichen nicht freyen Vermögens, in den Gütern des Vaters beylegen.
§. 465. So lange derjenige, aus dessen Vermögen der Pflichttheil ausgesetzt worden, noch am Leben ist, können die Kinder, weder unter Lebendigen, noch von Todeswegen, darüber verfügen.
§. 466. Doch vererben sie denselben auf ihre Abkömmlinge, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
§. 467. Stirbt ein solches Kind ohne erbfähige Abkömmlinge: so wächst der Pflichttheil seinen vollbürtigen Geschwistern und deren Abkömmlingen zu.
§. 468. Sind dergleichen Geschwister oder Geschwister Kinder nicht vorhanden: so fällt derselbe in das Vermögen des Aussetzenden zurück; und der andre Theil der geschiednen Aeltern hat darauf keinen Anspruch.
§. 469. Geht ein noch nicht ausgestattetes Kind, welchem der Pfiichttheil ausgesetzt worden, aus der väterlichen Gewalt, und errichtet eine besondere Wirthschaft: so kann es die Ausantwortung der ausgesetzten Summe, statt der ihm sonst gebührenden Ausstattung fordern.
§. 470. Alsdann erlangt es darüber ein uneingeschränktes Eigenthum.
§. 471. Durch die vorläufige Aussetzung des Pflichttheils werden die Kinder von der künftigen Erbfolge der geschiedenen Aeltern nicht ausgeschlossen.
§. 472. Ist der, welcher ihnen den Pflichttheil hat aussetzen müssen, ohne letztwillige Verordnung gestorben: so haben sie in seinem Nachlasse ein volles gesetzliches Erbrecht, gleich jedem andern Verwandten in absteigender Linie.
§. 473. Auch ihnen ist ein solcher Erblasser, wenn er letztwillig verfügen will, wenigstens den Pflichttheil aus seinem alsdann vorhandnen Vermögen zu hinterlassen verbunden.
§. 474. Den bey der Scheidung ausgesetzten Pflichttheil nehmen sie aus dem Nachlasse gleich einer Schuld.
§. 475. Nur in dem einzigen Falle, wenn Halbgeschwister vorhanden sind, welche der Aussetzende aus einer andern Ehe erzeugt hat, müssen sie sich diesen ersten Pflichttheil eben so, wie oben wegen der Ausstattungen verordnet ist, anrechnen lassen.
§. 476. Sind zur Zeit der Scheidung die Kinder aus der zu trennenden Ehe bereits volljährig; so bleibt es ihnen überlassen, in wie fern sie von der Befugniß, auf die Aussetzung des Pflichttheils anzutragen, gegen den schuldigen Theil der Aeltern Gebrauch machen wollen.
§. 477. Sind aber die Kinder noch minderjährig: so muß der in dem Scheidungsprozesse ihnen zu bestellende Curator für die Ausmittelung, und erforderlichen Falls auch für die Sicherstellung dieses Pflichttheils sorgen.
§. 478. Ist der Betrag des Pflichttheils durch ein Abkommen zwischen dem schuldigen und unschuldigen Theile der Aeltern festgesetzt worden: so muß in der Regel der Curator sich dabey beruhigen.
§. 479. Eben das findet statt, wenn beyde schuldige Theile dergleichen Bestimmung, in Ansehung ihres beyderseitigen Vermögens, unter sich festgesetzt haben; und jeder Theil erbötig ist, die Richtigkeit derselben, sowohl in Ansehung seines eignen, als in Ansehung seiner Wissenschaft von dem Vermögen des Andern, an Eidesstatt zu bestärken.
§. 480. Doch muß, in beyden Fällen, der Curator mit dem Antrage auf nähere Ausmittelung des Pflichttheils gehört werden, wenn er erhebliche Gründe des Verdachts, daß die Kinder durch die Bestimmung der Aeltern darin verkürzt worden, anführen und bescheinigen kann.
9) Erbfolge der Descendenten aus Verträgen.
§. 481. Auch durch Verträge kann die Erbfolge der Kinder bestimmt werden.
§. 482. Dergleichen Verträge, welche die Aeltern unter sich, oder mit einem Dritten geschlossen haben, müssen die Kinder sich gefallen lassen; in so fern sie dadurch in dem aus dem künftigen Nachlasse der Aeltern ihnen gebührenden Pflichttheile nicht verkürzt werden.
§. 483. Auch mit den Kindern selbst können Aeltern dergleichen Erbverträge schließen.
§. 484. Doch können Verträge, wodurch ein Kind von dem Nachlasse der Aeltern ganz ausgeschlossen, oder im Pflichttheile verkürzt werden soll, nur mit volljährigen der väterlichen Gewalt entlassenen Kindern, und nur vor deren ordentlichen Gerichten geschlossen werden.
§. 485. Ist aber der Vertrag solchergestalt geschlossen worden: so kann das Kind denselben unter keinerley Vorwande, auch nicht wegen veränderter Vermögensumstände der Aeltern, weiter anfechten.
§. 486. Sind aber die andern Kinder, oder der Ehegatte, oder zu wessen Gunsten sonst der Vertrag geschlossen worden, vor dem Eintritte des Erbenfalls abgegangen; und hat auch der den Vertrag schließende Theil der Aeltern keine letzte Willensverordnung hinterlassen: so gelangt das vorhin ausgeschloßne Kind dennoch zur gesetzlichen Erbfolge.
§. 487. Verwandten in der aufsteigenden und Seitenlinie können daher ein solches Kind von dem Nachlasse der Aeltern nur in so fern ausschließen, als der Vertrag mit demselben ausdrücklich zu ihren Gunsten errichtet worden.
§. 488. Kinder, die ihrem Erbrechte durch einen gültigen Vertrag entsagt haben, werden bey Berechnung des Pflichttheils der übrigen mitgezählt.
Sechster Abschnitt. Von der Erbfolge der Aeltern und andrer Verwandten in aufsteigender Linie
Erbfolge der Aeltern ersten Grades.
§. 489. In Ermangelung der Verwandten absteigender Linie, gelangen die leiblichen Aeltern des Verstorbenen, mit Ausschließung seiner Geschwister, zur gesetzlichen Erbfolge.
§. 490. Sind beyde Aeltern noch am Leben: so erben dieselben zu gleichen Theilen.
§. 491. Ist nur noch Eins von den Aeltern vorhanden: so überkommt dasselbe den ganzen Nachlaß.
§. 492. Ist Keines von den Aeltern mehr am Leben: so werden die weitern Verwandten in aufsteigender Linie von den vorhandenen vollbürtigen Geschwistern des Erblassers und deren Abkömmlingen ausgeschlossen.
§. 493. Hinterläßt der Verstorbene nur halbbürtige Geschwister, oder davon Abkömmlinge: so gelangen diese, mit den aufsteigenden Verwandten weiterer Grade, zugleich zur Erbfolge.
§. 494. Die Halbgeschwister und deren Descendenten nehmen alsdann die eine, und die Verwandten in aufsteigender Linie die andere Hälfte des Nachlasses.
§. 495. Hinterläßt der Verstorbene gar keine Geschwister, noch deren Descendenten: so beerben ihn die Verwandten in aufsteigender Linie allein; mit Ausschließung aller übrigen Seiten-Verwandten.
§. 496. In welcher Ordnung Geschwister und Geschwister-Kinder unter sich dem Verstorbenen folgen, ist im Dritten Titel vorgeschrieben.
§. 497. Unter den Verwandten in aufsteigender Linie, sie mögen allein, oder mit Halbgeschwistern zugleich zur Erbfolge gelangen, schließt allemal der dem Grade nach nähere die entferntem aus.
§. 498. Sind mehrere gleich nahe Verwandte in aufsteigender Linie vorhanden: so erben dieselben die Portion dieser Linie zu gleichen Theilen.
§. 499. Bey der ganzen Erbfolge in aufsteigender Linie, und bey der Theilung des Nachlasses unter die väterlichen und mütterlichen Verwandten, macht es keinen Unterschied: woher und von welcher Seite das Vermögen dem verstorbenen Kinde zugefallen sey.
Letztwillige Verordnungen der Kinder.
§. 500. Die Kinder sind berechtigt, diese gesetzliche Erbfolge der Verwandten in aufsteigender Linie durch ein mit den gehörigen Erfordernissen versehenes Testament zu ändern.
§. 501. Doch können sie, auch durch eine solche letztwillige Verordnung, den Aeltern und übrigen durch das Gesetz zur Erbfolge berufenen Ascendenten den Pflichttheil nicht entziehen.
§. 502. Der Pflichttheil ist bey jedem Verwandten in aufsteigender Linie, ohne Unterschied der Zahl, die Hälfte des ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zukommenden Antheils.
§. 503. Diesen Pflichttheil können die Kinder nicht schmälern, noch durch Bedingungen einschränken, oder mit Lasten beschweren.
§. 504. Hinterläßt der Verstorbene zwar Verwandte in absteigender Linie, die er aber aus einer wahren und gesetzmäßigen Ursache enterbt hat: so muß er denjenigen Ascendenten, welche das Gesetz, in Ermangelung der Abkömmlinge, zur Erbfolge ruft, den Pflichttheil verlassen.
§. 505. Haben aber die Abkömmlinge des Verstorbenen sich ihres Erbrechts begeben: so können, wenn diese den Erbanfall erleben, die Ascendenten einen Pflichttheil nur in so weit fordern, als die Entsagung ausdrücklich zu ihren Gunsten geschehen ist.
§. 506. Kinder können ihre Aeltern und weitere Ascendenten auch im Pflichttheile enterben, 1) wenn dieselben des Hochverraths, oder des Lasters der beleidigten Majestät gegen die Person des Oberhaupts im Staate schuldig erkannt worden;
§. 507. 2) Wenn sie dem Erblasser, oder dessen Ehegatten, oder Abkömmlingen, nach dem Leben getrachtet haben;
§. 508. 3) Wenn sie durch üble Behandlung der Gesundheit des Erblassers einen erheblichen und dauernden Schaden boshafter Weise zugefügt haben;
§. 509. 4) Wenn sie denselben eines groben Verbrechens, worauf in den Gesetzen Zuchthaus- oder Festungsstrafe verordnet ist, wider besseres Wissen, fälschlich in Gerichten angeschuldigt haben.
§. 510. Auch bey diesen Enterbungsursachen (§. 507-509.) findet die Vorschrift §. 404. Anwendung,
§. 511. 5) Wenn der enterbte Ascendent mit dem Ehegatten des enterbenden Kindes, während der Ehe, ehebrecherischen Umgang gepflogen hat.
§. 512. 6) Wenn der Enterbte bey der körperlichen oder sittlichen Erziehung des Enterbenden die nach den Gesetzen ihm obliegenden Pflichten gröblich verletzt hat.
§. 513. 7) Wenn er sich der gesetzmäßigen Obliegenheit zur Ernährung des ohne grobes Verschulden in Mangel und Elend gerathenen Kindes, bey eignem hinreichenden Vermögen dazu vorsetzlich entzogen hat.
§. 514. Aus eben diesen Ursachen (§. 506-513.) kann das Kind den Pflichttheil der Ascendenten schmälern, durch Bedingungen einschränken, oder mit Lasten beschweren.
§. 515. Wegen Enterbung der Ascendenten aus guter Absicht finden eben die Vorschriften Anwendung, welche wegen dieser Art von Enterbung bey Kindern §. 419. sqq. festgesetzt sind.
Folgen der widerrechtlichen Enterbung oder Uebergehung.
§. 516. Auch gilt von der Befugniß der zur Ungebühr enterbten, oder übergangenen, oder im Pflichttheile belasteten Aeltern, alles das, was für die gleichen Fälle, in Ansehung der Kinder, §. 432. sqq. verordnet ist.
§. 517. Nur treten in dem Falle, wenn die im Testamente eingesetzten Aeltern ersten Grades vor dem Erblasser verstorben sind, deren Aeltern nicht an ihre Stelle. (§. 433.)
§. 518. Vielmehr können diese, wenn ihrer im Testamente nicht gedacht worden, nur den Pflichttheil, und auch diesen nur in so fern fordern, als bey dem Ableben des Erblassers keine vollbürtige Geschwister, noch deren Kinder, vorhanden sind.
Erbfolge der Ascendenten in der Gütergemeinschaft.
§. 519. An Orten, wo Gemeinschaft der Güter obwaltet, bleibt es wegen der Erbfolge in dem Nachlasse abgefundener oder unabgefundener Kinder, bey den Vorschriften der statutarischen oder Provinzialgesetze.
§. 520. Wo diese nichts Besonderes verordnen, da finden wegen der Erbfolge der Verwandten in aufsteigender Linie die Regeln der gesetzlichen Erbfolge nach gemeinen Rechten Anwendung.
Siebenter Abschnitt. Von der Pupillar-Substitution
Substitution für unmündige Kinder.
§. 521. Aeltern sind berechtigt, über das Vermögen, welches die Kinder von ihnen erben, auf den Fall, wenn letztere die Jahre der Mündigkeit nicht erreichen sollten, gleich jedem andern Erblasser, letztwillig zu verordnen.
§. 522. Diese Befugniß erstreckt sich, in Ansehung beyder Aeltern, auch auf den von jedem derselben dem Kinde hinterlassenen Pflichttheil.
§. 523. Dagegen hat nur der Vater das Recht, über das eigenthümliche Vermögen der Kinder, auf den Fall, wenn diese in der Unmündigkeit versterben, dergleichen Substitution zu errichten.
§. 524. Enterbten Kindern kann der Vater solchergestalt nur alsdann substituiren, wenn die Enterbung nach §. 419. sqq. aus guter Absicht geschehen ist.
§. 525. Die §. 523. beschriebene Substitution kann der Vater in seiner eignen letztwilligen Verordnung entrichten, wenn diese mit den Förmlichkeiten eines Testaments versehen ist.
§. 526. Er kann aber auch ein besonderes Testament für sich, und ein besonderes für das Kind errichten.
§. 527. Selbst wenn er über seinen eignen Nachlaß ein Testament zu hinterlassen nicht nöthig findet, kann er dennoch für das Kind in einer besondern letztwilligen Verordnung disponiren.
§. 528. Auch wenn die Verfügung des Vaters über seinen eigenen Nachlaß, und über das Vermögen des Kindes, nur in Einer Verordnung enthalten ist, wird dennoch jede dieser Verfügungen als eine für sich selbst bestehende Disposition angesehen.
§. 529. Wenn also gleich der Vater eben denjenigen, welchen er zu seinem eignen Erben einsetzt, auch in dem Vermögen des Kindes substituirt: so steht es diesem dennoch frey, nur die eine von beyden Erbschaften anzunehmen, und der andern zu entsagen.
Wie der Vater disponiren könne.
§. 530. Denjenigen, welchen ein Pflichttheil aus dem Nachlasse des Kindes gebühret, kann ihr gesetzlicher Erbtheil, auch in einer von dem Vater für das Kind errichteten Disposition, nicht genommen oder geschmälert werden.
§. 531. Doch kann der Vater einem solchen nothwendigen Erben auch den Pflichttheil aus dem Nachlasse des Kindes wegen solcher Ursachen entziehen, aus welchen das Kind selbst, wenn es letztwillig verfügen könnte, zur Enterbung berechtigt seyn würde,
§. 532. Hat das Kind Geschwister voller oder halber Geburt, oder Geschwister-Kinder: so kann der Vater, außer dem Falle des §. 531, keins derselben von der gesetzlichen Erbfolge ganz ausschließen.
§. 533. Es kann aber den Nachlaß des Kindes unter sie auch ungleich vertheilen.
§. 534. Doch muß er jedem derselben wenigstens die Hälfte desjenigen lassen, was ihm nach den Regem der gesetzlichen Erbfolge zukommen würde.
§. 535. Hat das Kind weder Verwandte in aufsteigender Linie, noch Geschwister oder Geschwister-Kinder, sondern nur entferntere Verwandte: so kann der Vater unter diesen über den Nachlaß des Kindes nach Gutfinden verfügen.
§. 536. Er kann also, statt des nähern entferntere, oder auch aus mehrern gleich nahen Verwandten nur Einen, zur Erbfolge des Kindes berufen.
§. 537. Fremden, mit dem Kinde in gar keiner Blutsverwandtschaft stehenden Personen, kann der Vater den Nachlaß des Kindes weder ganz, noch zum Theil, zuwenden.
§. 538. So weit der Vater in seiner für das Kind gemachten Verordnung diese gesetzmäßigen Schranken überschritten hat, wird es für nicht geschrieben geachtet.
§. 539. Hat er bloß Fremde zur Erbfolge berufen: so ist die Verordnung ungültig.
Wie lange die väterliche Substitution gelte.
§. 540. Eben so verliert dergleichen Verordnung ihre Kraft, sobald das Kind, für welches sie errichtet worden, die Jahre der Unmündigkeit zurückgelegt hat.
§. 541. Es macht dabey keinen Unterschied, ob ein solches Kind selbst letztwillig verordnet hat, oder nicht.
§. 542. Wenn das Kind, nach errichteter Substitution, von einem Dritten mit Bewilligung des Vaters förmlich an Kindesstatt angenommen wird: so erlöscht die Substitution.
§. 543. Wenn der, welcher in den Nachlaß des Kindes substituirt worden, vor dem Kinde verstirbt: so geht das Recht aus der Substitution auf seine Erben nicht über.
Pupillar-Substitution von Seiten der Mutter.
§. 544. Alles, was vorstehend von der Befugniß des Vaters, dem Kinde in sein eigenthümliches Vermögen, mit Inbegriff des von ihm ererbten Pflichttheils, zu substituiren verordnet ist, gilt auch von der Mutter, in Ansehung des von ihr dem Kinde verlassenen Pflichttheils. (§. 525-543.)
Pupillar-Substitution für wahn- und blödsinnige Kinder.
§. 545. Für Kinder, welche wegen Wahn- oder Blödsinnes eine eigne letzte Willensverordnung nicht errichten können, ist der Vater eben so auf ihren Todesfall zu verfügen berechtigt.
§. 546. Ein Gleiches gilt von Tauben und Stummen, in so fern sie selbst ein Testament zu errichten unfähig sind.
§. 547. Ist eine solche Unfähigkeit der Kinder, selbst letztwillig zu verordnen (§. 545. 546.), bey dem Ableben des Vaters wirklich vorhanden: so gilt die Substitution; auch wenn zu der Zeit, da sie errichtet wurde, dergleichen Unfähigkeit noch nicht da gewesen wäre.
§. 548. Hat jedoch das Kind, ehe es noch in die Wahn- oder Blödsinnigkeit verfallen ist, ein an sich rechtsbeständiges Testament errichtet: so kann der Vater dergleichen Verfügung, durch seine Substitution, weder in Ansehung des eigenthümlichen Vermögens des Kindes, noch in Ansehung des von ihm dem Kinde verlassenen Pflichttheils, entkräften.
§. 549. So weit der Vater wahn- oder blödsinnigen, der taubstummen Kindern in ihren Nachlaß substituiren kann, so weit kommt diese Befugniß auch der Mutter zu, wenn der Vater von seinem Rechte Keinen Gebrauch gemacht hat.
§. 550. Bey dieser Art der Substitution (§. 545. sqq.) muß übrigens alles das beobachtet werden, was vorstehend auf den Fall der Unmündigkeit verordnet ist.
Wenn diese Substitution aufhöre.
§. 551, Dergleichen Substitution verliert ihre Kraft, wenn das Kind mit Hinterlassung einer Ehefrau, oder ehelicher Abkömmlinge verstirbt.
§. 552. Ein Gleiches geschieht, wenn das Kind wieder zu Verstande kommt, und daher der Vormundschaft entlassen wird.
§. 553. Muß wegen eines Rückfalls das Kind abermals unter Vormundschaft genommen werden: so gelangt dennoch die Substitution nicht wieder zu Kräften; auch alsdann nicht, wenn das Kind in der Zwischenzeit nicht selbst verfügt hat.
§. 554. Uebrigens hindert die Pupillar-Substitution in keinem Falle die über das Vermögen des Kindes unter Lebendigen zu treffenden Verfügungen, sobald das Beste des Kindes dergleichen erfordert.
Achter Abschnitt. Von den Kindern aus einer Ehe zur linken Hand
§. 555. Von Kindern aus einer Ehe zur linken Hand gilt alles, was in Ansehung der ehelichen Kinder überhaupt im Vorstehenden verordnet ist; in so fern die Gesetze Ausnahmen davon nicht ausdrücklich bestimmen.
§. 556. In diesen ausgenommenen Fällen aber können solchen Kindern die Rechte der Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand, nur durch Vollziehung einer solchen Ehe mit der Mutter, oder durch Legitimation beygelegt werden.
Stand und Familienrechte solcher Kinder.
§. 557. Kinder aus einer Ehe zur linken Hand führen nicht den Namen des Vaters.
§. 558. Sie treten nicht in seine Familie, und können auf die Vorrechte seines Standes und Charakters keinen Anspruch machen.
§. 559. Dagegen führen solche Kinder den Geschlechtsnamen der Mutter.
§. 560. Sie treten in die Familie derselben, so weit als die Mutter Familienrechte hat, und auf ihre ehelichen Abkömmlinge übertragen kann.
§. 561. Ueber die Person solcher Kinder hat der Vater alle Rechte der väterlichen Gewalt; über ihr Vermögen hingegen kann er sich dieser Rechte nicht anmaßen.
§. 562. Kinder aus einer Ehe zur linken Hand haben von den Aeltern Unterhalt und Erziehung zu fordern.
§. 563. Beydes muß der Regel nach dem Stande der Mutter gemäß eingerichtet werden.
§. 564. Ist jedoch die Mutter von bürgerlicher Herkunft: so ist der Vater die Erziehung und den Unterhalt der Kinder nur so einzurichten verbunden, wie ein handwerktreibender Bürger seine ehelichen Kinder zu ernähren und zu erziehen pflegt.
§. 565. Eben dieses Verhältniß dienet auch bey der Wahl der künftigen Lebensart, und bey der Ausstattung solcher Kinder zur Richtschnur.
Verhältniß in Ansehung des Vermögens.
§. 566. Von dem eigenthümlichen Vermögen solcher Kinder gebührt dem Vater kein Nießbrauch.
§. 567. Wohl aber kommt ihm die Verwaltung desselben bis zur erlangten Großjährigkeit des Kindes zu.
§. 568. Dabey hat er die Rechte und Pflichten eines Vormundes.
§. 569. So lange das Kind noch minderjährig ist, wird es, in Ansehung der Fähigkeit sich zu verpflichten, einem andern Pflegebefohlnen gleich geachtet.
Rechte auf die Erbschaft des Vaters.
§. 570. Sind Kinder aus einer Ehe zur linken Hand bey des Vaters Absterben noch nicht erzogen und ausgestattet: so muß das zu ihrer Verpflegung und Ausstattung Erforderliche aus dem Nachlasse angewiesen, und von den Erben sicher gestellt werden.
§. 571. Wie hoch die Erziehungskosten zu bestimmen, und bis zu welchem Alter des Kindes sie zu rechnen sind, muß bey entstehendem Streite nach der Art, wie der Vater das Kind zu erziehen schuldig gewesen, und der Bestimmung, wozu er selbiges gewidmet hat, von dem Richter billig ermessen werden.
§. 572. Sind keine Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand vorhanden: so nehmen die Kinder aus der Ehe zur linken Hand diese Erziehungs- und Ausstattungskosten, nach Art einer Schuld, aus dem Nachlasse vorweg.
§. 573. Sind aber Kinder zur rechten Hand vorhanden: so können zwar die zur linken Hand die nach §. 571. ihnen gebührende Ausstattung auch alsdann aus dem Nachlasse fordern;
§. 574. Doch muß, wenn der Nachlaß unzureichend ist, die Eintheilung so gemacht werden, daß jedes Kind zur rechten Hand wenigstens noch einmal so viel, als ein Kind zur linken Hand, aus dem Vermögen des Vaters erhält.
§. 575. Uebrigens bleibt es, wegen der den Kindern zur rechten Hand obliegenden Verpflegung ihrer Geschwister aus einer Ehe zur linken Hand, bey der den Geschwistern überhaupt im folgenden Titel vorgeschriebenen Verbindlichkeit.
§. 576. Hat der Vater in Ansehung der Erbfolge solcher Kinder in seinem Nachlasse etwas verfügt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 577. Doch kann er auch durch eine solche Verfügung den Kindern die nach §. 571. ihnen gebührende Verpflegung und Ausstattung nicht entziehen.
§. 578. Auch ist er zu einer Pupillar-Substitution in dem eignen Vermögen dieser Kinder nicht berechtigt.
§. 579. Hat der Vater nichts verfügt, und hinterläßt er Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten Hand: so gebührt den andern Kindern kein Erbtheil.
§. 580. Verläßt er aber keine Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten Hand: so erhalten die Kinder aus der Ehe zur linken Hand, wenn deren nur Drey oder weniger sind, den Dritten Theil, und wenn ihrer mehr als Drey sind, die Hälfte der Erbschaft.
§. 581. Mehrere dergleichen aus einer Ehe zur linken Hand abstammende Descendenten, theilen sich in diese gesetzliche Erbportion, nach den im Fünften Abschnitte, wegen der Erbfolge der Descendenten überhaupt, vorgeschriebenen Grundsätzen.
§. 582. Verläßt der Vater zwar keine andere Descendenten; wohl aber eine Ehefrau: so erhalten die Kinder zur linken Hand ihren Antheil erst nach Abzug der der Ehefrau gebührenden Erbportion.
§. 583. Auch die Abfindung der zurückgelassenen Hausfrau, es mag die Mutter der Kinder seyn, oder nicht, wird vor Berechnung des den Kindern zukommenden Antheils, von der Erbschaft abgezogen.
§. 584. Sind weder eine Ehefrau, noch andre nahe Verwandten (Tit. I. §. 622.) vorhanden: so gelangen die Kinder zur linken Hand zur vollen gesetzlichen Erbfolge in den eigenthümlichen freyen Nachlaß des Vaters.
§. 585. Einen Pflichttheil ist der Vater seinen Kindern aus einer Ehe zur linken Hand in keinem Falle zu hinterlassen schuldig.
Auf den Nachlaß der Mutter und ihrer Verwandten.
§. 586. In dem Nachlasse der Mutter haben die Kinder, sie mögen aus einer Ehe zur rechten oder zur linken Hand geboren seyn, ein gesetzliches Erbrecht.
§. 587. Auch die mütterlichen Verwandten beerben sie eben so, als wenn sie aus einer Ehe zur rechten Hand abstammten.
§. 588. In dem Vermögen des Kindes haben der Vater und dessen Verwandten kein gesetzliches Erbrecht.
§. 589. Dagegen finden, wegen der Erbfolge der Mutter und deren Verwandten, eben die Vorschriften statt, wie bey Kindern aus einer Ehe zur rechten Hand.
Rechte der Kinder bey getrennter Ehe zur linken Hand.
§. 590. Wird die Ehe zur linken Hand durch richterlichen Spruch getrennt: so muß die schuldige Mutter den daraus erzeugten Kindern den Pflichttheil eben so aussetzen, wie in Ansehung der Kinder aus einer Ehe zur rechten Hand vorgeschrieben ist.
§. 591. Eben so muß der für schuldig erkannte Vater, den Kindern zur linken Hand die ihnen gebührende Ausstattungvon seinem Vermögenaussetzen.
Neunter Abschnitt. Von den aus unehelichem Beyschlafe erzeugten Kindern
Legitimation unehelicher Kinder durch richterlichen Ausspruch,
§. 592. Die aus unehelichem Beyschlafe erzeugten Kinder erhalten in allen Fällen, wo der Mutter die Rechte einer würklichen Ehefrau des Schwängerers durch richterlichen Ausspruch beygelegt worden, die Rechte der aus einer vollgültigen Ehe erzeugten Kinder.
§. 593. Diese Rechte verbleiben ihnen, auch wenn die Ehe zwischen den Aeltern, wegen beharrlicher Weigerung des Vaters, durch die Trauung nicht vollzogen wird.
§. 594. Hat aber die Mutter innerhalb der gesetzlichen Frist (Tit. I. §. 1095.) auf die Vollziehung der Ehe nicht geklagt: so können die Kinder der davon abhängenden Rechte der ehelichen Geburt sich niemals anmaßen;
§. 595. Doch können die Kinder den von der Mutter bereits angestellten Prozeß, wenn sie vor dessen Entscheidung verstirbt, zu dem Ende fortsetzen, daß ihnen selbst die Rechte ehelicher Kinder zuerkannt werden mögen.
§. 596. Wenn ein Schwängerer die Geschwächte, auch ohne Prozeß und Erkenntniß, wirklich heirathet: so erlangt das aus dem unehelichen Beyschlafe erzeugte Kind, eben dadurch, in allen durch besondere Gesetze nicht ausdrücklich ausgenommenen Fällen, die Rechte und Verbindlichkeiten eines ehelichen.
durch gerichtliche Erklärung des Vaters,
§. 597. Ein mit einer förmlich verlobten Braut erzeugtes Kind, erlangt die Rechte eines ehelichen schon durch die bloße gerichtliche Erklärung des Vaters, wenn gleich die Ehe mit der Mutter nicht wirklich vollzogen worden.
§. 598. Wenn die Legitimation eines unehelich erzeugten Kindes durch wirkliche Verheirathung mit der Mutter erfolgt: so bestimmt die Trauung, und in dem Falle des §. 597. die gerichtliche Erklärung, den Zeitpunkt, wo die Rechte und Pflichten des Kindes als eines ehelichen ihren Anfang nehmen.
§. 599. In dem Falle des §. 592. hingegen wird dieser Zeitpunkt auf den Tag der angemeldeten Klage zurückgesetzt.
§. 600. Ist zur Zeit der unter den Aeltern geschlossenen Ehe, das aus dem unehelichen Beyschlafe erzeugte Kind bereits verstorben: hat aber eheliche Abkömmlinge verlassen: so erlangen diese, auch in Ansehung der Großältern, alle Rechte und Pflichten ehelicher Descendenten.
durch obrigkeitliche Declaratian.
§. 601. Hat unter den Aeltern keine Ehe statt gefunden: so kann dennoch der Vater auf die Legitimation des unehelich erzeugten Kindes bey Hofe antragen.
§. 602. Bey der Prüfung eines solchen Gesuchs muß zugleich darauf: ob die Legitimation dem Kinde zuträglich sey, gesehen, und wenn dabey ein Bedenken sich findet, das Kind selbst, oder wenn dasselbe noch minderjährig ist, ein ihm zu bestellender Curator vernommen werden.
§. 603. Durch diese Legitimation erhält das Kind den Stand des Vaters, und in Ansehung seiner, alle Kechte und Pflichten eines ehelichen Kindes.
§. 604. Es tritt aber dadurch nicht in die Familie des Vaters.
§. 605. Soll es auch in diese aufgenommen werden: so muß solches durch einen Familienvertrag geschehen;
§. 606. Doch entsteht zwischen den ehelichen Kindern des Legitimirenden, und dem Legitimirten selbst, das Verhältniß, wie zwischen ehelichen Halbgeschwistern von Einem Vater.
§. 607. Hatte der Vater zu der Zeit, als er das uneheliche Kind legitimiren ließ, schon eheliche Descendenten, und verläßt er in der Folge einem derselben nur den Pflichttheil: so wird bey dessen Berechnung das legitimirte Kind nicht mit gezählt.
§. 608. Auch zwischen dem Legitimirten, und den Verwandten seiner Mutter, wird durch eine ohne deren ausdrückliche Einwilligung erfolgte Legitimation kein anderes Familienverhältniß, als aus der unehelichen Geburt selbst schon entstanden war, begründet.
§. 609. Kindern, die aus einer Ehe zur linken Hand erzeugt worden, kann die Eigenschaft eines rechten Kindes, in Ansehung des Vaters, durch Landesherrliche Legitimation beygelegt werden.
§. 610. Doch hat es, wenn zur Zeit der Legitimation schon Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten Hand da sind, bey der Vorschrift des §. 607. sein Bewenden.
§. 611. Ihre Aufnahme in die Familie des Vaters aber kann ebenfalls nur durch einen Familienvertrag geschehen.
Rechte der unehelichen Kinder, Verpflegung und Erziehung.
§. 612. Unehelich geborne Kinder, welche weder durch eine nachfolgende Verheirathung der Aeltern, noch durch richterlichen Ausspruch, noch durch Legitimation, die Rechte der ehelichen erlangt haben, können von dem Vater bloß Unterhalt und Erziehung fordern.
§. 613. Dazu ist der Vater verpflichtet, auch wenn die Mutter, nach dem Eilften Abschnitte des Ersten Titels, entweder gar keine, oder nur die geringere Art der Entschädigung zu fordern hat.
§. 614. Sobald das Daseyn eines unehelichen Kindes, es sey durch einen unter den Aeltern entstehenden Prozeß, oder sonst durch glaubwürdige Anzeigen, dem vormundschaftlichen Gerichte bekannt wird, muß dasselbe dem Kinde von Amtswegen einen Vormund bestellen.
§. 615. Dieser muß die Rechte des Kindes gegen den unehelichen Vater wahrnehmen; und mit beyden Aeltern, wegen dessen Erziehung und Verpflegung, die nöthigen Einrichtungen, unter Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, verabreden.
§. 616. Der Vormund ist befugt und schuldig, darauf zu sehen, daß die getroffene Einrichtung befolgt werde; und wenn dieses nicht geschieht, dem vormundschaftlichen Gerichte davon, zur weitern Verfügung, Anzeige zu machen.
§. 617. Läugnet der angegebne Vater, daß das Kind von ihm erzeugt sey: so muß der Vormund, auch wenn es die Mutter auf den Prozeß nicht ankommen lassen will, dennoch zum Besten des Kindes auf rechtliches Gehör und Erkenntniß darüber antragen.
§. 618. Bey der Untersuchung und Beurtheilung: ob das Kind von dem angegebenen Vater erzeugt sey, muß nach den im Eilften Abschnitte des vorigen Titels enthaltenen Grundsätzen verfahren werden.
§. 619. Hat die Mutter in dem Zeiträume, in welchem, nach diesen Grundsätzen, die Erzeugung des Kindes trifft, mit mehrern Mannspersonen zugehalten: so hängt es von dem nach den Umständen sich richtenden Befunde des Vormundes ab, welchen derselben er, auf Erfüllung der einem unehelichen Kinde schuldigen Pflichten, zuerst in Anspruch nehmen wolle.
§. 620. Wird aber dieser entbunden; oder ist er diese Pflichten zu erfüllen unvermögend: so kann der Vormund die Rechte des Kindes auch gegen die übrigen Zuhalter, einen nach dem andern, geltend machen.
§. 621. Die Verpflegung und Erziehung des Kindes, bis nach zurückgelegtem Vierten Jahre, muß in der Regel der Mutter, auf Kosten des Vaters, überlassen werden.
§. 622. Nach zurückgelegtem Vierten Jahre hängt es von der Wahl des Vaters ab, die Verpflegung und Erziehung des Kindes selbst zu besorgen, oder sie der Mutter auf seine Kosten ferner zu überlassen.
§. 623. Will die Mutter die Erziehung und Verpflegung des Kindes auf ihre alleinige Kosten übernehmen: so hat der Vater kein Recht zum Widerspruche.
§. 624. Findet das vormundschaftliche Gericht, daß dem Vater, ohne Besorgniß eines Nachttheils für das Kind, die Erziehung nicht anvertrauet werden könne: so kann es dieselbe, auf Kosten des Vaters, der Mutter übertragen.
§. 625. Ist die Aufführung beyder Aeltern so beschaffen, daß Keinem von ihnen die Erziehung des Kindes anvertrauet werden kann: so muß das vormundschaftliche Gericht nach der Vorschrift §. 89. sqq. verfahren.
§. 626. In allen Fällen, wo die Verpflegungs- und Erziehungskosten nach Gelde bestimmt werden sollen, ist nur auf das zu rechnen, was Leuten vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande die Erziehung eines ehelichen Kindes, nebst dem Schul- und Lehrgelde, kosten würde.
§. 627. Dabey muß auf die jeden Orts gewöhnlichen Preise, und auf die mit zunehmenden Jahren wachsenden Bedürfnisse des Kindes Rücksicht genommen werden.
§. 628. Ist der Vater für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes solchergestalt zu sorgen nicht vermögend: so geht diese Pflicht auf die Großältern von väterlicher Seite über.
§. 629. Erst in deren Ermangelung, oder bey deren Unvermögen, sind die Mutter und die mütterlichen Großältern dazu verpflichtet.
§. 630. Besitzt jedoch die Mutter so viel eigenthümliches Vermögen, daß sie aus den Einkünften desselben, ohne Abbruch ihres eigenen Unterhalts, das Kind ernähren kann: so ist sie dazu nächst dem unehelichen Vater, und vorzüglich vor dessen Aeltern verbunden.
§. 631. Kann der Vater eines unehelichen Kindes nicht ausgemittelt werden: so fällt die Pflicht der Verpflegung und Erziehung unmittelbar auf die Mutter, und deren Aeltern.
§. 632. Sind auch diese nicht mehr vorhanden, oder unvermögend: so ist der Staat für den Unterhalt und die Erziehung solcher Kinder, durch die jeden Orts bestehenden Armenanstalten, zu sorgen verpflichtet.
§. 633. Die Verbindlichkeit der Aeltern zur Verpflegung unehelicher Kinder dauert nur bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre.
§. 634. Nach diesem Zeitpunkte müssen die Kinder sich ihren Unterhalt selbst erwerben.
§. 635. Sind jedoch unehelich gebome Söhne zu einem Handwerke oder Profession gegeben worden: so muß der Vater auch das fernere Lehr-ingleichen das Lossprechegeld berichtigen.
§. 636. Hat, auch außerdem, der Vater das Kind zu einem Gewerbe erziehen lassen, mit welchem es sich nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre seinen Unterhalt noch nicht verdienen kann: so muß der Vater die Verpflegung so lange fortsetzen, bis das Kind mit diesem von ihm gewählten Gewerbe sich selbst zu ernähren vermögend ist.
§. 637. Werden uneheliche Kinder durch Krankheit, oder sonst fehlerhafte Leibes- oder Gemüthsbeschaffenheit, außer Stand gesetzt, sich ihren Unterhalt zu erwerben: so können sie von den Aeltern oder Großältern die notwendige Verpflegung auch ferner fordern.
§. 638. Dagegen müssen aber auch uneheliche Kinder die nothleidenden Aeltern und Großältern, in Ermangelung anderer dazu näher verpflichteten Personen, nach ihrem Vermögen unterstützen,
Rechte des Standes und der Familie,
§. 639. Uneheliche Kinder treten weder in die Familie des Vaters, noch der Mutter.
§. 640. Doch führen sie den Geschlechtsnamen der Mutter, und gehören zu demjenigen Stande, in welchem die Mutter, zur Zeit der Geburt, sich befunden hat.
§. 641. Ist aber die Mutter von adlicher Herkunft: so kann dennoch das uneheliche Kind adlichen Namens und Wappens sich nicht anmaßen.
§. 642. Uneheliche Kinder werden bis zum geendigten Vierzehnten Jahre in dem Glaubensbekenntnisse der Mutter erzogen.
§. 643. Doch muß, wenn der Vater ein Christ, die Mutter aber irgend einer andern Religions-Partey zugethan ist, ein solches uneheliches Kind, bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, in der christlichen Religion erzogen werden.
§. 644. Uneheliche Kinder stehen nicht unter der Gewalt des Vaters, sondern nur unter der vom Staate für sie verordneten Vormundschaft.
§. 645. Die persönlichen Rechte der Aeltern über sie erstrecken sich nicht weiter, als es der Zweck der Erziehung erfordert.
§. 646. Insonderheit hängt die Wahl der Lebensart, zu welcher das Kind gewidmet werden soll, nicht von dem Vater, sondern von der Vormundschaft ab.
Rechte auf den Nachlaß des Vaters,
§. 647. Stirbt der Vater vor vollendeter Erziehung: so können die unehelichen Kinder die Aussetzung des dazu noch Fehlenden aus dem Nachlasse fordern.
§. 648. Sind eheliche Kinder vorhanden: so kann dieser Aussatz nur auf die Nutzung des Nachlasses angewiesen werden, und darf dieselbe nicht übersteigen.
§. 649. Sind aber keine eheliche Kinder vorhanden: so muß das Fehlende, erforderlichen Falls, auch aus der Substanz genommen werden.
§. 650. Sind alle vorhandenen ehelichen Kinder, oder einige derselben, ebenfalls noch unerzogen; und sind die Nutzungen des Nachlasses zu ihrer aller Erziehung nicht hinreichend: so ist die Einrichtung so zu treffen, daß den ehelichen noch einmal so viel, als den unehelichen ausgesetzt werde.
§. 651. Außerdem haben uneheliche Kinder, wenn der Vater Abkömmlinge aus einer Ehe zur rechten oder zur linken Hand hinterläßt, in seinem Nachlasse gar kein gesetzliches Erbrecht.
§. 652. Sind keine dergleichen eheliche Abkömmlinge, und auch keine letztwillige Verordnung des Vaters vorhanden: so gebührt den unehelichen Kindern der Sechste Theil des Nachlasses nach den §. 581. 582. 583. enthaltenen näheren Bestimmungen.
§. 653. Uneheliche Kinder, deren Mutter um die Zeit ihrer Erzeugung mit mehrern Mannspersonen zugehalten hat, können dergleichen Erbtheil nicht fordern.
§. 654. Es müssen daher uneheliche Kinder, die sich eines solchen Erbrechts anmaßen wollen, entweder ein freywilliges Anerkenntniß des vorgeblichen Vaters nachweisen; oder ein rechtskräftiges Urtel, wodurch ihnen noch bey Lebenszeit des Vaters ein dergleichen Erbrecht vorbehalten worden, beybringen.
§. 655. Einen Pflichtteil ist der Vater in keinem Falle seinen unehelichen Kindern zu hinterlassen schuldig.
§. 656. Auf den Nachlaß der Mutter hat das uneheliche Kind derselben ein gleiches gesetzliches Erbrecht mit den ehelichen Kindern.
§. 657. Doch erhalten die letztern dasjenige zum Voraus, was die Mutter von dem Vater dieser Kinder, oder dessen Ascendenten, durch Verträge, letztwillige Verordnungen, oder gesetzliche Erbfolge überkommen hat.
Erbrechte der Aeltern in dem Nachlasse des Kindes.
§. 658. An dem Nachlasse eines unehelichen Kindes gebührt dem Vater desselben gar kein Anspruch.
§. 659. Von der Mutter hingegen wird ein solches Kind mit eben dem Rechte, wie die ehelichen, beerbt.
Erbrechte der Kinder in dem Nachlasse der väterlichen und mütterlichen Verwandten.
§. 660. Zwischen unehelichen Kindern, und den verwandten beyderley Aeltern, findet in der Regel keine gesetzliche Erbfolge statt. Tit. III. §. 6.7.8.
§. 661. Uneheliche Kinder haben also auch aus dem Nachlasse der mütterlichen Großältern keinen Pflichttheil zu fordern.
§. 662. In den Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens haben uneheliche Kinder mit den ehelich gebornen, oder dafür erklärten, gleiche Rechte.
Legitimation zum bloßen Behufe des bessern Fortkommens.
§. 663. Wird zum bessern Fortkommen der Kinder eine besondere Ausfertigung darüber erfordert: so kann dieselbe von Einem der Aeltern, oder auch von dem Kinde selbst, oder von dessen Vormund nachgesucht werden.
§. 664. Die Ausfertigung einer solchen Legitimation gehört für das Obergericht der Provinz.
§. 665. Es wird aber dadurch in dem übrigen Verhältnisse des Kindes gegen die Aeltern und deren Familien nichts geändert.
Zehnter Abschnitt. Von der Annahme an Kindesstatt
Wie die Adoption geschehen könne.
§. 666. Die Annahme an Kindesstatt kann nur durch einen schriftlichen Vertrag erfolgen.
§. 667. Dieser Vertrag muß dem Obergerichte der Provinz, in welcher der Annehmende seinen Wohnsitz hat, zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden.
§. 668. Nur Personen, die das Fünfzigste Jahr zurückgelegt haben, soll es erlaubt seyn, andre an Kinderstatt anzunehmen.
§. 669. Doch kann es auch Jüngern Personen, aber nur unter besonderer Landesherrlichen Erlaubniß, gestattet werden; wenn nach ihrem körperlichen oder Gesundheitszustande, die Erzeugung natürlicher Kinder von ihnen nicht zu vermuthen ist.
§. 670. Uebrigens werden nur diejenigen, welche vermöge ihres Standes zur Ehelosigkeit verpflichtet sind, von der Befugniß, an Kindesstatt anzunehmen, ausgeschlossen.
§. 671. Wer noch eheliche Abkömmlinge am Leben hat, kann nicht an Kindesstatt annehmen.
§. 672. Die Einwilligung der Aeltern des Annehmenden ist, der Regel nach, erforderlich.
§. 673. Doch wirkt der Abgang dieser Einwilligung nur so viel, daß den Aeltern ihr Recht auf den Pflichttheil von dem Nachlasse des Annehmenden, bey dessen künftigen Ableben, vorbehalten bleibt.
§. 674. Auch Personen weiblichen Geschlechts können zu Kindesstatt annehmen.
§. 675. Sind sie aber verheirathet: so kann dieses nur mit Einwilligung des Mannes geschehen.
§. 676. Hat der Mann jemand ohne Einwilligung der Frau an Kindesstatt angenommen: so wird dadurch in dem Erbrechte dieser letztern auf den künftigen Nachlaß des Mannes nichts geändert.
§. 677. Derjenige, welcher an Kindesstatt angenommen werden soll, muß den Jahren nach jünger seyn, als der Annehmende.
§. 678. Hat er die Jahre der Unmündigkeit zurückgelegt, so ist seine freye Einwilligung erforderlich.
§. 679. Ist sein Vater noch am Leben: so ist auch dessen Einwilligung nothwendig.
§. 680. Steht er unter Vormundschaft: so muß die Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts beygebracht werden.
§. 681. Durch die Adoption entstehen zwischen dem angenommenen Vater und Kinde in der Regel die Rechte und Pflichten, wie zwischen leiblichen Aeltern, und den aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kindern.
§. 682. Das angenommene Kind erhält den Namen des annehmenden Vaters.
§. 683. Es überkommt alle Rechte seines Standes, so weit dieselben durch die Geburt aus einer wirklichen Ehe zur rechten Hand fortgepflanzt werden.
§. 684. Ist jedoch der Annehmende von Adel, und der Angenommene von bürgerlicher Herkunft: so kann letzterer die Vorrechte und Unterscheidungen des Adels nur mittelst besonderer Landesherrlichen Begnadigung erhalten.
§. 685. Ist der Annehmende bürgerlichen Standes, und der Angenommene adlicher Herkunft: so verliert letzterer zwar nicht die Rechte des Adels; er muß aber, außer dem Namen des Adoptirenden (§. 682.), zugleich seinen adlichen Familiennamen beybehalten.
§. 686. Ist der Annehmende verheirathet: so entstehen zwischen seiner Frau, und dem angenommenen Kinde, nur die Verhältnisse, wie zwischen Stiefältern und Stiefkindern.
§. 687. Ist aber die Annahme an Kindesstatt von beyden Eheleuten gemeinschaftlich geschehen: so tritt der Angenommene auch gegen beyde in das Verhältniß eines leiblichen Kindes.
§. 688. Hat eine Person weiblichen Geschlechts jemand an Kindesstatt angenommen: so erhält derselbe den Geschlechtsnamen der Mutter, und den Stand, zu welchem dieselbe zur Zeit der Annahme gehöret hat.
§. 689. Der Name und Stand des gewesenen Mannes kann einem solchen Kinde nur unter besondern Umständen, welche die Besorgniß eines Widerspruchs von der Familie des Mannes ausschließen, und nur durch ausdrückliche Landesherrliche Begnadigung, beigelegt werden.
§. 690. Uebrigens erlangt die annehmende Mutter gegen das angenommene Kind alle Rechte und Pflichten einer leiblichen Mutter.
in Ansehung des Vermögens des Adoptirenden, und Familienverhältnisse.
§. 691. Auch auf das Vermögen der annehmenden Aeltern, so weit dasselbe der freyen Verfügung derselben unterworfen ist, erlangt das angenommene Kind alle Rechte der aus einer Ehe zur rechten Hand herstammenden Kinder.
§. 692. Alles daher, was von der Verpflegung, Erziehung, Ausstattung, und Erbfolge solcher Kinder verordnet ist, gilt auch von angenommenen Kindern.
§. 693. Auch mit leiblichen Kindern, die der Annehmende nach der Adoption etwa noch erzeugt hat, kommen dem Angenommenen, in Ansehung seiner, gleiche Rechte zu.
§. 694. Hingegen erlangt der annehmende Vater, über das Vermögen des angenommenen Kindes, die Rechte des natürlichen Vaters weder unter Lebendigen, noch auf den Todesfall.
§. 695. Ist das angenommene Kind großjährig: so muß ihm sein eigenthümliches Vermögen zur freyen Verwaltung und Nutzung überlassen werden.
§. 696. Ist es noch minderjährig: so bleibt sein eigentümliches Vermögen unter der bisherigen väterlichen oder vormundschaftlichen Verwaltung.
§. 697. Aber auch der natürliche Vater verliert den ihm sonst zukommenden Nießbrauch.
§. 698. Er muß also das Vermögen des Kindes nur für dessen Rechnung verwalten, und die Einkünfte davon, zur Vermehrung des Hauptstuhls, oder sonst zum Behufe des Kindes, nützlich verwenden.
§. 699. Stirbt der natürliche Vater des angenommenen Kindes nach der Adoption: so kann die Vormundschaft über das Vermögen des Kindes dem angenommenen Vater aufgetragen werden.
§. 700. Doch ist das vormundschaftliche Gericht an die Person desselben nicht gebunden.
§. 701. Stirbt das angenommene Kind vor den natürlichen Aeltern: so wird letzteren, und nicht den Annehmenden, die gesetzliche Erbfolge eröffnet.
§. 702. Dagegen bleibt dem angenommenen Kinde sein gesetzliches Erbrecht auch auf den Nachlaß seiner natürlichen Aeltern.
Nähere Bestimmungen durch Verträge.
§. 703. Vorstehende gesetzliche Bestimmungen (§. 682-702.) können durch den bey der Annahme geschlossenen Vertrag anders festgesetzt werden.
§. 704. In Ansehung der persönlichen Verhältnisse finden dergleichen Abänderungen in so weit statt, als dadurch das Wesentliche des Geschäfts nicht aufgehoben wird.
§. 705. Sollen die gesetzlichen Bestimmungen in Ansehung des Vermögens durch den Vertrag geändert werden; und ist das anzunehmende Kind noch minderjährig: so muß das vormundschaftliche Gericht dergleichen Aenderungen, und ob unter denselben die Adoption dem Kinde zuträglich sey, besonders prüfen.
§. 706. Ein Vertrag, wodurch dem zu adoptirenden Kinde sogar der Pflichttheil von dem künftigen Nachlasse seiner natürlichen Aeltern entzogen wird, kann nur mit einem Großjährigen geschlossen werden.
§. 707. Durch die Adoption treten auch die damals schon vorhandnen, und nachher erzeugten Abkömmlinge des angenommenen Kindes, gegen die annehmenden Aeltern in eben das Verhältniß, wie Blutsverwandte in absteigender gegen die in aufsteigender Linie.
§. 708. Uebrigens aber entsteht zwischen dem angenommenen Kinde, und der Familie des Annehmenden, durch die Adoption gar keine Verbindung.
§. 709. Auch die nach der Adoption etwa erzeugten natürlichen Kinder des Annehmenden treten mit dem Angenommenen nicht in das Verhältniß als Geschwister.
§. 710. Soll durch die Adoption zugleich eine Familienverbindung bewirkt werden: so muß dieses durch einen besonderen Familienvertrag geschehen.
§. 711. Dagegen verbleibt das angenommene Kind ein Mitglied der Familie, in welcher es geboren worden.
§. 712. Es bestehen also zwischen ihm, und seinen natürlichen Verwandten, alle Rechte und Pflichten eben so, als wenn keine Adoption erfolgt wäre.
§. 713. Um die Verdunkelung dieser Rechte zu verhüten, ist das angenommene Kind, mit dem Namen des Annehmenden zugleich, seinen eignen Familiennamen zu führen, berechtigt.
§. 714. Die einmal gesetzmäßig erfolgte Adoption kann nur eben so, wie sie zu Stande gekommen ist, mit Einwilligung der Interessenten, und unter gerichtlicher Bestätigung, wieder aufgehoben werden.
§. 715. Dadurch verliert sie alle Wirkungen, und die Rechte und Pflichten der Interessenten sind so, als wenn niemals eine Adoption geschehen wäre, zu beurtheilen.
§. 716. Die aus der Adoption entspringende väterliche Gewalt des Annehmenden wird eben so, wie die des natürlichen Vaters, geendigt und aufgehoben.
Eilfter Abschnitt. Von der Einkindschaft
§. 717. Zwischen Stiefältern und Stiefkindern bestehen keine Familienverhältnisse.
§. 718. Doch können solche Verhältnisse in gewisser Maaße durch Einkindschaft begründet werden.
§. 719. Dergleichen Einkindschaft findet statt, wenn von Personen, die einander zur rechten Hand heirathen, entweder einer oder beyde, aus einer solchen vorhergehenden Ehe Kinder am Leben haben.
§. 720. Die Absicht der Einkindschaft ist, daß zwischen den Stiefältern, und Stiefkindern, die persönlichen Rechte und Pflichten, wie zwischen leiblichen Aeltern und Kindern, ingleichen wechselseitige Successionsrechte hervorgebracht werden sollen.
§. 721. Die Einkindschaft kann nur durch einen gerichtlich vollzogenen und bestätigten Vertrag errichtet werden.
§. 722. Dieses kann sowohl in dem Ehevertrage unter den sich heirathenden Aeltern, als nach bereits geschlossener Ehe durch ein besonderes Abkommen geschehen.
§. 723. Die freye Einwilligung der Aeltern sowohl, als der zusammen zu bringenden Kinder, ist dazu nothwendig.
§. 724. Sind die Kinder noch minderjährig: so muß das vormundschaftliche Gericht mit Zuziehung ihres Curators prüfen: ob die Einkindschaft, und die Bedingungen des darüber geschlossenen Abkommens, den Kindern zuträglich sind.
§. 725. Jedes der Aeltern, welches schon vorhandene Kinder in die Einkindschaft bringt, muß denselben aus seinem alsdann besitzenden Vermögen eine gewisse Summe, auf seinen künftigen Todesfall, zum Voraus bescheiden.
§. 726. Dieser Aussatz muß wenigstens die Hälfte ues Vermögens betragen, welches von den aussetzenden Aeltern in die neue Ehe gebracht wird.
§. 727. Wegen Bestimmung der Summe dieses Aussatzes, muß der Richter bey der pflichtmäßigen Angabe der Aeltern sich beruhigen, und kann dieselben zur Offenlegung ihres Vermögenszustandes nicht anhalten.
§. 728. Hat Einer oder der Andere der die Einkindschaft errichtenden Ehegatten Verwandte in aufsteigender Linie: so muß er die Einwilligung derselben beybringen.
§. 729. Ist diese nicht erfolgt: so bleibt solchen Ascendenten ihr Recht auf den Pflichttheil von dem künftigen Nachlasse des die Einkindschaft schließenden Abkömmlings vorbehalten.
§. 730. Stammen die zusammen zu bringenden Kinder aus einer durch richterlichen Spruch getrennten Ehe: so finden, wegen beyzubringender Einwilligung des andern Theils der geschiedenen Aeltern, eben die Vorschriften §. 728. 729. wie bey den Ascendenten Anwendung.
§. 731. Die rechtlichen Folgen der Einkindschaft werden hauptsächlich durch den Inhalt des darüber errichteten Vertrages bestimmt.
§. 732. Ist in diesem nichts besonders festgesetzt: so erlangen der Stiefvater, oder die Stiefmutter, über die Person der in die Einkindschaft gebrachten Stiefkinder alle Rechte leiblicher Aeltern.
§. 733. Dagegen erwirbt der Stiefvater auf das Vermögen der Stiefkinder keinesweges die einem leiblichen Vater unter Lebendigen zukommenden Rechte.
§. 734. Wohl aber werden dadurch gleiche und gegenseitige Erbrechte zwischen den Aeltern und den in die Einkindschaft gebrachten Kindern begründet.
§. 735. Diese Rechte erstrecken sich jedoch nur über das der freyen Verfügung eines jeden unterworfne Vermögen.
§. 736. Auch dasjenige Vermögen, welches den Kindern nach geschlossener Einkindschaft anderwärts her, als von den dieselbe schließenden Aeltern, zugefallen, ist diesen Suceessioinsrechten nicht unterworfen.
§. 737. Wenn Eins der Aeltern verstirbt: so erben die leiblichen und Stiefkinder den Nachlaß desselben mit gleichem Rechte.
§. 738. Doch nehmen alsdann die leiblichen Kinder des Erblassers aus voriger Ehe das ihnen nach §. 725. bey Schließung der Einkindschaft ausgesetzte Quantum zum Voraus.
§. 739. Die leiblichen Kinder des Erblassers aus derjenigen Ehe, zu deren Behuf die Einkindschaft geschlossen worden, können auf einen solchen vorzüglichen Antheil, als ihren Halbgeschwistern ausgesetzt ist, keinen Anspruch machen.
§. 740. Vielmehr wird der übrige Nachlaß unter die sämmtlichen leiblichen und Stiefkinder des Verstorbenen, nach der Regel der gesetzlichen Erbfolge, gleich getheilt.
§. 741. Auch, wenn nur Stiefkinder vorhanden sind, schließen diese die Verwandten des Verstorbenen in der aufsteigenden und Seitenlinie von der Erbfolge desselben aus.
§. 742. Doch hat es in Ansehung des den Ascendenten zukommenden Pflichttheils, wenn diese in die Einkindschaft nicht gewilligt haben, bey dem Vorbehalte des §. 729. sein Bewenden.
§. 743. Wenn Eins von den in die Einkindschaft gebrachten Kindern ohne eheliche Abkömmlinge verstirbt: so wird selbiges von den leiblichen und Stiefältern mit gleichem Rechte beerbt.
§. 744. Auch wenn nur der Stiefvater, oder die Stiefmutter noch am Leben ist, werden die Blutsverwandten des Kindes von diesen ausgeschlossen.
§. 745. Doch erstreckt sich dieses Erbrecht der Stiefältern nur auf das in die Einkindschaft gekommene Vermögen.
§. 746. In dasjenige, was nach §. 736. davon ausgenommen ist, findet die gemeine gesetzliche Erbfolge statt.
§. 747. Die durch den Vertrag begründete Erbfolge kann der eine Theil, zum Schaden des Andern, durch letztwillige Verfügungen nicht aufheben.
§. 748. Aeltern können also nur über dasjenige Vermögen, was bey der Einkindschaft etwa ausdrücklich vorbehalten worden, und Kinder nur über das, was nach §. 736. in die Einkindschaft nicht gekommen ist, letztwillig verordnen.
§. 749. Doch können zusammengebrachte Aeltern und Kinder aus eben den Ursachen, wie leibliche Aeltern und Kinder, einander enterben. (§. 399. sqq. §. 506. sqq.)
§. 750. Wird die Ehe, zu deren Behufe die Einkindschaft geschlossen worden, durch richterlichen Spruch wieder getrennt: so hört die Einkindschaft mit allen ihren rechtlichen Folgen von selbst auf.
§. 751. Außerdem kann dieselbe nur mit freyer gerichtlich erklärten Einstimmung sämmtlicher Interessenten wieder aufgehoben werden.
§. 752. Durch die Einkindschaft entsteht weder Verwandschaft, noch Erbrecht, unter den zusammengebrachten Kindern, noch mit oder unter ihren wechselseitigen Familien.
Zwölfter Abschnitt. Von Pflegekindern
§. 753. Wer ein von seinen Aeltern verlassenes Kind in seine Pflege nimmt, erlangt über dasselbe alle persönlichen Rechte leiblicher Aeltern.
§. 754. Er ist schuldig, das Kind in einer von den im Staate aufgenommenen Religionen zu erziehen, und dasselbe zu irgend einem nützlichen Gewerbe anzuführen.
§. 755. Sind die Aeltern des Kindes mit dem Pflegevater von gleichem oder höherem Stande: so ist letzterer schuldig, das Kind, wie seine eignen, zu verpflegen und zu erziehen.
§. 756. Sind die Aeltern von geringerem Stande, oder ist der Stand derselben ganz unbekannt: so hängt es lediglich von dem Pflegevater ab, welche Art des Unterhalts und der Erziehung er dem Kinde will angedeihen lassen.
§. 757. Auch bey der Wahl der künftigen Lebensart des Kindes hat der Pflegevater alle Rechte des leiblichen Vaters.
§. 758. Bey der Verheirathung des Pflegekindes ist seine, und nicht der leiblichen Aeltern Einwilligung erforderlich.
§. 759. Hingegen erlangt der Pflegevater auf das etwanige Vermögen des Kindes gar kein Recht.
§. 760. Vielmehr wird es mit diesem Vermögen eben so gehalten, wie wegen des Vermögens angenommener Kinder verordnet ist. (§. 694. sqq.)
§. 761. Auch entstehen zwischen Pflegeältern und Kindern keine gesetzlichen Erbrechte.
§. 762. Doch treten die Pflegeältern, bey der gesetzlichen Erbfolge, in die Stelle solcher Verwandten des Kindes, die sich desselben, da es verlassen war, anzunehmen wissentlich und vorsetzlich geweigert haben.
§. 763. Auch können die Pflegeältern die außer dem Unterhalte und der gewöhnlichen Bekleidung dem Pflegekinde gemachten Geschenke aus dem Nachlasse desselben, so weit sie darin noch vorhanden sind, zurücknehmen.
§. 764. Von Pflegekindern gemeiner oder unbekannter Herkunft können die Pflegeältern Dienstleistungen zur Entschädigung fordern.
§. 765. Das Kind muß alsdann, nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, so viel Jahre ohne Lohn dienen, als es vorher verpflegt worden.
§. 766. Während der Dienstzeit muß dem Kinde, außer der nothwendigen Kleidung, ein solcher Lebensunterhalt gereicht werden, wie ihn andere gleiche Dienste leistende Personen erhalten.
§. 767. Die Dienste der Pflegekinder dürfen an Fremde nicht überlassen werden.
§. 768. Sie hören auf, wenn die Pflegeältern mit Tode abgehen.
§. 769. Zu einer Heirath des Pflegekindes können die Pflegeältern bloß um deswillen, weil die Dienstzeit desselben noch nicht geendigt ist, ihre Einwilligung nicht versagen.
§. 770. Mißbrauchen die Pflegeältern ihre Rechte dergestalt, daß Leben, Gesundheit, Ehre, Sitten, oder Gewissensfreyheit des Kindes darüber in Gefahr kommen: so ist das Kind von fernerer Dienstleistung freyzusprechen.
§. 771. Alle persönliche Rechte der Pflegeältern über das Kind gehen verloren, wenn sie vor vollendeter Erziehung desselben ihren Beystand wieder zurücknehmen.
§. 772. Wenn jemand ein fremdes Kind, außer dem Falle der Hülflosigkeit, zur Verpflegung und Erziehung übernimmt: so müssen seine Verhältnisse gegen dasselbe hauptsächlich nach dem Inhalte des darüber geschlossenen Vertrages beurtheilt werden.
§. 773. In so fern seine Rechte und Pflichten solchergestalt nicht bestimmt sind, erstrecken sie sich nicht weiter, als es der Zweck der übernommenen Erziehung unmittelbar erfordert.
Dritter Titel. Von den Rechten und Pflichten der übrigen Mitglieder einer Familie
Wie Familienverbindungen entstehn.
§. 1. Personen, die durch Blutsfreundschaft mit einander verwandt sind, werden zu Einer Familie gerechnet. (Th. I. Tit. I. §. 42-45.)
§. 2. Die Ehefrau nimmt nur für ihre Person an den Rechten der Familie des Mannes durch die Heirath so weit Antheil, als ihr diese Rechte durch den Mann übertragen werden können. (Tit. I. §. 192.)
§. 3. In wie fern durch Zeugung und Geburt aus einer Ehe zur linken Hand, aus unehelichem Beyschlafe, durch Landesherrliche oder obrigkeitliche Legitimation, durch Annahme an Kindesstatt, oder durch Einkindschaft, Familienverbindungen entstehen, oder nicht, ist im vorigen Titel verordnet.
§. 4. Kinder, die von einerley Vater und Mutter in rechtmäßiger Ehe erzeugt, oder durch eine solche Ehe legitimiret werden, haben unter einander die Rechte vollbürtiger Geschwister.
§. 5. Haben sie nur einen gemeinschaftlichen Vater, oder nur eine gemeinschaftliche Mutter: so sind sie nur als Halbgeschwister mit einander verbunden.
§. 6. Uneheliche Kinder eben derselben Mutter werden, wenn sie auch einen gemeinschaftlichen Vater haben, dennoch, so lange die Aeltern einander nicht heirathen, nur als Halbgeschwister von der Mutter-Seite angesehn.
§. 7. Zwischen unehelichen Kindern, die eben derselbe Vater mit verschiedenen Müttern erzeugt hat, besteht gar kein bürgerliches Familien-Verhältniß.
§. 8. Uneheliche Kinder befinden sich mit denjenigen, welche die Mutter in der mit einem andern Vater geschlossenen Ehe erzeugt, ebenfalls in keiner dergleichen Verbindung.
Allgemeine Familienrechte und Pflichten
1) Sorge für die Mitglieder der Familie.
§. 9. Alle Mitglieder einer Familie haben, als solche, vermöge der Gesetze, gewisse allgemeine Rechte und Pflichten.
§. 10. Darunter wird vornehmlich die Sorge für die zur Familie gehörenden Kinder und andre Personen, die sich selbst vorzustehen nicht fähig sind, gerechnet.
welche sich selbst nicht vorstehen können.
§. 11. Wenn Aeltern die gegen ihre Kinder ihnen obliegenden Pflichten der Erziehung und Pflege gröblich hinten ansetzen: so sind die Familien-Mitglieder, ohne Rücksicht des Grades der Verwandtschaft, befugt und schuldig, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen, und Untersuchung zu fordern.
§. 12. Von der Pflicht der Verwandten, für die Bevormundung solcher Familien-Mitglieder, welche deren bedürfen, zu sorgen, und dergleichen Vormundschaften selbst zu übernehmen, wird in dem Titel von Vormundschaften gehandelt. (Tit. XVIII. Abschn. II.III.)
§. 13. Ob und wie lange Mitglieder einer Familie einander betrauern dürfen, bestimmen die Polizeyordnungen.
3) Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung.
§. 14. Verwandte in auf- und absteigender Linie sind einander, nach den wegen der Aeltern und Kinder im vorigen Titel enthaltenen nähern Bestimmungen, zu ernähren verbunden. (Tit. II. §. 251-254.)
§. 15. Auch Geschwister ersten Grades müssen ihren Geschwistern, die sich selbst zu ernähren ganz unfähig sind, den nothdürftigen Unterhalt reichen.
§. 16. Es macht dabey keinen Unterschied: ob sie mit solchen Geschwistern durch volle oder halbe Geburt, aus einer Ehe zur rechten oder zur linken Hand verwandt sind.
§. 17. Doch richtet sich überhaupt die Verbindlichkeit der Verwandten, hülflose Familien-Mitglieder zu ernähren, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
§. 18. Derjenige also, welcher der nächste Erbe des zu ernährenden Verwandten seyn würde, hat auch die nächste Verbindlichkeit, für seinen Unterhalt zu sorgen.
§. 19. Wenn jedoch der zunächst Verpflichtete selbst unvermögend ist: so muß der auf ihn Folgende an seine Stelle treten.
§. 20. Mehrere gleich nahe Verwandten müssen den Unterhalt des dürftigen Familien-Mitgliedes gemeinschaftlich, jedoch nach Verhältniß ihres Vermögens, bestreiten.
§. 21. Nur Geschwister sind berechtigt, das, was der Unterhalt ihrer unvermögenden Geschwister sie gekostet hat, von diesen zurückzufordern; wenn die Umstände der letztern sich in der Folge dergestalt verbessern, daß sie diesen Ersatz ohne Abbruch ihrer eignen und der Ihrigen Nothdurft leisten können.
§. 22. Andere Seitenverwandte, außer den Geschwistern ersten Grades, können zur Ernährung unvermögender Familien-Mitglieder nicht gezwungen werden.
§. 23. Doch verlieren diejenigen, die ihre unvermögenden Verwandten gegen ihre natürliche Pflicht hülflos lassen, ihr gesetzliches Erbrecht.
§. 24. Dieser Verlust des Erbrechts kann aber nur alsdann statt finden, wenn der Verwandte, welchen derselbe treffen soll, zur Ernährung seines unvermögenden Verwandten ausdrücklich aufgefordert worden ist, und sich dessen geweigert hat.
§. 25. Alsdenn tritt derjenige an seine Stelle, welcher sich eines solchen hülflosen Menschen angenommen hat.
§. 26. Haben Mehrere zu der Vorsorge für den Unterhalt und die Verpflegung desselben sich mit einander vereinigt: so beerben sie ihn nach Verhältniß ihrer Beyträge.
§. 27. Bloße Almosen und Geschenke, wenn sie auch in gewissen bestimmten Summen und Terminen gegeben worden, begründen niemals ein Erbrecht.
§. 28. Von dem Erbrechte öffentlicher Anstalten in den Nachlaß der darin aufgenommenen Personen, wird im Titel von Armenanstalten gehandelt. (Tit. XIX.)
§. 29. Verwandte, die nur durch eignes Unvermögen ihre hülflosen Verwandte zu ernähren verhindert worden, können niemals mit dem Verluste ihres Erbrechts bestraft werden.
§. 30. Sie müssen aber demjenigen, der den Erblasser ernährt hat, die darauf verwendeten Kosten, als eine Schuld, aus dem Nachlasse ersetzen.
§. 31. Unter den Seitenverwandten werden zuerst die Geschwister zur gesetzlichen Erbfolge berufen.
§. 32. Sie können aber davon durch Verträge und letzte Willensverordnungen völlig ausgeschlossen werden.
§. 33. Geschwister haben von einander keinen Pflichttheil zu fordern.
§. 34. In wie fern sie die Verwandten in aufsteigender Linie ausschließen, oder mit ihnen zugleich erben, ist im vorigen Titel bestimmt.
§. 35. Vollbürtige Geschwister und deren Abkömmlinge schließen die halbbürtigen aus.
§. 36. Mehrere vollbürtige Geschwister theilen unter sich die Erbschaft nach der Personenzahl.
§. 37. Sind von denselben einige oder alle, mit Hinterlassung von Abkömmlingen, vor dem Erblasser gestorben: so wird die Erbschaft nach den Linien getheilt.
§. 38. In die Portion jeder Linie theilen sich die unter denselben stehenden Unterlinien, nach eben den Regeln, die bey der Erbfolge der Descendenten im Zweyten Titel §. 351-358. vorgeschrieben worden.
§. 39. So oft daher in Einer Linie eine dem Erblasser dem Grade nach nähere Person dessen Erbe nicht seyn kann oder will, fällt ihr Erbrecht auf die von ihr abstammenden weitern Descendenten.
§. 40. Wenn gleich Abkömmlinge von Geschwistern ihrer eignen Aeltern Erben nicht geworden sind: so hat doch dieses auf ihr Erbrecht in dem Nachlasse der Geschwister ihrer Aeltern keinen Einfluß.
§. 41. Sind weder vollbürtige Geschwister, noch Abkömmlinge von selbigen vorhanden: so gelangen die Halbgeschwister und deren Descendenten zur Erbfolge.
§. 42. Bey diesen, wenn ihrer mehrere sind, findet eben die Successionsordnung nach Linien statt, wie unter den vollbürtigen Geschwistern und deren Abkömmlingen.
§. 43. Zwischen Halbgeschwistern von väterlicher und mütterlicher Seite ist der Regel nach kein Unterschied.
§. 44. Auch kommt es darauf nicht an: ob das Vermögen des Erblassers demselben von der väterlichen oder von der mütterlichen Seite zugefallen sey.
§. 45. In wie fern bey Lehnen, Fideicommissen, und Stammgütern, Halbgeschwister von Vatersseite mit den Vollbürtigen zugleich zur Succession gelangen, und die Halbgeschwister von Seiten der Mutter ausschließen, ist gehörigen Orts festgesetzt.
§. 46. Sind weder Verwandten in auf- oder absteigender Linie, noch Geschwister oder deren Abkömmlinge vorhanden: so gelangen die übrigen Seitenverwandten zur Erbfolge.
§. 47. In wie fern diese mit dem überlebenden Ehegatten zugleich an der Erbschaft Theil nehmen, oder von demselben ausgeschlossen werden, ist im Ersten Titel §. 622. sqq. bestimmt.
§. 48. Seitenverwandte erben nach der Nähe des Grades ihrer Verwandtschaft mit dem Erblasser.
§. 49. Der nähere Grad schließt die Entfernteren aus.
§. 50. Aeltern, die vor dem Erblasser verstorben sind, verfallen dabey niemals ihr Erbrecht auf ihre Kinder.
§. 51. Mehrere Personen gleichen Grades erben zu gleichen Theilen.
§. 52. Es macht keinen Unterschied: ob die Seitenverwandten von des Vaters oder von der Mutterseite, durch volle oder nur durch halbe Geburt, mit dem Erblasser verbunden sind.
§. 53. Wegen der Folge der Seitenverwandten in Lehne, Fideicommisse, oder Stammgüter, hat es bey den vorgeschriebenen besondern Successionsordnungen sein Bewenden.
Vierter Titel. Von gemeinschaftlichen Familienrechten
Erster Abschnitt. Von gemeinschaftlichen Familienrechten überhaupt
Theilnehmung an Familienrechten.
§. 1. An gemeinschaftlichen Familienrechten nehmen sämmtliche Mitglieder der Familie, ohne Unterschied der Art oder des Grades der Verwandschaft, Antheil.
§. 2. Wenn von Familienrechten überhaupt die Rede ist: so kommen dieselben auch Personen weiblichen Geschlechts, und denenjenigen zu, welche durch Abstammung von solchen Personen mit der Familie verbunden sind.
§. 3. Nur in Fällen, wo Stiftungsbriefe, Familienverträge, oder besondere Gesetze dieses bestimmen, werden Weibspersonen, und die durch sie mit der Familie verwandt sind, von solchen Gerechtsamen ausgeschlossen.
§. 4. Ist ein gemeinschaftliches Familienrecht so beschaffen, daß es nicht von allen zugleich, sondern nur von Einem ausgeübt werden kann: so kommt, wenn nicht Stiftungsbriefe oder Familienverträge ein Anderes mit sich bringen, die Ausübung eines solchen Rechts demjenigen zu, welcher dem ersten Erwerber, dem Grade nach, am nächsten verwandt ist.
§. 5. Ist kein erster Erwerber bekannt; oder sind mehrere ihm gleich nahe Familienmitglieder vorhanden: so kommt die Ausübung des Familienrechts demjenigen zu, welcher der Aeltere den Jahren nach ist.
§. 6. Giebt auch das Alter keine entscheidende Bestimmung: so muß dieselbe dem Loose überlassen werden.
§. 7. Gemeinschaftliche Familienangelegenheiten müssen durch Berathschlagungen und Schlüsse der ganzen Familie angeordnet werden.
§. 8. In wie fern dieses durch die Mehrheit der Stimmen, oder nur durch den einhelligen Schluß sämmtlicher Familienmitglieder geschehen könne, ist, in so fern Stiftungsbriefe oder Familienverträge nichts Besonderes festsetzen, nach den allgemeinen Vorschriften vom Rechte der Gesellschaften zu bestimmen.
§. 9. Zu dergleichen Beratschlagungen muß der Vorsteher der Familie dieselbe zusammenberufen.
§. 10. Wer als Vorsteher der Familie anzusehen sey, wird durch die Wahl der übrigen Mitglieder, und wenn keine Wahl geschehen, oder überhaupt in der Familie nicht gewöhnlich ist, durch das Alter den Jahren nach bestimmt.
§. 11. Personen weiblichen Geschlechts können nur durch Stiftungsbriefe, oder durch die Wahl der übrigen Mitglieder, zu Vorstehern der Familie bestellt werden.
§. 12. Dem Vorsteher der Familie liegt vorzüglich ob, für die Erhaltung der Familienrechte zu sorgen.
§. 13. Doch muß er in Prozessen Vollmacht von den übrigen Familienmitgliedern beybringen.
§. 14. In Fällen aber, wo Gefahr aus dem Verzuge für die Familie entstehen könnte, muß er, vermöge einer zu vermuthenden Vollmacht, zugelassen werden. (Th. I. Tit. XIII. §. 119. sqq.)
§. 15. Die von ihm auf den Grund einer solchen wirklich ertheilten, oder zu vermuthenden Vollmacht aufgewendeten Kosten, muß ihm die Familie erstatten.
§. 16. Die Vertheilung dieser Kosten geschieht in der Regel nach der Zahl der zu der Familie gehörenden Personen.
§. 17. Doch werden Kinder, deren Aeltern noch am Leben sind, nur in so fern gerechnet, als sie eigentümliches freyes Vermögen besitzen, oder bereits eine abgesonderte Wirthschaft angestellt haben.
§. 18. Unvermögende Familienmitglieder müssen von den vermögenden übertragen werden.
§. 19. Die Verwahrung der die gemeinschaftlichen Familienrechte betreffenden Urkunden gebühret dem Vorsteher der Familie.
§. 20. Ist aber ein gemeinschaftliches Stammhaus vorhanden: so müssen die Familienurkunden der Regel nach in diesem aufbewahrt werden.
Zweyter Abschnitt. Von Familienstiftungen
§. 21. Unter Familienstiftungen werden hier Anordnungen verstanden, wodurch jemand gewisse Hebungen von bestimmten Grundstücken oder Capitalien für eine Familie aussetzt und anweiset.
§. 22. Auch ist es für eine Familienstiftung zu achten, wenn jemand die Ausübung gewisser Vorrechte und Befugnisse einer Familie verschafft und zueignet.
§. 23. Wenn aber jemand verordnet, daß ein gewisses Grundstück oder Capital, entweder für beständig, oder doch durch mehrere Geschlechtsfolgen, bey einer Familie verbleiben solle: so wird solches ein Familien-Fideicommiß genannt.
§. 24. Wenn jemand verordnet, daß die Zinsen eines gewissen Capitals einer Familie zu gute kommen sollen: so ist dergleichen Verordnung, im zweifelhaften Falle, eher für eine bloße Familienstiftung, als für ein Fideicommiß zu achten.
§. 25. Ist ein bestimmter Zinsfuß eines gewissen Capitals als der Maaßstab der der Familie zugedachten jährlichen Hebung vorgeschrieben: so müssen, bey erfolgender Verminderung des Zinsfußes, auch die Theilnehmer eine Verminderung ihrer jährlichen Hebungen sich gefallen lassen.
§. 26. Ist jedoch das Capital selbst bey dem Schuldner desselben auf eine ihn rechtlich verpflichtende Art unablöslich bestätigt worden: so kann derselbe auf eine Herabsetzung der Zinsen niemals antragen.
Von Errichtung der Familienstiftungen.
§. 27. Familienstiftungen zu machen, ist jeder Einwohner des Staats in so weit berechtigt, als er überhaupt über sein Vermögen schalten kann.
§. 28. Dergleichen Familienstiftungen können durch Verträge, durch einseitige Verfügungen unter Lebendigen, und durch letzte Willensverordnungen errichtet werden.
§. 29. Diese Stiftungsurkunden sollen künftig allemal vor dem ordentlichen persönlichen Richter des Stifters verlautbart, und demselben zur Bestätigung vorgelegt werden.
§. 30. Diese Verlautbarung muß, wenn sie der Stifter nicht selbst schon bey seiner Lebenszeit bewirkt, durch den Vorsteher der zum Genusse der Stiftung berufenen Familie besorgt werden.
§. 31. Der Richter ist schuldig, nach näherer Anweisung der Gesetze, welche die gerichtliche Verfahrungsart in nicht streitigen Rechtsangelegenheiten vorschreiben, darauf zu sehen, daß dergleichen Urkunden deutlich und bestimmt gefaßt, auch künftigen Zweifeln und Prozessen möglichst vorgebeugt werde.
§. 32. So lange die Stiftungsurkunde nicht gerichtlich verlautbart worden, soll keine Klage daraus angenommen werden.
§. 33. Wird aber die Gültigkeit der Urkunde selbst, vor oder nach der Verlautbarung angefochten: so muß darüber rechtliches Gehör verstattet werden.
Rechte und Pflichten der Familienmitglieder dabey.
§. 34. Die wegen einer solchen Stiftung den Familienmitgliedern zukommenden Rechte und Pflichten, sind lediglich nach dem Inhalte der Stiftungsurkunde zu bestimmen.
§. 35. Bey entstehendem Streite: in welcher Ordnung die Familienmitglieder zum Genusse der Stiftung gelangen sollen, gilt die Vermuthung, daß der Stifter auf die Regeln der gesetzlichen Erbfolge, in Beziehung auf den gemeinschaftlichen Stammvater der berufenen Familie, Rücksicht genommen habe.
§. 36. Hat der Stifter eine gewisse namentlich bezeichnete Familie zum Genusse der Stiftung berufen: so sind diejenigen, welche den Familiennamen nicht führen, wenn sie gleich sonst zur Verwandtschaft gehören, dennoch für ausgeschlossen zu achten.
§. 37. Hat aber der Stifter in allgemeinen Ausdrücken, zum Besten seiner Verwandten, Nachkommen u. s. w. verordnet: so nehmen auch Verwandte weiblichen Geschlechts, und die durch selbige zu der Familie gehören, an der Stiftung Theil.
§. 38. Die Sorge für die Beobachtung der Stiftungsurkunde, und für die Aufrechthaltung der daraus der Familie zukommenden Rechte, liegt, wenn der Stifter nichts Besonderes darüber festgesetzt hat, dem Vorsteher der Familie hauptsächlich ob.
Wie weit Familienschlüsse über solche Stiftungen gelten.
§. 39. Der wesentliche Inhalt der Stiftungsurkunde kann durch einen auch einstimmigen Schluß der Familie nicht aufgehoben, noch abgeändert werden.
§. 40. Dagegen ist die Erklärung einer undeutlichen, oder die Ergänzung einer mangelhaften Vorschrift dieser Urkunde, durch einen solchen einstimmigen Familienschluß zuläßig.
§. 41. Durch eben dergleichen Schluß können auch in der Art der Sicherstellung oder Verwendung der Stiftungseinkünfte, die den veränderten Zeitumständen angemessenen Veränderungen getroffen werden.
§. 42. Zur Abfassung eines solchen Familienschlusses müssen alle Mitglieder zugezogen, und denjenigen, welche wegen minderjährigen Alters, oder sonst, ihren Sachen nicht selbst vorstehen können, Vormünder bestellt werden.
§. 43. Letzteres muß geschehen, auch wenn die Väter solcher minderjährigen Familienmitglieder noch am Leben sind.
§. 44. Wenn neue Familienmitglieder innerhalb des Dreyhundert zweyten Tages nach der von ihren Aeltern geschehenen Vollziehung des Familienschlusses geboren werden: so sind in Ansehung ihrer die Vorschriften §. 42. 43. zu beobachten.
§. 45. Später geborne Familienmitglieder müssen den Schluß der Familie schlechterdings anerkennen.
§. 46. Dergleichen Familienschlüsse sollen gerichtlich geprüft und bestätigt werden. (§. 29-33.)
Dritter Abschnitt. Von beständigen Familien - Fideicommissen
§. 47. Jedem Einwohner des Staats ist erlaubt, in seinem Vermögen nach eignem Gutfinden Fideicommiß-Substitutionen, nach näherer Bestimmung des Titels von letztwilligen Verordnungen, auch zum Besten einer gewissen Familie zu errichten. (Th. I. Tit. XII. §. 53. sqq.)
Was zu beständigen Familien-Fideicommissen gewidmet werden könne.
§. 48. Zu beständigen Familien-Fideicommissen aber können nur Capitalien und Grundstücke, mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden ist, gewidmet werden.
§. 49. Nur freye und keiner grundherrschaftlichen Botmäßigkeit unterworfene Grundstücke können mit einem solchen beständigen Familien-Fideicommiß belegt werden.
§. 50. Lehne können zwar in Fideicommisse nicht verwandelt; wohl aber darin eine Successionsordnung, wie bey Fideicommissen, mit Beystimmung sämmtlicher Interessenten, eingeführt werden.
§. 51. Ein Landgut, welches zum beständigen Familien-Fideicommiß gewidmet werden soll, muß wenigstens einen reinen Ertrag von Zweytausend Fünf hundert Thalern, nach einem landüblichen Wirthschaftsanschlage gewähren.
§. 52. Dieser Ertrag darf weder mit Zinsen von Schuldposten, die auf dem Gute haften, noch mit Abgaben an Familienmitglieder oder Fremde belastet seyn.
§. 53. Nur mit Prästationen zum Besten der Kinder des jedesmaligen Fideicommiß-Besitzers; zur Aufsammlung eines Capitals für künftige Unglücksfälle; oder zur Erweiterung und Verbesserung des Fideicommisses, kann der Ertrag desselben, bis zur Hälfte der gesetzmäßigen Summe, in dem Stiftungsbriefe belegt werden.
§. 54. Es muß also, bey jedem künftig zu errichtenden Fideicommiß, dem zeitigen Besitzer wenigstens ein reiner Ertrag von Zwölfhundert und Fünfzig Thalern zur freyen Verwendung übrig bleiben.
§. 55. Grundstücke, die schon an und für sich den reinen Ertrag von Zweytausend Fünfhundert Thalern nicht gewähren, können nur in so fern zu einem beständigen Fideicommiß gewidmet werden, als damit ein Capital, dessen Nutzung das Fehlende ergänzt, untrennbar verbunden wird.
§. 56. Für eben dieselbe Familie soll in Zukunft kein Fideicommiß, welches den reinen Ertrag von Zehntausend Thalern übersteigt, ohne besondere Landesherrliche Genehmigung gestiftet werden.
§. 57. Auch ein nachfolgender Fideicommiß-Besitzer kann das von seinen Vorfahren auf ihn verfällte Fideicommiß über diesen Ertrag nicht vergrößern.
§. 58. Sobald aber eine Familie in mehrere neben einander fortlaufende Linien sich theilt, kann für jede dieser Linien ein besonderes Fideicommiß gestiftet werden.
§. 59. Zu einem bloßen für sich allein bestehenden Geld-Fideicommiß ist ein Capital von Zehntausend Thalern hinreichend.
§. 60. Aus bloßen Häusern und Gebäuden, ingleichen aus Mobilien und Kostbarkeiten allein, kann kein beständiges Familien-Fideicommiß errichtet werden.
§. 61. Wohl aber können dergleichen Gebäude, Mobilien, und Kostbarkeiten, einem andern für sich bestehenden Fideicommiß zugeschlagen werden.
Von Errichtung der Familienfideicommisse.
§. 62. Von Errichtung und Verlautbarung der Fideicommiß-Urkunden gilt eben das, was in Ansehung der Familienstiftungen verordnet ist, (§. 29. sqq.)
§. 63. Doch muß, wenn das Fideicommiß in einem Grundstücke besteht, die Verlautbarung vor demjenigen Richter geschehen, unter welchem das Grundstück belegen ist.
§. 64. Dieser muß von Amtswegen dafür sorgen, daß das Fideicommiß auf das dazu gewidmete Grundstück im Hypothekenbuche eingetragen werde.
§. 65. Auch die zur Zeit der Errichtung des Fideicommisses vorhandnen bekannten Familienmitglieder, welche dazu mit berufen sind, müssen ihre Namen, und die Art ihrer Verwandtschaft mit dem Stifter, im Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 66. Ist nach dem Inhalte der Stiftungs-Urkunde zu vermuthen, daß noch unbekannte Theilnehmer vorhanden seyn möchten: so muß der Richter dieselben zur Anmeldung ihrer Gerechtsame, zum Behufe der Eintragung, öffentlich auffordern.
§. 67. Auch in der Folge, wenn neue Familienmitglieder entstehen, sind dieselben, sobald sie aus väterlicher Gewalt kommen, und eine abgesonderte Wirthschaft anfangen, sich in der Eigenschaft, als Anwärter zum Fideicommiß, im Hypothekenbuche vermerken zu lassen schuldig.
§. 68. Nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten Familienmitglieder ist der Richter bey Verhandlungen über das Fideicommiß zuzuziehen verbunden.
§. 69. Diejenigen, welche sich zur Eintragung nicht gemeldet haben, müssen sich alles, was mit den eingetragenen gerichtlich verhandelt, und von diesen beschlossen worden, ohne alle Widerrede gefallen lassen.
§. 70. In allen Fällen, wo ein nicht eingetragenes Mitglied seinen Anspruch auf das Fideicommiß durch eine besondere Legitimation nachweisen muß, ist dasselbe schuldig, auch wenn es in der Hauptsache ein obsiegliches Urtel erhält, alle durch diese Legitimationsführung verursachten Kosten allein zu tragen.
§. 71. Uebrigens soll künftig, bey Errichtung eines jeden Fideicommisses, von den dazu gehörenden Pertinenz- und Inventarienstücken ein vollständiges beglaubtes Verzeichniß aufgenommen, und ein Exemplar davon bey den Akten des Hypothekenbuchs verwahrt werden.
Rechte und Pflichten des Fideicommiß-Besitzers.
§. 72. Dem jedesmaligen Fideicommiß-Besitzer gebührt das nutzbare Eigenthum des Fideicommisses.
§. 73. Das Obereigenthum befindet sich bey der ganzen Familie.
§. 74. Die Rechte und Pflichten des Fideicommiß-Besitzers sind hauptsächlich nach dem Inhalte des Stiftungsbriefes, übrigens aber nach den Vorschriften der Gesetze vom nutzbaren Eigenthume zu beurtheilen.
§. 75. Wenn der Sinn des Stiftungsbriefes nicht wahr ist: so muß derselbe jedesmal so gedeutet werden, wie es dem Zwecke der Erhaltung des Fideicommisses bey der Familie am gemäßesten ist.
§. 76. In allen Fällen, wenn bey getheiltem Eigenthume die Einwilligung des Obereigenthümers zu einer Verfügung erforderlich ist, muß dieselbe bey Fideicommissen durch einen Familienschluß getroffen werden.
§. 77. Wegen Aufnehmung eines solchen Familienschlusses gilt bey Fideicommissen alles das, was bey Familienstiftungen vorgeschrieben ist. (§. 41. sqq.)
§. 78. Wenn also mit der Substanz der zum Fideicommisse gewidmeten Güter, durch Tausch, oder sonst, Veränderungen vorgenommen werden sollen: so muß dieses durch einen Familienschluß geschehen.
§. 79. Ist dergleichen Schluß nicht zu Stande Bekommen: so kann jedes Familienmitglied, welches nicht eingewilligt hat, sobald es zur Succession gelangt, die Handlung anfechten, und auf Versetzung der Sache in den vorigen Stand antragen.
insonderheit bey Verschuldungen des Fideicommisses.
§. 80. Nur allein bey Aufnehmung notwendiger Darlehne auf die Einkünfte des Fideicommisses, ist nicht die Zuziehung aller, sondern bloß gewisser Familienmitglieder erforderlich.
§. 81. Für notwendige Schulden sind diejenigen Summen zu achten, welche zur Wiederherstellung der durch Unglücksfälle, ingleichen durch Alter, ohne eignes Verschulden des Besitzers ruinirten, oder in Verfall gerathenen Gebäude aufgenommen werden müssen.
§. 82. Doch soll künftig jeder Fideicommißbesitzer schuldig seyn, die zum Fideicommisse gehörigen Gebäude in die Feuer-Versicherungs-Gesellschaft aufnehmen, zu lassen.
§. 83. Ist dieses durch seine Schuld unterblieben: so kann er wegen Feuerschäden, deren Vergütung durch Beiträge der Gesellschaft erfolgt seyn würde, die Einkünfte des Fideicommisses, zum Nachttheile künftiger Besitzer, mit Schulden nicht beschweren.
§. 84. Dagegen ist ein Fideicommiß-Folger, welcher die Gebäude von seinen Vorfahren in so schlechten Umständen überkommen hat, daß sie eines neuen Baues, oder einer Hauptreparatur bedürfen, die dazu erforderliche Summe auf die Nutzungen des Fideicommisses aufzunehmen berechtigt, wenn das freye Vermögen des Vorfahren zum Ersatze derselben nicht hinreicht.
§. 85. Wenn an dem Fideicommiß-Inventario überhaupt, oder auch an einzelnen Rubriken desselben, durch Brand, Krieg, Wasserfluthen, oder andre Unglücksfälle, ein solcher Schaden entstanden ist, daß derselbe, zu Gelde gerechnet, den vierten Theil der Fideicommiß-Einkünfte nach einem ungefähren Anschlag, übersteigt: so ist der Besitzer ebenfalls berechtigt, die zur Wiederherstellung des Inventarii nöthige Summe auf die Nutzungen des Fideicommisses aufzunehmen.
§. 86. Wenn das Gut durch Krieg, oder sonst durch höhere Gewalt dergestalt verheert worden, daß der Besitzer in einem oder dem andern Jahre nicht so viel Nutzungen, als zur Abführung der stiftungsmäßigen Prästationen erforderlich sind, daraus hat ziehen können: so ist er berechtigt, so viel, als zu dieser Abgeltung ermangelt, auf die künftigen Revenüen aufzunehmen und zu versichern.
§. 87. In allen Fällen, wo das Fideicommiß mit einer neuen Schuld beschwert werden soll, müssen bey Regulirung der Sache Zwey der Fideicommiß-Anwärter zugezogen werden.
§. 88. Besteht die zum Fideicommiß berufene Familie aus mehrern Linien: so wird die Zuziehung des nächsten Anwärters aus der im Besitze befindlichen, und des Aeltesten aus derjenigen Linie, welche nach ihr die nächste ist, erfordert.
§. 89. Ist nur eine Linie vorhanden: so müssen aus dieser die beyden nächsten Anwärter zugezogen werden.
§. 90. Unter die zuzuziehenden Fideicommiß-Anwärter sind die Kinder des Besitzers nicht mitzurechnen.
§. 91. Stehen die zuzuziehenden Anwärter unter Vormundschaft: so müssen sie, auch bey diesem Geschäfte, von ihren Vormündern vertreten werden.
§. 92. Sind keine andre Anwärter, außer den Kindern des Fideicommiß-Besitzers, vorhanden: so ist deren Zuziehung hinreichend.
§. 93. Ihnen muß, wenn sie ihren Sachen nicht selbst vorstehen können, ein besonderer Curator zu diesem Geschäfte bestellt werden.
§. 94. Ist überhaupt nur Ein Anwärter vorhanden: so ist dessen Einwilligung hinreichend.
§. 95. Ist kein Anwärter bekannt: doch aber auch noch nicht entschieden; ob das Fideicommiß in den Händen des gegenwärtigen Besitzers erlöschen werde: so muß dieser, wenn er ein Darlehn aufnehmen will, bey dem Richter der Sache auf Bestellung eines Curators für das Fideicommiß, und auf dessen Zuziehung antragen.
§. 96. Bey Aufnehmung eines solchen Darlehns sind allemal gewisse Termine zu dessen Rückzahlung, durch Uebereinkommen mit den zugezogenen Anwärtern, oder in dessen Ermangelung nach richterlichem Ermessen, zu bestimmen.
§. 97. Der Fideicommiß-Besitzer ist nicht schuldig, höhere Rückzahlungstermine auf Ein Jahr zu übernehmen, als der Vierte Theil der gewöhnlichen Einkünfte, nach einem ungefähren Ueberschlage beträgt.
§. 98. Dieser Ueberschlag ist jedoch nicht nach der gegenwärtigen etwa verfallenen Beschaffenheit des Gutes, sondern darnach einzurichten, was das Gut, wenn es sich in gewöhnlich gutem Wirthschaftsstande befunden, sonst getragen hat.
§. 99. Dem Besitzer muß aber auch, zur Wiederherstellung des Gutes durch Verwendung der aufzunehmenden Summe, eine verhältnißmäßige Zeit gelassen werden, ehe er mit den Rückzahlungen anzufangen schuldig ist.
§. 100. Mindere Termine, als das Viertel der gewöhnlichen Einkünfte beträgt, sind die zugezogenen Anwärter dem Besitzer zu bewilligen nur in so fern befugt, als das Fideicommiß dadurch dennoch binnen Zehn Jahren von der Schuld wieder befreyet werden kann.
§. 101. Die Regulirung eines solchen Darlehnsgeschäfts muß allemal gerichtlich erfolgen.
§. 102. Der Richter, unter welchem das Fideicommiß gelegen ist, muß dabey von Amtswegen dahin sehen, daß die vorstehenden Erfordernisse beobachtet werden.
§. 103. Giebt der Gläubiger wegen der bestimmten Rückzahlungstermine freywillig Nachsicht: so geschieht es auf seine Gefahr. (Th. I. Tit. XVIII. §. 252. 253.)
§. 104. Schulden des Fideicommiß-Stifters, mit welchen er selbst das Fideicommiß bey dessen Errichtung belastet hat; oder die aus seinem übrigen Vermögen nicht bezahlt werden können, sind als ursprüngliche, die Substanz angehende Fideicommiß-Schulden anzusehen.
§. 105. Dergleichen Schulden ist der Fideicommiß-Folger aus den Einkünften zu bezahlen nicht verbunden.
§. 106. Hat er sie bezahlt: so findet dabey eben das statt, was wegen der Lehnsschulden verordnet ist. (Th. I. Tit. XVIII. §. 592. sqq.)
§. 107. Ein Gleiches gilt auch alsdann, wenn der Fideicommiß-Besitzer auf die terminlich zurückzuzahlenden Schulden, Zahlungen, die erst in die Zeiten seines Nachfolgers treffen würden, zum Voraus geleistet hat.
§. 108. Wegen solcher Schulden, die nach §. 80. sqq. in gewissen Terminen aus den Einkünften wieder abgestoßen werden sollen, kann die Subhastation des Fideicommiß-Gutes selbst niemals erfolgen.
§. 109. Vielmehr kann der Gläubiger, wegen solcher zurückbleibenden Zahlungen, nur an die Einkünfte durch den Weg der gerichtlichen Sequestration sich halten.
§. 110. Wegen solcher Schulden aber, die nach §. 104. aus der Substanz des Fideicommisses selbst bezahlt werden müssen, kann der Gläubiger, im Verfolge der Execution, auch auf den gerichtlichen Verkauf des Guts selbst antragen.
§. 111. Was aber von dem Kaufgelde, nach Abzug dieser Schulden noch übrig bleibt, muß zum Fideicommiß angelegt werden.
§. 112. Der Käufer eines solchen Guts kann also nur in das gerichtliche Depositum mit Sicherheit zahlen.
§. 113. Wie die anderweitige Anlegung zum Fideicommiß geschehen solle, muß durch einen Familienschluß angeordnet werden.
§. 114. Ein solcher Familienschluß ist auch alsdann nothwendig, wenn in außerordentlichen Fällen zur Wiederherstellung eines ruinirten Fideicommisses ein so starker Vorschuß erforderlich ist, daß derselbe aus den bloßen Einkünften nicht zurückgezahlt werden kann.
§. 115. Wird durch Versandungen, oder andere dergleichen aus höherer Macht herrührende Unglücksfälle, das Fideicommiß-Gut dergestalt verringert, daß die nach §. 53. auf das Gut gelegten stiftungsmäßigen Prästationen daraus nicht mehr genommen werden können: so müssen diese so weit zurückstehen, als es nothwendig ist, um dem Fideicommiß-Besitzer den §. 54. ausgemessenen reinen Ertrag zu gewähren.
§. 116. Doch dauert dieser Nachlaß nur so lange, bis das Gut so weit, als zur Aufbringung der vorigen Prästationen erforderlich ist, wieder hat hergestellt werden können.
§. 117. Bey Prozessen, welche die Substanz des Fideicommisses betreffen, ist zwar der jedesmalige Besitzer die Rechte desselben, auf den Grund einer zu vermuthenden Vollmacht, wahrzunehmen befugt und schuldig;
§. 118. Er muß aber im Fortgange des Prozesses die nächsten Anwärter, nach obiger Bestimmung (§. 87.) zuziehen, oder Vollmacht von selbigen beybringen.
§. 119. Was in einem solchergestalt geführten Prozesse entschieden, oder mit Beytritt der Anwärter durch Vergleich festgesetzt worden, daran ist die ganze Familie, und jeder künftige Fideicommiß-Besitzer aus selbiger gebunden.
§. 120. Alle Prozeß- und andere Gerichtskosten ist der Fideicommiß-Besitzer aus den Einkünften zu tragen verpflichtet.
§. 121. Ist aber der Besitzer, wider seinen Willen, auf Verlangen der Anwärter, einen Prozeß fortzusetzen genöthigt worden; und geht derselbe demnach verloren: so fallen diejenigen Kosten, welche seit dem Zeitpunkte, wo der Besitzer sich vergleichen, oder dem Prozesse entsagen wollen, aufgelaufen sind, den Anwärtern, auf deren Andringen die Sache hat fortgesetzt werden müssen, allein zur Last.
§. 122. Einzelne Rechte des Fideicommisses, oder auf dasselbe, können durch dreyßigjährige Präscription erlöschen, oder gegen das Fideicommiß erworben werden.
§. 123. Die Eigenschaft des Fideicommisses selbst aber kann durch keine Verjährung verloren gehen.
§. 124. Wenn also das Successionsrecht eines zum Fideicommiß mitberufenen Anwärters durch Verjährung erloschen ist: so steht diese Verjährung ihm und seinen Abkömmlingen, in Ansehung aller übrigen zum Fideicommiß berechtigten Personen, nicht aber in Ansehung eines Fremden, entgegen.
§. 125. Wenn daher alle übrige zum Fideicommiß berufene Personen abgegangen sind: so kann der durch Verjährung ausgeschlossene auf den Besitz desselben wiederum Anspruch machen.
§. 126. Bey Geld-Fideicommissen schränkt sich das Recht des Besitzers der Regel nach bloß auf die Erhebung und den Genuß der Zinsen ein.
§. 127. Er ist nicht berechtigt, das Capital selbst eigenmächtig einzuziehn, an Andere abzutreten, zu verpfänden, oder sonst zu belasten.
§. 128. Ereignet sich etwas, wodurch die Sicherheit des Capitals bedenklich wird: so muß er, mit Zuziehung der nächsten Anwärter, nach obiger Bestimmung §. 87. sqq. für dessen Einziehung und anderweitige Unterbringung sorgen.
§. 129. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Schuldner das Capital aufzukündigen berechtigt ist, und wirklich aufkündigt.
§. 130. In beyden Fällen muß, wenn die Stiftungsurkunde nicht das Gegentheil verordnet, die anderweitige Belegung unter gerichtlicher Aufsicht erfolgen.
§. 131. Der Schuldner eines Fideicommiß-Capitals, der diese Eigenschaft desselben weiß, oder zu wissen schuldig ist, kann dasselbe nur auf richterlichen Befehl, oder in das gerichtliche Depositum sicher bezahlen.
§. 132. Alle bey solcher Gelegenheit vorfallende Kosten muß der zeitige Besitzer des Fideicommisses wagen; und die Substanz des letztern kann dadurch niemals geschmälert werden.
§. 133. Sollen mit dem Fideicommiß-Capitale andere Veränderungen vorgenommen, oder Grundstücke statt des Capitals dazu gewidmet werden: so kann solches nur durch einen Familienschluß geschehen.
Vierter Abschnitt. Von der Successionsordnung in Familien-Fideicommisse
Successionsordnung bey schon errichteten Fideicomnissen.
§. 134. In den bisher schon, unter ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung des Staats errichteten Familien-Fideicommissen, hat es bey der von dem Stifter vorgeschriebenen Successionsordnung lediglich sein Bewenden.
§. 135. Hat der Stifter verordnet, daß jedesmal der Aelteste aus der Familie zur Succession gelangen solle: so heißt die Stiftung ein Seniorat.
§. 136. Auf Seniorate haben alle männliche Nachkommen des Stifters Anspruch.
§. 137. Es succedirt also, bey dem Abgange des jedesmaligen Besitzers, der Weiteste den Jahren nach, ohne Rücksicht auf die Linie oder den Grad der Verwandschaft.
§. 138. Machen zwey Familienmitglieder, welche den Jahren nach die gleich ältesten sind, Anspruch; und der genaue Zeitpunkt ihrer Geburt kann nicht ausgemittelt werden: so muß das Loos unter ihnen entscheiden.
§. 139. Ist die männliche Nachkommenschaft ganz erloschen; und der Stifter hat auf diesen Fall nichts Ausdrückliches verordnet: so wird das Fideicommiß ein freyes Vermögen des letzten Besitzers.
Successionsordnung bey künftig zu errichtenden Fideicommissen.
§. 140. In Zukunft sollen Landgüter zu Senioraten nicht mehr gewidmet werden.
§. 141. Auch sollen Verordnungen, vermöge welcher ein Landgut sich in einer Familie nur nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge verfallen würde, künftig nur als fideicommissarische Substitutionen gelten. (Th. I. Tit. XII. §. 53. sqq.)
§. 142. Ein künftiger Fideicommißstifter muß also eine solche Successionsordnung bestimmen, nach welcher ein dazu gewidmetes einzelnes Landgut immer nur Einem aus der Familie zu Theil werde.
§. 143. Besteht das Fideicommiß aus mehrern abgesonderten Landgütern: so kann zwar der Stifter eine Theilung derselben unter mehrern Linien, sowohl von Anfang an, als bey künftig vorkommenden, Successionsfallen anordnen;
§. 144. Doch ist dergleichen Anordnung nur in so fern zu Recht beständig, als jeder solcher Antheil, für sich allein, seinem künftigen Besitzer wenigstens den §. 51. sqq. bestimmten reinen gesetzmäßigen Ertrag gewähren kann.
§. 145. Verordnet der Stifter, daß zwar der nächste aus der Familie, dem Grade nach, zur Succession gelangen, unter mehrern gleich nahen aber der ältere, den Jahren nach, die Jüngern ausschließen solle: so heißt die Stiftung ein Majorat.
§. 146. Ist die Succession zwar ebenfalls nach der Nähe des Grades, jedoch dergestalt angeordnet, daß unter mehrern gleich nahen der jüngere den ältern ausschließt: so wird ein solches Fideicommiß ein Minorat genannt.
§. 147. Primogenituren heißen solche Fideicommisse, wo die Sucession nach Linien mit dem Rechte der Erstgeburt angeordnet ist.
§. 148. Bey der Succession in Majorate und Minorate finden die bey den Senioraten §. 135-139. vorgeschriebenen Regeln ebenfalls Anwendung.
§. 149. In Primogenituren gelangt zuvörderst der erstgeborne Sohn des Stifters, mit Ausschließung aller seiner nachgebornen Brüder, zum Besitze des Fideicommisses.
§. 150. Bey dessen vor oder nach dem Stifter erfolgenden Abgange, succedirt hinwiederum sein erstgeborner Sohn.
§. 151. Mit gleicher Ordnung geschieht die Succession in den übrigen Geschlechtsfolgen; dergestalt, daß immer der erstgeborne Sohn des Besitzers, und desselben Descendenten, die nachgebornen Brüder und übrigen Verwandten ausschließen.
§. 152. Geht ein Nebenast in der erstgebornen Hauptlinie gänzlich aus: so gelangt die Succession an den zweyten Nebenast, so wie sich derselbe der Erstgeburt am nächsten zieht.
§. 153. Auf den Grad der Verwandschaft mit dem letzten Besitzer kommt es dabey gar nicht an.
§. 154. Hinterläßt also der letzte Besitzer keine männliche Descendenz; wohl aber Brüder, Bruders Söhne, oder männliche Nachkommen von Brüdern in weiteren Graden: so succedirt unter diesen der ältere Bruder, oder dessen erstgeborner Sohn, oder des erstgebornen Sohnes ältester Sohn, mit gänzlicher Ausschließung aller nachgebornen, so wie der etwa vorhandenen Vaters-Brüder.
§. 155. Eben so, wenn der letzte Besitzer weder Descendenten, noch Brüder, noch männliche Nachkommen von Brüdern verläßt, gelangt die Succession auf den nächstgebornen Bruder seines Vaters, und dessen männliche Descendenz, nach gleicher Ordnung der Erstgeburt.
§. 156. Sind auch keine Vaters-Brüder oder männliche Nachkommen von selbigen mehr vorhanden: so wird der nächstgeborne Bruder von dem Großvater des letzten Besitzers, nebst dessen männlichen Nachkommen, überall nach der Ordnung der Erstgeburt, zur Succession berufen.
§. 157. So lange von dem erstgebornen Sohne des Stifters noch ein männlicher Abkömmling vorhanden ist, bleibt das Fideicommiß immer in derselben Linie, mit Ausschließung aller übrigen.
§. 158. Nach gänzlicher Erlöschung dieser Linie gelangt die Linie von dem zweyten Sohne des Stifters zur Succession, und schließt die jüngeren Linien aus. §. 159. In dieser zweyten Linie gilt, wegen der beständig zu beobachtenden Ordnung der Succession nach dem Rechte der Erstgeburt, ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft mit dem letzten Besitzer, eben das, was wegen der ersten Linie vorgeschrieben ist.
§. 160. Es gelangt also, nach erloschener ersten Linie, unter den männlichen Descendenten von des Stifters zweytem Sohne, derjenige zur Succession, welcher von desselben erstgebornem Sohne herstammt, und unter den übrigen sich am nächsten zur Erstgeburt zieht.
§. 161. Nach eben diesen Grundsätzen wird die Successionsordnung auch in der dritten, vierten, und den folgenden Linien, welche von dem Stifter absteigen, bestimmt.
§. 162. Uebrigens wird, bey dieser ganzen Succession, auf Halbbrüder von der Mutter-Seite, und deren Abkömmlinge, keine Rücksicht genommen.
§. 163. Dagegen ist zwischen vollbürtigen und Halbbrüdern von des Vaters Seite, nebst ihren männlichen Descendenten, kein Unterschied.
§. 164. Es hängt zwar von dem Stifter ab, zu verordnen, daß nicht die erstgebornen, sondern eine der nachgebornen von ihm abstammenden Linien, zuerst zur Succession in das Fideicommiß gelangen solle.
§. 165. Ist aber diese zuerst berufene Linie erloschen, und der Stifter hat auf solchen Fall wegen der Succession der übrigen Linien nicht ausdrücklich verfügt: so richtet sich die Successions-Ordnung dennoch nach der Erstgeburt; dergestalt, daß die jüngeren Linien immer von den ältern ausgeschlossen werden,
Wenn in einer Familie mehrere Fideicommisse von einem Stifter, oder
§. 166. Hat aber der Stifter Zwey oder mehrere Fideicommisse, eines für die erstgeborne, und die andern zum Besten der nachgebornen Linien errichtet: so gelangen die Descendenten des Stifters aus der ersten Linien in dem Zweyten Fideicommisse niemals zur Succession, so lange noch ein anderer von den Stiftern entsprossener Mannsstamm vorhanden ist.
§. 167. Geht die Zweyte männliche Linie aus; oder gelangt dieselbe, durch Erlöschung der ältern, zur Succession in dem Ersten Fideicommisse: so verfällt das Zweyte an die von dem Dritten Sohne des Stifters abstammende Linie.
§. 168. Nach gleichen Grundsätzen geht die Succession auf die Vierte und folgenden von dem Stifter entsprossenen Linien, in so fern dergleichen noch vorhanden sind.
§. 169. Sind zuletzt alle von dem Stifter herstammende männliche Linien bis auf Eine erloschen: so kommen zwar in dieser beyde Fideicommisse zusammen;
§. 170. Sind aber in dieser Linie noch Zwey oder mehrere Nebenäste vorhanden: so fällt das Zweyte Fideicommiß an denjenigen Ast, welcher nicht im Besitze des Ersten, jedoch zur Succession in selbiges, nach den Grundsätzen der Primogenitur, am nächsten ist.
§. 171. Dasjenige Mitglied dieses Nebenastes gelangt zur Succession, welches sich unter den übrigen der Erstgeburt, im Verhältniß gegen den Stifter, am nächsten zieht.
§. 172. Sind in der noch übrigen Linie keine weitern Abkömmlinge des Stifters mehr vorhanden, als der Besitzer des Ersten Fideicommisses, und dessen Descendenz: so erhält dieser beyde Fideicommisse.
§. 173. Sie bleiben alsdann so lange bey einander, bis wiederum Zwey oder mehrere Linien entstehn.
§. 174. Geschieht dieses: so bleibt das Erste Fideicommiß bey der erstgebornen Linie, und das Zweyte verfällt auf die nächste nach ihr.
§. 175. Nach eben diesen Grundsätzen ist die Successions-Ordnung zu bestimmen, wenn in einer Familie Drey oder mehrere von eben demselben Stifter herrührende Fideicommisse vorhanden sind.
§. 176. Hat der Stifter jeder von ihm abstammenden Linien ein Fideicommiß hinterlassen: so gelangt, wenn eine dieser Linien erlöscht, das für sie gestiftete Fideicommiß an die erstgeborne, oder, wenn auch diese schon erloschen ist, an diejenige Linie, die sich nach ihr der Erstgeburt am nächsten zieht.
§. 177. Besteht diese Linie aus mehrern Nebenästen: so finden auch alsdann die Vorschriften §. 169. 170. Anwendung.
§. 178. In allen Fällen, da ein Mitglied der Familie ein nach der Successions-Ordnung auf ihn verfälltes Fideicommiß bloß um deswillen nicht erlangen kann, weil er sich schon im Besitze eines andern befindet, hat derselbe die Wahl: ob er das neu auf ihn verfällte Fideicommiß übernehmen, und dagegen das bisher besessene abgeben wolle.
von verschiedenen Stiftern sind.
§. 179. Hat für eine schon mit einem Fideicommiß versehene Familie, eine andre von dem Ersten Stifter verschiedene Person ein besonderes Fideicommiß errichtet: so wird bey der Successions-Ordnung in dieses auf den Ersten Stifter, und das Verhältniß der Personen und Linien gegen denselben, gar keine Rücksicht genommen.
§. 180. Sind also die von dem Zweyten Stifter zur Succession berufenen Linien erloschen; und es soll, seiner Verordnung zu Folge, das Fideicommiß dennoch bey der Familie bleiben: so kommt in dasselbe dasjenige Familienmitglied zur Succession, welches dem letzten Besitzer aus den von dem Zweyten Stifter berufenen Linien dem Grade nach am nächsten ist.
§. 181. Dabey macht es keinen Unterschied, wenn auch das hiernach zur Succession in das Zweyte Fideicommiß gelangende Familienmitglied sich schon im Besitze des von dem Ersten Stifter herrührenden Fideicommisses befindet.
§. 182. Hat aber der Zweyte Stifter ausdrücklich erklärt, daß das von ihm errichtete mit dem von dem Ersten Stifter herrührenden Fideicommisse niemals zusammenkommen solle: so ist doch dergleichen Erklärung im zweifelhaften Falle nur so zu deuten, daß die Vereinigung beyder Fideicommisse nicht in Einer Person geschehen solle.
§. 183. Es kommt daher alsdann, wenn der Nächste dem Grade nach im Besitze des Ersten Fideicommisses ist, der Nächste nach ihm zur Succession in das Zweyte.
§. 184. Sind bey dem Abgange der von dem Zweyten Stifter berufenen Linien, Zwey oder mehrere gleich nahe successionsfähige Verwandten des letzten Besitzers vorhanden; so hängt es von diesem ab: welchem unter ihnen er das Zweyte Fideicommiß bescheiden wolle.
§. 185. Hat er sich darüber nicht erklärt: so muß unter diesen mehrern gleich nahen successionsfähigen Anwärtern das Loos entscheiden.
§. 186. Ist in dem Falle des §. 180. nur noch Ein Mitglied der von dem Zweyten Stifter berufenen Familie vorhanden: so erlangt zwar derselbe, wenn der Stifter auf diesen Fall nicht ausdrücklich verordnet hat, den Besitz beyder Fideicommisse.
§. 187. Sobald aber von ihm mehrere successionsfähige Familienmitglieder entspringen: so müssen die Fideicommisse unter selbige nach den obigen Regeln §. 170. 171. wiederum getheilt werden.
§. 188. Wenn Zwey oder mehrere von Anfang an abgesonderte Fideicommisse in der Folge der Succession auf Eine Person zusammen fallen: so macht ein den gesetzmäßigen Satz §. 56. übersteigender Ertrag dabey kein Hinderniß.
§. 189. Wenn die gesammte männliche Descendenz eines Fideicommiß-Stifters erlöscht; und derselbe zum Besten seiner weiblichen Nachkommen nichts verordnet hat: so wird das Fideicommiß in den Händen des letzten männlichen Descendenten freyes eigentümliches Vermögen.
§. 190. Hat aber der Stifter auch die weibliche Descendenz zum Fideicommiß berufen, und für dieselbe eine Successions-Ordnung bestimmt: so muß diese genau beobachtet werden.
§. 191. Hat er keine dergleichen Successions-Ordnung bestimmt: so gelangen, nach dem Tode des letzten männlichen Descendenten, die erstgeborne Tochter desselben, und deren männliche Abkömmlinge, zur Succession.
§. 192. Wenn also die älteste Tochter des letzten Besitzers vor oder nach dem Vater mit Tode abgeht: so fällt das Fideicommiß auf ihre Söhne, und deren männliche Descendenten, überall nach der Regel der Erstgeburt.
§. 193. Hat sie weder Söhne, noch Enkel von Söhnen: so kommen die Enkel ihrer Töchter, nach der Ordnung der Erstgeburt, zur Succession.
§. 194. Ist bey dem Ableben des letzten männlichen Descendenten von dem Stifter, dessen älteste Tochter noch am Leben: so gelangt sie zum Besitze des Fideicommisses; auch wenn sie alsdann noch keine successionsfähige männliche Nachkommen hätte.
§. 195. Stirbt sie aber, ohne dergleichen Nachkommen zu hinterlassen: so geht die Succession auf die Zweyte Tochter des letzten Besitzers, und deren männliche Descendenten, nach eben den Regeln über.
§. 196. Ein Gleiches findet statt, wenn die älteste Tochter des letzten Besitzers vor dem Vater verstorben ist, und auch bey seinem Ableben noch keine successionsfähige männliche Nachkommen von dieser ältern Tochter vorhanden sind.
§. 197. Nach eben den Grundsätzen bestimmt sich das Successions-Recht der Dritten, und mehrerer folgender Töchter des letzten Besitzers, und ihrer männlichen Descendenten.
§. 198. Ist nach diesen Grundsätzen, ein durch Weiber von dem Ersten Stifter abstammender männlicher Descendent einmal zum Besitze des Fideicommisses gelangt: so fängt mit ihm eine neue Successions-Ordnung an; und nach dem Verhältnisse gegen ihn richtet sich die Fideicommiß-Folge unter seiner Nachkommenschaft.
§. 199. Sind bey dem Ableben des letzten von dem Ersten Stifter herstammenden männlichen Abkömmlings, keine Töchter und keine zur Succession fähige Descendenten derselben vorhanden; oder sterben seine hinterlassenen Töchter insgesammt, ohne dergleichen successionsfähige Nachkommenschaft: so geht das Fideicommiß auf die andern von dem Ersten Stifter durch Weiber abstammende männliche Descendenten über.
§. 200. Dabey wird wiederum auf die Ordnung der Erstgeburt, in Verhältniß gegen den Ersten Stifter oder Erwerber, Rücksicht genommen.
§. 201. Es schließt also z. B. die Linie der ältern Tochter des Ersten Stifters alle jüngere Linien, und in dieser ältern Linie, der sich am nächsten zur Primogenitur ziehende Nebenast, alle übrigen aus.
§. 202. Wenn aber, nach dieser Regel, ein durch Weiber von dem Ersten Stifter entsprossener männlicher Descendent einmal zum Besitze des Fideicommisses gelangt ist: so findet wegen der durch ihn entstehenden neuen Successions-Ordnung die Vorschrift des §. 198. ebenfalls Anwendung.
Allgemeine Regeln wegen der Fideicommiß-Succession.
§. 203. Bey jedem Anfalle eines Fideicommisses wird, so fern nicht im Vorstehenden etwas Besonderes ausdrücklich verordnet ist, nach dem Zeitpunkte, wo der letzte Besitzer gestorben ist, bestimmt: wer unter den alsdann vorhandenen Mitgliedern zur Succession der Nächste sey.
§. 204. Wenn also auch in einem Minorat derjenige, welcher bey dem Ableben des letzten Besitzers der Jüngste war, das Fideicommiß einmal erhalten hat; und in der Folge ein noch Jüngerer geboren wird: so kann doch dieser letztere die bereits erworbenen Gerechtsame des nunmehrigen Besitzers nicht weiter anfechten.
§. 205. Doch werden in der ganzen Fideicommiß-Succession diejenigen, welche innerhalb des Dreyhundert und Zweyten Tages nach dem Ableben des letzten Besitzers zur Welt kommen, dafür, daß sie in dem Zeitpunkte der eröffneten Succession schon vorhanden gewesen, angesehen.
Fünfter Abschnitt. Von der Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommiß-Folger und den Erben des letzten Besitzers
§. 206. Das nutzbare Eigenthum des Fideicommisses geht mit dem Augenblicke, da der bisherige Besitzer verstirbt, auf den Nachfolger über.
§. 207. Diesem müssen die Erben des letzten Besitzers das Fideicommiß so ausantworten, wie dasselbe von dem Stifter auf ihren Erblasser gediehen ist.
§. 208. Besteht das Fideicommiß in liegenden Gründen: so muß das bey Errichtung desselben aufgenommene Inventarium (§. 71.) vollständig gewährt werden.
§. 209. Wegen eines dabey sich ereignenden Mangels oder Ueberschusses gilt alles, was wegen der Lehns-Inventarien verordnet ist. (Th. I. Tit. XVIII. §. 511. sqq.)
§. 210. Es versteht sich von selbst, daß die bey Lehnen wegen Zuziehung und Mitwirkung des Lehnsherrn ertheilten Vorschriften bey Fideicommissen keine Anwendung finden.
§. 211. Wegen der bey der Substanz des Fideicommisses selbst sich ereignenden Verbesserungen, oder Verringerungen, finden eben die Vorschriften Anwendung, welche für die Auseinandersetzung zwischen dem Lehnsfolger und Allodial-Erben ertheilt worden. (Th. I. Tit. XVIII. §. 527. sqq.)
§. 212. Wegen der Nutzungen des letzten Jahres, ingleichen wegen der noch vorhandnen Früchte, und der noch rückständigen Lasten früherer Jahre, geschieht die Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommiß-Folger, und den Erben des letzten Besitzers, nach den bey der Lehre vom Nießbrauche ertheilten Vorschriften. (Th. I. Tit. XXI. §. 143. sqq.)
§. 213. An Schulden darf der Fideicommiß-Folger nur diejenigen übernehmen, welche nach Vorschrift §. 104. aus der Substanz, oder nach Vorschrift §. 81. sqq. aus den Einkünften des Fideicommisses zu bezahlen sind.
§. 214. Diese letztern muß er auch alsdann übernehmen, wenn er damals, als das Darlehn gemacht worden, unter die nächsten Anwärter nicht gehört hat, und daher seine Einwilligung nicht erfordert worden.
§. 215. Doch ist er nur zur Entrichtung derjenigen Termine verbunden, welche nach den gleich von Anfang festgesetzten Bestimmungen (§. 96.) auf die Jahre seiner Besitzzeit treffen.
§. 216. Hat der Gläubiger, wegen der frühern Termine, auf seine Gefahr Nachsicht gegeben (§. 103.): so kann er sich dieserhalb nur an den übrigen Nachlaß halten.
§. 217. Der Termin desjenigen Jahres, in welchem der letzte Besitzer gestorben ist, muß aus den Einkünften dieses Jahres berichtigt werden.
§. 218. Hat der Fideicommiß-Besitzer in Fällen, wo er die Aufnehmung eines Darlehns auf die Einkünfte des Fideicommisses zu suchen berechtigt gewesen, solches nicht gethan, sondern die Wiederherstellung aus eignen Mitteln oder durch Privatcredit bewerkstelligt; so können seine Allodial-Erben dafür keine Vergütung fordern.
§. 219. Auch der Gläubiger, welcher Privatvorschüsse dazu gemacht hat, kann an die dem Fideicommiß-Folger zukommenden Einkünfte des Fideicommisses sich nicht halten, wenn er gleich nachweisen könnte, daß das von ihm gegebene Darlehn in das Fideicommiß wirklich verwendet worden.
§. 220. Hat hingegen der Fideicommiß-Besitzer die Wiederherstellung, wegen obwaltender Gefahr im Verzuge, zwar aus eignen Mitteln oder auf Privatcredit bewirkt, aber zugleich den Consens zu Aufnehmung eines Darlehns nachgesucht: so muß der Nachfolger dieses Darlehn anerkennen; wenn gleich der Consens erst nach geschehener Verwendung, oder erst nach dem Tode des vorigen Besitzers, ertheilt oder ergänzt worden ist.
§. 221. In so weit, als der verstorbene Besitzer, zur Abgeltung stiftungsmäßiger Prästationen, ein Darlehn auf die Einkünfte des Fideicommisses aufzunehmen berechtigt gewesen wäre (§. 86.), ist der neue Besitzer das im Rückstande Verbliebene aus den folgenden Einkünften zu entrichten verbunden.
§. 222. Halten sich die Berechtigten wegen solcher Rückstände an den Allodial-Nachlaß: so können die Erben den Ersatz aus den Fideicommiß-Einkünften fordern.
§. 223. Doch findet auch in diesem Falle die Vorschrift des §. 561. 562. im Titel von Lehnen Anwendung.
§. 224. Andere, als die vorstehend bestimmten Schulden, ist der Nachfolger aus dem Fideicommisse zu bezahlen nicht verbunden; auch wenn er zugleich des vorigen Besitzers Erbe geworden wäre.
§. 225. Vielmehr muß der Gläubiger sich an den übrigen freyen Nachlaß seines Schuldners lediglich halten.
§. 226. Hat jedoch der Fideicommiß-Folger in eine andre als eigentliche Fideicommiß-Schuld ausdrücklich gewilligt; oder sind die Termine, welche der vorige Besitzer entrichten sollen, mit seiner ausdrücklichen Genehmigung verlängert worden: so ist der Gläubiger berechtigt, sich dieserhalb an die Nutzungen des Fideicommisses, so lange sie der Einwilligende genießt zu halten.
Sechster Abschnitt. Von dem Näherrechte auf Familiengüter
§. 227. Aus der bloßen Familienverbindung entsteht für die Mitglieder derselben kein Recht, die ehemals bey der Familie gewesenen Güter von einem Dritten zurückzufordern.
§. 228. Wo also dergleichen Näherrecht durch Provinzialgesetze, Statuten, oder gültige Familienverträge nicht bereits eingeführt ist, soll dasselbe künftig nicht ausgeübt werden.
§. 229. Alle Näherrechte, die bloß auf Familienverträge sich gründen, sollen, bey Verlust derselben, binnen Drey Jahren nach der Bekanntmachung des gegenwärtigen Gesetzbuchs, auf sämmtliche Güter, über welche der Vertrag sich erstreckt, im Hypothekenbuche eingetragen werden.
§. 230. In so fern die Ausübung des Familien-Näherrechts durch besondere Gesetze oder Verträge nicht anders bestimmt ist, sollen dabey folgende Vorschriften zur Richtschnur dienen.
§. 231. Das Näherrecht erstreckt sich nur auf Güter, die wenigstens schon von Zwey Mitgliedern der Familie nach einander, den gegenwärtigen Veräußerer ungerechnet, besessen worden.
§. 232. Es findet nur statt, wenn die Veräußerung an einen Fremden, nicht aber, wenn sie an ein obgleich entfernteres Mitglied der Familie erfolgt.
§. 233. Weibliche Mitglieder der Familie, und deren, auch männliche, Descendenten können das Näherrecht nicht ausüben.
§. 234. Unter den männlichen Mitgliedern richtet sich die Befugniß zu dessen Ausübung nach der Ordnung der gesetzlichen Erbfolge.
§. 235. Der nähere Verwandte des Veräußerers schließt also die Entfernteren aus.
§. 236. Es kommt dabey auf den Zeitpunkt an, wo der Vertrag von beyden Theilen, oder doch von dem Veräußerer, unterschrieben worden.
§. 237. Unter mehrern gleich nahen Verwandten hat derjenige, welcher sich zuerst bey dem Richter der Sache meldet, den Vorzug.
§. 238. Melden sich mehrere gleich nahe Verwandten zu gleicher Zeit, so entscheidet unter ihnen das Loos.
§. 239. Wenn der, welcher zur Zeit der Vollziehung des Vertrags der Nächste war, vor Ablauf der gesetzmäßigen Verjährungsfrist des Näherrechts stirbt: so geht die Befugniß zur Ausübung desselben auf seinen gesetzlichen Erben über, auch wenn derselbe dem Grade nach entfernter wäre.
§. 240. Uebrigens aber kommt diese Befugniß den Verwandten aus eignem Rechte zu.
§. 241. Es kann also auch der Sohn das Näherrecht ausüben, wenn er seines veräußernden Vaters Erbe entweder gar nicht, oder nur im Pflichttheile geworden ist.
§. 242. Wenn der nächste Verwandte dieses Recht nicht ausüben kann, oder will: so geht selbiges auf den nächsten nach ihm, und so ferner, über.
§. 243. Es müssen daher auch entferntere Verwandte innerhalb der gesetzmäßigen Verjährungsfrist zur Ausübung des Näherrechts sich melden.
§. 244. Doch muß, ehe dies Recht von ihnen wirklich ausgeübt werden kann, der Ablauf dieser Frist, und ob innerhalb derselben kein Näherer Anspruch mache, abgewartet werden.
§. 245. So lange das Gut sich noch in den Händen eines Familienmitglieds befindet, bleibt der Familie ihr Näherrecht darauf vorbehalten.
§. 246. Es kann also kein Familienmitglied durch seine bloße Erklärung: daß er das Gut nur als ein Fremder kaufe, der Familie ihr Näherrecht bey künftigen Veräußerungsfällen benehmen.
§. 247. Nur wenn bey der nothwendigen Subhastation eines solchen Guts jemand aus der Familie mitbiethet: so geht durch den an ihn erfolgenden Zuschlag, wenn kein anderes Familienmitglied das Näherrecht dabey ausübt, dieses Recht selbst verloren.
§. 248. Wenn aber ein Gut einmal aus der Familie herausgegangen, und das Näherrecht durch Verjährung erloschen ist: so lebt letzteres nicht wieder auf, wenn gleich in der Folge wieder ein Familienmitglied zum Besitze des Gutes gelangt.
§. 249. Hat jedoch der fremde Erwerber eines solchen Guts dasselbe, noch ehe er seinen Besitztitel darauf im Hypothekenbuche eintragen lassen, wieder einem Familienmitgliede übereignet: so wird das Näherrecht nicht für erloschen geachtet.
§. 250. Uebrigens gilt von dem Familien-Näherrechte alles, was von dem Näherrechte überhaupt verordnet ist. (Th. I. Tit. XX. Abschnitt III.)
Fünfter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes
§. 1. Das Verhältniß zwischen Herrschaft und Gesinde gründet sich auf einen Vertrag, wodurch der eine Theil zur Leistung gewisser häuslichen Dienste auf eine bestimmte Zeit, so wie der andere zu einer dafür zu gebenden bestimmten Belohnung sich verpflichtet.
§. 2. In der ehelichen Gesellschaft kommt es dem Manne zu, das nöthige Gesinde zum Gebrauche der Familie zu miethen.
§. 3. Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen, ohne daß es dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Mannes bedarf.
§. 4. Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde nicht anständig ist, dessen Wegschaffung, nach verflossener gesetzmäßigen Dienstzeit, ohne Rücksicht auf die im Contrakte bestimmte, verfügen.
Wer als Gesinde sich vermiethen kann.
§. 5. Wer sich als Gesinde vermiethen will, muß über seine Person frey zu schalten berechtigt seyn.
§. 6. Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen ohne Einwilligung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres Vormunds, sich nicht vermiethen.
§. 7. Verheirathete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer Männer als Ammen, oder sonst, in Dienste gehn.
§. 8. Nur wenn die Einwilligung in den Fällen des §. 6. und 7. auf eine gewisse Zeit, oder zu einer bestimmten Dienstherrschaft, ausdrücklich eingeschränkt worden, ist die Erneuerung derselben zur Verlängerung der Zeit, oder bey einer Veränderung der Herrschaft, erforderlich.
§. 9. Dienstboten, welche schon vermiethet gewesen, müssen bey dem Antritte eines neuen Dienstes die rechtmäßige Verlassung der vorigen Herrschaft nachweisen.
§. 10. Leute, die bisher noch nicht gedient zu haben angeben, müssen durch ein Zeugniß ihrer Obrigkeit darthun, daß bey ihrer Annehmung als Gesinde kein Bedenken obwalte.
§. 11. Hat jemand mit Verabsäumung der Vorschriften § 9. 10. ein Gesinde angenommen: so muß, wenn ein Anderer, dem ein Recht über die Person oder auf die Dienste des Angenommenen zusteht, sich meldet, der Miethcontrakt, als ungültig, sofort wieder aufgehoben werden.
§. 12. Außerdem hat der Annehmende, durch Uebertretung dieser Vorschriften, eine Geldbuße von einem bis Zehn Thalern an die Armencasse des Orts verwirkt.
§. 13. Niemand darf mit Gesindemäkeln sich abgeben, der nicht dazu von der Obrigkeit des Orts bestellt und verpflichtet worden.
§. 14. Dergleichen Gesindemäkler müssen sich nach den Personen, die durch ihre Vermittelung in Dienste kommen wollen, sorgfältig erkundigen.
§. 15. Insonderheit müssen sie nachforschen: ob dieselben, nach den gesetzlichen Vorschriften, sich zu vermiethen berechtigt sind.
§. 16. Gesinde, welches schon in Diensten steht, müssen sie unter keinerley Vorwande zu deren Verlassung und Annehmung anderer Dienste anreizen.
§. 17. Thun sie dieses: so müssen sie dafür das erstemal mit Zwey bis Fünf Thaler Geld- oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe angesehn; im Wiederholungsfalle aber noch außerdem von fernerer Treibung des Mäklergewerbes ausgeschlossen werden.
§. 18. Sie müssen den Herrschaften, die durch ihre Vermittelung Gesinde annehmen wollen, die Eigenschaften der vorgeschlagenen Person getreulich und nach ihrem besten Wissen anzeigen.
§. 19. Wenn sie untaugliches oder untreues Gesinde, wider besseres Wissen, als brauchbar oder zuverläßig empfehlen: so müssen sie für den durch dergleichen Gesinde verursachten Schaden selbst haften.
§. 20. Außerdem müssen sie nach Vorschrift §. 17. ernstlich bestraft, und diese Strafe, bey ihrem Unvermögen zum Schadensersatz, allenfalls bis zum doppelten geschärft werden.
§. 21. Die Bestimmung des Mäklerlohns bleibt den Polizey-und Gesindeordnungen jeden Orts vorbehalten.
Schließung des Miethsvertrages.
§. 22. Zur Annehmung des gemeinen Gesindes bedarf es keines schriftlichen Contrakts.
§. 23. Die Gebung und Annehmung des Miethgeldes vertritt die Stelle desselben.
§. 24. Wo der Betrag des Miethgeldes durch besondere Gesetze nicht bestimmt ist, hängt derselbe von dem Uebereinkommen der Interessenten ab.
§. 25. Das Miethgeld wird der Regel nach auf den Lohn abgerechnet.
§. 26. Auch da, wo dergleichen Abrechnung sonst nicht statt findet, ist dennoch die Herrschaft dazu berechtigt, wenn das Gesinde aus eigner Schuld die verabredete Dienstzeit nicht aushält.
§. 27. Hat sich ein Dienstbote bey mehrern Herrschaften zugleich vermiethet: so gebührt derjenigen, von welcher er das Miethgeld zuerst angenommen hat der Vorzug.
§. 28. Die Herrschaft, welche nachstehen muß, oder sich ihres Anspruchs freywillig begiebt, kann das Miethgeld und Mäklerlohn von den Dienstboten zurückfordern.
§. 29. Auch muß ihr, wenn sie die frühere Vermiethung nicht gewußt hat, der Dienstbote den Schaden ersetzen, welcher daraus entsteht, daß sie ein anderes Gesinde für höhern Lohn miethen muß.
§. 30. Die Herrschaft, bey welcher der Dienstbote bleibt, muß auf Verlangen diesen Betrag (§. 28. 29.) von seinem Lohne abziehen, und der andern Herrschaft zustellen.
§. 31. Außerdem muß der Dienstbote, der sich solchergestalt an mehrere Herrschaften zugleich vermiethet hat, den Betrag des von der zweyten und folgenden erhaltenen Miethgeldes, als Strafe, zur Armencasse des Orts entrichten.
§. 32. Lohn und Kostgeld des Gesindes, welches besondere Gesetze bestimmen, darf nicht überschritten werden.
§. 33. Verabredungen, welche solchen Gesetzen zuwider laufen, sind unverbindlich.
§. 34. Weihnachts- Neujahrs- und andre dergleichen Geschenke kann das Gesinde, auch auf den Grund eines Versprechens, niemals gerichtlich einklagen.
§. 35. Wo keine gesetzliche Bestimmung vorhanden ist, hängt dieselbe, sowohl wegen des Lohnes und Kostgeldes, als wegen der Geschenke, von dem bey Schließung des Miethcontrakts getroffenen Uebereinkommen ab.
§. 36. In allen Fällen, wo Weihnachts- oder Neujahrsgeschenke, während eines Dienstjahres, schon wirklich gegeben worden, kann die Herrschaft dieselben auf den Lohn anrechnen, wenn der Contrakt im Laufe dieses Jahres durch Schuld des Gesindes wieder aufgehoben wird.
§. 37. Bey männlichen Bedienten ist die Livree ein Theil des Lohnes; und fällt, nach Ablauf der durch Vertrag oder Gewohnheit des Orts bestimmten Zeit, denselben eigenthümlich zu.
§. 38. Wird außer derselben noch besondere Staatslivree gegeben: so hat auf diese der Bediente keinen Anspruch.
§. 39. Mäntel, Kutscherpelze, und dergleichen, gehören nicht zur ordinairen Livree.
§. 40. Wo die Dauer der Dienstzeit nicht durch besondre Gesetze bestimmt ist, hängt dieselbe von der Verabredung der Interessenten ab.
§. 41. Ist nichts Besonderes verabredet worden: so wird die Miethe, bey städtischem Gesinde, auf Ein Vierteljahr; bey Landgesinde aber auf Ein ganzes Jahr für geschlossen angenommen.
§. 42. Die Antrittszeit ist in Ansehung des städtischen Gesindes der zweyte Januar, April, Julius, und Oktober jedes Jahres.
§. 43. Bey Landgesinde wird dieselbe, wenn nicht Provinzial-Gesindeordnungen ein Anderes bestimmen, auf den zweyten Januar festgesetzt.
§. 44. Vor dem Antrittstage darf das Gesinde den Dienst der vorigen Herrschaft, wider deren Willen, nicht verlassen.
§. 45. Nach einmal gegebenem und genommenem Miethgelde ist die Herrschaft schuldig, das Gesinde anzunehmen; und letzteres, den Dienst zur bestimmten Zeit anzutreten.
§. 46. Weder der eine noch der andere Theil kann sich davon durch Ueberlassung oder Zurückgabe des Miethgeldes losmachen.
§. 47. Weigert sich die Herrschaft, das Gesinde anzunehmen: so verliert sie das Miethgeld, und muß das Gesinde eben so schadlos halten, wie auf den Fall, wenn das Gesinde unter der Zeit ohne rechtlichen Grund entlassen worden, unten verordnet wird. (§. 160. sqq.)
§. 48. Doch kann die Herrschaft von dem Contrakte, vor Antritt des Dienstes, aus eben den Gründen abgehen, aus welchen sie berechtigt seyn würde, das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit wieder zu entlassen. (§. 116. sqq.)
§. 49. Auch ist sie dazu berechtigt, wenn das Gesinde zuerst den Dienst anzutreten sich geweigert hat.
§. 50. In beyderley Fällen kann die Herrschaft das gegebene Miethgeld zurückfordern.
§. 51. Weigert sich das Gesinde, den Dienst anzutreten: so muß es dazu von der Obrigkeit durch Zwangsmittel angehalten werden.
§. 52. Verursacht das Gesinde durch beharrliche Weigerung, daß die Herrschaft einen andern Dienstboten an seine Stelle mit mehrern Kosten annehmen muß: so muß es diesen Schaden ersetzen, und das Miethgeld zurückgeben.
§. 53. Wird das Gesinde durch Zufall, ohne seine Schuld, den Dienst anzutreten verhindert: so muß die Herrschaft mit Rückgabe des Miethgeldes sich begnügen.
§. 54. Erhält weibliches Gesinde vor dem Antritte der Dienstzeit Gelegenheit, zu heirathen: so steht demselben frey, eine andere taugliche Person, zur Versehung des Dienstes an seiner statt, zu stellen.
§. 55. Ist es dazu nicht im Stande: so muß auch dergleichen Gesinde den Dienst in Städten auf ein Viertel-, und bey Landwirtschaften auf ein halbes Jahr antreten.
§. 56. Nur zu erlaubten Geschäften können Dienstboten gemiethet werden.
Pflichten des Gesindes in seinen Diensten,
§. 57. Gemeines Gesinde, welches nicht ausschliessend zu gewissen bestimmten Geschäften gemiethet worden, muß sich allen häuslichen Verrichtungen nach dem Willen der Herrschaft unterziehen.
§. 58. Allen zur herrschaftlichen Familie gehörenden, oder darin aufgenommenen Personen, ist es diese Dienste zu leisten schuldig.
§. 59. Dem Haupte der Familie kommt es zu, die Art und Ordnung zu bestimmen, in welcher ein jedes Mitglied der Familie die Dienste gebrauchen soll.
§. 60. Auch Gesinde, welches zu gewissen Arten der Dienste angenommen ist, muß dennoch, auf Verlangen der Herrschaft, andre häusliche Verrichtungen mit übernehmen, wenn das dazu bestimmte Nebengesinde durch Krankheit, oder sonst, auf eine Zeitlang daran verhindert wird.
§. 61. Wenn unter dem Gesinde Streit entsteht, welcher von ihnen diese oder jene Arbeit nach seiner Bestimmung zu verrichten schuldig sey: so entscheidet allein der Wille der Herrschaft.
§. 62. Das Gesinde ist ohne Erlaubniß der Herrschaft nicht berechtigt, sich in den ihm aufgetragenen Geschäften von andern vertreten zu lassen.
§. 63. Hat das Gesinde der Herrschaft eine untaugliche oder verdächtigte Person zu seiner Vertretung wissentlich vorgeschlagen: so muß es für den durch selbige Verursachten Schaden haften.
§. 64. Das Gesinde ist schuldig, seine Dienste treu, fleißig, und aufmerksam zu verrichten.
§. 65. Fügt es der Herrschaft vorsetzlich, oder aus grobem oder mäßigen Versehen Schaden zu: so muß es denselben ersetzen.
§. 66. Wegen geringer Versehen ist ein Dienstbote nur alsdann zum Schadensersatze verpflichtet, wenn er wider den ausdrücklichen Befehl der Herrschaft gehandelt hat.
§. 67. Desgleichen, wenn er sich zu solchen Arten der Geschäfte hat annehmen lassen, die einen vorzüglichen Grad von Aufmerksamkeit oder Geschicklichkeit voraussetzen.
§. 68. Wegen der Entschädigung, zu welcher ein Dienstbote verpflichtet ist, kann die Herrschaft an den Lohn desselben sich halten.
§. 69. Kann der Schade weder aus rückständigem Lohne, noch aus andern Habseligkeiten des Dienstboten ersetzt werden: so muß er denselben durch unentgeltliche Dienstleistung auf eine verhältnißmäßige Zeit vergüten.
§. 70. Auch außer seinen Diensten ist das Gesinde schuldig, der Herrschaft Bestes zu befördern, Schaden und Nachtheil aber, so viel an ihm ist, abzuwenden.
§. 71. Bemerkte Untreue des Nebengesindes ist es der Herrschaft anzuzeigen verbunden.
§. 72. Verschweigt es dieselbe: so muß es für allen Schaden, welcher durch die Anzeige hätte verhütet werden können, bey dem Unvermögen des Hauptschuldners, selbst haften.
§. 73. Allen häuslichen Einrichtungen und Anordnungen der Herrschaft muß das Gesinde sich unterwerfen.
§. 74. Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft darf es sich, auch in eignen Angelegenheiten, vom Hause nicht entfernen.
§. 75. Die dazu von der Herrschaft gegebene Erlaubniß darf nicht überschritten werden.
§. 76. Die Befehle der Herrschaft, und ihre Verweise, muß das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen.
§. 77. Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebührliches Betragen zum Zorn, und wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten behandelt: so kann es dafür keine gerichtliche Genugthuung fördern.
§. 78. Auch solche Ausdrücke oder Handlungen, die zwischen andern Personen als Zeichen der Geringschätzung oder Verachtung anerkannt sind, begründen gegen die Herrschaft noch nicht die Vermuthung, daß sie die Ehre des Gesindes dadurch habe kränken wollen.
§. 79. Außer dem Falle, wo das Leben oder die Gesundheit des Dienstboten durch Mißhandlungen der Herrschaft in gegenwärtige und unvermeidliche Gefahr geräth, darf er sich der Herrschaft nicht thätig widersetzen.
§. 80. Vergehungen des Gesindes gegen die Herrschaft müssen durch Gefängniß, oder öffentliche Strafarbeit, nach den Grundsätzen des Criminalrechts, geahndet werden.
§. 81. Auf die Zeit, durch welche das Gesinde, wegen Erleidung solcher Strafen, seine Dienste nicht verrichten kann, ist die Herrschaft befugt, dieselben durch andere auf dessen Kosten besorgen zu lassen.
§. 82. Die Herrschaft ist schuldig, dem Gesinde Lohn und Kleidung zu den bestimmten Zeiten promt zu entrichten.
§. 83. Ist auch Kost versprochen worden: so muß selbige in den jeden Orts gewöhnlichen Speisen, bis zur Sättigung gegeben werden.
§. 84. Die Herrschaft muß dem Gesinde die nöthige Zeit zur Abwartung des öffentlichen Gottesdienstes lassen, und dasselbe dazu fleißig anhalten.
§. 85. Sie muß ihm nicht mehrere noch schwerere Dienste zumuthen, als das Gesinde, nach seiner Leibesbeschaffenheit und Kräften, ohne Verlust seiner Gesundheit bestreiten kann.
§. 86. Zieht ein Dienstbote sich durch den Dienst, oder bey Gelegenheit desselben, eine Krankheit zu: so ist die Herrschaft schuldig, für seine Cur und Verpflegung zu sorgen.
§. 87. Dafür darf dem Gesinde an seinem Lohne nichts abgezogen werden.
§. 88. Außerdem ist die Herrschaft zur Vorsorge für kranke Dienstboten nur alsdann verpflichtet, wenn dieselben keine Verwandten in der Nähe haben, die sich ihrer anzunehmen vermögend, und nach den Gesetzen schuldig sind.
§. 89. Weigern sich die Verwandten dieser Pflicht: so muß die Herrschaft dieselbe einstweilen, und bis zum Austrage der Sache, mit Vorbehalt ihres Rechts, übernehmen.
§. 90. Sind öffentliche Anstalten vorhanden, wo dergleichen Kranke aufgenommen werden: so muß das Gesinde es sich gefallen lassen, wenn die Herrschaft seine Unterbringung daselbst veranstaltet.
§. 91. In dem §. 88. bestimmten Falle kann die Herrschaft die Curkosten von dem auf diesen Zeitraum fallenden Lohne des kranken Dienstboten abziehen.
§. 92. Dauert eine solche Krankheit über die Dienstzeit hinaus: so hört mit dieser die äußere Verbindlichkeit der Herrschaft, für die Cur und Pflege des kranken Dienstboten zu sorgen, auf.
§. 93. Doch muß sie davon der Obrigkeit des Orts in Zeiten Anzeige machen, damit diese für das Unterkommen eines dergleichen verlassenen Kranken sor- gen könne.
§. 94. Unter den Umständen, wo ein Machtgeber einen dem Bevollmächtigten bey Ausrichtung des Geschäftes durch Zufall zugestoßenen Schaden vergüten muß, ist auch die Herrschaft schuldig, für das in ihrem Dienste, oder bey Gelegenheit desselben, zu Schaden gekommene Gesinde, auch über die Dienstzeit hinaus zu sorgen. (Th. I. Tit. XIII. §. 80. 81.)
§. 95. Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf die Curkosten, und auf den nothdürftigen Unterhalt des Gesindes, so lange, bis dasselbe sich sein Brod selbst zu verdienen wieder in Stand kommt.
§. 96. Ist aber der Dienstbote durch Mißhandlungen der Herrschaft, ohne sein grobes Verschulden, an seiner Gesundheit beschädigt worden: so hat er von ihr vollständige Schadloshaltung, nach den allgemeinen Vorschriften der Gesetze, zu fordern.
§. 97. Auch für solche Beschimpfungen und üble Nachreden, wodurch dem Gesinde sein künftiges Fortkommen erschwert wird, gebührt demselben gerichtliche Genugthuung.
§. 98. In wie fern eine Herrschaft durch Handlungen des Gesindes, in oder außer seinem Dienste, verantwortlich werde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. VI. §. 60. sqq.)
Aufhebung des Vertrages durch den Tod;
§. 99. Stirbt ein Dienstbote: so können seine Erben Lohn und Kostgeld nur so weit fordern, als selbiges nach Verhältniß der Zeit bis zum Krankenlager rückständig ist.
§. 100. Begräbnißkosten ist die Herrschaft für das Gesinde zu bezahlen in keinem Falle schuldig.
§. 101. Stirbt die Herrschaft vor Ablauf der gewöhnlichen Aufkündigungsfrist: so sind die Erben dem Gesinde Lohn und Kost nur bis zum Ende des laufenden Quartals zu reichen verbunden.
§. 102. Erfolgt der Todesfall nach Verlauf der Aufkündigungsfrist, und die Erben wollen das Gesinde nicht länger behalten: so müssen sie demselben außer dem Lohne und der Kost des laufenden, annoch den Lohn für das folgende Vierteljahr, jedoch ohne Kost vergüten.
§. 103. Männliche Dienstboten behalten die ganze Livree, wenn sie der verstorbenen Herrschaft schon ein halbes Jahr oder länger gedient haben.
§. 104. Sind sie noch nicht so lange in ihren Diensten gewesen: so müssen sie Rock, Weste und Hut zurücklassen.
§. 105. War der Bediente nur monathweise gemietet: so erhält er Lohn und Kostgeld, wenn die Herrschaft vor dem Fünfzehnten Monathstage stirbt, nur auf den laufenden, sonst aber auch auf den folgenden Monath.
§. 106. Entsteht Concurs über das Vermögen der Herrschaft: so finden die Vorschriften §. 101 bis 105. Anwendung.
§. 107. Der Tag des eröffneten Concurses wird in dieser Beziehung dem Todestage gleich geachtet.
§. 108. Wegen des alsdann rückständigen Gesindelohns bleibt es bey den Vorschriften der Concursordnung.
nach vorhergegangener Aufkündigung;
§. 109. Außer diesen Fällen kann der Miethcontrakt, während der Dienstzeit, einseitig nicht aufgehoben werden.
§. 110. Welcher Theil denselben nach Ablauf der Dienstzeit nicht fortsetzen will, muß innerhalb der gehörigen Frist aufkündigen.
§. 111. Ist die Aufkündigungsfrist durch besondre Gesetze nicht bestimmt: so wird sie bey städtischem Gesinde auf Sechs Wochen, und bey Landgesinde auf Drey Monathe vor dem Ablaufe der Dienstzeit angenommen.
§. 112. Bey monathweise gemietheten Dienstboten findet die Aufkündigung noch am Fünfzehnten eines jeden Monaths statt.
§. 113. Ist keine Aufkündigung erfolgt: so wird der Vertrag als stillschweigend verlängert angesehn.
§. 114. Bey städtischem Gesinde wird die Verlängerung auf Ein Viertel-, und bey Landgesinde auf Ein ganzes Jahr gerechnet.
§. 115. Bey monathweise gemiethetem Gesinde versteht sich die Verlängerung immer nur auf Einen Monath.
ohne Aufkündigung von Seiten der Herrschaft;
§. 116. Ohne Aufkündigung kann die Herrschaft ein Gesinde so fort entlassen: 1) wenn dasselbe die Herrschaft, oder deren Familie, durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden beleidigt; oder durch boshafte Verhetzungen Zwistigkeiten in der Familie anzurichten sucht;
§. 117. 2) Wenn es sich beharrlichen Ungehorsam und Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft zu Schulden kommen läßt;
§. 118. 3) Wenn es sich den zur Aufsicht über das gemeine Gesinde bestellten Hausofficianten mit Thätlichkeiten, oder groben Schimpf- und Schmähreden, in ihrem Amte widersetzt;
§. 119. 4) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt;
§. 120. 5) Wenn es sich des Diebstahls oder der Veruntreuung gegen die Herrschaft schuldig macht;
§. 121. 6) Wenn es sein Nebengesinde zu dergleichen Lastern verleitet;
§. 122. 7) Wenn es auf der Herrschaft Namen, ohne deren Vorwissen, Geld oder Waaren auf Borg nimmt;
§. 123. 8) Wenn es die noch nicht verdiente Livree ganz oder zum Theil verkauft, oder versetzt;
§. 124. 9) Wenn es sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen und Erlaubniß der Herrschaft, über Nacht aus dem Hause zu bleiben;
§. 125. 10) Wenn es mit Feuer und Licht, gegen vorhergegangene Warnungen, unvorsichtig umgeht;
§. 126.11) Wenn, auch ohne vorhergegangene Warnung, aus dergleichen unvorsichtigem Betragen wirklich schon Feuer entstanden ist;
§. 127.12) Wenn das Gesinde sich durch liederliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zugezogen hat;
§. 128. 13) Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf längere Zeit, als Acht Tage, gefänglich eingezogen wird;
§. 129.14) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird; in welchem Falle jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen, und die wirkliche Entlassung nicht eher, als bis von dieser die gesetzmäßigen Anstalten zur Verhütung alles Unglücks getroffen worden, erfolgen muß;
§. 130. 15) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bey der Annahme durch Vorzeigung falscher Zeugnisse hintergangen worden;
§. 131. 16) Wenn das Gesinde in seinem vorigen Dienste sich eines solchen Betragens, weshalb dasselbe nach §. 116-127. hätte entlassen werden können, schuldig gemacht, und die vorige Herrschaft dieses in dem ausgestellten Zeugnisse verschwiegen, auch das Gesinde selbst es der neuen Herrschaft bey der Annahme nicht offenherzig bekannt hat.
§. 132. Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung verlassen: 1) wenn es durch Mißhandlungen der Herrschaft in Gefahr des Lebens oder der Gesundheit versetzt worden;
§. 133. 2) Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit ausschweifender und ungewöhnlicher Härte, behandelt hat;
§. 134. 3) Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen, welche wider die Gesetze oder wider die guten Sitten laufen, hat verleiten wollen;
§. 135. 4) Wenn dieselbe das Gesinde vor dergleichen unerlaubten Anmuthungen gegen Personen, die zur Familie gehören, oder sonst im Hause aus- und eingehen, nicht hat schützen wollen;
§. 136. 5) Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld gänzlich vorenthält, oder ihm selbst die nothdürftige Kost verweigert;
§. 137. 6) Wenn die Herrschaft auf eine das laufende Dienstjahr übersteigende Zeit bloße Privatreisen in fremde Länder vornimmt;
§. 138. 7) Wenn sie in öffentlichen Angelegenheiten außer Landes verschickt wird; oder wenn sie ihren Wohnsitz an einen andern Ort innerhalb der Königlichen Lande verlegt; und in beyden Fällen es nicht übernehmen will, den Dienstboten nach abgelaufener Dienstzeit auf ihre Kosten zurückzuschicken;
§. 139. 8) Wenn der Dienstbote durch schwere Krankheit zur Fortsetzung des Dienstes unvermögend wird.
Unter der Zeit, doch nach vorhergegangener Aufkündigung: von Seiten der Herrschaft;
§. 140. Vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergegangener Aufkündigung, kann die Herrschaft einen Dienstboten entlassen: 1) wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den nach seiner Bestimmung ihm obliegenden Geschäften ermangelt;
§. 141. 2) Wenn das Gesinde, ohne Erlaubniß der Herrschaft, seines Vergnügens wegen ausläuft; oder ohne Noth über die erlaubte oder zu dem Geschäfte erforderliche Zeit auszubleiben pflegt; oder sonst den Dienst muthwillig vernachläßigt;
§. 142. 3) Wenn der Dienstbote dem Trunk oder Spiele ergeben ist; oder durch Zänkereyen oder Schlägereyen mit seinem Nebengesinde den Hausfrieden stört, und sich von solchem Betragen, auf geschehene Vermahnung, nicht bessert;
§. 143. 4) Wenn nach geschlossenem Miethsvertrage die Vermögensumstände der Herrschaft dergestalt in Abnahme gerathen, daß sie sich entweder ganz ohne Gesinde behelfen, oder doch dessen Zahl einschränken muß.
§. 144. Dienstboten können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch nach vorhergegangener Aufkündigung, den Dienst verlassen: 1) wenn die Herrschaft den bedungenen Lohn in den festgesetzten Terminen nicht richtig bezahlt;
§. 145. 2) Wenn die Herrschaft das Gesinde einer öffentlichen Beschimpfung eigenmächtig aussetzt;
§. 146. 3) Wenn der Dienstbote durch Heirath, oder auf andere Art, zur Anstellung einer eignen Wirthschaft vortheilhafte Gelegenheit erhält, die er durch Ausdaurung der Miethszeit versäumen müßte.
§. 147. In allen Fällen, wo der Miethvertrag innerhalb der Dienstzeit, jedoch nur nach vorhergegangener Aufkündigung, aufgehoben werden kann, muß dennoch das laufende Vierteljahr, und bey Monathweise gemiethetem Gesinde der laufende Monath, ausgehalten werden.
§. 148. Wenn die Aeltern des Dienstboten, wegen einer erst nach der Vermiethung vorgefallenen Veränderung ihrer Umstände, ihn in ihrer Wirthschaft nicht entbehren können; oder der Dienstbote in eignen Angelegenheiten eine weite Reise zu unternehmen genöthigt wird: so kann er zwar ebenfalls seine Entlassung fordern;
§. 149. Er muß aber alsdann einen andern tauglichen Dienstboten statt seiner stellen, und sich mit demselben, wegen Lohn, Kost, und Livree, ohne Schaden der Herrschaft abfinden.
Was alsdann wegen Lohn, Kost und Livree Rechtens.
§. 150. In allen Fällen, wo die Herrschaft einen Dienstboten, während der Dienstzeit, mit oder ohne Aufkündigung zu entlassen berechtigt ist (§. 116-131. §. 140-143.) kann der Dienstbote Lohn und Kost, oder Kostgeld nur nach Verhältniß der Zeit fordern, wo er wirklich gedient hat.
§. 151. Ein Gleiches gilt von denjenigen Fällen, wo der Dienstbote zwar vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergängiger Aufkündigung, den Dienst verlassen kann. (§. 144. 145. 146.)
§. 152. In Fällen, wo der Dienstbote sofort, und ohne Aufkündigung, den Dienst zu verlassen berechtigt ist (§. 132-139.), muß ihm Lohn und Kost auf das laufende Vierteljahr, und wenn er monathweise gemiethet worden, auf den laufenden Monath vergütet werden.
§. 153. Hat die Ursache zum gesetzmäßigen Austritte erst nach Ablauf der Aufkündigungsfrist sich ereignet: so muß die Herrschaft diese Vergütung auch für das folgende Vierteljahr, oder für den folgenden Monath leisten.
§. 154. In der Regel behält der Dienstbote die als ein Theil des Lohns anzusehende Livree vollständig, wenn er aus den §. 132-139. bestimmten Ursachen den Dienst verläßt.
§. 155. Geschieht der Austritt nur aus den §. 140-143. enthaltenen Gründen; und hat der Bediente noch kein halbes Jahr gedient: so muß er Rock und Hut zurücklassen.
§. 156. In den Fällen, wo das Gesinde nach §. 116-131. 140-143. von der Herrschaft entlassen wird, kann letztere der Regel nach die ganze Livree zurückbehalten,
§. 157. Doch gebühren dem Bedienten die kleinen Montirungsstücke, wenn er schon ein halbes Jahr gedient hat, und nur aus den §. 140-143. angeführten Gründen entlassen wird.
§. 158. Wenn das Gesinde aus dem §. 144. und 145. angeführten Grunde, nach vorhergegangener Aufkündigung, seinen Abschied nimmt: so finden die Vorschriften §. 154. 155. Anwendung.
§. 159. Erfolgt aber der Austritt nur aus der §. 146. bestimmten Ursache: so muß der Dienstbote mit den kleinen Montirungsstücken sich begnügen.
Rechtliche Folgen einer ohne Grund geschehenen Entlassung oder
§. 160. Eine Herrschaft, die aus andern, als gesetzmäßigen Ursachen, das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit entläßt, muß von der Obrigkeit, dasselbe wieder anzunehmen, und den Contrakt fortzusetzen, angehalten werden.
§. 161. Weigert sie sich dessen beharrlich: so muß sie dem Dienstboten Lohn und Livree auf die noch rückständige Dienstzeit entrichten.
§. 162. Auch für die Kost muß die Herrschaft bis dahin sorgen.
§. 163. Kann aber das Gesinde, noch vor Ablauf der Dienstzeit, ein anderweitiges Unterkommen erhalten: so erstreckt sich die Vergütigungs-Verbindlichkeit der Herrschaft nur bis zu diesem Zeitpunkte; und weiter hinaus nur in so fern, als das Gesinde sich in dem neuen Dienste mit einem geringern Lohne hat begnügen müssen.
§. 164. Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder anzunehmen bereit; das Gesinde hingegen weigert sich, den Dienst wieder anzutreten: so kann letzteres in der Regel gar keine Vergütung fordern.
§. 165. Weist aber das Gesinde einen solchen Grund seiner Weigerung nach, weswegen es, seines Orts, den Dienst zu verlassen berechtigt seyn würde: so gebührt demselben die §. 152. sqq. bestimmte Vergütung.
§. 166. Kann das Gesinde den vorigen Dienst, wegen eines inzwischen erhaltenen anderweitigen Unterkommens, nicht wieder antreten: so findet die Vorschrift §. 163. Anwendung.
§. 167. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit, ohne gesetzmäßige Ursache, den Dienst verläßt, muß durch Zwangsmittel zu dessen Fortsetzung angehalten werden.
§. 168. Will aber die Herrschaft ein solches Gesinde nicht wieder annehmen: so ist sie berechtigt, ein anderes an seiner Stelle zu miethen; und der ausgetretene Dienstbote ist schuldig, die dadurch verursachten mehrern Kosten zu erstatten.
§. 169. Das abziehende Gesinde ist schuldig, alles was ihm zum Gebrauche in seinen Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung anvertraut worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern.
§. 170. Den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden muß es der Herrschaft ersetzen, (§. 65-69.)
§. 171. Bey dem Abzüge ist die Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen Abschied, und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine geleisteten Dienste zu ertheilen schuldig.
§. 172. Werden dem Gesinde in diesem Abschiede Beschuldigungen zur Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden: so kann es auf richterliche Untersuchung antragen.
§. 173. Wird dabey die Beschuldigung ungegründet befunden: so muß die Obrigkeit dem Gesinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft ausfertigen lassen, und letzterer fernere üble Nachreden, bey namhafter Geldstrafe, untersagen.
§. 174. Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil wider besseres Wissen bezeugt: so muß sie für allen einem Dritten daraus entstehenden Schaden haften.
§. 175. Die folgende Herrschaft kann sich also an sie, wegen des derselben durch solche Laster oder Veruntreuungen des Dienstboten verursachten Nachtheils halten.
§. 176. Auch soll eine solche Herrschaft mit einer Geldstrafe, von Einem bis Fünf Thaler, zum Besten der Armencasse des Orts belegt werden.
§. 177. Hausofficianten, denen nur ein gewisses bestimmtes Geschäfte in der Haushaltung oder Wirthschaft, oder die Aufsicht über einen gewissen Theil derselben aufgetragen wird, müssen durch einen schriftlichen Contrakt angenommen werden.
§. 178. Mündliche Verabredungen sind ungültig, wenn auch Miethgeld gegeben, und angenommen worden.
§. 179. Doch muß derjenige Theil, welcher von der mündlichen Verabredung wieder abgehn will, das Miethgeld fahren lassen, oder zurück geben.
§. 180. Ist der Dienst auf den Grund eines bloß mündlichen Vertrages wirklich angetreten: so kann der eine, so wie der andere Theil, mit Ablauf eines jeden Vierteljahres, jedoch unter Beobachtung einer sechswöchentlichen Aufkündigungsfrist, wieder abgehn.
§. 181. Die Belohnung für die in der Zwischenzeit geleisteten Dienste wird nach der mündlichen Abrede; und in deren Ermangelung nach dem, was dem Hausofficianten bisher wirklich gegeben worden; oder, wenn auch hiernach der Streit nicht entschieden werden kann, nach dem, was Leute dieser Classe an demselben Orte gewöhnlich erhalten, durch richterliches Ermessen bestimmt.
§. 182. Hausofficianten sind nur zu solchen Verrichtungen schuldig, welche mit dem Dienste wozu sie angenommen worden, nach seiner Bestimmung verbunden sind.
§. 183. Andern häuslichen Geschäften sich zu unterziehen, sind sie nur im dringenden Nothfalle verpflichtet.
§. 184. In dem Geschäfte, wozu sie angenommen worden, müssen sie für jedes mäßige Versehen haften.
§. 185. Wegen grober Schimpf-und Schmähworte, ingleichen wegen Thätlichkeiten, womit Hausofficianten von der Herrschaft unverschuldet behandelt worden, können sie, noch vor Ablauf der Dienstzeit, Entlassung fordern.
§. 186. In allen übrigen Stücken haben Hausofficianten mit dem gemeinen Gesinde gleiche Rechte und Pflichten.
§. 187. Personen beyderley Geschlechts, welche zur Erziehung der Kinder angenommen worden, ingleichen Privatsekretairs, Kapläne, und andere, die mit erlernten Wissenschaften und schönen Künsten im Hause Dienste leisten, sind nicht für bloße Hausofficianten zu achten.
§. 188. Vielmehr müssen die Rechte und Pflichten derselben nach dem Inhalte des mit ihnen geschlossenen schriftlichen Vertrages; nach der Natur, der Absicht, und den Erfordernissen des übernommenen Geschäfts; und nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Verträgen, und von Veräußerung der Sachen gegen Handlungen, beurtheilt werden. (Th. I. Tit. XI. §. 869. sqq.)
§. 189. Dergleichen Personen sind zu häuslichen Diensten in keinem Falle verbunden.
§. 190. Sie gehören unter diejenigen Mitglieder der Familie, denen das gemeine Gesinde, nach der Anordnung der Herrschaft, seine Dienste leisten muß. (§. 58. 59.)
§. 191. Erzieher und Erzieherinnen können wegen bloßer Züchtigungen der Kinder, die in keine Mißhandlungen ausarten, nicht entlassen werden.
§. 192. Sind auch bloße körperliche Züchtigungen bey Schließung des Vertrages untersagt worden: so begründet eine Uebertretung dieses Verbots das Recht zur Aufkündigung.
§. 193. Die gesetzmäßige Dauer der Dienstzeit solcher §. 187. beschriebenen Personen wird, wenn der Vertrag nicht ein Andres bestimmt, auf Ein Jahr gerechnet.
§. 194. Wegen deren stillschweigenden Verlängerung gilt alles das, was bey dem gemeinen Gesinde vorgeschrieben ist.
§. 195. Die Aufkündigungsfrist wird, wenn im Contrakte nicht ein Anderes festgesetzt ist, auf ein Vierteljahr bestimmt.
§. 196. Sklaverey soll in den Königlichen Staaten nicht geduldet werden.
§. 197. Kein Königlicher Unterthan kann und darf sich zur Sklaverey verpflichten.
§. 198. Fremde, die sich nur eine Zeitlang in Königlichen Landen befinden, behalten ihre Rechte über die mitgebrachten Sklaven.
§. 199. Doch muß ihnen die Obrigkeit Schranken setzen, wenn sie diese Rechte bis zu lebensgefährlichen Mißhandlungen, der Sklaven ausdehnen wollten.
§. 200. Wenn dergleichen Fremde sich in Königlichen Landen niederlassen; oder auch, wenn Königliche Unterthanen auswärts erkaufte Sklaven in hiesige Lande bringen: so hört die Sklaverey auf.
§. 201. Der Herr hat also kein persönliches Eigenthum über den gewesenen Sklaven.
§. 202. Doch muß letzterer von solcher Zeit an dem Herrn ohne Lohn so lange dienen, bis er denselben dadurch für die auf seinen Ankauf etwa verwendeten Kosten entschädigt hat.
§. 203. Bey der Berechnung dieser Entschädigung wird der Lohn, welchen das Gesinde, für Dienste dieser Art, am Orte oder in der Provinz gewöhnlich erhält, zum Maaßstabe angenommen.
§. 204. Während der ohnentgeltlichen Dienstzeit muß dem gewesenen Sklaven nothdürftige Kleidung und Kost, gleich dem Gesinde, gereicht werden.
§. 205. Auch in allen übrigen Stücken hat er gleiche Rechte und Pflichten mit dem gemeinen und freyen Gesinde.
§. 206. Hat die Herrschaft der von einem solchen gewesenen Sklaven erzeugten Kinder sich angenommen: so gebühren ihr auf die Dienste derselben gleiche Rechte, wie auf andre in Pflege und Erziehung genommene verlassene Kinder. (Tit. II. §. 753-771.)
§. 207. Einen gewesenen Sklaven kann der Herr auch einem Landgute als Unterthanen zuschlagen.
§. 208. Geschieht dieses: so hat derselbe mit andern Gutsunterthanen gleiche Rechte und Verbindlichkeiten.
Sechster Titel. Von Gesellschaften überhaupt, und von Corporationen und Gemeinen
§. 1. Unter Gesellschaften überhaupt werden hier Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke verstanden.
§. 2. In so fern dieser Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann, sind dergleichen Gesellschaften erlaubt.
§. 3. Gesellschaften aber, deren Zweck und Geschäfte der gemeinen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung zuwiderlaufen, sind unzuläßig, und sollen im Staate nicht geduldet werden.
§. 4. Auch an sich nicht unzuläßige Gesellschaften kann der Staat verbieten, sobald sich findet, daß dieselben andern gemeinnützigen Absichten oder Anstalten hinderlich oder nachtheilig sind.
§. 5. Dergleichen ausdrücklich verbotne Gesellschaften sind, von Zeit des ergangenen Verbots, den an sich unzuläßigen gleich zu achten.
§. 6. Unzuläßige und verbotne Gesellschaften haben, als solche, gar keine Rechte, weder gegen ihre Mitglieder, noch gegen Andre.
§. 7. Die Mitglieder derselben sind, wegen unerlaubter Handlungen, die von ihnen gemeinschaftlich, oder auch von Einzelnen nach dem Zwecke der Gesellschaft vorgenommen worden, zum Schadensersatze und zur Strafe eben so verhaftet, wie andere Mitgenossen eines Verbrechens.
§. 8. Doch sind diejenigen Mitglieder davon befreyt, welche weder von dem gemeinschädlichen Zwecke der Gesellschaft gewußt, noch an den unerlaubten Handlungen der übrigen Theil genommen haben.
§. 9. Dergleichen Mitglieder können vielmehr, wenn ihnen aus einer solchen Verbindung Schaden entsteht, den Ersatz desselben von denjenigen, durch welche sie zum Beytritte verleitet worden, so wie von den Vorstehern der Gesellschaft fordern.
§. 10. Wer einer vom Staate ausdrücklich verbotnen Gesellschaft beytritt, kann gegen die in dem Verbotsgesetze bestimmte Strafe, durch Vorschützung der Unwissenheit des unerlaubten Zwecks sich nicht entschuldigen.
Rechte der erlaubten Privatgesellschaften.
§. 11. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder erlaubter Gesellschaften unter sich, werden nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, in dessen Ermangelung, nach den für die verschiedenen Arten solcher Gesellschaften ergangnen besondern Gesetzen, und wo auch diese nicht entscheiden, nach dem Zwecke ihrer Verbindung beurtheilt.
§. 12. Bey Handlungen, woraus Rechte und Verbindlichkeiten gegen Andere entstehen, werden sie nur als Theilnehmer eines gemeinsamen Rechts, oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit betrachtet.
§. 13. Dergleichen Gesellschaften stellen im Verhältnisse gegen andre, außer ihnen, keine moralische Person vor, und können daher auch, als solche, weder Grundstücke, noch Capitalien auf den Namen der Gesellschaft erwerben.
§. 14. Unter sich aber haben dergleichen Gesellschaften, so lange sie bestehen, die innern Rechte der Corporationen und Gemeinen. (§. 25. sqq.)
§. 15. Es kann daher ein ausscheidendes Mitglied von dem Gesellschaftsvermögen nur in so fern einen Antheil fordern, als das Mitglied einer Corporation und Gemeine dazu berechtigt ist.
§. 16. Handlungsgesellschaften werden lediglich nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts des Siebenzehnten Titels im Ersten Theile, und des Siebenten Abschnitts, Achten Titels, im Zweyten Theile, beurtheilt.
§. 17. Alles, was einer solchen Gesellschaft zufällt, wird nur das gemeinschaftliche Eigenthum der dermaligen Mitglieder.
§. 18. Es kann also jedes ausscheidende Mitglied seinen Antheil davon, so wie von dem übrigen im gemeinschaftlichen Eigenthume befindlichen Vermögen fordern.
§. 19. Ist bey der Erwerbung oder Zuwendung das Gegentheil ausdrücklich festgesetzt worden: so hat zwar, so lange die Gesellschaft besteht, ein ausscheidendes Mitglied an dergleichen Sachen keinen Anspruch;
§. 20. Wenn aber die Gesellschaft ganz aufhört; so wird auch eine solche Sache, gleich dem übrigen gemeinschaftlichen Vermögen, unter die alsdann vorhandenen Mitglieder getheilt.
§. 21. Schenkungen, die einer erlaubten Privatgesellschaft, welche aber keine Handlungsgesellschaft ist, zu einem gewissen Zwecke gemacht worden, fallen, wenn bey erfolgender Aufhebung der Gesellschaft der Zweck nicht mehr erreicht werden kann, in so fern sie noch vorhanden sind, an den Geschenkgeber, oder dessen Erben zurück. (Th. I. Tit. XVI. §. 201. sqq.)
§. 22. Die Rechte und Verhältnisse einer vom Staate ausdrücklich genehmigten oder privilegirten Gesellschaft, müssen hauptsächlich nach dem Inhalte des ihr ertheilten Privilegii beurtheilt werden.
§. 23. So weit aber in diesem nichts Besonderes festgesetzt ist, haben dergleichen privilegirte Gesellschaften mit andern erlaubten in der Regel nur gleiche Rechte.
§. 24. Doch kann der Staat eine von ihm ausdrücklich privilegirte Gesellschaft nur aus eben den Gründen, aus welchen ein Privilegium überhaupt zurückgenommen werden kann, wieder aufheben.
§. 25. Die Rechte der Corporationen und Gemeinen kommen nur solchen vom Staate genehmigten Gesellschaften zu, die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke verbunden haben.
§. 26. Die Verhältnisse und Rechte der Corporationen und Gemeinen sind hauptsächlich nach den bey ihrer Errichtung geschlossenen Verträgen, oder ergangenen Stiftungsbriefen; nach den vom Staate erhaltenen Privilegien und Concessionen; und nach den auch in der Folge unter Genehmigung des Staats abgefaßten Schlüssen zu beurtheilen.
§. 27. Die solchergestalt bestimmten Rechte und Pflichten der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, so wie die wegen des Betriebes der gemeinschaftlichen Angelegenheiten getroffenen Einrichtungen, machen die Verfassung dieser Corporation aus.
§. 28. So weit dadurch der Zweck der Gesellschaft, und solche Mittel, ohne welche dieser Zweck nicht erreicht werden kann, bestimmt sind, gehören dieselben zur Grundverfassung.
§. 29. Grundverfassungen können nur in so weit geändert oder abgeschafft werden, als die Corporation selbst aufgehoben werden kann.
§. 30. Auch andre Verfassungen kann die Corporation eigenmächtig, ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats, nicht abändern.
§. 31. Wie weit aber dergleichen Aenderungen durch einen nach Mehrheit der Stimmen abzufassenden Gesellschaftsschluß, unter Approbation des Staats, erfolgen können, ist nach den unten vorkommenden Regeln zu beurtheilen.
§. 32. Bey der Auslegung dunkler und zweifelhafter Stellen in den Verfassungsgesetzen einer Gesellschaft, finden die allgemeinen Regeln von Auslegung der Verträge, Gesetze, und Privilegien überhaupt, Anwendung.
§. 33. Doch ist dabey auch auf die bisherige Gewohnheit bey der Gesellschaft, so weit dieselbe ihrer Grundverfassung und den allgemeinen Gesetzen des Staats nicht widerspricht, vorzügliche Rücksicht zu nehmen.
§. 34. Soll über dergleichen dunkle oder zweifelhafte Stellen eine allgemeine Erklärung für die Zukunft abgefaßt werden: so kann dies nur durch Schlüsse der Corporation, unter Genehmigung des Staats geschehen.
§. 35. Kann kein solcher Schluß zu Stande kommen; oder betrifft die Sache Rechte und Pflichten der Corporation gegen andre außer ihr: so kommt dieses Erklärungsrecht nur allein dem Staate zu.
§. 36. Behauptet aber ein Dritter, daß er durch solche Deklarationen in seinen schon erworbenen Befugnissen gekränkt sey: so muß ihm darüber rechtliches Gehör verstattet werden.
§. 37. Jedes in die Corporation neu eintretende Mitglied unterwirft sich eben dadurch den Verfassungen derselben.
§. 38. Von deren Beobachtung, so weit es dabey auf Grundverfassungen ankommt, können auch einzelne Mitglieder niemals befreyt werden.
§. 39. In wie fern aber Corporationen, oder deren Vorgesetzte, einzelne Mitglieder von andern zur Grundverfassung nicht gehörenden Verbindlichkeiten und Lasten dispensiren können, hängt von den besondern Einrichtungen einer jeden Art der Corporationen ab.
§. 40. So weit die Verfassung einer Corporation aus den bisher (§. 26-36.) angegebenen Quellen nicht zu bestimmen ist, muß auf die wegen der verschiedenen Arten der Corporationen ergangenen besondern Gesetze Rücksicht genommen werden.
§. 41. Wo auch diese nichts näheres bestimmen, da treten nachstehende allgemeine Vorschriften ein.
§. 42. Jedes Mitglied einer Corporation ist schuldig, seine Handlungen dem gemeinschaftlichen Zwecke gemäß einzurichten, und zur Erreichung desselben mitzuwürken.
§. 43. Die Corporation ist berechtigt, Mitglieder, welche diesem Zwecke vorsetzlich, oder sonst beharrlich zuwider handeln, auszustoßen.
§. 44. Sie kann aber diese Befugniß nur unter Aufsicht des Staats, und nach den von ihm vorgeschriebenen Gesetzen ausüben.
§. 45. Ein eigentliches Strafrecht gegen ihre Mitglieder kann einer Corporation nur wegen Vergehungen, die von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft begangen worden, und nur in so fern zukommen, als ihr der Staat dergleichen Recht ausdrücklich verliehen hat.
§. 46. Aber auch in diesem Falle muß die Corporation, bey Ausübung ihres Strafrechts, die in den Gesetzen allgemein vorgeschriebene Ordnung und Verfahrungsart beobachten.
§. 47. Auch findet gegen solche Strafverfügungen die Berufung auf die vom Staate angeordneten Richterstühle statt.
§. 48. Die Corporation hat das Recht, neue Mitglieder, mit Vorwissen und Beystimmung des Staats aufzunehmen.
§. 49. Rechte und Vorzüge, welche einer Corporation oder Gemeine vom Staate beygelegt sind, kommen der Regel nach allen gegenwärtigen und künftigen Mitgliedern derselben zu statten.
§. 50. Doch können auf Vorrechte, welche nur der ganzen Gesellschaft, als einer moralischen Person betrachtet, verliehen sind, einzelne Mitglieder für ihre Personen, und in ihren Privatangelegenheiten, keinen Anspruch machen.
Berathschlagungen und Schlüsse;
§. 51. Die innern Angelegenheiten einer Corporation werden durch Berathschlagungen und Schlüsse der Mitglieder angeordnet.
§. 52. Bey gewöhnlichen Vorfällen, und in den ein für allemal dazu bestimmten Versammlungen entscheidet der Schluß der in dieser Versammlung gegenwärtigen Mitglieder.
§. 53. Bey außerordentlichen Vorfällen, deren Verhandlungen in den Stiftungsgesetzen den ordinairen Versammlungen nicht beigelegt ist, müssen sämmtliche Mitglieder ausdrücklich eingeladen werden.
§. 54. Ist bey der Einladung zu solchen außerordentlichen Versammlungen zugleich der Gegenstand der Berathschlagung angezeigt worden: so können die erscheinenden Mitglieder, ohne Rücksicht auf ihre Anzahl, einen gültigen Schluß abfassen.
§. 55. Ist aber eine solche ausdrückliche Bekanntmachung des Gegenstandes der Berathschlagung nicht geschehen: so müssen wenigstens zwey Drittel der Mitglieder gegenwärtig seyn, wenn ein Schluß zu Stande kommen soll.
§. 56. Ist die Einladung nicht gehörig geschehen, oder in dem Falle des §. 55. nicht die erforderliche Anzahl von Mitgliedern gegenwärtig gewesen: so ist ein dennoch abgefaßter Schluß nichtig.
§. 57. Es ist hinreichend, wenn die Einladung an dem gewöhnlichen Wohnorte eines jeden Mitgliedes, auf die in der Prozeßordnung vorgeschriebene Art insinuirt wird.
§. 58. Mitglieder, welche ihren bisherigen bekannten Aufenthaltsort verändern, ohne den Vorstehern der Corporation Nachricht zu geben, wo sie anzutreffen sind, ist die Corporation besonders einzuladen nicht schuldig.
§. 59. Eben das gilt wegen solcher Mitglieder, die ihren Wohnsitz aus der Provinz verlegen, ohne der Corporation einen Bevollmächtigten anzuzeigen, an welchen die Einladung in vorkommenden Fällen gerichtet werden solle.
§. 60. Abwesende Mitglieder können den Versammlungen auch durch Bevollmächtigte beywohnen.
§. 61. Dergleichen Vollmacht kann aber nur einem Mitgliede der Corporation aufgetragen werden.
§. 62. Die Schlüsse der Gesellschaft werden nach der Mehrheit der Stimmen abgefaßt.
§. 63. Bey vorhandener Stimmengleichheit gebührt die Entscheidung derjenigen Behörde, der es sonst zukommt, die Schlüsse der Corporation zu bestätigen.
insonderheit bey neuen Anlagen;
§. 64. Zu neuen Beyträgen, die weder in der Stiftungsverfassung, noch in den allgemeinen Gesetzen des Staats gegründet sind, ist die Einwilligung aller Mitglieder erforderlich.
§. 65. Sind jedoch dergleichen Anlagen zur Erfüllung des Zwecks der Corporation, oder einer von ihr vorhin schon rechtsgültig übernommenen Verbindlichkeit nothwendig: so muß auch in dergleichen Angelegenheiten die geringere Zahl der Mehrheit der Stimmen sich unterwerfen.
§. 66. In keinem Falle können neue Anlagen ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats gemacht werden.
§. 67. Was von neuen Beyträgen verordnet ist, gilt auch von Erhöhung der bisher nur gewöhnlichen.
§. 68. Gesellschaftliche Rechte, welche nicht sämmtlichen Mitgliedern, sondern nur einem oder dem andern unter ihnen, als Mitgliede, zukommen, können denselben, wider ihren Willen, durch die bloße Stimmenmehrheit nicht genommen oder eingeschränkt werden.
§. 69. Eben das gilt, wenn nicht allen, sondern nur Einem oder etlichen Mitgliedern, neue Lasten oder Verbindlichkeiten aufgelegt werden sollen.
§. 70. Auch die Verwaltung und Nutzung des der Corporation zustehenden gemeinschaftlichen Vermögens wird durch Schlüsse der Corporation angeordnet.
§. 71. Die Verwendung muß zur Beförderung des gemeinschaftlichen Besten der Gesellschaft, und zur Erreichung ihres Endzwecks geschehen.
§. 72. Derjenige Theil des Gesellschaftsvermögens, wovon die Nutzungen für die einzelnen Mitglieder bestimmt sind, muß nach den Rechten des gemeinsamen Eigenthums behandelt werden. (Th. I. Tit. XVII. Abschn. I.)
§. 73. Die Corporation ist nicht befugt, von demjenigen, was ein Mitglied, oder auch ein Fremder, ihr zu einem gewissen bestimmten Zwecke zugewendet hat, ohne dessen Genehmigung einen andern Gebrauch zu machen.
§. 74. In wie fern aber bey veränderten Umständen der Staat, nach dem Ableben des Stifters, der Stiftung eine andere Richtung geben könne, ist nach dem unten §. 193. vorkommenden Grundsatze zu beurtheilen.
§. 75. In allen Fällen, wo dergleichen Verfügung getroffen werden soll, muß die noch bestehende Corporation mit ihrem Gutachten zuvörderst darüber vernommen, und von diesem Gutachten, ohne überwiegende Gründe, nicht abgewichen werden.
§. 76. Auch von den zur Erreichung des Zwecks einer solchen Stiftung vorgeschriebenen Mitteln darf die Corporation eigenmächtig nicht abgehen.
§. 77. Der Staat selbst ist, diese Mittel und Einrichtungen abzuändern, nur alsdann berechtigt, wenn klar erhellet, daß dadurch der Zweck nicht erreicht werden könne, oder gar verfehlt werden würde.
§. 78. Sind dabey Verordnungen zu Gunsten gewisser bestimmter Personen gemacht: so kann davon, ohne die Einwilligung oder vollständige Entschädigung solcher Personen, nicht abgegangen werden.
§. 79. Ist in dem Falle, wenn die Einrichtungen des Stifters nicht buchstäblich befolgt würden, einem Dritten ein Recht auf die zur Stiftung gewidmete Sache oder Summe beygelegt: so findet eine Aenderung ohne die Zuziehung oder Einwilligung dieses Dritten nicht statt.
§. 80. Werden die von dem Stifter gemachten Einrichtungen schon zu der Zeit, da die Stiftung errichtet, und der Corporation aufgetragen worden, zweckwidrig befunden: so muß der Corporation die Annahme einer solchen Stiftung nicht gestattet werden.
§. 81. Corporationen und Gemeinen stellen in den Geschäften des bürgerlichen Lebens Eine moralische Person vor.
§. 82. Sie werden in Rücksicht auf ihre Rechte und Verbindlichkeiten gegen Andre, außer ihnen, nach eben den Gesetzen, wie andre einzelne Mitglieder des Staats, beurtheilt.
§. 83. Doch können sie, ohne besondere Einwilligung der ihnen vorgesetzten Behörde, unbewegliche Sachen weder an sich bringen, noch veräußern oder verpfänden.
§. 84. Dergleichen von einem Dritten ohne diese Einwilligung mit ihnen vollzogne Handlungen sind nichtig.
§. 85. Auch bey Schulden, für welche die Substanz des unbeweglichen Gesellschaftsvermögens, oder die Nutzungen desselben, auf länger als Ein Jahr haften sollen, ist die Einwilligung der vorgesetzten Behörde nothwendig.
§. 86. Die Ausübung der äußern Gesellschaftsrechte wird durch Schlüsse der Corporation angeordnet.
§. 87. Von Abfassung dieser Schlüsse gilt alles das, was bey den innern Angelegenheiten der Corporation bestimmt ist.
§. 88. Auch diejenigen Angelegenheiten, welche zwar nicht die Corporation, als Eine moralische Person betrachtet, aber doch die sämmtlichen Mitglieder derselben, als solche, betreffen, werden durch Schlüsse der Corporation bestimmt.
§. 89. Ist jedoch von Befugnissen oder Leistungen die Rede, welche auf die einzelnen Mitglieder dergestalt vertheilt werden können, daß jeder für sich das Recht ausüben, oder die Pflicht leisten kann, ohne dadurch die Rechte der andern einzuschränken, oder ihre Pflichten zu erschweren: so sind die einzelnen Mitglieder an einen durch Mehrheit der Stimmen der übrigen gefaßten Schluß nicht gebunden.
§. 90. Sie überkommen also auch durch die, vermöge eines solchen Schlusses, ferner erfolgenden Verhandlungen, für ihre Personen weder Rechte, noch Verbindlichkeiten.
insonderheit wegen der Schulden.
§. 91. Für die von der Corporation gehörig übernommenen Schulden haftet das gemeinschaftliche Vermögen derselben.
§. 92. An denjenigen Theil des Gesellschaftsvermögens, wovon die Nutzungen den einzelnen Mitgliedern zukommen, kann der Gläubiger nur in Ermangelung eines andern gemeinschaftlichen Vermögens sich halten.
§. 93. Auch kann dieser Theil des Gesellschaftsvermögens nur in so fern angegriffen werden, als der Schluß, wodurch die Verbindlichkeit übernommen worden, nach Vorschrift §. 62. bis 69. jedes einzelne Mitglied verpflichtet.
§. 94. Das Privatvermögen der Mitglieder haftet nur alsdann, wenn sich dieselben dazu ausdrücklich anheischig gemacht haben.
§. 95. Zu einer solchen Verpflichtung können die widersprechenden auch durch eine überwiegende Stimmenmehrheit nicht angehalten werden.
§. 96. Dagegen haften die einzelnen Mitglieder, selbst ohne ausdrückliche Einwilligung, für Schulden, die zu solchen Bedürfnissen der Commune gemacht worden, zu deren Bestreitung sie neue oder erhöhete Beyträge, auch wider ihren Willen hätten übernehmen müssen. (§. 65.)
§. 97. Ist eine wahre Gesellschaftsschuld vorhanden, welche durch neue oder erhöhete Beyträge getilgt werden muß: so hat die Gesellschaft das Recht, diese Beyträge, unter Aufsicht und Genehmigung des Staats dergestalt einzurichten, daß das Erforderliche nur nach und nach zusammen gebracht, und die Last sowohl unter die gegenwärtigen als künftigen Mitglieder billig vertheilt werde.
§. 98. Auch der Gläubiger muß sich eine solche nur nach und nach zu leistende Zahlung gefallen lassen, wenn nicht ein gemeinschaftliches Vermögen, an welches er sich halten kann, vorhanden, oder in dem Vertrage mit der Gesellschaft ein anderes verabredet ist.
§. 99. So weit nach Vorschrift §. 97. Gesellschaftsschulden durch Beyträge der Mitglieder nach und nach getilgt werden müssen; so weit sind auch neue Mitglieder diese fortlaufenden Beyträge mit zu übernehmen, verbunden.
§. 100. Doch muß ihnen dieses bey ihrer Aufnahme bekannt gemacht werden.
§. 101. Weigern sie sich alsdann, die fernern Beyträge zu übernehmen: so kann ihnen die Aufnahme in die Gesellschaft versagt werden.
§. 102. Ist die Bekanntmachung nicht geschehen: so haften die Vorsteher der Gesellschaft, durch deren Schuld dieselbe unterblieben ist, für die Beyträge solcher Mitglieder.
§. 103. Durch den Austritt aus der Gesellschaft werden einzelne Mitglieder von ferneren Beyträgen in der Regel frey.
§. 104. Auch die Erben verstorbener Mitglieder sind, als solche, zu fernern Beyträgen nicht verpflichtet.
§. 105. Von diesen Regeln (§. 103. 104.) findet eine Ausnahme statt, wenn ein Mitglied eine Gesellschaftsschuld, ganz oder zum Theil, nicht bloß in der Eigenschaft eines Mitgliedes, sondern als seine Privatschuld, ausdrücklich übernommen hat.
§. 106. Sind Privatgrundstücke oder Gerechtigkeiten für eine Gesellschaftsschuld verpfändet worden: so geht die Schuld auf jeden Besitzer derselben über.
§. 107. Haben die Mitglieder einer Corporation zwar durch einen an sich rechtsbeständigen Schluß, aber zu einem Behufe, welcher nicht das fortwährende Beste der Corporation, sondern nur die gegenwärtigen Mitglieder betrifft, Schulden gemacht: so sind auch nur diese, und ihre Erben, zu deren Abtragung verpflichtet.
§. 108. Von dieser Pflicht können sie sich durch den Austritt aus der Gesellschaft nur alsdann befreyen, wenn sie ein anderes Mitglied stellen, welches die ferneren Beyträge an ihrer Statt zu übernehmen erbötig, und dafür hinlänglich sicher ist.
§. 109. Dagegen ist die Weigerung eines neuen Mitgliedes, Beyträge zu Schulden von dieser Art zu übernehmen, für sich allein noch kein hinreichender Grund, demselben die Aufnahme zu versagen.
§. 110. Das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschaft haftet dem Gläubiger, welcher mit ihr, unter Beobachtung der gesetzlichen Erfordernisse, einen gültigen Vertrag geschlossen hat; wenn gleich das Gegebene oder Geleistete nicht zum Besten der Gesellschaft verwendet worden.
§. 111. Der Staat aber ist, so wie die Gesellschaft selbst, in einem solchen Falle dafür zu sorgen berechtigt, daß das gemeinschaftliche Vermögen von der daraufgelegten Verpflichtung durch diejenigen, welche den Vortheil davon gezogen haben, oder durch deren Verschulden die Verwendung zum Besten der Gesellschaft unterblieben ist, wieder befreyet werde.
§. 112. Eben diese Vorschriften (§. 110. 111.) finden auch Anwendung, wenn wegen Schulden von der §. 107. beschriebenen Art das Gesellschaftsvermögen angegriffen worden.
§. 113. Auch wenn kein Vertrag vorhanden ist, oder es demselben an den gesetzlichen Erfordernissen mangelt, wird die Corporation durch die geschehene Verwendung in den gemeinschaftlichen Nutzen, gleich einer Privatperson verhaftet. (Th. I. Tit. XIII. Abschn. III)
§. 114. Die Ausübung der Gesellschaftsrechte kann einzelnen Personen, als Repräsentanten oder Stellvertretern der Gesellschaft, übertragen werden.
§. 115. Ist die Bestellung von Repräsentanten in den Stiftungsverträgen oder Gesetzen nicht angeordnet: so gehört die Entscheidung der Frage: ob Repräsentanten bestellt werden sollen, zu denjenigen Angelegenheiten, welche in außerordentlichen Versammlungen, nach vorhergegangener Einladung sämmtlicher Mitglieder, abgethan werden müssen.
§. 116. Zur bejahenden Entscheidung dieser Frage wird eine Mehrheit von zwey Dritteln der Stimmen der auf gehörige Einladung erschienenen Mitglieder; zur Wahl der Personen aber nur eine Mehrheit der Stimmen überhaupt erfordert.
§. 117. Den Repräsentanten einer Corporation kommt nur die Ausübung der äußern Rechte der Gesellschaft, und die Besorgung der Geschäfte derselben mit Fremden außer ihr zu.
§. 118. Dergleichen Geschäfte sind die Repräsentanten in der Regel ohne weitere Rückfrage mit der Gesellschaft abzuthun berechtigt.
§. 119. Dagegen sind sie, wegen solcher Geschäfte, mit der Gesellschaft Rücksprache zu nehmen verbunden, wodurch unbewegliche Sachen derselben veräußert, oder verschuldet, oder die Mitglieder zu neuen oder erhöheten Beyträgen verpflichtet werden sollen.
§. 120. Sind den Repräsentanten mehrere Einschränkungen nur durch ihre Instruktion, oder vermöge eines besondern Herkommens in der Corporation, gemacht: so ist ein Fremder, der mit ihnen in Verhandlungen sich einläßt, an solche Einschränkungen nur so weit gebunden, als ihm dieselben hätten bekannt seyn können und sollen.
§. 121. Daß eigentliche Repräsentanten durch besondere Instruktion mehr, als die öffentlich bekannte Verfassung der Gesellschaft, oder die Landesgesetze mit sich bringen, eingeschränkt sind, wird nicht vermuthet.
§. 122. Eine Corporation also, welche solche besondere Einschränkungen machen will, muß dafür sorgen, die ihren Repräsentanten ertheilte Instruktion dergestalt öffentlich bekannt zu machen, daß dieselbe niemanden, der mit den Repräsentanten etwas verhandelt, ohne sein eignes grobes oder mäßiges Versehen verborgen bleiben könne.
§. 123. Dagegen muß der fremde Contrahent die gewöhnliche Aufmerksamkeit anwenden, daß er solchen Einschränkungen der Repräsentanten, welche auf einem ununterbrochenen Herkommen bey der Gesellschaft beruhen, nicht zuwider handle.
§. 124. Ob Repräsentanten, welche mit einem Fremden in ihrem eignen Namen Verhandlungen vornehmen, demselben dadurch nur sich selbst, oder die Gesellschaft verpflichten, muß nach eben den Regeln, wie bey Bevollmächtigten, beurtheilt werden. (Th. I, Tit. XIII. §. 153-156.)
§. 125. Innere Gesellschaftsrechte kommen den Repräsentanten nur in so fern zu, als ihnen dergleichen durch die Stiftungsgesetze, durch ihre Instruktion, oder durch ein ununterbrochenes Herkommen übertragen worden.
§. 126. Von den Schlüssen der Repräsentanten gilt in der Regel alles, was von den Schlüssen der Gesellschaft verordnet ist.
§. 127. Wenn die Zahl der Repräsentanten bestimmt; und eine Stelle darunter durch den Tod oder sonst erledigt ist: so müssen alle Angelegenheiten, bey welchen keine Gefahr im Verzuge obwaltet, bis zu deren Wiederbesetzung verschoben werden.
§. 128. Ist der Auftrag der Repräsentanten durch die Verfassung der Corporation auf eine gewisse Zeit eingeschränkt: so sind alle nach Ablauf dieser Zeit vorgenommene Handlungen derselben für die Gesellschaft unverbindlich.
§. 129. Ist keine Zeit dazu bestimmt: so dauert ihr Auftrag so lange, als er nicht durch einen Schluß der Gesellschaft widerrufen, oder von ihnen selbst aufgekündigt worden.
§. 130. Sollen Repräsentanten in Ansehung der Dauer ihres Auftrages nur durch ihre Instruktion, oder durch besondere Gesellschaftsschlüsse eingeschränkt werden: so gilt, wegen öffentlicher Bekanntmachung solcher Einschränkungen, eben das, was §. 122. verordnet ist.
§. 131. Die Repräsentanten sind der Corporation von ihren Handlungen Rechenschaft abzulegen verbunden.
§. 132. Dabey, so wie überhaupt wegen aller den Repräsentanten gegen die Corporation zukommenden Rechte und Verbindlichkeiten, worüber in den Stiftungsgesetzen, in ihrer Instruktion, oder in besondern gesetzlichen Vorschriften nicht abweichende Bestimmungen vorhanden sind, werden die Repräsentanten als Bevollmächtigte, und wenn sie zugleich das Gesellschaftsvermögen administriren, als Verwalter fremder Güter angesehen und beurtheilt. (Th. I. Tit. XIII. Abschn. I. Tit. XIV. Abschn. II.)
§. 133. Die Corporation hat das Recht, ihre gefaßten Schlüsse wieder aufzuheben, und die von ihnen getroffenen Anordnungen zu widerrufen.
§. 134. Die Mißbilligung der Corporation giebt ihr aber nicht die Befugniß, von Verhandlungen, welche die Repräsentanten mit Andern außer der Gesellschaft einmal gültig geschlossen, und woraus letztere ein Recht erworben haben, abzugehen.
§. 135. Diejenigen, welche von der Gesellschaft nur zu einem gewissen bestimmten Geschäfte bestellt worden, sind, wenn sie gleich den Namen der Repräsentanten führen, dennoch nur als Bevollmächtigung der Gesellschaft anzusehen.
§. 136. Die Ausstellung einer Vollmacht im Namen der Gesellschaft gehört zu denjenigen Angelegenheiten, welche in außerordentlichen Versammlungen, nach vorhergegangener Einladung sämmtlicher Mitglieder, verhandelt, und nach der Mehrheit der Stimmen berichtigt werden müssen.
§. 137. Jede Corporation muß wenigstens Einen Vorsteher haben.
§. 138. Ob deren mehrere, und wie viele seyn sollen, hängt, wenn es in der Verfassung nicht ein- für allemal bestimmt ist, von dem Beschlusse der Corporation ab.
§. 139. Die Wahl der Vorsteher gebührt in der Regel der Corporation.
§. 140. Diese Wahl gehört zu den außerordentlichen Angelegenheiten, welche durch die Mehrheit der Stimmen, nach vorhergegangener Einladung sämmtlicher Mitglieder, entschieden werden müssen.
§. 141. Die Vorsteher der Gesellschaft haben das Recht und die Pflicht, alles zu thun, was zur guten Ordnung in den Geschäften und Verhandlungen, und zum gewöhnlichen nützlichen Betriebe der gemeinsamen Angelegenheiten erforderlich ist.
§. 142. Zu ihrem Amte gehört es, Versammlungen zu berufen; die Direktion in selbigen zu führen; die Gegenstände der Berathschlagung vorzutragen; die Stimmen zu sammeln; und nach selbigen den Schluß abzufassen.
§. 143. Insonderheit ist es ihre Pflicht, darauf zu sehen, daß nichts wider die Stiftungsgesetze, und wider die Rechte des Staats vorgenommen und beschlossen werde.
§. 144. Die Unterbedienten der Gesellschaft sind ihrer Direktion und Aufsicht unterworfen.
§. 145. Die Befugniß, die Vorsteher über ihre Amtsführung zur Rechenschaft zu ziehen, kann der Corporation durch einen auch einmüthigen Beschluß sämtlicher gegenwärtigen Mitglieder, für die Zukunft nicht entzogen werden.
§. 146. Bey erfolgendem Abgange eines Vorstehers, muß sein Amt bis zu dessen anderweitig geschehener Besetzung, von demjenigen, welcher ihm nach der in der Gesellschaft eingeführten Ordnung der nächste ist, wahrgenommen werden.
§. 147. Auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Güter einer Corporation kann gewissen Beamten übertragen werden.
§. 148. Zur Betreibung ihrer Rechts-Angelegenheiten kann die Corporation einen Syndicum bestellen.
S. 149. Zur Bestellung eines Syndici kann keine Korporation gezwungen; wohl aber, wenn sie aus mehr als Drey Personen besteht, von dem Richter angehalten werden, die Verhandlung ihrer Rechts-Angelegenheiten durch zwey oder drey aus ihrer Mitte zu wählende Deputirten abzuwarten.
§. 150. Zur Uebernehmung eines Auftrages als Deputirte in einzelnen Fällen, können Mitglieder gegen hinlängliche Entschädigung, auch wider ihren Willen angehalten werden.
§. 151. Die Rechte und Pflichten eines Gesellschaftsbeamten und Syndici sind nach ihren Bestallungen nach Amts-Instruktionen, übrigens aber nach der Lehre von Vollmachts-Aufträgen zu beurtheilen.
§. 152. Auch ein wirklicher Syndicus ist nicht berechtigt, ohne Rückfrage mit der Corporation, Klagen in ihrem Namen anzustellen, oder auf solche, die wider sie angestellt worden, sich einzulassen.
§. 153. Die Verwalter der Gesellschaftsgüter sind nicht befugt, Grundstücke Gerechtigkeiten und Capitalien der Gesellschaft zu veräußern, oder auf irgend eine Art zu belasten.
§. 154. Aus den von ihnen allein geschlossenen Verträgen wird die Gesellschaft nicht verhaftet.
§. 155. Doch muß sie, wenn daraus etwas in ihren gemeinsamen Nutzen verwendet worden, dem andern Contrahenten, nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, dafür gerecht werden.
§. 156. Auch muß sie die Handlungen und Verträge der Beamten so weit vertreten, als diese nach der Natur ihres Auftrages, denselben, ohne dergleichen Handlungen vorzunehmen, nicht würden ausführen können.
§. 157. Hat eine Commune ihre Vorsteher oder Beamten überhaupt zur Veräußerung und Verpfändung des Communvermögens nach Gutfinden im Voraus bevollmächtigt: so ist dieses dennoch nur von dem Falle, wenn eine solche Veräußerung oder Verpfändung zur Bestreitung gemeinschaftlicher Bedürfnisse nothwendig ist, zu verstehen.
§. 158. Doch bindet diese Einschränkung nur die Vorsteher oder Beamten; steht aber einem Dritten, welcher sich mit ihnen auf den Grund einer solchen uneingeschränkten Bevollmächtigung eingelassen hat, nicht entgegen.
§. 159. Der Regel nach ist die Corporation befugt, sich ihre Beamten selbst zu wählen.
§. 160. Es muß jedoch die Wahl der vorgesetzten Obrigkeit zur Genehmigung angezeigt werden.
§. 161. Ein Mitglied der Corporation ist die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen verbunden, wenn ihm nicht eben die Gründe der Entschuldigung, aus welchen eine aufgetragene Vormundschaft abgelehnt werden kann, zu statten kommen.
§. 162. Die Beurtheilung der angeführten Entschuldigungsursachen gebührt der Obrigkeit.
§. 163. Die von der Corporation geschehene und von dem Gewählten angenommene Wahl kann die Obrigkeit dennoch verwerfen, wenn der Gewählte die Eigenschaft nicht besitzt, welche nach allgemeinen oder nach den Gesetzen der Gesellschaft zu dieser Stelle erforderlich sind.
§. 164. Wird die Wahl verworfen: so muß die Corporation, von neuem wählen.
§. 165. Fällt auch diese Wahl auf einen Untüchtigen: so verliert die Corporation für diesen Fall ihr Wahlrecht, und die Stelle wird von der Obrigkeit besetzt.
§. 166. Abweichungen von obigen Regeln beruhen auf besondern Gesetzen und Verfassungen.
§. 167. Die Wahl der Vorsteher und Beamten gehört zu den innern Rechten der Gesellschaft.
§. 168. Sie ist ein Gegenstand der außerordentlichen Zusammenkünfte. (§. 53. sqq.)
§. 169. Ist die Dauer ihrer Amtsführung weder in der Verfassung, noch durch die Natur des Auftrages selbst bestimmt: so hängt sie von dem Schlusse der Gesellschaft bey der Wahl ab.
§. 170. Ist auch dadurch keine gewisse Zeit bestimmt: so wird angenommen, daß Vorsteher und Beamte auf Lebenszeit bestellt worden.
§. 171. Weder die auf Lebenslang, noch die auf eine kürzere bestimmte Zeit angesetzte Vorsteher und Beamte, können von der Corporation nach bloßer Willkühr wieder abgesetzt werden.
§. 172. Der Staat aber kann sie aus eben den Gründen, aus welchen Beamte überhaupt ihres Amtes verlustig erklärt werden können, absetzen oder entlassen.
§. 173. Die Corporation hat nur das Recht, bemerkte Gründe dieser Art dem Staate zur Untersuchung anzuzeigen.
§. 174. Doch kann sie, bis zur erfolgenden Verfügung der Obrigkeit, den angeschuldigten Beamten in der Verwaltung seines Amtes so weit einschränken, als es nothwendig ist, um fernern besorglichen Schaden abzuwenden.
§. 175. Auch Beamte können ihr ohne Einschränkung auf eine gewisse Zeit: übernommenes Amt niemals, und wenn eine Zeit bestimmt ist, nicht vor Ablauf derselben eher niederlegen, als bis zu dessen Wiederbesetzung die nöthige Verfügung getroffen ist.
§. 176. Wenn es aber an tauglichen Personen dazu nicht ermangelt; und die Corporation gleichwohl mit Vornehmung einer neuen Wahl zögert: so kann der abgehende Beamte bey dem Staate darauf antragen, daß ihr die Anstellung einer solchen Wahl in einer zu bestimmenden Frist aufgegeben, und wenn diese fruchtlos verläuft, die Stelle für diesmal von dem Staate unmittelbar besetzt werde.
§. 177. Corporationen und Communen dauern fort, wenn auch nur noch Ein Mitglied vorhanden ist.
§. 178. Dieses Mitglied kann alle Rechte der Gesellschaft in deren Namen ausüben; es muß aber auch alle ihre Pflichten erfüllen.
§. 179. Kann letzteres nach der Natur und dem Zwecke der Gesellschaft nicht geschehen: oder erlöscht die Gesellschaft durch das Absterben auch des letzten Mitgliedes von selbst: so finden die Vorschriften §. 192. sqq. Anwendung.
§. 180. Auch mit Einwilligung sämmtlicher Mitglieder kann eine öffentliche Gesellschaft nicht anders, als unter Genehmigung des Staats aufgehoben werden.
§. 181. Auch unter Genehmigung des Staats kann zum Nachtheile eines Dritten, der ein gegründetes Recht, auf der Fortdauer der Corporation zu bestehen, nachzuweisen vermag, die Aufhebung derselben nicht erfolgen.
VIII. Austritt einzelner Mitglieder.
§. 182. In der Regel kann jedes Mitglied einer Corporation dieselbe nach Gutfinden wieder verlassen.
§. 183. Das austretende Mitglied muß aber seinen Vorsatz dem Vorsteher der Gesellschaft gehörig anzeigen.
§. 184. Der Austritt selbst muß bis zum Ablaufe eines solchen Zeitraumes ausgesetzt werden, in welchem die Vortheile und Lasten, die aus der gesellschaftlichen Verbindung auf einzelne Mitglieder treffen, sich am füglichsten gegen einander abwägen lassen.
§. 185. Es kann also, zum Beyspiel, ein Mitglied, welches die gesellschaftlichen Vortheile Eines Jahres ganz oder zum Theil bereits genossen hat, vor Ablauf dieses Jahres nicht anders austreten, als wenn es auch alle in dies Jahr fallende Lasten entrichtet hat, oder die Corporation dafür entschädigt.
§. 186. Auch in Fällen, wo sonst die Aufnehmung neuer Mitglieder nur der Corporation zukommt, ist der Staat dazu berechtigt, wenn zu besorgen ist, daß durch den Abgang der bisherigen die Gesellschaft erlöschen würde.
§. 187. Eine gleiche Befugniß steht dem Staate in allen Fällen zu, wo wegen des Austrittes mehrerer Mitglieder, oder wegen veränderter Umstände überhaupt, die gegründete Besorgniß entsteht, daß die noch vorhandene Anzahl nicht hinreichen werde, dem Zwecke ein Genüge zu leisten, zu welchem die Corporation von dem Staate gestiftet, oder privilegirt worden ist.
§. 188. Doch muß bey solchen Vermehrungen (§. 187.) auch auf die Conservation der schon vorhandenen Mitglieder allemal Rücksicht genommen werden.
IX. Aufhebung der Corporationen und Gemeinen.
§. 189. Wenn der im Grundvertrage vorgeschriebene Zweck einer Corporation oder Gemeine nicht ferner erreicht werden kann, oder gänzlich hinwegfällt: so ist der Staat berechtigt, sie aufzuheben.
§. 190. Ein Gleiches findet statt, wenn dieser Zweck, wegen veränderter Umstände, dem gemeinen Wohl offenbar schädlich wird.
§. 191. Wird nur durch Mißbräuche oder Mängel der innern Verfassungen die Erreichung des Zweckes gehindert, oder Nachttheil für das gemeine Wohl hervorgebracht: so ist der Staat nur befugt, zur Abschaffung der Mißbräuche, und Wiederherstellung der guten Ordnung, zweckmäßige Mittel vorzukehren.
§. 192. Wird eine öffentliche Gesellschaft ganz aufgehoben, und sind für diesen Fall über das gemeinschaftliche Vermögen derselben keine anderweitigen Bestimmungen in ihren Stiftungsgesetzen vorgeschrieben: so fällt dieses Vermögen dem Staate zur anderweitigen Verwendung für das gemeine Wohl anheim.
§. 193. Sind jedoch darunter Gelder oder Sachen, die zu einer gewissen bestimmten Absicht und Verwendung der Verwaltung der aufgehobenen Corporation anvertraut gewesen: so muß der Staat dafür sorgen, daß die Absicht des Stifters, nach der von selbigem vorgeschriebenen Bestimmung, fernerhin, so viel als möglich, erreicht werde.
§. 194. Kann oder will der Staat dieses nicht thun: so sind der Stifter, oder dessen Erben, die Stiftungsgüter oder Capitalien zurück zu nehmen berechtigt.
§. 195. Ist der Stifter nicht mehr vorhanden, und sind seine Erben nicht auszumitteln: so gebühret das, was zu der ehemaligen Stiftung gewidmet war, als eine herrnlose Sache, nach Maasgabe §. 192. dem Staate.
§. 196. Dasjenige, was die noch vorhandenen Mitglieder, bey ihrem Eintritte, oder sonst, durch außerordentliche Beyträge oder Zuwendungen, zur Vermehrung des Gesellschaftsvermögens, oder Bezahlung der Capitalsschulden entrichtet haben, muß ihnen daraus zurückgegeben werden.
§. 197. Die ordinairen zur Bestreitung der gewöhnlichen fortlaufenden Bedürfnisse der Gesellschaft geleisteten Beyträge, sind unter dieser Vorschrift nicht mit begriffen.
§. 198. Von demjenigen Gesellschaftsvermögen, dessen Nutzung den einzelnen Mitgliedern bestimmt war, muß den zur Zeit der Aufhebung noch vorhandenen Mitgliedern derjenige Antheil, den sie bis dahin genossen haben, auf Lebenslang gelassen werden.
§. 199. Eben so muß der Staat aus demjenigen Gesellschaftsvermögen, welches zum Unterhalte der Mitglieder überhaupt bestimmt war, den zur Zeit der Aufhebung vorhandenen Mitgliedern lebenslängliche Verpflegung, so wie sie dieselbe bisher genossen haben, anweisen.
§. 200. Doch ist der Staat, von den nach §. 199. ihm obliegenden Leistungen, landübliche Zinsen dessen, was den Mitgliedern nach §. 196. zurückgegeben wird, in Abzug zu bringen berechtigt.
§. 201. Gegen diejenigen, welche Forderungen an die erloschene Gesellschaft haben, tritt der Staat an die Stelle derselben.
§. 202. Auch diejenigen Personen oder Familien, welche zur Zeit der Aufhebung im wohlerworbenen Besitze gewisser Ehrenrechte in Beziehung auf die Gesellschaft sich befanden, müssen dabey ferner gelassen, oder wenn dies nicht geschehen kann, dafür entschädigt werden.
Siebenter Titel. Vom Bauerstande
Erster Abschnitt. Vom Bauerstande überhaupt
§. 1. Unter dem Bauerstande sind alle Bewohner des platten Landes begriffen, welche sich mit dem unmittelbaren Betriebe des Ackerbaues und der Landwirthschaft beschäftigen; in so fern sie nicht durch adliche Geburt, Amt, oder besondre Rechte, von diesem Stande ausgenommen sind.
§. 2. Wer zum Bauerstande gehört, darf, ohne Erlaubniß des Staats, weder selbst ein bürgerliches Gewerbe treiben, noch seine Kinder dazu widmen.
§. 3. Welche Arten der Gewerbe, außer dem Ackerbaue und der Landwirtschaft, auch ohne besondere Erlaubniß, auf dem Lande getrieben werden dürfen, ist im folgenden Titel bestimmt.
§. 4. Durch die Erlaubniß, ein bürgerliches Gewerbe zu treiben, verändert der Landmann seinen Stand und persönliche Beziehungen noch nicht.
§. 5. Der bloße Erwerb und Besitz eines bäuerlichen Grundstücks, benimmt dem zu einem andern Stande gehörigen Bürger des Staats nichts von seinen persönlichen Rechten.
§. 6. Er tritt aber in den Bauerstand über, wenn er den Stand, in welchem er bisher gelebt hat, gänzlich verläßt, und sich bloß als Bauer nähret.
§. 7. In beyden Fällen (§. 5. 6.) übernimmt er, mit dem Bauergute zugleich, alle auf demselben haftenden Pflichten.
allgemeine Rechte und Pflichten des Bauerstandes.
§. 8. Ein jeder Landmann ist die Cultur seines Grundstücks, auch zur Unterstützung der gemeinen Nothdurft, wirthschaftlich zu betreiben schuldig.
§. 9. Er kann also dazu von dem Staate auch durch Zwangsmittel genöthigt, und bey beharrlicher Vernachläßigung, sein Grundstück an einen Andern zu überlassen angehalten werden.
§. 10. Veränderungen und Verbesserungen in der Natur stehen einem jeden so weit frey, als dadurch das Recht eines Dritten nicht gekränkt wird.
§. 11. Sobald es eine dringende Nothdurft des Staats verordert, kann auch der Landmann angehalten werden, den Ueberschuß seiner Erzeugnisse zum Verkauf auszubieten. (Th. I. Tit. XL §. 7.)
§. 12. Keinem Bauer ist es erlaubt, seine Früchte auf dem Halme zu verkaufen.
§. 13. Der Bauerstand ist dem Staate zu Hand- und Spanndiensten besonders verpflichtet.
§. 14. Die Anzahl der bäuerlichen Besitzungen auf dem Lande soll weder durch Einziehung der Stellen, und der dazu gehörigen Realitäten, noch durch das Zusammenschlagen derselben vermindert werden.
§. 15. Vielmehr sind die Gutsherrschaften, für die gehörige Besetzung der vorhandenen beackerten Stellen und Nahrungen in den Dörfern, bey eigner Vertretung zu sorgen schuldig.
§. 16. Auch Verwandlungen solcher Bauernahrungen, auf welchen Gespann gehalten werden muß, in andre, wo dergleichen nicht gehalten wird, dürfen, ohne besondere Genehmigung des Staats, nicht vorgenommen werden.
§. 17. In allen nicht besonders ausgenommenen Fällen wird der Bauerstand nach den im Staate geltenden gemeinen Rechten beurtheilt.
Zweyter Abschnitt. Von Dorfgemeinen
Rechte und Pflichten der Dorfgemeinen.
§. 18. Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke, machen zusammen die Dorfgemeine aus.
§. 19. Dorfgemeinen haben die Rechte der öffentlichen Corporationen. (Tit. VI.)
§. 20. Nur die angesessenen Wirthe nehmen, als Mitglieder der Gemeinen, an den Berathschlagungen derselben Theil.
§. 21. Die Gemeine kann aber, zum Nachtheil der Rechte der übrigen Dorfseinwohner, nichts beschliessen.
§. 22. Die Stimmen werden in der Regel nach den Personen der angesessenen Wirthe gezählt.
§. 23. Wo aber von Rechten oder Leistungen, welche auf die verschiedenen Classen der Gemeindeglieder sich beziehen, die Rede ist, da können die Mitglieder der einen Classe, wenn sie auch an sich eine überwiegende Stimmenmehrheit ausmachen, zum Nachtheil der andern Classen nichts festsetzen.
§. 24. Die Mitglieder der einzelnen Classen machen unter sich keine besondere Corporation aus.
§. 25. In so fern sie, zusammen genommen, gemeinschaftliche Angelegenheiten betreiben, sind sie als bloße Privatgesellschaften anzusehen. (Tit. VI.)
§. 26. Wenn ein vorkommendes Geschäft nur eine solche einzelne Classe allein betrifft: so sind auch nur die Mitglieder dieser Classe allein zum Stimmen berechtigt.
§. 27. In solchen Fällen wird der Schluß, so wie bey wirklichen Corporationen, durch die Mehrheit der Stimmen in dieser Classe festgesetzt.
Rechte der einzelnen Mitglieder.
§. 28. Alle Glieder der Dorfgemeinen sind zur Nutzung der Gemeingründe durch Hütung, Holzung u. s. w. berechtigt; in so fern ihnen nicht ausdrückliche Gesetze oder Verträge entgegen stehen.
§. 29. Sie nehmen an den gemeinschaftlichen Nutzungen nach eben dem Maaßstabe Theil, nach welchem sie die gemeinen Lasten zu tragen schuldig sind.
§. 30. Auf Gemeinweiden mag jeder Dorfseinwohner so viel Vieh treiben, als zur gehörigen Bestellung seiner Wirthschaft von ihm gehalten werden muß.
§. 31. Wo zwischen den angesessenen Wirthen, und den übrigen Dorfseinwohnern, oder auch zwischen den verschiedenen Classen der erstern, gewisse Verhältnisse in Ansehung der Nutzungen und der gemeinen Lasten, durch Verträge oder hergebrachte Gewohnheit festgesetzt sind, hat es dabey auch ferner sein Bewenden.
§. 32. Bey erfolgender Theilung der Gemeingründe, muß ein gleiches Verhältniß, wie bey der Nutzung, beobachtet werden. (Th. I. Tit. XVII. Abschn. IV.)
Einschränkung der Dorfgemeinen.
§. 33. Dorfgemeinen können, ohne Vorwissen und Erlaubniß ihrer Gerichtsobrigkeit, keine unbeweglichen Güter durch einen lästigen Vertrag an sich bringen.
§. 34. Auch wenn eine Gemeine eine Pachtung außerhalb der Feldflur eingehen will, wird dazu die Genehmigung der Gerichtsobrigkeit erfordert.
§. 35. Zur Veräußerung von Gemeingründen und Gerechtigkeiten, so wie zu Schulden, welche die Gemeine verpflichten sollen, ist ebenfalls die Einwilligung der Gerichtsobrigkeit nothwendig.
§. 36. Versagt die Gerichtsobrigkeit ihre Erlaubniß oder Genehmigung ohne erheblichen Grund: so kann die Gemeine auf deren Ergänzung durch die Behörde antragen.
§. 37. Zu den Gemeinarbeiten, und andern nachbarlichen Pflichten, zu welchen ein jedes Mitglied der Gemeine Dienste und Beyträge leisten muß, werden der Regel nach gerechnet:
1) die Ausbesserung der gemeinschaftlichen Wege und Brücken;
2) die Räumung der Dorf- und gemeinen Feldgräben;
3) die Einhegung der Nachtkoppeln und Viehtriften;
4) der Bau und die Besserung gemeinschaftlicher Dorfgebäude, Schmieden, Hirtenhäuser, Brunnen u. s. w.
5) die Versorgung der Dorfhirten, und andrer im Dienste der Gemeine stehenden Personen;
6) die Versehung der Nachtwachen, oder die Versorgung des Dorfwächters;
7) die Anhaltung und Bewachung der Verbrecher;
8) der Transport, und die Begleitung, der nach Landes-Polizeygesetzen von einem Orte zum andern zu bringenden Verbrecher, oder Landstreicher;
9) die sogenannten Deserteurwachen;
10)das Herbeyholen und Zurückführen des Gerichtshalters, und andrer zur gehörigen Besetzung des Gerichts, ingleichen bey Criminal-Untersuchungen nöthigen Personen;
11)die Unterhaltung des Dorfbullen und Zuchtebers;
12)die Unterhaltung der Dorfsprützen, und anderer gemeinschaftlichen Feuer-Löschinstrumente;
13)Das Feuerlöschen im Dorfe, und den dazu gehörenden Waldungen.
§. 38. In so fern die hierunter begriffenen Gemeindienste mit Gespann zu verrichten sind, müssen dieselben von den damit versehenen Gemeinegliedern allein besorgt werden.
§. 39. In wie fern die darunter mit begriffenen Handdienste nur von den mit keinem Gespann versehenen Gemeinegliedern, oder von allen angesessenen Wirthen ohne Unterschied zu verrichten sind, ist hauptsächlich nach den jedes Orts bestehenden Verträgen, oder hergebrachten Gewohnheiten zu bestimmen.
§. 40. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß die bespannten Ackerbesitzer nur bey solchen Arbeiten, bey welchen sogleich Spanndienste vorkommen, von den Handdiensten frey sind.
§. 41. Die Leistung der gemeinen Spanndienste geschieht nach Verhältniß der Classen, in welchen die bespannten Ackerbesitzer, als Vierspänner, Dreyspänner, Zweyspänner u. s. f., an jedem Orte eingetheilt werden.
§. 42. Die Handdienste hingegen werden nach der Zahl der dazu verpflichteten Wirthe vertheilt.
§. 43. Die baaren Geldausgaben werden in der Regel nach dem Verhältnisse der Landesherrlichen Steuern aufgebracht.
§. 44. Unangesessene Dorfseinwohner sind zu solchen Gemeinlasten, wovon bloß die angesessenen Wirthe den Vortheil ziehn, beyzutragen nicht schuldig.
§. 45. Wenn in einem Dorfe mehrere Gerichtsbarkeiten sind: so tragen zu den §. 37. No. 7. 8. 10 bemerkten Lasten nur diejenigen bey, welche der Gerichtsbarkeit, in welcher der Fall sich ereignet, unterworfen sind.
Von Schulzen oder Dorfrichtern.
§. 46. Der Schulze oder Dorfrichter ist der Vorsteher der Gemeine.
§. 47. Er wird von der Gutsherrschaft ernannt, die aber dazu ein angesessenes Mitglied aus der Gemeine, so lange es darunter an einer mit den erforderlichen Eigenschaften versehenen Person nicht ermangelt, bestellen muß.
§. 48. Ist dieses Amt mit dem Besitze eines bestimmten Guts verbunden: so muß der neue Besitzer eines solchen Guts, vor Antritt seines Amts, der Gerichtsobrigkeit zur Prüfung und Bestätigung vorgestellt werden.
§. 49. Fehlt es ihm an den erforderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten: so ist die Herrschaft einen Stellvertreter zu ernennen berechtigt.
§. 50. Diesem muß, für die Uebernehmung des Amts, eine billige Belohnung ausgesetzt, und von dem Lehn- oder Erbschulzen entrichtet werden.
§. 51. Wer zum Schulzenamte bestellt werden soll, muß des Lesens und Schreibens nothdürftig kundig, und von untadelhaften Sitten seyn.
§. 52. Dem Schulzen kommt es zu, bey nöthigen Berathschlagungen die Gemeine zusammen zu rufen, die Versammlung zu dirigiren, und den Schluß nach der Mehrheit der Stimmen abzufassen.
§. 53. Er muß der Gemeine die Landesherrlichen und obrigkeitlichen Verfügungen bekannt machen, und für deren Befolgung sorgen.
§. 54. Die Steuern und andere öffentliche Abgaben müssen, wenn es die Gemeine verlangt, von dem Schulzen eingesammelt, und gehörigen Orts abgeliefert werden.
§. 55. Bey öffentlichen Arbeiten und Diensten, welche die Gemeine dem Staate zu leisten schuldig ist, ingleichen bey Vertheilung der das Dorf treffenden Einquartierungen, führt der Schulze die Aufsicht.
§. 56. Dem Schulzen gebührt, mit Zuziehung der Schoppen oder Dorfgerichte, die Verwaltung des Vermögens der Gemeine; und er ist schuldig, Rechnung darüber abzulegen.
§. 57. Wo besondre Verwalter der Gemeingüter bestellt sind, hat der Schulze die Aufsicht über dieselben; und muß sie zur Rechnungslegung anhalten.
§. 58. Er muß dafür sorgen, daß die Gränzen des Dorfs und der Feldmarken nicht verrückt oder verdunkelt werden.
§. 59. Auf genaue Befolgung der Dorf- und Landes-Polizeyordnungen zu halten, liegt ihm vorzüglich ob.
§. 60. Besonders muß er bey ausbrechenden Viehseuchen, und andern dergleichen Landplagen, dem Landrathe davon sofort Anzeige machen.
§. 61. Müßiggänger, Bettler, unvergeleitete Juden, Zigeuner, und andre unbekannte oder verdächtige Personen, welche sich durch obrigkeitliche Pässe und glaubwürdige Zeugnisse nicht ausweisen können, muß er im Dorfe nicht dulden, sondern dieselben als Landstreicher sofort in Verhaft nehmen, und an die Behörde abliefern.
§. 62. Bey vorkommendem Zanke und Schlägereyen muß der Schulze sich sofort ins Mittel legen, und allen Gewaltthätigkeiten vorbeugen.
§. 63. Bey Visitationen, die im Dorfe auf Verlangen der Obrigkeit, oder andrer von den Polizey-Accise- oder sonstigen Behörden dazu legitimirten Personen angestellt werden sollen, muß er den nöthigen Beystand unweigerlich leisten.
§. 64. Wer sich bey dergleichen Fällen (§. 61. 62.) der Anordnung des Schulzen, oder der Dorfgerichte widersetzt, oder sich gar an denselben vergreift, soll nach Vorschrift der Criminalgesetze, gleich demjenigen, der sich einem Unterbedienten des Staats in seinem Amte widersetzt, bestraft werden.
§. 65. Der Schulze muß dafür haften, daß fremdes Gesinde, oder andre Leute, von den Dorfseinwohnern ohne Kundschaft nicht aufgenommen werden.
§. 66. Feld- und Gartendiebstähle, so wie alle übrige zu seiner Wissenschaft gelangenden Uebertretungen der Polizey- und Criminalgesetze, muß er der Obrigkeit ohne Zeitverlust anzeigen.
§. 67. Er muß darauf sehen, daß alle im Dorfe verwaiseten Kinder, und wahn- oder blödsinnige Personen, dem Gerichtshalter zur Bevormundung angezeigt werden.
§. 68. Nachtwächter, Hirten, Flurschützen, und andre im Dienste der Gemeine stehende Personen, muß er mit Ernst zu ihrer Schuldigkeit anhalten.
§. 69. Diejenigen Dorfseinwohner, welche ihre Wirthschaft oder Gebäude vernachläßigen, oder mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen, muß er der Obrigkeit sogleich anzeigen.
§. 70. Er muß dahin sehen, daß die Feuerlösch-Geräthschaften, sowohl bey der Gemeine, als bey jedem einzelnen Wirthe, in brauchbarem Stande erhalten werden.
§. 71. Er muß dafür sorgen, daß jeder Hauswirth seine Schornsteine in gehörigem Stande halte, und zu rechter Zeit fegen lasse.
§. 72. Die dem Schulzen für seine Bemühungen etwa zukommenden Vortheile oder Freyheiten sind nach der Verfassung eines jeden Orts bestimmt.
Von Schoppen und Gerichtsmännern.
§. 73. Dem Schulzen müssen von der Gerichtsobrigkeit wenigstens zwey Schoppen oder Gerichtsmänner beygeordnet, und diese sowohl, als jener, dem Staate, der Herrschaft, so wie der Gemeine, zur getreuen Besorgung ihrer Amtsangelegenheiten, in Gegenwart der letztern eidlich verpflichtet werden.
§. 74. Zu Schoppen oder Gerichtsleuten muß die Herrschaft, so viel als möglich, angesessene Wirthe, und Leute von unbescholtenem Rufe und untadelhaften Sitten bestellen.
§. 75. Das von der Behörde ihm aufgetragene Schulzen- und Schöppenamt, kann ein Mitglied der Gemeine nur aus solchen Gründen ablehnen, die ihn von der Uebernehmung einer Vormundschaft entschuldigen würden.
§. 76. Die Pflicht der Schoppen ist, dem Schulzen in seinen Amtsverrichtungen beyzustehen.
§. 77. In Abwesenheit oder bey Verhinderungen desselben vertreten sie seine Stelle.
§. 78. In Fällen, wo der Schulze seine Pflichten zu beobachten unterläßt, sind die Schoppen, bey Vermeidung gleicher Verantwortung, ihr Amt zu thun, oder der Obrigkeit die nöthige Anzeige zu machen verpflichtet.
§. 79. Schulze und Schoppen machen zusammen die Dorfgerichte aus.
§. 80. Dorfgerichte sollen sich in Entscheidung streitiger Rechtshändel nicht mischen.
§. 81. Doch sind Uebertretungen der inneren Dorfs-Polizeyordnung, auf welche nur kleine zur Gemeine-Casse fließende, Einen Thaler nicht erreichende Strafen gesetzt worden, ihrer Untersuchung und Entscheidung, mit Vorbehalt der Berufung auf die Gerichtsobrigkeit, unterworfen.
§. 82. Dorfgerichte können, mit Zuziehung eines vereideten Gerichtsschreibers, gerichtliche Handlungen, bey welchen es auf keine Rechtskenntnisse, sondern auf bloße Beglaubigung ankömmt, gültig vornehmen.
§. 83. Doch müssen sie auch solche Verhandlungen, zur Beurtheilung der Gesetzmäßigkeit, oder näherer Berichtigung, dem ordentlichen Gerichtshalter ohne Zeitverlust vorlegen.
§. 84. Ist dieses unterlassen worden: so müssen die Dorfgerichte allen dadurch entstandenen Schaden ersetzen; und sollen nach Verhältniß desselben mit Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 85. Unter der Direction des Gerichtshalters vertreten die Dorfgerichte die Stelle des ermangelnden Gerichtsschreibers, oder Protokollführers.
§. 86. Der Gerichtshalter kann den Dorfgerichten die Aufnahme von Inventarien und Taxen unter seiner Aufsicht übertragen, auch sich ihrer zu Vollstreckung der Executionen bedienen.
Dritter Abschnitt. Von unterthänigen Landbewohnern, und ihrem Verhältnisse gegen ihre Herrschaften
§. 87. Die Verhältnisse der Gutsunterthanen auf dem Lande gegen ihre Gutsherrschaften sollen, nach der Verschiedenheit der Provinzen, in den Provinzial-Gesetzbüchern gehörig bestimmt, und dabey die bisherigen Provinzial-Gesetze und darauf beruhende wohlhergebrachten Verfassungen lediglich zum Grunde gelegt werden.
§. 88. Wo bisher die Gutsunterthanen diese Eigenschaft nicht vermöge ihres Standes, sondern nur vermöge des Besitzes eines der Gutsherrschaft unterworfenen Grundstücks, oder vermöge ihres unter grundherrlicher Gerichtsbarkeit aufgeschlagenen Wohnsitzes gehabt haben; da behält es auch ferner dabey sein unabänderliches Bewenden.
§. 89. Was also in der Folge von den persönlichen Verhältnissen solcher Unterthanen, die für ihre Personen, und vermöge ihres Standes, einer Gutsherrschaft unterworfen sind, verordnet wird, kann auf solche persönlich freye Dorfseinwohner (§. 88.) nicht angewendet werden.
§. 90. Die Vorschriften des allgemeinen Gesetzbuchs aber, welche die der Gutsherrschaft von den unterthänigen Stellen zu leistenden Dienste und Abgaben betreffen, finden auf die Unterthanen aller Provinzen in so weit, als besondre Gesetze und Verfassungen keine Ausnahme bestimmen, Anwendung.
§. 91. Nur die Besitzer von Rittergütern können in der Regel Unterthanen haben; und herrschaftliche Rechte über dergleichen Leute ausüben.
§. 92. Besitzer andrer freyer Landgüter, welche dieses Vorrecht zu haben behaupten, müssen desselbe durch Provinzialgesetze, Privilegia, oder Verjährung, besonders begründen.
Wie die Untertänigkeit entstehe.
§. 93. Kinder unterthäniger Aeltern werden derjenigen Herrschaft unterthan, welcher die Aeltern zur Zeit der Geburt unterworfen waren.
§. 94. Waren die Aeltern ungleichen Standes: so folgen, auch in Ansehung der Unterthänigkeit, eheliche Kinder dem Vater, uneheliche aber der Mutter.
§. 95. Wird ein von einem freyen Manne mit einer unterthänigen Weibsperson außer der Ehe erzeugtes Kind, durch eine nach der Geburt zwischen den Aeltern rechtmäßig geschlossene Ehe zur rechten Hand legitimirt: so muß dasselbe der Unterthänigkeit entlassen werden.
§. 96. Personen weiblichen Geschlechts, welche einen unterthänigen Mann heirathen, treten in die Unterthänigkeit, zu welcher dieser verpflichtet ist.
§. 97. Wenn während der Ehe der freye Mann sich in die Unterthänigkeit begiebt: so kann die Frau, ihm dahin zu folgen, in der Regel nicht gezwungen werden.
§. 98. Vielmehr ist sie auf Trennung der Ehe, und daß der Mann für den schuldigen Theil erkannt werde, anzutragen berechtigt.
§. 99. Findet jedoch der Richter, daß die von dem Manne beschlossene Veränderung seines Standes zum gemeinschaftlichen Besten beyder Eheleute gereiche: so muß er die Frau anhalten, dem Manne auch in die Unterthänigkeit zu folgen.
§. 100. Weigert sie sich dessen beharrlich: so kann zwar die Ehe getrennt, der Mann aber kann nicht für den schuldigen Theil erklärt werden.
§. 101. Folgt die Frau dem Manne freywillig, ohne gegen die Gutsherrschaft, in deren Unterthänigkeit er sich begiebt, wegen ihrer persönlichen Freyheit binnen acht Tagen, nachdem ihr der Entschluß des Mannes bekannt geworden ist, sich etwas vorzubehalten: so wird auch sie unterthänig.
§. 102. In Provinzen, wo die noch in der Aeltern Brot und Erziehung stehenden Kinder eines in die Unterthänigkeit sich begebenden Menschen, dem Vater nach bisherigen Gesetzen dahin gefolgt sind, mag es auch ferner dabey sein Bewenden haben.
§. 103. Wo aber die Provinzialgesetze dergleichen bisher nicht verordnet haben, da soll auch ferner der Vater nicht berechtigt seyn, die unmündigen noch in seiner Gewalt befindlichen Kinder zur Unterthänigkeit zu verpflichten.
§. 104. Doch müssen dergleichen Kinder, so lange sie bey dem Vater sich aufhalten, der Gutsherrschaft eben das leisten, wozu andre wirklich unterthänige Kinder verpflichtet sind.
§. 105. Eine Wittwe kann ihre mit einem freyen Ehemanne erzeugten Kinder, in keinem Falle, ohne besondre Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts, mit sich in die Unterthänigkeit bringen.
§. 106. Personen des Bauerstandes, welche ein zur Unterthänigkeit verhaftetes Gut ohne schriftlichen Vorbehalt ihrer persönlichen Freyheit übernehmen, treten dadurch in die Unterthänigkeit der Gutsherrschaft.
§. 107. Hingegen wird ein Mensch bürgerlichen Standes, bloß durch die Uebernehmung einer unterthänigen Stelle, noch kein Unterthan; in so fern er sich nicht seiner persönlichen Freyheit ausdrücklich und schriftlich begeben hat.
§. 108. Doch ist auch ein solcher Mensch, so lange er das Gut besitzt, zu allen davon der Herrschaft zu leistenden Diensten und Abgaben, gleich einem Unterthan, verpflichtet.
§. 109. Personen adlichen Standes können keine persönliche Unterthänigkeit übernehmen, oder dazu angenommen werden.
§. 110. Was Rechtens sey, wenn eine solche Person, mit Verschweigung oder Verläugnung ihres Standes, sich in die Unterthänigkeit, begiebt, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. IX.)
§. 111. Nur Personen des gemeinen Bürger- und Bauerstandes können, auch ohne Uebernehmung eines unterthänigen Grundstücks, durch einen Vertrag in die persönliche Unterthänigkeit einer Gutsherrschaft sich begeben.
§. 112. Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist die schriftliche Abfassung desselben allemal nothwendig.
§. 113. Wenn dergleichen freye Personen (§. 111.) in einem Dorfe sich niederlassen, ohne weder ein unterthäniges Gut zu übernehmen, noch sich zur persönlichen Unterthänigkeit zu verpflichten: so werden sie Schutzunterthanen oder Einlieger genannt.
§. 114. Dergleichen Einlieger darf kein Dorfseinwohner ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft aufnehmen.
§. 115. Leute, die wegen ihres bisherigen Wandels und Verhaltens sich durch glaubwürdige Zeugnisse nicht ausweisen können, ist die Herrschaft in ihren Schutz aufzunehmen, und im Dorfe zu dulden, nicht verpflichtet.
§. 116. Das Verhältniß solcher von der Herrschaft, oder mit ihrer Einwilligung aufgenommenen Einlieger, ist hauptsächlich nach den bey ihrer Aufnahme geschlossenen Verträgen, und in deren Ermangelung, nach den Gesetzen und Verfassungen einer jeden Provinz zu beurtheilen.
§. 117. In Ermangelung solcher Verträge oder Provinzialgesetze, sind dergleichen Leute nur der Gerichtsbarkeit der Herrschaft unterworfen.
§. 118. Wenn sie sich als Tagelöhner nähren: so sind sie schuldig, der Herrschaft für das gesetzmäßig bestimmte, oder im Mangel einer solchen Bestimmung, für das in der Gegend übliche Tagelohn, vorzüglich zu arbeiten.
§. 119. Wenn sie ein auf dem Lande erlaubtes Handwerk treiben: so müssen sie auch damit, gegen das obstehendermaßen zu bestimmende Arbeitslohn, der Herrschaft, vorzüglich vor Andern, Dienste leisten.
§. 120. Auch ihre Kinder, in so fern dieselben nicht auf ein Handwerk gegeben sind, müssen der Herrschaft, vorzüglich vor Andern, als Gesinde gegen das gesetzmäßige fremde Lohn dienen.
§. 121. Dagegen steht es solchen Einliegern frey, mit ihren Kindern aus dem Dorfe wegzuziehen, und sich anderwärts niederzulassen; ohne daß sie eine Loslassung bey der Herrschaft zu suchen schuldig sind.
Allgemeine Pflichten der Gutsherrschaften.
§. 122. Eine jede Gutsherrschaft ist schuldig, sich ihrer Unterthanen in vorkommenden Nothfällen werkthätig anzunehmen.
§. 123. Sie muß denjenigen unter ihnen, welche noch nicht angesessen sind, zum Erwerbe ihres Unterhalts, so viel an ihr liegt, Gelegenheit verschaffen.
§. 124. Kann sie dieses nicht: so muß sie ihnen, auf gebührendes Ansuchen, erlauben, ihr Brot auswärts zu verdienen, und ihnen dazu die erforderliche Kundschaft ertheilen.
§. 125. Der Gutsherrschaft liegt besonders ob: für eine gute und christliche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu sorgen.
§. 126. Sie muß daher auf die Aeltern ein wachsames Auge haben; und wenn dieselben bey der Erziehung etwas versäumen, die Kinder nicht ordentlich zur Kirche und Schule schicken, oder sie nicht zur Arbeit oder irgend einem nützlichen Gewerbe erziehen, die Aeltern zur Beobachtung dieser ihrer Pflichten mit Nachdruck anhalten.
§. 127. Gutsherrschaften, welche sich der verwaiseten oder sonst von ihren Aeltern verlassenen Kinder nicht annehmen wollen, verlieren auf dieselben ihre Rechte.
§. 128. Diese Rechte erhält dagegen diejenige Gutsherrschaft, welche die Erziehung und Verpflegung eines solchen Kindes bis in die Jahre, wo es sich seinen Unterhalt selbst erwerben kann, übernommen hat.
§. 129. Aelternlose Waisen, die ohne Zuthun der Herrschaft in öffentlichen Armenanstalten des Staats erzogen worden, sind von der Unterthänigkeit, in welcher sie geboren worden, frey.
§. 130. Sind ansäßige Unterthanen, nach erlittenen harten Unglücksfällen, fremden Beystandes bedürftig: so ist die Herrschaft, sich derselben nach ihren Kräften werkthätig anzunehmen, vorzüglich verpflichtet.
§. 131. Sie muß die Unterthanen gegen wucherliche Behandlungen und Uebervortheilungen zu sichern bemüht seyn.
§. 132. Zur Erstattung der von ihr selbst den Unterthanen gemachten Vorschüsse, müssen denselben billige Termine gesetzt, und sie bey deren Ablaufe nicht übereilt werden.
Allgemeine Pflichten der Unterthanen.
§. 133. Unterthanen sind ihrer Herrschaft Treue, Ehrfurcht, und Gehorsam schuldig.
§. 134. Sie sind derselben zu Diensten und Abgaben, nach den unten näher folgenden Bestimmungen, verpflichtet.
§. 135. Die Herrschaft ist von ihnen eidliches Angelöbniß der Treue und Unterthänigkeit zu fordern berechtigt;
Quellen der Rechte und Pflichten zwischen Herrschaften und Unterthanen.
§. 136. Die Pflichten der Unterthanen gegen ihre Herrschaft müssen jedoch den Pflichten gegen den Staat, wenn beyde nicht zusammen bestehen können, weichen.
§. 137. Die Pflichten der Unterthanen gegen ihre Herrschaft werden hauptsächlich nach den Kauf- oder Annahmebriefen; hiernächst nach den gesetzmäßigen Erb- und Dienstregistern oder Urbarien; und endlich nach den Provinzialgesetzen beurtheilt.
§. 138. Den neu angehenden Besitzern unterthäniger Stellen sollen die vorhin darauf gehafteten Lasten und Abgaben willkührlich nicht erhöhet werden.
§. 139. Wenn aber dergleichen Abänderung erforderlich ist: so muß der Grund davon, und worin die der Stelle, gegen die Uebernehmung neuer oder größerer Lasten, zugewendeten neuen Vortheile bestehen, in dem Kauf- oder Annahmebriefe ausdrücklich angezeigt seyn.
§. 140. Dergleichen Annehmungs- oder Kaufbriefe (§. 139.), so wie überhaupt alle Verträge, durch welche die bisherigen Obliegenheiten der Unterthanen gegen ihre Herrschaft Abänderung leiden sollen, müssen mit aller Vorsicht, und gerichtlich abgeschlossen werden.
§. 141. Neue Dienstregister und Urbarien zwischen Herrschaften und Unterthanen, müssen von dem Landescollegio untersucht, und, nach Befinden der Umstände, bestätigt werden.
§. 142. Von dergleichen Urbarien und Dienstregistern ist allemal ein Exemplar in der Dorf- und Schöppenlade der Gemeine aufzubewahren.
§. 143. Gegen den deutlichen Inhalt solcher von den Landes-Collegiis bestätigten Urbarien, findet weder für den einen, noch für den andern Theil, eine Verjährung statt.
§. 144. Wo es an einem vollständigen Urbario oder Dienstregister bisher gemangelt hat, da können, durch rechtsgültige Verjährung, Dienste und Abgaben von der Herrschaft erworben; auch Unterhanen dadurch von Pflichten und Abgaben befreyt werden.
§. 145. Die Abänderung oder Verwandlung gewisser Arten von Diensten und Abgaben steht der Herrschaft nur in so weit frey, als dadurch die Lasten der Unterthanen nicht erschwert werden.
§. 146. Nur alsdann, wenn Verträge, Urbarien, Provinzialgesetze, oder Verjährung, die Streitigkeiten zwischen Herrschaften und Unterthanen nicht entscheiden, finden die Vorschriften des allgemeinen Gesetzbuchs Anwendung.
Vierter Abschnitt. Von den persönlichen Pflichten und Rechten der Unterthanen
Persönliche Freyheit der Unterthanen.
§. 147. Unterthanen werden, außer der Beziehung auf das Gut, zu welchem sie geschlagen sind, in ihren Geschäften und Verhandlungen als freye Bürger des Staats angesehen.
§. 148. Es findet daher die ehemalige Leibeigenschaft, als eine Art der persönlichen Sklaverey, auch in Ansehung der unterthänigen Bewohner des platten Landes, nicht statt.
§. 149. Sie sind fähig, Eigenthum und Rechte zu erwerben, und dieselben gegen jedermann, auch gerichtlich, zu vertheidigen.
Dingliche Rechte der Herrschaft auf dieselben.
§. 150. Sie dürfen das Gut, zu welchem sie geschlagen sind, ohne Bewilligung ihrer Grundherrschaft nicht verlassen.
§. 151. Sie können aber auch von der Herrschaft, ohne das Gut, zu welchem sie gehören, nicht verkauft, vertauscht, oder sonst an einen Andern wider ihren Willen abgetreten werden.
§. 152. Wo es bisher zuläßig gewesen, daß Unterthanen, mit ihren Stellen zugleich, von einer Gutsherrschaft an die andre überlassen worden, da mag es zwar auch ferner dabey sein Bewenden haben;
§. 153. Doch darf durch eine solche Veränderung der Zustand der Unterthanen auf keinerley Weise erschwert oder verschlimmert werden.
§. 154. In Provinzen, wo eine dergleichen Veräußerung (§. 152.) bisher nicht statt gefunden hat, bleibt dieselbe auch für die Zukunft gänzlich untersagt.
§. 155. Entwichene Unterthanen kann die Herrschaft überall und zu allen Zeiten aufsuchen, und zur Rückkehr nöthigen.
§. 156. Niemand darf ihr dieselben vorenthalten, oder entwichene Unterthanen bey sich verheimlichen.
§. 157. Wer dieses thut, hat die in den Landes-Polizeygesetzen bestimmte, oder im Mangel einer solchen Bestimmung, Fünf bis Zwanzig Thaler Geldstrafe verwürkt.
§. 158. Wer einen fremden Unterthan ohne Kundschaft in Dienste nimmt, soll auf gleiche Art bestraft, und zum Ersatze aller dadurch verursachten Schäden und Kosten angehalten werden.
§. 159. Auch die auswärts gebornen Kinder entwichener Unterthanen ist die Herrschaft zurückzufordern berechtigt.
§. 160. Nur alsdann verliert sie ihr Recht, wenn sie den Aufenthalt solcher Kinder gewußt, und dieselben innerhalb Zehn Jahren nach dem Tode des Vaters nicht zurückgefordert hat.
§. 161. Unterthanen sind bey ihrer vorhabenden Heirath die herrschaftliche Genehmigung nachzusuchen verbunden.
§. 162. Die Herrschaft aber kann ihnen die Erlaubniß ohne gesetzmäßige Ursache nicht versagen.
§. 163. Gesetzmäßige Weigerungsursachen sind, wenn die Person, welche der Unterthan heirathen will, sich grober Verbrechen schuldig gemacht hat;
§. 164. Ferner, wenn diese Person wegen Liederlichkeit, Faulheit, oder Widerspänstigkeit bekannt ist, und dessen durch glaubwürdige Zeugnisse überführt werden kann;
§. 165. Ingleichen, wenn dieselbe wegen körperlicher Gebrechen unfähig ist, den wirthschaftlichen Arbeiten, deren Verrichtung ihr obliegt, gehörig vorzustehn.
§. 166. Auch Leuten, welche selbst, körperlicher Gebrechen wegen, sich und eine Familie zu ernähren außer Stande sind, kann die Herrschaft die Erlaubnis zu einer Heirath, durch welche ihre Umstände nicht verbessert werden, versagen.
§. 167. Der Unterthan männlichen Geschlechts, welcher die Erlaubniß zur Heirath nachsucht, muß in der Regel, wenn es die Herrschaft verlangt, an dem Orte, wo er unterthänig ist, sich häuslich niederlassen. (§. 114. 516. 517.)
§. 168. Ehen, die ohne herrschaftliche Erlaubniß geschlossen worden, sind zwar gültig; die Uebertreter aber mögen mit verhältnißmäßiger Gefängnißstrate oder Strafarbeit, von Drey Tagen bis Vier Wochen belegt werden.
§. 169. Hat ein angesessener Unterthan eine Person, welcher die §. 163. 164. erwähnte Ausstellungen entgegen stehen, ohne Consens der Herrschaft geheirathet: so ist die Herrschaft auf seine Entsetzung aus der Stelle anzutragen berechtigt.
§. 170. Wenn die Herrschaft, nach erfolgter gehörigen Begrüßung, ihren Consens in die Heirath eines Unterthans ohne rechtlichen Grund versagt: so muß derselbe, auf Anrufen des Unterthans, durch das Obergericht der Provinz ergänzt werden.
Erziehung und Bestimmung der Kinder.
§. 171. Kinder der Unterthanen müssen in der Regel dem Bauerstande, und dem Gewerbe der Aeltern sich widmen.
§. 172. Ohne ausdrückliche Erlaubniß der Gutsherrschaft können sie zur Erlernung eines bürgerlichen Gewerbes, oder zum Studiren nicht gelassen werden.
§. 173. Dagegen kann auch die Herrschaft die Kinder der Unterthanen zur Wahl einer andern Lebensart, wider den Willen der Aeltern oder Vormünder, nicht nöthigen.
§. 174. Aeltern, welche ein erlaubtes Handwerk auf dem Lande treiben, können Einen ihrer Söhne, nach ihrer eignen Wahl, zu diesem Gewerbe bestimmen.
§. 175. Kindern, welche nach ihrer körperlichen Beschaffenheit zu schwerer Handarbeit nicht tauglich sind, darf die Herrschaft die Erlaubniß, ein leichteres Gewerbe zu erlernen, nicht versagen.
§. 176. Wenn ein Kind, nach dem Befunde fachkundiger Männer, zu einer Kunst oder Wissenschaft vorzüglich Talente, und die erforderlichen Hülfsmittel zu deren Erlernung besitzt: so darf ihm auch dazu die Erlaubniß nicht verweigert werden.
§. 177. Hat ein Unterthan eine Kunst oder ein Handwerk, womit er der Herrschaft persönlich, oder in ihrer Wirthschaft Dienste leisten kann, auf Kosten derselben erlernt: so muß er ihr damit, gegen das gewöhnliche Lohn, so lange dienen, bis durch verhältnißmäßige Abzüge von diesem Lohne, die für ihn gemachten Auslagen erstattet sind.
§. 178. Will die Herrschaft an dem einem solchen Unterthan zu gebenden fremden Lohne keine Abzüge machen: so muß letzterer derselben so lange dienen, als er bey der auf ihre Kosten erlernten Kunst oder Profession bleiben will.
§. 179. Kann oder will die Herrschaft einen solchen Unterthan, der auf ihre Kosten eine Kunst oder ein Handwerk gelernt hat, nicht selbst solchergestalt in ihre Dienste nehmen; oder ist die erlernte Kunst oder Profession von der Art, daß dieselbe bey der Person der Herrschaft, oder in ihrer Wirthschaft gewöhnlich nicht gebraucht wird: so kann die Herrschaft einem solchen Unterthan die Erlaubniß, sich damit sein Brot anderwärts zu erwerben, nicht versagen.
§. 180. Doch muß auch ein solcher Unterthan, wenn hiernächst auf diese seine Kunst oder Profession sich niederlassen will, die Herrschaft wegen der auf
ihn verwendeten Kosten baldmöglichst entschädigen.
§. 181. Die zur Landwirtschaft erzogenen Söhne der Unterthanen können, nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre, angehalten werden, ledige Stellen in den Gütern, wozu sie gehören, anzunehmen.
§. 182. Gutseinwohner, die sich als Tagelöhner nähren, müssen, wenn sie auch nicht dienstpflichtig sind, der Gutsherrschaft, vor andern, gegen den gesetzmäßigen Tagelohn arbeiten.
§. 183. Hat ein angesessener Wirth dergleichen Tagelöhner mit Bewilligung der Herrschaft zu sich genommen: so gebührt diesem, noch vor der Herrschaft, auf die Hülfe des Tagelöhners ein vorzüglicher Anspruch.
§. 184. Genießt ein Tagelöhner an Hutung, Holz, oder sonst, Vortheile von der Gemeine: so muß er dieser vorzüglich vor Fremden dienen.
Gesindedienste der Unterthanenkinder.
§. 185. Die Kinder aller Unterthanen, welche in fremde Dienste gehen wollen, müssen sich zuvor der Herrschaft zum Dienen anbieten.
§. 186. Dies Anbieten muß spätestens Drey Monathe vor Weihnachten, oder dem sonstigen durch Provinzialgesetze bestimmten Antrittstermine des Landgesindes geschehen.
§. 187. Die Herrschaft muß in den ersten Vierzehn Tagen dieses Vierteljahrs sich erklären: ob sie ein solches Gesinde in ihre Dienste nehmen wolle.
§. 188. Wo gewisse Gestellungstage eingeführt sind, an welchen die diensttauglichen Kinder der Unterthanen sich melden, und die Herrschaft wählen muß, welche derselben sie auf das folgende Jahr in ihre Dienste nehmen wolle, hat es dabey auch noch ferner sein Bewenden.
§. 189. Verlangt die Herrschaft die Dienste eines solchen Unterthanenkindes nicht: so kann sie ihm den Erlaubnißschein zum Auswärtsdienen nicht versagen.
§. 190. Dergleichen Erlaubnißscheine gelten, wenn sie nicht ausdrücklich auf längere Zeit ertheilt worden, nur auf Ein Jahr; können aber auch vor Ablauf dieses Jahres nicht widerrufen werden.
§. 191. Verlangt der auswärts dienende Unterthan eine Verlängerung seines Urlaubs: so muß er sich zu rechter Zeit melden, und die Erklärung der Herrschaft darüber abwarten.
§. 192. Wegen der Fristen, wo dieses Anmelden geschehen, und wo die Herrschaft sich darüber erklären muß, finden die Vorschriften §. 186. 187. 188. Anwendung.
§. 193. Versagt die Herrschaft einem Unterthanenkinde die zu rechter Zeit nachgesuchte Erlaubniß; oder hindert sie dasselbe durch ihre Verzögerung an seinem auswärtigen Unterkommen: so ist sie ihm, bis zum nächsten Vermiethungstermine, Unterhalt und Lohn auf andre Art zu gewähren verbunden.
§. 194. Zu einem fremden Dienste aber kann ihn die Herrschaft niemals zwingen.
§. 195. Die Herrschaft kann die Kinder der Unterthanen nicht eher zu ihren Diensten nöthigen, als bis sie das Alter und die Leibesstärke erlangt haben, welche zu der Art des Dienstes, wozu sie gebraucht werden sollen, erforderlich sind.
§. 196. Kinder, welche die Aeltern, in ihrer eignen Wirthschaft, als Knechte oder Mägde nöthig haben, müssen denselben gelassen werden.
§. 197. In diesem Falle hat der unterthänige Gutsbesitzer die Wahl, welches der Kinder er für sich behalten wolle.
§. 198. Söhne, welche in Kriegsdiensten stehen, und nur als Beurlaubte bey ihren Aeltern sich aufhalten, können zu den, den Aeltern Dienste leistenden Kindern nicht gerechnet werden.
§. 199. Töchter können so wenig dem einen als dem andern Theile für männliche, und Söhne nicht als weibliche Dienstboten aufgedrungen werden.
§. 200. Ein einzelnes Kind kann den Aeltern, auch wenn es in ihrer eignen Wirthschaft entbehrlich wäre, dennoch nicht entzogen werden.
§. 201. Entgeht dem Unterthan die Hülfe des ihm zu seiner Wirthschaft gelaßnen Kindes: so kann er das der Herrschaft dienende Kind mit Ende des laufenden Dienstjahres zurück fordern.
§. 202. Ein Gleiches findet statt, wenn Eins der Aeltern, durch einen in seiner eignen Person sich ereignenden Zufall, zur Arbeit untauglich wird.
§. 203. Vormünder und Andre, welche eine Stelle für vaterlose Kinder verwalten, haben, zum Behufe des Wirthschaftsbetriebes auf derselben, mit den Aeltern gleiche Rechte.
§. 204. Das in den Gesindeordnungen bestimmte Lohn, ingleichen die an jedem Orte bisher üblich gewesene Kost des Gesindes, kann die Herrschaft eigenmächtig nicht vermindern.
§. 205. Eine bloße Veränderung der bisher gewöhnlichen Speisen kann, mit Einwilligung der mehresten in dem Dorfe angesessenen Wirthe, wohl vorgenommen werden.
§. 206. Wo das Gesindedienen der Unterthanenkinder auf gewisse Jahre nicht bestimmt ist, müssen sie dasselbe auf Verlangen der Herrschaft so lange fortsetzen, bis sie Gelegenheit finden, eine Stelle anzunehmen, oder eine Heirath zu schließen, mit welcher der Gesindedienst nicht bestehen kann.
§. 207. Dagegen kann die Herrschaft den zu solchen ungemessenen Gesindediensten verbundenen Unterthanen die Erlaubniß, von einer solchen Gelegenheit Gebrauch zu machen, bloß um deswillen, weil sie noch nicht als Gesinde gedient haben, keinesweges versagen; noch Vergütung für die nicht geleisteten Dienste von ihnen fordern.
§. 208. Sind die Gesindedienste der Unterthanenkinder auf gewisse Jahre bestimmt: so hängt es von der Herrschaft ab: zu welcher Zeit sie deren Leistung fordern wolle.
§. 209. Doch kann auch in diesem Falle die Herrschaft solcher Kindern, wegen noch nicht abgedienter Hofjahre, die Gelegenheit, durch Annehmung einer Stelle, oder durch eine Heirath ihr Unterkommen zu erhalten, nicht entziehen, oder Vergütung dafür verlangen.
§. 210. Wenn aber ein solches Kind der Unterthänigkeit entlassen seyn will: so muß dasselbe, nach der Wahl der Herrschaft, entweder zum Abdienen der noch rückständigen Jahre eine andere taugliche Person für sich stellen, oder den Unterschied zwischen dem Hofe-, und dem einem freyen Dienstboten in der Gesindeordnung ausgesetzten fremden Lohne vergüten.
§. 211. Auch an Orten, wo die bestimmten Dienstjahre mit einem Dienstgelde abgelöst zu werden pflegen; ist die Herrschaft den Dienst in Natur zu fordern berechtigt; und kann zur Annahme des Dienstgeldes nicht gezwungen werden.
§. 212. Dagegen kann sie aber auch den Unterthan, welcher in Natur zu dienen bereit ist, zur Entrichtung des Dienstgeldes nicht nöthigen.
§. 213. Sind aber Herrschaft und Unterthan über die Entrichtung des Dienstgeldes mit einander einig: so hat an Orten, wo die Ablösung der Dienstjahre üblich ist, kein Dritter ein Recht zum Widerspruch.
§. 214. Wenn ein solches Kind der Unterthänigkeit entlassen seyn will: so muß es für die noch rückstandigen Dienstjahre das Dienstgeld entrichten.
§. 215. Uebrigens findet auch in diesem Falle (§. 211.) die Vorschrift §. 209. Anwendung.
§. 216. Das angefangene Dienstjahr muß das Gesinde in allen Fällen bis zum Ende desselben fortsetzen, und kann der Herrschaft einen Andern an seiner Stelle nicht aufdringen.
§. 217. Wird die Dienstzeit durch die Schuld des Gesindes, oder durch eine in seiner Person sich ereignende Veranlassung unterbrochen: so muß dasselbe die versäumte Zeit nachdienen.
§. 218. Entsteht aber die Unterbrechung durch Krankheit des Gesindes, oder sonst durch höhere Gewalt: so kann die fehlende Zeit des laufenden Dienstjahres dem Gesinde nicht zur Last gerechnet werden.
§. 219. Eben das gilt, wenn das laufende Dienstjahr durch die Schuld der Herrschaft, oder durch einen in ihrer Person oder Wirthschaft sich ereigneten Zufall unterbrochen worden.
§. 220. Wenn ein Kind nach Vorschrift §. 174. bis 176. die Erlaubniß zur Erlernung einer Profession, Kunst, oder Wissenschaft zu fordern berechtigt ist: so kann ihm dieselbe, wegen noch nicht geleisteter Gesindedienste, nicht versagt werden.
§. 221. Die Herrschaft aber kann alsdann das Dienstgeld, an Orten, wo es eingeführt ist, fordern; oder wo dieses nicht ist, bey Ertheilung der Erlaubniß sich zur Bedingung machen, daß eine andere diensttaugliche Person für ein solches Kind gestellt werde.
§. 222. In dem Falle des §. 175. aber kann die Herrschaft weder Dienstgeld, noch Stellung eines andern Dienstboten verlangen.
§. 223. Ist in den übrigen Fällen die Erlaubniß einmal ohne Vorbehalt ertheilt worden: so findet ein Anspruch an ein solches Kind, wegen noch nicht geleisteter Gesindedienste, nicht mehr statt.
§. 224. Wenn zwischen Herrschaften und Unterthanen über das Kinderdienen Streit entsteht: so muß der Gerichtshalter die Sache sofort untersuchen und entscheiden.
§. 225. Will bey dieser Entscheidung ein oder der andere Theil sich nicht beruhigen: so muß der Gerichtshalter die Akten sofort an die höhere Instanz, zur ferneren Beurtheilung: ob und mit welcher Wirkung die Appellation dagegen statt finden soll, einsenden.
§. 226. Uebrigens finden, wegen des Verhältnisses zwischen der Herrschaft, und den ihr als Gesinde dienenden Unterthanenkindern, die Vorschriften der Gesetze von Herrschaften und Gesinde überhaupt Anwendung; so weit nicht Abweichungen davon durch den gegenwärtigen Abschnitt begründet werden.
Züchtigungsrecht der Herrschaft.
§. 227. Faules, unordentliches, und widerspenstiges Gesinde, kann die Herrschaft durch mäßige Züchtigungen zu seiner Pflicht anhalten; auch dieses Recht ihren Pächtern und Wirthschaftsbeamten übertragen.
§. 228. Eine gleiche Befugniß steht der Herrschaft in Ansehung des Gesindes der Unterthanen zu, wenn dasselbe von diesen zum Hofedienste geschickt wird, und sich dabey faul, unordentlich, oder widerspenstig bezeiget.
§. 229. Bey solchen Züchtigungen aber muß nicht die Gesundheit, viel weniger das Leben des Gesindes in Gefahr gesetzt werden.
§. 230. Auch muß die Herrschaft solcher Züchtigungsarten, wodurch die Schamhaftigkeit, besonders bey dem Gesinde weiblichen Geschlechts, verletzt wird, sich enthalten.
§. 231. Dergleichen grobe Mißhandlungen der Unterthanen (§. 229. 230.) sollen, außer der denselben zukommenden vollständigen Entschädigung, nach Vorschrift der Criminalgesetze, nachdrücklich geahndet werden.
§. 232. Auch angesessene Wirthe, und deren Weiber, kann die Herrschaft durch Gefängnißstrafe oder Strafarbeit zu ihrer Pflicht anhalten, wenn dieselben, bey Leistung unstreitiger Dienste, sich der Widersetzlichkeit, beharrlichen Faulheit, vorsetzlichen Vernachläßigung, oder eines andern dergleichen Vergehens schuldig machen.
§. 233. Ist das Vergehen so beschaffen, daß die Herrschaft zu dessen Ahndung eine gewöhnliche Gefängnißstrafe von höchstens Acht und Vierzig Stunden hinreichend findet: so ist sie, bey der Untersuchung, nur die Dorfgerichte zuzuziehen verbunden.
§. 234. Findet sich aber bey einer nachher, auf Anmelden der solchergestalt bestraften Unterthanen, von dem Landes-Justizcollegio veranlaßten Untersuchung, daß die Strafe zur Ungebühr verhängt worden: so muß die Herrschaft den Unterthan vollständig entschädigen; und außerdem, wegen des Mißbrauchs ihrer Gewalt, nach Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden.
§. 235. Findet die Herrschaft längeres Gefängniß, oder eine andere Strafart nöthig: so muß sie die Untersuchung und das Erkenntniß dem Gerichtshalter überlassen.
§. 236. Fällt der Spruch des Gerichtshalters auf achttägigen oder kürzeren gewöhnlichen Arrest oder Strafarbeit aus: so findet dagegen kein Rechtsmittel statt.
§. 237. Wohl aber haftet alsdann, in dem Falle des §. 234., der Gerichtshalter, gleich der Herrschaft, den zur Ungebühr bestraften Unterthanen zur Schadloshaltung, und dem gemeinen Wesen zur Strafe.
§. 238. Erkennt der Gerichtshalter auf eine längere oder härtere, als die §. 236. bestimmte Strafe: so findet dagegen die Berufung auf das höhere Gericht mit voller Wirkung statt.
§. 239. Wie es zu halten sey, wenn sich Unterthanen ihrer Herrschaft, oder den Beamten derselben, thätig widersetzen, ist im Criminalrechte vorgeschrieben.
Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen in Ansehung ihres Vermögens
§. 240. Unterthanen können, gleich andern Bürgern des Staats, freyes Vermögen erwerben und besitzen.
Persönliche Verbindlichkeiten.
§. 241. Verbindlichkeiten in Ansehung ihrer Person, wodurch sie ihren Dienstpflichten entzogen werden, können sie ohne Einwilligung der Herrschaft nicht übernehmen.
§. 242. Sie können also auch wegen Schulden, die sie ohne herrschaftliche Einwilligung gemacht haben, nicht in persönlichen Verhaft genommen werden.
§. 243. Erlaubt die Herrschaft ausdrücklich oder stillschweigend, daß ein Unterthan, außer der Landwirthschaft, noch ein anderes Gewerbe treibe, bey welchem gewöhnlich Credit gegeben und genommen wird: so kann sie, wegen solcher Schulden des Unterthans, der Execution durch Personalarrest nicht widersprechen.
§. 244. Schenk- und Gastwirthe sollen dem Gesinde auf dem Lande Getränke und Eßwaaren, ohne ausdrückliche Einwilligung der Herrschaft, bey Verlust ihrer Forderung, nicht anders, als gegen baare Zahlung verabfolgen.
§. 245. Auch sollen sie von dergleichen Leuten Naturalien und Kleidungsstücke, bey einer nach Verhältniß des Werths der Sache zu bestimmenden Gefängnißstrafe, oder Strafarbeit, an Zahlungsstatt nicht annehmen.
Rechte der Unterthanen auf ihre Grundstücke:
§. 246. In der Regel, und wo das Gegentheil nach Provinzialgesetzen und Verfassungen, oder sonst, nicht erhellet, sind angesessene Unterthanen als würkliche Eigenthümer ihrer Stellen und Güter anzusehn, und in vorkommenden Fällen zu beurtheilen.
a) Bey Verfügungen unter Lebendigen;
§. 247. Sie können aber dieselben ohne herrschaftlichen Consens weder veräußern, noch durch Tausch, oder andre Abtrennung einzelner unbeweglicher Pertinenzstücke schwächen.
§. 248. Eben so wenig können sie, ohne diesen Consens, Dienstbarkeits- oder andre fortwährende Lasten ihren Gütern auflegen.
§. 249. Auch zu Verpfändungen ist die Einwilligung der Herrschaft nothwendig.
§. 250. Diese Einwilligung kann die Herrschaft so weit, als die zu versichernde Summe die Hälfte des im Hypothekenbuche eingetragenen Werths nicht übersteigt, nicht versagen.
§. 251. In Verpfändungen über diese Hälfte ist die Herrschaft nur alsdann zu willigen verbunden, wenn der Vorschuß zur Erhaltung und Wiederherstellung des ohne grobes Verschulden des Besitzers zurückgekommenen Guts erforderlich ist.
§. 252. In diesem Falle ist aber auch die Herrschaft befugt, Nachweis von der gehörigen Verwendung des Darlehns zu fordern; und, nach Bewandniß der Umstände, billige Fristen zur Wiederbezahlung desselben zu bestimmen.
§. 253. Wenn eine Hypothek über die Hälfte des Werths, zur Versicherung oder Abfindung der Erben des Besitzers nothwendig wird: so kann die Herrschaft ihre Einwilligung dazu nicht versagen.
§. 254. Bey Schulden, da die Gesetze selbst das Recht, Eintragung dafür zu fordern, begründen, bedarf es dazu keiner Einwilligung der Herrschaft. (Th. I. Tit. XX. §. 3. 4.)
§. 255. Die Einwilligung der Herrschaft giebt dem Gläubiger ein dingliches Recht auf das ein untrennbares Ganze ausmachende Gut; wenn auch dieselbe ausdrücklich nur auf gewisse einzelne dazu gehörende Grundstücke gerichtet war.
§. 256. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften, die Einwilligung der Herrschaft nothwendig, und weder ertheilt, noch von dem Richter ergänzt ist, kann der Gläubiger, wider den Willen der Herrschaft, weder die Substanz des Guts, noch das zu dessen ordentlicher Bewirthschaftung nöthige Inventarium angreifen.
§. 257. Doch kann er an das über den Wirthschaftsbedarf vorhandene Vieh und Geräthe; an den Ueberschuß der Früchte, nach Abzug der Wirthschaftsnothdurft, ingleichen der öffentlichen und gutsherrlichen Abgaben; und an das übrige zum Gute nicht gehörende Vermögen des Schuldners sich halten.
§. 258. Auch zu Veräußerungen, ingleichen zur Belegung des Guts mit Dienstbarkeits- und andern fortwährenden Lasten, soll die Herrschaft ihre Einwilligung ohne erhebliche Gründe nicht versagen.
§. 259. Zur Veräußerung des Guts an einen neuen Besitzer versagt sie die Einwilligung mit Grunde, wenn es demselben an Vermögen und Tüchtigkeit, der Wirthschaft vorzustehen, und die Dienste gehörig zu leisten, ermangelt.
§. 260. Desgleichen, wenn der neue Besitzer, wegen seiner schlechten Wirthschaft, Faulheit, Liederlichkeit, oder Widerspänstigkeit, schon bekannt ist.
§. 261. In Abtrennung von Pertinenzstücken, oder in andere Belastungen, ist die Herrschaft zu willigen nicht verbunden, wenn dadurch das Gut an seinem Ertrage, im Ganzen genommen, einen dauernden Abfall erleiden würde.
§. 262. Was zur Abtrennung unbeweglicher Pertinenzstücke von Bauergütern, außer dem Consens der Herrschaft, noch erforderlich sey, bestimmen die Landes-Polizeygesetze.
§. 263. Der Gerichtsherr, wenn derselbe von dem Gutsherrn unterschieden ist, muß in Fällen, da die Einwilligung des letztern zu einer Verfügung über das Grundstück nothwendig ist, die Beybringung derselben erfordern, ehe die Handlung von ihm bestätigt und eingetragen wird.
§. 264. Auch bey notwendigen Subhastationen darf er mit dem Zuschlage an den Meistbietenden nicht eher verfahren, als bis die Einwilligung des Gutsherrn nachgewiesen worden.
§. 265. Hat der Gerichtsherr diese Vorschriften verabsäumt: so ist die Bestätigung oder Eintragung nichtig, und der Gerichtsherr haftet den Interessenten für allen daraus entstehenden Nachtheil.
§. 266. Nur derjenige, dem die Verwaltung des Inbegriffs der gutsherrlichen Rechte übertragen ist, nicht aber ein bloßer Wirthschaftsbeamter oder Pächter, kann im Namen der Herrschaft Einwilligungen ertheilen.
b) bey Verfügungen von Todeswegen.
§. 267. Ueber sein eigentümliches Vermögen kann ein Unterthan, gleich andern Bürgern des Staats, auch letztwillig verfügen.
§. 268. Er kann bestimmen, welches unter mehrern Kindern sein Gut überkommen solle.
§. 269. Auch den Preis, für welchen eins der Kinder das Gut annehmen solle, kann der unterthänige Erblasser, gleich jedem andern Vater, bestimmen.
§. 270. Uebersteigt aber der väterliche Anschlag den Werth, welcher nach den unten folgenden Grundsätzen, bey einer Erbtheilung ohne Testament dem Gute beyzulegen seyn würde: so kann die Herrschaft auf eine billige Heruntersetzung dieses Anschlags antragen.
§. 271. Im Mangel letztwilliger Verordnungen finden, auch bey Unterthanen, die Regeln der gemeinen gesetzlichen Erbfolge statt.
§. 272. In der Regel kann die Herrschaft demjenigen unter mehrern Miterben, welchen sie für den Tüchtigsten hält, das Gut zuwenden.
§. 273. Wenn aber die Miterben wegen Ueberlassung des Guts an einen unter ihnen, oder auch an einen Dritten, sich vereinigen: so kann die Herrschaft ihre Einwilligung nur so weit versagen, als sie überhaupt einen vorgeschlagenen neuen Besitzer zu verwerfen berechtigt ist.
§. 274. Einem vermöge letztwilliger Verfügung, oder vermöge der gesetzlichen Successionsordnung, zum Besitze des Guts berufenen Erben, kann die Herrschaft die Annahme aus eben den Gründen verweigern, aus welchen sie überhaupt der Veräußerung des Guts an einen neuen Besitzer widersprechen kann. (§. 259. 260.)
§. 275. Der Mangel des erforderlichen Alters, dem Gute gehörig vorzustehen, ist in der Regel keine rechtmäßige Verweigerungsursache.
§. 276. Vielmehr muß sich die Herrschaft die Annahme eines auch noch unmündigen Gutserben in so fern gefallen lassen, als Anstalten getroffen werden können, daß das Gut so lange, bis es der Erbe selbst übernehmen kann, ordentlich bewirtschaftet, und die der Herrschaft davon gebührenden Dienste und Abgaben gehörig geleistet werden.
§. 277. Ist der durch Testament oder Gesetz zum Besitze des Guts berufene Erbe kein Unterthan der Herrschaft; und kann oder will er sich auch nicht in ihre Unterthänigkeit begeben: so ist die Herrschaft berechtigt, ihn auszuschließen.
§. 278. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften (§. 274. sqq.) die Herrschaft das Recht hat, den Erben von dem Besitze des Gutes auszuschließen, muß demselben eine Frist von Sechs Wochen bis Drey Monathen, von dem Tode des Erblassers an gerechnet, verstattet werden, um das Gut an einen andern fähigen Besitzer zu bringen.
§. 279. Nach Ablauf dieser Frist kann die Herrschaft auf öffentlichen gerichtlichen Verkauf antragen.
§. 280. In allen Fällen, wo der neue Besitzer Miterben abzufinden hat, muß der Werth des Guts, und des zur Wirthschaft erforderlichen Inventarii, nach einer gemäßigten Taxe angeschlagen werden.
§. 281. Bey Aufnehmung einer solchen Taxe muß nicht nur auf sämmtliche Lasten und Abgaben, sondern auch auf den nothdürftigen Unterhalt des neuen Besitzers, und seiner Frau, Rücksicht genommen werden.
§. 282. Nähere Bestimmungen der Abschätzungsgrundsätze bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 283. Den nach einer solchen Taxe bestimmten Werth müssen sämmtliche Theilnehmer ohne Widerrede sich gefallen lassen.
§. 284. Zur Herauszahlung der den übrigen Teilnehmern zukommenden Abfindungen müssen billige, den Vermögensumständen des Uebernehmers angemessene Termine bestimmt werden.
§. 285. Wo es nicht verabredet ist, werden dergleichen Kaufgeldertermine, außer dem Falle einer Verzögerung, nicht verzinset.
§. 286. In Ansehung des Nachweises der von dem Regimente erhaltenen Entlassung, welchen jeder cantonpflichtige Gutserbe vor Uebernehmung der Stelle beibringen muß, hat es bey den Cantonverfassungen sein Bewenden.
Von der Entsetzung solcher Eigenthümer aus ihren Stellen.
§. 287. Die Herrschaft darf einen Unterthan, der sein Gut eigentümlich besitzt, desselben ohne erhebliche Ursache und richterliches Erkenntniß nicht entsetzen.
§. 288. Der Unterthan kann aber zum Verkaufe seines Guts genöthigt werden, wenn er dasselbe, oder das dazu gehörige Inventarium, durch liederliche Wirthschaft ruinirt.
§. 289. Ein Gleiches findet statt, wenn er sich boshafter Wiederspänstigkeit, Aufwiegelung der Gemeine, oder vorsetzlicher Vergehungen gegen die Herrschaft, wodurch die ihr gebührende Ehrfurcht gröblich verletzt wird, schuldig macht.
§. 290. Desgleichen alsdann, wenn er einen überwiegenden Hang zu Diebereyen, und andern die Sicherheit des Eigenthums kränkenden Verbrechen, an den Tag legt; oder durch schändliche Vergehungen ein öffentliches Aergerniß in der Gemeine giebt; und auch durch ausgestandene leichtere Strafen nicht hat gebessert werden können.
§. 291. Einen Unterthan, gegen welchen wegen seiner Verbrechen mehr als Einjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verhängt worden, ist die Herrschaft in Besitz seines Guts zu lassen nicht schuldig.
§. 292. Wenn ein Unterthan das nach §. 251. mit Bewilligung der Herrschaft über die Hälfte seines Gutswerthes aufgenommene Darlehn liederlich verschwendet: so ist die Herrschaft ihn zum Verkauf anzuhalten ebenfalls berechtigt.
§. 293. Wenn ein Unterthan durch hohes Alter, oder unheilbare Krankheit, außer Stand gesetzt wird, der Wirthschaft ferner gehörig vorzustehn: so kann die Herrschaft ihn anhalten, daß er das Gut einem andern tüchtigen Wirthe überlasse.
§. 294. Doch muß alsdann für den Unterhalt des abgehenden Wirthes nach Nothdurft gesorgt, und wenn er Kinder hat, das Gut für dieselben so viel als möglich erhalten werden.
§. 295. In so fern, außer dem Falle des §. 291., der Unterthan seiner Wirthschaft gehörig vorzustehen bloß auf eine Zeitlang verhindert wird, muß die Wirthschaft durch eine wohl angeordnete Verwaltung ihm zu helfen sich angelegen seyn lassen.
§. 296. Ist auf den Verkauf erkannt worden: so muß derselbe durch gerichtliche Subhastation erfolgen: der Unterthan aber kann, bis zum wirklichen Zuschlage, das Gut aus freyer Hand an einen andern annehmlichen Besitzer veräußern.
§. 297. Dadurch, daß der Unterthan zum Verkaufe seines Guts aus vorstehenden Gründen angehalten worden, wird derselbe von der persönlichen Unterthäigkeit noch nicht frey.
Rechte der Unterthanen auf ihre Güter:
2) wenn sie nicht Eigenthümer sind.
§. 298. Wenn die von Unterthanen besessenen Güter der Herrschaft eigenthümlich gehören: den Besitzern aber auch nicht in Zeit- oder Erbpacht, sondern ohne Zeitbestimmung, zur Cultur und zum Genüsse eingeräumt sind: so werden die Rechte der Unterthanen, in Ansehung solcher Güter, nach den Vorschriften des Vierten Abschnitts im Ein und zwanzigsten Titel des Ersten Theils beurtheilt.
§. 299. Außer den daselbst angeführten Ursachen, kann ein solcher Gutsbesitzer, wenn er zugleich ein Unterthan ist, aus eben den Gründen seiner Stelle entsetzt werden, aus welchen ein Eigenthümer zum Verkauf seines Guts angehalten werden kann. (§. 288. sqq.)
§. 300. Ein unterthäniger Gutsbesitzer dieser Art ist, seine Stelle ohne besondere Einwilligung der Herrschaft aufzugeben, nicht berechtigt.
§. 301. Die Einwilligung kann ihm aber nicht versagt werden, wenn er der Herrschaft einen annehmlichen Wirth zur Uebernehmung des Guts zu stellen vermag.
§. 302. Wenn die Herrschaft dergleichen auf andere Art ledig gewordene Stellen an Unterthanen, welche dieselben nach §. 181. zu übernehmen schuldig sind, austhut: so ist sie die Bedingungen, unter welchen das Gut vorhin verliehen und besessen worden, zu erschweren nicht berechtiget.
§. 303. Wird jedoch eine solche Stelle, durch Zuschlagung neuer nutzbarer Pertinenzstücke und Zubehörungen, oder sonst, in ihrem Ertrage dauernd verbessert: so muß der neu anzusetzende Besitzer eine verhältnißmäßige Erhöhung der Dienste und Abgaben, allenfalls nach richterlichem Ermessen, sich gefallen lassen. (§. 138-140.)
§. 304. Die Besitzer bloß verpachteter Güter werden, als Erb- oder Zeitpächter, nach dem Inhalte ihrer Verträge beurtheilt.
§. 305. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermuthung für die Erbpacht.
§. 306. Daraus, daß die Abgabe, welche der unterthänige Besitzer der Herrschaft für den Genuß des Guts entrichtet, Erbzins genannt wird, folgt noch nicht daß das Gut selbst die Erbzinseigenschaft im gesetzlichen Sinne habe.
§. 307. Auch unterthänige Pacht- oder Erbzinsbesitzer können aus eben den Gründen, wie die Eigenthümer, zur Aufgebung und zum Verkauf ihrer Stellen, oder der daran habenden Rechte, gerichtlich angehalten werden.
Sechster Abschnitt. Von den Diensten der Unterthanen
Wozu die Dienste geleistet werden müssen.
§. 308. Die Dienste, welche die Unterthanen ihrer Herrschaft zu leisten haben, sind eigentlich zur Bewirthschaftung und Benutzung der herrschaftlichen Grundstücke bestimmt.
§. 309. Auf andern Gütern, als wozu die Unterthanen bisher geschlagen waren, können sie zu dienen nicht gezwungen werden.
§. 310. Wenn nicht ausgemittelt werden kann, zu welchem Gute oder herrschaftlichen Vorwerke Unterthanen, die bisher Dienstgeld bezahlt haben, die Naturaldienste zu leisten schuldig sind: so können sie dazu nur in Ansehung der im Dorfe oder zunächst demselben gelegenen Vorwerke, wo die Dienste gebraucht werden können, angehalten werden.
§. 311. In der Regel sind die zu Diensten verpflichtete Unterthanen alle Arten von Fuhren und Handarbeiten, welche zur landwirtschaftlichen Benutzung des herrschaftlichen Guts erfordert werden, zu verrichten schuldig.
§. 312. Dagegen können ihnen andre Arbeiten, besonders solche, die eine auf dem Lande nicht gewöhnliche Fabrication oder Handlung zur Absicht haben, im Hofedienste nicht zugemuthet werden.
§. 313. Wo jedoch schon zur Zeit der Publikation dieses Gesetzbuchs, Unterthanen auch solche Dienste, vermöge vorhandener Verträge, oder einer seit rechtsverjährter Zeit wohlhergebrachten Verfassung, haben leisten müssen, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
Möglichste Festsetzung gemessener Dienste.
§. 314. Alle Arten der Hofedienste sollen künftig, so viel als möglich, nach Zeit, Ort, Maaß, oder Gewicht, bestimmt werden.
§. 315. Bey Bestimmung der ungemessenen Dienste ist sowohl auf die Nothdurft des Guts, zu dessen Cultur die Unterthanen angesetzt sind, als auf deren eigne Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
§. 316. In Fällen, wo die Herrschaft, durch eigne Züge oder Handarbeiter, zur Cultur ihres Guts mit geholfen hat, muß, bey Berechnung der Nothdurft dieses Guts, dergleichen Beyhülfe zu Gunsten der Unterthanen allerdings mit angeschlagen werden.
§. 317. Bey bisher ungemessenen Arten von Diensten, welche nicht zur gewöhnlichen Bewirthschaftung des Guts gehören, sondern nur bey außerordentlichen Gelegenheiten, oder in besonderen Fällen vorkommen, ist die Herrschaft nicht schuldig, sich eine Bestimmung derselben gefallen zu lassen.
§. 318. Ungemessene Baudienste können daher, wider den Willen der Herrschaft, niemals in gemessene verwandelt werden.
§. 319. Bey Festsetzung und Vertheilung der Dienste ist darauf zu sehen, daß den Unterthanen die nöthige Zeit zur Bestellung ihrer eignen Wirthschaften, und zum Erwerbe ihrer Nothdurft übrig bleibe.
§. 320. Bey streitiger Bestimmung ungemessener Dienste müssen von beyden Theilen Sachverständige vorgeschlagen; diese von dem Richter mit ihrem Gutachten gehört; und auf dies Gutachten, bey Abfassung des Urtels, vorzügliche Rücksicht genommen werden.
§. 321. In Ansehung solcher Güter, welche die Unterthanen, ohne herrschaftliche Hülfe, bisher bearbeitet haben, hat es dabey ferner sein Bewenden.
§. 322. Es darf aber alsdann die Herrschaft, ohne Einstimmung der Dienstleute, weder Erweiterungen, noch Veränderungen in dem Betriebe der Wirthschaft vornehmen, durch welche die Dienste erschwert werden.
§. 323. Welche Classe von Unterthanen zu Spanndiensten verpflichtet; mit welchen Arten von Zugvieh, und mit wie vielen Stücken desselben ein jeder von ihnen dabey zu erscheinen schuldig sey, ist nach der Verfassung eines jeden Orts bestimmt.
§. 324. Von diesen Einrichtungen ist kein Theil ohne des andern Einwilligung abzugehen berechtigt.
§. 325. Im zweifelhaften Falle gilt die Vermuthung, daß die Bauern mit Pferden zu dienen schuldig sind.
§. 326. Unterthanen, die zur Bearbeitung ihrer eignen Güter kein Zugvieh nöthig haben, können auch zu herrschaftlichen Spanndiensten nicht angehalten werden.
§. 327. Die Unterthanen sind schuldig, ihre Dienste, nach deren Bestimmung, den Anweisungen der Herrschaft gemäß, mit Fleiß, Sorgfalt, und Treue zu verrichten.
§. 328. Wo die Dienste auf eine gewisse Zahl von Tagen in der Woche oder im Jahre bestimmt sind, hängt es von der Herrschaft ab, welche Wochentage sie zu wählen für gut finde.
§. 329. Die nach den Landesgesetzen beybehaltenen Feyertage haben mit den Sonntagen gleiche Rechte.
§. 330. An den durch Landesgesetze abgeschafften Feyertagen können die Unterthanen den Dienst, auf Erfordern, zu thun sich nicht weigern.
§. 331. Wo aber die Unterthanen alltäglich zu dienen schuldig sind, da können sie an den dritten Feyertagen von den sogenannten drey hohen Festtagen, dem grünen Donnerstage, und den drey aufgehobenen Bußtagen, zum Hofedienste, außer der Erndte, nicht angehalten werden.
§. 332. Gewöhnlich muß die am andern Tage vorzunehmende Arbeit den Unterthanen am Abende vorher angesagt werden.
§. 333. Doch bleibt in vorkommenden unvermutheten Fällen der Herrschaft frey, noch den folgenden Morgen die vorzunehmenden Arbeiten auf andre Art anzuordnen, oder noch gänzlich abzubestellen.
§. 334. Hat aber der Unterthan dadurch, daß er mit seinem Zugviehe bereits ausgezogen war, oder sonst, den Dienst schon wirklich angetreten: so muß ihm, wenn diese Arbeit nicht fortgesetzt wird, eine andere angewiesen, oder die angefangene Arbeit an seiner gemessenen Dienstzeit verhältnißmäßig abgerechnet werden.
§. 335. Wird der Unterthan noch an demselben Vormittage wieder nach Hause entlassen: so wird ihm ein halber; wenn aber die Nachmittagsarbeit schon angefangen war, der ganze Diensttag zu gute gerechnet.
§. 336. Wo es hergebracht ist, daß die Arbeit nach Gespannen eingetheilt und berechnet wird, da ist in diesem Falle jedes angefangene Gespann für vollendet zu achten.
§. 337. Außer diesem Falle einer durch Veränderung der Umstände nothwendig gewordenen Abrechnung der angefangenen Dienste, ist die Herrschaft nicht berechtigt, die schuldigen Hofetage in halbe Tage, oder einzelne Gespanne, nach Willkühr zu verwandeln.
§. 338. Ist die angefangene Arbeit durch Schuld des Unterthans unterbrochen worden: so muß er die rückständig gebliebenen Stunden nachdienen.
§. 339. Wöchentlich bestimmte Spanndienste, welche in dem festgesetzten Zeitraume nicht gefordert worden, können nur auf Eine; Handdienste aber auf Zwey Wochen zurück, nachgefordert werden.
§. 340. Beträgt der ordinaire Hofedienst auf die Woche mehr als Drey Tage, so kann wöchentlich nur ein Tag nachgefordert werden.
§. 341. Auch findet eine Nachforderung der Spanndienste nicht statt, wenn der Unterthan in gleicher Noth und Verlegenheit mit der Herrschaft ist.
§. 342. Es kann also in der Erndtezeit, wenn der Unterthan mit seiner Erndte noch nicht fertig ist, die Herrschaft von ihm Spanndienste, die er selbst zur Einbringung seiner eignen Feldfrüchte nöthig hat, nicht nachfordern.
§. 343. Ein Vorausfordern der Dienste findet gegen den Willen der Unterthanen niemals statt.
Gemessene Dienste nach Ackermaaß.
§. 344. Sind die Spanndienste der Unterthanen auf ein gewisses Acker- oder Wiesenmaaß festgesetzt: so müssen dieselben zu gehöriger Jahreszeit, und nach den Regeln einer guten Wirthschaft verrichtet werden.
§. 345. Ein Gleiches findet statt, wenn die Unterthanen im gemessenen Hofedienste gewisse bestimmte Acker- oder Wiesenhecke zu bearbeiten haben.
§. 346. Auch in diesen Fällen sind die Unterthanen schuldig, bey der Arbeit der Anweisung der Herrschaft zu folgen, und können von ihr, vermöge des Dienstzwanges, dazu angehalten werden.
§. 347. Wird die Bestellung nachläßig und schlecht befunden: so muß dieselbe sofort, und ohne Widerrede, auch ohne Anrechnung auf den ordinairen Hofedienst, verbessert werden.
Nach Zeit- und Ackermaaß zugleich.
§. 348. Sind die Dienste der Unterthanen zum Theil auf Tage; zum Theil aber auf Acker- oder Wiesenmaaß, oder gewisse Fuhren bestimmt: so finden bey jeder dieser Arten von Diensten, die dafür oben besonders ertheilten Vorschriften Anwendung.
Handdienste spannpflichtiger Unterthanen.
§. 349. Zur Ableistung der Spanndienste müssen außer dem Zugviehe, auch die zur Führung des Wagens, des Pfluges und der Egge erforderlichen Personen gestellt werden.
§. 350. Diese sind sowohl beym Ackerbaue, als bey dem Auf- und Abladen der Wagen, zu helfen schuldig.
§. 351. In keinem Falle kann der mitgeschickte Ablader auf längere Zeit, oder zu schwerern Diensten, als ihm nach §. 350. obliegen, gebraucht werden.
§. 352. Ist ein zu Spanndiensten Pflichtiger Unterthan, auch eine oder mehrere Personen zu besondrer Handarbeit zu stellen verbunden: so können der Regel nach, beyderley Arten von Diensten nicht zu gleicher Zeit gefordert werden.
§. 353. Es steht dem Unterthan frey: ob er die Hofarbeit selbst verrichten, oder durch tüchtiges Gesinde oder diensttaugliche Kinder leisten wolle.
§. 354. Männertage können nicht durch Weiber oder Mägde; wohl aber die sogenannten Weibertage durch Mannspersonen abgedingt werden.
§. 355. Sind jedoch in diesen gewisse Arbeiten zu verrichten, welche von Mannspersonen nicht gehörig geleistet werden können: so ist die Herrschaft diese, statt der Weiber oder Mägde, anzunehmen nicht schuldig.
§. 356. Unterthanen, welche von der ordinairen Hofearbeit befreyt, und dagegen für das ganze Jahr nur zu einer bestimmten Anzahl von Hofetagen verbunden sind, müssen dieselben zu der Zeit, wo die Herrschaft sie am nöthigsten braucht, unweigerlich entrichten.
§. 357. Eben das gilt von den sogenannten Beytagen, welche manche Unterthanen außer der ordinairen Hofearbeit zu leisten haben.
§. 358. Die Unterthanen müssen zum Hofedienste diejenigen Geräthschaften in tüchtigem Stande mitbringen, die sie zur Hofwehr erhalten haben, oder die sie, zu Arbeiten von derselben Art, in ihrer eignen Wirthschaft brauchen.
§. 359. Ist der Unterthan zu solchen Arten von Arbeit verpflichtet, die in seiner eignen Wirthschaft nicht vorfallen, so müssen ihm die dazu besonders erforderlichen Geräthschaften von der Herrschaft gegeben werden.
§. 360. Nur dann, wenn er dergleichen Geräthschaften vorsetzlich, oder aus grober Fahrläßigkeit verdirbt, muß er den dadurch verursachten Schaden ersetzen.
Anfang und Ende der Tagarbeit.
§. 361. Wo nach dem Landesgebrauche keine andere Bestimmungen angenommen sind, muß der Unterthan vom Fünfzehnten April, bis zu Ende des Monaths August, früh von Fünf Uhr an; in der übrigen Jahreszeit aber mit Sonnenaufgang den Dienst antreten, und in allen Fällen denselben vor Sonnenuntergang nicht wieder verlassen.
§. 362. Doch muß bey diesen Zeitbestimmungen auf die Entfernung des Orts, wo der Dienst geleistet werden soll, von dem Wohnorte des Unterthans, billige Rücksicht genommen werden.
§. 363. Bey Spanndiensten sowohl, als bey Handarbeiten, müssen den Unterthanen die jeden Orts gewöhnlichen Ruhestunden zum Frühstücke, zum Mittage, und zur Vesper gelassen werden.
§. 364. Wo die Gewohnheit des Orts nichts Bestimmtes festsetzt, da sind den Unterthanen, bey Spanndiensten, am Vormittage Eine, zu Mittage Zwey, und den Nachmittag wieder Eine; so wie bey Handdiensten, auf jede der drey Tagezeiten, Eine Ruhestunde zu gestatten.
§. 365. Im Winter, vom Ein und zwanzigsten September bis Ein und zwanzigsten März, fallen die Früchstücks- und Vesperstunden weg; und es können an Orten, wo mehr als Ein Gespann auch in kurzen Tagen gemacht wird, nur die Futterstunden gerechnet werden.
Anderweitige Dienstbestimmungen.
§. 366. Wo das Tagewerk nach Maaß, Gewicht, Zahl, oder Entfernung nicht bestimmt ist, muß der Unterthan mit seinem Gespanne dem mittlern oder schwächern Hofezuge gleich arbeiten.
§. 367. Bey Handdiensten müssen die Unterthanen dem von der Herrschaft bestellten Vorarbeiter folgen.
§. 368. Dieser Vorarbeiter, so wie in dem Falle des §. 366. der Hofezug, dürfen an demselben Tage nicht gewechselt oder abgelöst werden.
§. 369. Baudienste müssen von den Unterthanen in der Regel außer dem ordinairen Hofedienste geleistet werden.
§. 370. Die Unterthanen sind dieselben sowohl zur Erbauung neuer, als zur Wiederherstellung und Besserung alter Gebäude, zu leisten verbunden.
§. 371. Sie werden allein durch die Bedürfniß der Wirthschafts- und unentbehrlichen Wohngebäude, auf demjenigen Gute, zu welchem die Dienstpflichtigen als Unterthanen gehören, bestimmt.
§. 372. Ob solche Gebäude innerhalb der Einschließung des Rittersitzes, oder außerhalb derselben liegen; und ob sie auf der vorigen, oder auf einer andern Stelle wieder erbauet werden sollen, macht keinen Unterschied.
§. 373. Zu Gebäuden, welche bloß zur Pracht, oder zum Vergnügen dienen, können die Unterthanen nicht anders, als in den gemessenen Hofetagen, Dienste zu leisten angehalten werden.
§. 374. Gleiche Bewandniß hat es in Ansehung derjenigen Gebäude, die für ein besonderes die Landwirthschaft nicht betreffendes Gewerbe errichtet sind.
§. 375. In Fällen, wo die Unterthanen ungemessene Baudienste zu leisten schuldig sind, müssen sie alle zum Baue erforderliche Materialien und Geräthschaften anfahren.
§. 376. Findet die Herrschaft für gut, zum Behufe des bevorstehenden Baues einen Ziegel- oder Kalkofen anzulegen: so können die Unterthanen sich nicht weigern, das zum Ziegel- oder Kalkbrennen erforderliche Holz, so weit als diese Materialien zum eignen Gebrauche zubereitet werden, im Baudienste anzufahren.
§. 377. Dagegen sind sie nicht schuldig, zum Baue des Ziegel- oder Kalkofens selbst, außer den ordinairen Hofetagen, Dienste zu leisten.
§. 378. Das Anfahren der Pflastersteine und des Sandes zu Ställen und Mistplätzen, so wie des Holzes zu Einfassung der Brunnen und Düngerstellen, gehört zum Baudienste.
§. 379. Dagegen wird die Anfuhre des Holzes und der Steine zu Gartenmauern und Planken, zum Baudienste in der Regel nicht gerechnet.
§. 380. Das Bauholz aus dem Walde sind die Unterthanen auch unbeschlagen anzufahren schuldig; es muß aber abgewipfelt und ausgeästet seyn.
§. 381. Sägeblöcke, welche zum Behufe des Baues zu Brettern geschnitten werden sollen, müssen die Unterthanen im Baudienste zur Schneidemühle anfahren, und die Bretter daselbst wieder abholen.
§. 382. Den Bauplatz müssen die Unterthanen zwar abräumen; das Wegfahren des Schuttes aber, ingleichen der abgebrochenen Bretter, Balken, Dielen, und andrer alten Baumaterialien, gehört nicht zum Baudienste.
§. 383. Die Baumaterialien müssen die Unterthanen an denjenigen Orten abholen, wo ihnen dieselben von der Herrschaft angewiesen werden.
§. 384. Doch sind sie Bauholz, und Steine aller Art, in einer weitern Entfernung, als sechs Meilen, herbey zu holen niemals verpflichtet.
§. 385. Andre Baumaterialien müssen sie auch weiter holen, wenn dieselben mehr in der Nähe gar nicht zu haben sind.
§. 386. Kann aber die Herrschaft brauchbare Baumaterialien dieser Art unter sechs Meilen erhalten: so ist sie weitere Fuhren, unter dem Vorwande der bessern Güte, oder des wohlfeilern Preises, von den Unterthanen zu fordern nicht berechtigt.
§. 387. In einer Entfernung von sechs Meilen hingegen können die Unterthanen sich nicht weigern, die Baumaterialien da zu holen, wo sie ihnen von der Herrschaft angewiesen werden; wenn auch dieselben mehr in der Nähe, aber von schlechterer Beschaffenheit, oder in allzu theuerem Preise zu haben wären.
§. 388. Allzu theuer ist der Preis, wenn die nähern Materialien Ein Viertel oder darüber mehr kosten, als die entfernteren.
§. 389. Die etwanige vorzügliche Güte entfernterer Materialien berechtigt die Herrschaft nicht, weitere Fuhren von den Unterthanen zu verlangen, sobald die näheren Materialien nur an und für sich brauchbar sind.
§. 390. Handlangerdienste, und alle übrige Arten von Arbeiten, die ein Unterthan bey dem Baue und der Besserung seiner eignen Gebäude nach Landesgebrauch zu verrichten pflegt, muß er auch im herrschaftlichen Baudienste übernehmen.
§. 391. Arbeiten, welche handwerksmäßige Kenntniß erfordern, ist er solchergestalt zu verrichten nicht schuldig.
§. 392. Bey dem sogenannten Heben und Legen, oder dem Richten herrschaftlicher Wirtschaftsgebäude, ist ein jeder Unterthan auf Erfordern hülfreiche Hand zu leisten, zu allen Zeiten verpflichtet.
§. 393. Die Herrschaft muß die ihr zukommenden Baudienste mit solcher Mäßigung fordern, daß die Wirthschaft der Unterthanen dabey bestehen kann.
§. 394. So weit die Herrschaft von den in Cultur habenden bäuerlichen Grundstücken bäuerliche Prästationen entrichten muß, ist sie auch schuldig, zu den Baudiensten der Unterthanen verhältnißmäßig mitzuwirken.
§. 395. Zum Baue und zur Besserung der Gebäude auf unterthänigen Stellen, welche die Herrschaft, nach der gemeinen Verfassung des Orts, zu unterhalten schuldig ist, sind die Unterthanen Baudienste zu leisten verbunden.
§. 396. Forstdienste werden in der Regel zu den ordinairen in den gemessenen Tagen zu leistenden Hofediensten gerechnet.
§. 397. Unterthanen also, welche noch ungemessene Dienste haben, sind in der Regel Forstdienste zu leisten nicht schuldig.
§. 398. In wie fern die Unterthanen auch Jagddienste zu verrichten schuldig sind, bleibt nach den besonderen Verfassungen einer jeden Provinz, der nähern Bestimmung in ihren Gesetzbüchern vorbehalten.
§. 399. Zum ordinairen Hofedienste spannpflichtiger Unterthanen gehört auch die Verfahrung aller Arten von Erzeugnissen des Guts, zu welchem sie geschlagen sind, an Feld- und Gartenfrüchten, dergleichen an Vieh; so wie die Herbeyholung aller Arten der zu dessen Bewirthschaftung erforderlichen Bedürfnisse.
§. 400. Sind die Unterthanen, noch außer dem ordinairen Hofedienste, zu unbestimmten Reisefuhren verpflichtet: so müssen sie dieselben der Person des Herrn, seiner Ehegattin, und den in seinem Hause sich aufhaltenden Kindern leisten.
§. 401. Auch zur Abholung und Zurückfahrung des Arztes, des Wundarztes, des Geburtshelfers, und der Hebamme, können sie diese Fuhren nicht versagen.
§. 402. Zur Herbeyholung, nicht aber zur Abführung der Wirthschaftsbedienten, sind die Unterthanen der Regel nach verbunden.
§. 403. Ein Gleiches gilt von Erziehern und Erzieherinnen, für die bey der Herrschaft sich aufhaltenden Kinder derselben.
§. 404. Sowohl bey diesen außerordentlichen, als bey den im ordinairen Hofedienste zu leistenden Fuhren, außerhalb der Gränze des Guts hängt die Bestimmung: wie weit dieselben zu leisten; wie viel Meilen auf einen Hofetag zu rechnen; wie viel Ladung der Unterthan zu nehmen schuldig u. s. w., von der Verfassung jedes Orts ab, und muß in den Provinzialgesetzen näher darüber verordnet werden.
§. 405. Wenn über dergleichen Fragen Streit entsteht: so hat es, bis zur Endschaft des Prozesses, bey demjenigen sein Bewenden, was bisher geschehen, oder sonst in der Gegend üblich ist.
§. 406. Bey Fuhren, welche außerhalb der Gränze des Guts geleistet werden müssen, sind die spannpflichtigen Unterthanen Rückladungen für die Herrschaft anzunehmen verbunden.
§. 407. Beträgt die Rückladung nur die Hälfte der vollen Ladung, oder weniger: so wird den Unterthanen dafür nichts gut gerechnet.
§. 408. Beträgt aber die Rückladung mehr; oder muß der Unterthan länger, als einen halben Tag, darauf warten: so muß ihm auf seine schuldigen Diensttage für die Rückfuhre eben so viel, als für die Hinfuhre abgeschrieben werden.
§. 409. Ueber Vier und Zwanzig Stunden auf Rückladung zu warten, ist der Unterthan niemals verbunden.
§. 410. Die Verbindlichkeit, in herrschaftlichen Angelegenheiten Boten zu gehen, trifft gewöhnlich nur die zu Spanndiensten nicht verpflichteten Unterthanen.
§. 411. Das Botenlaufen gehört in der Regel zu den außerordentlichen Diensten; doch können die ordinairen Diensttage, welche während der durch eine Verschickung veranlaßten Abwesenheit des Unterthans verflossen sind, niemals nachgefordert werden.
§. 412. Die Zeit, welche der Unterthan, über einen halben Tag, an dem Orte, wohin er verschickt woden ist, auf die Abfertigung warten muß, ist ihm auf die schuldigen Diensttage, in so fern diese nachgefordert werden können, gut zu schreiben.
§. 413. Ein Botenläufer ist im herrschaftlichen Dienste Fünfzehn bis Achtzehn, und wenn die Entfernung weiter ist, als daß er noch an demselben Tage zurückkommen könnte, Zehn bis Zwölf Pfund mitzutragen schuldig.
§. 414. Lasten, die nur mit einem Schiebekarren, oder mit einer Radbare fortgebracht werden können, sind die Unterthanen im Botendienste mitzunehmen, der Regel nach nicht verbunden.
§. 415. Wo sie aber dazu verpflichtet sind, da darf eine solche Last die Schwere von Fünfzig bis Sechzig Pfund niemals übersteigen.
§. 416. Wegen Bestimmung der Weite hat es bey den Vorschriften §. 404. 405. sein Bewenden.
§. 417. Außerordentliche Dienste, welche die Unterthanen über die ordinaire Hofearbeit zu leisten schuldig sind, insonderheit aber Baudienste, können zur Saat- und Erndtezeit, außer dem Falle einer dringenden Noth, von ihnen nicht gefordert werden.
§. 418. Auf jede Saatzeit werden Vier, und auf die Erndtezeit Sechs Wochen gerechnet.
§. 419. Die Bestimmungen: was den Unterthanen für ihre Dienste an Lohn, Kost, oder Futter gebühre, bleiben den Verfassungen eines jeden Orts; und der Gesetzen der Provinz überlassen.
§. 420. Doch müssen ihnen überall das Zoll-, Wege-, Brücken- und Fährgeld, ingleichen, wenn sie im herrschaftlichen Dienste über Nacht ausbleiben müssen, bey Spanndiensten das Stall-, und bey dem Botengehen das Schlafgeld, so wie alle andern extraordinairen Auslagen dieser Art, vergütet werden.
Verwandlung der Dienste in Dienstgeld.
§. 421. Mit Einwilligung der Unterthanen kann die Herrschaft Naturaldienste in Dienstgeld, und mit ihrer Zuziehung ungemessene Dienste aller Art in gemessene verwandeln.
§. 422. In so fern aber durch dergleichen in den Diensten einzelner Unterthanen vorzunehmende Veränderung, die unbestimmten Lasten der übrigen erschweret werden können, ist die Einwilligung aller Theilnehmer erforderlich.
§. 423. Wo jeder Unterthan bestimmte Dienste zu leisten hat, da bedarf es zur Verwandlung derselben in Geld- oder andern Abgaben, auch bey einzelnen Unterthanen, keiner Einwilligung von Seiten der übrigen.
§. 424. Ist der Unterthan zu Naturaldiensten oder zu Dienstgeld verpflichtet: so gebührt der Herrschaft die Wahl: welches von beyden sie fordern wolle.
§. 425. Sie muß aber, wenn sie von dem, was bisher geschehen ist, abgehen will, den Anfang eines neuen Wirthschaftsjahres abwarten, und die Unterthanen wenigstens in den ersten Drey Monathen des nächstvorhergehenden Wirthschaftsjahres davon benachrichtigen.
§. 426. Ein Gleiches muß von den Unterthanen geschehen, wenn diesen die Wahl: ob sie Dienstgeld zahlen, oder die Dienste in Natur leisten wollen, ausdrücklich vorbehalten ist.
§. 427. Haben sich Herrschaft und Unterthanen durch schriftliche Verträge auf Dienstgeld vereinigt: so hat es bey dem wörtlichen Inhalte dieser Verträge sein Bewenden.
§. 428. Ist aber kein schriftlicher Vertrag vorhanden: so kann der Herrschaft, wenn auch dieselbe seit noch so langer Zeit nur das Dienstgeld gefordert und angenommen hat, die Forderung der Dienste in Natur dennoch nicht gewehrt werden.
§. 429. Eine Verjährung findet in diesem Falle nur von der Zeit an statt, wo die Herrschaft die Dienste in Natur gefordert, der Unterthan deren Leistung verweigert, und die Herrschaft das Dienstgeld von ihm ferner angenommen hat.
§. 430. Sind den Unterthanen innerhalb Fünfzig Jahren die Dienste in Natur nicht abgefordert, sondern nur Dienstgeld von ihnen entrichtet worden: so muß es der Regel nach auch ferner dabey sein Bewenden haben.
§. 431. Kann jedoch klar nachgewiesen werden, daß die Unterthanen in noch ältern Zeiten wirklich Naturaldienste geleistet haben: so bleibt es bey den §. 428. und 429. enthaltenen Verordnungen.
§. 432. Wenn der Unterthan dem Staate dienen muß, und in derselben Zeit nicht zugleich die herrschaftlichen Dienste leisten kann: so muß er zwar damit in diesem Zeiträume verschont; es müssen aber, die solchergestalt rückständig gebliebenen herrschaftlichen Dienste in den zunächst folgenden Tagen oder Wochen von ihm nachgeleistet werden. (§. 339. sqq.)
§. 433. Eben das findet statt, wenn der Unterthan, durch von ihm zu leistende Gemeinarbeit, an der Ableistung der herrschaftlichen Dienste eine Zeitlang verhindert worden.
§. 434. Doch muß den Unterthanen durch dieses Nachdienen die nothwendige Bestellung ihrer eignen Wirthschaft nicht unmöglich gemacht werden.
§. 435. Bey erlittenem beträchtlichen Brandschaden an Wohn- oder Wirthschaftsgebäuden, kann der Unterthan einen verhältnißmäßigen Erlaß an den Diensten verlangen; in so fern die Herrschaft den Wiederaufbau nicht selbst zu besorgen übernimmt.
§. 436. Die Dauer dieses Erlasses ist auf die Hälfte der Zeit zu bestimmen, während welcher dem verunglückten Unterthan ein Nachlaß an den Kreisprästationen zu statten kommt.
§. 437. Hat der Unterthan durch Feuer oder Seuche das zum Spanndienste erforderliche Zugvieh verloren: so muß ihm ebenfalls für die Hälfte der Zeit, während welcher der Kreis Remission giebt, der Spanndienst erlassen werden.
§. 438. Doch muß er in diesem Falle, auf Verlangen der Herrschaft, statt des Spanndienstes, eben so viel Tage mit der Hand dienen.
§. 439 Bey dem Verluste des Zugviehes durch andre Unglücksfälle, kann der Unterthan nur auf so viel Zeit, als zu dessen Wiederanschaffung nothwendig ist, Nachlaß an den schuldigen Spanndiensten fordern.
§. 440. Wenn es dem Unterthan durch seine eigne, oder der Seinigen Krankheit unmöglich wird, die Dienste zu leisten: so kann die Herrschaft dieselben nicht nachfordern.
§. 441. Doch kann in diesem Falle der spanndienstpflichtige Unterthan sein Zugvieh dem herrschaftlichen Dienste nicht vorenthalten.
§. 442. Die Frau des dienstbaren Unterthans bleibt nach ihrer Niederkunft, durch Sechs Wochen, von den ihr sonst obliegenden Weiberdiensten frey.
§. 443. Wenn der Wirth oder die Wirthin gestorben ist: so können von der Stelle Acht Tage lang keine Dienste gefordert werden.
§. 444. Auf einem immerwährenden Erlaß an den schuldigen Diensten, wegen angeblicher Unmöglichkeit, können Unterthanen nur alsdann antragen, wenn sie durch Zufall, höhere Gewalt, oder den Anspruch eines Dritten, einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Grundstücke, oder eine dazu gehörende nutzbare Gerechtigkeit verloren haben.
§. 445. Ferner alsdann, wenn durch einen solchen Unglücksfall die Grundstücke zu der bisher gewöhnlichen Cultur ganz oder zum Theil unbrauchbar geworden sind.
§. 446. Wird durch Nachweisung solcher Umstände die Unmöglichkeitsklage begründet: so muß durch Sachverständige ausgemittelt werden: um wie viel die Stelle durch den erlittenen Unglücksfall an ihrem Ertrage vermindert worden.
§. 447. Alsdann muß die Herrschaft entweder den vormaligen Ertrag durch Anweisung andrer Realitäten wieder ergänzen, oder sich nach Verhältmß der entstandenen Verschlimmerung, eine Heruntersetzung der Dienste gefallen lassen.
§. 448. Behauptet die Herrschaft, daß die Unterthanen, des erlittenen Verlustes ungeachtet, die schuldigen Dienste dennoch leisten können: so steht ihr frey, die Möglichkeit derselben entweder durch nähere Ausmittelung der gegenwärtigen Beschaffenheit der Güter, oder durch Vergleichung mit andern eben solche Dienste in gleichem Maaße wirklich leistenden Stellen, nachzuweisen.
§. 449. Wählt die Herrschaft den ersten Weg: so muß ausgemittelt werden: ob die Stelle bey einer gewöhnlichen Bewirthschaftung so viel eintragen könne, als zur Unterhaltung des Besitzers und semer Familie, so wie des zur Bestellung der Wirthschaft und zum Hofedienst notwendigen Gespanns und Gesindes, erforderlich ist.
§. 450. Ingleichen: ob, wenn die schuldigen Dienste in ihrem bisherigen Maaß und Umfang ferner geleistet werden müßten, dem Besitzer die nöthige Zeit übrig bleibe, seine Wirthschaft gehörig zu bestellen, und sowohl die öffentlichen, als Gemeindedienste zu leisten.
§. 451. Auch muß bey dieser Zeitberechnung darauf gesehen werden: ob und wie viel Zeit der Unterthan nöthig habe, um den etwa unzureichend befundenen Ertrag der Stelle durch Nebenverdienst zu ergänzen; und in wie fern Gelegenheit zu einem solchen Nebenverdienste in der Gegend vorhanden sey.
§. 452. Nach dem, was hiedurch ausgemittelt worden, und nach dem pflichtmäßigen Ermessen vereideter Sachverständigen, muß der Richter festsetzen: ob und in welchem Maaße die Herrschaft einen Theil der schuldigen Dienste zu erlassen verbunden sey.
§. 453. Will die Herrschaft den Weg der Vergleichung wählen (§. 448.): so steht ihr frey, diejenigen Stellen, mit welchem die Vergleichung angestellt werden soll, in Vorschlag zu bringen.
§. 454. Alsdann muß untersucht werden: ob diese vorgeschlagenen Stellen mit denjenigen, für welche der Erlaß gefordert wird sowohl in Ansehung der Dienste und übrigen Lasten, als des Umfangs und der Beschaffenheit der dabey befindlichen nutzbaren Realitäten, wirklich in gleichem Verhältnisse stehen.
§. 455. Auch auf die mehr oder minder bequeme Lage, und Gelegenheit zum Nebenverdienste, muß dabey Rücksicht genommen werden.
§. 456. Findet der Richter, nach dem Ermessen der Sachverständigen, daß die zur Vergleichung schickliche eben dieselben Dienste leistende Stelle, von eben der, oder gar noch schlechterer Qualität sey: so ist die Unmöglichkeitsklage als ungegründet zu verwerfen.
§. 457. Findet sich aber, daß die gleiche Dienste leistende Stellen von besserer Qualität sind: so muß die Herrschaft entweder diejenigen, für welche der Erlaß gefordert wird, so weit, daß sie jenen gleich werden, verbessern; oder nach Verhältniß der schlechtern Qualität, eine Heruntersetzung der Dienste sich gefallen lassen.
§. 458. Sind durch Erweiterung oder Verbesserung der herrschaftlichen Wirthschaft, ungemessene Dienste der Unterthanen dergestalt vermehrt worden, daß denselben die erforderliche Zeit zu ihrer eignen Nothdurft nicht übrig bleibt: so ist die Herrschaft schuldig, dabey mit eignen Zügen oder Lohnarbeitern, nach Verhältniß der Erweiterung, mitzuwirken.
§. 459. Obige Vorschriften (§. 444-458.) gelten auch alsdann, wenn die Unterthanen ihre Stellen nicht eigenthümlich besitzen, sondern dieselben der Herrschaft gehören.
§. 460. Will jedoch die Herrschaft sich mit einem solchen Unterthan auf den Prozeß über die vorgeschützte Unmöglichkeit der Dienste gar nicht einlassen: so steht ihr frey, die Stelle zurückzunehmen.
§. 461. Sie muß aber alsdann den Unterthan, sein Weib, und die nach dem Achten Abschnitte ihm folgenden Kinder, wenn er anderwärts im Lande sein Unterkommen finden kann, der Untertänigkeit auf sein Verlangen unentgeltlich entlassen, und für die Wiederbesetzung der Stelle mit einem tauglichen Wirthe bey eigner Vertretung sorgen.
§. 462. Ist der Unterthan bloß Zeitpächter: so muß sein Befugniß, Erlaß der Dienste zu fordern, nach dem Inhalte seines Contraktes, hiernächst aber nach den bey Pachtungen überhaupt vorgeschriebenen Grundsätzen beurtheilt werden.
§. 463. Bey entstehenden Dienststreitigkeiten müssen die Unterthanen diejenigen Dienste, welche sie in dem letzten Jahre vor erfolgtem Widerspruche, auf Geheiß der Herrschaft, ohne schriftlichen Vorbehalt geleistet haben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache fortsetzen.
§. 464. Bau- und andre nicht alljährig wiederkommende Dienste müssen, wenn der Besitzstand streitig ist, während des Prozesses nach dem Provinzial-, und wo diese nichts bestimmen, nach dem allgemeinen Gesetzbuche geleistet und angenommen werden.
§. 465. Gegen diese einstweilige Leistung der streitigen Dienste, können die Unterthanen sich mit dem Einwande, daß diese Dienste in den vorhandenen Verträgen oder Urbarien mit Stillschweigen übergangen sind, keinesweges schützen.
§. 466. Doch hat es in Ansehung der nach Vorschrift §. 141. aufgenommenen Urbarien, bey der Verordnung des §. 143. sein Bewenden.
§. 467. Findet es sich am Ende des Prozesses, daß die Herrschaft die streitigen Dienste zur Ungebühr gefordert habe: so muß sie dieselben den Unterthanen, von der Zeit des ersten Widerspruchs an, nach dem doppelten Satze des in der Gegend gewöhnlichen Cammeranschlages vergüten.
§. 468. Bey Unmöglichkeitsklagen müssen die Unterthanen die schuldigen Dienste bis zu dem Erkenntniß in erster Instanz dennoch leisten.
§. 469. Was aber in dieser Instanz erkannt worden, muß einstweilen gelten, bis ein Andres rechtskräftig festgesetzt ist.
§. 470, Wird auf einen Erlaß rechtskräftig erkannt: so muß die Herrschaft die Unterthanen wegen dessen, was sie während dem Prozesse, um dennoch die Dienste zu leisten, haben aufwenden, oder in ihrer Wirthschaft verabsäumen müssen, entschädigen.
§. 471. Besitzer dienstpflichtiger Bauergüter, wenn sie auch für ihre Personen keine Unterthanen wären, sind dennoch in Ansehung der von ihrer Stelle der Herrschaft zu leistenden Dienste und Abgaben, nach eben den Grundsätzen, wie die unterthänigen Besitzer zu beurtheilen.
Siebenter Abschnitt. Von den Zinsen und Abgaben der Unterthanen
§. 472. Grundzinsen und andre Abgaben, welche die Unterthanen der Herrschaft von ihren Stellen zu entrichten haben, sollen künftig, so wie die Dienste, in den Urbarien oder Kauf- und Annehmebriefen, möglichst genau bestimmt werden.
§. 473. Daß Unterthanen außer den auf eine oder die andre Weise bestimmten, noch andre oder mehrere Abgaben an die Herrschaft zu leisten schuldig sind, wird nicht vermuthet.
§. 474. Gebührt der Herrschaft ein verhältnißmäßiger Antheil (pars quota) gewisser Erzeugnisse, es sey als Zehent, oder unter einem andern Namen: so finden die Vorschriften vom Zehentrecht Anwendung. (Tit. XI. Abschn. XI.)
§. 475. Abgaben, die in einem gewissen bestimmten Maaße von Früchten, oder andern Naturalien bestehen, müssen so, wie sie auf dem zinsbaren Gute gewonnen worden, rein und unvermengt entrichtet und angenommen werden.
§. 476. Sind dem Unterthan dergleichen Naturalien in einem oder dem andern Jahre nicht zugewachsen: so muß er dafür den zur Verfallzeit gestandenen mittleren Preis der nächsten Marktstadt entrichten.
§. 477. Doch steht dem Unterthan frey, die ihm mißrathenen Naturalien selbst anzukaufen, und solchergestalt in Natur an die Herrschaft abzuliefern.
§. 478. Dergleichen Abgaben müssen am Verfalltage, oder spätestens innerhalb Vier Wochen nach demselben, abgeführt werden.
§. 479. Fällt dem Unterthan eine Saumseligkeit erweislich zur Last: so steht es in der Wahl der Herrschaft: ob sie nach dem Verfalltage noch die Natural-Lieferung, oder baare Bezahlung, nach dem am Verfalltage gestandenen mittleren Marktpreise, fordern wolle.
§. 480. a) Wählt sie letzteres: so muß der Unterthan von der schuldigen Geldsumme Zögerungszinsen seit dem Verfalltage entrichten.
§. 480. b) Nach Ablauf der Vier Wochen (§. 478.) hat der Unterthan die Vermuthung der Saumseligkeit wider sich.
§. 481. Zu Zögerungszinsen ist der Unterthan in Ansehung aller Geldabgaben, die nicht an dem bestimmten Termine erlegt worden, verpflichtet.
§. 482. Geldzinsen müssen in derjenigen Münzsorte bezahlt und angenommen werden, in welcher der Unterthan die öffentlichen Abgaben zu entrichten hat.
§. 483. Sollte in Zukunft ein leichterer Münzfuß eingeführt werden: so dient bey Bestimmung der von den Unterthanen zu entrichtenden, alsdann schon bestehenden Zinsen, der gegenwärtige Münzfuß zur Richtschnur.
§. 484. Unstreitige Zinsen kann die Herrschaft, auch wenn sie selbst die Gerichtsbarkeit nicht hat, durch die Dorfgerichte des Orts unmittelbar beytreiben lassen.
§. 485. Doch müssen dabey die Vorschriften der Executionsordnung beobachtet, und wenn es auf einen öffentlichen gerichtlichen Verkauf ankommt, die Direktion desselben dem ordentlichen Richter überlassen werden.
§. 486. Bestreitet aber der Unterthan die Verbindlichkeit zu den geforderten Zinsen oder Abgaben: so ist ihm darüber rechtliches Gehör und Erkenntniß nicht zu versagen.
§. 487. Er muß aber, wenn die Herrschaft sich bisher im Besitze der streitig gewordenen Zinsen befunden hat, dieselben während des Prozesses, mit Vorbehalt seines Rechts, entrichten, oder Sicherheit dafür bestellen.
§. 488. Wegen erlittener Unglücksfälle können Unterthanen an den herrschaftlichen Zinsen und Abgaben nur alsdann einen Nachlaß fordern, wenn ihnen dergleichen an der landesherrlichen Contribution zu statten kommt.
§. 489. Das den Unterthanen zu erlassende Quantum muß nach der Hälfte der Zeit, für welche der Landesherr die Steuern erläßt, berechnet werden.
§. 490. Wenn also z. B. der Landesherr einem Unterthan, wegen erlittener Unglücksfälle, sechsmonathliche Steuern nachläßt: so kommt diesem, an den jährlichen herrschaftlichen Zinsen und Abgaben, der Erlaß eines Viertels zu gute.
§. 491. Unterthanen, die ihre Güter auf den Grund eines wirklichen Zeit- oder Erbpachtcontrakts besitzen, müssen, auch in Ansehung der Remissionen bey Unglücksfällen, nach den bey Zeit- oder Erbpachten geltenden Gesetzen beurtheilt werden.
§. 492. Andre zinspflichtige Besitzer, die nicht Unterthanen sind, haben auf die nach §. 488. sqq. den Unterthanen zu statten kommenden Remissionen keinen Anspruch.
§. 493. Wegen rückständig gebliebener Zinsen und Abgaben hat die Herrschaft, bey einem über das Vermögen des Schuldners entstehenden Concurs, das Vorrecht der Zweyten Classe, nach näherer Bestimmung der Concursordnung.
§. 494. Von der Verjährung solcher Zinsen gilt alles, was die Gesetze bey jährlichen Prästationen überhaupt verordnen. (Th. I. Tit. IX. §. 509. 510.)
Achter Abschnitt. Von der Entlassung aus der Unterthänigkeit
§. 495. Wer die Entlassung aus der Unterthänigkeit verlangt, muß sie bey seiner Herrschaft suchen.
§. 496. Nur der wirkliche Eigenthümer des Guts, nicht aber der Pfandinhaber, oder der ein bloßes Nutzungsrecht hat, kann Unterthanen entlassen.
§. 497. Der Vormund, oder der Curator eines Schuldenwesens, kann Entlassungen nur aus den in den Gesetzen ausdrücklich gebilligten Ursachen ertheilen.
§. 498. Die Herrschaft soll keinem Unterthan die Entlassung bewilligen, der nicht vorher auf eine glaubhafte Art angezeigt hat, womit er sich künftig im Lande nähren wolle.
§. 499. Hat die Herrschaft diese Vorschrift nicht befolgt; und fällt der Entlassene dem Lande hiernächst als Bettler oder Landstreicher zur Last: so bleiben, der Herrschaft in dieser Rücksicht alle Verbindlichkeiten, als wenn er noch wirklich ihr Unterthan wäre.
§. 500. Die Ursache der Entlassung muß in dem Losbriefe oder in der Kundschaft ausgedrückt werden.
§. 501. Ist die von dem Unterthan angegebene und in dem Losbriefe ausgedrückte Ursache falsch und erdichtet: so ist die Entlassung ungültig; und die Herrschaft kann den Unterthan innerhalb rechtsverjährter Zeit zurückfordern.
§. 502. Das entrichtete Losgeld muß zwar zurück gegeben werden; fällt aber, zur Strafe des betrügerischen Unterthans, der Armenkasse des Dorfs anheim.
Fälle, wo die Loslassung nicht versagt werden kann.
§. 503. Die gesuchte Entlassung kann einem noch unangesessenen Unterthan nicht versagt werden, wenn derselbe, unter ertheilter oder ergänzter Erlaubnis der Herrschaft, auf andre als herrschaftliche Kosten, eine Wissenschaft, Kunst, oder Profession erlernt hat, womit er sich auf dem Lande nicht nähren kann.
§. 504. Was in Ansehung solcher Unterthanen, die eine Kunst, oder ein Handwerk auf herrschaftliche Kosten erlernt haben, Rechtens sey, ist oben verordnet. (§. 178. sqq.)
§. 505. Ein noch nicht angesessener Unterthan kann die Entlassung fordern, wenn er durch eine bürgerliche, Kirchen- oder Schulbedienung, oder auf andere erlaubte Art, sein Glück zu verbessern Gelegenheit findet.
§. 506. Wenn ein noch nicht angesessener, aber großjähriger Unterthan, sich auswärts ansäßig machen kann: so ist die Herrschaft ihn zu entlassen verbunden. §. 507. Kann aber die Herrschaft einem solchen Unterthan in den Gütern, zu welchen er mit Unterthänigkeit verpflichtet ist, eine Stelle anweisen: so muß er dieselbe entweder annehmen, oder der Herrschaft, gegen seine Entlassung, einen andern tauglichen und annehmlichen Wirth zu dieser Stelle verschaffen.
§. 508. Ob die dem Unterthan von der Herrschaft anzuweisende Stelle von eben der Beschaffenheit, Umfange, oder Werthe ist, als diejenige, die der Unterthan auswärts übernehmen will, macht dabey keinen Unterschied.
§. 509. Soll aber der Unterthan diese Stelle gegen ein Entgeld übernehmen, welches seine Vermögensumstände übersteigt: so kann ihm dieselbe nicht aufgedrungen, noch er an Uebernehmung der auswärtigen Stelle, die er unentgeltlich, oder unter leichteren seinem Vermögen angemessenem Bedingungen erhalten kann, gehindert werden.
§. 510. Ist der Unterthan, welcher wegen Uebernehmung einer auswärtigen Stelle die Entlassung sucht, der einzige zur Landwirthschaft tüchtige Sohn eines unter derselben Herrschaft angesessenen, schon bejahrten, oder mit Gebrechlichkeit oder Leibesschwäche behafteten Vaters: so ist die Herrschaft befugt, die Entlassung zu versagen, und ihn anzuweisen, daß er die Erledigung der väterlichen Stelle abwarte.
§. 511. Kann die Herrschaft dem Unterthan, der sich auswärts mit einer unterthänigen Stelle ansäßig machen will, zwar nicht in dem Gute, zu welchem er unterthänig ist, aber doch auf einem andern ihr zugeordneten Gute, in demselben Kreise, eine Stelle anweisen: so ist der Unterthan diese letztere vorzüglich anzunehmen verbunden.
§. 512. Doch muß alsdann die von der Herrschaft anzuweisende Stelle wenigstens eben so gut, als die fremde, und die Annahme derselben muß mit keinen lästigern Bedingungen verknüpft seyn.
§. 513. Auch muß der Unterthan in dem herrschaftlichen Dorfe, wo ihm die Stelle angewiesen wird, gegen das fremde Dorf, wo er die Stelle annehmen wollte, in Ansehung der Dienste, und anderer aus der Unterthänigkeit fließenden persönlichen Verhältnisse, sich nicht verschlimmern.
§. 514. Auf Gütern, die in einem andern Kreise liegen, kann die Herrschaft dem Unterthan eine Stelle niemals aufdringen.
§. 515. Auch kann sie ihn zur Annehmung einer Stelle auf einem andern Gute, wozu er nicht unterthänig ist, nicht nöthigen, wenn er die fremde Stelle durch eine Heirath erwerben soll, und seine Braut ihm auf das herrschaftliche Gut nicht folgen will.
§. 516. Kann der Unterthan durch Heirath zum Besitze einer von der persönlichen Unterthänigkeit freyen Stelle, von welcher er sich und eine Familie ernähren kann, gelangen; oder durch den Eintritt in eine bürgerliche Nahrung, sein Glück dauerhaft verbessern: so muß ihm die Entlassung ertheilt; und es ihm eine unterthänige Stelle, selbst in dem Dorfe, wohin er bisher gehört hat, nicht aufgedrungen werden.
§. 517. Ein Gleiches findet statt, wenn die Stelle, zu welcher der Unterthan durch die Heirath gelangen kann, zwar einer Gutsherrschaft unterthänig ist; die Braut aber demselben auf diejenige, welche die bisherige Herrschaft ihm anweisen will, zu folgen sich weigert.
§. 518. Außer diesen Fällen ist die Verheirathung einer unterthänigen Mannsperson kein Grund, die Entlassung zu fordern.
§. 519. Einer unterthänigen Weibsperson, die durch auswärtige Heirath ihre Versorgung finden kann, mag die Herrschaft die Entlassung nicht versagen.
§. 520. Ein Unterthan, welchen die Herrschaft ohne Urtel und Recht gemißhandelt hat, ist seine Entlassung unentgeltlich zu fordern wohl befugt.
§. 521. Auch ein schon angesessener Wirth kann seine und seines Weibes Entlassung fordern, wenn er den §. 498. vorgeschriebenen Nachweis führen, und einen andern gleich tüchtigen Wirth an seine Stelle schaffen kann.
§. 522. Die schon dienstfähigen Kinder ist die Herrschaft mit ihren Aeltern abziehen zu lassen nicht weiter gehalten, als ihr der Verlust durch die Familie des neu anziehenden Wirthes ersetzt wird.
§. 523. Behält die Herrschaft Kinder, welche noch nicht großjährig sind, zurück: so muß sie dieselben entweder selbst in ihre Dienste nehmen, oder auf andre Art für deren Unterhalt und Fortkommen sorgen.
§. 524. Kinder unter Vierzehn Jahren kann die Herrschaft ihren wegziehenden Aeltern, wider deren Willen, niemals vorenthalten.
§. 525. Wenn der Unterthan aus dem §. 520. angeführten Grunde seine Entlassung zu fordern berechtigt ist: so müssen ihm auch alle noch in seinem Brote befindliche Kinder unentgeltlich verabfolgt werden.
§. 526. Die Kinder einer abziehenden Wittwe ist die Herrschaft der Unterthänigkeit mit der Mutter zugleich zu entlassen nicht verbunden.
§. 527. Wie weit durch Verjährung die Unterthänigkeit aufhöre ist §. 155-160. bestimmt.
Fälle, wo der Unterthan des Rechts, die Entlassung zu fordern, verlustig wird.
§. 528. Ein Unterthan macht sich des Rechts, seine Entlassung zu fordern, in allen Fällen verlustig, wenn er grober Vergehungen gegen die Herrschaft, oder deren Familie, schuldig erkannt worden.
§. 529. Unter welchen Umständen das zum herrschaftlichen Hofedienste verpflichtete Gesinde, wenn es die schuldigen Dienstjahre noch nicht geleistet hat, seine Entlassung fordern könne, ist nach den Vorschriften §. 206-216. zu beurtheilen.
§. 530. Wenn ein abziehender Unterthan unter seiner bisherigen Gerichtsbarkeit in Prozeß verwickelt ist, kann er sowohl wegen der Kosten, als wegen dessen, was in der Hauptsache erkannt werden möchte, einen hinlänglichen Vorstand zu bestellen angehalten werden.
§. 531. Ob und was der abziehende Unterthan für sich, seine Familie, und sein Vermögen, an Loslassungs- und Abzugsgelde zu bezahlen habe, wird in den Provinzialgesetzen näher bestimmt.
§. 532. Diese Bestimmungen ist die Herrschaft in Fällen, wo der Unterthan eine gesetzmäßige Ursache zur Entlassung für sich hat, zu überschreiten nicht berechtigt.
§. 533. Ist bey der Annehmung eines Unterthans, wegen des von ihm im Falle seiner Entlassung zu entrichtenden Losgeldes, im Voraus etwas bedungen worden: so ist ein solcher Vertrag nach der Vorschrift §. 139. 140. zu beurtheilen.
Unterbrechung der Unterthänigkeit durch den Kriegesdienst.
§. 534. Durch die Aufnahme eines Unterthans in Königliche Kriegsdienste, wird desselben Unterthänigkeit nur unterbrochen, aber nicht aufgehoben.
§. 535. Besitzt derselbe eine unterthänige Stelle: so bleibt er zu allen mit diesem Besitze verbundnen Diensten und Abgaben, gleich andern Unterthanen, verpflichtet.
§. 536. Seinem Weibe kann die Herrschaft nicht wehren, ihrem Manne in sein Standquartier zu folgen.
§. 537. Auch ist der Vater seine Kinder, welche das Vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, mit sich zu nehmen wohl befugt.
§. 538. Kinder von höherem Alter ist die Herrschaft in das Standquartier des Vaters verabfolgen zu lassen nicht schuldig.
§. 539. Sie muß aber solche Kinder entweder selbst in ihre Dienste nehmen, oder für deren Unterhalt und Fortkommen auf andre Art sorgen.
§. 540. Wird der zu Kriegesdiensten eingezogene Unterthan derselben entlassen: so tritt er, der Regel nach, wieder in alle die Verbindlichkeiten gegen seine Herrschaft, in welchen er vor übernommenen Kriegesdiensten gestanden hat.
§. 541. Will er aber der Unterthänigkeit gegen Entrichtung des gesetzmäßigen Losgeldes entlassen seyn: so kann ihm dieses von der Herrschaft nicht versagt werden.
§. 542. Erhält er bey seiner Entlassung eine Versorgung mit einem Civildienste, welcher mit der Unterthänigkeit nicht bestehen kann: so muß er derselben unentgeltlich entlassen werden.
§. 543. In so fern der Mann, nach erhaltenem Abschiede, in die Unterthänigkeit zurückkehrt, müssen auch sein Weib, und die während seines Soldatenstandes erzeugten Kinder, ihm dahin folgen.
§. 544. Alle Kinder hingegen, welche der Vater, während seines Soldatenstandes, bey sich im Standquartier erzogen, und so weit versorgt hat, daß sie hinfort ihr Brot selbst zu verdienen im Stande sind, bleiben von der Unterthänigkeit frey.
§. 545. Auch nach dem Tode des aus dem Soldatenstande in die Unterthänigkeit zurückgekehrten Mannes, bleibt das Weib desselben, nebst den noch unversorgten Kindern in der Unterthänigkeit.
§. 546. Hat der verabschiedete Soldat während seiner Kriegesdienste eine freye Person geheirathet: so muß diese, nach des Mannes Tode, der Unterthänigkeit auf ihr Verlangen unentgeltlich entlassen werden.
§. 547. Ein Cantonist, welcher durch sein Wohlverhalten in Kriegesdiensten, bis zur Stelle eines Oberofficiers gestiegen, ist für sich und seine Familie von aller persönlichen Verpflichtung gegen seine vormalige Grundherrschaft frey, und bedarf keiner Entlassung.
§. 548. Wer es in den Kriegesdiensten des Staats bis zum Feldwebel oder Wachtmeister gebracht hat, muß unentgeltlich entlassen werden.
Achter Titel. Vom Bürgerstande
Erster Abschnitt. Vom Bürgerstande überhaupt
§. 1. Der Bürgerstand begreift alle Einwohner des Staats unter sich, welche, ihrer Geburt nach, weder zum Adel, noch zum Bauerstande gerechnet werden können; und auch nachher keinem dieser Stände einverleibt sind.
§. 2. Ein Bürger im eigentlichen Verstande wird derjenige genannt, welcher in einer Stadt seinen Wohnsitz aufgeschlagen, und daselbst das Bürgerrecht gewonnen hat.
§. 3. Personen des Bürgerstandes in und außer den Städten, welche durch ihre Aemter, Würden, oder besondere Privilegien, von der Gerichtsbarkeit ihres Wohnorts befreyt sind, werden Eximirte genannt.
§. 4. Wenn auch den Gerichten des Wohnorts die Jurisdiction über Personen, die an sich zu den Eximirten gehören, durch besondere Privilegia verliehen ist: so ändert dieses nichts in den sonstigen Rechten solcher Personen.
§. 5. Einwohner der Städte, welche weder eigentliche Bürger, noch Eximirte sind, heißen Schutzverwandte.
§. 6. Bürger und Schutzverwandte der Stadt werden nach den Statuten ihres Wohnorts; Eximirte hingegen nach den Provinzialgesetzen, und in deren Ermangelung, nach dem allgemeinen Gesetzbuche beurtheilt.
§. 7. Personen bürgerlichen Standes, welche adliche Güter besitzen, sind dieses Besitzes wegen nicht anders für eximirt zu achten, als wenn sie zugleich ihren beständigen Wohnsitz auf ihren Gütern genommen haben.
§. 8. Doch sind, auch außer diesem Falle, dergleichen bürgerliche Gutsbesitzer, in Ansehung solcher Handlungen und Geschäfte, welche auf den Besitz des adlichen Guts sich unmittelbar beziehen, dem Gerichtsstande, unter welchem das Gut gelegen ist, und den Gesetzen desselben unterworfen.
§. 9. Dagegen stehen adliche Gutsbesitzer bürgerlichen Standes, welche bürgerliches Gewerbe treiben, unter der Gerichtsbarkeit und den Statuten der Stadt, wenn sie auch bald in der Stadt, bald auf ihren Gütern leben, und also einen doppelten Wohnsitz haben.
§. 10. Die eigentlich nur dem Adelstande gegebenen Gesetze und Privilegien, finden weder bey bürgerlichen Besitzern adlicher Güter, noch überhaupt bey Eximirten Anwendung.
§. 11. Alle übrige nicht eximirte Personen des Bürgerstandes, welche außer den Städten wohnen, werden nach den Gesetzen ihres Wohnorts gerichtet; auch wenn sie ihres Gewerbes wegen in eine städtische Zunft aufgenommen sind.
§. 12. In wie fern dergleichen Landbewohner sich auf die Gesetze der benachbarten Städte, oder auf ein Weichbildsrecht zu berufen befugt sind, ist in den Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 13. Das Bürgerrecht besteht in dem Inbegriffe aller Vorzüge und Befugnisse, welche den Mitgliedern einer Stadtgemeine vom Staate verliehen sind.
§. 14. Das Bürgerrecht wird in der Regel durch den Magistrat des Orts ertheilt.
§. 15. Gutsunterthanen können, ohne Entlassung von ihren Grundherrschaften; Soldaten und Cantonisten ohne Abschied vom Regimente, oder schriftliche Einwilligung des Chefs oder Commandeurs, zu Bürgern nicht aufgenommen werden.
§. 16. Auch kann ein Minderjähriger, ohne vorhergegangene Majorennitätserklärung, in die Bürgerrolle nicht eingeschrieben werden.
§. 17. Wo die Statuten eines Orts nicht noch besondre Erfordernisse zu Erlangung des Bürgerrechts vorschreiben, da darf die Ertheilung desselben keinem, welcher hinlängliche Fähigkeit zum Betriebe eines städtischen Gewerbes besitzt, und von unbescholtnem Wandel ist, versagt werden.
§. 18. Jeder, der ein bürgerliches Gewerbe in einer Stadt treiben will, ist schuldig, sich um Ertheilung des Bürgerrechts zu melden.
§. 19. So weit die Ertheilung des Bürgerrechts die Befugniß, bürgerliche Gewerbe in einer Stadt zu treiben, in sich schließt, kann ein Fremder, welcher sich daselbst nicht häuslich niederlassen will, darauf keinen Anspruch machen.
§. 20. Findet der Magistrat für gut, einem solchen Fremden das Bürgerrecht zu ertheilen: so muß für die Bestellung eines tauglichen Repräsentanten am Orte selbst, an welchen man wegen aller bürgerlichen Lasten und Pflichten sich halten könne, gesorgt werden.
§. 21. Wer Bürger werden will, muß in der Regel auch den Bürgereid ableisten.
§. 22. Kinder, welche zu der Zeit, als ihre Aeltern das Bürgerrecht gewonnen haben, noch in väterlicher Gewalt gewesen sind, gehen, außer den im vorigen in §. 522. sqq. vorkommenden Fällen, wo die Kinder eines entlassenen Unterthans der Herrschaft ferner unterthänig bleiben, mit dem Vater zugleich in den Bürgerstand über.
§. 23. Sie erlangen, gleich den nachher gebornen, die Rechte, welche nach den Statuten, Verfassungen, oder besondern Privilegiis und Willenserklärungen, den wirklichen Bürgerkindern beygelegt sind.
§. 24. Aber auch Bürgerkinder müssen, wenn sie wirkliche Bürger werden wollen, das Bürgerrecht besonders gewinnen.
Allgemeine Rechte und Pflichten der Bürger.
§. 25. Die Bürger in den Städten sind in Polizey- und Gewerbesangelegenheiten dem Magistrate unterworfen.
§. 26. Der Magistrat ist seinen Bürgern Schutz, und erforderlichenfalls Beystand zu leisten verbunden.
§. 27. Rechte und Nutzungen, welche nur der Bürgerschaft verliehen worden, kommen den übrigen Einwohnern des Orts nicht zu statten.
§. 28. Nach welchem Verhältnisse die Bürger und Besitzer bürgerlicher Grundstücke an den gemeinschaftlichen Nutzungen Theil nehmen, und die gemeinschaftlichen Lasten zu übertragen haben, hängt von den besondern Verfassungen eines jeden Orts ab.
§. 29. Jeder Bürger ist schuldig, öffentliche Stadtämter, denen er vorzustehen fähig ist, zu übernehmen.
§. 30. Ist für die Verwaltung solcher Aemter keine besondere Belohnung ausgesetzt: so muß zwar der dazu berufene Bürger dieselben auch unentgeltlich übernehmen;
§. 31. Es müssen ihm aber die dabey vorfallenden Kosten von der Gemeine vergütet werden.
§. 32. Auch kann er in der Regel, wo die Statuten nicht eine längere, oder eine immerwährende Dauer ausdrücklich bestimmen, ein solches unentgeltlich zu führendes Amt über Ein Jahr zu behalten nicht genöthiget werden.
§. 33. Auch zu andern persönlichen Diensten sind die Bürger, in jedem Nothfalle, der gemeinen Stadt verpflichtet.
§. 34. Wenn nicht wegen außerordentlicher Gefahr, oder andrer besondrer Umstände, die persönliche Gegenwart der Bürger ausdrücklich gefordert wird: so können sie diese persönlichen Dienste auch durch andre taugliche Personen an ihrer Stelle verrichten lassen.
§. 35. Kunst- und Handwerksdienste sind die Bürger unentgeltlich zu leisten nicht schuldig.
§. 36. Neue bisher ungewöhnliche Dienste kann der Magistrat, ohne Zuziehung und Einwilligung der Bürgergemeine, außer einem dringenden Nothfalle nicht fordern, noch die Art der Vertheilung ändern.
§. 37. Ein Gleiches gilt von neuen bisher nicht gewöhnlichen Geld- oder andern Beyträgen.
§. 38. Dagegen kann aber auch die Bürgerschaft keine Beyträge, ohne die Einwilligung der Obrigkeit, unter sich bestimmen und einsammeln.
§. 39. Die Befreyung von allgemeinen persönlichen Lasten der Bürger können einzelne Mitglieder, ohne die Einwilligung der übrigen, zu deren Nachtheil nicht erlangen.
§. 40. Besondre Gesellschaften der Stadtgemeine hingegen können, auch durch Verjährung, von den Lasten der gemeinen Bürger befreyt werden.
§. 41. Wo mit dem Besitze gewisser Grundstücke, oder mit gewissen Geschäften oder Würden, eine persönliche Befreyung von gemeinen bürgerlichen Lasten, nach einer seit rechtsverjährter Zeit wohl hergebrachten Verfassung, bisher verbunden gewesen, da hat es auch fernerhin dabey sein Bewenden.
§. 42. Wer seinen Wohnsitz an einen andern Ort verlegt, verliert dadurch das Bürgerrecht in der verlassenen Stadt.
§. 43. Will er sich selbiges erhalten: so muß er die Erlaubniß dazu längstens binnen Jahr und Tag, nach seinem Abzuge bey dem Magistrate nachsuchen.
§. 44. Gründe des gemeinen Besten, und der Beförderung des Wohlstandes der Stadt und Bürgerschaft, müssen über die Ertheilung oder Versagung dieser Erlaubniß den Ausschlag geben.
§. 45. Ein solcher abwesender Bürger ist zwar, so lange seine Abwesenheit dauert, von den persönlichen bürgerlichen Pflichten frey; er kann aber auch von den der Person anklebenden Rechten eines Bürgers keinen Gebrauch machen.
§. 46. Will der abwesende Bürger, auf den Grund der erhaltenen besondern Erlaubniß, sein Gewerbe an seinem vorigen Wohnorte durch andere fortsetzen: so findet die Vorschrift des §. 20. auf ihn Anwendung.
§. 47. Wer, ohne einen andern Wohnsitz zu nehmen, sich aus der Stadt entfernt, verliert sein Bürgerrecht nur durch die gewöhnliche Verjährung.
§. 48. Ein Bürger, welcher in die Classe der Eximirten übergeht, verliert bloß dadurch sein Bürgerrecht noch nicht.
§. 49. Giebt er aber die bisher getriebene bürgerliche Nahrung auf, und entzieht sich der fernern Leistung bürgerlicher Lasten und Pflichten: so kann er auch auf das Bürgerrecht nicht ferner Anspruch machen.
§. 50. Wenn der Vater durch die Veränderung seines Wohnorts, oder durch den Uebergang in die Classe der Eximirten, sein Bürgerrecht verliert: so verlieren auch die noch in seiner Gewalt stehenden Kinder die Vorrechte der Bürgerkinder.
§. 51. Hat der Vater sein Bürgerrecht nur durch eine ausdrückliche Concession erhalten (§. 43. sqq.): so bleiben allen seinen Kindern die Vorrechte der Bürgerkinder so lange, bis sie selbst einen eignen Wohnsitz außerhalb dem Orte, wo der Vater Bürger war, aufschlagen.
§. 52. Hat der Vater sein Bürgerrecht durch die bloße Entfernung verloren (§. 47.) so bleiben den zur Zeit der Entfernung schon vorhandenen Kindern die Vorrechte der Bürgerkinder so lange, als sich mit ihnen nicht eine Veränderung zuträgt, durch welche sie, wenn sie selbst schon wirklich Bürger wären, des Bürgerrechts verlustig gehen würden.
§. 53. Kinder hingegen, welche erst nach der Entfernung erzeugt worden, verlieren die Vorrechte der Bürgerkinder, sobald der Vater selbst des Bürgerrechts verlustig wird.
§. 54. Wer für ehrlos erklärt, des Landes verwiesen, oder nach ergriffener Flucht des Todes schuldig erkannt worden, verliert sein Bürgerrecht.
§. 55. Andre Verbrechen wirken den Verlust des Bürgerrechts nur alsdann, wenn darauf nach Vorschrift der Criminalgesetze ausdrücklich erkannt worden.
§. 56. Wenn der Vater durch seine Verbrechen das Bürgerrecht verliert: so werden, außer dem Falle des Hochverraths, die vorher erzeugten Kinder der Vorrechte der Bürgerkinder dadurch nicht verlustig.
§. 57. Auch Wittwen, und geschiedene, aber nicht ausdrücklich für den schuldigen Theil erklärte Ehefrauen, nehmen an den bürgerlichen Rechten ihrer gewesenen Männer, in so fern diese nicht an deren Person gebunden waren, so lange Theil, als sie selbst ihren Stand nicht verändern.
§. 58. In wie fern sie aber das bürgerliche Gewerbe ihrer Männer fortsetzen können, ist unten bestimmt.
§. 59. Adliche und Eximirte, die in Städten wohnen, müssen sich, gleich wirklichen Bürgern, nach der allgemeinen städtischen Polizeyeinrichtung achten; und sind in vorkommenden Fällen den Polizeystrafen unterworfen.
§. 60. Kaufmannschaft, oder andre bürgerliche Gewerbe, können sie, ohne das Bürgerrecht erlangt zu haben, nicht treiben.
§. 61. Wenn sie nach erlangtem Bürgerrechte, ein solches Gewerbe wirklich treiben: so müssen sie in allen dasselbe betreffenden Angelegenheiten, die städtische Gerichtsbarkeit und Polizeyverordnungen anerkennen.
§. 62. Hingegen behalten sie in allen ihren übrigen persönlichen Angelegenheiten die Rechte und den Gerichtsstand der Eximirten.
§. 63. Sie müssen aber die gemeinen bürgerlichen Lasten und Dienste bey der Stadt, gleich andern Bürgern, leisten.
§. 64. Doch können sie zur Leistung persönlicher Dienste in eigner Person niemals gezwungen werden.
§. 65. Wollen eximirte Personen bürgerliche Grundstücke besitzen: so müssen sie damit zugleich alle darauf haftenden bürgerlichen Lasten übernehmen.
§. 66. Auch persönliche Leistungen, die mit dem Besitze bürgerlicher Grundstücke verbunden sind, müssen sie entweder selbst, oder durch taugliche Substituten verrichten.
§. 67. Sie können aber zu deren selbst eignen Leistung niemals gezwungen werden.
§. 68. In allen auch persönlichen Angelegenheiten, die sich auf ihre Eigenschaft als Grundbesitzer beziehen, müssen sie die städtische Gerichtsbarkeit und Gesetze anerkennen.
§. 69. Zu diesen Obliegenheiten müssen sie sich, auf Verlangen des Magistrats, durch einen schriftlichen Revers verpflichten.
§. 70. Die Kinder der Eximirten genießen, so lange sie unter väterlicher Gewalt stehen, die Exemtion der Aeltern.
§. 71. Wenn Eximirte durch Urtel und Recht ihrer Aemter und Würden entsetzt worden: so fallen sie in die Classe, in welche sie nach ihrer Geburt gehörten, zurück.
§. 72. Schutzverwandte sind, auch für ihre Personen, der Jurisdiktion der städtischen Obrigkeiten der Regel nach unterworfen.
§. 73. So lange sie das Bürgerrecht nicht gewonnen haben, dürfen sie weder bürgerliche Gewerbe treiben, noch andre Rechte wirklicher Bürger ausüben.
§. 74. In wie fern sie zu den bürgerlichen Lasten mit beizutragen, und Abgaben an die gemeine Stadt zu entrichten schuldig sind, hängt von der besondern Verfassung eines jeden Orts ab.
§. 75. Im Mangel näherer Bestimmungen sind sie zu Persönlichen Diensten nur in dringenden Nothfällen, wo die Mitwirkung der eigentlichen Bürger allein zur Abwendung einer der Stadt drohenden Gefahr nicht hinreichen würde, verpflichtet.
§. 76. Dagegen müssen sie zu öffentlichen Anstalten, wenn sie den Vortheil davon mit genießen, einen billigen Beytrag leisten.
§. 77. Doch kann ihnen, auch in diesem Falle, ein Mehreres, als den Bürgern der geringsten Classe, nicht abgefordert werden.
§. 78. Die Zahl der Bürgerhäuser soll erhalten: und mehrere derselben sollen, ohne besondere Erlaubniß des Magistrats, nicht in Eins zusammengezogen werden.
§. 79. Diese Erlaubniß darf der Magistrat nur aus erheblichen Gründen des gemeinen Wohls der Stadt, und nur in so weit ertheilen, als dadurch den Einwohnern der nöthige Platz zu Wohnungen, und zum Betriebe der Gewerbe, nicht entzogen wird.
§. 80. Wer in einer Stadt Burglehne, oder andere von den gemeinen bürgerlichen Lasten befreyete Häuser besitzt, darf kein damit gränzendes Bürgerhaus an sich bringen.
§. 81. Wenn dergleichen gemeine Bürger- und befreyete Häuser durch Erbgangsrecht in Einer Person zusammen kommen: so muß der Magistrat die nöthigen Maaßregeln zur Verhütung aller Vermischungen der Gränzen und Gerechtsame, auf Kosten des Besitzers, besonders festsetzen.
§. 82. Die zu Bürgerhäusern gehörende Aecker und Wiesen sind in der Regel von den Häusern, zu welchen sie bisher geschlagen gewesen, nicht untrennbar; sondern können von einem Hausbesitzer auf den andern übertragen, oder auch von andern Einwohnern der Stadt, als für sich bestehende Grundstücke besessen werden.
§. 83. Fremde, die nicht in der Stadt wohnen, können dergleichen Grundstücke in der Regel nicht erwerben, noch besitzen.
§. 84. Insonderheit können Besitzer von Landgütern, die mit solchen Aeckern oder Wiesen gränzen, oder damit vermischt liegen, dieselben nicht an sich bringen.
§. 85. Geschieht eine solche Vereinigung durch Erbgangsrecht: so findet die Vorschrift (§. 81.) Anwendung.
Zweyter Abschnitt. Von Städten und Stadtgemeinen
§. 86. Städte sind hauptsächlich zum Aufenthalt solcher Einwohner des Staats bestimmt, welche sich mit der Verarbeitung oder Verfeinerung der Naturerzeugnisse, und mit dem Handel beschäftigen.
§. 87. Das Stadtrecht kann von niemanden als dem Oberhaupte des Staats ertheilt werden.
§. 88. Das Stadtrecht erstreckt sich in der Regel nicht auf die Vorstädte.
§. 89. Doch werden die Einwohner dieser letztern, so weit sie der Gerichtsbarkeit des Magistrats unmittelbar unterworfen sind, in ihren Rechtsangelegenheit, nach den Statuten der Stadt beurtheilt.
§. 90. Das Recht der Bannmeile ist keine Folge des Stadtrechts, und muß besonders nachgewiesen werden.
§. 91. Wenn einer Stadt das Meilenrecht wirklich zukommt: so dürfen innerhalb der Meile auch solche städtische Gewerbe, die sonst auf dem Lande zugelassen sind, nicht getrieben werden.
§. 92. Wer innerhalb der Meile ein solches Gewerbe treiben will, muß seine durch besondre rechtsgültige Privilegia oder durch Verjährung erlangte Befugniß dazu gehörig nachweisen.
§. 93. Doch erstreckt sich das Meilenrecht in der Regel nicht auf solche Handwerker, welche bey dem Betriebe der Landwirtschaft unentbehrlich sind.
§. 94. Nähere Bestimmungen, was für Handwerker auf dem Lande überhaupt, und innerhalb einer städtischen Bannmeile insonderheit, angesetzt werden können, oder nicht, bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 95. Die mit dem Meilenrechte versehenen Städte sind ausschließend befugt, alle innerhalb der Meile gelegenen Dörfer mit dem in der Stadt verfertigten Biere und Branntwein zu verlegen. (Th. I. Tit. XXIII. §. 53. sqq.)
§. 96. Die Bannmeile ist nach dem in jeder Provinz gewöhnlichen Meilenmaaße zu bestimmen.
§. 97. Wo in einer Provinz kein besondres Meilenmaaß eingeführt ist, da ist unter der Bannmeile eine geographische, von Neunzehnhundert Neun und Sechzig Rheinländischen Ruthen, zu verstehen.
§. 98. Wenn ein Streit entsteht: ob einDorf inn- oder außerhalb der Meile liege: so muß dieses durch Vermessung ausgemittelt werden.
§. 99. Die Vermessung wird vom Stadtthore angefangen, und bis zum Dorfgehege fortgesetzt.
§. 100. Kann erwiesen werden, daß seit der Verleihung des Bannrechts, der Bezirk der Stadt oder des Dorfes erweitert, oder sonst verändert worden: so sind die Punkte der Vermessung nach der in frühem Zeiten nach der Verleihung bestandenen Lage zu bestimmen.
§. 101. Die Messung muß durch die gewöhnliche Landstraße; nicht aber durch Fußsteige oder Feld- und Nebenwege geschehen.
§. 102. Ist die Landstraße in neuern Zeiten verändert, oder durch geradere Ziehung abgekürzt worden: so muß die vormalige Richtung derselben so weit als möglich ausgemittelt, und darnach die Messung angestellt werden.
§. 103. Messen, Jahr-, Wochen-, Woll- und Viehmärkte, sollen der Regel nach nur in Städten gehalten werden.
§. 104. Wochenmärkte kann die Städtische Obrigkeit unter Genehmigung der Landespolizey-Behörde anordnen.
§. 105. Das Meß- oder Jahrmarktsrecht zu ertheilen, gebührt allein dem Landesherrn.
§. 106. Zur Zeit der Messen und Jahrmärkte steht auch Fremden der öffentliche Verkauf ihrer Waaren frey.
§. 107. Die Einschränkung dieser Freyheit in Kauf und Verkauf wird nicht vermuthet, sondern muß durch besondre landesherrliche Verordnungen nachgewiesen werden.
§. 108. Stadtgemeinen haben die Rechte privilegirter Corporationen. (Tit. VI. §. 23. sqq.)
§. 109. Alle, die in der Bürgerrolle eingetragen stehn, sind als Mitglieder einer solchen Gemeine zu betrachten.
§. 110. Gemeinschaftliche Angelegenheiten werden durch Berathschlagungen und Schlüsse der Stadtgemeinen, den Vorschriften des Sechstes Titels gemäß, regulirt und entschieden.
§. 111. Der Regel nach werden dergleichen Angelegenheiten nicht in allgemeinen Versammlungen der ganzen Bürgerschaft, sondern nur mit den Repräsentanten derselben verhandelt.
§. 112. Diese müssen aber mit den Vorstehern der Zünfte, und übrigen einzelnen in der Stadtgemeine befindlichen Corporationen, so wie diese hinwiederum, ein jeder mit den Mitgliedern seiner Zunft oder Corporation, darüber Rücksprache nehmen.
§. 113. Wegen der Versammlungen und Schlüsse dieser Classen und Corporationen, in welche die Stadtgemeine getheilt ist, gelten ebenfalls, im Mangel besondrer Bestimmungen, die Vorschriften des Sechsten Titel.
§. 114. Auch die Repräsentanten einer Stadtgemeine sind nach den daselbst ertheilten Vorschriften von Repräsentanten überhaupt zu beurtheilen.
§. 115. Stadtgemeinen haben das Recht, Statuten, welche die innere Einrichtung und Polizey der Gemeine, oder gewisser Classen derselben betreffen, durch ordnungsmäßig abgefaßte Schlüsse zu errichten.
§. 116. Doch müssen dergleichen Schlüsse; ehe sie als Statuten die Gemeine und deren einzelne Mitglieder verpflichten können, allemal erst der vorgesetzten Landes-Polizey-Instanz zur Prüfung vorgelegt werden.
§. 117. Bey Errichtung neuer Statuten, wodurch die äußern Rechte der Gemeine, oder die Privatrechte ihrer einzelnen Mitglieder bestimmt werden sollen, ist alles das zu beobachten, was wegen Abfassung neuer Gesetze vorgeschrieben worden. (Einleit. §. 7-9)
§. 118. Auch finden eben diese allgemeinen Vorschriften Anwendung, wenn von der Abänderung oder Aufhebung solcher Statuten die Rede ist. (Ebend. §. 59. sqq.)
§. 119. Der Magistrat ist der Vorsteher der Stadtgemeine.
§. 120. Ob derselbe gewählt, oder vom Landesherrn bestellt werde, ist nach den Privilegien und Statuten jedes Orts, und bey deren Ermangelung, nach den Provinzialgesetzen zu beurtheilen.
§. 121. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß der Gemeine das Wahlrecht zustehe.
§. 122. Wo die Gemeine das Wahlrecht hat, da wird selbiges der Regel nach durch den Magistrat ausgeübt.
§. 123. Die Magistrate müssen alsdann zu den erledigten Stellen taugliche Subjekte wählen, und dieselben dem vorgesetzten Landescollegio zur Prüfung darstellen.
§. 124. Wer mit einer Magistratsperson im Vierten Grade oder näher verwandt, oder durch Schwägerschaft (Th. I. Tit. I. §. 43.) in eben diesem Grade mit ihr verbunden ist, darf zur Besetzung einer erledigten Stelle nicht vorgeschlagen werden.
§. 125. Das Recht, Unterbedienten zu wählen, kommt in der Regel dem Magistrate zu.
§. 126. Von der Wahl der Stadtsekretarien gilt alles, was wegen der eigentlichen Mitglieder des Magistrats verordnet ist.
§. 127. Was wegen andrer Unterbedienten statt finde, ist lediglich nach der hergebrachten Verfassung eines jeden Orts zu bestimmen.
Rechte und Pflichten des Magistrats.
§. 128. Dem Magistrate gebühret, als Vorstehern der Bürgerschaft, vermöge seines Amts, die Ausübung der Stadtpolizey.
§. 129. In so weit sind alle, auch die eximirten Einwohner der Stadt, seiner Direction und Aufsicht unterworfen.
§. 130. Vermöge der Stadtpolizey ist der Magistrat berechtigt, die den Einwohnern der Stadt obliegenden unstreitigen Abgaben, und andre Beyträge zu den gemeinschaftlichen Lasten der Stadt einzufordern; auch über die Beobachtung der Polizeyverordnungen zu halten, und die nach selbigen unstreitig verwirkten Geldstrafen einzuziehen.
§. 131. Sobald aber wegen der Verbindlichkeit zu den abgeforderten Beyträgen, oder über die Verwirkung einer Polizeystrafe Streit entsteht, muß derselbe der Erörterung und Entscheidung des gehörigen Richters überlassen werden.
§. 132. Die Gränzen zwischen der städtischen Polizey- und Criminalgerichtsbarkeit, sind an jedem Orte durch besondre Verordnungen, so wie die Gränzen der Polizey- und Criminalgerichtsbarkeit, unten im Siebzehnten Titel bestimmt.
§. 133. Alle der Stadtgemeine untergeordnete Collegia, Corporationen, und öffentliche Anstalten, sind der Aufsicht des. Magistrats unterworfen.
§. 134. Der Magistrat ist schuldig und befugt, die Rechte der Stadtgemeine in und außer Gerichten wahrzunehmen und, zu vertheidigen.
§. 135. Ihm liegt ob, die zur Stadt gehörenden, deren Rechte und Verfassungen betreffenden Urkunden aufzubewahren.
§. 136. Das Archiv eines Stadtmagistrats hat, wenn gleich dem Magistrate die Gerichtsbarkeit nicht zukommt, dennoch mit einem gerichtlichen Archive gleiche Rechte.
§. 137. Doch muß ein Magistrat, der seinem Archive dieses Recht erhalten will, dasselbe durch besonders dazu verpflichtete Personen verwahren lassen.
§. 138. Das Cämmereyvermögen der Stadt, steht unter der Verwaltung des Magistrats.
§. 139. Zum Cämmereyvermögen gehört alles, was zur Bestreitung der gemeinschaftlichen Lasten und Ausgaben der Stadtgemeine bestimmt ist.
§. 140. Auch solche Güter, von deren Ertrage die- Unterhaltung der Magistratspersonen ganz oder zum Theil bestritten werden soll, gehören zum Cämmereyvermögen.
§. 141. Ist ein besonderer Cämmerer bestellt: so muß der Magistrat über dessen Amtsführung genaue und sorgfältige Aufsicht haben.
§. 142. Unrichtigkeiten des Cämmerers muß der Magistrat in so weit vertreten, als er bey dessen Bestellung nicht die gehörige Vorsicht gebraucht, oder die Aufsicht über ihn vernachläßigt hat.
§. 143. Wenn Streit entsteht: in wie fern der Magistrat sich dabey eine Vertretung zugezogen habe: so muß dieser Streit, im Mangel besondrer Vorschriften, nach eben den Grundsätzen entschieden werden, welche wegen Vertretung der Unrichtigkeiten eines Vormunds durch das vormundschaftliche Gericht vorgeschrieben sind.
§. 144. Der Cämmerer hat alle Rechte und Pflichten eines Verwalters fremder Güter. (Th. I. Tit. XIV. Abschn. II.)
§. 145. Der Stadtgemeine gebührt in seinem Vermögen ein in der Concursordnung näher bestimmtes Vorzugsrecht.
§. 146. An Orten, wo die Ausfälle bey der Cämmerey, durch Beyträge der Bürgerschaft aus ihren eignen Mitteln, getragen und ergänzt werden müssen, muß die Bürgerschaft, durch ihre Repräsentanten, bey der Rechnungslegung des Cämmerers zugezogen werden.
§. 147. Diese Repräsentanten sind befugt, über alles, was die Verwaltung der Stadtgüter, ingleichen die Einziehung, und Verwendung der Einkünfte betrifft, von dem Magistrate Nachweis und Erläuterung zu fordern.
§. 148. Befundene Unrichtigkeiten, oder vorgefallene Bedenklichkeiten, denen nicht so fort abgeholfen wird, müssen sie der höhern Instanz zur Untersuchung und Berichtigung anzeigen.
§. 149. Das Vermögen der Cämmereyen steht unter der Oberaufsicht des Staats.
§. 150. Der Staat ist berechtigt, darauf zu sehen, daß dieses Vermögen ordentlich verwaltet, und die Einkünfte davon zweckmäßig verwendet werden.
§. 151. Außer den Fällen, wo nach den Gesetzen von Corporationen und Gemeinen überhaupt, die Genehmigung der vom Staate vorgesetzten Behörde, zu den Verhandlungen einer Stadtgemeine in Ansehung ihres Vermögens erfordert wird, ist diese Genehmigung in allen Fällen nothwendig, wo das Cämmereyvermögen mit einer Capitalschuld belastet werden soll.
§. 152. Wie weit es, auch bey Verpachtungen der Cämmereygüter und Gerechtigkeiten, bey außerordentlichen Holzverkäufen, und bey Verfügungen über Activcapitalien der Cämmerey, einer Einwilligung der vorgesetzten Behörde bedürfe, bleibt, in Ermangelung specieller Vorschriften, den Bestimmungen der Provinzialgesetze überlassen.
§. 153. Die Zuziehung und Einwilligung der Bürgerschaft ist nothwendig, wenn Cämmereygüter oder Gerechtigkeiten veräußert, in Erbpacht ausgethan, verpfändet, oder mit Dienstbarkeiten belegt, oder neue Schulden auf die Cämmerey gemacht werden sollen, die aus Cämmereyeinkünften, ohne Abbruch der übrigen nöthigen Ausgaben, nicht getilgt werden können.
§. 154. Die Einwilligung der Repräsentanten allein ist in dergleichen Fällen nicht hinreichend; sondern diese müssen darüber mit den verschiedenen Classen der Bürgerschaft, nach Vorschrift §. 112. Rücksprache nehmen, und sich von denselben mit schriftlichen Erklärungen versehen lassen.
§. 155. Wegen gültiger Cämmereyschulden können zwar auch unbewegliche Cämmereygüter angegriffen, und im Wege der Execution veräußert werden, ohne daß es zu dieser Veräußerung eines besondern Consenses von der Gemeine oder vom Staate bedarf.
§. 156. Doch können Gebäude, welche zum Betriebe der öffentlichen Angelegenheiten und zu andern gemeinen Nothdurften, nicht bloß für die Stadtgemeine, sondern zugleich für alle am Orte Geschäfte treibende Einwohner und Fremde bestimmt sind, wegen Cämmereyschulden nicht angegriffen werden.
§. 157. Uebrigens genießen Stadtgemeinen, in Ansehung ihres Cämmereyvermögens, die Rechte der Minderjährigen.
§. 158. Auch gebührt den Cämmereyen, in dem Vermögen ihrer Schuldner, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorzugsrecht.
§. 159. Auf die Verwaltung desjenigen gemeinschaftlichen Vermögens, dessen Nutzungen den einzelnen Mitgliedern der Bürgergemeine zukommen, hat der Magistrat, vermöge seines Amtes, keinen Anspruch.
§. 160. Vielmehr wird, so weit darüber in der Verfassung nichts bestimmt ist, die Verwaltung dieses Bürgervermögens durch Schlüsse der Bürgerschaft angeordnet, und überhaupt dergleichen Vermögen nach den Regeln des gemeinsamen Eigenthums beurtheilt.
§. 161. Doch steht das Bürgervermögen unter der Aufsicht des Magistrats.
§. 162. In Fällen, wo zu Verfügungen über das Cämmereyvermögen die Genehmigung des Staats erfordert wird, gilt die Vermuthung, daß zu solchen Verfügungen über das Bürgervermögen die Einwilligung des Magistrats nachgesucht werden müsse. (§. 151. 152.)
§. 163. Die Einwilligung des Staats in Verfügungen über das Bürgervermögen ist der Regel nach nur in denjenigen Fällen nothwendig, wo dieselbe in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens der Corporation überhaupt erfordert wird.
§. 164. Das Bürgervermögen haftet für gültige Cämmereyschulden nur so weit, als das Cämmereyvermögen zu deren Tilgung nicht hinreichend ist.
§. 165. Auch außer dem Falle eines notwendigen Verkaufs, ist zur Veräußerung unbeweglicher Güter und Gerechtigkeiten einer Cämmerey oder Bürgergemeine, die öffentliche Versteigerung nothwendig.
§. 166. Zwischen mittel- und unmittelbaren Städten waltet der Regel nach nur derjenige Unterschied ob, welcher aus der Abhängigkeit der erstern noch von einer andern Herrschaft außer dem Landesherrn entsteht.
§. 167. Wenn die Herrschaft mit der Gerichtsbarkeit überhaupt beliehen ist: so wird vermuthet, daß ihr dieselbe auch über ihre Mediatstadt zukomme.
§. 168. Der Regel nach hat die Herrschaft das Recht, die städtischen Beamten zu wählen und zu bestellen.
§. 169. Auch wenn dem Magistrate oder der Bürgerschaft mittelbarer Städte das Wahlrecht beygelegt ist, gebührt der Herrschaft die Bestätigung und Verpflichtung.
§. 170. Wenn der Staat in einer Mediatstadt besondere Polizeybeamten anzusetzen nöthig findet: so gebühret die Bestellung derselben der Landes-Polizeybehörde.
§. 171. Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft kann niemanden das Bürgerrecht in einer Mediatstadt verliehen werden.
§. 172. Was für Rechte dem Mediatherrn bey der Verwaltung, Veräußerung und Verschuldung der Cämmerey- und Bürgergüter zukommen, bleibt den nähern Bestimmungen der Provinzialgesetze vorbehalten.
§. 173. Aber auch in Ansehung dieser ihm wirklich zukommenden Rechte, steht der Mediatherr unter der Oberaufsicht des Staats, und unter den von diesem vorgeschriebenen Gesetzen.
§. 174. Auch kommen in jedem Falle dem Staate, in Ansehung solcher Angelegenheiten der Mediatstädte, eben die Rechte zu, die ihm im Sechsten Titel wegen des Vermögens der Corporationen und Gemeinen überhaupt beygelegt sind.
§. 175. Die Rechte der Mediatherrschaft über die einzelnen Bürger hängen von dem Unterschiede des Verhältnisses ab, nach welchem die letztern entweder der Unterthänigkeit, oder nur der Gerichtsbarkeit der erstern unterworfen sind.
§. 176. Flecken unterscheiden sich von Dörfern nur durch die ihren Einwohnern zukommende Befugniß, gewisse städtische Gewerbe zu treiben.
§. 177. Doch können in Flecken, der Regel nach, zum Betriebe solcher Gewerbe keine Corporationen und Innungen errichtet werden.
§. 178. Die in Flecken angeordneten Magisträte haben der Regel nach nur eben die Rechte, wie Dorfgerichte.
Dritter Abschnitt. Von Handwerkern und Zünften
§. 179. Wo bisher eine Art von Gewerbe in keine Zunft oder Innung eingeschlossen gewesen ist, da soll auch ferner der Betrieb desselben einem jeden, welcher damit fortzukommen sich getrauet, frey und unverschränkt seyn.
§. 180. Doch muß jeder, welcher dergleichen Gewerbe anstellen will, zuvor der Obrigkeit des Orts davon Anzeige machen.
§. 181. Wo Zünfte sind, muß ein jeder, der in der Stadt ein zunftmäßiges Gewerbe treiben will, sich in dieselben aufnehmen lassen.
§. 182. Neue Zünfte zu errichten kommt allein dem Landesherrn zu.
§. 183. Der Landesherr allein hat das Recht, eine bisher ungeschlossen gewesene Zunft in eine geschlossene zu verwandeln; d. h., die Zahl der Mitglieder, aus welchen die Zunft an einem Orte bestehen soll, zu bestimmen.
§. 184. Auch wo geschlossene Zünfte sind, bleibt dem Staate nach wie vor das Recht, nach Befinden der Umstände, Freymeister anzustellen.
§. 185. Landhandwerker sind der Regel nach schuldig, sich zu einer städtischen Zunft zu halten, wenn die Profession, welche sie treiben, an und für sich eine geschlossene Innung hat.
§. 186. Auch die innerhalb einer städtischen Bannmeile geduldeten Landhandwerker sind in der Regel verbunden, zunftmäßig zu werden.
§. 187. Wo die Landhandwerker nach Provinzialgesetzen, Innungsartikeln, Verträgen, oder einer seit rechtsverjährter Zeit wohl hergebrachten Observanz, zünftig zu werden nicht schuldig sind, hat es dabey, so wie bey den von ihnen an die Zunft zu leistenden Beyträgen, auch noch ferner sein Bewenden.
§. 188. In wie fern Landhandwerker, ingleichen die in kleinen Städten und in Flecken einzeln wohnende Meister, Lehrlinge annehmen, und Gesellen halten können, bleibt der nähern Bestimmung der Provinzialgesetze vorbehalten.
§. 189. Zimmerleute, Maurer, und Schmiede, sind durchgehends, auch wenn sie nicht zur Zunft gehören, Gesellen und Jungen zu halten berechtigt.
§. 190. Zur Errichtung einer eignen Zunft in einer Stadt werden wenigstens Drey daselbst wohnende Meister erfordert.
§. 191. Die Zünfte haben, gleich, der ganzen städtischen Gemeine, zu welcher sie gehören, die Rechte privilegirter Corporationen.
§. 192. Ihre innere Verfassung, und die Rechte und Pflichten der Zunftgenossen, sind hauptsächlich nach den vom Staate ertheilten oder bestätigten Gildebriefen, Innungsprivilegiis, und Zunftartikeln zu beurtheilen.
§. 193. Sie stehen unter der Aufsicht des Magistrats, und der von demselben verordneten Beysitzer.
§. 194. Außerordentliche Versammlungen können nur mit Vorwissen und Genehmigung des Beysitzers veranlaßt werden.
§. 195. Der Beysitzer muß bey allen gewöhnlichen und außerordentlichen Zusammenkünften der Zunft gegenwärtig seyn.
§. 196. Die Schlüsse und Ausfertigungen werden durch seine Mitunterschrift, und durch Beydrückung des ihm anvertraueten Gewerkssiegels bekräftigt.
§. 197. Nur eigentliche Zunftangelegenheiten können durch Zunftschlüsse regulirt werden.
§. 198. Die Zünfte können in ihren Versammlungen nichts beschließen, was allgemeinen Polizeygesetzen zuwider ist, oder dem gemeinen Besten überhaupt nachtheilig werden könnte.
§. 199. Sie dürfen keinen Preis der von den Zunftgenossen zu verfertigenden Arbeiten bestimmen.
§. 200. Sie müssen es der Obrigkeit allein überlassen: ob die Festsetzung einer Taxe nothwendig und rathsam sey.
§. 201. Soll jedoch dergleichen Taxe bestimmt werden: so muß die Obrigkeit die Zunftältesten zuziehen, und mit ihrem Gutachten hören.
§. 202. Keine Zunft ist berechtigt, ihren Genossen die Vollendung der von einem andern angefangenen Arbeit zu untersagen.
§. 203. Keine Zunft darf durch ihre Schlüsse den neu aufzunehmenden Mitgliedern neue bisher nicht gewöhnliche Lasten aufbürden.
§. 204. Beyträge und Strafen darf die Zunft von ihren Mitgliedern nur so weit fordern, als es in den vom Staate gegebenen oder bestätigten Innungsartikeln, mit Bestimmung der Fälle, auch der Summe des Beytrages, oder der Strafe, ausdrücklich zugelassen ist.
§. 205. Wie weit übrigens zu den Zunftschlüssen obrigkeitliche oder landesherrliche Genehmigung und Bestätigung hinzukommen müsse, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Corporationen überhaupt, und von Stadtcommunen insonderheit zu bestimmen.
§. 206. Neue Zunftartikel vorzuschreiben, ist der Landesherr allein berechtigt.
§. 207. Auch bleibt dem Staate das Recht, die bisherigen Innungsartikel, nach den Erfordernissen des gemeinen Besten, zu bestimmen und abzuändern.
§. 208. Doch sollen in beyden Fällen (§. 206. 207.) die Zünfte zuvörderst allemal mit ihrer Nothdurft und etwanigen Gegengründen vernommen werden.
§. 209. In so fern durch Abänderung oder Aufhebung der Zunftartikel, einzelne Mitglieder einen wirklichen Nachtheil erleiden, finden wegen der ihnen zukommenden Entschädigung, die Grundsätze von Privilegiis Anwendung. (Einleit. §§. 70-72.)
§. 210. Von dem gemeinschaftlichen Vermögen der Zünfte gilt in der Regel eben das, was von dem Vermögen der Corporationen und Gemeinen überhaupt, so wie der Stadtgemeinen insonderheit, vorgeschrieben ist.
§. 211. In Fällen, wo zu Verfügungen über das Cämmereyvermögen die Genehmigung des Staats nachgesucht werden muß, ist zu Verfügungen über das gemeinschaftliche Zunftvermögen die Approbation des Magistrats erforderlich.
§. 212. Der Genehmigung des Staats selbst bedarf es der Regel nach nur in solchen Fällen, wo dieselbe bey Corporationen und Gemeinen überhaupt erfordert wird.
§. 213. Die Zunftältesten sind die Verwalter des gemeinschaftlichen Zunftvermögens.
§. 214. Sie stehen dabey zunächst unter der Aufsicht des Beysitzers; und mittelbar unter der Oberaufsicht des Magistrats.
§. 215. Sie sind schuldig, der Zunft von ihrer Verwaltung alljährig Rechnung abzulegen.
§. 216. Nähere Bestimmungen: wie die Verwaltung geführt, und in wie fern von den Aeltesten Caution deshalb geleistet werden solle, bleiben den Zunftartikeln vorbehalten.
§. 217. In Fällen, wo das Zunftvermögen in gemeinschaftlichem Beschlüsse mehrerer Aeltesten und des Beysitzers gehalten wird, kann der Regel nach Cautionsbestellung nicht gefordert werden.
§. 218. Zünfte genießen zwar nicht in dem Vermögen ihrer Verwalter das den Stadtcommunen in dem Vermögen des Cämmerers beygelegte besondere Vorrecht;
§. 219. Sie haben sich aber vor andern Privatgläubigern eines solchen Verwalters, des in der Concursordnung näher bestimmten Vorzugs in der Fünften Classe zu erfreuen.
Allgemeine Pflichten der Zünfte gegen die Kinder der Zunftgenossen
§. 220. Die Zünfte und deren Aeltesten sind schuldig und befugt, für die Bevormundung und Erziehung der von ihren verstorbenen Zunftgenossen zurückgelassenen unmündigen und minderjährigen Kinder zu sorgen.
§. 221. Die Aeltesten müssen daher den Tod eines solchen Mitgenossen dem vormundschaftlichen Gerichte zur erforderlichen Verfügung anzeigen.
§. 222. Zunftgenossen sind die Vormundschaft über unmündige und minderjährige Kinder ihrer Mitgenossen, vorzüglich vor andern, zu übernehmen verbunden.
§. 223. Die Aeltesten sind schuldig, wenn es auf die Erziehung und Vorbereitung der Pflegebefohlnen zu einer künftigen Lebensart ankommt, dem vormundschaftlichen Gerichte, auf Erfordern, mit Rath und Gutachten an die Hand zu gehen.
§. 224. Der Zunftzwang besteht in dem Rechte, die Treibung eines zunftmäßigen Gewerbes, innerhalb des der Zunft angewiesenen Distrikts, allen, welche weder zur Zunft gehören, noch vom Staate besonders privilegirt sind, zu untersagen.
§. 225. Handwerker, welche als Freymeister, oder sonst, ein besondres Priyilegium vom Staate erhalten haben, müssen die darin gesetzten Schranken, bey Verlust ihres Rechts, genau beobachten.
§. 226. Wer den Rechten der Zünfte unbefugter Weise Eingriff thut, dem soll das Handwerkszeug genommen, und zum Besten der Zunftcasse an den Meistbietenden verkauft werden.
§. 227. Bey beharrlicher Fortsetzung solcher Eingriffe ist die Zunft berechtigt, auf die Wegschaffung des Fuschers aus ihrem Zunftdistrikte anzutragen.
§. 228. Die Zünfte sind aber nicht berechtigt, den Zunftzwang eigenmächtig auszuüben.
§. 229. Vielmehr müssen sie die vorfallenden Störungen dem Magistrate zur ungesäumten und nachdrücklichen Verfügung anzeigen.
§. 230. Wohnt die Person, welche den Eintrag in die Rechte der Zunft begangen hat, unter einer andern Gerichtsbarkeit: so muß der Magistrat diesen ordentlichen Richter um die nöthigen Verfügungen, zur Aufrechthaltung des Zunftzwangs, und Bestrafung des Fuschers ersuchen.
§. 231. Eine jede Gerichtsobrigkeit ist aber bey eigner Vertretung schuldig, solchen Requisitionen des Magistrats unverzüglich und unweigerlich ein Gnüge zu leisten.
§. 232. Auch kann sie sich nicht entbrechen, bey der anzustellenden Visitation Deputirten der beeinträchtigten Zunft zuzulassen.
§. 233. Wenn der Angeschuldigte ein besonderes Recht zur Treibung des zünftigen Gewerbes, ohne ein Mitglied der Zunft zu seyn, behauptet: so muß er darüber bey seinem ordentlichen Richter rechtlich gehört werden.
§. 234. Gründet er sein Recht auf eine besondere seiner Person anklebende Eigenschaft, oder auf ein besonderes Privilegium: so muß er dasselbe so fort wenigstens einigermaßen bescheinigen; und wenn er dies nicht vermag, der Treibung des Gewerbes, bis zum Austrage des Prozesses, sich enthalten.
§. 235. Wird aber das Recht des Angeschuldigten auf das Recht der Gerichtsobrigkeit, unter welcher er wohnt, oder auf eine Ausnahme dieses Orts vom Zunftdistrikte gegründet: so finden, wegen des Besitzstandes während des Prozesses, die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung.
§. 236. Privatpersonen sind nicht schuldig zu wissen: ob der, welcher ein Gewerbe treibt, zunftmäßig sey, oder nicht; und können daher auch, wenn sie bey einem Unbefugten arbeiten lassen, dafür nicht bestraft werden.
§. 237. Nur wenn von Obrigkeits wegen die Unbefugniß eines solchen Menschen öffentlich und namentlich bekannt gemacht worden, hat derjenige, welcher nachher gleichwohl bey ihm arbeiten läßt, eine Polizeystrafe bis zu Fünf Thalern verwirkt.
§. 238. Die Wittwe eines Zunftgenossen kann, wo nicht die Zunftartikel ein Andres verordnen, das Gewerbe ihres Mannes durch Gesellen fortsetzen.
§. 239. Sie muß aber zur Zunft, gleich andern Meistern mit beytragen.
§. 240. Sie verliert ihr Recht nur durch eine anderweitige Verheirathung.
§. 241. Zu seinem eignen, und der in seinem Hause lebenden Familie Gebrauche, kann ein jeder auch solche Arbeiten verfertigen, wozu sonst nur Zunftgenossen berechtigt sind.
§. 242. Nur das, was er seinen Dienstboten als einen Theil ihres Lohns geben muß, kann er selbst verfertigen.
§. 243. Niemand aber darf, auch für sich selbst, ohne Zuziehung eines werkverständigen Meisters, Arbeiten unternehmen, aus deren unvollständigen oder unregelmäßigen Verfertigung Nachtheil für einen Dritten, oder für das gemeine Wesen entstehen könnte. (Th. I. Tit. VIII. §. 69.70.)
§. 244. Handwerker, die als Gesinde in Dienste treten, sind für andre, außer ihrer Herrschaft und deren Familie, nach näherer Bestimmung §. 241. und 242. Arbeiten zu verfertigen nicht befugt.
§. 245. Keine Zunft darf der andern Eingriffe in ihre Geschäfte thun.
§. 246. Kein Zunftgenosse darf die Vollendung einer Arbeit, die nach der Verfassung für eine andre Zunft gehört, weder selbst, noch durch unzünftige Gehülfen bewirken.
Meisterrecht; dessen Erlangung.
§. 247. Was außer der Gewinnung des Bürgerrechts, zur Aufnahme in eine Zunft, als Meister, erforderlich sey, bestimmen die Zunftartikel und Gildebriefe.
§. 248. Niemanden soll die Aufnahme in eine Zunft, als Meister, bloß aus dem Grunde, weil er bereits verheirathet ist, versagt werden.
§. 249. Wer einmal als Lehrbursche, und in der Folge als Geselle, in eine Zunft gehörig aufgenommen worden, dem darf die Zunft die Aufnahme als Meister, wenn er übrigens den Erfordernissen der Innungsartikel ein Gnüge leistet, unter keinerley Vorwand verweigern.
§. 250. Wer Meister werden will, muß seinen Lehrbrief und seine Kundschaft der Zunft vorlegen, und dadurch seine bisherige gute Aufführung nachweisen.
§. 251. Vor der Aufnahme muß er ein Meisterstück, unter Aufsicht der Aeltesten, ohne fremde Beyhülfe verfertigen.
§. 252. Durch Aufgebung allzu kostbarer oder unverkäuflicher Meisterstücke, soll niemanden der Eintritt in die Zunft erschwert werden.
§. 253. Das Meisterstück ist den versammelten Zunftgenossen zur Prüfung vorzulegen.
§. 254. Erklärt die Mehrheit der Stimmen das Meisterstück für untauglich: so muß die Zunft den Aufzunehmenden so lange zurückweisen, bis er die erlangte hinreichende Geschicklichkeit durch ein besseres Meisterstück nachgewiesen hat.
§. 255. Wer zum drittenmale ein untaugliches Meisterstück liefert, muß für immer abgewiesen. werden.
§. 256. Wenn die Zunft ein Meisterstück verwirft: so muß sie die Gründe ihres Tadels dem Beysitzer zum Protocolle geben.
§. 257. Der Beysitzer muß darauf sehen, daß kein Tadel, der bloßen Eigensinn oder Gelderpressungen zum Grunde hat, zugelassen werde.
§. 258. Der Abgewiesene kann auf obrigkeitliche Untersuchung der Gründe seiner Abweisung antragen.
§. 259. Findet der Magistrat diese Gründe zweifelhaft: so muß er das Gutachten einer Zunft eines andern benachbarten Orts, unter Vorlegung des Meisterstücks, und des darüber aufgenommenen Protocolls, einziehen.
§. 260. Wenn ein bereits aufgenommener Zunftgenosse seinen Wohnsitz verändert: so muß er sich in die Zunft des neuen Wohnorts, sobald er daselbst sein Gewerbe fortsetzen will, aufnehmen lassen.
§. 261. Ein neues Meisterstück aber darf alsdann von ihm in der Regel nicht gefordert werden.
§. 262. Wenn jedoch ein Landhandwerker, der als solcher nur ein geringeres Meisterstück zu verfertigen angehalten worden, sich in einer Stadt, wo ein größeres und schwereres erfordert wird, niederlassen will, kann die Zunft annoch die Anfertigung des letztern von ihm fordern.
§. 263. Jeder zünftige Meister ist befugt, die von ihm verfertigte Arbeit in seinem Zunftbezirke, auch außerhalb des Hauses, feil zu bieten.
§. 264. Er darf aber damit nicht hausiren gehn, sondern kann den feilen Verkauf, außer seinem Hause, nur in seinem Laden, oder in seiner Bude ausüben.
§. 265. Wenn das öffentliche Feilbieten gewisser Arbeiten durch besondre Gesetze ausdrücklich verboten ist: so sind auch zünftige Meister diesem Verbote unterworfen.
§. 266. Wie lange, und unter welchen Einschränkungen, fremde Handwerker auf Jahrmärkten oder Messen ihre Waaren feilbieten dürfen, ist nach den Verfassungen eines jeden Orts bestimmt.
§. 267. Auf Bestellung kann ein Zunftgenosse auch für auswärts Wohnende arbeiten.
Recht, Gesellen und Lehrlinge zu halten.
§. 268. Nur zünftige Meister haben das Recht, Lehrburschen anzunehmen und Gesellen zu halten.
§. 269. Doch kann diese Befugniß auch den vom Staate gesetzten Freymeistern nicht bestritten werden.
§. 270. Die Annahme und das Lossprechen solcher Lehrburschen muß aber bey der Zunft des Orts geschehen.
§. 271. Wer nach erlerntem Handwerke in den Soldatenstand getreten ist, mag nach erhaltenem ehrlichen Abschiede, sich mit seinem Handwerke ferner nähren, ohne daß er das Meisterrecht zu erlangen schuldig ist.
§. 272. Will er aber Lehrburschen annehmen, oder, Gesellen halten: so muß er sich, gleich jedem Andern, als Meister gehörig aufnehmen lassen.
§. 273. Ein Meister, welcher die ihm anvertrauten Materialien veruntreuet, soll das erstemal nach den allgemeinen Vorschriften der Criminalgesetze um Geld gestraft; im Wiederholungsfalle aber, außer der sonst verwirkten Strafe, aus der Innung gestoßen wenden.
§. 274. Wer durch Urtel und Recht seiner Ehre verlustig erklärt wird: der verliert auch sein Meisterrecht.
§. 275. Außerdem ziehen andere Verbrechen den Verlust des Meisterrechts nur alsdann nach sich, wenn darauf ausdrücklich erkannt worden.
§. 276. Auf den Verlust des Meisterrechts soll nur in Fällen erkannt werden, wo es die Gesetze ausdrücklich Vorschreiben: oder wo ein besonderer überwiegender und gefährlicher Hang zu Verbrechen gegen das Eigenthum und Vermögen Anderer, aus den Akten klar erhellet.
§. 277. So lange ein Meister in gefänglicher Haft sich befindet, und selbst das Meisterrecht noch nicht verloren hat, mag seine Frau das Gewerbe durch Gesellen fortsetzen.
Von Lehrlingen. Aufnahme derselben.
§. 278. Wer Lehrbursche werden will, muß sich bey der Zunft einschreiben lassen.
§. 279. Wegen unehelicher Geburt soll niemanden, welcher die Legitimation erhalten hat, (Tit. II. §. 592-608.), die Aufnahme in die Lehre versagt werden.
§. 280, Nur diejenigen, welche bisher die Geschäfte eines Schinders oder Abdeckers wirklich getrieben haben, ist eine Zunft oder Innung aufzunehmen nicht schuldig.
§. 281. Außerdem kann eine Zunft nur die Aufnahme solcher Lehrlinge verweigern, die wegen eines Körperlichen Gebrechens, oder eines offenbaren Mangels an Verstandeskräften, zur Erlernung des Handwerks, dem sie sich widmen wollen, untauglich sind.
§. 282. In wie fern Personen, die einer Herrschaft unterthänig sind, bey einer Zunft als Lehrburschen angenommen werden können, ist im vorigen Titel verordnet. (Th, VIL §. 172 sqq.)
§. 283. Die Wahl des Meisters, bey welchem jemand in die Lehre treten soll, steht dessen Aeltern, Vormündern, oder den Vorstehern öffentlicher Anstalten, in welchen der künftige Lehrling erzogen wird, frey.
§. 284. Kann ein Lehrling keinen Lehrmeister finden: so sind die Innungsältesten schuldig, für die Unterbringung desselben möglichst zu sorgen.
§. 285. Meister, die noch keine Lehrburschen, und doch hinlängliche Arbeit haben, können durch einen Beschluß der Zunft zur Annahme eines solchen Lehrlings, auch wider ihren Willen, angehalten werden.
§. 286. Nur alsdann, wenn alle Innungsmeister an einem Orte mit einer hinlänglichen Anzahl von Lehrlingen schon versehen sind, kann die Zunft den, welcher sich zur Aufnahme meldet, vor der Hand, und bis unter den vorhandenen Lehrlingen eine Stelle ledig wird, abweisen.
§. 287. Sicherheitsbestellung kann von einem Lehrlinge nur alsdann gefordert werden, wenn nach der Natur der Kunst oder Professton, dem Lehrlinge Sachen und Materialien von beträchtlichem Werthe, oder baare Gelder anvertrauet werden müssen.
§. 288. Ingleichen, wenn sich derselbe vorhin schon der Untreue, oder sonst einer schlechten Aufführung verdächtig gemacht hat.
§. 289. Ferner wenn der Lehrling schon bey einem andern Meister gestanden, und demselben durch Nachläßigkeit oder Leichtsinn einen erheblichen Schaden verursacht hat.
§. 290. Wo das Lehrgeld und die Lehrjahre in den Zunftartikeln nicht festgesetzt sind, muß beydes entweder durch einen schriftlichen Vertrag, oder in dem bey der Aufnahme des Lehrlings abzuhaltenden Protokolle festgesetzt werden.
§. 291. Ist weder eines noch das andre geschehen: so müssen der Meister sowohl als der Lehrling, die Festsetzung der Zunft in Ansehung der Lehrjahre und des Lehrgeldes, nach dem, was bey der Innung gewöhnlich ist, sich gefallen lassen.
§. 292. Die Pflicht des Meisters ist, dem Lehrlinge die nöthige Anweisung zu den Kenntnissen zu geben, welche zu einem ordentlichen Betriebe des Gewerbes erforderlich sind.
§. 293. Auch muß er denselben zu guten Sitten und fleißiger Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes anhalten, für Ausschweifungen und Gelegenheiten zu Lastern möglichst hüten; und zu einer anhaltenden nützlichen Thätigkeit gewöhnen.
§. 294. Wer einen Lehrling annimmt, welcher im Lesen und Schreiben, und in der Religion, den nöthigen Unterricht noch nicht erhalten hat, ist schuldig, denselben bis zur Erlangung dieser Kenntnisse zur Schule zu halten.
§. 295. Der Lehrling muß, sowohl in Gewerks- als häuslichen Angelegenheiten, den Anordnungen des Lehrherrn Gehorsam leisten.
§. 296. In Geschäften, welche den Betrieb des Handwerks betreffen, muß er, bey Abwesenheit oder Verhinderung des Lehrherrn, auch den Anweisungen des ersten Gesellen gehorchen.
§. 297. Zu Gesindediensten darf der Meister den Lehrling nur in so fern brauchen, als dadurch die Erlernung des Handwerkes nicht versäumt wird.
§. 298. Dem Lehrherrn gebührt das Recht, den Lehrling, nach Erforderniß der Umstände, mäßig zu züchtigen.
§. 299. Er darf aber dabey die einem Vater vorgeschriebenen Gränzen nicht überschreiten. (Tit. II. §. 86. sqq.)
§. 300. In Abwesenheit, oder bey Verhinderungen des Meisters, kann nur der erste oder Meistergeselle, und auch dieser nur in Gewerkssachen, das Recht der mäßigen Züchtigung über den Lehrling ausüben.
§. 301. Ein von dem Meister gemißhandelter Lehrbursche soll von den Aeltesten, bis zur Vollendung seiner Lehrjahre, bey einem andern Meister untergebracht werden.
§. 302. Die dazu erforderlichen Kosten muß der vorige Meister tragen; doch kommt demselben darauf das bey der Annahme des Lehrlings etwa bedungene, und noch rückständige Lehrgeld zu gute.
Aufhebung des Vertrages zwischen dem Meister und Lehrlinge.
a) durch den Tod des erstern ;
§. 303. Stirbt der Meister: so haben der Lehrling, oder dessen Aeltern, Vormünder, oder Pfleger die Wahl: ob sie ihn bey der das Handwerk fortsetzenden Wittwe lassen, oder zu einem andern Meister bringen wollen.
§. 304. Letztern Falls muß von dem etwa vorausbezahlten Lehrgelde so viel zurückgegeben werden, als auf die noch unvollendete Lehrzeit, nach dem Befinden der Zunftältesten, verhältnißmäßig zu rechnen ist.
§. 305. Ein Gleiches findet statt, wenn die Wittwe das Handwerk nicht fortsetzt, oder der Meister selbst, dasselbe ferner zu treiben, außer Stand kommt.
§. 306. Zur Unterbringung eines solchen Lehrburschen müssen nöthigen Falls die Aeltesten, nach Vorschrift §. 284. sqq. hülfreiche Hand leisten.
§. 307. Bey eintretendem Collisionsfalle gebührt einem schon aufgenommenen Lehrlinge, der zu einem andern Meister gebracht werden muß, vor einem noch erst aufzunehmenden allemal der Vorzug.
b) durch Entweichung des letztern;
§. 308. Wenn der Lehrbursche ohne gegebene Ursache aus der Lehre entläuft: so muß dem Meister das Lehrgeld auch für das ganze noch laufende Jahr bezahlt, und er überdem, wegen des, aus dem Verluste des Lehrlings, oder den Kosten bey der Annahme eines Andern, etwa entstandenen Nachtheils schadlos gehalten werden.
§. 309. Auch muß ein solcher Lehrling, wenn er in der Folge wiederum zu einem Meister gebracht wird, die Lehrjahre, auf Verlangen desselben, von neuem anfangen.
c) durch Ergreifung eines andern Gewerbes.
§. 310. Wenn der Lehrbursche ein anderes Gewerbe ergreifen will: so hat der Meister das Lehrgeld nicht nur für die verflossenen Lehrjahre, sondern auch für das ganze noch laufende zu fordern.
Rechte des Meisters in Ansehung des Lehrgeldes.
§. 311. So lange das Lehrgeld nicht vollständig berichtigt ist, kann der Meister den Lehrling loszusprechen nicht angehalten werden.
§. 312. Ist der Lehrling das rückständige Lehrgeld zu entrichten unvermögend: so muß er dem Meister eine gewisse Zeit, noch über die gewöhnlichen oder bedungenen Lehrjahre, unentgeltlich dienen.
§. 313. Ist in den Zunftartikeln keine Zeit bestimmt: so muß dieselbe nach dem billigen Ermessen der Gewerksältesten, und allenfalls durch einen Zunftschluß, festgesetzt werden.
§. 314. Das rückständige Lehrgeld hat ein in der Concursordnung bestimmtes Vorzugsrecht.
§. 315. Einen Lehrling, welcher sich grober Veruntreuungen schuldig macht; oder sich den Anweisungen des Meisters hartnäckig widersetzt; oder den Meister, oder dessen Familie, durch Thätlichkeiten, oder andre grobe Beschimpfungen vorsätzlich beleidigt; oder sich, aller Ermahnungen und Züchtigungen ungeachtet, einem liederlichen Wandel ergiebt; oder nach dem Befinden der Aeltesten zu der Erlernung des Handwerks gar keine Fähigkeit zeigt, kann der Meister zurückschicken.
§. 316. In diesen, so wie in allen übrigen vorstehend nicht bestimmten Fällen, wo die Lehrzeit ohne Schuld des Meisters nicht ausgehalten wird, kann derselbe das rückständige Lehrgeld, nach Verhältniß der verflossenen Zeit, und für das ganze laufende Jahr fordern.
§. 317. Die Verpflegung eines kranken Lehrlings aus eignen Mitteln, kann einem Meister, welcher dieselbe im Vertrage nicht ausdrücklich übernommen hat, nicht zugemuthet werden.
§. 318. Wird der Lehrling durch eine kürzer als Drey Monathe dauernde Krankheit an der Fortsetzung der Lehre gehindert: so wird ihm dieser Zwischenraum auf die gesetzmäßige oder verabredete Lehrzeit nicht abgerechnet.
§. 319. Hat aber die Krankheit länger gedauert: so kommt es auf die Beurtheilung des Meisters und der Zunftältesten an: in wie fern der Lehrling die versäumte Zeit nachlernen müsse.
§. 320. Dem Lehrherrn steht frey, dem Lehrburschen, zur Belohnung seines Fleißes, einen Theil der Lehrzeit zu erlassen.
§. 321. Ist die Lehrzeit gesetzlich bestimmt: so kann höchstens nur der Dritte Theil derselben erlassen werden.
§. 322. Allemal aber ist zu einem solchen Erlasse die Einwilligung der Aeltesten, nach angestellter Prüfung, erforderlich.
§. 323. Nach geendigter Lehrzeit, muß der Meister den Lehrburschen der versammelten Zunft, zur Prüfung und Aufnahme als Geselle, vorstellen.
§. 324. Bey dieser Aufnahme sind weder Schmausereyen auf Kosten des Gesellen, noch andre Erpressungen, auch keine unanständige oder der Gesundheit nachtheilige Gebräuche zuläßig.
§. 325. Dem neu aufgenommenen Gesellen muß einen Lehrbrief, unter Vollziehung der Aeltesten und des Beysitzers, mit Beydrückung des Gewerkssiegels, ausgefertigt werden.
Wanderschaft, und Verhalten auf derselben.
§. 326. Wie lange die Wanderschaft des neu aufgenommenen Gesellen dauern müsse, bestimmen die Innungsartikel einer jeden Zunft.
§. 327. Ein Geselle kann zwar, ohne Nachtheil seines Standes, bey einer Herrschaft in Dienste treten;
§. 328. Die daselbst zugebrachte Zeit aber wird ihm auf seine Wanderjahre nicht abgerechnet.
§. 329. Nur die Landes-Polizey-Instanz kann, nach Bewandniß der Umstände, die Zeit der Wanderschaft verkürzen, oder auch eine gänzliche Befreyung davon ertheilen.
§. 330. Die Wanderschaft soll in der Regel niemals außerhalb Landes gehn.
§. 331. Nur in besondern Fällen kann die Landes-Polizey-Instanz die Erlaubniß dazu ertheilen.
§. 332. Wandernde Gesellen müssen ihren Aeltern, Vormündern, oder Verwandten, über den Ort ihres Aufenthalts von Zeit zu Zeit Nachricht geben.
§. 333. Unterlassen sie dieses durch die in den Gesetzen bestimmte Zeit: so findet wider sie das gegen Verschollene vorgeschriebene Verfahren statt. (Tit. XVIII.)
§. 334. Das Betteln um Zehrpfennige ist auch den wandernden Gesellen nicht erlaubt.
§. 335. Sie müssen sich gleich nach ihrer Ankunft an einem Orte bey den Gewerksältesten melden.
§. 336. Diese müssen dem Eingewanderten sogleich seine Kundschaft abfordern.
§. 337. Kann er keine Kundschaft vorzeigen: so muß er an den Ort seines vorigen Aufenthalts zurückgewiesen werden.
§. 338. Leistet er dieser Anweisung keine Folge: so muß ihn die Obrigkeit auf die Anzeige der Aeltesten fortschaffen lassen.
§. 339. Legitimirt sich aber der Geselle durch die gehörige Kundschaft: so muß ihm dieselbe abgenommen, und bis er seine Wanderschaft fortsetzen will, in der Gewerkslade aufbewahrt werden.
§. 340. Einem solchen Gesellen müssen die Aeltesten Arbeit bey einem Meister zu verschaffen bemüht seyn, und ihm bis dahin diejenige Unterstützung reichen, welche der Zunftgebrauch mit sich bringt.
§. 341. Können die Aeltesten den Gesellen bey dem Meister nicht unterbringen: so muß er, nach verlauf von Drey Tagen, seine Wanderschaft fortzusetzen angewiesen werden.
§. 342. Verweilt er ohne besondere Erlaubniß der Hörigkeit noch länger an dem Orte: so findet gegen ihn die Vorschrift §. 338. Anwendung.
§. 343. In wie fern der Geselle den Meister, bey welchem er in Arbeit treten will, selbst wählen könne, oder die Anweisung der Zunftältesten abwarten müsse, ist in den Innungsartikeln bestimmt.
§. 344. Die Zunftältesten müssen die Meister, welche Gesellen verlangen, genau aufzeichnen, und den zuerst ankommenden Gesellen, welcher sich selbst einen Meister nicht wählen kann oder will, an den noch unversorgten Meister, welcher sich zuerst gemeldet hat, weisen.
§. 345. Doch müssen Wittwen, welche das Handwerk fortsetzen; ingleichen Meister, welche wegen langwieriger Krankheiten, oder andrer unverschuldeter Unglücksfälle, dem Handwerke nicht selbst vorstehen können, mit tüchtigen Gesellen vor allen andern versorgt werden.
§. 346. Von diesem Vorrechte kann jedoch eine Witwe nicht öfter als Dreymal Gebrauch machen.
§. 347. Hat ein Meister einen Gesellen auf eigne Kosten verschrieben, und es dem Aeltesten noch vor der Ankunft des Gesellen gemeldet: so muß ihm derselbe in allen Fällen gelassen werden.
§. 348. In Haupt-Handlungs- und Seestädten soll kein Meister in der Zahl der von ihm zu haltenden Lehrburschen und Gesellen durch Gesetze eingeschränkt werden.
§. 349. An andern Orten bleibt diese Bestimmung der zur Aufsicht über die Landespolizey gesetzten Behörde vorbehalten.
§. 350. Lohn und Kostgeld, oder Beköstigung der Gesellen, muß die Zunft unter Direktion der Obrigkeit, bestimmen.
§. 351. Diese Bestimmung darf kein Meister überschreiten.
§. 352. Das rückständig gebliebne Lohn und Kostgeld der Gesellen hat, auch im Concurs, mit dem Gesindelohn gleiche Rechte.
§. 353. Die Cur und Verpflegung eines eingewanderten und krank gewordenen Gesellen, er stehe bereits in Arbeit, oder nicht, muß, wenn er selbst unvermögend ist, aus der Gesellenlade, und in deren Ermangelung aus der Gewerkscasse bestritten werden.
§. 354. Ist diese nicht hinreichend: so muß die Armenkasse des Orts, und bey deren Unzulänglichkeit, die Stadt- oder Cämmereykasse zutreten.
§. 355. Der Magistrat muß also bey eigner Vertretung dafür sorgen, daß ein krank gewordener unvermögender Geselle nicht hülflos gelassen, oder vor erfolgter hinlänglicher Wiederherstellung fortgeschafft werde.
Rechte und Pflichten zwischen Meistern und Gesellen.
§. 356. Der Meister ist befugt und schuldig, über das Betragen der Gesellen Aufsicht zu führen; sie zur Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, und zu einem stillen und regelmäßigen Lebenswandel fleißig anzumahnen; von Lastern und Ausschweifungen aber, so viel an ihm ist, abzuhalten.
§. 357. Der Geselle ist verpflichtet, die ihm aufgetragne Arbeit willig zu übernehmen, und treu und fleißig auszurichten.
§. 358. Nur an Sonn- und solchen Festtagen, deren Feyer nach den Gesetzen des Staats verordnet ist, mag er die Arbeit unterlassen.
§. 359. Gesellen, welche an den nach den Gesetzen des Staats zur Arbeit bestimmten Tagen sich derselben entziehen, sollen mit Gefängniß bey Wasser und Brot, das erstemal auf Drey Tage, und im Wiederholungsfalle auf Vierzehn Tage, bestraft werden.
§. 360. Bey hartnäckiger Fortsetzung eines solchen Mißbrauchs wird der Geselle auf Vier Wochen zum Zuchthause abgeliefert, und ihm sein Lehrbrief abgenommen.
§. 361. Diesen erhält er nicht eher wieder zurück, als bis er nach ausgestandener Strafe Besserung gelobt, und die Obrigkeit von der Aufrichtigkeit dieses Angelöbnisses sich überzeugt hält
§. 362. Jeder Meister, dessen Gesellen sich an den zur Arbeit bestimmten Tagen derselben entziehn, ist schuldig, bey Ein bis Drey Thaler Strafe zur Gewerkscasse, der Obrigkeit davon Anzeige zu machen.
§. 363. Kein Wirth, oder sogenannter Krugvater in einer Gewerksherberge, soll an den zur Arbeit bestimmten Tagen, besonders aber an Montagen, einen in Arbeit stehenden Gesellen während der gewöhnlichen Arbeitsstunden bey sich dulden; vielweniger demselben Speisen oder Getränke verabfolgen.
§. 364. Wer diesem Verbote zuwider handelt, soll mit einer Polizeystrafe von Zwey bis Fünf Thalern belegt werden.
§. 365. Jeder Geselle ist schuldig, den häuslichen Einrichtungen seines Meisters, so lange er bey ihm arbeitet, Folge zu leisten.
§. 366. Häusliche Dienste kann kein Meister von seinem Gesellen fordern.
§. 367. Kein Geselle darf andre, als die von seinem Meister ihm angewiesene Arbeit verfertigen.
§. 368. Kein Meister soll dem andern die bey ihm in Arbeit stehenden Gesellen abwendig machen.
§. 369. Geschieht dieses: so muß der Meister um Zwey bis Fünf Thaler zur Gewerkscasse bestraft, und der Geselle weiter zu wandern angehalten werden.
§. 370. Nur den Meisterwittwen, welche das Handwerk fortsetzen, muß der geschickteste Geselle nach ihrer Auswahl verabfolgt werden.
§. 371. Wenn aber ein Meister nur Einen Gesellen hat, und denselben der Wittwe überlassen muß: so ist er befugt, von einem der Mitmeister, welche mehrere Gesellen halten, die Abgabe Eines derselben zu fordern.
§. 372. Melden sich mehrere Wittwen um Ueberlassung eines tüchtigen Gesellen: so entscheidet unter ihnen die Zeit der bey dem Gewerke geschehenen Anmeldung.
§. 373. Auch dieses Vorrecht kann von jeder Meisterswittwe nur dreymal ausgeübt werden. (§. 346.)
§. 374. Verfällt ein Meister in langwierige Krankheit: so kann er die Abtretung eines Gesellen von seinen Zunftgenossen verlangen.
§. 375. Zu dieser Abtretung ist derjenige Meister vorzüglich verpflichtet, bey welchem die meisten Gesellen in Arbeit stehn.
§. 376. Ist die Zahl der Gesellen bey mehrern Meistern gleich: so trift die Abtretung den Jüngsten unter ihnen.
§. 377. Nach erfolgter Genesung muß der krank gewesene Meister den solchergestalt erhaltenen Gesellen dem vorigen Meister, auf dessen Verlangen, zurück geben.
§. 378. Wenn der Meister einen Gesellen abschaffen will, muß er ihm solches Vierzehn Tage zuvor ankündigen.
§. 379. Ohne dergleichen Aufkündigung kann der Meister einen Gesellen sofort entlassen: 1) wenn derselbe ihn oder seine Familie durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden beleidigt;
§. 380. 2) Wenn er sich beharrlichen Ungehorsams und Widerspänstigkeit gegen die Anweisungen des Meisters schuldig macht;
§. 381. 3) Wenn er die Frau oder die Kinder des Meisters zum Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt;
§. 382.4) Wenn er sich Diebstahl oder Veruntreuung gegen den Meister zu Schulden kommen läßt;
§. 383. 5) Wenn er sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen und Erlaubniß des Meisters über Nacht aus dem Hause zu bleiben;
§. 384. 6) Wenn er mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht, und einer ihm deshalb ertheilten Warnung keine Folge leistet.
§. 385. Auch der Geselle kann den Meister verlassen; er muß aber demselben Vierzehn Tage vorher aufsagen.
§. 386. Doch ist der Meister die Aufkündigung anzunehmen nicht verbunden, wenn die Zeit des Abzuges auf eine Messe, oder einen Jahrmarkt, oder innerhalb Vierzehn Tagen vor den Messen und Jahrmärkten, oder von den hohen Festen einfallen würde.
§. 387. Vielmehr kann alsdann der Geselle erst nach dem Feste, oder nach dem Ende der Messe, oder des Jahrmarkts abziehen.
§. 388. Hat der Meister sich an dem Gesellen, ohne gegebene dringende Veranlassung, thätlich vergriffen: so ist der Geselle sofort aus der Arbeit zu gehen berechtigt.
§. 389. Will der Geselle seine Wanderschaft fortsetzen: so darf ihm seine Kundschaft, ohne Einwilligung des Meisters, bey welchem er zuletzt gearbeitet hat, nicht verabfolgt werden.
§. 390. Der Meister darf in die Aushändigung der Kundschaft bey eigner Vertretung nicht willigen, wenn er weiß, daß der Geselle Schulden gemacht, oder Verbrechen begangen hat.
§. 391. Vielmehr muß er seine Wissenschaft davon dem Gewerksbeysitzer anzeigen.
§. 392. Findet der Meister gegen den Abzug des Gesellen kein Bedenken; oder ist der vorgewaltete Anstand hinlänglich gehoben: so muß die Kundschaft dem Gesellen zurückgegeben, und darunter vermerkt werden: wie lange der Geselle an dem Orte sich aufgehalten, und wie er, nach dem Zeugnisse seiner Meister, sich betragen habe.
§. 393. Nach zurückerhaltener Kundschaft muß der Geselle seine Reise sofort antreten.
§. 394. Wird er daran durch Zufall verhindert: so muß er die Kundschaft bey dem Gewerke anderweit niederlegen.
§. 395. Thut er beydes nicht: so muß ihn die Obrigkeit, auf des Gewerkes Anzeige, als einen Landstreicher ansehen und behandeln.
Rechte der Gesellen überhaupt.
§. 396. Die Gesellen machen unter sich keine Commune oder privilegirte Gesellschaft aus.
§. 397. Sie sind nicht berechtigt, eigenmächtiger Weise Versammlungen zu halten.
§. 398. In Fällen, wo ihnen dergleichen Versammlungen nach den Zunftartikeln oder Polizeygesetzen gestattet sind, müssen dieselben nur mit Vorwissen der Gewerksältesten gehalten werden.
§. 399. Uebrigens hat es bey den Polizeygesetzen und Zunftartikeln, wonach den Gesellen erlaubt ist, einen Altgesellen zu wählen, und unter dessen Rechnungsführung eine eigne Casse aus ihren Beyträgen, zu gemeinschaftlichen Bedürfnissen, besonders zur Verpflegung kranker oder sonst verunglückter Gesellen zu errichten, auch noch ferner sein Bewenden.
§. 400. Doch sind die Gesellen, auch in diesen Angelegenheiten, der Aufsicht der Gewerksältesten und des Beysitzers unterworfen.
Vierter Abschnitt. Von Künstlern und Fabrikanten
§. 401. Von Künstlern, deren Gewerbe in eine Innung oder Gilde eingeschlossen ist, gilt alles, was von Zünften und deren Mitgliedern im vorhergehenden Abschnitte verordnet wird.
§. 402. Wo keine dergleichen Innung vorhanden ist, da kann eine Kunst der Regel nach von einem jeden, welcher damit fortzukommen sich getrauet, ausgeübt werden. (§. 179. 180.)
§. 403. Auch ist ein jeder solcher Künstler die von ihm selbst verfertigten Arbeiten, sowohl inn- als außerhalb seiner Wohnung, gleich einem zünftigen Meister, (§. 263. sqq.) zum Verkauf feil zu bieten berechtigt.
Vorrechte der akademischen Künstler.
§. 404. Ein Künstler, welcher bey der Akademie der Künste aufgenommen und eingeschrieben worden, kann sein Gewerbe überall in Königlichen Landen treiben, ohne daß irgend einer Zunft oder Gilde ein Recht zum Widerspruche dagegen zusteht.
§. 405. Wer einem solchen akademischen Künstler ein selbst erfundenes von der Akademie anerkanntes Kunstwerk ohne seine Genehmigung nachmacht, und zu seinem Nachtheile verkauft, der soll mit Fünfzig Thalern Strafe belegt werden.
§. 406. Erben des Künstlers, auf welche das Privilegium nicht besonders und ausdrücklich erstreckt worden, haben sich dieses Vorrechts nur zum Behuf des Absatzes der noch von dem Erblasser verfertigten und hinterlassenen Vorräthe zu erfreuen.
§. 407, Anstalten, in welchen die Verarbeitung oder Verfeinerung gewisser Naturerzeugnisse im Großen getrieben wird, werden Fabriken genannt.
Fabrik- Unternehmer und Fabrikanten.
§. 408. Der, welcher eine dergleichen Anstalt für eine Rechnung betreibt, heißt ein Fabrik-Unternehmer, und diejenigen, welche in einer solchen Mitarbeiten, führen den Namen der Fabrikanten.
§. 409. Diejenigen, welche eine zunftmäßige oder andre Profeßion für eigne Rechnung einzeln betreiben, sind, wenn sie auch im gemeinen Leben Fabrikanten heißen, dennoch nur nach den Vorschriften des vorhergehenden Abschnitts, je nachdem das Gewerbe in eine Innung eingeschlossen ist, oder nicht, zu beurtheilen.
§. 410. Die Erlaubniß zur Anlegung einer Fabrik ertheilen, kommt allein dem Staate zu.
§. 411. Dergleichen Erlaubniß ist als ein Privilegium anzusehen und zu deuten.
§. 412. Wird die Erlaubniß zur Anlegung einer neuen Fabrik für ein an sich zunftmäßiges Gewerbe, in einem Orte, wo schon eine solche Zunft vorhanden ist, oder in der Nähe desselben nachgesucht: so soll vor deren Ertheilung zuvörderst allemal die Zunft, deren Interesse es betrifft, vernommen werden.
§. 413. Die Unternehmer der Fabriken haben, in Rücksicht auf den Betrieb derselben, und den Absatz der darin verfertigten Waaren, kaufmännische Rechte.
§. 414. Sie bedürfen zu deren Ausübung keiner Aufnahme in die Kaufmannsgilde, auch da nicht, wo dergleichen Gilde sonst vorhanden ist.
§. 415. Zur Vereinzelung ihrer Fabrikwaaren sind sie in der Regel nicht berechtigt.
§. 416. Sie genießen in dem Vermögen ihrer Arbeiter und Abnehmer, bey einem darüber entstehenden Concurs, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht.
§. 417. Eigentliche Fabrikanten (§. 408.) sind dem Zunftzwange und den Statuten der Zünfte nicht unterworfen.
§. 418. Sie nehmen aber auch an den Vorrechten und Privilegien der Zünfte keinen Antheil.
§. 419. Die von ihnen ausgelernten Arbeiter haben sich der Rechte der Zunftlehrlinge und Gesellen nicht zu erfreuen.
§. 420. Doch kann ein Zunftgenosse, ohne Nachtheil seiner Zunftrechte, sich als Arbeiter in Fabriken brauchen lassen.
§. 421. Eigentliche Fabrikanten sind nicht berechtigt, die von ihnen verfertigten Waaren für eigne Rechnung feil zu bieten; sondern sie sollen bloß für den Unternehmer der Fabrik, und nach dessen Bestellung arbeiten.
§. 422. Kein Fabrikunternehmer soll diejenigen, welche in einer ähnlichen Anstalt bisher gearbeitet haben, in die seinige aufnehmen, ehe dieselben ihre Entlassung durch ein schriftliches Zeugniß dargethan haben.
§. 423. Uebrigens sind die Verhältnisse zwischen dem Fabrikunternehmer, und den Fabrikanten, nach dem Inhalte des unter ihnen bestehenden Contrakts, und nach den über dergleichen Contrakte sprechenden Gesetzen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XI. Abschn. VIII.)
Fünfter Abschnitt. Von Brauern, Gastwirthen, Garköchen, und Andern, welche mit dem Verkaufe zubereiteter Speisen oder Getränke ein Gewerbe treiben
§. 424. Jeder, der in einer Stadt den Verkauf zubereiteter Speisen oder Getränke als ein bürgerliches Gewerbe treibt, ist schuldig, die diesem Gewerbe nach den Statuten und Polizeyordnungen des Orts vorgeschriebenen Gränzen genau zu beobachten.
§. 425. Neue bisher nicht vorgeschriebene Einschränkungen ist kein Stadtmagistrat, ohne ausdrückliche Genehmigung der Landes-Polizey-Instanz, festzusetzen befugt.
§. 426. Ob die Braugerechtigkeit in einer Stadt zum Cämmereyvermögen gehöre; oder einzelnen Bürgern beygelegt sey, ist nach der hergebrachten Verfassung eines jeden Orts zu bestimmen.
§. 427. Nach eben diesen Verfassungen muß beurtheilt werden: ob die den einzelnen Bürgern beygelegte Braugerechtigkeit auf gewissen Häusern hafte, oder gewissen ausschließend dazu berechtigten Personen zukomme.
§. 428. Ferner: ob jeder Berechtigte zu allen Zeiten, oder nur nach einer gewissen Reihe, und ob er ohne, oder mit Einschränkung auf ein gewisses Maaß zu brauen befugt sey.
§. 429. Wo das Braurecht einzelnen Bürgern oder Hausbesitzern zukommt, da müssen dieselben in der Regel der dazu öffentlich bestellten und verpflichteten Personen, so wie des vorhandenen gemeinschaftlichen Brau-, Malz- und Darrhauses sich bedienen.
§. 430. Braugerechtigkeiten, die auf Häusern haften, können in der Regel ohne diese Grundstücke nicht veräußert werden.
§. 431. Doch kann der Berechtigte die Ausübung seines Rechts, von einer Zeit, oder von einem Falle zum andern, auch einem Dritten übertragen.
§. 432. Wo das Reihebrauen unter den Bürgern oder Hausbesitzern eingeführt ist, da ist in der Regel ein jeder befugt, das von ihm in seiner Ordnung gebrauete Bier auch in seinem Hause auszuschenken; wenn ihm gleich sonst die Schenkgerechtigkeit oder der Ausschank nicht zukommen.
§. 433. Wo die Brauerey in einer Gilde oder Innung eingeschlossen ist, da finden die Vorschriften des Dritten Abschnittes auch in Rücksicht des Zunftzwanges Anwendung.
Garküchen und Gastwirtschaften.
§. 434. Garköche sind berechtigt, die von ihnen verfertigten Speisen auch außerhalb ihrer Wohnungen zu verkaufen.
§. 435. Gastwirthe dürfen bloß in ihren Wohnungen Gäste für Geld mit warmen Speisen bewirthen.
§. 436. Sie haben, mit Ausschließung der Garköche, Bier-, Wein-, und Kaffeeschenken, das Recht, Fremde für Geld zu beherbergen.
§. 437. An Orten, wo Gasthöfe vorhanden sind, sollen auch andre Einwohner fremde Reisende, die in dem Gasthofe unterkommen können, für Geld nicht aufnehmen.
§. 438. Verdächtige mit Pässen nicht versehene Leute dürfen Gastwirthe weder aufnehmen noch dulden.
§. 439. Sie sind schuldig, die zur Nachtherberge bey ihnen einkehrenden Personen, in Städten dem Magistrat, auf den Dörfern aber dem Schulzen anzuzeigen.
§. 440. Ueberhaupt sind Gastwirthe der genauesten Aufsicht der Polizey unterworfen, und müssen sich alle zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nöthig gefundene Veranstaltungen ohne Widerrede gefallen lassen.
§. 441. Auch die von der Polizey vorgeschriebene Taxe dürfen sie unter keinerley Vorwande überschreiten.
§. 442. Gastwirthe, die sich wiederholter Uebertretungen der ihnen vorgeschriebenen Polizeygesetze, oder beharrlicher Widerspänstigkeit gegen die Anordnungen der Polizey schuldig machen, sollen ihres Gastwirthsrechts durch richterliches Erkenntniß für verlustig erklärt werden.
§. 443. Wie Gastwirthe, welche wissentlich Diebe oder Diebeshehler bey sich aufnehmen und dulden, bestraft werden sollen, verordnen die Criminalgesetze.
Rechte zwischen den Gastwirthen und Reisenden.
§. 444. Gastwirthe sind schuldig, für alles zu haften, was die von ihnen, oder ihren dazu bestellten Leuten, aufgenommene Reisende in das Gasthaus gebracht haben.
§. 445. Mehrere, welche eine Gastwirthschaft gemeinschaftlich treiben, haften den Reisenden, Einer für alle, und alle für Einen.
§. 446. Diejenigen Personen, deren sich der Gastwirth zur Anweisung des Platzes für die Reisenden, ihre Wagen und Sachen bedient, sind für solche zu achten, die er zu deren Aufnahme bestellt hat.
§. 447. Von der Vertretung eines an den aufgenommenen Sachen entstandenen Verlustes oder Schadens, ist der Gastwirth nur alsdann frey, wenn ausgemittelt werden kann, daß dieser Schade durch eignes grobes oder mäßiges Verschulden des Reisenden, oder durch äußere Gewalt und Zufälle, die der Wirth, bey der sorgfältigsten Aufmerksamkeit, weder vorher sehen, noch verhüten können, entstanden sind.
§. 448. Erklärt der Gastwirth sogleich bey der Aufnahme, daß er für die eingebrachten Sachen nicht stehen wolle: so haftet er nur für einen solchen Verlust, welcher von ihm selbst, oder von seinen Leuten, aus grobem oder mäßigen Versehen, verursacht worden.
§. 449. Unter die Personen, für welche der Wirth haften muß, gehören auch die dem Reisenden von ihm empfohlnen Lohnkutscher und Lohnbediente.
§. 450. Dadurch, daß der Wirth dem Reisenden ein zum Verschließen eingerichtetes Behältniß für seine Sachen anweiset, und ihm die Schlüssel dazu einhändigt, wird er von der Vertretung nicht frey.
§. 451. Ist aber der Reisende bey dem Verschließen nachläßig, oder in Aufbewahrung der Schlüssel unvorsichtig gewesen: so muß er einen Schaden, der nicht erweislich durch den Wirth oder seine Leute entstanden ist, selbst tragen.
§. 452. Hat der Reisende dem Wirthe die in verschlossenen Koffern, Kisten, oder andern Behältnisse enthaltene Sachen nicht namentlich angezeigt: so muß er, bey angeblich erlittenem Verluste, die Beschaffenheit und den Betrag der weggekommenen Sachen nachweisen.
§. 453. Ist jedoch der Reisende eine unverdächtige Person, die nach ihrem Stande und Gewerbe, dergleichen Sachen, als ihr vorgeblich weggekommen sind, bey sich zu führen pflegt: so muß dieselbe, in Ermangelung andrer Beweismittel, zur eidlichen Bestärkung ihrer Angabe über die Beschaffenheit und den Werth der weggekommenen Sachen gelassen werden.
§. 454. Hat der Reisende dem Gastwirthe etwas von den eingebrachten Sachen zu desselben eigner unmittelbarer Aufbewahrung anvertraut: so hat der Gastwirth dabey alle Pflichten und Vertretungen eines Verwahrers. (Th. I. Tit. XIV. Abschn. I.)
§. 455. Dem Gastwirthe gebühren, wegen seiner Bezahlung für Quartier und Bewirthung, auf die eingebrachten Sachen eben die Rechte, wie einem Vermiether wegen des zu fordern habenden Miethgelds. (Th. I. Tit. XXI. §. 395.)
Sechster Abschnitt. Von Apothekern
§. 456. Apotheker sind zur Zubereitung der Arzeneymittel, ingleichen zum Verkaufe derselben, und der Gifte, ausschließend berechtigt.
§. 457. Naturerzeugnisse, welche, außer der Medicin, auch zu andern Fabriken-, Haus- oder Küchenbedürfnissen gebraucht werden, mögen Apotheker ebenfalls führen, und, jedoch nur in kleinern Quantitäten, verkaufen.
§. 458. Zum Handel mit Gewürz- oder andern Materialwaaren sind die Apotheker, als solche, nicht berechtigt.
§. 459. Doch hat an Orten, wo kein besonderer Gewürzkrämer oder Materialist angesetzt ist, der Apotheker die Vermuthung für sich, daß er auch mit Gewürzen und Materialwaaren zu handeln ausschließend berechtigt sey.
§. 460. Aerzte und Wundärzte müssen sich der eignen Zubereitung der den Kranken zu reichenden Arzeneyen, an Orten, wo Apotheker sind, der Regel nach enthalten.
§. 461. Auch sogenannte Arkane darf niemand, ohne besondere Erlaubniß der dem Medicinalwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde, zum Verkaufe verfertigen.
§. 462. Das Recht, zur Anlegung neuer Apotkeken Erlaubniß zu geben, kommt allein dem Staate zu.
§. 463. Dergleichen neue Concessionen sind nach den Vorschriften von Privilegien zu beurtheilen.
§. 464. Die Apotheker sind der unmittelbaren Aufsicht des Staats, und den von ihm angeordneten Medicinalbehörden unterworfen.
§. 465. Nur diejenigen, welche die Apothekerkunst ordentlich erlernt haben; zu deren Ausübung, nach angestellter Prüfung, von der Medicinalbehörde tüchtig befunden; und zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten durch diese Behörde verpflichtet worden, sind fähig, einer Apotheke vorzustehen.
§. 466. Wem es an diesen Erfordernissen mangelt, der muß, zur Verwaltung einer durch Erbgangsrecht oder sonst ihm zugefallenen Apotheke, einen nach obiger Vorschrift qualificirten Provisor bestellen.
§. 467. Ein solcher Provisor hat die Rechte und Pflichten eines Handlungsfaktors.
§. 468. Kein Arzt soll in der Regel eine eigne Apotheke besitzen, oder dieselbe durch sich selbst, oder durch andre verwalten.
§. 469. Ein Apotheker ist, bey Verlust seines Rechts, schuldig, dafür zu sorgen, daß die nöthigen Arzeneymittel bey ihm in gehöriger Güte zu allen Zeiten zu haben sind.
§. 470. Auch muß er solche Veranstaltungen treffen, daß das Publikum und die Kranken mit deren Zubereitung, es sey bey Tage, oder bey Nacht, schleunig gefördert werden.
§. 471. Die Pflichten der Apotheker wegen der Zubereitung, des Verkaufs, und der Verwahrung der Arzeneyen und Gifte, ingleichen wegen des Curirens der Krankheiten, sind im Criminalrechte bestimmt.
Besondre Privilegia der Apotheker.
§. 472. Apotheker genießen, wegen der einem Gemeinschuldner auf Credit gereichten Arzeneyen, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht.
§. 473. Die von ihnen nach kaufmännischer Art geführten Bücher, haben die Rechte und die Glaubwürdigkeit der Handlungsbücher.
§. 474. Auch in Ansehung des Wechselausstellens genießen sie die Rechte der Kaufleute.
Siebenter Abschnitt. Von Kaufleuten
I. Wem die Rechte der Kaufleute zukommen.
§. 475. Werden Handel mit Waaren oder Wechseln als sein Hauptgeschäft treibt, wird ein Kaufmann genannt.
§. 476. Will jemand unter dem Schutze des Staats kaufmännische Geschäfte treiben: so muß er dazu die Erlaubniß der Obrigkeit nachsuchen.
§. 477. Ein Minderjähriger soll zu Treibung kaufmännischer Geschäfte erst nach erhaltener Großjährigkeits-Erklärung gelassen werden.
§. 478. Ein Großjähriger, welcher mit Vorwissen seines noch am Leben befindlichen Vaters, und ohne dessen ausdrücklich erklärten Widerspruch, kaufmännische Geschäfte zu betreiben anfängt, geht eben dadurch aus der väterlichen Gewalt. (Tit. II. §. 212. 218.)
§. 479. Wo Kaufmannsgilden oder Innungen vorhanden sind, muß ein darin aufzunehmendes Mitglied den Erfordernissen der Innungsartikel, sowohl in Ansehung der Lehrjahre, als sonst, ein Genüge leisten.
§. 480. An Orten, wo dergleichen Innungen bestehn, hat nur der, welcher darin aufgenommen ist, die Rechte eines Kaufmanns.
§. 481. Doch bleibt dem Staate, auch an solchen Orten, das Recht, einzelnen Personen außerhalb der Innung, die Befugniß zum Handel durch besondere Concessionen zu ertheilen. (§. 184.)
§. 482. Wo gar keine Gilden vorhanden, oder wo dieselben nur für gewisse Arten der Kaufleute errichtet sind, haben alle diejenigen, welche einen fortdauernden Waarenhandel, oder ein dergleichen Wechselverkehr treiben, die Rechte der Kaufleute.
§. 483. Die Unternehmer der Fabriken haben, in Rücksicht auf den Betrieb derselben, und den Absatz der darin verfertigten Waaren, kaufmännische Rechte.
§. 484. Eben dies gilt von Schiffsrhedern, in Ansehung der auf die Rhederey unmittelbar Bezug habenden Geschäfte.
§. 485. Bewohner des platten Landes, die nur mit selbst erzeugten, oder durch landwirthschaftliche Mittel veredelten Produkten; ingleichen Handwerker und Fabrikanten, welche mit den von ihnen selbst verfertigten Arbeiten Verkehr treiben, sind für Kaufleute nicht zu achten.
§. 486. Krämer in Dörfern und Flecken, Hausirer, Trödler, und gemeine Viktualienhändler, haben nicht die Rechte der Kaufleute.
§. 487. Wer nur einzelne Lieferungen übernimmt, wird dadurch noch kein Kaufmann.
II. Von Kaufmannschaft treibenden Frauenspersonen.
§. 488. Eine Frauensperson, welche für eigne Rechnung Kaufmannschaft treibt, kann bey den dahin einschlagenden Geschäften und Verbindungen, auf die Vorrechte und Begünstigungen ihres Geschlechts keinen Anspruch machen.
§. 489. In ihren übrigen Angelegenheiten aber bleiben ihr diese Rechte vorbehalten.
§. 490. In zweifelhaften Fällen wird vermuthet, daß eine solche Person (§. 488.) die eingegangenen Verbindlichkeiten als handlungstreibende Frau übernommen habe.
§. 491. Auch wird von einer Frauensperson, welche Eigenthümerin einer Handlung ist, so lange angenommen, daß sie dieser Handlung selbst vorstehe, bis von ihr ein Disponent bestellt, und die Prokura nach §. 500. sqq. gehörig bekannt geworden ist.
§. 492. Alsdann hat sie ferner für ihre Person weder die Rechte, noch die Verbindlichkeiten eines Kaufmanns.
§. 493. Jedoch ist sie schuldig, alle der bekannt gemachten Prokura gemäß, vorgenommenen Handlungen ihres Disponenten, sowohl mit dem Handlungs-, als mit ihrem übrigen Vermögen, zu vertreten.
§. 494. Die Verheirathung einer Frauensperson, welche Eigenthümerin einer Handlung ist, ändert ihre Rechte und Verbindlichkeiten, in Absicht der Handlung und deren Betriebes, an und für sich nicht ab.
§. 495. Ist eine Frauensperson mit ihrem Ehemanne, oder einem Dritten, in Societätshandlung getreten: so hat sie die Rechte und Verbindlichkeiten einer Kaufmannschaft treibenden Frau nur alsdann, wenn zugleich verabredet und bekannt gemacht worden, daß sie der Handlung mit vorstehen solle.
§. 496. Die Ehefrau eines Kaufmanns, welche dem Manne in seinen Geschäften bloß hülfreiche Hand leistet, ist selbst an Orten, wo Gemeinschaft der Güter unter ihnen obwaltet, für eine Kaufmannschaft treibende Frauensperson noch nicht zu achten.
III. Von Faktoren und Disponenten.
§. 497. Wer von dem Eigenthümer einer Handlung, welcher derselben nicht vorstehen kann oder will, den Auftrag erhalten hat, seine Stelle zu vertreten, wird Faktor, Disponent, oder Handlungsvorsteher genannt.
§. 498. Steht der Eigenthümer einer Handlung unter väterlicher Gewalt oder Vormundschaft: so muß die Prokura von demjenigen ausgestellt werden, dem die Verwaltung seines Vermögens gebührt.
§. 499. Ist dieser ein Vormund oder Curator; oder gehört die Handlung zum freyen Vermögen eines noch unter väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen: so muß die obervormundschaftliche Genehmigung hinzukommen.
§. 500. Die Ertheilung der Prokura muß schriftlich geschehen, und gehörig bekannt gemacht werden.
§. 501. Ist der Disponent einer Handlung überhaupt vorgesetzt: so erstreckt sich der Auftrag über alle Arten der Geschäfte, welche bey der ihm übertragenen Handlung vorfallen.
§. 502. Soll die Macht des Disponenten in besondern Fällen eingeschränkt seyn: so muß dieses in der Prokura bestimmt, und mit derselben gehörigen Orts bekannt gemacht werden.
§. 503. Für eine gehörige Bekanntmachung ist anzusehen, wenn die Kaufmannschaft des Orts wo die Handlung etablirt ist, auf der Börse oder durch ihre Vorsteher; ingleichen die auswärtigen Correspondenten, mit welchen die Handlung in Verbindung steht, durch Briefe davon benachrichtiget werden.
§. 504. Die Firma oder Unterschrift, deren sich der Disponent bedienen soll, muß unter dessen Handschrift den Correspondenten mitgetheilt, und auf der Börse verwahrlich niedergelegt werden.
§. 505. An Orten, wo keine ordentlich eingerichteten Börsen oder Kaufmannsinnungen sind, muß, außer der schriftlichen Bekanntmachung an die Correspondenten, die Ertheilung der Prokura den ordentlichen Gerichten angezeigt; die Firma bey diesen niedergelegt; und den Kaufleuten des Orts durch die Gerichte davon Nachricht ertheilt werden.
§. 506. Einschränkungen der Prokura, die nicht gehörig bekannt gemacht worden, kommen dem Eigenthümer gegen einen Dritten, der mit dem Disponenten sich eingelassen hat, nur in so fern zu statten, als ausgemittelt werden kann, daß diese Einschränkungen zeitig genug, auf andre Art, zur Wissenschaft des Dritten gelangt sind.
§. 507. Hat der Eigenthümer einer Handlung jemanden, dem er keine Prokura ertheilt, gleichwohl für seinen Faktor schriftlich oder mündlich angegeben: so wird er denjenigen verhaftet, welche dadurch verleitet worden, sich mit denselben einzulassen.
§. 508. So weit die Bekanntmachung gehörig erfolgt ist, steht es in dem freyen Willen des Eigenthümers, ob er die von dem Faktor außer den Schranken der Prokura unternommenen Geschäfte genehmigen wolle, oder nicht.
§. 509. Wegen einer hinzukommenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Genehmigung finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. V. §. 185. bis 191. und Tit. XIII. §. 143. 144. Anwendung.
§. 510. Auch muß ein Handlungseigenthümer, sobald er von dem Faktor oder von dem Dritten, mit welchem ein Geschäft verhandelt worden, Nachricht erhält, daß der Faktor dabey die Schranken der Prokura überschritten habe, sich innerhalb der im Ersten Theile, Tit. V. §. 90. sqq. bestimmten Fristen, über die Billigung oder Mißbilligung erklären, oder allen aus dieser Unterlassung entstandenen Schaden vertreten. (Th. I. Tit. XIII. §. 145. 146.)
§. 511. Auch wenn ein Faktor nur zu einer besondern Art von Geschäften bestellt worden, muß dennoch die Bekanntmachung an dem Orte, wo er die Geschäfte betreiben soll, ingleichen an auswärtige Handlungscorrespondenten, nach obigen Vorschriften geschehen.
§. 512. Einschränkungen, die sich aus der Natur des Auftrages von selbst ergeben, bedürfen keiner ausdrücklichen Bekanntmachung.
§. 513. Ein Faktor, der nur zum Waareneinkauf oder Verkauf auf Märkten und Messen bestellt ist, verbindet den Prinzipal nur durch solche Handlungen, ohne die er seinen Auftrag nicht vollziehen könnte.
§. 514. Soll ein solcher Faktor Wechselverbindungen für den Prinzipal übernehmen können: so muß die Prokura ausdrücklich darauf gerichtet seyn.
d) Wie weit unerlaubte Handlungen des Faktors den Prinzipal verbinden.
§. 515. Hat ein Faktor, bey Vollziehung seines Auftrages, eine unerlaubte Handlung oder gar ein Verbrechen begangen: so ist der Prinzipal dem Beschädigten nur in so weit zum Schadensersatze verhaftet, als überhaupt ein Dritter dazu für schuldig geachtet werden kann. (Th. I. Tit. VI. §. 50. sqq.)
§. 516. Die vom Faktor bey Handlungsangelegenheiten verwirkte Confiskation trifft den Prinzipal, mit Vorbehalt des Regresses gegen den Faktor.
§. 517. Hat jedoch der Prinzipal schon vormals ähnliche Handlungen des Faktors gebilligt: so findet der Regreß nicht statt.
§. 518. Auch haftet der Prinzipal, bey dem Unvermögen des Faktors, für die Geldstrafen wegen der von demselben in Handlungsangelegenheiten, obgleich ohne sein Vorwissen, begangenen Vergehungen wider die Accise- und Zoll-Gesetze.
§. 519. Bey andern Verbrechen des Faktors hingegen ist der Eigenthümer für die demselben zuerkannte Geldstrafe an und für sich nicht verhaftet.
e) Ob ein Faktor substituiren könne.
§. 520. Ohne ausdrückliche Einwilligung des Prinzipals ist der Faktor nicht berechtigt, die erhaltene Prokura einem Anderen zu übertragen.
§. 521. Doch kann er zu einzelnen Angelegenheiten bevollmächtigte bestellen; auch sich zu solchen Geschäften, die ein Kaufmann durch Handlungsdiener und Lehrlinge zu betreiben pflegt, dieser Beyhülfe bedienen.
f) Verhältnisse zwischen dem Prinzipal und Faktor.
§. 522. Die Rechte und Pflichten zwischen dem Prinzipal und Faktor sind hauptsächlich nach dem Inhalte des unter ihnen geschlossenen Abkommens, und wo dieses nichts bestimmt, nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Th. I. tit. XIII. §. 49. sqq)
§. 523. Ohne ausdrückliche Erlaubniß des Prinzipals darf kein Faktor Handlungsgeschäfte auf eigne Rechnung treiben.
§. 524. Hat er es dennoch gethan: so gehört aller dadurch erhaltener Gewinn dem Prinzipale.
§. 525. Besteht eine solche Handlungsunternehmung aus mehrem verbundenen Geschäften: so muß der Prinzipal, wenn er sich den Vortheil bey dem Einen Geschäfte zueignen will, auch den Schaden bey den übrigen mit übernehmen.
§. 526. Der Faktor hat nach aufgehobener Prokura das Recht, die in seiner Gewahrsam befindlichen Waaren und Sachen des Prinzipals so lange zurückzubehalten, bis er wegen seiner bey Gelegenheit der gehabten Prokura entstandenen Forderungen befriedigt worden.
§. 527. Doch kann dies Retentionsrecht nicht weiter ausgedehnt werden, als bis zum Betrage der auf wahrscheinlichen Gründen beruhenden Forderung des Faktors. (Th. I. Tit. XX. §. 536. sqq.)
§. 528. Auch ohne ausdrückliches Versprechen kann ein Faktor für seine Bemühungen billige Vergütung fordern, wenn er nicht schon vorher gegen ein bestimmtes Lohn im Dienste des Prinzipals gestanden hat.
§. 529. Diese Vergütung muß, wenn die Parteyen sich darüber nicht einigen können, nach dem Umfange der Geschäfte, und des dadurch bewirkten Vortheils, von vereideten Sachverständigen bestimmt werden.
§. 530. Will der Handlungseigenthümer seinen Auftrag widerrufen: so muß er die Prokura zurücknehmen, und es gehörig bekannt machen.
§. 531. Diese Bekanntmachung muß nach Vorschrift des §. 503. sqq. geschehen.
§. 532. Denjenigen, welchen die Zurücknahme der Prokura solchergestalt bekannt gemacht worden, wird den Handlungseigenthümer aus ihren hier- nächst mit dem gewesenen Faktor geschlossenen Verträgen und Geschäften ferner nicht verantwortlich.
§. 533. Gegen Andre aber kann der Handlungseigenthümer sich nur dadurch sicher stellen, daß er die Zurücknahme der Prokura viermal, von acht zu acht Tagen, durch die Zeitungen und Intelligenzblätter der Provinz, wo der Sitz der Handlung ist, bekannt macht; außerdem aber an der Börse, ingleichen an der Thüre des Hauses, wo das Comtoir befindlich gewesen ist, eine schriftliche Nachricht darüber anschlagen, und Vier Wochen lang aushängen läßt.
§. 534. Sind diese Maaßregeln nicht beobachtet worden: so wird der Prinzipal solchen Personen auch aus den nachherigen der vorhin ertheilten Prokura gemäßen Handlungen des gewesenen Faktors verhaftet; in so fern nicht ausgemittelt werden kann, daß sie von dem Widerrufe auf andre Art Wissenschaft erhalten haben.
§. 535. Ist ein Faktor nur auf eine gewisse bestimmte Zeit bestellt: so bedarf es nach Ablauf dieser Zeit keines ausdrücklichen Widerrufs, in Absicht derjenigen, denen diese Einschränkung gehörig bekannt gemacht worden, oder die davon auf andre Art erweislich Wissenschaft erhalten haben.
§. 536. Gegen alle übrigen ist zur Sicherstellung des Prinzipals, die Bekanntmachung der aufgehobenen Prokura in der §. 533. vorgeschriebenen Art nothwendig.
§. 537. Will der Handlungseigenthümer sich wegen der von dem Faktor, während seiner Verwaltung, vorgenommenen Geschäfte, gegen unbekannte Ansprüche sicher stellen: so kann er ein gerichtliches Aufgebot nachsuchen.
§. 538. Zu diesem Aufgebote muß der Termin auf Achtzehn Monathe hinausgesetzt werden, und die in der Prozeßordnung vorgeschriebene Bekanntmachung, außer den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz, auch durch die öffentlichen Blätter derjenigen Orte, wohin das Verkehr der Handlung hauptsächlich gerichtet gewesen ist, geschehen.
§. 539. Werden nach ergangenem Präclusionsurtel annoch Forderungen angebracht, welche aus den Büchern und andern vorhandenen Nachrichten nicht bekannt gewesen sind: so ist der Prinzipal nur für dasjenige verhaftet, was aus dem Geschäfte wirklich an die Handlung gekommen ist.
§. 540. Stirbt der Handlungseigenthümer: so bleibt die von demselben ertheilte, auf eine gewisse Zeit, oder auf seine Lebenszeit ausdrücklich nicht eingeschränkte Prokura, so lange bey Kräften, bis selbige von den Erben oder von den Gerichten widerrufen wird.
h) Verhältnisse zwischen dem Faktor, und denen, mit welchen er Geschäfte getrieben hat.
§. 541. So lange die Prokura des Faktors dauert, haben diejenigen, mit welchen er Handlungsgeschäfte getrieben hat, die Wahl: ob sie ihn oder den Prinzipal belangen wollen.
§. 542. Doch darf der Faktor solchen Handlungsgläubigern nicht weiter, als auf den Betrag des in seinen Händen befindlichen Handlungsfonds gerecht werden.
§. 543. Die ausstehenden Forderungen der Handlung können gleichfalls, so lange die Prokura dauert, entweder von dem Prinzipale selbst, oder von dem Faktor eingezogen werden.
§. 544. Nach geschehener Aufhebung der Prokura kann nur der Prinzipal belangt werden, auch nur von ihm die Einziehung der ausstehenden Forderungen geschehen.
§. 545. Jedoch ist sowohl vor, als nach aufgehobener Prokura, der Faktor aus eignen Mitteln verhaftet, wenn er sich ausdrücklich zugleich für seine Person verbindlich gemacht, oder die Schranken seines Auftrages überschritten hat.
I.V Von Handlungsdienern und Lehrlingen.
§. 546. Handlungsdiener oder Lehrlinge, die in offenen Gewölben oder Laden angestellt worden, sind zu den daselbst gewöhnlich vorfallenden Handlungsgeschäften für bevollmächtigt zu achten.
§. 547. Sie können im Laden oder Gewölbe die daselbst befindlichen Waaren verkaufen, das Geld dafür in Empfang nehmen, und darüber quittiren.
§. 548. Auch Rechnungen über ausgenommene Waaren können im Laden oder Gewölbe, gegen die von ihnen ausgestellten Quittungen, sicher bezahlt werden.
§. 549. Zu Geldanleihen, zum Wechselausstellen, Acceptiren, oder Indossiren, zum Einkaufe, ingleichen zum Verkaufe auf Credit, oder in großen Partien, sind bloße Handlungsdiener oder Lehrlinge nicht für bevollmächtigt anzusehen.
§. 550. Außer dem Laden oder Gewölbe, kann an sie nur in so fern sicher bezahlt werden, als sie die Waaren, wofür die Zahlung erfolgt, oder die mit Quittungen versehenen Wechsel, Assignationen, Rechnungen, und andere Schuldbriefe überbracht haben.
§. 551. Cassirer der Bankiers und andrer Kaufleute, ingleichen Handlungsbediente, die auf Messen oder Märkte verschickt werden, sind in Absicht der mit ihrer Bestimmung verknüpften und daraus folgenden Geschäfte, auch ohne besondre Bekanntmachung, als Faktors anzusehen.
§. 552. In wie fern, außer diesen Fällen, ein Handlungseigenthümer durch die von seinen Handlungsbedienten oder Lehrlingen vorgenommenen Geschäfte verbindlich werde, ist nach den Grundsätzen von Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XIII. §. 98. sqq.)
§. 553. Für die unerlaubten Handlungen derselben haftet er nur in so weit, als die unerlaubten Handlungen eines Faktors ihn verbinden. (§. 515. sqq.)
V. Vom Ausnehmen der Waaren durch Dienstboten.
§. 554. Ein Kaufmann, welcher auf jemandes Namen und Credit, an dessen Hausgenossen, Dienstboten, oder Handwerker, Waaren verabfolgt, thut dieses bloß auf seine Gefahr.
§. 555. Will er sich an den, auf dessen Namen die Waaren abgeholt worden, wegen der Bezahlung halten: so muß er sich einer schriftlichen Einwilligung desselben versichern.
§. 556. Ist diese Einwilligung nur auf Eine Lieferung gerichtet: so berechtigt sie den Kaufmann nicht zu mehrern folgenden Lieferungen.
§. 557. Hat aber jemand einem Andern die Vollmacht, auf seinen Namen Waaren abzuholen, ohne Einschränkung ertheilt: so kann der Kaufmann mit der Verabfolgung an diesen Bevollmächtigten so lange fortfahren, bis ihm die Zurücknahme der Vollmacht ausdrücklich bekannt gemacht wird.
§. 558. Hält der Abnehmer mit dem Kaufmanne ein Buch, in welches die gelieferten Waaren, und der bedungene Preis eingeschrieben werden: so ist jeder Abholer der Waaren, welcher dies Buch dem Kaufmanne vorzeigt, zum Empfange derselben für bevollmächtiget zu achten.
§. 559. Hat jemand einen Hausgenossen, Dienstboten, oder Handwerker bevollmächtigt, Waaren auf seinen Namen von einem oder mehrern ausdrücklich benannten Handlungshäusern auszunehmen: so giebt dieses andern Kaufleuten keine Befugniß, demselben in gleicher Art Waaren zu verabfolgen.
§. 560. Selbst der Empfang der Waaren, die auf jemandes Namen einem Andern ohne gehörige Legitimation verabfolgt worden, verpflichtet den Empfänger, in so fern derselbe nur sonst für einen redlichen Besitzer zu achten ist, noch nicht zu deren Bezahlung.
§. 561. Vielmehr haftet ein solcher Empfänger für den Werth der Waare nur so weit, als er sich sonst mit dem Schaden des Verkäufers bereichern würde.
§. 562. Ein Kaufmann kann sich seiner Handlungsbücher, wenn dieselben gehörig geführt sind, zum Beweise bey seinen streitig gewordenen Forderungen bedienen.
§. 563. Diese Beweiskraft erstreckt sich jedoch nur auf das zur Handlung gehörende Waaren- und Wechselverkehr.
§. 564. Bey Anlehnen und Bürgschaften; wegen eingebrachten Vermögens der Ehefrauen; und anderer Geschäfte, haben Vermerke in den Handlungsbüchern keine mehrere Glaubwürdigkeit als andere Privatverzeichnisse.
§. 565. Wenn auch dergleichen Forderungen (§. 564.) mit dem Handlungsverkehre in Beziehung oder Verbindung stehen: so können dennoch, sobald sie nicht selbst aus einem Waaren- oder Wechselverkehre entsprungen sind, die Handlungsbücher als Beweismittel dabey nicht gebraucht werden.
§. 566. Sollen Handlungsbücher Beweiskraft haben so müssen sie nach kaufmännischer Art geführt seyn.
§. 567. Mit dem Hauptbuche zugleich müssen, nach dem Verlangen des Gegentheils, auch die übrigen Bücher, auf die dasselbe sich bezieht, vorgelegt werden.
§. 568. Diese Bücher müssen sowohl unter sich, als mit dem Hauptbuche, bey den durch Sachverständige zu machenden Proben, übereinstimmen.
§. 569. Unter Kaufleuten haben dergleichen Handlungsbücher volle Beweiskraft.
§. 570. Weichen die Vermerke in den Büchern der in Streit befangenen Kaufleute von einander ab, und sind beyderley Bücher gehörig geführt: so kann keins derselben als ein Beweismittel für den vorliegenden Fall gebraucht werden.
§. 571. Finden sich aber gegen das Eine von beyden Büchern erhebliche Ausstellungen: so hat das andere, welches untadelhaft geführt worden, so lange Beweiskraft, als das Gegentheil nicht auf andere Art ausgemittelt ist.
§. 572. Gegen Andere, als Kaufleute, kann nur bey streitigen Warenlieferungen ein Beweis aus den Handlungsbüchern genommen werden; wenn durch Geständniß, oder sonst, bereits ausgemittelt ist, daß die Waaren geliefert worden.
§. 573. Alsdann kann die Zeit der geschehenen Lieferung; der Betrag und die Beschaffenheit der gelieferten Waaren; der Preis, wofür sie behandelt oder verabfolgt worden; und die Zeit, binnen welcher die Zahlungerfolgen sollen, aus den Handlungsbüchern bewiesen werden.
§. 574. Auch über den Umstand: ob die Lieferung unmittelbar an den Beklagten, oder an dessen Hausgenossen, Dienstboten, Handwerker u. s. w. geschehen sey, ist der Beweis aus den Handlungsbüchern zuläßig.
§. 575. Doch wirken die Bücher des Kaufmanns gegen einen, der kein Kaufmann ist, in jedem Falle nur einen halben Beweis.
§. 576. Wird dieser halbe Beweis durch Gegenbeweismittel nicht geschwächt, oder aufgehoben: so muß der Kaufmann zur eidlichen Bestärkung seiner Bücher zugelassen werden.
§. 577. Bey Societätshandlungen sind die sämmtlichen Theilnehmer, welche zur Zeit der geschehenen Lieferung der Handlung an dem Orte vorgestanden haben, zur eidlichen Bestärkung verbunden.
§. 578. Haben die Theilnehmer einen von ihnen, oder einen Fremden, der ganzen Handlung, oder doch der Art von Geschäften, woraus die Schuld entstanden ist, vorgesetzt: so ist nur dieser zur eidlichen Bestärkung verpflichtet.
§. 579. Sind die Bücher von einem Buchhalter geführt worden: so muß, auf Verlangen des Gegenteils, außer dem Handlungseigenthümer oder Disponenten, auch der Buchhalter den Eid ableisten.
§. 580. Ist letzterer gestorben, oder sein Aufenthalt unbekannt: so ist der Eid des Eigenthümers oder Disponenten allein hinreichend.
§. 581. Wie zu verfahren sey, wenn der Buchhalter den Eid abzuleisten Anstand nimmt, ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 582. Die Erben eines Kaufmanns müssen die Richtigkeit der Bücher der Regel nach insgesammt, jedoch nur auf die Art, wie Erben überhaupt Handlungen des Erblassers zu bekräftigen verbunden sind, eidlich bestärken.
§. 583. Hat aber Einer von den Erben die Direction die Handlung übernommen, und solche bereits länger als Ein Jahr geführt: so ist dessen alleinige eidliche Bestärkung hinreichend.
§. 584. Der eidlichen Bestärkung bedarf es nicht, beyden von vereideten Buchhaltern geführten Büchern der Königlichen Bank, der Seehandlungs-Gesellschaft, des Lagerhauses, der Gold- und Silbermanufaktur, und andrer öffentlichen Anstalten, die mit diesem Privilegio ausdrücklich versehen sind.
§. 585. Den Handlungsbüchern der Juden, welchen die Rechte christlicher Kaufleute verliehen worden, kommt eben die Beweiskraft zu, als den Büchern christlicher Kaufieute.
§. 586. Diese Beweiskraft schränkt sich jedoch nur auf solche Handlungsgeschäfte ein, die nach dem Zeitpunkte vorgefallen sind, da der Jude die Rechte christlicher Kaufleute erhalten hat.
§. 587. Hat ein mit diesen Rechten nicht versehener Jude die christliche Religion angenommen: so haben seine Bücher nur in Absicht der nachher betriebenen Handlungsgeschäfte Beweiskraft.
§. 588. Die Handlungsbücher der Juden, welche die Rechte christlicher Kaufieute nicht haben, beweisen nur gegen deren Glaubensgenossen.
§. 589. Ist jedoch ein solcher Jude Unternehmer einer Fabrike, oder ein Bankier: so beweisen seine Bücher auch gegen christliche Kaufleute, die sich in Wechsel- oder Fabrikengeschäfte mit ihm eingelassen haben.
§. 590. In allen Fällen aber können Handlungsbücher, welche in jüdischer Sprache geführt sind, als Beweismittel nicht gebraucht werden.
§. 591. Bücher der Brauer, Bäcker, oder anderer Personen, welche ein öffentliches Gewerbe treiben, ingleichen der Krämer in Dörfern und Flecken, haben keine Beweiskraft, wenn sie auch an sich auf kaufmännische Art geführt wären.
§. 592. Ist aber mit dem Abnehmer ein Gegenbuch gehalten, und sind in selbigem die ausgenommenen Waaren oder geleisteten Zahlungen eingeschrieben worden: so bewirkt dies in den Händen des Abnehmers befindliche Gegenbuch wider ihn, ohne Unterschied des Standes, vollen Beweis, wenn er Acht Tage nach Einzeichnung der Lieferung verstreichen läßt, ohne wider die Richtigkeit des in dem Gegenbuche enthaltenen Vermerks gerichtlich zu protestiren.
§. 593. Geht ein solches Gegenbuch ohne Verschulden des Lieferanten verloren: so kann derselbe, gleich einem Kaufmanne, zur eidlichen Bestärkung des in seinen Händen befindlichen Exemplars verstattet werden.
§. 594. In Ansehung der von Kaufleuten unter einander betriebenen Geschäfte, ist die Beweiskraft der Handlungsbücher auf keine bestimmte Frist eingeschränkt.
§. 595. Gegen die Erben eines Kaufmanns dauert die Beweiskraft eines Handlungsbuchs nur Fünf Jahre, vom Todestage des Erblassers.
§. 596. Gegen einen, der kein Kaufmann ist, hat das Handlungsbuch nur binnen Jahresfrist von Zeit jeder Lieferung an gerechnet, die Kraft eines halben Beweises.
§. 597. Nach Verlauf dieses Jahres erlöscht zwar die Beweiskraft, nicht aber das Recht des Kaufmanns, aus dem eingetragenen Vermerke, als aus einem schriftlichen Contrakte, zu klagen.
§. 598. Auch die Beweiskraft kann dem Handlungsbuche durch Einlegung eines Protestes erhalten werden, wenn der Abnehmer die Königlichen Lande verlassen hat, oder sein Aufenthalt dem Kaufmanne unbekannt ist.
§. 599. Ein solcher Protest muß aber vor Ablauf des Jahres (§. 596.) vor Gerichten, oder vor einem Justizcommissario und Notario eingelegt werden.
§. 600. Der Kaufmann muß dabey entweder die Entfernung des Abnehmers außerhalb der Königlichen Lande bescheinigen, oder an Eidesstatt erhärten, daß er, aller angewendeten Mühe ungeachtet, den gegenwärtigen Aufenthalt desselben nicht erforschen können.
§. 601. Er muß ferner sein Hauptbuch vorlegen, und die Stellen desselben, worin seine Forderung enthalten ist, dem Proteste einrücken lassen.
§. 602. Durch den solchergestalt aufgenommenen Protest wird die Beweiskraft des Handlungsbuchs bis auf Fünf Jahre vom Dato desselben erhalten; und sie kann auch nachher, von Zeit zu Zeit, durch Wiederholung des Protestes verlängert werden.
§. 603. Durch einen dergleichen Protest kann ein Kaufmann die Beweiskraft seines Handlungsbuchs, auch gegen die Erben eines andern Kaufmanns, über die §. 595. bestimmte Frist verlängern.
§. 604. Uebrigens wird ein Kaufmann dadurch, daß die Beweiskraft seiner Handlungsbücher erloschen ist, seiner Forderung selbst noch nicht verlustig.
§. 605. Ein Handlungsbuch hat keine Beweiskraft, wenn darin Blätter eingeklebt, eingeheftet, oder ausgerissen; oder wenn Stellen darin befindlich sind, die durch Aenderungen unleserlich gemacht worden.
§. 606. Eben das findet statt, wenn der Kaufmann, bey Führung der Bücher, Unrichtigkeiten begangen hat, die zu seinem Vortheile abzielen.
§. 607. Finden sich Unrichtigkeiten anderer Art, und sind deren mehrere: so muß nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen beurtheilt werden: ob dieselben so beschaffen sind, daß dadurch die Glaubwürdigkeit der Bücher ganz entkräftet werde.
§. 608. Handlungsbücher eines Kaufmanns, der eines Meineides, oder falschen Zeugnisses überführt; oder eines anderen seinen ehrlichen Namen schändenden Verbrechens durch Urtel und Recht schuldig; oder für unfähig, einen Eid zu schwören, erklärt worden, verdienen gar keinen Glauben.
§. 609. Ein Gleiches findet statt, wenn der Kaufmann einen betrüglichen oder muthwilligen Bankrut gemacht hat. (Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 610. Ist er nur eines fahrläßigen, oder unbesonnenen Bankruts schuldig befunden worden: so können seine Bücher zur Unterstützung anderer vorhandenen Beweismittel gebraucht werden.
§. 611. Hat ein Kaufmann auf den Grund seiner Bücher eine Forderung eingeklagt, deren bereits erfolgte Zahlung ausgemittelt wird: so geht die Beweiskraft seiner Bücher auf immer verloren.
§. 612. Wird jedoch erwiesen, daß er bloß wegen Untreue, oder Unordnung eines seiner Handlungsbedienten, von der geschehenen Zahlung keine Wissenschaft erhalten habe: so ist die Beweiskraft seiner Bücher nur in Ansehung des Zeitraums, in welchem ein solcher Handlungsbedienter zur Führung der Bücher, oder Einkassirung der Gelder gebraucht worden, geschwächt.
§. 613. Aber auch für diesen Zeitraum können die Bücher zur Unterstützung anderer vorhandenen Beweismittel gebraucht werden.
VII. Von Handlungsgesellschaften
§. 614. Bey Handlungsgesellschaften finden die allgemeinen Vorschriften von Gesellschaftsverträgen überhaupt, in so fern dieselben hier nicht abgeändert worden, Anwendung. (Th. I. Tit. XVII. §. 186. sqq.)
§. 615. Hat die Handlungsgesellschaft nur einzelne bestimmte Geschäfte und Unternehmungen zum Gegenstande: so ist keine öffentliche Bekanntmachung nöthig.
§. 616. Auch bedarf es dazu unter Kaufleuten keines schriftlichen Contrakts, in so weit dessen Stelle durch gehörig geführte Handlungsbücher des einen oder andern Gesellschafters ersetzt wird.
B. von Societätshctndlungen besonders,
§. 617. Soll aber eine fortwährende Societätshandlung unter einer gemeinschaftlichen Firma errichtet werden: so sind bloße Vermerke in den Handlungsbüchern dazu nicht hinreichend; sondern die Verbundenen müssen einen schriftlichen Contrakt darüber abfassen. (Th. I. Tit. V. §. 155. sqq.)
§. 618. Die Gesellschafter müssen ferner die unter ihnen geschlossene Societät der Kaufmannschaft des Orts, wo die Handlung errichtet ist, auf der Börse, oder durch deren Vorsteher, bekannt machen.
§. 619. Ist an demselben Orte keine Kaufmannsinnung befindlich: so muß die errichtete Societät der Obrigkeit des Orts angezeigt werden.
§. 620. In dem Einen so wie im andern Falle, muß zugleich die Firma, unter welcher die Societät ihre Geschäfte zu treiben gedenkt, angezeigt, und die Handschrift derer, die sie zu führen berechtigt seyn sollen, auf der Börse, oder bey den Gerichten, niedergelegt werden.
§. 621. Bey Bestimmung der Firma ist darauf zu sehen, daß sich dieselbe von allen bereits öffentlich bekannt gemachten hinlänglich unterscheide.
§. 622. Ergiebt sich in der Folge, daß eine andere bereits errichtete Handlung dergleichen Firma führe: so ist die später geschlossene Societät verbunden, ihre Firma zu ändern.
§. 623. Soll das eine oder andre Mitglied von Betreibung der Geschäfte ganz oder zum Theil ausgeschlossen seyn: so muß dies in der Bekanntmachung ausdrücklich bemerkt werden.
§. 624. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Rechte und Pflichten einzelner Mitglieder anders, als es die Gesetze an die Hand geben, bestimmt seyn sollen.
§. 625. So lange die gehörige Bekanntmachung nicht erfolgt ist, kann die Gesellschaft sich der Rechte einer Handlungssocietät gegen einen Dritten nicht bedienen.
§. 626. Sie selbst aber macht sich durch die inzwischen vorgenommene Geschäfte gegen einen Dritten allerdings verbindlich.
§. 627. Eine gleiche Bekanntmachung (§. 618. 619.) muß allemal erfolgen, wenn in dem vorhin bekannt gemachten Inhalte des Vertrages, in Absicht der Firma, oder der Personen, welche der Handlung vorstehen, eine Veränderung vorgenommen werden soll.
§. 628. Auch muß von einer solchen Veränderung denjenigen auswärtigen Handelshäusern, mit welchen die Societät bisher schon in Verbindung gestanden hat, noch besonders Nachricht ertheilt werden.
b) Rechte und Pflichten der Gesellschafter
§. 629. Die Verbindlichkeit unter den Contrahenten selbst, nimmt mit dem Tage des geschlossenen Vertrages ihren Anfang.
§. 630. Wegen der Beyträge zum gemeinschaftlichen Fonds finden die Grundsätze des Ersten Theils, Tit. XVII. §. 189. sqq. Anwendung.
§. 631. Sollen jedoch die Geschäfte der Societätshandlung durch neue Beyträge erweitert werden: so kann dies nur durch Uebereinstimmung sämmtlicher Mitglieder geschehen.
§. 632. Hat das eine oder andre Mitglied ohne eine solche Uebereinstimmung seinen Beytrag verstärkt, und damit die Geschäfte der Societätshandlung erweitert: so ist er als ein solcher zu betrachten, der fremde Geschäfte ohne vorhergegangenen Auftrag besorgt hat. (Th. I. Tit. XIII. §. 228. sqq.)
2) Bey dem Betriebe der Geschäfte.
§. 633. Wenn der bekannt gemachte Inhalt des Societätscontrakts nicht ein Andres bestimmt: so ist jedes Mitglied in Absicht der gemeinschaftlichen Angelegenheiten als Faktor anzusehen.
§. 634. Sind aber die Societätsgeschäfte unter verschiedene Mitglieder vertheilt, und ist dies gehörig bekannt gemacht: so wird jeder nur in seinem Sache als Faktor betrachtet.
§. 635. Jedoch können auch alsdann diejenigen Geschäfte, welche den Handlungsdienern oder Lehrlingen zustehn, von jedem Mitgliede, welches nicht ausdrücklich von allen Geschäften ausgeschlossen ist, gültig vollzogen werden.
§. 636. Ein Mitglied, welches von dem Betriebe der Societätsgeschäfte nicht ganz ausgeschlossen ist, darf ohne Genehmigung der übrigen keine eigne Handlung, von eben der Art, als die Societätshandlung ist, errichten, oder als Gesellschafter daran Theil nehmen.
§. 637. Hat aber ein Gesellschafter schon zur Zeit seiner Aufnahme in die Societät eine eigne Handlung gehabt: so kann er sie fortsetzen, in so fern die Niederlegung derselben nicht ausdrücklich vorbedungen worden.
§. 638. Wenn ein Mitglied, ohne die ausdrückliche Einwilligung der übrigen, seinen Societätsantheil einem Fremden überläßt: so kann dieser von den übrigen Gesellschaftern, weder die Einsicht der Handlungsbücher, noch Rechnungsablegung, noch andre Nachweisungen über die betriebenen Geschäfte, sondern nur die Mittheilung des jährlichen Abschlusses fordern. (Th. I. Tit. XVII. §. 217. sqq.)
3) Wegen der Rechnungsablegung.
§. 639. Jeder Gesellschafter ist schuldig, dahin zu sehen, daß über die durch ihn besorgten Geschäfte ordentliche Bücher kaufmännischer Art geführt werden.
§. 640. Wer dies unterläßt, verliert bey der Rechnungslegung, in Absicht der durch ihn betriebenen und nicht gehörig eingetragenen Geschäfte, die Befugniß zur eidlichen Bestärkung. (Th. I. Tit. XVII.§.. 220)
§. 641. Auch ist er den übrigen Mitgliedern für allen dadurch entstehenden Schaden verhaftet.
§. 642. Sind in dem Contrakte keine besondre Verabredungen getroffen: so kann jedes Mitglied verlangen, daß am Ende des Jahres ein Inventarium über das gesammte Societätsvermögen aufgenommen; alsdann der Abschluß aus den Handlungsbüchern angefertigt; und nach demselben Gewinn oder Verlust vertheilt werde.
§. 643. Bey dem Mangel andrer Bestimmungen muß dies am Ende des Monaths Dezember in jedem Jahre geschehen.
§. 644. Sind in dem Contrakte keine besondere Abreden getroffen: so werden, bey Aufnahme des Inventarii, die zum Handlungsvermögen gehörende Vorräthe an Materialien und Waaren nur zu dem Preise, wofür sie angeschaft sind, und wenn der gangbare Werth zur Zeit der Inventur niedriger ist, nur zu diesem niedrigeren Preise angesetzt.
§. 645. Von solchen Materialien und Waaren, deren Werth durch das Liegen im Lager vermindert wird, ingleichen von den Geräthschaften, welche sich durch den Gebrauch abnutzen, muß außerdem noch ein verhältnißmäßiger Abzug gemacht werden.
§. 646. Die ausstehenden Forderungen der Handlung, welche nicht beygetrieben werden können, müssen ganz abgeschrieben; die zweifelhaften aber nur mit einem verhältnißmäßigen Abzug angesetzt werden.
4) Bey den Verhältnissen gegen andere.
§. 647. Die Gesellschaft wird sowohl durch gemeinschaftlich abgeschlossene und unterschriebene Verträge, als durch die Handlungen einzelner Mitglieder, in so fern dieselben als Faktors zu betrachten sind (§. 633-635.) verpflichtet.
§. 648. Wegen der übernommenen Wechselverbindlichkeiten ist das Nöthige im folgenden Abschnitte vorgeschrieben.
§. 649. Wenn ein Gesellschafter nicht im Namen der Societät, oder unter deren Firma Verträge schließt: so finden die Vorschriften des Ersten Theils Tit. XVII. §. 232. sqq. Anwendung.
§. 650. Hat ein Mitglied der Societät die Schranken seines Auftrages überschritten, oder unerlaubte Handlungen vorgenommen: so ist die Verbindlichkeit der übrigen Mitglieder nach den Grundsätzen von Faktoren zu beurtheilen. §. 516. sqq.
§. 651. Derjenige, welcher der Societät ein bestimmtes Capital mit der Bedingung anvertrauet hat, daß er, statt der Zinsen, am Gewinne oder Verluste nach Verhältniß dieses Capitals Theil nehmen wolle, wird ein stiller Gesellschafter (Associé en commendite) genannt.
§. 652. Ist sein Name in der Firma nicht mit enthalten, noch er sonst als ein Gesellschafter ausdrücklich bekannt gemacht: so haftet er den Societätsgläubigern nur mit seinem in der Handlung stehenden Capitale; und kann ein Mehreres zu den Societätsschulden beyzutragen, nicht angehalten werden.
5) Wegen Gewinnstes und Verlustes.
§. 653. Jedes Mitglied ist von seinem eingelegten Capitale gewöhnliche Zinsen zu fordern befugt, wenn nicht das Gegentheil im Contrakte festgesetzt worden.
§. 654. Vor angefertigtem jährlichen Abschlusse, und darnach angelegter Vertheilung des Gewinnstes, kann kein Mitglied, ohne Genehmigung der übrigen, mehr als landübliche Zinsen seines eingelegten Capitals aus der Handlung nehmen.
§. 655. Geschieht es dennoch: so muß von der mehr herausgenommenen Summe der höchste erlaubte Zinssatz entrichtet, auch dieselbe, auf Verlangen des einen oder andern Gesellschafters, sogleich wieder herbey geschaft werden.
§. 656. Nach angefertigtem Abschlusse, und angelegter Vertheilung hingegen, ist jeder befugt, sich seinen Antheil am Gewinne, in so fern es ohne Zerrüttung der fortlaufenden Geschäfte möglich ist, baar herauszahlen zu lassen.
§. 657. Läßt ein Gesellschafter seinen ausgemittelten Antheil am Gewinne, mit ausdrücklicher oder stillschweigender Bewilligung der übrigen, in der Handlung stehen: so muß ihm derselbe vom Ablaufe des nach §. 643. zu bestimmenden Societätsjahres, gleich dem eingelegten Capitale, verzinset werden.
c) Von Aufhebung der Societät.
1) Austritt einzelner Mitglieder.
§. 658. Wenn ein einzelnes Mitglied aus der Societät scheidet: so muß dieses jedesmal, nach Vorschrift §. 627. 628. gehörig bekannt gemacht werden.
§. 659. So lange diese Bekanntmachung nicht geschehen ist, bleibt das ausgetretene Mitglied, auch in Ansehung der nach dem Austritte vorgenommenen Geschäfte, denjenigen Societätsgläubigern, welche davon keine Wissenschaft erhalten haben, verhaftet.
§. 660. Dies findet auch alsdann statt, wenn ein Mitglied von der Gesellschaft ausgeschlossen worden. (Th. I. Tit. XVII. §. 273. sqq.)
§. 661. Stirbt ein Gesellschafter, welcher der gemeinschaftlichen Handlung, oder einem Theile derselben, mit vorgestanden hat: so sind, im Mangel entgegenstehender gültiger Verabredungen, die Erben desselben berechtigt, mit dem Ablaufe des nach §. 643. zu bestimmenden Societätsjahres, in welchem das Absterben erfolgt ist, die Societät zu verlassen.
§. 662. Auf gleiche Art sind die übrigen Mitglieder befugt, den Erben die Societät zu kündigen.
§. 663. Bis zum Ablaufe des Jahres nehmen die Erben an dem Gewinne oder Verluste der Societät, gleich dem Erblasser, Theil.
§. 664. Die übrigen Mitglieder, oder deren Faktors, betreiben so lange die Geschäfte unter der Firma für gemeinschaftliche Rechnung; und den Erben des Verstorbenen steht bloß frey, zu Wahrnehmung ihrer Rechte einen vereideten Sachverständigen als Aufseher zu bestellen.
§. 665. Die ausscheidenden Erben müssen dafür sorgen, daß vor Ablauf des Jahres das Absterben ihres Erblassers, und ihr bevorstehender Austritt, nach Vorschrift §. 658. gehörig bekannt gemacht werde.
§. 666. Welche Wirkungen, außer dem §. 661. bestimmten Falle, das Absterben eines Gesellschafters habe, ist nach den allgemeinen Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVTI. §. 280. zu beurtheilen.
§. 667. Wird über das eigne Vermögen eines Gesellschafters Concurs eröffnet: so hört in Ansehung desselben die Societät mit dem Tage der Concurseröffnung auf; und die übrigen Mitglieder sind befugt, sich nach näherer Vorschrift der Prozeßordnung, mit seiner Creditmasse aus einander zu setzen.
§. 668. Will außerdem ein Mitglied aus der Gesellschaft treten: so muß dasselbe seinen Vorsatz den Uebrigen Sechs Monathe vor Ablauf des Societätsjahres ankündigen.
§. 669. In Ansehung der bey dem Ablaufe des Jahres ohne ausdrücklichen Widerspruch des austretenden Gesellschafters, schon wirklich geschlossenen Societätsgeschäfte, ist derselbe bis zu deren völligen Beendigung mit verhaftet.
§. 670. Bey der Auseinandersetzung selbst finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVII. §. 295. sqq. Anwendung.
§. 671. Hiernach muß auch bestimmt werden: in wie fern der austretende Gesellschafter sein eingelegtes Capital sogleich zurück fordern könne; oder selbiges gegen kaufmännische Zinsen noch länger stehen lassen müsse.
§. 672. Allen Societätsgläubigern, welchen der Austritt gehörig bekannt gemacht worden, bleibt der ausgetretene Gesellschafter nur auf Ein Jahr, seit dem Ablaufe des Societäts-Jahres, verhaftet.
§. 673. Wird eine Forderung erst nach Ablauf dieses Jahres fällig: so ist die Jahresfrist von dem Verfalltage an zu rechnen.
§. 674. Nach Ablauf dieses Zeitraums (§. 672. 673.) können dergleichen Societätsgläubiger sich nur an die übrigen in der Societät verbliebenen Mitglieder halten.
§. 675. Ist die Führung der ganzen Societätshandlung, oder eines Theils derselben, dem ausgetretenen Mitgliede allein übertragen gewesen: so können die in der Societät verbleibenden Mitglieder, gegen unbekannte Ansprüche aus den von ihm vorgenommenen Handlungen, sich eben so, wie der Prinzipal gegen die Handlungen des gewesenen Faktors (§. 537. sqq.) durch ein öffentliches Aufgebot sicher stellen. (§. 539.)
§. 676. Den Societätsgläubigern, welche sich bey diesem Aufgebote nicht gemeldet haben, bleibt jedoch ihr Recht gegen den gewesenen Gesellschafter, welcher seinen Austritt nicht gehörig bekannt gemacht hat, vorbehalten.
2) Gänzliche Trennung und Aufhebung der Societät.
§. 677. Soll die Societätshandlung ganz aufgehoben werden: so muß darüber öffentliche Bekanntmachung, nach Vorschrift §. 618. sqq. erfolgen.
§. 678. Ist diese Bekanntmachung unterblieben: so haftet jedes Mitglied denjenigen, welche auch sonst von der erfolgten Aufhebung der Societät keine Wissenschaft erlangt haben, für die von Einem oder dem Andern der gewesenen Gesellschafter, im Namen der Societät, oder unter deren Firma, geschloßnen Verträgen eben so, als wenn die Societät nicht aufgehoben wäre.
§. 679. Entsteht ein Streit darüber, welcher von den gewesenen Gesellschaftern die bisherige Firma behalten solle: so muß dieselbe demjenigen zugeeignet werden, welcher den darin enthaltenen Hauptnamen zu führen berechtigt ist.
§. 680. Kann der Streit nach diesem Grundsatze nicht entschieden werden: so gebührt demjenigen, welcher von Anfang an ein Mitglied der Societät gewesen ist, oder dessen Erben, der Vorzug vor einem später aufgenommenen Gesellschafter.
§. 681. Kann auch hiernach die Streitfrage nicht bestimmt werden: so muß das Loos entscheiden.
§. 682. Wegen Verhaftung der gewesenen gegen die Societätsgläubiger, nach geschehener Bekanntmachung, findet eben das statt, was im Ersten Theile Tit. XVII. §. 307. sqq. verordnet worden.
§. 683. Doch kann unter den §. 537. sqq. vorgeschriebenen Bestimmungen, die öffentliche Vorladung der unbekannten Gläubiger gesucht werden.
VIII. Von kaufmännischen Zinsen.
§. 684. Hat ein Kaufmann einem Andern, der kein Kaufmann ist, Waaren auf Borg gegeben: so kann er, wenn keine Zahlungsfrist bestimmt worden, nach Verlauf von Vierzehn Tagen, vom Tage der geschehenen Einmahnung gerechnet, landübliche Zinsen fordern.
§. 685. Der ausdrücklichen Einmahnung soll es gleich geachtet werden, wenn der Kaufmann dem Abnehmer Rechnung zuschickt.
§. 686. Zum Beweise, daß, und wenn die Einmahnung geschehen, oder bis zu welchem Tage der Credit gegeben sey, soll der eidlich bestärkte Vermerk in den Büchern des Kaufmanns hinreichen.
§. 687. Kann die geschehene Einmahnung, oder der Tag, bis zu welchem Credit gegeben worden, nicht nachgewiesen werden: so tritt die Verzinsung erst mit Verlauf eines Jahres vom Tage der geschehenen Lieferung ein.
§. 688. Ist der Credit bis zu einem bestimmten Tage gegeben worden: so laufen von diesem an, die Verzögerungszinsen.
§. 689. Vorstehende Befugniß, Zinsen zu fordern (§. 684.687. 688.) wird nicht aufgehoben, wenn gleich der Kaufmann demselben Abnehmer in der Folge noch mehr Waaren auf Credit giebt.
§. 690. Den zur Bestimmung des Zinssatzes ergangenen Landes- oder Provinzialgesetzen sind auch Kaufleute der Regel nach unterworfen.
§. 691. Bey Darlehnen der Kaufleute finden die Vorschriften des ersten Theils Tit. XI. §. 805. Anwendung.
§. 692. Wenn jedoch einem Kaufmanne, der mit Waaren im Großen handelt, Gelder gegen bloße Handschrift oder Wechsel, und ohne besondre Sicherheit, auf eine Sechs Monathe nicht übersteigende Zeit vorgeliehen worden: so soll die Bestimmung des Zinssatzes lediglich der Vereinigung der Interessenten überlassen seyn.
§. 693. Nach Verlauf der Sechs Monathe aber finden nur die gesetzmäßigen Zinsen statt.
§. 694. Wird auch noch während der Sechs Monathe über des Schuldners Vermögen Concurs eröffnet: so kann der Gläubiger nur die gesetzmäßigen Zinsen aus der Masse fordern.
§. 695. Von den Vorschüssen, welche ein Kaufmann, bey Gelegenheit eines demselben ertheilten Auftrages macht, ist er vom Tage der Verwendung an Sechs vom Hundert jährliche Zinsen zu fordern berechtigt.
§. 696. Kaufleute untereinander können in Handlungsgeschäften, auch ohne ausdrückliche Verabredung, die am Orte zwischen Kaufleuten gewöhnlichen Zinsen fordern.
§. 697. Wenn Kaufleute sich untereinander wegen wechselseitiger Forderungen an Capital und Zinsen berechnen: so ist der, welchem ein Ueberschuß gebührt, von dem ganzen Betrage desselben, wenn gleich darunter Interessen mit begriffen sind, Zinsen seit dem Tage des Abschlusses anzusetzen berechtigt.
§. 698. Ein Kaufmann, welcher kaufmännische Geschäfte für einen andern, er sey Kaufmann oder nicht, besorgt, kann dafür, auch ohne ausdrückliche Verabredung, Provision fordern.
§. 699. Diese Provision wird bey dem Waareneinkauf oder Verkauf, von dem Betrage des Kaufgeldes; bey Zahlungen oder Geldhebungen, von dem Betrage der zu zahlenden oder zu erhebenden Summe; und bey Versicherungen von dem gezeichneten Versicherungsquanto gegeben.
§. 700. Sind Waaren bey einem Kaufmanne niedergelegt worden: so kann derselbe für deren Aufbewahrung Lagergeld, auch ohne vorhergegangene ausdrückliche Verabredung fordern.
§. 701. Der Satz der Provision und des Lagergeldes muß nach demjenigen bestimmt werden, was unter Kaufleuten am Orte oder in der Provinz gewöhnlich ist.
X. Von kaufmännischen Empfehlungen.
§. 702. Kaufleute sind schuldig, Aufmerksamkeit anzuwenden, daß nicht andere Kaufleute durch ihre Empfehlungen verleitet werden, sich mit unsichern Personen in Handlungsgeschäfte einzulassen.
§. 703. Hat ein Kaufmann jemanden von mißlichen Vermögensumständen, oder unzuverläßigem Charakter, einem andern Kaufmanne, wider besseres Wissen, als einen sichern guten Mann empfohlen: so muß er allen Schaden ersetzen, welcher bey den durch diese falsche Empfehlung unmittelbar veranlaßten Geschäften, aus dem Unvermögen oder unzuverläßigen Charakter des Empfohlnen entsteht.
§. 704. Hat er von den mißlichen Vermögensumständen, oder dem unzuverläßigen Charakter des Empfohlnen keine Wissenschaft gehabt: so ist er den Schaden nur alsdann zu vertreten schuldig, wenn er den Irrthum bey Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit hätte vermeiden können.
§. 705. Ist die Empfehlung auf vorhergegangene Anfrage des andern Kaufmannes erfolgt: so haftet er nur für ein grobes Versehen.
§. 706. In allen Fällen ist der Empfehlende von der Vertretung frey, wenn ausgemittelt werden kann, daß der Beschädigte durch die Empfehlung nicht bewogen worden, sich mit dem Empfohlnen einzulassen.
§. 707. Desgleichen alsdann, wenn die Unsicherheit oder Unzuverläßigkeit bey dem Empfohlnen erst nach der geschehenen Empfehlung entstanden ist.
§. 708. Auch erstreckt sich die Vertretung allemal nur auf diejenigen Geschäfte, welche unmittelbar nach der Empfehlung mit dem Empfohlnen geschlossen worden.
§. 709. Hat der Beschädigte in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, von den Vermögensumständen oder Charakter des Empfohlnen sich selbst zu überzeugen: so fällt die Vertretung hinweg.
§. 710. Wenn ein Kaufmann einem andern Kaufmanne schriftlich oder mündlich erklärt, daß derselbe einem Dritten auf seine Gefahr Credit geben könne: so ist er als Bürge zu betrachten.
§. 711. Sowohl wegen einer solchen Bürgschaft überhaupt, als wegen der Dauer und des Umfanges derselben, finden die Vorschriften des Ersten Theils Tit. XIV. §. 258. sqq. Anwendung.
§. 712. Hat aber ein Kaufmann an jemanden einen Creditbrief ertheilt, und seinem Correspondenten angewiesen, dem Ueberbringer auf seine Rechnung zu zahlen: so wird er jenem als Hauptschuldner verhaftet.
Achter Abschnitt. Von Wechseln
§. 713. Die nach einer bestimmten gesetzlichen Form abgefaßten Verschreibungen, wodurch jemand verpflichtet wird, eine Summe Geldes bey Vermeidung des sogleich erfolgenden persönlichen Arrestes zu bezahlen, werden Wechsel genannt.
§. 714. Hat der Aussteller die Zahlung selbst zu leisten versprochen: so ist ein trockner oder eigner Wechsel; wenn aber die Zahlung einem Dritten aufgetragen worden, ein gezogner Wechsel vorhanden.
§. 715. Wer überhaupt unfähig ist, Verträge zu schließen, kann sich nicht wechselmäßig verbinden. (Th. I. Tit. V. §. 9-31.)
§. 716. Wer in Ansehung der Fähigkeit, Darlehnsverträge zu schließen, eingeschränkt ist, kann keine Wechselverpflichtung übernehmen. (Th. I. Tit. XI. §. 675. sqq.)
§. 717. Selbst in den Fällen, da die von dergleichen Personen geschlossenen Verträge, oder aufgenommenen Darlehne, unter gewissen Umständen gültig werden, findet gegen sie weder wechselmäßiges Verfahren, noch Wechselexecution statt. (Th. I. Tit. XI. §. 707. sqq.)
§. 718. In der Regel ist nur derjenige wechselfähig, welcher die Rechte eines Kaufmannes hat.
§. 719. Diese Wechselfähigkeit hört, auch nach niedergelegter Handlung, nicht eher auf, als bis eine Veränderung des Standes vorgegangen ist. (Th. I. Tit. I.§. 6.)
§. 720. Die Inhaber der Fabriken, ingleichen die Apotheker, sind in Ansehung der Wechselgeschäfte den Kaufleuten gleich zu achten.
§. 721. Eben dies findet in Absicht derjenigen statt, welche nach den besondern Verfassungen eines jeden Ortes, die Befugniß erhalten haben, für eigne Rechnung zur See oder auf Ströhmen Schifffahrt zu treiben.
§. 722. Diesen wird, bey Seeschiffen, der Capitain, oder derjenige, welchem die Führung des ganzen Schiffes anvertrauet worden, gleich geachtet.
§. 723. Auch Juden ohne Unterschied sind dem Wechselrechte unterworfen.
§. 724. Frauenspersonen, welche Kaufmannschaft treiben, bleiben wegen der in dieser Qualität geschlossenen Wechselgeschäfte ihren Gläubigern, auch nach niedergelegter Handlung, wechselmäßig verpflichtet.
§. 725. Alle übrige Personen weiblichen Geschlechts, ohne Unterschied, sind an sich nicht wechselfähig.
§. 726. Wirkliche Besitzer adlicher Güter, ferner die Haupt- oder Generalpächter Landesherrlicher oder Prinzlicher Aemter, sind für wechselfähig zu achten.
§. 727. Wenn der Besitztitel eines adlichen Gutsbesitzers im Hypothekenbuche gelöscht worden; oder wenn die Pacht aufgehoben ist: so erlöscht die darauf gegründete Wechselfähigkeit.
§. 728. Alle übrige Landeseinwohner, außer vorstehend benannten Personen, (§. 718-724. 726.) können sich in der Regel nicht wechselmäßig verpflichten (§. 931. 932.).
§. 729. Auch dadurch, daß jemand sich für einen Wechselfähigen ausgegeben, und diese Angabe sogar eidlich bestärkt hat, erlangt der Gläubiger kein Wechselrecht. (Th. I. Tit. V. §. 35. 36.)
§. 730 a. Die von solchen nicht wechselfähigen Personen ausgestellte trockne Wechsel werden als bloße Schuldscheine angesehen; und andre von ihnen übernommene Wechselverbindungen werden nach der Natur des dabey eigentlich zum Grunde liegenden Geschäfts beurtheilt.
§. 730 b. Wenn jedoch dergleichen an sich nicht wechselfähige Personen an eine öffentliche Casse oder Anstalt Wechsel ausstellen, so entsteht daraus gegen sie, so weit sie überhaupt Darlehne aufzunehmen fähig sind, auch wechselmäßige Verpflichtung.
§. 731. Wenn jemand, der nach den Gesetzen nicht wechselfähig ist, zur Unterstützung oder Ausbreitung seines Verkehrs oder Gewerbes, sich die Wechselfähigkeit verschaffen will: so muß er sich bey seinem ordentlichen persönlichen Richter melden, und die Beylegung der Befugniß, Wechselverbindungen einzugehen, nachsuchen.
§. 732. Die Anmeldung muß entweder in Person geschehen, oder es muß dazu eine gerichtliche Specialvollmacht ausgestellt werden.
§. 733. Der Richter muß dabey genau untersuchen: ob der, welcher um die Wechselfähigkeit sich meldet, die Eigenschaften, Verstandeskräfte, und Erfordernisse besitze, die ein jeder haben muß, welcher Verträge zu schließen, und Darlehne aufzunehmen, befugt seyn soll.
§. 734. Er muß sich ferner, jedoch nur im Allgemeinen, überzeugen, daß derselbe ein nützliches Gewerbe treibe, zu dessen Beförderung die Wechselfähigkeit gereichen kann.
§. 735. Auf eine genaue Untersuchung über den Umfang dieses Gewerbes, und über die Vermögensumstände des Ansuchenden, ist der Richter sich einzulassen weder befugt, noch schuldig.
§. 736. Ist der Ansuchende einer Patrimonial-Gerichtsbarkeit unterworfen: so muß sich der Gerichtshalter die Genehmigung der Grundherrschaft, oder deren Stellvertreter, beybringen lassen.
§. 737. Den Personen weiblichen Geschlechts, ingleichen den Mannspersonen vom Bauer- oder geringern Bürgerstande, muß der Richter, bey Vermeidung nachdrücklicher Ahndung, die Vorschriften und Folgen des Wechselrechts erklären und bekannt machen.
§. 738. Findet der Richter bey dem Antrage, nach vorstehend erfolgter Prüfung desselben, kein Bedenken: so muß er dem Ansuchenden ein Certificat dahin ausfertigen: daß derselbe sich um die Befugniß, wechselmäßige Verbindungen einzugehen, gebührend gemeldet habe, und dazu hiermit für fähig erklärt werde.
§. 739. Ein solches Certificat macht denjenigen, der es erhalten hat, nicht nur für den Fall, bey dessen Gelegenheit selbiges nachgesucht worden, sondern auch für alle künftige Fälle wechselfähig.
§. 740. Bey Wechselgeschäften einer Frauensperson, welcher ein solches Certificat ertheilt worden, ist weder die Gegenwart eines Assistenten oder Geschlechtsvormundes, noch eine nochmalige Erklärung der Strenge des Wechselrechts nothwendig.
§. 741. Hat jemand, der entweder Verträge überhaupt zu schließen, oder Darlehne aufzunehmen unfähig ist, ein solches Certificat erhalten: so bestehen zwar die mit ihm auf den Grund desselben geschlossenen Wechselverbindungen;
§. 742. Der Richter aber, welcher das Certificat ausgestellt hat, haftet nach den allgemeinen Grundsätzen vom Schadensersatze, für allen dem Unfähigen daraus entstandenen Nachtheil; und soll überdies, wegen vorsätzlicher Ueberschreitung oder grober Vernachläßigung seiner Amtspflichten, nach Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden.
§. 743. Das Certificat selbst muß dem Unfähigen sofort abgenommen und cassirt werden.
§. 744. Kann selbiges nicht wieder herbeygeschafft werden: so muß eine gerichtliche Mortificirung desselben, durch öffentliches Aufgebot, und Bekanntmachung in den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz erfolgen. (Th. I. Tit. XVI. §. 130.132.)
§. 745. Wenn jemand, welcher die Wechselfähigkeit durch eine richterliche Beglaubigung erhalten hat, in der Folge die Befugniß, Verträge zu schließen, oder Darlehne frey aufzunehmen, verliert: so müssen, wegen Zurücknahme und Cassation des Certificats oder wegen dessen Mortificirung, die obigen Vorschriften (§. 743. 744.) ebenfalls beobachtet werden.
§. 746. Jedes Gericht muß von den bey ihm nachgesuchten und ertheilten Certificaten ein genaues und vollständiges Verzeichniß führen; damit in jedem Falle ohne Weitläuftigkeit ausgemittelt werden könne: ob jemand, welcher zu den §. 718. 720-724. und 726. benannten Personen nicht gehört, die Wechselfähigkeit besonders erhalten habe.
§. 747. In diesem Verzeichnisse müssen die nach §. 743-745. zurückgenommenen oder mortificirten Certificate sogleich wiederum gelöscht werden.
II. Allgemeine Erfordernisse eines Wechsels:
§. 748. Ein Instrument, welches Wechselkraft haben soll, muß in dem Contexte ausdrücklich als Wechsel, oder Wechselbrief, benannt seyn.
§. 749. Ist dies geschehen: so kommt es nicht darauf an: ob außerdem noch der Ausdruck: "nach Wechselrecht," gebraucht worden.
§. 750. Sowohl eigene, als gezogene Wechsel, können nur auf bestimmte Geldzahlungen, nicht auf Warenlieferungen, oder Dienstleistungen, gerichtet werden.
§. 751. Verschreibungen, worin dem Schuldner die Wahl, entweder Geld zu zahlen, oder Waaren zu liefern, gelassen wird, sollen nicht als Wechsel gelten.
§. 752. Die zu verschreibende Geldsumme muß in jedem Wechsel bestimmt ausgedrückt werden.
§. 753. Die Bezeichnung der Summe kann mit Buchstaben, oder Ziffern, oder durch beyde zugleich geschehen.
§. 754. Ist die Summe bloß mit Ziffern ausgedrückt, und an diesen eine Correctur ersichtlich: so hat das Instrument keine Wechselkraft.
§. 755. Eben dieses findet statt, wenn die Summe bloß mit Buchstaben ausgedrückt worden, und sich an diesen eine Correctur findet.
§. 756. Ist die in der Ueberschrift oder unter dem Wechsel vermerkte Summe von der im Contexte ausgedrückten verschieden: so wird nur auf die letztere Rücksicht genommen.
§. 757. Weicht im Wechsel selbst, die mit Ziffern bezeichnete Summe von der mit Buchstaben geschriebenen ab: so ist letztere für die richtige zu achten.
§. 758. Behauptet jemand, daß in den hiernach §. 756. 757. anzunehmenden Summen ein Irrthum vorgefallen sey: so bleibt ihm der Nachweis dieses Irrthums, jedoch außer dem Wechselprozesse, unbenommen.
§. 759. Die Münzsorte, worin die Zahlung zu leisten ist, kann nach Bancopfunden und andern bekannten Rechnungsmünzen, oder in klingendem Gelde, bestimmt werden.
§. 760. Lautet jedoch ein in hiesigen Landen zahlbarer Wechsel auf Scheidemünze, oder auf eine zur Zeit der Ausstellung schon verrufene Geldsorte: so hat er keine Wechselkraft.
§. 761. Auch derjenige, an welchen, oder auf dessen Ordre die Zahlung geschehen soll, muß der Regel nach im Wechselbriefe benannt seyn.
§. 762. Doch können auch die Wechsel solcher Personen, welche kaufmännische Rechte haben (§. 718-724.), an jeden Briefsinhaber gestellt seyn.
§. 763. Wer sich aber einen solchen Wechsel ausstellen läßt, muß es lediglich sich selbst beymessen, wenn dieser Wechsel von einem unrechtmäßigen Besitzer, von dem er keine Schadloshaltung erlangen kann, eincassirt wird.
§. 764. Ist jedoch ein solcher auf jeden Inhaber lautende Wechsel an einen Dritten namentlich indossirt worden: so kann die Zahlung nur an den durch dergleichen Indossement berechtigten Inhaber geschehen.
§. 765. Jeder Wechsel muß das Bekenntniß des Ausstellers von dem Empfange der Valuta, oder des Werths, enthalten.
§. 766. Ist nur der Ausdruck: "Valuta oder Werth", gebraucht: so kommt es übrigens auf die Worte, womit das Empfangsbekenntniß ausgedrückt worden, nicht an.
§. 767. Die Bestimmung, worin oder von wem Valuta gegeben worden, ist zur Gültigkeit eines Wechsels nicht nothwendig.
§. 768. Auch der Ausdruck: "Valuta in Rechnung", oder: "den Werth in Rechnung", ist hinreichend.
§. 769. Doch sind die Wechsel der §. 726. benannten Personen nur in so fern als Wechsel gültig, wenn darin ein Bekenntniß des Ausstellers, die Valuta baar empfangen zu haben, enthalten ist.
§. 770. Jeder Wechsel muß auch den Ort der Ausstellung, ingleichen die Zeit derselben, nach Tag, Monath, und Jahr bestimmt, enthalten.
§. 771. Es ist gleichgültig, ob dieser Vermerk am Anfange oder an einer andern Stelle des Wechsels sich befinde.
§. 772. In dem Wechsel muß ferner die Zahlungszeit genau bestimmt werden.
§. 773. Diese Bestimmung kann durch Benennung eines gewissen Tages, Monaths und Jahres; oder eines gewissen Marktes, oder einer Messe; oder durch Angebung eines nach Tagen, Wochen, Monathen, oder Jahren ausgemessenen Zeitraumes, geschehen.
§. 774. Auch ist die Beziehung auf eine bestimmte Handlung, oder Begebenheit, von deren Erfüllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur Zahlung abhängen soll, hinreichend.
§. 775. Ein Wechsel kann auch auf Sicht, oder auf Uso gestellt werden. (§. 849. sqq.)
§. 776. Endlich muß jeder Wechsel von dem Aussteller unterzeichnet seyn.
§. 777. Bey Kaufleuten, die als Eigenthümer, Gesellschafter, oder Disponenten einer Handlung, eine gewisse bekannt gemachte Firma führen, müssen Wechsel, durch welche die Handlung verpflichtet werden soll, unter dieser Firma ausgestellt werden.
§. 778. In allen übrigen Fällen muß entweder der Vor- und Geschlechtsname, oder der Geschlechtsname und Charakter des Ausstellers, oder ein anderes deutliches Kennzeichen, zur Unterscheidung desselben von andern Personen gleiches Namens, beygefügt werden.
§. 779. Wird jemand durch Zufall außer Stand gesetzt, selbst zu schreiben: so kann er einen Andern zur Unterzeichnung seiner Wechsel Procura geben.
§. 780. Dergleichen Procura muß wie jede andre Specialvollmacht ausgestellt werden. (Th. I. Tit. XIII. §. 110. sqq.)
§. 781. Wechsel, die bloß mit Kreuzen oder andern Zeichen unterschrieben sind, haben keine Gültigkeit.
§. 782. Daß der Aussteller den Context des Wechsels eigenhändig schreibe, ist nicht nothwendig.
§. 783. Bey anerkannter Unterschrift, kann sich der Aussteller mit dem Einwande, daß der Wechsel selbst ohne seine Genehmigung geschrieben worden, im Wechselprozesse nicht schützen.
§. 784. Das Vorgeben des Ausstellers, daß er der Sprache, worin der Wechsel abgefaßt ist, nicht kundig sey, benimmt dem Instrumente nichts an seiner Wechselkraft.
III. Von mehrern Wechselverpflichteten.
§. 785. Ist ein Wechsel in der einfachen Zahl ausgestellt, und von mehrern unterschrieben: so wird der zuerst Unterzeichnete als Hauptschuldner betrachtet, und die übrigen haften nur als Bürgen.
§. 786. Lautet aber der Inhalt des von Mehrern unterschriebenen Wechsels in der mehreren Zahl: so ist anzunehmen, daß sie Einer für alle und alle für Einen haften. (Th. I. Tit. V. §. 430. sqq.)
§. 787. Wer also bey einem solchen Wechsel, den er mit unterzeichnet, nur als Bürge, Assistent, oder Zeuge betrachtet seyn will, muß diese Eigenschaft seiner Unterschrift ausdrücklich bey fügen.
§. 788. Ein Faktor oder Disponent, der nicht zugleich Miteigenthümer der Handlung ist, kann wegen der von ihm unter der Handlungsfirma übernommenen Wechselyerbindlichkeiten, für seine Person nicht in wechselmäßigen Anspruch genommen werden.
§. 789. Er ist aber diesem Ansprüche unterworfen, wenn er sich ausdrücklich für seine Person verpflichtet, oder die Schranken seines Auftrages überschritten hat.
§. 790. Hat ein Faktor oder Disponent das Wechselgeschäft nicht unter der Firma, sondern bloß in seinem Namen geschlossen: so ist nur er selbst, nicht aber die Handlung, wechselmäßig verhaftet.
§. 791. Die Erfüllung der von einer Firma übernommenen Wechselverbindlichkeit, muß von dem gefordert werden, welcher der Handlung vorsteht.
§. 792. Wird sie von diesem nicht geleistet: so hält sich der Wechselgläubiger an den Eigenthümer der Handlung wechselmäßig.
§. 793. Ist es eine Societätshandlung: so kann der Wechselgläubiger sich an sämmtliche Gesellschafter, oder auch nur an Einen oder etliche derselben halten. §. 794. Keiner darf vorschützen, daß die zu zahlende Summe seinen Antheil an der gemeinschaftlichen Handlung übersteige.
§. 795. Ein stiller Gesellschafter (Associe en commondite §. 651. 652.) wird aus einer unter der Firma der Gesellschaft übernommenen Wechselverbindlichkeit niemals wechselmäßig verhaftet.
§. 796. Ist der Eigenthümer einer Handlung, oder der Eine von den Gesellschaftern für seine Person nicht wechselfähig: so hat dies weiter keinen Einfluß, als daß der eigentliche Wechselarrest wider ihn nicht statt findet.
§. 797. Sind außerdem mehrere wechselfähige Personen aus einem Wechselgeschäfte Selbstschuldner: so hat der Gläubiger die Wahl, von welchem unter ihnen er Zahlung fordern wolle.
§. 798. Dieser muß die Zahlung vollständig leisten; wenn auch das Geld, ganz oder zum Theil, zum Besten seiner Mitschuldner verwendet seyn sollte.
§. 799. In wie fern er sich, nach geleisteter Zahlung, an seinen Mitschuldner halten könne, ist nach den Vorschriften des Ersten Theils Tit. V. §. 443. sqq. zu beurtheilen.
§. 800. Ihm stehen in so weit alle Rechte eines Bürgen zu.
§. 801. In wie fern derjenige, welcher aus einem Wechsel als Bürge verhaftet ist, wechselmäßig belangt werden kann, ist im Ersten Theile Tit. XIV. §. 290. sqq. bestimmt.
§. 802. Der Bürge, welcher statt des Hauptschuldners einen Wechsel einlöset, tritt ohne Cession in alle Rechte des Wechselgläubigers.
§. 803. Ist ein Wechselbürge nicht wechselfähig: so haftet er nicht wechselmäßig, sondern nur gleich einem gemeinen Bürgen.
§. 804. Eben dies findet statt, wenn die Bürgschaft nicht im Wechsel selbst, sondern außer demselben, in einer andern Verschreibung übernommen worden.
§. 805. Wenn der in, oder auf dem Wechsel benannte Inhaber, denselben einem andern übertragt: so wird dieses ein Indossament genannt.
§. 806. Geschieht die Uebertragung in der Absicht, den Andern zum Eigenthümer oder Herrn des Wechsels zu machen: so ist ein eigentliches Indossament; wenn aber dem Andern bloß die Einforderung der verschriebenen Schuld aufgetragen wird, ein Indossament pro cura vorhanden.
§. 807. Bey einem Indossament pro cura gelten zwischen dem Indossanten, und dem Indossatarius, die Grundsätze von Vollmachtsaufträgen. (Th. I. Tit. XIII. §. 49. sqq.)
§. 808. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß ein eigentliches Indossament, durch welches dem Indossatarius das Eigenthum des Wechsels übertragen werden sollen, vorgegangen sey.
§. 809. Durch den bloßen Besitz eines Wechsels wird jemand, der in oder auf dem Wechsel selbst nicht benannt ist, zur Einziehung der darin verschriebenen Summe nicht berechtigt.
§. 810. Ist jedoch der Wechsel auf jeden Briefsinhaber gestellt, und es befindet sich darauf kein Indossament: so ist jeder Besitzer zur Erhebung der verschriebenen Summe legitimirt. (§. 763.)
Erfordernisse eines Indossaments.
§. 811. Das Indossament muß auf dem Wechsel selbst verzeichnet werden.
§. 812. Ist jedoch bey langen auf entfernte Plätze gezognen Wechseln, wegen Mangel des Raumes, die Fortsetzung des Indossaments auf dem Wechsel selbst nicht möglich: so kann dieselbe auf einem eingeklebten Blatte gültig geschehen.
§. 813. Außer diesem Falle hat die nicht auf dem Wechsel geschehene Uebertragung desselben nur die Wirkung einer Cession. (Th. I. Tit. XI. §. 402 sqq.)
§. 814. Ist dabey der Wechsel dem Cessionarius nicht überliefert; sondern einem Dritten gehörig indossirt worden; so geht letzterer, wenn ihm die frühere Cession nicht bekannt gewesen ist, dem erstern vor.(Th. I. Tit. X. §. 23. 25.)
§. 815. Der Regel nach muß das Indossament den Namen desjenigen, welchem der Wechsel übertragen wird, enthalten.
§. 816 Doch kann dasselbe ausdrücklich auf jeden Briefsinhaber gerichtet werden; es findet aber alsdann die Vorschrift des §. 763. und 810. Anwendung.
§. 817. Die bloße Namensunterschrift des vorigen Inhabers ist nicht hinreichend, den gegenwärtigen zu Verfügungen über den Wechsel zu berechtigen.
§. 818. Wenn aber ein gehörig ausgefülltes Indossament vorgezeigt wird: so kann der vorige Inhaber, welcher seine Namensunterschrift anerkennen muß, sich mit dem Einwande, daß er den Wechsel bloß in Blanco indossirt habe, und die Ausfüllung ohne sein Vorwissen geschehen sey, im Wechselprozesse nicht schützen.
§. 819. Das Indossament muß ferner ein Empfangsbekenntniß der Valuta oder des Werths eben so enthalten, wie bey den Wechseln selbst vorgeschrieben ist. (§. 765-769)
§. 820. Ist dergleichen Bekenntniß aus dem Indossament nicht zu ersehen: so wird derjenige, auf welchen dasselbe lautet, nur als Specialbevollmächtigter des Indossanten betrachtet. (§. 807.)
§. 821. Auch muß beym Indossament die Zeit, wann es geschehen ist, nach Tag, Monath, und Jahr ausgedrückt werden.
§. 822. Fehlt dies Erforderniß: so wird angenommen, daß nur ein Indossament pro cura vorhanden
§. 823. Die Bestimmung des Orts, wo das Indossament ausgestellt worden, ist nicht nothwendig.
§. 824. Hingegen muß das Indossament von dem Indossanten eben so unterschrieben seyn, wie es bey Wechseln verordnet ist. (§. 777. sqq.)
Wie lange das Indossament geschehen könne.
§. 825. Das Indossament eines Wechsels kann so lange geschehen, als die Wechselkraft nicht erloschen ist.
§. 826. Ein nach erloschener Wechselkraft erfolgtes Indossament hat nur mit der Cession eines Schuldscheins gleiche Wirkung. (Th. I. Tit. XI. §. 402. sqq.)
§. 827. Eben das findet statt, wenn das indossirte Instrument, wegen darin vorhandener Mängel, nicht für einen Wechsel gelten kann.
§. 828. Der Indossatarius tritt in alle Rechte des Indossanten gegen den Wechselschuldner, und die übrigen Wechselverpflichteten.
§. 829. Ein Indossatarius, welcher Herr des Wechsels ist, kann denselben, ohne Unterschied ob er auf Ordre lautet, oder nicht, weiter indossiren.
§. 830. Ist er aber nur als Specialbevollmächtigter anzusehen, so kann er nur weiter indossiren, wenn das Indossament, vermöge dessen der Wechsel an ihn gediehen ist, auf Ordre lautet.
§. 831. Der Indossant haftet dem Indossatario wechselmäßig, sowohl für die Richtigkeit des Wechsels, als für die Bezahlung der verschriebenen Summe zur bestimmten Zeit.
§. 832. Erhellet jedoch seine Eigenschaft als bloßer Bevollmächtigter aus dem Indossament: so wird er für seine Person den Hintermännern nur zur Entschädigung, gleich jedem andern Bevollmächtigten, im gewöhnlichen Prozesse verhaftet. (Th. I. Tit. XIII. §. 150. sqq.)
§. 833. Ist ein Instrument in gehöriger Wechselform abgefaßt, der Aussteller aber zu Wechselgeschäften nicht fähig: so haftet dennoch jeder wechselfähige Indossant seinen Hintermännern wechselmäßig.
§. 834. Auch dadurch, daß der Wechsel an sich falsch ist, wird die durch richtige Indossamente entstandene Verbindlichkeit der Indossanten gegen ihre Hintermänner nicht verändert.
§. 835. Eben das gilt, wenn ein an sich richtiger Wechsel durch ein falsches Indossament an einen Inhaber gekommen ist, der damals von dieser Verfälschung keine Wissenschaft gehabt hatte.
§. 836. Indossanten, die sich wechselmäßig nicht verbinden können, haften zwar selbst ihren Hintermännern nur im ordentlichen Prozesse; nach der Beschaffenheit des bey der Uebertragung des Wechsels zum Grunde gelegenen Geschäftes.
§. 837. An ihre Vormänner aber können auch sie sich wechselmäßig halten.
§. 838. Hat jemand, welcher sich überhaupt rechtlich verbinden, und gültig Darlehne aufnehmen kann, aber nur von Wechselgeschäften ausgeschlossen gewesen ist, in der Folge die Wechselfähigkeit erlangt: so ist er auch aus seinen frühern noch nicht verjährten Indossamenten wechselmäßig verhaftet.
§. 839. Ist ein Wechsel mehrmals indossirt: so hat der Inhaber die Wahl, auf welchen von den wechselmäßig verpflichteten Vormännern er zurückgehen will.
§. 840. Auch wenn er gewählt hat, kann er dennoch innerhalb der unten (§. 1047. 1211.) bestimmten Fristen von dieser Wahl wieder abgehen, und nach seinem Gutfinden einen andern seiner Vormänner in Anspruch nehmen, ohne sich an die Ordnung zu binden.
§. 841. Der in Anspruch genommene Vormann muß dem Inhaber alles leisten, wozu der eigentliche Wechselschuldner verpflichtet ist; auch demselben die nothwendig gewesenen Kosten erstatten.
§. 842. Sobald der in Anspruch genommene Vormann dieser Verbindlichkeit ein Genüge leistet, hat er gegen seine Vormänner, und gegen den eigentlichen Wechselschuldner, die Rechte des von ihm befriedigten Inhabers.
§. 843. Auch muß ihm letzterer den Originalwechsel aushändigen.
§. 844. Der befriedigte Inhaber hat jedoch das Recht, vor der Auslieferung des Wechsels, sein eignes und seiner Hintermänner Giro auszustreichen.
V. Von Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten.
§. 845. Vor der Verfallzeit kann aus Wechseln nicht Zahlung, wohl aber, wenn gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage eintreten, Sicherheit gefordert werden.
§. 846. Von Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten gelten die allgemeinen Grundsätze von Erfüllung der Verbindlichkeiten überhaupt (Th. I. Tit. XVI. §. 11. sqq.); in so fern nichts Abweichendes in gegenwärtigem Abschnitte verordnet ist.
§. 847. Der Wechselinhaber ist, die Zahlung vor der Verfallzeit wider seinen Willen anzunehmen, nicht schuldig.
§. 848. Ist in dem Wechsel ein Zahlungstag bestimmt; so tritt die Verfallzeit noch an demselben Tage ein.
§. 849. Ein auf Sicht, ohne weitern Beysatz, gerichteter Wechsel ist Vier und zwanzig Stunden nach der Vorzeigung zahlbar.
§. 850. Ist der Wechsel nach Sicht, mit Bestimmung gewisser Tage, gestellt: so werden diese von dem Tage an gerechnet, da der Wechsel vorgezeigt worden.
§. 851. Die Verfallzeit eines Usowechsels wird durch die Handlungsgesetze des Zahlungsortes bestimmt.
§. 852. Der Regel nach wird ein Usowechsel einem vierzehn Tage nach der Vorzeigung zahlbaren Wechsel gleich geachtet.
§. 853. Bey Sicht- und solchen Usobriefen, deren Verfallzeit vom Tage der Präsentation läuft, wird der Tag der Präsentation nicht mitgerechnet.
§. 854. Ist die Verfallzeit nach Wochen bestimmt: so tritt sie in der letzten Woche an eben dem Tage ein, an welchem der Wechsel ausgestellt worden.
§. 855. Lautet der Wechsel auf Monathe: so wird jeder Monath, ohne Rücksicht auf die Zahl seiner Tage, mit dem Monathstage geendigt, an welchem die Ausstellung geschehen ist.
§. 856. Ist ein solcher Wechsel am letzten Tage eines Monaths ausgestellt, und der Monath, worin die Zahlung geschehen solle, hat weniger Tage: so tritt die Verfallzeit am letzten Tage des Zahlungsmonaths ein.
§. 857. War die Zahlung in der Mitte eines bestimmten Monaths festgesetzt: so wird der Fünfzehnte für den Verfalltag geachtet; wenn auch der Monath mehr oder weniger als Dreyßig Tage hätte.
§. 858. Ist die Verfallzeit des Wechsels nach Jahren bestimmt: so ist selbiger an eben dem Monathstage des Zahlungsjahres verfallen, an welchem er ausgestellt worden.
§. 859. Sollte in diesem Falle der Wechsel in einem Schaltjahre am Neun und zwanzigsten Februar ausgestellt seyn: so tritt im Zahlungsjahre, wenn dasselbe kein Schaltjahr ist, der Acht und zwanzigste an dessen Stelle.
§. 860. Der Ausdruck eines halben oder Vierteljahres ist dem von Sechs oder Drey Monathen gleich zu achten.
§. 861. Ist in dem Wechsel auf eine gewisse Handlung oder Begebenheit, von deren Erfüllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur Zahlung abhängen soll, Bezug genommen: so tritt der Verfalltag ein, sobald die bestimmte Handlung oder Begebenheit wirklich geworden ist.
§. 862. Bey Meß- und Marktwechseln bestimmen die Handlungsgesetze jedes Orts den Verfalltag.
§. 863. Königsbergische Wechsel müssen, nach der Wahl des Schuldners, am Vierten oder Fünften Tage der Zahlwoche, bis Abends um Sieben Uhr berichtigt werden.
§. 864. Wechsel auf Elbingschen Märkten zahlbar, sind am Sechsten, Siebenten und Achten Tage, wenn ausgeläutet worden, bis um Zwölf Uhr Mittags zu berichtigen.
§. 865. Wechsel auf Breslauer Messen oder Märkten, müssen vom Montage in der Zweyten, bis zum Donnerstage in derselben Woche, Vormittags um Neun Uhr, eingelöst werden, wenn der Schuldner ein Christ ist; Juden aber müssen den Tag vor der Ausläutung der Messe Zahlung leisten.
§. 866. In Magdeburg, und Frankfurt an der Oder, muß die Einlösung der Wechsel längstens den Vierten Tag der Zahlwoche erfolgen.
§. 867. Der Verfalltag ist in der Regel auch der Zahlungstag eines Wechsels.
§. 868. Nur in so weit findet eine Ausnahme statt, als bey gezogenen Wechseln noch Respit- oder Discretionstage zugelassen werden. (§. 1092. sqq.)
§. 869. Am Zahlungstage kann in der Regel nach Zwölf Uhr Mittags, bis Sieben Uhr Abends, die Zahlung gefordert werden. (§. 863. 865.)
§. 870. Trifft der Zahlungstag auf einen Sonnhohen Fest- oder Bußtag(, wohin auch der Neujahrs- und Charfreytag gehören: so muß der Gläubiger den nächsten Werkeltag abwarten.
§. 871. Es macht keinen Unterschied, wenn auch der Schuldner einer andern als der christlichen Religion zugethan wäre.
§. 872. Trifft aber der Zahlungstag auf einen Sonnabend oder jüdischen Feyertag: so muß ein Jude, wenn er auch sonst christliche Rechte erhalten hat, schon an dem zunächst vorhergehenden Werkeltage Zahlung leisten.
§. 873. Ist wegen des Zahlungsortes im Wechsel nichts Besonderes bestimmt: so muß, bey gezogenen Wechseln, der Gläubiger das Geld in der Wohnung des Acceptanten abholen.
§. 874. Bey trockenen Wechseln hingegen finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 769. sqq. Anwendung.
§. 875. Zahlungen an die Bank muß der Schuldner in allen Fällen auf das Bankokomtoir des Orts bringen.
§. 876. Alle Wechselzahlungen innerhalb Landes sollen nur in Gold- oder Silbermünzen, welche durch die Landesgesetze Curs erhalten haben, geleistet und angenommen werden.
§. 877. Lautet der Wechsel auf eine andere Münzsorte, oder auf eine Rechnungsmünze: so wird das Verhältniß derselben gegen die zu zahlende, nach dem Curs des Zahlungsortes am Verfalltage berechnet.
§. 878. Ist keine Münzsorte im Wechsel bestimmt; letzterer aber in hiesigen Landen zahlbar: so wird angenommen, daß das Wechselgeschäft auf Preussisches Silber-Courant geschlossen sey.
§. 879. Ist in einem solchen Wechsel die Zahlung in Golde, ohne Bestimmung einer gewissen Sorte, verschrieben: so werden Preußische Goldmünzen, die zu Fünf Thalern ausgeprägt sind, verstanden.
§. 880. Sind Dukaten ohne weitere Bestimmung verschrieben: so werden vollwichtige Dukaten nach Preußischem oder Holländischem Münzfuße verstanden.
§. 881. Ist der Wechsel auf eine gewisse Anzahl von Stücken an Friedrichsd'or oder Dukaten, gestellt: so muß genau diese Zahl entrichtet werden.
§. 882. Lautet der Wechsel nur auf eine gewisse Summe in Friedrichsd'or oder Dukaten, ohne Bestimmung der Stücke: so wird bey der Berechnung: wie viel Stücke zu zahlen sind, der Friedrichsd'or zu Fünf Reichsthalern, der Dukaten aber zu Zwey Drey Viertel Reichsthalern angeschlagen.
§. 883. Ist der Wechsel außerhalb Landes zahlbar gewesen: so wird, bey ermangelnder Bestimmung oer Münzsorte, das gewöhnliche Silbercourant des Zahlungsortes verstanden.
§. 884. Eben dies gilt von dem gewöhnlichen Gold-Curant des auswärtigen Zahlungsortes, wenn der Wechsel in Golde, ohne weitere Bestimmung, gestellt ist,
§. 885. War der Wechsel an mehrern Orten wahlsweise (alternative), oder aller Orten, wo der Schuldner anzutreffen, zahlbar: so muß die unbestimmt gelassene Münzsorte nach dem Orte der Ausstellung festgesetzt werden.
§. 886. Außer der im Wechsel verschriebenen, nach vorstehenden Grundsätzen zu bestimmenden Summe, kann der Wechselinhaber in der Regel keine Zinsen fordern.
§. 887. Sind Zinsen im Contexte des Wechsels mit verschrieben: so müssen dieselben, so weit sie zuläßig sind, mit dem Capitale zugleich bezahlt werden. (684. sqq.)
§. 888. Sind keine Zinsen verschrieben: so laufen, vom Verfalltage an, nur die gesetzmäßigen Zögerungszinsen. (Th. I. Tit. XI. §. 827. sqq.)
§. 889. Wo ein Wechselregreß statt findet, müssen vom Wechselinhaber auch die ohne seine Schuld entstandenen Kosten erstattet werden.
f) Verfahren bey der Zahlung selbst.
§. 890. Meldet sich der Gläubiger am Zahlungstage nicht: so kann der Schuldner, nach Anleitung des Ersten Theils, Tit. XVI. §. 214. sqq. die Zulassung zur Deposition nachsuchen.
§. 891. Ist über das Vermögen des Wechselinhabers vor eingetretenem Zahlungstage Concurs entstanden: so muß der Schuldner die Zahlung in das gerichtliche Depositorium leisten.
§. 892. Die deponirte Valuta gehört alsdann der Masse des im Concurs versunkenen Wechselinhabers, wenn nicht ausgemittelt wird, daß derselbe bloß Bevollmächtigter gewesen sey.
§. 893. Ist der Wechselinhaber vor der Zahlung gestorben: so muß der Schuldner von den sich meldenden Erben Legitimation fordern.
§. 894. Er ist jedoch auf Verlangen der Erben verbunden, bis zur Beybringung der Legitimation, die schuldige Summe auf ihre Kosten gerichtlich niederzulegen.
§. 895. Eben dazu ist er berechtigt, wenn er sich auf die Untersuchung einer nicht sofort klaren Legitimation der Erben nicht einlassen will.
§. 896. Ist der Wechselschuldner vor der Verfallzeit verstorben: so kann der Inhaber dessen Erben wechselmäßig in Anspruch nehmen.
§. 897. Berufen sich die Erben auf die gesetzliche Bedenkzeit, oder tragen gar auf Eröffnung des Liquidationsprozesses an: so kann wider sie nicht wechselmäßig verfahren werden.
§. 898. Doch kann der Inhaber inzwischen durch Arrestschlag, oder gerichtliche Siegelung des Nachlasses, für seine Sicherheit sorgen.
§. 899. Was er außerdem bey gezogenen Wechseln zur Erhaltung seines Regresses zu beobachten hat, ist §. 980.1045. sqq. verordnet.
§. 900. Nach gehörig geleisteter Zahlung muß dem Schuldner der Wechsel ausgehändigt werden.
§. 901. Auch kann er verlangen, daß über die Zahlung auf dem zurückgegebenen Wechsel quittirt werde.
§. 902. Was zu beobachten sey, wenn der Wechsel verloren gegangen ist, wird unten §. 1159. sqq. und 1199. sqq. vorgeschrieben.
VI. Von Verjährung der Wechselverbindlichkeit.
§. 903. Die Wechselverbindlichkeit erlöscht nach Ablauf Eines Jahres, vom Verfalltage an gerechnet.
§. 904. Hierbey wird nur auf den Verfalltag gesehen, welcher in dem Wechsel selbst, oder durch die neueste schriftliche Verlängerung festgesetzt worden.
§. 905. Durch den Vermerk einer Abschlagszahlung, oder durch außergerichtliches Einmahnen, wird die Verjährung der Wechselkraft nicht unterbrochen.
§. 906. Ein dem Schuldner bewilligter Indult unterbricht nur die Verjährung der Wechselverbindlichkeit solcher Personen, die nicht kaufmännische Rechte haben. (§. 726.)
§. 907. Bey diesen nimmt eine neue einjährige Präscriptionsfrist mit dem Tage des aufgehobenen Indults ihren Anfang.
§. 908. Durch gerichtlich angestellte Klage wird die Wechselkraft gegen den beklagten Schuldner so lange erhalten, bis das Instrument auch als Schuldschein verjährt ist. (Th. I. Tit. XI. §. 752. sqq.)
§. 909. Dies findet statt, sobald dem Schuldner die gerichtliche Vorladung eingehändigt worden: wenn auch demnächst der Prozeß nicht fortgesetzt wäre.
§. 910. Doch muß die geschehene Insinuation der Wechselladung auf die in der Prozeßordnung vorgeschriebene Art hinlänglich nachgewiesen seyn.
§. 911. Auch durch einen gehörig aufgenommenen Protest wird die Verjährung der Wechselverbindlichkeit unterbrochen.
§. 912. Sind mehrere Personen als Selbstschuldner verhaftet: so kann durch den Protest die Wechselkraft nur in Absicht derjenigen, gegen welche selbiger aufgenommen worden, erhalten werden.
§. 913. Die Form und die übrigen Wirkungen des aufgenommenen Protestes bey gezogenen und trocknen Wechseln sind §. 1035. sqq. und §. 1204. sqq. bestimmt.
§. 914. Das bey Wechselklagen zu beobachtende Verfahren ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 915. Gehört der Beklagte nicht zu den nach §. 718-727. an und für sich wechselfähigen Personen: so kann die Wechselklage nicht eher angenommen werden, als bis der Kläger nachgewiesen hat, daß dem Beklagten durch ein Certiflcat die Wechselfähigkeit beygelegt sey.
§. 916. Der Wechselbeklagte kann, außer dem Einwande der dem Kläger bereits geleisteten Zahlung, nur solcher Einwendungen, die aus gegenwärtigem Wechselrechte hergekommen sind, sich bedienen.
§. 917. Dergleichen Einwendungen müssen jedoch sofort durch Urkunden, Eideszuschiebung, oder Aussagen solcher Zeugen, die sogleich zur Stelle gebracht sind, dargethan werden.
§. 918. Auswärtige Zeugenverhöre, wenn sie gleich im Termine beigebracht worden, gelten nur so weit, als sie mit Zuziehung des Gegentheils, oder eines von ihm selbst dazu bestellten Bevollmächtigten aufgenommen worden.
§. 919. Aus der bloßen Unterschrift kann, bey erbotener eidlichen Diffession derselben, keine Vergleichung der Handschriften angestellt werden.
§. 920. Hat der Wechselbeklagte, außer seinem Vor- und Geschlechtsnamen, auch seinen Charakter oder Wohnort beygesetzt: so findet die Vergleichung nur wider dessen Erben, und zwar bloß zur Unterstützung anderer vorhandenen Beweismittel statt.
§. 921. Hat er aber mehrere Worte oder Zeilen, zur Bekräftigung des Inhalts, oder der Unterschrift, eigenhändig beygefügt: so kann aus diesen die Vergleichung der Handschrift mit voller gesetzmäßigen Wirkung geschehen.
§. 922. Wie weit der Einwand der nicht erhaltnen Valuta bey gezognen und trockenen Wechseln statt finde, ist unten näher bestimmt. (§. 1078.1242. sqq.)
§. 923. Abrechnungen und Gegenforderungen finden nur in so weit statt; als sie aus Wechselgeschäften entspringen, und auch sonst mit den gesetzmäßigen Erfordernissen zur Compensation versehen sind. (Th. I. Tit. XVI. §. 302. sqq.)
§. 924. Sind jedoch Einwendungen oder Gegenforderungen, welche an sich im Wechselprozesse zuläßig wären, aber nur nicht sofort dargethan werden können, so beschaffen, daß sie einen Arrestschlag begründen: so ist der Wechselbeklagte nur in das gerichtliche Depositorium zu zahlen verbunden.
§. 925. In allen Fällen, da gerichtliche Deposition statt findet, kann dem Kläger die Auszahlung gegen hinlängliche Caution nicht geweigert werden.
§. 926. Ist der Kläger bloß Bevollmächtigter, oder nach §. 820. und §. 822. dafür zu achten: so muß er alle zuläßigen Einwendungen und Gegenforderungen, welche dem Beklagten gegen den Herrn des Wechsels zustehn, wider sich gelten lassen.
§. 927. Außer diesem Falle kann der Beklagte in der Regel sich nur solcher Einwendungen und Gegenforderungen bedienen, welche ihm wider den klagenden Wechselgläubiger selbst zukommen.
§. 928. Sobald der Kläger Herr des Wechsels ist, findet die Vorschrift §. 927. statt, auch wenn der Wechsel nicht auf Ordre lautet.
§. 929. Was wegen der Klausel: auf Ordre, bey trocknen Wechseln statt finde, wird unten verordnet. (§. 1244-1247.)
VIII. Priorität der Wechsel im Concurse.
§. 930. Die sowohl bey gezogenen als trockenen Wechseln entstandenen wechselmäßigen Forderungen gehören, nach ausgebrochenem Concurse über das Vermögen des Schuldners, in die Sechste Classe.
IX. Retorsion in Wechselsachen.
§. 931. Fremde Reisende sind in Ansehung der Fähigkeit, Wechselverbindlichkeiten zu übernehmen, den Einschränkungen des hiesigen Wechselrechts nicht unterworfen.
§. 932. Uebrigens aber werden die von ihnen in hiesigen Landen vorgenommenen Wechselgeschäfte, nach der Vorschrift der Einleitung §. 34. 35. beurtheilt.
§. 933. Auswärtige Gläubiger sollen in Wechselsachen eben die Rechte genießen, welche in gegenwärtiger Ordnung für die Landeseinwohner festgesetzt sind.
§. 934. Hiervon sind allein die Fälle ausgenommen, da nach rechtlichen Grundsätzen eine Retorsion statt findet. Einleit. §. 43.
§. 9135. Doch sollen die Gerichte, wenn der Fall zur Ausübung des Retorsionsrechts nicht ganz klar ist, zuvörderst bey dem Justizdepartement darüber anfragen.
X. Van auswärtig vorgenommenen Wechselgeschäften.
§. 936. Außerhalb Landes vorgenommene Wechselgeschäfte, sind nach den Gesetzen des Orts, wo sie verhandelt worden, zu beurtheilen.
§. 937. Besonders müssen die Erfordernisse emes gültigen Wechsels, oder Indossaments, nach den Gesetzen des Orts der Ausstellung bestimmt werden.
§. 938. Hat aber ein Landeseinwohner mit einem andern Landeseinwohner, welcher nicht wechselfähig ist, außerhalb Landes ein Wechselgeschäft geschlossen: so ist selbiges nur eben so zu beurtheilen, als wenn es innerhalb Landes geschlossen wäre.
§. 939. Zu gezogenen Wechseln ist der Gebrauch des Stempelpapiers nicht erforderlich.
§. 940. Außer den allgemeinen Erfordernissen eines Wechsels (§. 748. sqq.) muß der Name des Bezogenen, welcher die Zahlung leisten soll, im Contexte des Wechsels, oder unter demselben deutlich ausgedrückt seyn.
§. 941. Dessen Vornamen oder Charakter beyzufügen, ist nicht nothwendig; wohl aber zur Vermeidung besorglicher Irrungen rathsam.
§. 942. Soll die Zahlung an einem andern Orte, als wo der Bezogene wohnt, geschehen: so muß auch der Ort der Zahlung im Wechsel ausgedrückt seyn.
§. 943. Ermangelt eines der vorgeschriebenen Erfordernisse: so kann ein dergleichen gezogener Wechsel allenfalls nur als Assignation gelten. (Abschn. IX.)
II. Von mehrern Exemplaren eines gezogenen Wechsels.
§. 944. Werden mehrere Exemplare als Prima, Secunda u. s. w. Wechsel ausgefertigt: so muß in jedem Exemplare ausgedrückt werden, ob solches Prima, Secunda u. s. w. sey.
§. 945. Ist dieserhalb im Wechsel nichts bemerkt: so wird angenommen, daß selbiger nur ein Solawechsel sey.
§. 946. Hat der Trassant ohne diese Bemerkung mehrere Exemplare ausgestellt: so haftet er für jedes Exemplar, gleich einem Sola-Wechsel, mit Vorbehalt des Rechts an den Remittenten, und die übrigen Theilnehmer eines vorgefallenen Betruges.
III. Pflichten des Trassanten und Remittenten bey Schließung des Geschäfts.
§. 947. Die Verabredung wegen eines gezogenen Wechsels, kann zwischen dem Trassanten und dem Remittenten unmittelbar, oder durch einen Mäkler geschlossen werden.
§. 948. Ist das Geschäft durch einen Mäkler geschlossen worden: so beweiset das von diesem aus seinem Journal gegebene Attest die Bedingungen des getroffenen Handels.
§. 949. Haben der Trassant und Remittent den Handel unmittelbar geschlossen: so vertreten, bey Personen, welche kaufmännische Rechte haben, die Handlungsbücher die Stelle des schriftlichen Contrakts.
§. 950. Bey Personen, welche nicht kaufmännische Rechte haben, finden die allgemeinen Vorschriften von schriftlichen Verträgen Anwendung. (Th. I. Tit. V. §. 155. sqq.)
§. 951. Der Trassant muß, nach dem Verlangen des Remittenten, entweder einen Sola-Wechsel ausstellen, oder denselben in mehrern Exemplaren, als Prima, Secunda u. s. w. Wechsel ausfertigen.
§. 952. Soll das Eine Exemplar zur Präsentation versendet; das andere aber indossirt werden: so ist auf letzterem zu bemerken, in wessen Händen sich das zur Präsentation versendete Exemplar befindet.
§. 953. Der Trassant muß dem Bezogenen bey Zeiten Nachricht geben, damit die Annahme des Wechsels nicht verweigert werde.
§. 954. Den Avis-Brief kann der Trassant unmittelbar absenden, oder ihn dem Remittenten, auf dessen Verlangen, zur Bestellung einhändigen.
§. 955. Im letztern Falle haftet er jedoch gegen den dritten Inhaber für Schäden und Kosten, wenn der Avisbrief dem Bezogenen nicht gehörig zugestellet wird, und kann sich bloß an den Remittenten halten.
§. 956. Verzögert der Trassant, nach Empfang der Valuta, die Aushändigung des Wechsels länger, als Vier und zwanzig Stunden über die bedungene Zeit: so kann ihn der Remittent dazu im executiven Prozesse anhalten.
§. 957. Wie und zu welcher Zeit die Valuta vom Remittenten berichtigt werden solle, hängt von dem Uebereinkommen der Interessenten ab.
§. 958. Der Remittent ist dem Trassanten, für die verabredete Berichtigung der Valuta, des erhaltenen Wechsels, bis zu Ablauf Eines Jahres, vom Tage des geschlossenen Handels an gerechnet, im executiven Prozesse verhaftet.
§. 959. Entsteht binnen dieser Jahresfrist Concurs über das Vermögen des Remittenten: so hat der Trassant, wegen der rückständigen Valuta, das Vorzugsrecht der privilegirten Schuldinstrumente.
§. 960. Hat er aber die bestimmte Einjährige Frist ablaufen lassen, ohne die Klage gehörig anzustellen: so hört sowohl der schnellere Prozeß, als das Vorzugsrecht im Concurse auf; und es ist bloß die Klage im ordentlichen Prozesse zuläßig.
§. 961. Hat der Trassant den Wechsel für fremde Rechnung gezogen, und denselben, ohne ausdrückliche Ordre, vor Berichtigung der Valuta ausgehändigt: so muß er demjenigen, für dessen Rechnung er trassirt hat, wegen alles daraus entstehenden Nachtheils gerecht werden.
§. 962. Die Acceptation eines Einmal ausgehändigten Wechsels kann der Aussteller den Bezogenen, wegen nicht erhaltener Valuta, nicht untersagen; selbst wenn der Wechsel auf Ordre lautet.
VI. Von Präsentation des Wechsels.
§. 963. Der Inhaber des Wechsels ist schuldig, dafür zu sorgen, daß der Wechsel dem Bezognen zur gehörigen Zeit zur Annahme vorgezeigt werde.
§. 964. Bey Meßwechseln bestimmen die Handlungsgesetze und Gewohnheiten jedes Orts, an welchem Tage die Präsentation geschehen müsse.
§. 965. Zu Königsberg in Preußen muß die Präsentation am ersten oder andern Tage des eingetretnen Marktes geschehen.
§. 966. Zu Frankfurth an der Oder, und Magdeburg, müssen Meßwechsel am dritten oder vierten Tage der Zahlwoche präsentirt werden.
§. 967. Zu Breslau kann die Präsentation vom Montage der ersten Meßwoche, bis zum Freytage in eben derselben Vormittags um zehn Uhr, erfolgen.
§. 968. Wechsel, auf Elbinger Märkten zahlbar, sind am Ersten, zweyten, oder Dritten Tage zu präsentiren.
§. 969. Bey Dato- und solchen Usowechseln, deren Verfallzeit vom Tage der Ausstellung an gerechnet wird, muß die Präsentation spätestens an dem Tage geschehen, da der Wechsel zahlbar ist.
§. 970. Bey Sicht- und solchen Usowechseln, deren Verfallzeit vom Tage der Präsentation berechnet wird, kann der Aussteller die Zeit, innerhalb welcher sie zur Präsentation gebracht werden sollen, in dem Wechsel selbst bestimmen.
§. 971. Ist dieses nicht geschehen: so muß der Inhaber die Präsentation binnen Achtzehen Monathen nach dem Tage der Ausstellung, bey Verlust seines Rechts, besorgen.
§. 972. An den hiernach zu bestimmenden Tagen, kann die Präsentation von acht bis zwölf Uhr Vormittags, und von zwey bis sieben Uhr Nachmittags geschehen.
§. 973. Sind diese Präsentations-Fristen, §. 965. sqq. von dem Inhaber verabsäumt: so kann er, bey verweigerter Annahme oder Zahlung, weder an den Aussteller, noch an die Indossanten wechselmäßig zurückgehen.
§. 974. Doch bleiben ihm, wegen der gezahlten Valuta, seine Rechte gegen den Aussteller und die Indossanten, in so fern sich der Eine oder Andere sonst mit seinem Schaden bereichern würde, im ordentlichen Prozesse vorbehalten.
§. 975. Zur Präsentation ist ein jeder für bevollmächtigt zu achten, der sich im Besitze des Originalwechsels befindet.
c) Wem die Präsentation geschehen müsse.
§. 976. Der Wechsel muß dem Bezognen selbst, oder demjenigen vorgelegt werden, der von ihm mit Procura versehen ist.
§. 977. Hat sich der Bezogne von seinem Wohnorte entfernt, und keine Procura zurück gelassen; oder ist er in den gesetzlichen Präsentationsstunden an dem Orte, wo er sonst seine Geschäfte treibt, nicht anzutreffen: so ist der Inhaber zur Aufnahme des Protestes berechtigt.
§. 978. Ein Gleiches findet bey Meßwechseln statt, wenn der Bezogene die Messe weder selbst, noch durch Procura besucht; oder sich vor Ablauf der bestimmten Präsentationsfristen wieder entfernt hat.
§. 979. Ist der Bezogene verstorben, so muß sich der Inhaber des Wechsels damit in seinem Comtoir, oder im Sterbehause melden.
§. 980. Findet sich daselbst niemand, der zur Acceptation befugt und bereit ist: so muß mit Aufnehmung des Protestes verfahren werden.
§. 981. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Erben von der gesetzlichen Bedenkzeit zur Erbeserklärung Gebrauch machen wollen.
§. 982. Wird über das Vermögen des Bezogenen vor der Präsentation Concurs eröfnet: so muß sofort, nach erhaltener Wissenschaft davon, der Protest aufgenommen werden.
§. 983. Durch die Annahme des präsentirten Wechsels verpflichtet sich der Bezogne wechselmäßig, die beschriebene Summe zur bestimmten Zeit zu berichtigen.
§. 984. Das außer dem Wechsel geschehene Versprechen, für Rechnung eines Dritten eine bestimmte Summe zu acceptiren, ist bloß nach den Vorschriften von Bürgschaften zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XIV. §. 257. sqq.)
a) Wann solche verlangt werden könne.
§. 985. An Sonnhohen Fest- und Bußtagen, ingleichen am Neujahrs- und Charfreytage, kann die Annahme eines präsentirten Wechsels nicht verlangt werden.
§. 986. Der Präsentant muß vielmehr den nächstfolgenden Werkeltag abwarten.
§. 987. Auch wenn der Bezogne ein Jude, und der Präsentant ein Christ ist, kann letzterer den Wechsel an einem Sonnhohen Fest- oder Bußtage zu präsentiren, nicht verpflichtet werden.
§. 988. Er kann vielmehr, ohne Nachtheil seines Rechts, den nächstfolgenden Werkeltag abwarten.
§. 989. Dagegen kann auch von einem Juden, während eines Sabbaths, oder solchen jüdischen Festes, an welchem er keine Handlungsgeschäfte treiben darf, die Acceptation eines auf ihn gezogenen Wechsels nicht verlangt werden.
§. 990. Jedoch ist er an dem nächst vorhergehenden Werkeltage sich darüber, auf Verlangen des Präsentanten, zu erklären schuldig.
b) Wie die Acceptation geschehen müsse.
§. 991. Die Annahme muß von dem Bezognen selbst, oder von demjenigen, welcher dazu mit gehöriger Procura versehen ist, eigenhändig auf dem Wechsel verzeichnet werden.
§. 992. Bloß mündlich geschehene Acceptationen sollen in Königlichen Landen kein Wechselverfahren begründen.
§. 993. Behält aber der Bezogne den ihm selbst vorgezeigten und eingehändigten Wechsel, ohne Erinnerung, über Nacht bey sich: so wird dieses für eine stillschweigende Acceptation geachtet.
§. 994. Die Vermerkung der Annahme ist an keine Form gebunden.
§. 995. Der Bezogne ist nicht berechtigt, das Gegentheil, nämlich, daß er nicht acceptiren wolle, auf den Wechsel zu verzeichnen.
§. 996. Thut er es dennoch: so ist er dem Präsentanten, und allen übrigen Interessenten, wegen des daraus entstehenden Nachtheils verhaftet.
§. 997. Die einmal geschehene Acceptation kann der Bezogne nicht wieder zurück nehmen, noch auf dem Wechsel ausstreichen.
§. 998. Auch wenn er das letztere gethan hat, bleibt er dennoch aus der Acceptation verhaftet.
§. 999. Soll nach dem Inhalte des Wechsels die Zahlung nicht an dem Wohnorte des Bezognen erfolgen (§. 942.): so muß derselbe bey der Annahme vermerken, wo sich der Inhaber seiner Befriedigung wegen zu melden habe.
§. 1000. Ist dieses unterblieben: so haftet der Acceptant für den daraus entstehenden Schaden, und kann an seinem Wohnorte zur wechselmäßigen Zahlung angehalten werden.
§. 1001. Nur bey Sicht- oder solchen Usobriefen, deren Zahlungszeit von der Präsentation läuft, ist der Bezogne zur Bemerkung des Tages der Annahme verbunden.
§. 1002. Auch muß das Datum der Präsentation beygefügt werden, wenn die Zeit der Präsentation und der Annahme verschieden sind. (§. 985. 990.)
§. 1003. Doch wird auch in diesen Fällen die Annahme selbst durch den Mangel des Datum nicht entkräftet.
§. 1004. Nur muß der Inhaber, wenn über den eigentlichen Verfalltag Streit entsteht, die Zeit der Präsentation auf andere Art nachweisen.
§. 1005. Ergiebt der Inhalt des Wechsels, daß davon mehrere Exemplare ausgestellt worden: so ist der Bezogne nur das erste Exemplar, welches ihm präsentirt wird, zu acceptiren schuldig,
VI. Vom Protest, wegen verweigerter Annahme.
§. 1006. Weigert der Bezogne die Annahme des Wechsels: so muß sofort mit Aufnehmung des Protestes verfahren werden.
§. 1007. Die Aufnahme des Protestes muß der Regel nach am Tage der Präsentation noch vor Sonnenuntergang geschehen.
§. 1008. Doch kann der Präsentant, bey Meßwechseln mit dem Proteste so lange Anstand nehmen, bis die an jedem Orte bestimmten Präsentationsfristen zu Ende gehen.
§. 1009. Auch bey Dato- Sicht- und Uso-Wechseln kann die Aufnahme des Protestes so lange verschoben werden, daß selbiger noch mit nächster Post abgehen könne.
§. 1010. Ist jedoch in diesem Falle der Eigenthümer, Aussteller, oder Girant, am Orte wohnhaft: so kann der Präsentant ohne dessen Einwilligung die Aufnahme des Protestes nicht verschieben.
§. 1011. Will der Bezogne den Wechsel nur auf einen Theil der darin verschriebenen Summe annehmen: so ist der Präsentant nicht schuldig, sich dieses gefallen zu lassen; sondern er kann, wegen der ganzen im Wechsel verschriebenen Summe, mit Einlegung des Protestes verfahren.
§. 1012. Will er aber die Acceptation auf einen Theil geschehen lassen: so muß er dennoch den Protest wegen des Ueberrests besorgen.
§. 1013. Es macht keinen Unterschied: ob der Präsentant Eigenthümer des Wechsels, oder nur Bevollmächtigter ist, wenn er in dem letzten Falle keine ausdrückliche Ordre hat, sich die Annahme auch nur auf einen Theil der verschriebenen Summe gefallen zu lassen.
§. 1014. Läßt der Präsentant die Annahme mit einem Vorbehalte, unter einer Bedingung, oder auf einen spätem Zahlungstermin geschehen: so verliert er das Wechselrecht gegen seine Vormänner.
§. 1015. Doch kann er sich, wenn der Acceptant nicht Zahlung leistet, an diejenigen unter diesen Vormännern, welche sich sonst mit seinem Schaden bereichern würden, im Wege des ordentlichen Prozesses halten.
§. 1016. War der Präsentant bloß Bevollmächtigter: so bleibt er dem Eigenthümer des Wechsels, wegen alles aus dieser seiner Einwilligung (§. 1014.) entstandenen Schadens verhaftet.
§. 1017. Wird also von dem Bezogenen der Annahme ein Vorbehalt oder eine Bedingung beygefügt; oder geschieht die Annahme auf eine spätere Zahlungszeit: so muß der Präsentant ebenfalls, zur Wahrnehmung seines Rechts, mit Einlegung des Protestes gehörig verfahren.
§. 1018. Ist auf dem Wechsel jemand benannt, bey welchem sich der Inhaber, im Falle verweigerter Annahme, melden solle: so ist letzterer schuldig, sobald der Protest gegen den Bezogenen aufgenommen worden, sich an die Addresse zu wenden.
§. 1019. Wird auch von der Addresse die Annahme verweigert: so muß der Inhaber deshalb von neuem Protest aufnehmen lassen.
VII. Von der Acceptation per honor.
§. 1020. Meldet sich jemand, der auf dem Wechsel nicht benannt ist, zur Acceptation: so ist der Inhaber deselbe nur gegen baare Zahlung zu gestatten verbunden.
§. 1021. Will aber der Bezogene selbst den Wechsel zur Ehre des Ausstellers, oder Eines der Indossanten acceptiren: so muß der Inhaber sich dieses gefallen lassen.
§. 1022. Wer einen Wechsel per honor acceptiren will, muß zuvörderst den Protest aufnehmen, und sich denselben von dem Inhaber, gegen Erstattung der Kosten, einhändigen lassen.
§. 1023. DieAcceptation per honor muß nothwendig schriftlich und ausdrücklich geschehen; und kann weder zurückgenommen, noch ausgestrichen werden.
§. 1024. Die der Acceptation hinzugefügten Buchstaben S. P. (sopra protesto) sind dazu nicht hinreichend; und es macht keine Ausnahme, wenn gleich der Eine oder Andere von den Indossanten sein Giro dem Acceptanten rekommandirt haben sollte.
§. 1025. Ein besondrer Auftrag ist dazu nicht nöthig.
§. 1026. Der Acceptant per honor tritt in alle Verbindlichkeiten, welche der Bezogene durch die gewöhnliche Annahme eingehen würde.
§. 1027. Dagegen tritt er auch, nach geleisteter Zahlung, in die Rechte des Inhabers gegen denjenigen der Wechselverpflichteten, zu dessen Ehren er den Wechsel angenommen hat.
§. 1028. Ist bey der Annahme nicht ausdrücklich bemerkt, zu wessen Ehren dieselbe geschehen sey: so wird angenommen, daß sie nur zu Ehren des Ausstellers erfolge; und der Acceptant kann also auch nur an diesen sich halten.
§. 1029. Eben das, was dem Inhaber wegen Remission des Protestes vorgeschrieben ist, muß auch der Acceptant per honor beobachten.
§. 1030. Ist etwas davon verabsäumt: so erhält der Acceptant per honor nur die Rechte, welche dem Bezogenen, wenn er Zahlung geleistet hätte, gegen den Aussteller zugekommen seyn würden.
§. 1031. Hat der Bezogene selbst per honor acceptirt: so erhält er mit einem solchen fremden Acceptanten völlig gleiche Rechte.
§. 1032. Er wird dadurch von der Verbindlichkeit frey, sich die im Avis-Briefe von dem Aussteller, wegen der Deckung, oder sonst, getroffenen Verfügungen gefallen zu lassen.
§. 1033. Hat derjenige, an welchen der Wechselinhaber von dem Aussteller bey Ermangelung des Bezogenen addressirt worden (§. 1018.), den Wechsel acceptirt: so stehen ihm mit einem Acceptanten per honor gleiche Rechte zu.
§. 1034. Unter mehrern Addressen hat derjenige den Vorzug, welcher zu Ehren des Trassanten, oder eines frühern Indossanten, acceptiren will.
§. 1035. Die Proteste sollen in Königlichen Landen, entweder von einer Gerichtsperson, oder von einem Justizcommissario oder Notario aufgenommen werden.
§. 1036. Eine Gerichtsperson bedarf dazu so wenig eines besondern Protokollführers, als ein Notarius, der bey andern Notariatshandlungen erforderlichen Zeugen.
§. 1037. Derjenige, welcher den Protest aufnimmt, muß sich von den bey der Sache vorkommenden Hauptumständen, besonders denjenigen, welche die Person des Bezogenen betreffen, die erforderliche Gewißheit verschaffen; über den ganzen Vorgang ein ordentliches Protokoll aufnehmen; und nach dessen Inhalte hiernächst den Protest ausfertigen.
§. 1038. Daß dergleichen besonderes Protokoll nicht aufgenommen worden, benimmt zwar dem Proteste nichts an seiner Gültigkeit.
§. 1039. Die Gerichtsperson aber, der Justizcommissarius, oder der Notarius, welche ein solches Versehen begangen haben, haften den Interessenten für allen daraus etwa entstandenen Nachtheil; und sollen überdies um den vierfachen Betrag der erhaltenen Protestgebühren fiskalisch bestraft werden.
§. 1040. Wer schon einmal wegen einer dergleichen Vernachläßigung bestraft worden, ist im Wiederholungsfälle für unfähig zur Aufnehmung eines Wechselprotestes zu erklären, und dieses der Kaufmannschaft des Orts bekannt zu machen.
§. 1041. Außer den allgemeinen Erfordernissen eines Protokolls, oder Notariatsinstruments, muß ein Wechselprotest enthalten:
1) eine genaue Abschrift des Wechsels;
2) die vollständige Bemerkung der Umstände, weshalb die Annahme oder Zahlung nicht erfolgt ist.
§. 1042. Ist der Bezogene anwesend: so muß die Anfrage an denselben: ob, und in welcher Art er den Wechsel acceptiren oder zahlen wolle? mit der bestimmten wörtlich niederzuschreibenden Antwort darauf, dem Proteste eingerückt werden.
§. 1043. Hat der Bezogene sich von seinem Wohnorte entfernt; oder ist er an dem Orte, wo er in den gesetzlichen Präsentationsstunden sonst seine Geschäfte treibt, nicht anzutreffen: so wird, nach vorher gehaltener Nachfrage, in dem Protokolle bemerkt: daß in dem Comtoir, Laden, Gewölbe, und Behausung des Schuldners Erkundigung eingezogen, und niemand angetroffen worden, welcher acceptiren können und wollen.
§. 1044. Ein Gleiches findet bey Meßwechseln statt, wenn der Aussteller nicht zur Messe gekommen, oder vor der Präsentations- oder Verfallzeit wieder abgereiset ist.
§. 1045. Ferner alsdann, wenn der Protest, wegen erfolgten Absterbens des Bezogenen, oder wegen des über sein Vermögen eröffneten Concurses, nach §. 979-983. aufgenommen werden muß.
IX. Verfahren nach aufgenommenem Proteste.
§. 1046. Ist der Präsentant nur Bevollmächtigter: so muß er den aufgenommenen Protest unfehlbar mit nächster Post an seinen Machtgeber überschicken; widrigenfalls er demselben für allen daraus entstehenden Schaden haftet.
§. 1047. Ist er aber Eigenthümer des Wechsels: so muß er denjenigen von den Vormännern, an welchen er sich wechselmäßig halten will, mit nächster Post von dem aufgenommenen Proteste benachrichtigen.
§. 1048. Es hängt von ihm ab, dieser Nachricht den Originalprotest beyzufügen; oder letzteren einem Bevollmächtigten, zur Vorzeigung an den Vormann, gegen welchen der Regreß gerichtet wird, zu übersenden.
§. 1049. Hat er letzteres gethan: so haftet er für das von dem Bevollmächtigten bey der Vorlegung etwa begangene Versehen eben so, als ob er den Protest selbst nicht remittirt, und den Vormann nicht benachrichtigt hätte.
§. 1050. Die Zurücksendung des Wechsels selbst kann der Präsentant noch einen Posttag verschieben, und abwarten, ob der Bezogene sich bis dahin zur Annahme noch entschließen werde.
§. 1051. Auch kann diese Rücksendung, bey Dato- und Usowechseln, bis zum letzten Respittage ausgesetzt werden, wenn keine Gegenordre vorhanden ist.
§. 1052. Will der Bezogene nach aufgenommenem Proteste den Wechsel noch acceptiren: so muß es der Präsentant gegen Erstattung der Kosten geschehen lassen.
§. 1053. Auch alsdann, wenn der Bezogene die Erstattung der Protestkosten verweigert, muß der Präsentant die Acceptation zulassen; jedoch, zur Erhaltung seines Rechts wegen der Kosten, einen besondern Protest aufnehmen lassen.
§. 1054. Sind die gesetzlichen Vorschriften bey Aufnahme und Versendung des Protestes wegen nicht geschehener Annahme verabsäumt: so verliert der Eigenthümer des Wechsels den Wechselregreß an die Vormänner, und kann nur seinen etwanigen Anspruch an einen oder den andern unter ihnen, nach §. 974. im ordentlichen Prozesse ausführen.
§. 1055. Es entschuldigt den Präsentanten nicht, wenn gleich der Posttag zur Versendung des Protestes auf einen Sonn-, Fest- oder Bußtag, oder bey Juden auf einen Sonnabend, oder andern jüdischen Feyertag fällt, sobald es ihm nur möglich gewesen ist, zur Beförderung des Briefes auf die Post noch vorher die nöthigen Anstalten zu treffen.
X. Rechte des Eigenthümers eines nicht acceptirten Wechsels.
§. 1056. Sind aber die gesetzlichen Vorschriften bey Aufnahme und Versendung des Protestes beobachtet worden: so ist der Eigenthümer eines wegen nicht geschehener Annahme protestirten Wechsels, außer der darin verschriebenen Summe, ingleichen außer den durch den Protest verursachten Kosten, auch für Provision, Courtage, und Briefporto, ein halb Prozent zu fordern berechtigt.
§. 1057. Die verschriebene Summe muß nach dem Curse am Zahlungstage des protestirten Wechsels berechnet werden.
§. 1058. Von dieser Zeit an laufen auch die Zinsen, und die Respittage kommen dabey nicht in Betrachtung.
§. 1059. Ist der Wechsel mehrmals indossirt: so hat der letzte Inhaber die Wahl: ob er sofort auf den Aussteller, oder an welchen der Indossanten, er zurückgehen will.
§. 1060. Hat er gewählt; aber binnen Vier und zwanzig Stunden keine vollständige Befriedigung erhalten, so muß er gegen einen solchen Vormann auf eben die Art, als gegen den Bezogenen, sofort Protest einlegen.
§. 1061. Alsdann kann er binnen der §. 1047. sqq. bestimmten Frist wiederum von einem andern Indossanten, oder von dem Aussteller, nach eignem Gutfinden, Zahlung fordern, und so weiter bis zu seiner gänzlichen Befriedigung fortfahren, ohne sich an die Ordnung, wie seine Vormänner auf einander folgen, zu binden.
§. 1062. Dadurch erlangt er die Befugniß, jeden der Vormänner binnen Jahresfrist, von Zeit des wider denselben aufgenommenen Protestes, wegen desjenigen, was an seiner völligen Befriedigung fehlt, wechselmäßig in Anspruch zu nehmen.
§. 1063. Hat er jedoch bey Aufnahme oder Versendung des Protestes etwas versäumt: so geht das Wechselrecht gegen denjenigen Indossanten, bey welchem das Versehen vorgefallen ist, so wie gegen alle übrigen, gegen welche die gesetzlichen Vorschriften nicht beobachtet worden, verloren; und es findet nur der Anspruch im ordentlichen Prozesse nach §. 974. statt.
§. 1064. Gegen diejenigen Indossanten aber, gegen welche er die gesetzlichen Vorschriften wegen Aufnahme und Remission des Protestes befolgt, und dieselben dadurch in den Stand gesetzt hat, weiter auf ihre Vormänner zurück zu gehen, bleibt ihm sein Wechselrecht nach §. 1062. vorbehalten. (§. 1067.)
§. 1065. Läßt der Inhaber einen der Indossanten sein Giro ausstreichen: so verliert er sein Recht gegen alle Hintermänner desselben; im Uebrigen aber behält der Wechsel, und der Protest, gegen alle Vormänner des Ausgestrichenen seine Kraft.
§. 1066. Hat der Wechselinhaber von dem Bezogenen, oder von dem zuerst in Anspruch genommenen Indossanten, Abschlagszahlung erhalten: so kann er dennoch den Ueberrest von einem der Giranten, oder von dem Aussteller fordern, wenn mit Aufnahme und Versendung des Protestes gehörig verfahren worden.
§. 1067. Will der in Anspruch genommene Indossant sich wieder an Einen seiner Vormänner halten: so muß er den von dem Wechselinhaber erhaltenen Protest, binnen der §. 1047. sqq. bestimmten Frist nach dessen Empfang, gehörig versenden.
§. 1068. Ein solcher Indossant hat, gleich dem auf ihn zurückgehenden Präsentanten, die Wahl, an welchen seiner Vormänner er sich halten wolle.
§. 1069. Hingegen kann er die von dem vorigen Inhaber einmal Uebergangenen, die seine Hintermänner sind, nicht in Anspruch nehmen.
§. 1070. Hat ein Indossant nur Abschlagszahlung geleistet: so kann er dieselben auf dem Originalwechsel verzeichnen, und eine beglaubte Abschrift des Wechsels anfertigen lassen.
§. 1071. Alsdann hat er gegen seine Vormänner, und gegen den Wechselschuldner, wegen der bezahlten Summe, die Rechte des Inhabers einer kaufmännischen Assignation. (Abschn. IX.)
§. 1072. Die Wechselklage kann in den Fällen des §. 1056-1068. sogleich angestellt werden, wenn derjenige, an welchen der Inhaber seinen Regreß zu nehmen hat, nicht binnen Vier und zwanzig Stunden nach Vorzeigung des Protestes und Wechsels Zahlung leistet.
§. 1073. Der Präsentant ist weder schuldig, die Zahlungszeit abzuwarten, noch alsdann, wegen Nichtbezahlung, gegen den Bezogenen von neuen protestiren zu lassen.
§. 1074. Nur alsdann, wenn aus dem Proteste erhellet, daß die Acceptation wegen Mangels des Advis, oder wegen fehlender Remesse verweigert worden, und der Wechsel noch nicht verfallen ist, muß zuvörderst der Zahlungstag abgewartet, und der nochmalige Protest wegen Nichtbezahlung, gehörig aufgenommen, und versendet werden.
§. 1075 Doch kann der Wechselinhaber immittelst auf blosse Vorzeigung des Protestes, die Bestellung hinlänglicher Sicherheit bis zum Zahlungstage fordern.
§. 1076. Der Wechselregreß findet auch wider den Aussteller einer für Rechnung eines Dritten gezogenen Tratte statt.
§. 1077. Es kann also auch ein solcher Aussteller den Inhaber an denjenigen, für dessen Rechnung gezogen worden, nicht verweisen; sondern es ist lediglich seine Sache, sich mit letztern aus einander zusetzen.
§. 1078. Des Einwandes der nicht erhaltenen Valuta kann derjenige, gegen welchen der Wechselregreß gerichtet wird, sich im Wechselprozesse nicht bedienen.
§. 1079. Läßt der Wechselinhaber Ein Jahr, Vom Zahlungstage des Wechsels an gerechnet, verstreichen, ohne die Klage anzumelden: so verliert er sein Wechselrecht.
§. 1080. Es bleibt ihm alsdann nur wegen der gezahlten Valuta, der Zinsen, Schäden und Kosten, die Ausführung seiner Rechte im ordentlichen Prozesse nach §. 974. vorbehalten.
§. 1081. Ueber die nach §. 1056. sqq. zu bestimmende Schadloshaltung, kann der jedesmalige Inhaber, statt der Klage, einen Rückwechsel auf denjenigen von den Vormännern ziehn, an welchen er seinen Regreß zu nehmen hat.
§. 1082. Ein solcher Rückwechsel muß unmittelbar (à drittura) gestellt werden, wenn zwischen beyden Plätzen Wechselverkehr ist.
§. 1083. Findet aber von dem Wohnorte des Inhabers, nach dem des Vormannes, gegen welchen der wechselmäßige Regreß gerichtet wird, kein Wechselverkehr statt: so muß der Rückwechsel auf denjenigen Platz gezogen werden, über welchen beyde Oerter gewöhnlich ihre Wechselgeschäfte machen.
XL Rechte und Pflichten des Inhabers nach der Acceptation.
§. 1084. Ist der Wechsel acceptirt worden: so muß der Inhaber die Verfallzeit abwarten.
§. 1085. Jedoch kann er, wenn in der Zwischenzeit solche Umstände eintreten, welche nach gesetzlichen Vorschriften den Arrestschläg begründen, von dem Acceptanten Sicherheitsbestellung fordern.
§. 1086. Er wird aber, im Falle der Unterlassung, den Vormännern nur alsdann verantwortlich, wenn er dabey ein grobes Versehen begangen hat.
§. 1087. Kann oder will der Acceptant die Sicherheitsbestellung nicht leisten: so ist der Inhaber Arrest auszubringen berechtigt.
§. 1088. Hat er Realarrest ausgebracht, und will nach eingetretener Verfallzeit die Wechselexecution suchen: so muß er dem Realarreste wieder entsagen.
§. 1089. Wird vor der Verfallzeit über des Acceptanten Vermögen Concurs eröffnet: so muß der Inhaber sofort nach erhaltener Wissenschaft davon, mit der Aufnahme und Versendung des Protestes verfahren.
§. 1090. Wegen Berechnung des Verfalltages treten die Vorschriften des §. 847. sqq. überall ein.
§. 1091. Bey Sicht, und solchen Usowechseln, deren Verfallzeit vom Tage der Präsentation läuft, muß die Verfallzeit nach dem Dato der Präsentation berechnet werden; wenn gleich die Acceptation, wegen eines dazwischen gekommenen Festtages, erst am folgenden Werkeltage geschehen wäre (§. 985. sqq.)
§. 1092. Bey Meß- und Marktwechseln finden keine Respit- oder Discretionstage statt.
§. 1093. Auch bey Sicht- und solchen Briefen, die auf halb Uso oder weniger gestellt sind, kann der Acceptant dergleichen nicht verlangen.
§. 1094. Bey andern gezogenen Wechseln, kommen in Königlichen Landen dem Acceptanten, nach dem Verfalltage, noch Drey Respittage zu statten, an deren Drittem er erst zur Zahlung angehalten werden kann.
§. 1095. Ist der Dritte Respittag ein Sonn-, Fest- oder Bußtag: so muß die Zahlung am Zweyten Respittage erfolgen.
§. 1096. Ein gleiches gilt, wenn der Wechselacceptant ein Jude ist, und der Dritte Respittag auf einen Sonnabend oder jüdischen Feyertag fällt.
§. 1097. Sind alle Drey Respittage Sonn- und Feyertage: so muß die Zahlung am Verfalltage selbst geleistet werden.
§. 1098. Ist gleich der acceptirte Wechsel erst nach dem Verfalltage zur Zahlung präsentirt worden, so werden dennoch die Respittage von der Verfallzeit an gerechnet.
§. 1099. Sind daher, von diesem Zeitpunkte an gerechnet, schon Drey Tage verstrichen, so finden weiter keine Respittage statt.
§. 1100. An dem hiernach zu bestimmenden Zahlungstage, kann von Zwölf Uhr Mittags, bis Sieben Uhr Abends, Zahlung gefordert werden.
§. 1101. Wegen der Zahlung treten die Vorschriften des §. 873. sqq. überall ein.
§. 1102. Ergiebt der Wechsel, daß davon mehrere Exemplare ausgefertigt worden, so müssen wenigstens diejenigen, worauf die Acceptation, und die ganze Folge der Indossamente befindlich ist, bey der Zahlung ausgeliefert werden.
§. 1103. Kann dies nicht geschehen, so ist der Acceptant nur zur gerichtlichen Deposition verbunden.
§. 1104. Durch die Zahlung des Wechsels erlangt der Bezogene, außer dem Falle einer von ihm geschehenen Acceptation per honor (§. 1021. 1028.) gegen den Aussteller kein Wechselrecht.
§. 1105. Hat er ohne hinlängliche Deckung gezahlt, so kann er diese, nebst kaufmännischen Zinsen, seit dem Tage der Zahlung, von dem Aussteller nur in dem Wege des ordentlichen Prozesses fordern.
§. 1106. Hat der Bezogene gewußt, daß der Wechsel von dem Aussteller für Rechnung eines Dritten gezogen worden: so kann er, außer dem Falle einer Annahme per honor, sich nur an diesen Dritten Committenten halten.
XIV. Verfahren bey nicht gehörig geleisteter Zahlung.
§. 1107. Ist der Acceptant vor der Zahlung verstorben, so finden die Vorschriften des §. 979. sqq. Anwendung.
§. 1108. Leisten die Erben nicht gehörige wechselmäßige Zahlung, und der Inhaber will sich an die Aussteller, oder die Vormänner regressiren: so muß er sofort, wegen nicht geleisteter Zahlung, Protest einlegen, und denselben binnen der §. 1047. sqq. vorgeschriebenen Frist ersenden.
§. 1109. Ein Gleiches muß geschehen, wenn kein Handlungsfaktor vorhanden ist, und die Erben ungewiß, unbekannt, oder an einem andern Orte wohnhaft sind.
§. 1110. Ueberhaupt muß der Inhaber, wenn die Zahlung zur bestimmten Zeit nicht richtig erfolgt; und er sich an die Vormänner, oder an den Aussteller wechselmäßig halten will, sofort den Protest aufnehmen lassen.
§. 1111. Er kann jedoch den nach §. 846. sqq. zu bestimmenden Zahlungstag abwarten, wenn auch der Acceptant vorher erklärt haben sollte, daß er nicht zahlen werde.
§. 1112. Ist in dem Falle des §. 999. der Präsentant an eine Addresse verwiesen, und diese leistet die Zahlung nicht: so muß ebenfalls Protest aufgenommen werden.
§. 1113. Alsdann ist der Acceptant, welcher den Wechselinhaber an die Addresse verwiesen hat, wechselmäßig verhaftet.
§. 1114. Gegen den aber, welchem die Zahlung von dem Acceptanten aufgetragen worden, findet kein Wechselanspruch von Seiten des Inhabers statt; sondern es treten nur die Vorschriften von kaufmännischen Assignationen ein. (Abschnitt IX.)
§. 1115. Ist auf dem Wechsel jemand benannt, bey welchem sich der Inhaber, im Falle der Nichtzahlung, melden solle: so finden die Vorschriften des §. 1018. 1019. Anwendung.
§. 1116. Die abschlägliche Zahlung eines Theils der verschriebenen Summe ist der Inhaber nur alsdann anzunehmen schuldig, wenn er bloß Bevollmächtigter, und zur Annahme von Abschlagszahlungen ausdrücklich angewiesen ist.
§. 1117. Hat er Abschlagszahlungen angenommen, und will sich wegen des Ueberrestes wechselmäßig regressiren: so muß er deshalb Protest aufnehmen lassen.
§. 1118. Statt baarer Zahlung Assignation anzunehmen, ist der Präsentant nicht schuldig.
§. 1119. Hat er dergleichen angenommen, und ist darüber die Zeit zur Aufnahme des Protestes verstrichen: so geht der wechselmäßige Regreß an die Vormänner und den Aussteller verloren.
§. 1120. Ist in solchem Falle der Präsentant nur Bevollmächtigter: so wird er dem Eigenthümer zur völligen Schadloshaltung verhaftet.
XV. Rechte des Inhabers aus einem wegen Nichtzahlung protestirten Wechsel.
§. 1121. Wegen Aufnahme und Versendung des Protestes über Nichtbezahlung; ingleichen wegen des wechselmäßigen Regresses an die Vormänner, und an den Aussteller, finden die Vorschriften §. 1006. sqq. überall Anwendung.
§. 1122. Auch hat der Inhaber die Wahl, ob er sogleich von den Vormännern Zahlung fordern, oder zuvor den Acceptanten wechselmäßig belangen wolle.
§. 1123. Will der Inhaber zuerst den Acceptanten in Anspruch nehmen: so ist er nicht schuldig, mit dem Proteste zugleich den Wechsel zu versenden.
§. 1124. Er kann jedoch alsdann von den Vormännern, und dem Aussteller, weder Zahlungs- noch Sicherheitsbestellung eher fordern, als wenn der Wechsel beygebracht wird.
§. 1125. Will aber der Inhaber, mit Uebergehung des Acceptanten, sich gleich an Einen der Vormänner, oder an den Aussteller halten: so muß der Wechsel zugleich mit dem Proteste versendet werden.
§. 1126. Alsdann ist der Vormann, oder Aussteuer zur Leistung der im §. 1056. sqq. beschriebenen Zahlung, binnen Vier und zwanzig Stunden von Zeit der geschehenen Vorzeigung des Protestes und Wechsels, verbunden.
§. 1127. Wegen Veränderung der Wahl hat der Inhaber die Rechte des §. 1059. sqq.
§. 1128. Auch kann er nach §. 1081. sqq. einen Rückwechsel ziehen.
§. 1129. Wegen der Rechte des in Anspruch genommenen Indossanten gegen seine Vormänner, finden gleichfalls die Vorschriften des §. 1067. bis 1072. Anwendung.
§. 1130. In allen diesen Fällen (§. 1125. 1127. 1129.) verliert jedoch der Inhaber sein Wechselrecht, wenn er binnen Jahresfrist, von Zeit des aufgenommenen Protestes, wider denjenigen, an welchen er zum Behuf des Regresses den Protest gesendet hat, die Wechselklage nicht gehörig anstellt.
§. 1131. Ist aber dies geschehen, und die Klage gehörig eingehändigt worden: so wird dadurch das Wechselrecht gegen den Beklagten so lange, bis der Wechsel auch als Schuldschein verjährt ist, erhalten.
XVI. Rechte des Ausstellers gegen den nicht zahlenden Acceptanten.
§. 1132. Der Aussteller, welcher einen acceptirten Wechsel einlöset, erlangt dadurch gegen den Acceptanten kein Wechselrecht.
§. 1133. Er kann sich auch von dem Inhaber, zum Nachtheile des Acceptanten, seine Rechte gegen letztern nicht abtreten lassen.
§. 1134. Dagegen bleiben dem Aussteller gegen den bezogenen, wegen bereits erhaltener Deckung, oder sonst, sein Recht im gewöhnlichen Prozesse vorbehalten.
§. 1135. Wird in diesem dargethan, daß der Acceptant von dem Aussteller wirklich Deckung erhalten habe: so hat der Aussteller, bis zum Betrage der am Zahlungstage in des Acceptanten Händen befindlich gewesenen Deckung, bey entstehendem Concurs über dessen Vermögen das Vorzugsrecht der Sechsten Classe.
§. 1136. Einer gegebenen Deckung ist gleich zu achten, wenn der Acceptant am Zahlungstage Schuldner des Ausstellers gewesen ist.
Von Verfälschungen bey gezogenen Wechseln:
§. 1137. Jedermann, welchem ein gezogener Wechsel zur Annahme der Zahlung präsentirt wird, ist schuldig denselben zu untersuchen, und sich von von desses Richtigkeit zu überzeugen.
§. 1138. Wer einen falschen Wechsel bezahlt, kann sich nur an den Urheber des Betrugs, und an die Theilnehmer halten.
§. 1139 Wird ein Wechsel präsentirt, an welchem sich scheinbare Spuren der Verfälschung finden: so kann der Bezogene denselben an sich behalten; muß auch sofort dem gehörigen Richter davon Anzeige machen und das verdächtige Instrument gerichtlich niederlegen.
§. 1140. Eben dies findet statt, wenn der Bezogene durch den angeblichen Trassanten von der Verfälschung benach richtigt, und der Präsentant eine unbekannte oder verdächtige Person ist.
§. 1141. In beyden Fällen bleibt dem Ermessen des Richters überlassen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, je nachdem der Verdacht der Unrichtigkeit mehr oder weniger bescheinigt ist, zu beurtheilen: ob und auf wie hoch vpn dem Bezognen, wegen Schäden und Kosten, Caution zu bestellen sey. (Th. I. Tit. XIV. §. 186. sqq.)
§. 1142. Wird gleich der Wechsel bis zur weitern Untersuchung in gerichtliche Verwahrung genommen: so kann der Inhaber dennoch mit Aufnahme und Versendung des Protestes wegen Nichtacceptation verfahren.
§. 1143. Der Richter muß ihm zu diesem Behuf schleunig eine beglaubte Abschrift des Wechsels ertheilen, und einen Depositalschein darüber ausfertigen lassen.
§. 1144. Dadurch erlangt der Inhaber das Recht, binnen der gesetzmäßigen Frist auf seine Vormänner zurück zu gehen, und bis zur ausgemachten Sache Sicherheitsbestellung von ihnen zu fordern.
§. 1145. Nach einmal geschehener Acceptation kann der Bezogene unter dem Vorwande, daß der Wechsel falsch sey, die Zahlung nicht weigern.
§. 1146. Es muß aber die Zahlung in das gerichtliche Depositorium geschehen, so bald der Acceptant einen ihm zugekommenen Advis von der vorgeblichen Falschheit des Wechsels vorzeigen kann.
§. 1147. Eben dahin muß auch der angeblich falsche Wechsel abgeliefert werden.
§. 1148. Der Inhaber muß alsdann den Erfolg des gerichtlichen Verfahrens abwarten, und ist nicht befugt, sich vorher an die Vormänner wechselmäßig zu regressiren.
§. 1149. Jedoch kann ihm die Auszahlung der deponirten Valuta gegen hinreichende Caution nicht versagt werden.
§. 1150. Ist in einem an sich richtigen Wechsel die Summe verfälscht worden; und der Bezogne hat mehr bezahlt, als im Avisbriefe enthalten war: so kann er sich wegen des daraus entstandenen Schadens nur an denjenigen halten, der die Verfälschung vorgenommen hat.
§. 1151. War die Summe im Wechsel nur mit Ziffern ausgedrückt, und sind diese unmerklich verfälscht: so ist der Aussteller einem Dritten dadurch Hintergangenen Inhaber zum Schadens-Ersatze verhaftet.
§. 1152. Ist die mit Buchstaben ausgedrückte Summe verfälscht: so muß jeder Inhaber sich an seinen Vormann so lange halten, bis man auf den zurückkommt, der nur die wahre Summe empfangen hat.
§. 1153. Auch die Richtigkeit des letzten Indossaments muß der Bezogne gehörig untersuchen.
§. 1154. Wer aus grobem Versehen auf ein falsches Indossament Zahlung leistet, oder mit einer verdächtigen Person (Th. I. Tit. XV. §. 19.), von der es sich in der Folge findet, daß sie unredlicher Inhaber gewesen sey, auf dergleichen Zahlung sich einläßt, bleibt dem Eigenthümer des Wechsels im ordentlichen Prozesse verhaftet, und kann sich nur an den Urheber des Betrugs, und die Theilnehmer desselben halten.
§. 1155. Ist jedoch ein Wechsel in Blanko indossirt worden: so finden die Vorschriften des §. 815. sqq. Anwendung.
§. 1156. Die etwanige Verfälschung eines vorhergehenden Indossaments ist dem Bezogenen unschädlich, wenn nur der letzte Inhaber redlicher Besitzer gewesen ist. (Th. I. Tit. VII. §. 10. sqq.)
§. 1157. Sind gegen den letzten Inhaber scheinbare Spuren des Verdachts vorhanden: so findet eben das statt, was §. 1139. sqq. von falschen Wechseln verordnet ist.
§. 1158. Kommen die Spuren der Verfälschung erst nach der Acceptation zum Vorschein: so muß der Acceptant die Vorschriften des §. 1146. 1147. beobachten.
XVIII. Von verloren gegangenen Wechseln.
§. 1159. Geht ein gezogner Wechsel verloren: so muß der bisherige Inhaber diesen Verlust dem Aussteller und dem Bezogenen unverzüglich melden.
§. 1160. Hat der Bezogne von dem Verluste des Wechsels keine Nachricht erhalten, und daher denselben zur Verfallzeit einem unverdächtigen Inhaber bezahlt: so muß der Eigenthümer, der den Wechsel angeblich verloren hat, den Schaden tragen, und kann sich nur an denjenigen, welcher unredlicher Weise zum Besitze der Tratte gelangt ist, halten.
§. 1161. Hat aber der Bezogne vor dem Verfalltage Zahlung geleistet: so darf ihm der Aussteller dafür nicht gerecht werden.
§. 1162. Der Eigenthümer hingegen, welcher den Wechsel verloren hat, kann alsdann von dem Aussteller im ordentlichen Prozesse Entschädigung fordern; und hat bey entstehendem Concurse über dessen Vermögen das Vorzugsrecht der Sechsten Classe.
§. 1163. Kommt die Nachricht vom Verluste des Wechsels dem Bezogenen noch vor der Acceptation zu; und der Wechsel wird demselben präsentirt: so muß nach der Vorschrift §. 1139. sqq. verfahren werden.
§. 1164. Dem sich meldenden Inhaber kommen alsdann gegen die Vormänner die Vorschriften des §. 1142. sqq. zu statten.
§. 1165. Wird aber bis zum Zahlungstage der Wechsel nicht präsentirt: so kann sich derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, nur an den Aussteller halten.
§. 1166. Es findet auch hier weder Wechselprozeß, noch Wechselexecution statt, jedoch wird der Vorzug im Concurs nicht verändert.
§. 1167. Kommt die Nachricht von dem Verluste des Wechsels dem Bezogenen erst nach der Acceptation, jedoch vor der Zahlung zu: so muß er letztere in das gerichtliche Depositorium leisten.
§. 1168. Alsdann ist zwischen dem letzten Inhaber, und demjenigen, welcher den Wechsel angeblich verloren hat, auszumachen, wem von ihnen die deponirte Valuta zukomme.
§. 1169. Kann der letzte Inhaber darthun, daß er redlicher Besitzer des Wechsels sey: so wird ihm das Geld verabfolgt; und derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, kann sich nur an den vormaligen unredlichen Besitzer halten.
§. 1170. Es steht in diesem Falle weder dem Wechselinhaber, noch demjenigen, welcher den Wechsel angeblich verloren hat, der Wechselregreß gegen die übrigen Vormänner und gegen den Aussteller zu; und die Aufnahme eines Protestes ist unwirksam.
§. 1171. Wird ein schon acceptirter nachher verloren gegangener Wechsel zur Zahlungszeit nicht zum Vorschein gebracht; und der Bezogne ist der Acceptation geständig, oder kann deren sofort überführt werden: so muß er wechselmäßig Zahlung leisten.
§. 1172. Diese Zahlung darf jedoch nur in das gerichtliche Depositorium geschehen; und es muß auf Kosten desjenigen, der den Wechsel verloren hat, ein öffentliches gesetzmäßiges Aufgebot veranlaßt werden.
§. 1173. Meldet sich dabey kein andrer Inhaber: so ist der Präsentant die deponirte Valuta zu erheben berechtigt, und der verlorne Wechsel wird für mortificirt erklärt.
§. 1174. Meldet sich hingegen ein andrer Inhaber, so findet die Vorschrift §. 1168. Anwendung.
§. 1175. Ist die Acceptation weder zugestanden, noch sofort erwiesen: so kann derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, auf seine Kosten ein öffentliches Aufgebot veranstalten.
§. 1176. Meldet sich dabey kein Inhaber: so wird der Wechsel mortificirt, und der Verlierer hält sich nach Vorschrift §. 1162. an den Aussteller.
§. 1177. Dem Verlierer steht jedoch frey, in der Zwischenzeit die Acceptation gegen den Bezognen im Wege des ordentlichen Prozesses nachzuweisen.
§. 1178. Erstreitet er darüber ein rechtskräftiges Urtel: so findet die Wechselexecution gegen den Acceptanten statt; doch muß die Zahlung so lange, bis der Wechsel mortificirt ist, in das gerichtliche Depositum geleistet werden. (§. 1172. 1173.)
§. 1179. Obige Vorschriften (§. 1167. sqq.) sind auch auf den Fall anzuwenden, wenn ein Wechsel nach aufgenommenem Proteste verloren geht.
§. 1180. Jedoch wird durch eine beglaubte Abschrift des bey dem Proteste aufgenommenen Protokolls, der darin benannte rechtmäßige Inhaber berechtigt, von demjenigen Vormann, an welchen er sich halten will, Caution zu fordern.
§. 1181. Auch bey trocknen Wechseln sind die §. 748 bis §. 784 bestimmten Eigenschaften erforderlich.
§. 1182. Ein Instrument wird bloß dadurch, daß darin die Zahlung nach Wechselrecht versprochen worden, kein gültiger Wechsel.
§. 1183. Wie bey trockenen Wechseln der Empfang der Valuta ausgedrückt werden müsse, ist §. 765-765. bestimmt.
§. 1184. Ist in trockenen Wechseln der §. 726. benannten Personen der Empfang der Valuta nicht in baarem Gelde ausgedrückt; oder kann sofort nachgewiesen werden, daß der Aussteller die Valuta nicht baar erhalten habe: so findet gegen ihn kein wechselmäßiges Verfahren statt.
§. 1185. Vielmehr soll die Sache im Wege des ordentlichen Prozesses erörtert, und dabey dasjenige Geschäft, aus welchem die Zahlungsverbindlichkeit des Ausstellers entsprungen seyn soll, zum Grunde gelegt werden.
§. 1186. Auf die Indossamente solcher Personen findet obige Vorschrift (§. 1184. 1185.) ebenfalls Anwendung.
§. 1187. Bey trockenen Wechseln kann auch der Ablauf einer bestimmten Aufkündigungsfrist, als Zahlungstag festgesetzt werden.
§. 1188. Alsdann muß bey Anstellung der Klage, entweder die schriftliche Annahme des Schuldners, oder ein Attest über die gerichtlich oder durch einen Justizcommissarius und Notarius geschehene Aufkündigung, beygebracht werden.
§. 1189. Der Name desjenigen, welcher die Zahlung erhalten soll, muß in einem trockenen Wechsel, bey Verlust der Wechselkraft, angegeben seyn.
§. 1190. Nur Personen, welche in Absicht der Wechselfähigkeit kaufmännische Rechte haben (§. 718-724.), können auch trockene Wechsel gültig auf jeden Briefsinhaber ausstellen.
§. 1191. Trockene Wechsel, denen die Wechselkraft mangelt, gelten als Schuldscheine, in so fern sie die nach den Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 730. sqq. erforderlichen Eigenschaften haben.
§. 1192. Der unterlassene Gebrauch des vorgeschriebenen Stempelpapiers benimmt der Kraft des Wechsels nichts; sondern verbindet nur den Aussteller zur ediktmäßigen Strafe.
2) Rechte des Wechselgläubigers;
§. 1193. Vor der Verfallzeit kann aus trockenen Wechseln ebenfalls keine Zahlung, sondern nur, nach Anleitung des §. 1085. sqq., Sicherheit gefordert werden.
§. 1194. Wird vor der Verfallzeit über den Aussteller Concurs eröffnet: so kann der Inhaber seine Forderung dabey liquidiren.
§. 1195. Er kann jedoch auch, wenn der Wechsel indossirt ist, ohne Aufnahme eines Protestes, sogleich an die Indossanten wechselmäßig zurückgehen.
§. 1196. Doch muß alsdann der Klage ein gerichtliches Attest über die geschehene Concurseröffnung beygefügt werden.
§. 1197. Wegen der Zahlung finden die Vorschriften des §. 867-924. Anwendung.
§. 1198. Befindet sich der Wechsel nicht mehr in den Händen des ersten Inhabers: so muß der Schuldner die Richtigkeit des letzten Indossaments nach Vorschrift des §. 1137. sqq. gehörig untersuchen.
§. 1199. Ist der Wechsel verloren gegangen: so findet nicht eher wechselmäßige Execution statt, bis die Existenz, der Betrag, und übrige Inhalt desselben im ordentlichen Prozesse ausgemittelt ist.
§. 1200. Alsdann muß der Wechselgläubiger über am erhaltene Zahlung eine besondere Quittung ausstellen, und darin zugleich den Wechsel für erloschen erklären.
§. 1201. In wie fern außer dieser Quittung ein gerichtliches Aufgebot, und die Mortification des verlornen Wechsels nöthig sey, ist nach den Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVI. §. 128. sqq. zu beurtheilen.
§. 1202. In diesem Falle kann der Schuldner, bis zum Erfolge der gerichtlichen Mortification, nur gegen hinlängliche Caution wegen seiner Schadloshaltung, wenn der Wechsel in der Folge wieder zum Vorschein käme, Zahlung zu leisten angehalten werden.
§. 1203, Von dem Falle, wenn der Wechselschuldner verstorben ist, gilt bey trockenen Wechseln alles das, was bey gezogenen §. 1107. sqq. verordnet worden.
§. 1204. Auch ist bey trockenen Wechseln, zum Behufe des Regresses gegen die Indossanten, in den Fällen des §. 1043-1045. die Aufnahme eines Protestes nothwendig.
§. 1205. Ist in dem Wechsel kein Zahlungsort bestimmt: so kann die Aufnahme des Protestes an dem Orte geschehen, wo der Schuldner zuletzt bekanntlich gewohnt, oder wo er den Wechsel ausgestellt hat.
§. 1206. Ein solcher Protest (§. 1203-1205.) kann nur vor Gerichten, oder von einer dazu deputirten, zum Protokolle vereideten Gerichtsperson, aufgenommen werden.
§. 1207. Wegen der Aufnahme selbst, und der Versendung, finden die Vorschriften des §. 1047. sqq. Anwendung.
§. 1208. Durch einen solchen Protest wird die Befugniß zum Wechselregresse auf Ein Jahr, von Zeit des aufgenommenen Protestes an gerechnet, erhalten.
§. 1209. Läßt der Inhaber diese Einjährige Frist verstreichen, ohne gerichtliche Klage anzustellen: so verliert er den wechselmäßigen Regreß, und behält nur den Anspruch im ordentlichen Prozesse. (§. 974.)
§. 1210. Außer diesen Fällen (§. 1194. 1195. §. 1204. 1205.) findet bey trockenen Wechseln der Regreß gegen die Indossanten nicht eher statt, als wenn zuvor der Wechselschuldner zur Verfallzeit ausgeklagt, und zum Personalarrest gebracht worden.
§. 1211. Ist dies geschehen; und die Zahlung nicht binnen Drey Tagen, nach Ablieferung des Schuldners ins Gefängniß, erfolgt: so muß der Wechselinhaber sich darüber von dem Gerichte ein Attest ertheilen lassen; und solches, nebst dem Wechsel, nach Vorschrift des §. 1047. sqq. versenden.
§. 1212. Alsdann treten die Vorschriften des §. 1056. sqq. überall ein.
§. 1213. Zur Erhaltung der Wechselkraft gegen den Schuldner selbst, ist die Aufnahme eines Protestes nur alsdann wirksam, wenn solche Umstände eintreten, daß die an sich zuläßige Wechselklage, vor Ablauf der Verjährungsfrist wider ihn nicht sogleich angestellt werden kann.
§. 1214. Dahin ist besonders der Fall zu rechnen, wenn der Wechselinhaber von dem Sitze des Gerichts, wo die Klage angestellt werden muß, so entfernt sich aufhält, daß vor Anstellung der Klage die Verjährungsfrist besorglich ablaufen möchte.
§. 1215. Ein solcher Protest kann auch von einem Justizcommissario oder Notario aufgenommen werden.
§. 1216. Alsdann aber muß, bey Verlust des Wechselrechts, binnen Acht Tagen, von Zeit des aufgenommenen Protestes, die Klage bey dem zuständigen Richter des Wechselschuldners angemeldet werden.
§. 1217. Finden sich Umstände, weshalb die Wechselladung nicht eingehändigt werden kann: so wird dem Kläger darüber ein Attest ausgefertigt.
§. 1218. Ein solches Attest erhält die Wechselkraft so lange, bis das Instrument auch als Schuldschein verjährt ist.
5) Von Verlängerung der Wechselverbindlichkeit.
§. 1219. Mit Einstimmung des Wechselgläubigers, und des Wechselschuldners, kann jeder trockene Wechsel verlängert werden.
§. 1220. Ist der Schuldner zur Zeit der Prolongation nicht mehr wechselfähig: so hat dieselbe keine Wirkungen.
§. 1221. Die Verlängerung kann vor, bey, oder nach der Verfallzeit, so lange die Wechselkraft noch dauert, erfolgen.
§. 1222. Eine nach erloschener Wechselkraft geschehene Prolongation ist der Ausstellung eines neuen trockenen Wechsels gleich zu achten, wenn die Zahlungszeit gehörig bestimmt, und die Unterzeichnung nach Vorschrift des §. 776. sqq. geschehen ist.
§. 1223. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß die Verlängerung nach erloschener Wechselkraft geschehen sey.
§. 1224. Der Regel nach muß die Verlängerung auf den Wechsel selbst vermerkt werden.
§. 1225. Doch kann sie auch auf einer Abschrift des Wechsels geschehen, welche der Gläubiger dem Schuldner zu diesem Behufe zuschickt.
§. 1226. Die Verlängerung muß von dem Schuldner eigenhändig unterschrieben werden.
§. 1227. Der Ort und das Datum ist dabey nur alsdann nothwendig, wenn die Prolongation der Ausstellung eines neuen trockenen Wechsels gleich geachtet werden soll. (§. 1222.)
§. 1228. Von der Unterzeichnung gilt eben das, was von der Ausstellung selbst verordnet ist. (§. 776. sqq.)
§. 1229. Zum Vermerke der Verlängerung, wenn sie nicht der Ausstellung eines neuen Wechsels gleich geachtet werden soll, wird keine besondre Form erfordert.
§. 1230. Es ist genug, wenn daraus erhellet, daß die Zahlungszeit verschoben seyn solle.
§. 1231. Ist die Dauer der Prolongationszeit nicht ausgedrückt: so wird sie auf so lange gerechnet, als der Wechsel zuerst ausgestellt worden; oder wenn schon vorher Prolongationen erfolgt sind, auf den Zeitraum der nächst vorhergehenden Prolongation.
§. 1232. Wenn zwar die Prolongationszeit bestimmt, aber nicht ausgedrückt ist, von welchem Zeitpunkte sie anfangen solle; so muß dieselbe vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet werden.
§. 1233. Dies findet ohne Ausnahme statt, die Prolongation mag vor, oder nach dem Verfalltage geschehen seyn.
§. 1234. Eben so wird die Frist berechnet, wenn der Prolongationsvermerk ohne Datum ist.
§. 1235. Bey wiederholten Verlängerungen wird auf die Verfallzeit gesehen, welche nach der zunächst vorhergehenden Prolongation eingetreten seyn würde. §. 1236. Die Prolongation eines Wechsels, woraus mehrere als Selbstschuldner verpflichtet sind, kommt, wenn sie auch, nur von Einem unterzeichnet ist, allen zu statten, und erhält gegen Alle die Wechselkraft.
§. 1237. Soll die Wirkung der Prolongation sich nur auf Einen Wechselschuldner einschränken: so muß dieses in dem Vermerke ausdrücklich bestimmt seyn.
§. 1238. Verlängert der Wechselinhaber dem Schuldner die Zahlungsfrist ohne schriftliche Einwilligung des Bürgen: so entläßt er dadurch diesen Letztern seiner Verpflichtung.
§. 1239. Auf gleiche Art geht der Regreß gegen die Vormänner verloren.
§. 1240. Dies findet auch alsdann statt, wenn die Anmeldung der Klage gegen den Wechselschuldner länger als Drey Tage nach der Verfallzeit verschoben wird.
6) Von den Einwendungen bey trockenen Wechseln.
§. 1241. Wegen der bey trockenen Wechseln zuläßigen Einwendungen und Gegenforderungen, gelten die §. 916. sqq. gegebenen Vorschriften.
§. 1242. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta kann nur in so fern statt finden, als derselbe von dem Aussteller nach Vorschrift des §. 917. sqq. sofort dargethan wird.
§. 1243. Es macht dabey keinen Unterschied, ob ein Christ oder ein Jude Inhaber des Wechsels ist.
§. 1244. Der Einwand der nicht gezahlten Valuta kann auch dem Dritten Inhaber, in allen Fällen entgegen gesetzt werden, wenn der Wechsel nicht auf Ordre lautet, und der Aussteller das Indossament nicht schriftlich ohne Vorbehalt genehmigt hat.
§. 1245. Lautet der Wechsel auf Ordre, und gehört der Aussteller unter die §. 718-724. benannten Personen: so kann er von diesem Einwande gegen einen Dritten Inhaber keinen Gebrauch machen.
§. 1246. Ist aber der Aussteller nur nach §. 726. oder vermöge eines erhaltenen Certificats, zu Wechselgeschäften fähig: so kann er den Einwand der nicht erhaltenen Valuta auch einem Dritten Inhaber entgegensetzen, wenn gleich der Wechsel auf Ordre lautet.
§. 1247. In allen Fällen, wo dieser Einwand an sich statt findet, wird er weder durch wiederholtes Anerkenntniß des Wechsels, noch durch geschehene Prolongation, noch durch geleistete Abschlagszahlung ausgeschlossen.
§. 1248. Will, bey einem trockenen Wechsel, der Schuldner sich durch Einwendungen oder Gegenforderungen, die einer weitläuftigen Erörterung bedürfen, gegen die Zahlung schützen: so muß er dieselben bey den Gerichten dergestalt zeitig anbringen, daß er vor Eintritt der Verfallzeit ein rechtskräftiges Urtel erhalten könne.
§. 1249. Hat er zur Verfallzeit, wegen dieser Einwendungen, ein obsiegendes, aber noch nicht rechtskräftiges Urtel erhalten, so berechtigt ihn dasselbe, die verschriebene Wechselsumme gerichtlich zu deponiren.
Neunter Abschnitt. Von Handelsbillets und Assignationen
§. 1250. Schuldscheine, welche ein Kaufmann über den Betrag der auf Zeit erkauften Waaren ausstellt, werden Handelsbillets genannt.
§. 1251. Kaufmännische Assignationen sind solche, welche ein Kaufmann in Handlungsgeschäften ausgestellt hat.
§. 1252. Wo solchen Handelsbillets und Assignationen durch besondere Gesetze das Wechselrecht beygelegt worden, hat es ferner dabey sein Bewenden.
§. 1253. Wegen der Verfallzeit, und der Münzsorten, findet alles das Anwendung, was bey Wechseln verordnet ist.
- Von Handelsbillets.
§. 1254. In einem Handelsbillet muß die Summe der Schuld und die Zeit der Bezahlung enthalten seyn.
§. 1255. Alsdann ist es hinreichend, wenn der Waarenverkauf, woraus die Schuld entstanden ist, nur allgemein darin bemerkt worden.
§. 1256. Aus solchen Handelsbillets oder Handelsobligationen soll auch an denjenigen Orten, wo ihnen die Wechselkraft nicht beygelegt ist, binnen Jahresfrist vom Zahlungstage an gerechnet, der executivische Prozeß statt finden.
§. 1257. Im Concurse haben sie binnen dieser Zeit mit den Wechseln gleiches Recht.
§. 1258. Wegen Verlängerung dieser Frist treten die Vorschriften des §. 1219. und §. 908. ein.
§. 1259. Ist jedoch die Summe der Schuld, oder die Zeit der Bezahlung nicht gehörig bestimmt; oder die Forderung nicht unmittelbar aus einem Waarenverkehre entstanden: so ist das Instrument nur als ein gewöhnlicher Schuldschein zu betrachten.
§. 1260. Wegen der, an einigen Orten üblichen sogenannten Mamres und Starchos, auch andrer jüdischen Geldscheine, bleibt es bey den Vorschriften der Provinzialgesetze.
- Von kaufmännischen Assignationen.
§. 1261. Auch unter Kaufleuten ist Anweisung keine Zahlung.
§. 1262. Nimmt jedoch ein Kaufmann von dem andern statt Zahlung, eine Assignation ohne Vorbehalt an: so wird das Geschäfte durchgehends als eine Cession angesehen. (Th. I. Tit. XL §. 402. sqq.)
§. 1263. Kommt alsdann auch die Einwilligung des Assignaten hinzu: so ist eine Delegation vorhanden. (Th. I. Tit. XVI. §. 264. sqq.)
§. 1264. Ein Gleiches findet statt, wenn mit Einwilligung sämmtlicher Interessenten, durch Ab- und Zuschreiben in ihren Büchern, eine Ueberweisung (Scontration) geschehen ist.
§. 1265. In allen diesen Fällen haftet der Anweisende nicht für die Sicherheit der Assignaten.
§. 1266. Außer diesen Fällen sind, bey kaufmännischen Assignationen, die Rechte und Pflichten zwischen dem Aussteller und Empfänger, in der Regel nach den Vorschriften der Gesetze von Assignationen überhaupt zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XVI. §. 268. sqq.)
§. 1267. Zur Gültigkeit kaufmännischer Assignaten ist hinreichend, wenn nur daraus erhellet, wer Zahlung leisten, und empfangen solle; ingleichen auf wie hoch, und von wem die Assignation ausgestellt worden.
Obliegenheiten des Assignatarii.
§. 1268. Der Empfänger einer kaufmännischen Assignation muß vorzüglichen Fleiß anwenden, daß ihm in deren Einziehung keine Saumseligkeit zur Lastfalle,
§. 1269. Ist in der Assignation keine Zahlungszeit bestimmt; und der Inhaber findet sich mit dem Assignaten an einem Orte: so muß derselbe sich spätestens binnen Acht Tagen nach dem Empfange bey dem Assignaten melden, und Bezahlung fordern.
§. 1270. Befindet der Inhaber sich nicht an Einem Orte mit dem Assignaten: so muß die Assignation mit der nächsten Post zur Einkassirung abgeschickt werden.
§. 1271. Soll die Assignation während einer Messe oder eines Marktes bezahlt werden: so finden wegen der Präsentation die Vorschriften des §. 964. sqq. Anwendung.
§. 1272. Ist ein Zahlungstermin bestimmt: so muß die Anmeldung spätestens den ersten Tag nach der Verfallzeit erfolgen.
§. 1273. Wird die Assignation von dem Assignaten nicht angenommen: so kann und muß der Inhaber dieselbe spätestens innerhalb Vier und zwanzig Stunden dem Assignanten, wenn dieser an demselben Orte wohnhaft ist, zurückgeben.
§. 1274. Wohnt der Assignant an einem andern Orte: so muß der Inhaber sofort Protest aufnehmen lassen, und denselben mit nächster Post versenden.
§. 1275. Bey Aufnahme und Remission eines solchen Protestes muß alles beobachtet werden, was im vorigen Abschnitte von Wechselprotesten vorgeschrieben ist.
§. 1276. Auch wegen der Fälle, wenn die obigen Fristen auf einen christlichen oder jüdischen Feyertag treffen, finden die wegen der Wechsel gegebenen Vorschriften Anwendung.
§. 1277. Hat der Inhaber die Präsentation in den gesetzlichen Fristen verabsäumt: so haftet er für allen daraus entstehenden Schaden, und hat den Regreß nur im ordentlichen Prozesse. (§. 974.)
§. 1278. Ist die Assignation acceptirt: so treten die Vorschriften des §. 1084. ein.
§. 1279. In den Fällen, da bey wechselmäßigen Zahlungen Respit- oder Discretionstage zugelassen sind, finden dieselben auch bey kaufmännischen Assignationen statt.
§. 1280. Erfolgt die Zahlung der acceptirten Assignation nicht zu der nach §. 867. sqq. zu bestimmenden Verfallzeit: so muß der Inhaber ebenfalls wie bey acceptirten und nicht gehörig bezahlten Wechseln, nach Vorschrift §. 1107. sqq. verfahren.
§. 1281. Er ist aber, wenn der Assignant nicht an demselben Orte wohnt, außer der Aufnahme und Versendung des Protestes, bey Verlust seines Rechts an den Assignanten, schuldig, auf dessen Kosten die Klage wider den Assignaten sogleich anzustellen, und den Prozeß so lange gehörig fortzusetzen, bis der Assignant dazu, nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten, selbst die nöthigsten Verfügungen treffen kann.
Obliegenheiten des Assignanten.
§. 1282. Kommt der Protest innerhalb der bestimmten Fristen zurück: so muß der Assignant die Assignation unweigerlich wieder zurück nehmen.
§. 1283. Hat er die Assignation zur Tilgung einer Schuld, womit er dem Empfänger verhaftet war, ertheilt: so steht letzterem frey, seine Schuld eben so einzufordern, als ob das Assignationsgeschäft gar nicht geschehen wäre.
§. 1284. Hat aber der Empfänger die Assignation von dem Aussteller gekauft: so kann er, gegen Rückgabe derselben, die Erstattung der bezahlten Summe nebst Zinsen und Kosten fordern.
§. 1285. Enthält in diesem Falle die Assignation ein Empfangsbekenntniß der baar bezahlten Valuta: so findet gegen den Aussteller, binnen Jahresfrist nach dem Verfalltage, der executivische Prozeß statt.
§. 1286. Auch wegen des Vorzugs bey entstehendem Concurse findet binnen dieser Frist die Vorschrift des §. 1257. Anwendung.
§. 1287. Ist dergleichen Empfangsbekenntniß (§. 1285.) im Instrumente selbst nicht enthalten: so muß der Empfänger seine Schadloshaltung von dem Aussteller mittelst ordentlichen Prozesses suchen.
§. 1288. Hat der Inhaber die Fristen zur Aufnahme und Versendung des Protestes wegen Nichtzahlung versäumt; oder dem Assignaten nach der Acceptation irgend eine Nachsicht gestattet: so haftet ihm der Assignat nur als Bürge im ordentlichen Prozesse, für den ohne sein Verschulden entstandenen Ausfall.
Obliegenheiten des Assignaten.
§. 1289. Derjenige, auf welchen assignirt worden, ist dem Inhaber nur alsdann verhaftet, wenn er die Assignation schriftlich acceptirt hat.
§. 1290. Es treten hier die Vorschriften von Acceptation eines gezogenen Wechsels §. 984. überall ein.
§. 1291. Vor der Acceptation kann der Assignat an den Aussteller sicher zahlen, wenn er gleich sonst von der Assignation Wissenschaft gehabt hat.
§. 1292. Auch kann der Aussteller dem Assignaten die Zahlung an den Inhaber vor der Acceptation untersagen.
§. 1293. Hat der Assignat die Anweisung acceptirt: so muß er dem Inhaber Zahlung leisten, und kann sich mit einer schon erfolgten Befriedigung des Ausstellers nicht schützen.
§. 1294. Auch andre Einwendungen, die dem Acceptanten gegen den Aussteller zusteht), kann er dem Inhaber nach der Acceptation nicht mehr entgegen setzen.
§. 1295. Ist jedoch über das Vermögen des Ausstellers vor eingetretenem Verfalltage Concurs entstanden: so ist der Assignat dem Inhaber, auch auf eine schon acceptirte Assignation Zahlung zu leisten weder schuldig, noch berechtigt.
§. 1296. Hat er nach eingetretnem Verfalltage die Zahlung geleistet, ehe die gerichtliche Bekanntmachung der Concurseröfnung zu seiner Wissenschaft gelangt ist: so wird er dadurch von seiner Verbindlichkeit gegen den Aussteller, und dessen Masse, allerdings befreyet.
§. 1297. Aus einer acceptirten Assignation kann gegen einen Kaufmann zwar nicht wechselmäßäg, aber doch, binnen Jahresfrist vom Verfalltage an gerechnet, executivisch geklagt werden.
§. 1298. Binnen gleicher Frist hat eine solche kaufmännische Assignation mit einem Wechsel im Concurs gleiche Rechte. (§. 1257.)
Von indossirten Handelsbilttlets und kaufmännischen Assignationen.
§. 1299. Der Inhaber eines Handelsbillets, oder einer kaufmännischen Assignation, ist dieselbe zu indossiren berechtigt.
§. 1300. Zur Gültigkeit eines solchen Indossaments wird eben das erfordert, was bey Wechseln vorgeschrieben ist.
§. 1301. Der Indossant steht mit dem Indossatario in eben dem Verhältnisse, wie der Aussteller mit dem ersten Inhaber.
§. 1302. Sind mehrere Indossamente geschehen: so treten an solchen Orten, wo den Handelsbillets oder kaufmännischen Assignationen durch besondere Gesetze das Wechselrecht beygelegt worden, in Absicht des Regresses gegen die Vormänner, und den Aussteller, die Vorschriften, wie bey Wechseln, überall ein.
§. 1303. An solchen Orten aber, wo den Handelsbillets, oder kaufmännischen Assignationen das Wechselrecht nicht beygelegt ist, hat der Inhaber bloß die Wahl, sich entweder an seinen unmittelbaren Vormann, oder an den Aussteller zu halten.
§. 1304. Er muß jedoch auch alsdann die Vorschriften des Wechselrechts, wegen Aufnahme und Remission des Protestes, gehörig beobachten; auch wenn die Assignation acceptirt worden, nach Vorschrift §. 1281. einstweilen die Klage gegen den Acceptanten anstellen und fortsetzen.
Zehnter Abschnitt. Von Mäklern
§. 1305. Den Kaufleuten steht frey, ihre Geschäfte ohne Mäkler, selbst, oder durch ihre Handlungsbedienten, mit einander zu verhandeln und abzuschließen.
§. 1306. Wer ein Geschäft durch einen Mäkler abschließt, muß die Handlungen desselben eben so vertreten, wie der Vollmachtgeber die Handlungen des Bevollmächtigten. (Th. I. Tit. XIII. §. 85.)
§. 1307. Geschäfte und Verträge, die durch unbefugte oder unvereidete Mäkler geschlossen worden, sind so zu betrachten, als ob dabey kein Mäkler zugezogen wäre.
§. 1308. Wer sich ohne gesetzmäßige Bestellung und Verpflichtung in kaufmännische Geschäfte als Mäkler einmischt, soll den doppelten Betrag des gesetzmäßigen Mäklerlohns zur Strafe erlegen, und des bedungenen Mäklerlohns verlustig seyn.
§. 1309. Bey der Wiederholung ist die Strafe jedesmal zu verdoppeln.
§. 1310. Das Zeugniß eines unbefugten Mäklers über das durch ihn geschlossene Geschäft hat in keinem Falle Beweiskraft.
§. 1311. Wer sich der Vermittelung und Unterhandlung bey kaufmännischen Geschäften widmen will, muß dazu gehörig bestellt und vereidet seyn.
§. 1312. Ob die Bestellung von der Kaufmannschaft selbst, oder auf deren Vorschlag durch ihre Aeltesten, von der Obrigkeit geschehe, bestimmt eines jeden Orts Verfassung.
§. 1313. Wenn besondre Verfassungen keine Ausnahme machen: so müssen dazu jedesmal von der Kaufmannschaft wenigstens Zwey Subjekte in Vorschlag gebracht werden, von welchen die Obrigkeit Einen wählt.
§. 1314. Es soll aber in keinem Falle der Kaufmannschaft eine Person, zu welcher sie kein Vertrauen hat, zum Mäkler aufgedrungen werden.
§. 1315. Ein Mäkler muß von unbescholtnem Ruf, über Vier und zwanzig Jahr alt, und der Handlungsgeschäfte des Orts sattsam kundig seyn.
§. 1316. Boshafte und muthwillige Bankerutiers sollen nicht zu Mäklern genommen werden.
§. 1317. Von einem Wechselmäkler und Sensal wird außerdem erfordert, daß er sich eine genaue Kenntniß aller im Handel vorkommenden Münzsorten, ihrer Verhältnisse, der Ursachen des steigenden oder fallenden Curses, und des Wechselrechts, erworben habe.
§. 1318. Ein Waarenmäkler muß sich auf die Waaren selbst, ihre Kennzeichen, Eigenschaften, regelmäßige Länge, Breite oder Größe, ihre Güte, Fehler, und Verfälschungen, wohl verstehn.
§. 1319. Ein Schiffsmäkler muß in fremden Sprachen und im Rechnungswesen geübt seyn, auch die Bauart eines Schiffes, die Seerechte, ingleichen die Accise- und Zollgesetze hinreichend kennen.
§. 1320. Ob der Mäkler Caution, und wie hoch leisten müsse, bleibt dem Gutfinden der Kaufmannschaft des Orts überlassen.
§. 1321. Sind an einem Orte zum Waaren- und Wechselhandel eigne Mäkler bestellt: so muß jeder auf die ihm angewiesene Art von Geschäften sich einschränken.
Ausschließung der Mäkler von eignem Verkehr.
§. 1322. Kein Mäkler darf, mittel- oder unmittelbar, für eigne Rechnung Waarenhandlung oder Wechselgeschäfte treiben.
§. 1323. Eben so wenig ist einem Mäkler erlaubt, in Handlungsgesellschaften zu treten, oder sich Schiffsparten oder sonst, Antheil an dem Gewinne oder Gewerbe Andrer zu bedingen.
§. 1324. Es macht hiervon keine Ausnahme, wenn er gleich nur zu einer besondern Art von Geschäften als Mäkler angestellt seyn sollte.
§ 1325. Commissionen, Speditionen, oder Faktoreyen für auswärtige Kaufleute darf kein Mäkler übernehmen.
§. 1326. Auch auf Versicherungen, Bodmerey, und Bürgschaften für Kaufleute soll er sich nicht einlassen.
§. 1327. Desgleichen muß sich ein Mäkler des Treibens der Gastwirthschaft, Wein-, Kaffe-, Branntwein- und Bierschanks gänzlich enthalten.
§. 1328. Welcher Mäkler wider vorstehende Verordnungen §. 1322. sqq. handelt, der soll seines Amtes entsetzt, und mit willkührlicher Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 1329. Die von einem Mäkler wider das Verbot §. 1321. unternommenen Geschäfte sind null und nichtig; und er muß demjenigen, welcher dadurch ohne seine eigne Schuld Nachtheil erleidet, dafür gerecht werden.
§. 1330. Wenn ein Mäkler, bey öffentlichen Versteigerungen, oder sonst, Waaren ersteht, muß er auf Erfordern des Verkäufers, oder des Gerichts, seinen Committenten sogleich namhaft machen.
§. 1331. Kann er keinen Käufer anzeigen, der binnen Drey Tagen die Waaren empfängt, und die Bedingungen des Kaufes erfüllt: so sind die Waaren, auf Gefahr und Kosten des Mäklers, anderweit öffentlich zu verkaufen.
§. 1332. Bey langwierigen Krankheiten oder Reisen, kann sich ein Mäkler einen andern vereideten Mäkler zum Substituten wählen.
§. 1333. Ist ein solcher am Orte nicht vorhanden: so muß dazu ein der Kaufmannschaft annehmliches Subjekt ausgesucht, und der Obrigkeit zur Vereidung dargestellt werden.
§. 1334. Unerfordert darf sich kein Mäkler in Wechsel- oder Handlungsgeschäfte mischen, noch seine Dienste jemanden aufdringen.
§. 1335. Wechselmäkler müssen jedoch täglich die Börse, so wie auch die Banquiers und angesehensten Kaufleute im Hause besuchen, und sich von dem Zustande der Geschäfte, von deren Conjunkturen, und dem Steigen oder Fallen der Preise unterrichten.
§. 1336. Ist an dem Orte eine Bankodirektion: so sind sie gehalten, derselben an jedem Posttage die Curszettel gehörig einzuliefern.
§. 1337. Der Mäkler muß demjenigen, der seinen Dienst zuerst verlangt, allein dienen.
§. 1338. Er muß, bis zum Abschlusse des übernommenen Geschäftes, alle Anträge von sich ablehnen, woraus seiner Partey ein Nachtheil entstehen könnte.
§. 1339. Den Nutzen seiner Partey muß er durch erlaubte Mittel, mit Redlichkeit, Aufmerksamkeit; und Fleiß zu befördern suchen und für jeden durch ein mäßiges Versehen entstandenen Schaden haften.
§. 1340. Wegen besorglichen Nachtheils muß der Mäkler, auf erhaltene glaubwürdige Nachricht, die an ihn sich wendenden Interessenten unverzüglich warnen.
§. 1341. Doch muß er auch, bey Verlust seines Amtes, sich sorgfältig hüten, auf leere Gerüchte, oder gar aus gefährlichen Absichten, den Credit der Kaufleute zu schwächen, und ihnen das Vertrauen im Handel zu entziehen.
§. 1342. Beym Wechselhandel muß der Mäkler die Briefe bloß antragen, ohne ihre Güte zu beurtheilen, noch sie anzupreisen, oder zu verachten; auch wenn sie von der Hand gewiesen werden, ohne die Ursachen der Verweigerung erforschen zu wollen, oder die Partey zur Annahme zu überreden.
§. 1343. Schiffsmäkler sind, bey Verlust ihres Amtes, schuldig, innerhalb Vier Tagen nach der Ankunft eines jeden Schiffes, das Manifest der Ladung der Zoll- und Accisebehörde einzuliefern; auch daselbst binnen Vier Tagen nach der Entladung eines Schiffes, ein genaues Verzeichniß jedes Empfängers solcher Waaren, worüber die Conossemente an Ordre lauten, einzureichen.
§. 1344. Bey gleicher Strafe sind sie verbunden, keinem abgehenden Schiffer seine Connossemente und Schiffspapiere auszuhändigen, bevor nicht die Entrichtung der Zoll- und Accisegefälle, ingleichen der Hafen- und Pilotagegelder, gehörig nachgewiesen worden.
§. 1345. Von jedem abgehenden Schiffe müssen sie, innerhalb Vier Tagen nach dem Abgange, das Manifest bey der Zoll- und Accisebehörde einreichen.
§. 1346. Es steht ihnen frey, die Gefälle für das Schiff oder die Waaren selbst vorzuschießen; da sie denn, binnen Sechs Wochen vom Tage jedes geleisteten Vorschusses, alle die Rechte genießen, welche der öffentlichen Casse selbst wegen der vorgeschoßnen Gefälle zustehen würden.
§. 1347. Andere besondere Pflichten der Schiffsmäkler bestimmen die Hafen-Ordnungen jedes Orts.
§. 1348. Bey Assecuranz-Aufträgen ist ein Mäkler verbunden, dem Versicherer, bey Schließung des Contrakts, alle ihm bekannten, die Assecuranz betreffenden Nachrichten, aufrichtig anzuzeigen, und keine Assekuranz zu schließen, wenn er schon eine bedenkliche oder böse Nachricht darüber weiß, ohne sie in die Police zu setzen.
§. 1349. Jeder Mäkler muß die ihm anvertraueten Geheimnisse treulich bewahren; und soll, wenn er dieser Pflicht zuwider handelt, allen daraus entstehenden Schaden vertreten; im Wiederholungsfälle aber, noch außerdem, seines Dienstes entsetzt werden.
§. 1350. Jedoch darf kein Mäkler Schleichhandel und Beeinträchtigung landesherrlicher und öffentlicher Gefälle begünstigen, vielmehr muß er die Parteyen an die gesetzlichen Vorschriften erinnern, und vor deren Uebertretung ernstlich, warnen.
§. 1351. Ist diese Warnung fruchtlos: so muß er, bey eigner Verantwortung, wenn das Vergehen noch verhütet werden kann, gehörigen Orts schleunige Anzeige thun; und soll alsdann sein Name verschwiegen werden.
§. 1352. Auch muß kein Mäkler einen in den Gesetzen verbotenen Handel, Wechsel, oder andres kaufmännisches Geschäft schließen, noch dazu beyräthig oder behülflich seyn.
§. 1353. Thut er es dennoch: so soll er kassirt, und als Theilnehmer an der unerlaubten Handlung bestraft werden.
§. 1354. Eben dies findet statt, wenn einem an sich erlaubten Geschäfte verbotene Nebenabreden beygefügt werden.
§. 1355. Bey gleicher Strafe darf kein Mäkler zu unerlaubtem Vor- und Aufkaufe, oder sonst zur Steigerung des Preises der gemeinen Lebensbedürfnisse, sich gebrauchen lassen.
§. 1356. Wenn er einen Waarenhandel schließt, muß er von den verhandelten Waaren, auf Verlangen der Interessenten, eine von dem Verkäufer versiegelte Probe so lange behalten, und aufbewahren, bis die Waare geliefert, und von dem Käufer ohne Einwendung gegen ihre Qualität angenommen worden.
§. 1357. Eben dergleichen Probe muß er dem Käufer, auf dessen Verlangen, unter seinem eigenen Siegel zustellen; auch die bedungenen Preise und Lieferungstermine eigenhändig darauf bemerken.
§. 1358. Dergleichen Proben werden dem Käufer, bey der Lieferung, am Gewicht oder Maaße mit angerechnet.
§. 1359. Jeder Mäkler muß die von ihm geschloßnen Geschäfte, in Gegenwart der beyden schließenden Theile, in sein Taschen- oder Handbuch aufzeichnen, und hiernächst selbige in ein dazu bestimmtes paraphirtes Journal eintragen.
§. 1360. Diese Eintragung muß allemal an dem Tage, da das Geschäft geschlossen worden, oder längstens am folgenden Tage bewerkstelliget werden.
§. 1361. Sie muß dergestalt vollständig geschehen, daß daraus sowohl das Hauptgeschäft, als die dabey verabredeten Bedingungen zu entnehmen sind.
§. 1362. Insonderheit müssen auch Frachtschließungen, Bodmereyen, und Assekuranzen, in dies Journal eingetragen, und dabey alles vermerkt werden, was sonst zum wesentlichen Inhalt einer Chartepartie oder Police gehört.
§. 1363. Auch jüdische Mäkler müssen ihr Journal in deutscher Sprache führen.
§. 1364. Jedem Interessenten muß der Mäkler einen Auszug dieses Journals, so weit es das Geschäft betrifft, unter seiner Unterschrift, längstens am folgenden Tage, ohne besondere Bezahlung aushändigen.
§. 1365. Andern, welche an dem eingetragenen Geschäfte keinen Theil haben, darf er dergleichen Extrakt, ohne Einwilligung, wenigstens von Einem der Interessenten, oder ohne Verfügung des Richters, nicht verabfolgen.
§. 1366. Die im Journale des Mäklers, er sey Christ oder Jude, eingetragenen Vermerke machen, wenn deren Richtigkeit von ihm eidlich bestärkt worden, einen vollen Beweis.
§. 1367. Sind bey einem Geschäfte mehrere Mäkler gebraucht, und die darüber in ihren Journalen gemachten Vermerke in dem einen oder andern Punkte nicht übereinstimmend: so findet eben das statt, was §. 570. sqq. bey Handlungsbüchern verordnet worden.
§. 1368. Ist der Mäkler gestorben oder sein gegenwärtiger Aufenthalt unbekannt: so haben die in sein Journal eingetragenen Vermerke so viel Gewicht, als die Aussage eines vereideten glaubwürdigen Zeugen.
§. 1369. Es müssen daher die Bücher des Mäklers, wenn er stirbt, oder sein Amt niederlegt, versiegelt, und zur gerichtlichen Aufbewahrung abgeliefert werden.
§. 1370. Die Bücher eines Mäklers verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn derselbe wegen Betrügereyen seines Amts entsetzt worden.
§. 1371. Was die Glaubwürdigkeit der Handlungsbücher schwächt, hat eben die Wirkung auch bey den Büchern der Mäkler.
§. 1372. Erhellet aus den Büchern, daß ein Geschäft nicht binnen der §. 1360. vorgeschriebenen Zeit eingetragen worden: so hat der Vermerk, in Ansehung dieses Geschäfts, keinen Glauben.
§. 1373. Der Mäkler, welcher sich einer solchen verspäteten Eintragung schuldig gemacht hat, soll das erstemal mit einer willkührlichen Geldbuße belegt; bey der Wiederholung aber seines Amts entsetzt werden.
§. 1374. Doch kann der Richter sich der Vermerke auch in solchen Fällen (§. 1370. sqq.) zu Hülfsmitteln bedienen, um näher auf den Grund der Sache zu kommen.
§. 1375. Es müssen daher auch die Bücher eines kassirten Mäklers zur gerichtlichen Verwahrung abgeliefert werden.
§. 1376. In allen Fällen, da Mäklerjournale im Gerichte vorzulegen sind, müssen die Blätter, welche das streitige Geschäft nicht betreffen, versiegelt werden.
§. 1377. Müssen dergleichen Blätter entsiegelt werden, um bey bestrittener Glaubwürdigkeit des Journals zu untersuchen: ob selbiges vorschriftmäßig geführt sey: so ist eben so zu verfahren, als für den Fall, wenn ein Dokument mehrere auf den Prozeß keinen Bezug habende Stellen enthält, in der Prozeßordnung vorgeschrieben ist.
§. 1378. Ein von einem vereideten Mäkler attestirter Wechsel kann nicht eidlich diffitirt werden.
§. 1379. Die Gebühren der Mäkler sind, nach Unterschied der Geschäfte, jeden Orts bestimmt.
§. 1380. Wo dergleichen Bestimmungen fehlen, kann beym Waarenhandel nur Eins, bey Darlehnen und Versicherungen Ein Viertel vom Hundert; bey Geldwechselungen Eins vom Tausend; und beym Wechselhandel Zwey vom Tausend gefordert werden.
§. 1381. Wenn weder durch besondere Gesetze, noch durch Verabredungen der Parteyen, etwas festgesetzt ist: so hat der Mäkler seine Gebühren, bey dem Waarenhandel von dem Verkäufer, und bey Versicherungen von dem Versicherten allein, zu erhalten.
§. 1382. Bey andern Geschäften müssen ihm dieselben von jedem beyder Theile zur Hälfte entrichtet werden.
§. 1383. Hat jede Partey ihren besondern Mäkler: so erhält jeder Mäkler von seiner Partey die Hälfte des vorgeschriebenen Satzes.
§. 1384. Wer an Mäklerlohn mehr, als die erlaubten Sätze, fordert oder annimmt, soll zum erstenmale um den doppelten Betrag der rechtmäßigen Gebühren bestraft, und im Wiederholungsfalle seines Dienstes entsetzt werden.
Verbotener Verkehr und Strafe desselben.
§. 1385. Mehrere Mäkler sollen, bey nahmhafter Strafe, keine Gesellschaften unter sich errichten, und keine Theilungen des Verdienstes verabreden.
§. 1386. Wird ein Mäkler begangener oder begünstigter Betrügereyen überführt: so soll er den Schaden ersetzen, kassirt, und noch außerdem, nach Beschaffenheit des begangenen Verbrechens, und Vorschrift des Criminalrechts, bestraft werden.
Was bey Entlassung oder Dienstentsetzung der Mäkler zu beobachten.
§. 1387. Will ein Mäkler seinen Dienst niederlegen: so muß er die Entlassung bey der Obrigkeit suchen, welche ihn bestellt hat; damit sein Posten sogleich weder besetzt werden könne.
§. 1388. Die Dienstentsetzung, oder auch freywillige Abdankung eines Mäklers, soll an der Börse, und durch die Zeitungen und Intelligenzblätter der Provinz bekannt gemacht werden.
Eilfter Abschnitt. Von Rhedern, Schiffern, und Befrachtern
§. 1389. Jeder, welcher gültige Verträge schliessen kann, ist befugt. Frachtschiffe bauen und ausrüsten zu lassen.
§. 1390. Er muß jedoch zuvor die Erlaubniß der Obrigkeit dazu nachsuchen, und dahin sehen, daß bey dem Baue des Schiffes die wegen der Größe desselben, der Beschaffenheit der Materialien, der Regelmäßigkeit und Festigkeit des Baues, oder sonst ergangenen Vorschriften, genau befolgt werden.
§. 1391. Ist das Eine oder Andere versäumt: so muß die Obrigkeit, sobald sich gegen die Einrichtung des Baues, und ob selbiger vorschriftsmäßig geführt sey, ein erhebliches Bedenken findet, das Schiff auseinander nehmen, und die Materialien, für Rechnung des unbefugt Bauenden, an den Meistbietenden verkaufen lassen.
§. 1392. Kein Schiff soll zum Transport der Frachten gebraucht werden, wenn es nicht mit einem Atteste der Obrigkeit über den vorschriftsmäßigen Bau desselben (Bey-Brief) versehen ist.
§. 1393. Derjenige ist für den Eigenthümer des Schiffes zu halten, auf dessen Veranstaltung selbiges erbauet worden, wenn gleich die Materialien einem Dritten gehört haben.
§. 1394. Er muß aber, im letzten Falle, den Dritten nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 305. und 306. entschädigen.
§. 1395. Beym Verkaufe eines Schiffes finden die Grundsätze des Ersten Theils, Tit. XI. §. 12. sqq. statt.
§. 1396. Wenn nicht das Gegentheil ausdrücklich bedungen worden: so wird angenommen, daß die Uebergabe durch Vollziehung des Contrakts geschehen sey.
§. 1397. Welche Stücke als Zubehör eines Schiffes anzusehen sind, ist im Ersten Theile, Tit. II. §. 91. verordnet.
§. 1398. Auch das Boot wird als Zubehör des Schiffes betrachtet.
§. 1399. So oft ein Schiff verkauft, oder sonst von einem Eigenthümer auf den andern gebracht wird, soll ein ordentliches Inventarium aller darauf vorhandenen Geräthschaft aufgerichtet, und von beyden Theilen unterschrieben werden.
§. 1400. Ist kein solches Inventarium vorhanden: so werden nur diejenigen Stücke, welche im Contrakte ausdrücklich benannt, oder nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. II. §. 91. für Zubehör zu achten sind, für mitverkauft geachtet.
§. 1401. Befindet sich das Schiff zur Zeit des Verkaufs auf der Reise: so werden die Frachtgelder für diese Reise, bey dem Mangel besonderer Verabredungen, als ein Vorbehalt des Verkäufers angesehen.
§. 1402. Der Verkäufer eines Frachtschiffes ist schuldig, das Schiff frey in allen Häfen und Ströhmen zu gewähren. (Th. I. Tit. XI. §. 135. sqq.)
§. 1403. Wer von einem Boots- oder andern Schiffsmann einiges Schiffsgeräthe, als Tauwerk, Segel, Ruder, und dergleichen, ohne Vorwissen des Schiffers kauft, oder sonst an sich bringt, soll nicht allein selbiges ohne Entgelt wieder herausgeben, sondern auch überdies, gleich demjenigen, der von verdächtigen Personen gekauft hat, bestraft werden. (Tit. XX. Abschn. XIV.)
§. 1404. Bey Vermiethung eines ganzen Schiffes gelten die Grundsätze des Ersten Theils, Tit. XXI, §. 258. sqq.
§. 1405. Hat jemand ein Schiff auf den ganzen Sommer gemiethet: so läuft der Contrakt bis Martini.
§. 1406. Wird der Miether, ohne seine Schuld, durch Unglücksfälle genöthigt, über die bestimmte Zeit in See zu bleiben: so ist er zu keiner Erhöhung der Miethe verbunden.
§. 1407. Wegen Verpfändung der Schiffe und Schiffsgefäße treten die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX. §. 300. sqq. ein.
§. 1408. In jedem Falle, da ein Pfandrecht sich nur auf eine oder mehrere Schiffsparten erstreckt, sind die übrigen Mitrheder befugt, von dem Pfandgläubiger, gegen Bezahlung der Schuld, die Abtretung seiner Rechte zu fordern.
§. 1409. Weder ein zum Auslaufen fertiges und beladenes, noch ein im Laden begriffenes Schiff, kann wegen Schulden mit Arrest belegt werden.
§. 1410. Sind solche Umstände vorhanden, daß sonst nach Vorschrift der Prozeßordnung der Realarrest zuläßig seyn würde: so muß der Richter statt dessen dem Gläubiger, nach Anleitung des Ersten Theils Tit. XX. §. 303. sqq. ein vorläufiges Pfandrecht auf das Schiff bestellen, und den Schiffer als Sequester vereiden.
§. 1411. Eben dieses findet statt, wenn Waaren, welche sich schon über dem Bord des Hauptschiffes befinden, wegen Schulden mit Arrest belegt werden, und ist alsdann bey deren Verpfändung nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. XX. §. 374. sqq. zu verfahren.
§. 1412. Alsdann haftet demjenigen, welcher den Arrest ausgebracht hat, das Schiff oder die Waare bis zum Betrage desjenigen, was er demnächst an Capital, Zinsen und Kosten rechtskräftig erstreitet.
§. 1413. Ist das Schiff oder die Waare entweder gar nicht, oder nicht bis zum vollen zu bestimmenden Werthe versichert: so kann der Arrestleger die Versicherung ergänzen.
§. 1414. Er muß zwar alsdann die Prämie vorschiessen; kann aber diesen Vorschuß, nach rechtskräftig erstrittener Hauptforderung, unter den übrigen vermöge §. 1412. ihm zukommenden Erstattungen zurückfordern.
§. 1415. Wenn ein Schiff segelfertig liegt: so kann kein Schiffsmann wegen Schulden oder andrer bürgerlichen Ansprüche, ohne Genehmigung des Schiffers daraus genommen, und zur persönlichen Haft gebracht werden.
§. 1416. Wird aber dem Schiffer sofort ein anderer tüchtiger und annehmlicher Schiffsmann für dieselbige Heuer gestellt: so muß er sich den Arrest gefallen lassen.
§. 1417. Dagegen kann in jedem Falle der Gläubiger eines Schiffsmannes desselben bewegliche Sachen und Effekten, in sofern selbige nicht zur Fortsetzung der Reise unentbehrlich sind, in Beschlag nehmen lassen.
§. 1418. Auch auf die rückständige Heuer kann bis zur Hälfte Arrest angelegt werden; nicht aber auf die künftige Heuer.
§. 1419. Wird ein Arrest auf Schiff oder Ladung nicht wegen Schulden, sondern wegen Eigenthumsansprüche, oder aus andern Gründen angelegt: so treten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Arresten ein.
§. 1420. Wer unter dem Schutze des Staats, den Transport der Frachten mit Seeschiffen als Hauptgeschäft treibt, wird Schiffsrheder genannt.
§. 1421. Wer Rhederey treiben könne, muß nach den Gesetzen und Verfassungen jedes Orts beurtheilt werden.
§. 1422. Wo diese keine deutliche Entscheidung enthalten, findet eben das statt, was im Siebenten Abschnitte §. 476. sqq. von der Befugniß, Kaufmannschaft zu treiben, verordnet worden.
§. 1423. Wer die Rechte eines Kaufmanns gehörig erlangt hat, ist dadurch in der Regel zur Rhederey befugt.
§. 1424. Die Rheder sind verbunden, ihr Schiff mit tüchtigen Beyl-, See- und Kaufbriefen und Pässen zu versehen; widrigenfalls sie, wenn wegen Mangels derselben, dem Schiffer und Volke, oder andern Interessenten, Schaden entsteht, dafür verhaftet sind.
§. 1425. Die Schiffspässe und Beylbriefe, desgleichen die in Seesachen gewöhnlichen Protestationen, Verklärungen der Schiffsleute, oder andere dergleichen öffentliche und gerichtliche Instrumente, welche in hiesigen Landen aufgenommen werden, sollen von keiner Kraft seyn, wenn sie nicht bey der Königlichen Admiralität, oder bey der Licent-Cammer, oder wohin sonst an jeden Ort die Schiffs- und Seesachen gewiesen sind, in glaubwürdiger Form ausgefertigt worden.
Verhältniß der Rheder unter sich.
§. 1426. Mehrere Rheder stehen unter einander in eben dem Verhältnisse, als die Interessenten einer auf bestimmte Geschäfte gerichteten Gesellschaft. (Th. I. Tit. XVII. §. 186. sqq.)
§. 1427. Die Vertheilung des Gewinns und Verlustes geschieht, bey dem Mangel besondrer Abreden, nach Verhältniß der Schiffsparten.
§. 1428. Darnach werden auch die Stimmen berechnet, wenn über gemeinschaftliche Angelegenheiten ein Schluß abgefaßt werden soll. (Th. I. Tit. XVII. §. 12. sqq.)
§. 1429. Ist jedoch von einer Ausbesserung des Schiffs die Rede, welche der Schiffer und ein vereideter Schiffsbaumeister nothwendig finden: so muß damit, ohne Rücksicht auf die Mehrheit der Stimmen verfahren werden.
§. 1430. Will der größere Theil der Rheder sich dieses nicht gefallen lassen: so steht denselben frey auf den öffentlichen Verkauf des Schiffes anzutragen.
§. 1431. Ein von den Rhedern zur Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Interesse bestellter Schiffs-Direktor, hat alle Rechte und Pflichten eines Handlungsfaktors oder Disponenten. (§. 497. sqq.)
§. 1432. Ist die Bestellung eines solchen Schiffs-Direktors von sämmtlichen Rhedern dem Schwer bekannt gemacht worden: so ist dieser schuldig, so lange bis sämmtliche Rheder ihm andere gemessene Anweisungen ertheilen, den Verfügungen desselben allein Folge zu leisten.
Vom Austritte aus der Rhederey.
§. 1433. So lange ein Schiff auf der Fahrt begriffen ist, kann keiner der Interessenten die Aufhebung der Gesellschaft verlangen.
§. 1434. Wird jedoch über das Vermögen eines Rheders Concurs eröffnet: so sind die übrigen Mitrheder sogleich befugt, sich nach näherer Vorschrift der Concursordnung, mit seiner Creditmasse aus einander zu setzen.
§. 1435. Eben dies findet statt, wenn der Fall eintritt, daß ein Mitrheder von den übrigen ausgeschlossen werden kann. (Th. I. Tit. XVII. §. 273. 274.)
§. 1436. Nach Endigung einer Fahrt steht einem jeden frey, auf den öffentlichen Verkauf des Schiffes anzutragen, wenn der Contrakt nicht das Gegentheil einhält.
Vom Vorkaufs- und Rückforderungsrechte.
§. 1437. Will ein einzelner Rheder nur seine Schiffspart verkaufen: so steht den Mitgliedern ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. (Th. I. Tit. XX. §. 573.)
§. 1438. Sie müssen sich aber, bey Verlust ihres Rechts, binnen Drey Tagen, nachdem ihnen die gehörige Bekanntmachung geschehen ist, erklären: ob sie den Vorkauf ausüben wollen, oder nicht. (Th. I. Tit. XX. §. 610. sqq.)
§. 1439. Haben die Rheder einen Schiffsdirektor bestellt: so ist es hinreichend, wenn die Bekanntmachung nur an diesen geschieht; und die Mitrheder verlieren durch seine Versäumniß ihr Vorkaufsrecht.
§. 1440. Ist der Verkauf ohne gehörige Bekanntmachung, oder vor Ablauf der dreytägigen Frist geschehen: so stehet den Mitrhedern das Rückforderungsrecht binnen Vier Wochen zu. (Th. I. Tit. XX. §. 631. sqq.)
§. 1441. Wollen mehrere Mitrheder zur Ausübung des Vorkaufs- oder Näherrechts gelassen seyn: so hat derjenige den Vorzug, welcher sich dazu bey dem gehörigen Gerichte zuerst gemeldet hat.
§. 1442. Haben sich mehrere zugleich gemeldet: so steht dem bisherigen Besitzer die Wahl frey, mit welchem unter ihnen er sich einlassen wolle. (Erster Theil, Tit. XVII. §. 62.)
§. 1443. Ein Mitrheder, welcher zugleich zum Schiffer bestellt worden, erlangt dadurch, weder in Ansehung des Vorkaufs, noch sonst, ein besonderes Vorrecht vor den übrigen Rhedern; und wird in allem, was die Führung des Schiffes betrifft, nur einem andern Schiffer gleich geachtet.
§. 1444. Es macht dabey keinen Unterschied, wenn er auch die Führung des Schiffes, bey seinem Eintritte in die Rhederey, sich zur besondern Bedingung gemacht hätte.
Verhältnis zwischen Rhedern und Schiffern.
§. 1445. Derjenige, welchem die Aufsicht und Fuhrung des ganzen Schiffs von den Rhedern übertragen ist, wird, ohne Rücksicht auf den ihm etwa beygelegten besondern Namen, als Schiffer betrachtet.
§. 1446. Es soll niemand in hiesigen Landen zum Schiffer angenommen werden, der nicht zuvor von dem Schiffer-Alten mit Zuziehung eines geschickten Mathematikers geprüft, und mit einem Atteste versehen worden: daß er in der Steuermannskunst erfahren sey; durch Reisen schon die nöthigen Land- und Revierkenntnisse erlangt habe; den Schiffbau verstehe; auch in den Seerechten und Gebräuchen hinreichend bewandert sey.
§. 1447. Die Rheder müssen bey eigner Vertretung keinen zum Schiffer bestellen oder behalten, der die Schifffahrt nicht versteht, oder solche grobe Fehler an sich hat, die ihn zur Wahrnehmung seiner Pflichten untüchtig machen. (Th. I. Tit. VI. §. 62. sqq.)
§. 1448. Auch dürfen sie einen Schiffer, der bereits ein Schiff geführt hat, nicht eher annehmen, als bis die geschehene Entlassung aus seinem vorigen Dienste gehörig nachgewiesen ist.
§. 1449. Das Verhältniß zwischen Rhedern und Schiffern ist, im Allgemeinen, nach den Gesetzen von Verträgen über Handlungen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XI. Abschn. VIII.)
§. 1450. Zu Verhütung alles Streites muß mit dem Schiffer, wegen der Heuer und anderer Conditionen, ein schriftlicher Contrakt geschlossen werden.
§. 1451. Unter Abwesenden vertritt die zwischen den Schiffern und den Rhedern, oder deren Bevollmächtigten, gepflogene Correspondenz die Stelle des Contrakts.
§. 1452. So weit aus dieser ein Anderes nicht erhellet, wird angenommen, daß der neue Schiffer in den Contrakt des vorigen getreten sey.
§. 1453. Bey dem Mangel eines schriftlichen Contraktes finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. V. §. 155. sqq. Anwendung; und in so weit es dabey auf eine mündliche Abrede ankommt, wird der Schiffer zu deren eidlichen Bestärkung gelassen.
§. 1454. Hat sich jemand zum Schiffer annehmen lassen, der die zur Schifffahrt nöthigen Kenntnisse nicht besitzt: so sind die Rheder an den geschlossenen Contrakt nicht gebunden.
§. 1455. Vielmehr soll dergleichen Schiffer zur Rückgabe alles Empfangenen, und zum Ersatze des verursachten Schadens, durch rechtliches Erkenntniß angehalten, auch noch überdies mit willkührlicher Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 1456. Finden, außer diesem Falle, die Rheder nöthig, den Schiffer vor Ablauf der im Contrakte bestimmten Zeit zu entlassen: so ist derselbe zwar schuldig, sobald ihm diese Entschließung der Rheder bekannt wird, sich aller Verfügungen über das Schiff zu enthalten.
§. 1457. Wird aber hiernächst ausgemittelt, daß die Rheder den Schiffer ohne genugsam erhebliche Ursache zu frühzeitig entlassen haben: so müssen sie denselben vollkommen schadlos halten; und es soll ihm auf Kosten der Rheder ein gerichtliches Attest über seine Unschuld ertheilt werden.
Pflichten des Schiffers gegen die Rheder überhaupt.
§. 1458. Sobald dem Schiffer das Schiff übergeben ist, muß er die Beschaffenheit desselben und der Schiffsgeräthe genau untersuchen, die daran entdeckten Mängel den Rhedern anzeigen, und wenn sie nicht am Orte gegenwärtig sind, deren schleunige Abhelfung besorgen.
§. 1459. Wird von den am Orte gegenwärtigen Rhedern die nöthige Ausbesserung entweder gar nicht, oder nicht hinreichend vorgenommen: so muß er der Admiralität oder Licentcammer, oder wohin sonst jedes Orts die Schiffs- und Seesachen gewiesen sind, davon schleunige Anzeige thun.
§. 1460. Unterläßt er das Eine oder Andere: so wird er für allen dadurch entstehenden Schaden mit verhaftet.
§. 1461. Der Schiffer ist schuldig, der Rheder Vortheil in allen Schiffsgeschäften möglichst zu befördern, und allen besorglichen Nachtheil nach seinen Kräften abzuwenden.
§. 1462. Dabey muß er die Versehen vertreten, die ein vorsichtiger und erfahrner Schiffer sich nicht würde zu Schulden kommen lassen.
§. 1463. Bey wichtigen und bedenklichen Fällen, da Schiff, Ladung, und Menschen in Gefahr stehen, sowohl im Hafen, als auf der See, muß er mit seinen Schiffsleuten Seemannschaft oder Schiffsrath halten.
§. 1464. Es ist jedoch zur Deckung des Schiffers hinreichend, wenn zu einem solchen Schiffsrathe nur der Steuermann, Hochbootsmann, und Zimmermann gezogen werden.
§. 1465. Fehlt einer von diesen: so muß der Schiffer an dessen Stelle wenigstens einen andern erfahrnen Schiffsmann zuziehen.
§. 1466. An die Meinung des Schiffsraths ist der Schiffer zwar nicht gebunden; wenn er aber demselben ohne erhebliche von ihm klar zu erweisende Gründe zuwider handelt: so macht er sich wegen des daraus entstehenden Schadens verantwortlich.
§. 1467. Der Schiffer darf das Schiff, vor beendigter Reise, ohne der Rheder Einwilligung, unter keinem Vorwande verlassen.
§. 1468. Selbst in dem Falle, wenn der Schiffer nur auf eine bestimmte Zeit gedungen worden, und die Reise binnen dieser Frist nicht geendigt werden kann, muß er dennoch das Schiff an den Ort seiner Bestimmung abliefern.
§. 1469. Wird der Schiffer durch Krankheit oder andern Zufall verhindert, die Reise fortzusetzen: so muß er den Rhedern, oder deren Bevollmächtigten, davon Nachricht geben, und ihre Verfügung abwarten.
§. 1470. Kann die Fortsetzung der Reise bis zum Eingang dieser Verfügung nicht verschoben werden: so ist er berechtigt, einem andern an seiner Stelle die Führung des Schiffes aufzutragen.
§. 1471. Für die Handlungen eines in solchem Falle bestellten Substituten haftet er nur in so fern, als er bey der Auswahl desselben ein mäßiges Versehen begangen hat.
§. 1472. Ehe ein Schiffer Ladung einnimmt, muß er, allenfalls mit Zuziehung der nöthigen Sachverständigen, das Schiff genau untersuchen, und sich hinreichende Gewißheit verschaffen, daß selbiges zu der vorhabenden Reise tüchtig und genugsam ausgerüstet sey.
§. 1473. Finden sich bey dieser Untersuchung Mängel am Schiffe, oder an der Ausrüstung: so muß der Schiffer nach Vorschrift des §. 1458. 1459. verfahren.
§. 1474. Wird ausgemittelt, daß ein Schiffer Ladung eingenommen habe, obgleich das Schiff nicht tüchtig und genugsam ausgerüstet gewesen: so soll er sowohl den Rhedern und Befrachtern, als den Versicherern, für allen Schaden haften; und außerdem, wegen der durch diese seine Fahrläßigkeit irgend jemanden an Leben, Leib oder Vermögen zugestoßenen Verletzungen, nach Vorschrift des Criminalrechts bestraft werden.
§. 1475. Für die gehörige Beladung des Schiffes muß der Schiffer vorzügliche Sorgfalt anwenden; und besonders darauf sehen: daß das Schiff nicht zu leicht geladen, sondern allenfalls mit dem nöthigen Ballaste versehen, auch weder im Grunde, noch oben, noch auf Einer Seite zu sehr belastet werde, sondern eine bequeme Fahrt habe.
§. 1476. Er muß ferner leckende Güter nicht auf trockene stauen; keine schwache Packlage unterlegen; und die Güter gut garniren.
§. 1477. Nimmt er eine lose Ladung ein, oder fährt er mit Ballast: so soll er in der Mitte ein tüchtiges Schloß machen, damit die Ladung nicht übergehen könne.
§. 1478. Auch muß er die Ladung feste stauen, und sie gehörig mit Holz unterschlagen.
§. 1479. Bedient er sich bey dem Stauen der Schrauben oder Wagewinden: so muß er Bretter vor die Schraube, oder Holz zwischen die Klau legen, damit er nicht die Packlage verderbe.
§. 1480. Sind diese Vorschriften (§. 1475 bis 1479.) von ihm oder seinem Volke verabsäumt worden: so haftet er für allen Schaden.
§. 1481. An solchen Orten, wo verordnete Stauer sind, muß er dahin sehen, daß diese keinen Fehler an der Stauung begehen; und wenn sie sich nicht abhalten lassen wollen, dagegen Protest aufnehmen lassen.
§. 1482. Hat er dies verabsäumt: so soll ihm die Entschuldigung, daß der Fehler durch die Stauer veranlaßt sey, nicht zu statten kommen.
§. 1483. Die Ueberladung des Schiffes muß der Schiffer mit gleicher Sorgfalt vermeiden, und kann, bey dadurch entstehendem Schaden, sich mit dem Verlangen der Befrachter oder Spediteurs gegen die Vertretung nicht schützen.
§. 1484. In allen Fällen, wenn auch kein Schade geschehen ist, muß der Schiffer den doppelten Betrag der bedungenen Fracht, für jede zu viel eingenommene Last, zur Schiffer-Armencasse als Strafe entrichten.
§. 1485. Ein Schiffer, der von einem unbekannten oder unsicheren Befrachter Güter an Bord nimmt, deren Qualität er nicht genau kennt, haftet für den Schaden, welcher aus der verborgenen Qualität entsteht.
§. 1486. Eben dieses findet statt, wenn er, ohne der Rheder und Befrachter Einwilligung, Contrebande, oder andere dergleichen Güter ladet, welche das ganze Schiff und die übrige Ladung in Gefahr setzen.
§. 1487. Ferner, wenn er in Kriegeszeiten Güter einnimmt, deren äußere Beschaffenheit eine unrichtige Angabe des Befrachters vermuthen läßt.
§. 1488. Der Schiffer darf nach beendigter Ladung nicht ohne Noth vom Schiffe gehn, vielweniger auf dem Lande übernachten.
§. 1489. Wird er durch vorfallende Umstände dazu genöthigt, so muß er die Aufsicht über das Schiff während seiner Abwesenheit dem Steuermanne auftragen.
§. 1490. Schiffer und Steuermann dürfen sich also niemals zu gleicher Zeit vom Schiffe entfernen.
§. 1491. Der Schiffer darf ohne Noth den ihm vorgeschriebenen Curs nicht ändern, noch in andere als die ihm bestimmte Häfen einlaufen; widrigenfalls er den Rhedern und Befrachtern für allen daraus entstehenden Schaden haftet.
§. 1492. Ist ihm kein Curs vorgeschrieben: so muß er den nächsten und sichersten Weg zum Orte seiner Bestimmung nehmen.
§. 1493. Wird er durch Nothfälle den Curs zu ändern, oder einen andern Hafen zu suchen veranlaßt: so muß er den Rhedern baldmöglichst davon Nachricht geben.
§. 1494. Segelt der Schiffer unter Convoy, oder errichteter Admiralschaft: so muß er dieselbe nicht vorsätzlich brechen, noch sich von den übrigen Schiffen ohne Noth entfernen.
§. 1495. Hat er diesem zuwider gehandelt: so haftet er den Rhedern und Befrachtern wegen eines jeden Verlustes, der durch Haltung der Admiralschaft wäre vermieden worden; so wie den übrigen Schiffen wegen seines etwanigen Kostenbeytrages.
§. 1496. Jeder Schiffer ist bey eigner Vertretung schuldig, er mag unter Segel oder vor Anker seyn, die Schiffsleuchte bey Nacht aufzustecken; auch wenn er vor Anker liegt, über demselben den sogenannten Wächter befestigen, und schwimmen zu lassen.
§. 1497. Außer dem höchsten Nothfalle muß er, bey gleicher Verantwortung, nicht ohne die dazu bestellten Piloten oder Lootsen ein- und ausseegeln; dem Piloten im Ein- und Ausbringen des Schiffes das Commando lediglich überlassen; auch sein Schiffsvolk anhalten, demselben in allen Stücken, besonders bey Regierung des Ruders und der Segel, genau zu folgen.
Bey der Einlaufung in einen Hafen.
§. 1498. Läuft er nach der Abfahrt vom Ladungsplatze in einen Hafen ein, wo ein ihm bekannt gemachter Bevollmächtigter der Rheder sich befindet: so muß er sich bey diesem unverzüglich melden, und ohne Vorwissen und Einwilligung desselben nichts von Erheblichkeit unternehmen.
Bey Aufnehmung der nöthigen Gelder.
§. 1499. Ist der Schiffer an einem fremden Orte, wo keine Bevollmächtigte der Rheder sich befinden, Gelder zur Fortsetzung der Reise aufzunehmen genöthigt: so muß er dieselben darlehnsweise auf die möglichst bestehenden Bedingungen zu erhalten suchen.
§. 1500. Kann er dergleichen Darlehn nicht aufbringen: so muß er sich die benöthigten Gelder auf Bodmerey zu verschaffen bemüht seyn.
§. 1501. Findet weder das eine noch das andere statt: so steht ihm frey, von den geladenen Waaren, oder von den entbehrlichen Schiffsgeräthschaften, so viel als zur Bestreitung solcher Ausgaben unumgänglich nothwendig ist, zu verpfänden, oder zu veräußern.
§. 1502. Er muß aber in allen vorstehenden Fällen (§. 1499. 1500. 1501.) die Umstände, welche ihn in Verlegenheit setzen, dem Seegerichte des Orts, wo er vor Anker liegt, anzeigen; dieselben, nebst dem Steuermanne und zweyen Schiffsleuten, eidlich erhärten; und ein Instrument darüber errichten lassen.
§. 1503. Vernachläßigt er diese Vorschrift: so muß er wenn demnächst die Rheder oder Befrachter die Notwendigkeit des Darlehns oder der Veräußerung nicht anerkennen wollen, dieselbe vollständig erweisen; und soll zum Erfüllungseide darüber nicht gelassen werden.
Wegen der Correspondenz mit den Rhedern.
§. 1504. Der Schiffer ist schuldig, die Rheder, so viel als möglich, von allen auf der Reise sich ereignenden erheblichen Vorfällen zu benachrichtigen.
§. 1505. Insonderheit muß er ihnen die Ankunft und Abreise, Frachtschließung über Waaren und Personen, Ablieferung der Fracht und Frachtgelder, das Einlaufen in einen Nothhafen, u. d. m. bey erster Gelegenheit melden.
§. 1506. Außerdem muß er ein richtiges und vollständiges Tagebuch über die ganze Reise entweder selbst führen, oder durch den Steuermann führen lassen.
§. 1507. In diesem Tagebuche müssen alle merkwürdige, vor, während, und nach der Reise sich ereignete Vorfälle verzeichnet werden.
§. 1508. Besonders gehören dahin die bedungene Fracht; die Annahme oder Abdankung des Volkes; der Empfang und die Ablieferung der Waaren; die Abfertigung bey den Zöllen und Licenten; die während der Reise vorgefallenen Veränderungen des Windes und Wetters, und dergleichen.
§. 1509. Auch die während der Reise sich auf dem Schiffe ereigneten Todesfälle, ingleichen die vorgefallene Beschädigungen an Schiff oder Ladung, müssen in das Tagebuch genau eingetragen werden.
§. 1510. Der Schiffer und Steuermann müssen dieses Journal dergestalt getreulich führen, daß sie die Richtigkeit desselben auf Erfordern eidlich bestärken können.
§. 1511. Sie müssen dasselbe innerhalb Vier und zwanzig Stunden nach ihrer Ankunft dem Seegerichte des Loosungsplatzes, wenn aber die Beschaffenheit der Gewässer eine frühere Brechung der Ladung nothwendig macht, dem Gerichte des Vorhafens im Original übergeben.
§. 1512. Ist das Tagebuch nicht gehalten, oder nicht gehörig fortgeführt worden: so sollen der Schiffer und Steuermann, außer der Verhaftung für allen daraus entstehenden Schaden, wenn der Fehler aus bloßer Nachläßigkeit entstanden ist, den Vierten Theil der verdienten Heuer zur Strafe entrichten; bey ausgemitteltem bösen Vorsatze aber als Verfälscher bestraft werden.
§. 1513. Außerdem muß der Schiffer eine jede seiner Angaben, worauf er für sich einen Anspruch oder Verteidigung gründen will, durch andre rechtliche Beweismittel vollständig darthun; und kann darüber zum Erfüllungseide nicht gelassen werden.
§. 1514. Der Schiffer muß an der mit den Rhedern bedungenen Heuer sich begnügen, und darf ohne deren Genehmigung keine Waaren für eigne Rechnung, weder in dem Räume, noch auf der Decke, noch in den Kellern, auch nicht in der Cajüte mitnehmen.
§. 1515. Handelt er diesem Verbote zuwider: so soll er den Vierten Theil des Werths der mitgenommenen Waare den Rhedern zur Strafe entrichten.
§. 1516. Ist aber der Schiffer zugleich Mitrheder, oder hat er für einen der Rheder, ohne die Fracht zu bedingen, Waaren einladen lassen: so muß er den mittlern Satz des zu derselben Zeit am Ladungsplatze gewöhnlichen Frachtlohnes bezahlen.
§. 1517. Ferner muß er, bey Annehmung der Fracht, vornehmlich seiner Rheder Nutzen zu befördern suchen, und um der Kaplaken, Schreibegeldes, oder andres eigenen Vortheils willen, keine gute Fracht ausschlagen.
§. 1518. Auch darf er an Kaplaken, Schreibegeld, oder sonst, wenn ihm dergleichen Vortheile von den Rhedern zugestanden worden, nicht mehr als den Dreyßigsten Theil der Fracht nehmen, widrigenfalls er den doppelten Betrag des ganzen erhaltenen Kaplakens, Schreibegeldes, oder andern Vortheils, der Schiffer-Armencasse zur Strafe erlegen soll.
§. 1519. Bey Endigung jeder Reise muß der Schiffer den Rhedern genaue Rechnung ablegen, auch während derselben, so oft es von den Rhedern, oder demjenigen, welchem sie dazu Auftrag ertheilt haben, verlangt wird, Auskunft über die vorgefallenen Einnahmen und Ausgaben ertheilen.
§. 1520. Hat ein Schiffer von der Fracht oder Schiffsprovision etwas unterschlagen: so soll er zum doppelten Ersatze angehalten, und außerdem als ein Betrüger gestraft werden.
§. 1521. Eben dies findet statt, wenn der Schiffer, zum Nachtheile der Rheder oder Versicherer, mit den Schiffshandwerkern und Lieferanten sich einversteht.
Verpflichtung der Rheder durch die Handlungen des Schiffers.
§. 1522. Zum Verkaufe des ganzen Schiffes aus freyer Hand, ist der Schiffer ohne ausdrückliche Einwilligung der Rheder, oder ihrer Bevollmächtigten, nicht befugt.
§. 1523. Sollten besondre Umstände den schleunigen Verkauf desselben nothwendig oder für die Rheder nützlich machen: so muß der Schiffer diese Umstände den Gerichten des Orts anzeigen, eine Taxe durch vereidete Sachverständige aufnehmen lassen, und den Verkauf durch öffentliche Licitation veranstalten.
§. 1524. Unterläßt er dies: so muß er den Werth des Schiffes zur Zeit der Abfahrt bezahlen, wenn er nicht die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit des vorgenommenen Verkaufes vollständig darthun kann.
§. 1525. Durch andre von dem Schiffer, während der Reise, wegen des ihm untergebenen Schiffes eingegangene Verbindlichkeiten, werden die Rheder eben so, als ein Handlungseigenthümer durch die Unternehmungen seines Faktors oder Disponenten verhaftet. (§. 497. sqq.)
§. 1526. Gegen diese Verbindlichkeiten können die Rheder durch den Vorwand, daß der Schiffer die ihm ertheilte Vollmacht überschritten habe, sich nicht schützen.
§. 1527. Auch werden die Rheder von dieser Vertretung nicht frey, wenn gleich der Schiffer selbst das ganze Schiff gemiethet haben sollte.
§. 1528. Den durch die Schuld des Schiffers oder der Schiffsleute an der Ladung oder den Reisenden verursachten Schaden, müssen die Rheder in so weit vertreten, als der Beschädiger selbst zum Ersatze unvermögend ist.
§. 1529. Doch können die Rheder von diesen durch die Handlungen des Schiffers ihnen zur Last fallenden Verbindlichkeiten, mittelst Abtretung ihrer Schiffsparte, und aller während der Reise davon gehabten Vortheile, sich befreyen.
§. 1530. Ist das Schiff versichert gewesen: so müssen den Gläubigern auch die Rechte gegen den Versicherer abgetreten werden.
§. 1531. Haben die Rheder nach Endigung der Reise, während welcher eine solche ihnen bekannt gewordene Forderung entstanden ist, das Schiff aufs neue in See gehn lassen: so können sie sich durch Abtretung ihrer Schiffsparte nicht mehr davon losmachen; sondern haften auch mit ihrem übrigen Vermögen.
§. 1532. Für die Vergehungen des Schiffers sind die Rheder nur so, als ein Prinzipal für die Vergehungen seines Faktors verhaftet. (§. 515. sqq.)
§. 1533. Es findet aber auch alsdann die Abtretung des Schiffes nicht statt.
III. Verhältniß zwischen dem Schiffer und Schiffsvolke. Annehmung des Schiffsvolkes.
§. 1534. Das Schiffsvolk steht gegen den Schiffer in eben dem Verhältnisse, wie das Gesinde gegen seine Dienstherrschaft. (Th. II. Tit. V.)
§. 1535. Der Schiffer ist schuldig, ehe er in See geht, mit dem Volke einen schriftlichen Verdung, oder sogenannte Musterrolle zu errichten.
§. 1536. Die Heuer des Volkes kann entweder monathweise, oder für die Reise überhaupt in Pausch und Bogen, bedungen werden.
§. 1537. Dadurch, daß der Verdung monathweise geschehen ist, wird keiner von beyden Theilen berechtigt, vor beendigter Losung von dem Contrakte einseitig abzugehn.
§. 1538. Muß, wegen Kürze der Zeit, ein oder andrer Schiffsmann ohne vorher errichteten schriftlichen Contrakt angenommen werden: so ist die Heuer nach Verhältniß derjenigen zu bestimmen, die der Schiffer selbst von den Rhedern empfängt.
§. 1539. Ein Steuer- und Schiffszimmermann erhalten alsdann jeder Zwey Drittel; ein Koch und Hochbootsmann jeder die Hälfte; ein Matrose Ein Drittel; und ein Schiffsjunge Ein Sechstel so viel, als dem Schiffer von den Rhedern ausgesetzt ist.
§. 1540. Ein Schiffsmann, der sich an zwey Schüler zugleich verheuert, soll die Hälfte der vom letzten versprochenen Heuer als Strafe, zum Besten der See-Armen, entrichten.
§. 1541. Auf gleiche Art ist der Schiffer zu bestrafen, der einen schon von einem Andern gemietheten Schiffsmann, ungeachtet ihm solches bekannt ist, in Dienste nimmt.
§. 1542. Ein Schiffsmann, der mit der empfangenen Heuer entläuft, oder sich verborgen hält, um dem übernommenen Dienste sich zu entziehn, soll als ein Dieb angesehen und bestraft werden.
§. 1543. Wer sich für einen Steuermann, Zimmermann, oder andern Schiffs-Officianten verheuert, nachgehends aber untüchtig dazu befunden wird gegen den finden die Vorschriften §. 1454. 1455. Anwendung.
§. 1544. Ein Matrose, oder andrer gemeiner Schiffsmann aber, der auf der Reise untüchtig befunden wird, soll seiner noch rückständigen Heuer verlustig seyn, und mit einer nach Beschaffenheit der Umstände zu bestimmenden willkührlichen Leibesstrafe belegt werden.
§. 1545. Muß ein Schiffsmann vor vollendeter Reise entlassen werden, weil er sich zum Dienste untüchtig gemacht hat; oder weil er mit einer venerischen Krankheit behaftet ist: so kann er nicht mehr an Lohn fordern, als er bis dahin wirklich verdient hat.
§. 1546. Sollte ein Schiffsmann vor vollendeter Reise eigenmächtig aus dem Dienste treten: so kann er zu dessen Fortsetzung durch Zwangsmittel angehalten werden.
§. 1547. Will der Schiffer einen ausgetretnen Schiffsmann nicht wieder annehmen: so muß der letztere alles Empfangene an Handgeld und Heuer zurück geben; auch wegen seines Unfugs, mit einer nach Bewandniß der Umstände zu bestimmenden Leibesstrafe belegt werden.
§. 1548. Findet ein Steuer- oder andrer Schiffsmann Gelegenheit, selbst als Schiffer angesetzt zu werden: so muß ihn sein bisheriger Schiffer, auch noch vor vollendeter Reise, des Dienstes entlassen.
§. 1549. Der Abgehende ist aber alsdann schuldig, einen andern tüchtigen Mann an seine Statt zu stellen, und sich mit demselben wegen des Soldes ohne des Schiffers Schaden zu vereinigen.
§. 1550. So lange dieses nicht geschehen ist, muß auch ein solcher Schiffsmann seinen bisherigen Dienst nothwendig fortsetzen.
§. 1551. Eben dies findet statt, wenn ein Steuer- oder anderer Schiffsmann vor der Abreise Gelegenheit erhält, sich zu verheirathen; und er diese Gelegenheit durch seine Reise zu verabsäumen Gefahr läuft.
b) durch Zuthun des Schiffers;
§. 1552. Verabschiedet der Schiffer einen Schiffsmann ohne rechtlichen Grund, noch vor dem Antritte der Reise: so muß er demselben wenn in Pausch und Bogen gedungen worden, die halbe Heuer, und wenn Monathsweise gedungen ist, einen doppelten Monathssold entrichten.
§. 1553. Geschieht aber die Verabschiedung während der Reise: so gebührt dem Verabschiedeten, außer den Retourkosten, nach Verschiedenheit des Verdungs, die ganze Heuer, oder ein Viermonatlicher Sold.
§. 1554. Muß ein Schiffsmann, noch vor angetretener Reise, wegen eines Zufalls abgedankt werden, der ihn ohne seine Schuld zum Dienste untauglich macht: so kann er, nach Verschiedenheit des Verdungs, den Vierten Theil der Heuer, oder Einen Monathssold fordern.
§. 1555. Ereignet der Fall sich während der Reise: so muß der Schiffer die Verpflegungs-, Heilungs- und Retourkosten für den Schiffsmann bezahlen.
§. 1556. Hat jedoch der Zufall sich außer dem Dienste ereignet: so fällt dem Schiffer an solchen Kosten zusammen, nach Verschiedenheit des Verdungs, nicht mehr, als der Betrag der halben Heuer, oder eines Zweymonathlichen Soldes, außer dem schon verdienten Lohne, zur Last; und das mehr verwendete muß von dem Beschädigten demnächst stattet werden.
§. 1557. Einen in Geschäften seines Dienstes verwundeten oder beschädigten Schiffsmann, muß der Schiffer, auf der Rheder Kosten, heilen und verpflegen lassen.
§. 1558. Auch für einen durch eigne Schuld erkrankten oder sonst beschädigten Schiffsmann, muß der Schiffer so lange sorgen, bis er ihn an ein bewohntes Land aussetzen kann.
§. 1559. Doch ist der Schiffer alsdann berechtigt, die gemachten Auslagen von der dem Kranken etwa noch zukommenden Heuer in Abzug zu bringen.
§. 1560. In keinem Falle kann ein kranker Schiffsmann verlangen, daß der Schiffer um seinetwillen die Reise verzögern, oder an einem Orte, wohin er nicht bestimmt ist, landen solle.
§. 1561. Stirbt ein Schiffsmann, bevor mit der Ladung angefangen worden: so können dessen Erben, nach Verschiedenheit des Verdungs, den Vierten Theil der Heuer, oder Einen Monathssold fordern.
§. 1562. Stirbt er während der Hinreise: so gebührt den Erben, nach Verschiedenheit des Verdungs, die halbe Heuer, oder ein doppelter Monathssold; und wenn er auf der Rückreise stirbt, die ganze Heuer, oder ein Viermonathlicher Sold.
§. 1563. Der Schiffer aber kann davon die dem Verstorbenen gegebenen Vorschüsse, und die ausgelegten Begräbnißkosten, in Abzug bringen.
§. 1564. In allen vorstehenden Fällen wird der Anfang der Hin- oder Rückreise nach Vorschrift des Vierzehnten Abschnitts berechnet.
§. 1565. Der Wittwe oder den Kindern eines bey Verteidigung des Schiffs getödteten, oder an seinen Wunden gestorbenen Schiffsmanns, muß in jedem Falle doppelte, andern Erben hingegen die einfache Heuer gezahlt werden.
§. 1566. Davon wird bloß in Abzug gebracht, was der verstorbene Schiffsmann auf die bedungene Heuer schon bey seinem Leben erhalten hat.
Rechte des Schiffsvolks wegen der Heuer:
a) wenn die Reise nicht angetreten,
§. 1567. Wird die Reise, wozu das Schiffsvolk gedungen worden, auf Veranlassung der Rheder ganz rückgängig: so gebühret dem Volke die halbe Heuer; oder wenn monathsweise gedungen ist, Zweymonathlicher Sold.
§. 1568. Ein Gleiches findet alsdann statt, wenn die Reise durch einen auf das Schiff gerichtlich angelegten Arrest rückgängig wird.
§. 1569. Wird aber das Schiff, ohne Verschulden der Rheder, oder des Schiffers, durch höhere Macht, oder unvermuthete Kriegs- oder Räubergefahr, in See zu gehn verhindert: so kann das Volk, außer dem Handgelde, nur die Heuer des laufenden Monaths, oder wenn die Heuer für die ganze Reise in Pausch und Bogen bedungen worden, eine verhältnißmäßige Vergütung für die schon wirklich geleisteten Dienste fordern.
§. 1570. Ist in vorstehenden Fällen ein Schiffsmann von einem fremden Orte verschrieben worden: so muß ihm die Hin- und Rückreise noch besonders vergütet werden.
b) wenn die Antretung der Reise verzögert,
§. 1571. Wird die Antretung der Reise über die verabredete Zeit, ohne Zuthun des Schiffers oder Rheders verzögert; und der Schiffer will das Volk beybehalten: so darf er demselben, während dieses Aufenthalts, nur den halben Monathssold, oder wenn es auf die ganze Reise gedungen ist, eine billige Verbesserung entrichten.
§. 1572. Wird die Antretung der Reise durch der Rheder oder des Schiffers Zuthun verzögert: so kann dem Volke an seinem Monathssolde nichts gekürzt werden; und wenn es in Pausch und Bogen gedungen ist, gebührt demselben eine verhältnißmäßige Zulage.
c) wenn die Reise nicht vollendet,
§. 1573. Wird die bereits angetretene Reise aus Veranlassung der Rheder nicht vollendet: so muß das Volk, auf Kosten der Rheder, frey nach dem bestimmten Retourplatze zurückgeschafft, und demselben die Heuer entrichtet werden.
§. 1574. Ist monathsweise gedungen, und die Abbrechung der Reise geschieht jenseit des Canals: so hat das Volk, außer der bereits verdienten, eine dreymonathliche; diesseit des Canals aber nur eine zweymonathliche Heuer zu fordern.
§. 1575. Wird die Reise durch einen bloßen Zufall abgebrochen: so muß das Volk, außer der freyen Rückreise, wenn monathsweise gedungen worden, sich mit der Heuer des laufenden Monaths, und wenn in Pausch und Bogen gedungen ist, mit so viel an Heuer begnügen, als im Verhältniß gegen die ganze Reise für verdient zu achten ist.
§. 1576. Wird das Schiff von Feinden oder Räubern genommen; oder geht es sonst durch Zufall ganz verloren: so kann das Volk weiter keinen Anspruch machen.
§. 1577. Wird jedoch das Schiff, oder ein Theil der Ladung, wieder frey gegeben; oder von dem verunglückten Schiffe, dessen Geräthschaften, oder Waaren etwas geborgen: so muß davon zuvörderst das Bergelohn abgezogen werden.
§. 1578. Von dem, was alsdann noch übrig bleibt, ist das Volk, nach Anleitung des §. 1573. sqq., zu befriedigen.
§. 1579. Es macht keinen Unterschied: ob das Schiff und die Ladung versichert ist, oder nicht.
§. 1580. Wird die Reise durch eine Veränderung des Curs, oder der Bestimmung des Schiffes abgekürzt: so muß dem Volke die in Pausch und Bogen bedungene Heuer dennoch vollständig bezahlt werden.
§. 1581. Wird die Reise ohne Schuld und Zuthun des Schiffers verlängert: so kann das in Pausch und Bogen bedungene Volk, außer der gewöhnlichen Verpflegung, keine Vermehrung der Heuer fordern.
§. 1582. Dahin gehört besonders, wenn das Schiff durch widrige Winde aufgehalten, oder einen Nothhafen zu suchen, oder Winterlage zu machen genöthigt wird.
§. 1583. Wird jedoch ein solcher Unglücksfall als große Haverey vergütet: so muß auch dem Schiffsvolke eine billige Entschädigung gegeben werden.
§. 1584. Ist das Schiff von Feinden oder Räubern genommen, und nachher wieder befreyet worden: so kann das Volk, wegen des daraus entstandenen Aufenthaltes, dennoch keine Erhöhung der in Pausch und Bogen bedungenen Heuer fordern.
§. 1585. Wird die Reise durch Zuthun des Schiffers verlängert: so ist das Volk eine verhältnißmäßige Erhöhung der in Pausch und Bogen bedungenen Heuer zu fordern berechtigt.
§. 1586. Dies gilt besonders in den Fällen, wenn der Schiffer in einen weiter entlegenen Hafen geht; oder ohne Noth in einen nicht verabredeten Hafen einläuft; oder zum Besten der Rheder, oder Befrachter, freywillig Winterlage macht.
§. 1587. Die alsdann dem Volke gebührende Zulage muß nach dem Verhältnisse der zu der verabredeten Reise, nach gewöhnlicher Rechnung, erforderlichen Zeit, gegen diejenige, um welche die Reise durch einen solchen Vorfall verlängert worden, berechnet werden.
Pflichten des Schiffsvolks vor Antritt der Reise;
§. 1588. Auf den ersten Befehl des Schiffers muß das Volk sich auf das Schiff, zu welchem es gedungen worden, begeben.
§. 1589. Sobald und so lange dem Volke die Schiffskost gereicht wird, darf selbiges, bey nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe, außer dem Schiffe nicht übernachten.
§. 1590. Ist das Schiff segelfertig: so darf, auch bey Tage, keiner von den Schiffsleuten, ohne des Schiffers ausdrückliche Erlaubniß, von dem Schiffe ans Land gehen, oder wegbleiben.
§. 1591. Viel weniger darf einer der Schiffsleute das Boot, ohne des Schiffers Befehl, vom Schiffe wegführen.
§. 1592. Ohne des Schiffers Genehmigung darf kein Schiffsmann irgend jemanden, er sey ein Anverwandter oder Fremder, das Schiff besteigen lassen.
§. 1593. Das Schiffsvolk ist schuldig, nach Erfordern und Befehl des Schiffers, jederzeit, es sey im Hafen oder auf der See, bey Tage oder bey Nacht, auf dem Schiffe fleißige Wache zu halten, und dabey auf das Licht in der Laterne genau Acht zu geben.
§. 1594. Wer dabey schlafend oder unachtsam befunden wird, oder von seiner Wache abgeht, ehe und bevor er von einem Andern abgelöset worden, soll für allen dadurch entstandenen Schaden haften, und noch überdies mit einer nachdrücklichen Leibesstrafe belegt werden.
§. 1595. Ohne Erlaubniß des Schiffers dürfen die Schiffsleute nicht das Geringste an Waaren oder Gütern ein- oder ausladen.
§. 1596. Für eigene Rechnung dürfen sie nur so viel unverbotene Waaren oder Sachen mitnehmen, als sie in ihrer Schlafstelle und Kiste bergen können.
§. 1597. Bey Empfang, Einladung, und Loosung der Güter, soll das Schiffsvolk, insonderheit der Hochbootsmann, oder in dessen Ermangelung der Steuermann, alle Vorsicht gebrauchen, daß kein Schade daran geschehe.
§. 1598. Bemerken sie einen Mangel an dem Takelwerke, oder den andern dazu gehörenden Geräthschaften: so müssen sie es dem Schiffer sogleich anzeigen, oder selbst für die Ausbesserung sorgen, widrigenfalls sie, besonders aber der Steuer- und Hochbootsmann, den dadurch entstandenen Schaden vorzüglich verantworten müssen.
§. 1599. Ferner ist das Schiifsvolk schuldig, die eingeladenen Waaren, so oft es vom Schiffer oder Steuermanne erfordert wird, zu stauen, umzulegen, auch bey vorfallenden Unglücksfällen, so viel als möglich, Schiff, Gerätschaft, und Güter zu bergen, und in Sicherheit zu bringen.
§. 1600. Zur Aufsicht über die Waaren ist besonders der Steuermann und Hochbootsmann verpflichtet.
§. 1601. Allen, zum Dienste des Schiffes, und zur Erhaltung guter Ordnung, von dem Schiffer getroffenen Verfügungen, muß das Schiffsvolk ungesäumte und willige Folge leisten.
§. 1602. Ist der Schiffer abwesend, oder sonst verhindert: so muß das Volk den Befehlen des Steuermannes gehorchen; und dieser ist verbunden, die gehörige Aufsicht auf das Schiff und Volk zu haben.
§. 1603. Erfolgt während der Reise in der Person des Schiffers eine Veränderung: so muß das Volk dem neuen Schiffer eben den Gehorsam leisten, als dem vorigen.
Rechte des Schiffers über das Schiffsvolk.
§. 1604. Der Schiffer ist befugt, das Volk durch die erforderlichen Zwangsmittel und Strafen, welche sich jedoch über mäßige Schläge, achttägiges Gefängniß, oder Fünf Thaler Geldbuße nicht erstrecken dürfen, zu seiner Schuldigkeit anzuhalten.
§. 1605. Er muß dahin sehen, daß sie friedlich unter einander leben, und keiner den andern beleidige, schimpfe, oder sonst ungebührlich behandle.
§. 1606. Macht ein Schiffsmann sich auf der See einer Gewalttätigkeit, Aufstands, oder Meuterey gegen den Schiffer, oder eines andern schweren Verbrechens schuldig: so ist der Schiffer bey, nachdrücklicher Strafe verpflichtet, einen solchen Missethäter in Verhaft bringen zu lassen.
§. 1607. Er muß alsdann, mit Zuziehung des Schiffsraths, und anderer auf dem Schiffe befindlicher vernünftiger Leute, alles dasjenige genau aufzeichnen, was auf die künftige Bestrafung des Verbrechers Einfluß haben kann.
§. 1608. Insonderheit müssen, wenn ein Todtschlag geschehen ist, und die Leiche vor der Landung über Bord geworfen werden muß, die Stelle und Beschaffenheit der Wunde; die Zeit, wie lange der Verwundete noch gelebt; die Speise, die er genossen hat; und die Mittel, die zu seiner Heilung angewendet worden, genau verzeichnet werden.
§. 1609. Ist auf dem Schiffe ein Arzt, oder Wundarzt: so muß dieser, in Gegenwart des Schiffraths, am Besichtigung vornehmen, und darüber sein ausführliches Gutachten dem Schiffsjournale so beyfügen, wie er es eidlich bestärken kann.
§. 1610. Den in Verhaft genommenen Verbrecher muß der Schiffer, wenn er auf der Reise nach einem inländischen Hafen begriffen ist, am Bestimmungs-, sonst aber an dem Orte, von welchem er abgesegelt ist, den Gerichten zur fernern Untersuchung und Bestrafung ausliefern.
§. 1611. Doch steht ihm frey, wenn er die längere Aufbewahrung eines solchen Verbrechers bedenklich oder gefährlich findet, ihn den Gerichten des ersten Landungsortes zur gebührenden Bestrafung zu überliefern.
§. 1612. Mit dem Verbrecher zugleich müssen dem Gerichte die vorbeschriebenen Vermerke zugestellt werden. (§. 1607-1609.)
§. 1613. Wenn bey einer vorgefallenen Meuterey, der Schiffer einen oder etliche unter den Schiffsleuten als die Rädelsführer angiebt; und seine Angabe mit wahrscheinlichen Gründen unterstützt: so soll, falls die Wahrheit nicht anders ausgemittelt werden kann, und der Schiffer überhaupt die Eigenschaften eines glaubwürdigen Zeugen hat, die Aussage desselben für einen vollen Beweis gelten.
§. 1614. Doch kann, auf den Grund eines solchen Beweises, immer nur eine geringere, als Zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe, erkannt werden.
§. 1615. Alles Schiffsvolk ist schuldig, dem Schiffer zur Bestrafung eines ungehorsamen Schiffsmannes, so wie zur Verhaftnehmung eines jeden Verbrechers im Schiffe, hülfreiche Hand zu leisten.
§. 1616. Wer sich dessen weigert, soll der ganzen Heuer verlustig seyn, und noch außerdem, nach den Grundsätzen von der Theilnehmung an dem Verbrechen Anderer, bestraft werden.
Rechte und Pflichten des Schiffsvolkes nach vollendeter Reise.
§. 1617. Nach geendigter Reise darf das Schiffsvolk nicht eher abgehn, als bis die Waaren ausgeladen, die Segel abgenommen, das Schiff an Ort und Stelle gebracht, auch wasserfest gemacht worden.
§. 1618. Verzögert der Schiffer die Losung zur Ungebühr: so muß er dem Volke die Kost, und das am Losungsorte gewöhnliche Wartegeld entrichten.
§. 1619. Eben dazu ist er verpflichtet, wenn die Zahlung der rückständigen Heuer von ihm verzögert wird.
IV. Verhältniß zwischen den Schiffern und den Befrachtern.
§. 1620. Wer ein ganzes Schiff befrachtet, muß mit dem Schiffer eine Charte Partie, oder schriftlichen Contrakt errichten.
§. 1621. Darin müssen alle wegen der Befrachtung getroffenen Abreden genau und bestimmt enthalten seyn.
§. 1622. Wird das Schiff nach Lasten, Packen oder Fässern, stückweise beladen, und der Schiffer hat die Fracht mit den Befrachtern unmittelbar geschlossen: so muß er ebenfalls einen schriftlichen Contrakt darüber mit jeden von ihnen errichten.
§. 1623. Ist die Fracht durch einen Mäkler geschlossen worden: so muß dieser die Bedingungen in sein Journal eintragen, und daraus ein Attest oder sogenanntes Manifest ertheilen.
§. 1624. Die Charte Partie, oder das Manifest muß, außer dem Namen des Schiffers und des Befrachters, hauptsächlich enthalten: die Beschreibung des Schiffes nach seiner Benennung und Größe; die Zeit und den Ort der Ladung und Losung; ein genaues Verzeichniß der geladenen Güter; die bedungenen Fracht-, Liege- und Ungelder.
§. 1625. Nach diesen schriftlichen Verabredungen müssen die Verhältnisse zwischen den Schiffern und den Befrachtern vorzüglich beurtheilt werden.
Was bey der Ladung zu beobachten.
§. 1626. Ist wegen der Einladungs- oder Ausladungskosten nichts verabredet: so muß der Befrachter die Waaren an Bord liefern, oder von da abholen lassen; der Schiffer aber das Gut durch seine Leute vom Bord bis in den Schiffsraum, oder von diesem bis an den Bord bringen lassen.
§. 1627. Soll die Waare frey ins Schiff geliefert werden: so bezahlt der Befrachter auch das Arbeitslohn, um die Waare in den Schiffsraum zu bringen.
§. 1628. Hat ein Schiffer Ladung angenommen, ohne schriftlichen Contrakt oder Manifest darüber zu errichten: so muß er mit dem niedrigsten zur Zeit der Ladung gestandenen Frachtlohne sich begnügen.
§. 1629. Hat aber jemand ohne des Schiffers Vorwissen Waaren an Bord gebracht: so kann der Schiffer dieselben, auf des Einladers Gefahr und Kosten, wieder ans Land setzen; oder wenn er sie zum Transport behält, davon die höchste am Losungsorte übliche Fracht für die Rheder einfordern.
§. 1630. Ist in dem schriftlichen Contrakte eine gewisse Zeit bestimmt, binnen welcher die Ladung erfolgen solle: so müssen beyde Theile dieselbe genau einhalten.
§. 1631. Ist dergleichen Zeit nicht ausdrücklich bestimmt: so muß der Befrachter das Gut, auf des Schiffers Verlangen, spätestens am Dritten Tage an Bord, oder wenn es so bedungen worden, ins Schiff liefern.
§. 1632. Der Befrachter ist ferner schuldig, das Gut, nach seiner verschiedenen Beschaffenheit, in Fässern, Packen, Kisten, oder sonst, zu der bestimmten Reise gehörig zu verwahren.
§. 1633. Findet der Schiffer dabey einen Mangel: so muß er selbigen den Befrachtern sogleich anzeigen, und die Waaren nicht eher einladen, bis der Erinnerung abgeholfen worden.
§. 1634. Hat er die Waaren eingeladen: so ist die Vermuthung gegen ihn, daß selbige gehörig verpackt und verwahrt gewesen sind.
§. 1635. Sobald mit der Ladung wirklich der Anfang gemacht worden, muß ein Schiff von Fünfzig Lasten und darunter, bey ermangelnder andern Verabredung, binnen Acht Tagen; und Eins von Fünfzig bis hundert Lasten binnen Vierzehn Tagen völlig zugeladen seyn.
§. 1636. Ist das Schiff über Hundert Lasten groß: so werden auf jede Fünfzig Lasten Acht Tage zum Laden gerechnet.
§. 1637. Unter Lasten werden hier Commerzlasten, so wie sie am Orte der Ladung gebräuchlich sind, verstanden.
§. 1638. Hinderungen, welche Wind und Wetter im Laden verursachen, dürfen weder vom Schiffer noch von den Befrachtern vertreten werden.
Was Rechtens sey, wenn die Ladung nicht zu rechter Zeit angewiesen wird.
§. 1639. Wird binnen der contrakt- oder gesetzmäßigen Zeit dem Schiffer die Ladung nicht angewiesen: so muß er Protest aufnehmen lassen.
§. 1640. Von diesem Zeitpunkte an ist der Befrachter schuldig, dem Schiffer alle Versäumnißkosten zu erstatten.
§. 1641. Es macht keinen Unterschied, wenn gleich die Ausfuhre der zum Einladen bestimmten Waaren verboten, oder der Befrachter sonst durch einen Zufall verhindert seyn sollte, die versprochene Ladung anzuweisen.
§. 1642. Kann hiernächst der Schiffer andere Ladung erhalten: so muß der erste Befrachter, außer den Versäumnißkosten, auch den etwa durch die niedere Fracht entstandenen Verlust dem Schiffer ersetzen.
§. 1643. Hat der Befrachter das ganze Schiff bedungen, aber gar keine Ladung angewiesen; und der Schiffer kann innerhalb Vierzehn Tagen von Zeit des eingelegten Protestes keine andere Ladung erhalten: so muß ihm der Befrachter die Hälfte der versprochenen Fracht entrichten.
§. 1644. Hat der Befrachter nur einen Theil der Ladung angewiesen; und der Schiffer das Fehlende binnen Vierzehn Tagen von Andern nicht erhalten können: so muß die ganze versprochene Fracht bezahlt werden.
§. 1645. Ist jedoch bey Schließung der Fracht bedungen worden, daß der Schiffer, gegen Entrichtungeines gewissen Warte- oder Liegegeldes, auch nach Verfliessung der in der Charte Partie, oder nach §. 1635. und 1636. bestimmten Ladungszeit, liegen bleiben, und die Einlieferung der Ladung abwarten solle: so ist er schuldig, so lange zu liegen, bis entweder der Befrachter die fehlende Ladung angewiesen hat, oder die dazu vom Richter zu bestimmende Frist verlaufen ist. (Th. I. Tit. V. §. 234.)
§. 1646. Hat der Schiffer aufs Stück angelegt, und einer oder etliche der Befrachter bleiben mit Anweisung der versprochenen Ladung zurück: so ist der Schiffer, nach aufgenommenem Proteste, länger zu warten, und darüber günstigen Wind und Witterung zu versäumen, weder befugt noch schuldig.
§. 1647. Vielmehr muß ihm, wenn er die ausgebliebene Ladung nicht noch vor dem wirklichen Auslaufen erhalten kann, die ganze bedungene Fracht vergütet werden.
Wenn der Schiffer vor beendigter Ladung krank wird, oder stirbt.
§. 1648. Die Krankheit oder das Absterben des Schiffers während der Ladung, ändert in dem Verhältnisse der Rheder und Befrachter nichts, sondern es ist die Sache der Rheder, oder deren Bevollmächtigten, auf diesen Fall, wegen Führung des Schiffes die nöthige Veranstaltung baldmöglichst zu treffen.
Wenn die Expedition rückgängig wird.
§. 1649. Wird das Schiff auf eine oder die andre Art, durch Veranlassung des Schiffers; oder der Rheder, verhindert, die bedungene Reise zu thun: so müssen letztere den Befrachtern allen daraus entstehenden Schaden vergüten.
§. 1650. Verunglückt das Schiff, ehe mit Eingebung der Güter der Anfang gemacht worden: so hören alle wechselseitige Verbindlichkeiten zwischen dem Schiffer und Befrachtern auf.
§. 1651. Ein Gleiches findet statt, wenn die verdungenen Güter vor dem Anfange der Einladung verunglücken; es wäre denn, daß der Befrachter andre Waaren statt der verlornen einschiffen wollte.
§. 1652. Will der Befrachter die eingeladenen Güter ganz oder zum Theil wieder zurück nehmen: so findet eben das statt, was auf den Fall verordnet ist, wenn die Ladung ganz oder zum Theil nicht geliefert werden kann. (§. 1643. sqq.)
§. 1653. Erhält in solchem Falle der Schiffer andre Ladung: so kann er von dem ersten Befrachter noch insbesondre ein billiges Arbeitslohn für das Aus- und Einladen fordern.
§. 1654. Wollte jemand aus einem Schiffe, welches von mehrern Befrachtern beladen ist, sein eingegebenes Gut wieder herausnehmen: so muß er, außer der vorstehenden Abfindung des Schiffers, auch den Mitbefrachtern für allen durch die Versäumniß, oder sonst, erwachsenden Nachtheil haften, und auf Erfordern annehmliche Sicherheit deshalb leisten.
§. 1655. Auch darf der Schiffer, wenn die Connossemente bereits ausgefertigt sind, die Zurücknahme der eingeladenen Güter weder ganz, noch zum Theil, eher gestatten, als bis alle Exemplare der Connossemente herbeygeschafft und kassirt worden.
§. 1656. Hat er dieser Vorschrift zuwider gehandelt: so haftet er jedem dritten redlichen Inhaber eines solchen Connossements eben so, als wenn die eingeladenen Güter nicht wären zurück gegeben worden.
Wenn die Waaren auf ein anderes Schiff verdungen, oder
§. 1657. Hat der Schiffer das ihm überlieferte Gut, ohne des Befrachters Einwilligung, am Ladungsorte auf ein andres Schiff geladen: so muß er allen Schaden, welcher den Waaren auf diesem andern Schiffe zustößt, so weit als selbiger den Befrachter trifft, vertreten.
§. 1658. Von dieser Vertretung wird er nur alsdann frey, wenn sein Schiff auf der bestimmten Reise ganz verloren geht.
§. 1659. Hat der Schiffer, aus Mangel an Raum, oder sonst durch seine Schuld, einen Theil des verdungenen Guts zurück gelassen: so kann der Befrachter entweder sein Gut zur eignen Disposition zurücknehmen; oder selbiges auf Gefahr und Kosten des Schiffers nachsenden.
§. 1660. Nimmt der Befrachter sein Gut zur eignen Disposition zurück: so werden dadurch die Verbindlichkeiten zwischen ihm, und dem Schiffer, in Ansehung dieses Theils der Ladung aufgehoben.
§. 1661. Will der Befrachter sein Gut nicht zur eignen Disposition zurück nehmen: so muß er binnen vier und zwanzig Stunden, nach erhaltener Nachricht, Protest einlegen, und zugleich die nöthigen Vorkehrungen treffen, um die Waaren für Schaden möglichst zu sichern.
§. 1662. Meldet sich nach aufgenommenem Proteste niemand, dem der Schiffer die Nachsendung der zurückgebliebenen Waaren aufgetragen hat: so muß der Befrachter selbige, so wie auch die anderweitige Versicherung, auf des Schiffers Kosten, nach Möglichkeit besorgen.
§. 1663. Nach der Ankunft am Losungsplatze muß der Schiffer die Versäumnißkosten, höhere Fracht, und den Ausfall am Preise wegen späterer Ankunft der Waaren, desgleichen die Kosten wegen veränderter Assecuranz, Ristorno u. s. w. ersetzen.
§. 1664. Von diesem Ersatze wird er nur alsdann bey, wenn das von ihm selbst geführte Schiff auf derselben Reise verloren geht; jedoch muß er die Kosten wegen der veränderten Assekuranz in jedem Falle tragen.
§. 1665. Wird ein Schiffer durch Sturm, oder sonst ohne seine Schuld, genöthigt, vor eingenommener neuen Ladung in See zu gehn: so kann der Eigenthümer der zurückgelassenen Güter keine Schadloshaltung fordern; sondern die bedungene Fracht wird alsdann nur verhältnißmäßig vermindert.
§. 1666. Auf das Verdeck darf der Schiffer, ohne des Befrachters ausdrückliche Einwilligung, keine Waaren legen, noch an die Seiten des Schiffes anhängen lassen.
§. 1667. Ueber die geladenen Waaren oder Stückgüter muß der Schiffer eine richtige Rolle, mit deutlicher Verzeichnung der Anzahl, ingleichen der Nummern und Merkzeichen von allen und jeden Packen, Kasten, Fässern und dergleichen Stücken verfertigen, und im Schiffe aufbehalten.
Pflichten des Schiffers nach geendigter Ladung. Connossement.
§. 1668. Nach geendigter Ladung muß jedem Befrachter ein Empfangschein, oder sogenanntes Connossement, unter des Schiffers Unterschrift zugestellt werden.
§. 1669. Darin müssen die Waaren und deren Qualität, mit ihren Zeichen und Nummern; der Ort ihrer Bestimmung; der Name des Befrachters und Empfängers; die bedungene Fracht; auch ob und was darauf schon bezahlt worden, ausgedrückt seyn.
§. 1670. Von jedem Connossement muß der Schiffer Drey Exemplare, und wenn der Befrachter es verlangt, auch das Vierte unterzeichnen; zugleich aber dahin sehen, daß sie völlig gleichlautend sind; und daß in jedem die Zahl der ausgefertigten Exemplare bemerkt werde.
§. 1671. Hat der Schiffer diese Vorsicht unterlassen: so bleibt er für den Schaden, welcher daraus in der Folge einem Dritten redlichen Inhaber des Connossements, oder auch dem Versicherer entsteht, verantwortlich.
§. 1672. Die Anzahl der Collis soll in den Connossements mit Buchstaben geschrieben, und die leer gebliebenen Plätze sollen durchstrichen werden.
§. 1673. Das Eine besonders zu bezeichnende Exemplar behält der Schiffer, die übrigen sind dem Befrachter zum Gebrauche zuzustellen.
§. 1674. Werden diese Exemplare nachher nicht gleichlautend befunden: so beweist das dem Schiffer zugestellte Exemplar so lange wider ihn, bis die Richtigkeit der Abweichung von einem der übrigen Exemplare auf andere Art dargethan worden; zu seinem Vortheile aber nur in so weit, als es mit den andern unstreitig richtigen Exemplaren völlig übereinstimmt.
§. 1675. Sobald der Schiffer seine Abfertigung erhalten hat, muß er mit dem ersten günstigen Winde in See gehen.
§. 1676. Unterläßt er dieses: so muß er den Befrachtern für allen aus seiner Nachläßigkeit entstandenen Schaden haften.
Was Rechtens sey, wenn die Reise rückgängig, oder
§. 1677. Wird vor dem Auslaufen des Schiffs der Handel mit dem Bestimmungsplatze vom Landesherm verboten: so hören alle gegenseitige Verbindlichkeiten zwischen dem Schiffer und den Befrachtern auf.
§. 1678. Die Befrachter sind in diesem Falle nur die Kosten des Ein- und Ausladens zu erstatten schuldig.
§. 1679. Ein Gleiches findet statt, wenn der Hafen, nach welchem das Schiff bestimmt war, gesperrt; oder die Fahrt dahin durch einen erst, nach Schließung des Frachtcontrakts ausgebrochenen Krieg unsicher gemacht; oder die im Hafen befindlichen Schiffe zum Landesherrlichen Dienste in Beschlag genommen worden.
§. 1680. Ferner alsdann, wenn das Schiff, wegen widrigen Windes und erlittener Beschädigungen, genöthigt wird zurück zu laufen, und die ganze Ladung gelost werden muß, um das Schiff auszubessern.
§. 1681. Wird hingegen die Antretung der Reise durch dergleichen oder irgend einen andern Zufall, ohne Zuthun des Schiffers oder der Befrachter, nur verzögert; so bleibt der zwischen ihnen errichtete Contrakt bey Kräften, und kein Theil kann wegen eines solchen Verzugs von dem andern Entschädigung fordern.
§. 1682. Entsteht der Aufenthalt dadurch, weil ein Theil der Ladung, wegen verbotener Ausfuhr, oder aus andern Ursachen, wider Willen des Befrachters herausgenommen werden muß: so ist dieser schuldig, den Schiffer nach §. 1646, sqq. schadlos zu halten; zugleich aber auch den übrigen Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht zu werden.
§. 1683. Wenn durch einen nach Schließung des Frachtcontrakts ausgebrochenen Krieg ein Theil der Ladung unfrey geworden ist: so hat auch jeder der Mitbefrachter das Recht, die Herausnahme und Zurücklassung derselben zu verlangen.
§. 1684. Der Anfang und das Ende eines Krieges ist nach Vorschrift §. 1966. 1967. zu beurtheilen.
§. 1685. Der Schiffer muß auch in diesen Fällen die Vorschrift des §. 1645. beobachten.
wenn dieselbe abgebrochen wird.
§. 1686. Ist das Schiff schon auf der Reise begriffen, und die Handlung oder Fahrt nach dem Bestimmungsplatze wird durch dergleichen Zufall ganz unterbrochen: so muß der Schiffer in den nächsten sichern Hafen einlaufen, und den Rhedern, oder dem nächsten Correspondenten derselben, so wie auch den Befrachtern, davon schleunige Nachricht geben.
§. 1687. Dieß muß besonders geschehen, wenn wegen eines während der Reise ausgebrochnen Kriegs, das Schiff oder die Ladung, oder ein Theil der letztern unfrey wird; also, daß bey Fortsetzung der Reise nach dem Bestimmungsorte, Gefahr des Aufbringens zu besorgen ist.
§. 1688. Ist nur ein Theil der Ladung unfrey geworden: so muß der Schiffer selbigen auf Gefahr und Kosten des Eigenthümers losen; diesen, so wie den im Connossement benannten Empfänger, davon benachrichtigen; und mit der übrigen Ladung die Reise fortsetzen.
§. 1689. Ist das Schiff unfrey geworden; die Ladung aber ganz oder zum Theil frey geblieben: so finden die folgenden Vorschriften §. 1696. 1697. Anwendung.
§. 1690. Ist die ganze Ladung unfrey geworden: so muß der Schiffer die weiteren Verfügungen der Befrachter oder ihres Correspondenten abwarten, und in der Zwischenzeit für die Erhaltung der Waaren sorgen.
§. 1691. Wird er alsdann zurückberufen, oder ihm ein andrer Losunsgplatz bestimmt: so muß die Fracht, nach Verhältniß der bedungenen, gegen die wirklich zurückgelegte Reise, billigmäßig erhöhet, oder heruntergesetzt werden.
Wenn ihre Vollendung verzögert wird.
§. 1692. Wird die Reise durch einen unterweges, aus Schuld des Schiifers, auf das Schiff gelegten obrigkeitlichen Beschlag verzögert, oder ganz verhindert: so ist der Schiffer den Befrachtern zum Ersatz des aus dieser Versäumniß entstandenen Schadens verhaftet.
§. 1693. Auch steht den Befrachtern in diesem Falle frey, die Ladung auf Gefahr und Kosten des Schiffers lösen, und durch ein anderes Schiff an den Bestimmungsort bringen zu lassen.
§. 1694. Ist dergleichen Aufenthalt durch die Schuld des einen oder andern der Befrachter entstanden: so muß dieser dem Schiffer, außer der bedungenen Fracht, alle Versäumnißkosten ersetzen; und den übrigen Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht werden.
§. 1695. Ist das Schiff von der Obrigkeit, ohne Schuld des Schiffers und der Befrachter, in Beschlag genommen, oder aufgehalten worden: so müssen beyde Theile die Befreyung abwarten; ohne daß einer von dem andern deshalb Entschädigung fordern kann.
§. 1696. Sollten jedoch in diesem Falle die Waaren im Schiffe leicht verderben, oder Schaden leiden können: so steht den Befrachtern frey, dieselben auf ihre Kosten lösen, und durch ein anderes Schiff an den Bestimmungsort bringen zu lassen.
§. 1697. Alsdann sind sie nur schuldig, den Schiffer nach Verhältniß der zurückgelegten Reise zu befriedigen.
§. 1698. Ist das Schiff schon bey dem Auslaufen nicht in gehörigem Stande gewesen; und die Fortsetzung der Reise muß wegen erforderlicher Ausbesserung eine geraume Zeit hindurch unterbrochen, oder gar eingestellt werden: so wird der Schiffer seiner ganzen Fracht verlustig; und muß überdies den Befrachtern allen an der Waare, oder sonst, wirklich erlittenen Schaden ersetzen.
§. 1699. Verlangen die Befrachter, daß er auch den Vortheil ersetzen solle, der ihnen dadurch, weil die Waaren an dem Losungsplatze nicht zu rechter Zeit angekommen sind, entgangen ist: so müssen sie sich darauf die bedungene Fracht abrechnen lassen.
§. 1700. Alles Vorstehende (§. 1698. 1699.) gilt auch alsdann, wenn das Schiff erst auf dem Wege durch Schuld des Schiffers schadhaft, und dadurch die Ausbesserung nothwendig geworden ist.
§. 1701. Ist aber der Schade ohne Schuld des Schiffers entstanden: so kann der Befrachter wegen des Aufenthaltes keine Vergütung fordern.
§. 1702. Will alsdann der Befrachter die Ausbesserung nicht abwarten; und seine Waaren auf ein anderes Schiff bringen lassen: so muß er die Fracht nach Verhältniß der zurückgelegten Reise bezahlen.
§. 1703. Kann das Schiff gar nicht, oder erst in einer so langen Zeit ausgebessert werden, daß darüber die zur Schiffahrt bequeme Witterung verstreichen, oder die Ladung verderben würde: so muß der Schiffer, wenn Gefahr beym Verzuge ist, die Ladung auf Kosten der Befrachter, durch ein anderes Schiff nach dem Losungsplatze baldmöglichst befördern.
§. 1704. Kann der Schiffer keine Gelegenheit zu solcher Nachsendung finden: so muß er die Waaren an dem Orte, wo er gelandet ist, in sichere Gewahrsam bringen, und den Befrachtern davon Nachricht geben.
§. 1705. In beyden Fällen, (§. 1703. 1704.) muß der Schiffer mit der nach Verhältniß der zurückgelegten gegen die bedungene Reise ihm gebührenden Fracht sich begnügen.
§. 1706. Eben dies (§. 1703. sqq.) findet statt, wenn ein Theil der Ladung, nach der in der Charte Partie angegebenen Beschaffenheit während des durch die Ausbesserung des Schiffes entstehenden Aufenthaltes verderben könnte.
Aufsicht des Schiffers über die Waaren.
§. 1707. Während der Reise muß der Schiffer nicht nur dahin sehen, daß der Steuer- und Oberbootsmann die nach §. 1600. ihnen obliegende Aufsicht über die geladenen Waaren gehörig führen; sondern auch selbst Sorge tragen, die Waaren in gutem Stande zu erhalten.
§. 1708. Zu diesem Behufe muß er auch, wenn sich Güter im Schiffe befinden, die durch das Anfressen und Zernagen der Mäuse oder Ratten Schaden leiden können, eine hinreichende Zahl von Katzen an Bord nehmen und unterhalten.
§. 1709. Wenn er an flüßigen Gütern Leckage bemerkt, muß er das weitere Lecken zu verhindern; auch andere verderbliche Sachen durch Oeffnung der Lucken, durch Umstechen u.s.w. für Schaden zu verwahren suchen.
Wenn der Schiffer Waaren verkaufen muß.
§. 1710. Muß der Schiffer, während der Reise, einen Theil der geladenen Waaren zu seinen, oder des-Schiffsvolks, oder des Schiffes Bedürfnissen, aus Noth verwenden, oder veräußern: so ist er den Bewachtern, nach deren Wahl, entweder das erhaltene Kaufgeld, oder den zur Zeit seiner Ankunft am Losungsorte gangbaren mittleren Preis zu ersetzen schuldig.
§. 1711. Dagegen kommt ihm aber auch die volle Pracht für dergleichen Güter oder Waaren zu.
§. 1712. Hat der Schiffer, ohne unverschuldete Noth, Waaren an einem andern, als dem Bestimmungsorte, gelandet: so kann der Befrachter die Bezahlung des Mittelpreises am Losungsorte, zu der Zeit, als das Schiff daselbst nach dem gewöhnlichen Laufe angelangt seyn würde, fordern.
§. 1713. Dagegen muß er die Waaren dem Schiffer überlassen, und demselben die volle Fracht vergüten.
§. 1714. Will er dieses nicht: so steht ihm frey, dem Schiffer noch eine angemessene Frist zu setzen, binnen welcher er die Waaren, auf eigne Gefahr und Kosten, an den Ort ihrer Bestimmung schaffen solle.
§. 1715. Wird dies von dem Schiffer nicht bewerkstelligt: so muß derselbe für allen erweislichen Schaden und entgangenen Vortheil haften: wovon ihm aber die volle Fracht gut gerechnet wird.
Pflichten des Schiffers nach seiner Ankunft am Bestimmungsorte.
§. 1716. Sobald der Schiffer an den Ort seiner Bestimmung gelangt ist, muß er die Waaren, nach der in der Charte Partie und in dem Connossement enthaltenen Anweisung abliefern; jedoch dabey, wegen Aushändigung aller Exemplare der unterzeichneten Connossemente, die Vorschrift des §. 1655. genau beobachten.
§. 1717. Die Ablieferung und Empfangnehmung muß, wenn Wind und Wetter es nicht verhindern, binnen der in dem Frachtcontrakte verabredeten Zeit geschehen.
§. 1718. Ist keine Frist verabredet: so findet bey dem Loosen eben das statt, was wegen des Einladens oben verordnet ist. (§. 1635. 1636.)
§. 1719. Wird die Empfangnehmung der Waaren verweigert, oder verzögert: so muß der Schiffer deshalb Protest einlegen; den Befrachter davon unverzüglich benachrichtigen; und das Gut auf dessen Gefahr und Kosten in sichere Verwahrung bringen lassen.
§. 1720. Dazu ist er auch befugt und verpflichtet, wenn alle Exemplare der Connossemente nicht herbey geschafft, und deshalb keine hinreichende Sicherheit bestellt worden.
§. 1721. Von solchem Gute kann der Schiffer so viel gerichtlich verkaufen lassen, als zu seiner Befriedigung wegen Fracht, Zoll, und anderer Auslagen erforderlich ist.
Rechte des Schiffers wegen der Fracht.
§. 1722. Die Zahlung der Fracht ist der Schiffer, sogleich nach Ablieferung sämmtlicher Waaren, von dem im Connossement bestimmten Empfänger derselben zu fordern berechtigt.
§. 1723. Hat er gegen den Empfänger erheblichen Verdacht, daß dieser die Fracht nicht werde bezahlen können, oder wollen: so ist er befugt, von der Waare so viel zurück zu behalten, als zu seiner Deckung nöthig ist.
§. 1724. Bleibt der Empfänger, nach schon erfolgter Ablieferung, mit Bezahlung der Fracht zurück: so kann der Schiffer von den gelieferten Waaren so viel, als zu seiner Befriedigung erforderlich ist, in gerichtlichen Beschlag nehmen lassen.
§. 1725. Von dieser Befugniß kann er auch gegen den dritten Besitzer der Waaren, binnen Sechs Tagen nach der dem ersten Empfänger geschehenen Ablieferung, Gebrauch machen.
§. 1726. Hat jedoch der dritte Besitzer die Waaren dem ersten Empfänger baar bezahlt, ehe er von des Schiffers Ansprüche Wissenschaft bekommen: so kann sich der Schiffer nur an den ersten Empfänger halten.
§. 1727. Für Güter, welche auf der Reise, oder vor der Ablieferung verloren gegangen sind, kann der Schiffer nur in so weit die Fracht fordern, als der Werth solcher Güter durch die große Havereyrechnung vergütet wird.
§. 1728. Hat sich jedoch der Verlust durch einen Unglücksfall in der Zeit ereignet, da der Empfänger mit Uebernehmung der Waaren säumig gewesen ist: so muß derselbe die Fracht bezahlen.
§. 1729. Einen Theil der Ladung für die Fracht an Zahlungsstatt anzunehmen, ist der Schiffer nicht schuldig.
§. 1730. Werden aber bey der Losung die Fässer und Behältnisse fließender und leckender Waaren ganz oder zum Theil ledig befunden: so steht dem Empfänger frey, dieselben dem Schiffer statt der davon zu bezahlenden Fracht zu überlassen.
§. 1731. Darüber muß er sich jedoch erklären, ehe er noch diese Güter in Empfang genommen hat.
Vertretung des Schiffers gegen die Befrachter.
§. 1732. Haben sich während der Reise solche Vorfälle ereignet, woraus zu vermuthen ist, dlcgen dair (=daß) ein Theil der Ladung verdorben oder beschädigt sey: so muß der Schiffer diese Vorfälle den Empfängern binnen den ersten Vier und zwanzig Stunden nach seiner Ankunft bekannt machen.
§. 1733. Diese können alsdann darauf antragen, daß der Schade, noch vor der Uebernahme, in Beyseyn des Schiffers, durch Sachverständige gerichtlich untersucht und gewürdigt werde.
§. 1734. Den ausgemittelten Schaden muß der Schiffer ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch innern Verderb der Waare, oder durch einen äußern Zufall entstanden sey, dessen Abwendung er nicht in seiner Gewalt gehabt.
§. 1735. Auf gleiche Art muß der Schiffer auch für gänzlich verlorne Waaren und Güter haften, wenn er einen äußern unvermeidlich gewesenen Zufall, durch welchen der Verlust entstanden sey, nicht nachzuweisen vermag.
§. 1736. Sind dem Schiffer Kisten, Fässer, oder Packen, verschlossen oder versiegelt zugestellt worden: so findet die Vorschrift vom Verwahrungsvertrage Anwendung. (Th. I. Tit. XIV. §. 26-34.)
§. 1737. Ist aber die Versiegelung oder Verschliessung in Gegenwart des Schiffers geschehen: nachdem ihm zuvor der Inhalt der Behältnisse vorgezeigt worden: so haben dergleichen Waaren mit andern, die der Schiffer unverschlossen oder unversiegelt übernommen hat, gleiche Rechte.
§. 1738. Die von dem Schiffer zu leistende Vergütung, ist nach den Vorschriften des Ersten Theils Tit. VI. §. 82. sqq. zu bestimmen; nur treten in Absicht der Quantität und des Werths der Waaren, die Vorschriften des folgenden Abschnittes ein.
§. 1739. Ist mit dem Schiffer bey seiner Absendung auch die Rückfracht bedungen worden: so gilt, wegen deren Anweisung und Einnehmung, alles das, was wegen der ersten Ladung festgesetzt ist. (§. 1630. sqq.)
§. 1740. Auch muß in diesem Falle, wenn der Schiffer mit dem ledigen Schiffsraume zurückzugehn genöthigt wird, demselben die volle Rückfracht, nebst den Versäumnißkosten, erstattet werden.
§. 1741. Von dieser Verbindlichkeit der Befrachter macht es keine Ausnahme, wenn das Schiff, nach fruchtloser Abwartung der gesetzmäßigen Frist, auf der Rückreise verunglückt.
V. Verhältnisse zwischen dem Schiffer und den Reisenden.
§. 1742. Kein Schiffer soll, bey nachdrücklicher Strafe, einen Reisenden annehmen, der ihm nicht zuvor die nach jeden Ortes Einrichtung erforderlichen Pässe vorgezeigt hat.
§. 1743. Ist das Schiff nicht ausdrücklich als ein Postschiff oder Paketboot zum Transport der Reisenden bestimmt: so kann dem Schiffer wider seinen Willen nicht angemuthet werden, Reisende mitzunehmen, die kein Intersse bey der Ladung haben.
§. 1744. Das Verhältniß zwischen Schiffer und Reisenden, muß hauptsächlich nach dem unter ihnen errichteten Contrakte beurtheilt werden.
§. 1745. Ist kein schriftlicher Contrakt errichtet worden, die Ueberfahrt aber wirklich geschehen: so muß der Schiffer sich mit einer nach dem Gutachten der Sachverständigen, und dem Ermessen des Gerichts zu bestimmenden Fracht begnügen.
§. 1746. Die Reisenden müssen sich auf das erste Verlangen des Schiffers an Bord begeben, und wenn das Schiff schon segelfertig ist, sich nicht ohne des Schiffers Genehmigung, auch nur auf eine Zeitlang, davon entfernen.
§. 1747. Handeln sie dem zuwider: so kann der Schiffer, ohne auf sie zu warten, in See stechen, und dennoch die Fracht fordern.
§. 1748. Der Regel nach müssen die Reisenden sich selbst beköstigen.
§. 1749. Ist die Kost ohne weitere Bestimmung in die Fracht mit eingedungen: so können Reisende nur die gewöhnliche Kost der Schiffsleute verlangen.
§. 1750. Am Ladungsorte darf kein Schiffer, ohne Vorwissen und Einwilligung der Rheder, Reisende in Kost übernehmen.
§. 1751. Hat er es gethan: so muß er den Rhedern, nach deren Wahl, die den Reisenden gegebene Provision vergüten, oder ihnen das von denselben außer der Fracht bezahlte Kostgeld berechnen.
§. 1752. Nimmt der Schiffer auf der Rückreise Passagiers ein: so kann er mit ihnen wegen der Kost Verabredung treffen.
§. 1753. Ist der Vorrath solcher Reisenden, welche sich selbst beköstigen sollen, durch Unglücksfälle, oder unvermuthete Verlängerung der Reise unzureichend geworden: so können sie von dem Schiffer nothdürftigen Lebensunterhalt fordern.
§. 1754. Sie müssen aber die ihnen gereichte Provision, noch außer der Fracht, nach einer billigen Taxe bezahlen.
§. 1755. Dagegen müssen auch Reisende, wenn auf dem Schiffe Mangel entsteht, dem Schiffe mit ihrem entbehrlichen Vorrathe gegen billige Bezahlung zu Hülfe kommen.
§. 1756. Um der Reisenden willen ist der Schiffer seinen Lauf zu unterbrechen, und andre als die verabredeten Hafen anzusegeln, weder schuldig noch befugt.
§. 1757. Es muß daher auch ein krank gewordener Reisender, der ans Land gesetzt seyn will, so lange warten, bis sich dazu, ohne Unterbrechung der Reise und Veränderung des Laufes derselben, eine Gelegenheit findet.
§. 1758. Dagegen muß ein mit ansteckender Krankheit befallener Reisender sich, auch wider seinen Willen, an den nächsten bewohnten Ort, wo der Schiffer landet, aussetzen lassen.
§. 1759. Ein Reisender, welcher Krankheits- oder anderer Ursachen wegen, das Schiff noch vor vollendeter Reise verläßt, muß dennoch die ganze bedungene Fracht entrichten, sobald ihm dabey auch nur das geringste Verschulden zur Last fällt.
§. 1760. Hat der Reisende die bey sich habenden Effekten dem Schiffer zur Aufbewahrung überliefert: so hat er in Ansehung derselben mit einem Befrachter gleiche Rechte.
§. 1761. Hat er aber selbige dem Schiffer nicht übergeben, und sie also in eigner Gewahrsam behalten, so haftet der Schiffer nur für einen durch seine oder seiner Leute Schuld entstandenen Verlust und Schaden.
§. 1762. Die Reisenden müssen allen Anweisungen des Schiffers Folge leisten, welche auf Beobachtung guter Ordnung im Schiffe, oder auf Erhaltung des Schiffes und der Ladung abzielen.
§. 1763. In dringenden Nothfällen müssen Reisende, zur Rettung des Schiffes, nach ihren Kräften hülfreiche Hand leisten.
§. 1764. Hat ein Reisender auf dem Schiffe ein Verbrechen begangen: so muß der Schiffer mit ihm eben so verfahren, als wegen eines ein Verbrechen begehenden Schiffmannes vorgeschrieben ist. (§. 1606. sqq.)
§. 1765. Wird während der Reise entdeckt, daß ein Reisender vor der Einschiffung sich eines wirklichen Hochverraths oder Aufruhrs schuldig gemacht habe: so muß ihn der Schiffer in Verhaft nehmen, und im nächsten inländischen Hafen den Gerichten ausliefern, oder auf andre sichere Art dahin schaffen.
Zwölfter Abschnitt. Von Haverey und Seeschäden
Von der Gemeinschaft zwischen Schiff und Ladung,
§. 1766. Zwischen einem Schiffe und seiner Ladung besteht eine Gemeinschaft zur Uebertragung der beyde zugleich treffenden Gefahr und Kosten.
§. 1767. Diese Gemeinschaft nimmt, in Ansehung eines jeden Stücks der Waare, ihren Anfang, sobald dasselbe über den Bord des Hauptschiffes gebracht ist.
§. 1768. Wenn, auch während der Reise, geworfenes oder sonst verloren gegangenes Gut von dem Befrachter durch andres ersetzt, oder von dem Schiffer zur Vollständigkeit der Ladung Waare eingenommen wird: so treten auch diese von Zeit der Einladung an in die Havereygemeinschaft.
§. 1769. Wenn während der Reise ein Theil der geladenen Waaren, auf Veranstaltung des Schiffers, in ein kleineres Fahrzeug gebracht, oder gar gelandet werden muß: so wird dadurch die Gemeinschaft nicht unterbrochen.
§. 1770. Dagegen endigt sich die Gemeinschaft, in Ansehung eines jeden geladenen Guts, sobald dasselbe, am Orte seiner Bestimmung, vom Borde des Hauptschiffes gebracht worden.
§. 1771. Wenn Waaren zum Behufe des Ein- und Ausschiffens in kleine Fahrzeuge, als Lichter, Bordings, und dergleichen mehr, geladen werden: so entsteht zwischen diesen Waaren eine Gemeinschaft für die Zwischenzeit, da jede derselben über den Bord des Fahrzeugs ein- und wieder herausgebracht worden.
§. 1772. Zwischen dem Fahrzeuge selbst aber, und den darin geladenen Waaren, ist keine Gemeinschaft vorhanden.
§. 1773. Nur in dem einzigen Falle, wenn zur Rettung eines solchen Fahrzeugs, und der Ladung desselben, ein Theil der letztern geworfen werden muß, ist der Eigentümer des Fahrzeugs den Verlust mit zu übertragen verbunden.
Von der ordinairen oder kleinen Haverey.
§. 1774. Die Ungelder, und andere Ausgaben, welche zum gemeinen Besten des Schiffs und seiner Ladung verwendet werden müssen, um die Schiffahrt und Reise zu befördern, werden die ordinaire oder kleine Haverey genannt.
§. 1775. Es macht keinen Unterschied, ob dergleichen Ausgaben am Ladungs- oder Losungsplatze, oder auf der Reise vorgefallen sind.
§. 1776. Jedoch müssen die zur kleinen Haverey gehörenden Ausgaben, welche an dem Orte der Ladung geschehen, und daselbst berechnet werden können, auch allda wieder bezahlt und abgemacht werden.
§. 1777. Es kann also weder der Schiffer dem Empfänger der Waaren, noch dieser jenem, deshalb in der Regel etwas anschlagen oder abfordern; sondern es werden nur solche Kosten, die sich erweislich nach der Absegelung, oder am Losungsorte ereignet haben, in Rechnung gebracht.
§. 1778. Zur kleinen Haverey gehören vornehmlich Anker-, Pilotage-, Lootsen-, Grund-, Feuer-, Back-, Prahmen-, Lichter-, Pfahl-, Brücken- und ordinaire Quarantainegelder, und dergleichen mehr.
§. 1779. Ferner die Ausgaben an die Admiralitäten der Ladungs- oder Losungsplätze, und an die Castelle, bey welchem das Schiff vorbey segelt; so wie auch Zölle, welche nicht für das Schiff allein, oder für die Ladung allein entrichtet werden; desgleichen die Kosten der Convoyen und Seynbriefe.
§. 1780. Ferner die Aufeisungskosten eines eingefrornen Schiffes, wenn selbige zu Bergung des Schiffs und der Güter verwendet worden, und nur Einen Thaler oder weniger auf die Last betragen.
Wie solche von den Interessenten zu tragen.
§. 1781. Wie die kleine Haverey von den Interessenten zu tragen sey, ist hauptsächlich nach der zwischen ihnen darüber getroffenen Abrede zu beurtheilen.
§. 1782. Wenn keine Abrede darüber getroffen ist, müssen die Rheder Ein Drittel, und die Empfänger der Waare Zwey Drittel übernehmen.
§. 1783. Der Beytrag der Empfänger wird unter sie nicht nach dem Werthe der Waaren, sondern nach der Zahl der Schiffslasten vertheilt.
§. 1784. Reisende sind, für ihre Person und Reisegeräthschaften, zur kleinen Haverey beyzutragen nicht schuldig.
II. Von der extraordinairen oder großen Haverey.
§. 1785. Alles, was bey vorhandener Noth und Gefahr des Schiffes und der Ladung, zur Abwendung oder Verminderung derselben aufgeopfert oder verwendet wird, ist für große oder extraordinaire Haverey zu achten.
§. 1786. Es gehören dahin alle Verwendungen an Geld oder Geldeswerth, welche zur Vermeidung oder Minderung einer solchen Gefahr gemacht worden; ingleichen die Beschädigungen, welche zu einem solchen Zwecke am Schiffe oder der Ladung absichtlich verursacht worden, oder eine natürliche Folge der dazu getroffenen Anstalten sind.
§. 1787. Dahin gehöret besonders, wenn ein Schiff bey Sturm oder Seesturz so viel Wasser eingenommen hat, daß Löcher im Verdeck gemacht, oder in die Seiten des Schiffs gehauen, oder sonst der Körper des Schiffes beschädigt werden müssen, um das Wasser zu den Pumpen zu leiten; ingleichen, wenn dadurch Waaren beschädigt oder verdorben worden.
§. 1788. Ferner, wenn zur Rettung des Schiffes oder Guts, Masten, Seegel, Stangen, Takelwerk, Anker, oder andere Schiffsgeräthschaften absichtlich gekappt, geschlitzt, verschlissen, oder sonst beschädigt, oder über Bord geworfen worden; ingleichen, wenn zu solchem Endzwecke das Boot von seiner Befestigung auf dem Verdeck gekappt, und über Bord gesetzt werden muß.
§. 1789. Schäden, welche zwar bey Gelegenheit einer gemeinschaftlichen Gefahr, aber durch bloßen Zufall, oder durch jemandes Schuld entstanden sind, können nicht zur großen Haverey gerechnet werden.
§. 1790. Bey der Verbindlichkeit zur gemeinsamen Uebertragung wird aber auch vorausgesetzt, daß durch die Verwendung oder Beschädigung der Zweck der Rettung wirklich, ganz oder zum Theil, erreicht worden.
§. 1791. Ein Schiff muß zur großen Haverey beytragen, wenn dasselbe nach überstandener Gefahr einen Hafen erreicht hat; sollte es auch für untüchtig zum Dienste erklärt werden.
§. 1792. Ist aber nach überstandener Gefahr Schiff und Ladung durch neue Unglücksfälle verloren gegangen: so findet keine Vertheilung statt, sondern ein jeder trägt seinen Schaden.
§. 1793. Wird hingegen ein Theil der Ladung geborgen, oder frey gegeben: so müssen dessen Eigenthümer davon zu der bey dem vorigen Unglücksfalle entstandenen großen Haverey eben so beitragen, als ob der neue Unglücksfall sich nicht ereignet hätte.
§. 1794. Ein Gleiches gilt von den Rhedern, wenn das genommene Schiff wieder frey gegeben, oder ausgelöst wird; ferner, wenn zwar das Schiff durch Wind und Wetter neue Unfälle erlitten hat, jedoch nicht ganz verloren gegangen, sondern davon mehr gerettet ist, als die Bergungskosten betragen.
Von den vorzüglichsten Fällen, welche zur großen Haverey gehören.
§. 1795. Der Seewurf kann nur alsdann geschehen, wenn Sturm, Seenoth, oder feindliche Verfolgung es nothwendig machen, das Schiff zu erleichtern.
§. 1796. Nur ein auf Veranlassung oder Befehl des Schiffers, oder dessen, der seine Stelle vertritt, erfolgter Seewurf, kann zur großen Haverey gezogen werden.
§. 1797. Ehe der Schiffer dazu schreitet, muß er mit den an Bord befindlichen Befrachtern, oder deren Bevollmächtigten, ingleichen mit dem Schiffsvolke Seerath halten.
§. 1798. Leidet die dringende Gefahr dieses nicht: so muß er wenigstens den Steuer-, Hochboots- und Zimmermann mit ihrem Gutachten vernehmen.
§. 1799. Reisende und Befrachter können sich weder der vom Schiffer beschlossenen Werfung widersetzen, noch den Schiffer wider seinen Willen zum Seewurfe nöthigen; sondern in jedem Falle nur verlangen, daß darüber Seerath gehalten werde.
§. 1800. Bey der Werfung selbst muß mit den Waaren, die auf dem Verdecke, Ueberlaufe, Back und Schanze liegen, oder an den Seiten des Schiffs angehängt sind, der Anfang gemacht werden.
§. 1801. Ein Gleiches gilt von den Waaren, die in das Boot oder die Schaluppe geladen worden.
§. 1802. Sodann müssen, so viel als möglich, nur Stücke, Fässer, Kasten, oder Packe von Waaren, welche die geringsten am Werthe sind, und das Schiff am meisten beschweren, geworfen werden.
§. 1803. Dagegen sind solche Behältmisse vorzüglich zu schonen, in welchen Edelsteine, Perlen, gemünztes oder umgemünztes Gold oder Silber, oder sonst Kostbarkeiten und Kleinodien sich befinden.
§. 1804. Hat jemand dergleichen Sachen unter andere Waaren gepackt, und dieses bey der Einschiffung verschwiegen: so muß er den Schaden, der ihm aus der Verheimlichung entstanden ist, allein tragen.
§. 1805. Zeigt er aber dem Schiffer die verschwiegene Beschaffenheit noch in Zeiten an: so muß ein solches Pack mit dem Wurfe verschont werden.
§. 1806. Findet sich hiernächst, daß die Anzeige unrichtig gewesen: so soll eine solche verschonte Waare nach ihrem vierfachen wirklichen Werthe in Havereyrechnung gebracht werden.
§. 1807. Auch Mund- und Kriegesbedürfnisse, Kleider und Geräthschaften des Schiffers, des Schiffsvolks, und der Passagiers, kommen, wenn sie geworfen worden, bey der großen Haverey mit in Anschlag.
§. 1808. Ein Gleiches gilt von Waaren, die das Schiffsvolk für eigne Rechnung mitzunehmen befugt ist.
§. 1809. Auch Waaren und Sachen, die zwar nicht geworfen, aber durch die bey Gelegenheit des Wurfs getroffenen Anstalten beschädigt, verdorben, oder in eine solche Lage gekommen sind, daß sie von den Wellen weggespült worden, müssen vergütet werden.
§. 1810. Wenn das Schiff zwar in eben der Noth, da der Wurf geschehen ist, durch Wind und Wellen Schaden gelitten hat; dieser Schade jedoch weder absichtlich zu Rettung des Schiffes und der Ladung verursacht worden, noch eine natürliche Folge der dazu getroffenen Anstalten gewesen ist: so können die Rheder in so weit von den Befrachtern keinen Havereybeytrag fordern.
§. 1811. Eben dies findet von der auf solche Art sich ereignenden Beschädigung der geladenen Güter Anwendung.
§. 1812. Wenn zur Erleichterung des Schiffes Waaren in ein kleineres Fahrzeug geladen, und daselbst verdorben, oder verloren worden: so gehört dieser Schade zur großen Haverey.
§. 1813. Ist der Schade durch Untauglichkeit des kleineren Fahrzeuges geschehen: so können sich die übrigen Interessenten, wegen ihres Havereybeytrages, an den Eigenthütner desselben halten.
§. 1814. Ein Gleiches findet statt, wenn der Schade aus Verwahrlosung oder Untreue der Mannschaft des kleineren Fahrzeuges entstanden ist.
§. 1815. Der Schiffer des Hauptschiffes ist nur alsdann verhaftet, wenn er ein untaugliches Fahrzeug ohne Noth gewählt hat.
§. 1816. Hat von der in ein kleineres Fahrzeug während der Reise geladenen Waare, zur Rettung desselben und seiner Ladung, etwas geworfen werden müssen: so wird dieser Schade von dem Bording, und seiner übrigen Ladung, als große Haverey getragen: und was die Bordingsladung dazu beyträgt, wird alsdann vom Hauptschiffe und dessen übriger ganzen Ladung vergütet.
§. 1817. Sobald ein Seewurf nach Vorschrift des §. 1795. geschehen ist, muß die Vergütung als große Haverey ohne Widerrede statt finden.
§. 1818. Mit dem Vorwande, daß bey dem Wurfe selbst, oder bey der Auswahl der zu werfenden Sachen, übereilt oder sonst vorschriftswidrig verfahren worden, kann sich kein Interessent gegen den Beytrag schützen; sondern nur den Regreß an den Schiffer, oder andern Urheber des Schadens nehmen.
§. 1819. Hat jedoch der Schiffer das Schiff überladen; und muß zu dessen Erleichterung die auf dem Verdecke liegenden Güter werfen: so können die Eigenthümer dieser letztern sich nur an den Schiffer halten; und es findet die Vergütung als große Haverey nicht statt.
§. 1820. Hat der Schiffer, um die Ladung zu retten, das Schiff absichtlich zum Stranden gebracht: so gehört der dabey am Schiffe und an der Ladung entstandene Schade, nebst allen dadurch verursachten Kosten, zur großen Haverey.
§. 1821. Erhellet aus den Umständen klar, daß die Strandung bloß in der Absicht geschehen ist, um das Leben oder die Freyheit der Equipage zu retten: so wird der entstandene Schade selbst alsdann, wenn die ganze Ladung gerettet worden, nur für partikulaire Haverey geachtet. (§. 1900. sqq.)
c) Erleichterung des auf eine Klippe oder Sandbank gerathenen Schiffes;
§. 1822. Ist ein Schiff durch Zufall auf den Grund oder auf eine Klippe gerathen; und wird durch das Abbringen beschädigt: so muß die Vergütung als große Haverey geschehen.
§. 1823. Dahin gehören auch die bey solcher Gelegenheit der Ladung zugefügten Beschädigungen; die Aus- und Einladungskosten; ingleichen die Kosten, wodurch das Schiff befreyet worden.
§. 1824. Wird ein Schiffer, um Strand und Klippen zu vermeiden, genöthigt, das Schiff zur gemeinschaftlichen Erhaltung zu prangen: so ist der dadurch am Schiffe und dessen Geräthschaften entstandene Schade ebenfalls als große Haverey zu vergüten.
e) Einlaufen in einen Nothhafen;
§. 1825. Muß ein Schiff, wegen erhaltenen Lecks, oder andrer Gefahr, in einen Nothhafen einlaufen: so gehören alle Kosten des Ein- und Ausladens, ingleichen der Unterhalt des Schiffsvolks während des Aufenthalts im Nothhafen, so wie die Heuer desselben, in so fern ihr Betrag durch eine solche Verlängerung der Reise vermehrt wird, zur großen Haverey.
§. 1826. Ein Gleiches gilt von den Aus- so wie von den Einladungskosten, wenn zum Behufe der Ausbesserung des Schiffes, oder sonst aus erheblichen Gründen, die Ladung im Nothhafen geloset wird.
§. 1827. Muß ein Schiff auf Convoy warten, oder sonst, wegen besorglicher Feindesgefahr, in einem neutralen Hafen eine Zeitlang liegen bleiben: so werden die Heuer und der Unterhalt des Schiffsvolks für diesen Zeitraum nach näherer Bestimmung §. 1825. als große Haverey vergütet.
§. 1828. Es macht keine Ausnahme, wenn gleich zur Zeit des Auslaufens die Gefahr schon bekannt gewesen, und wegen der Convoy nichts verabredet seyn sollte.
§. 1829. Hat der Schiffer feindlichen Kapern oder Seeräubern, um Schiff und Gut zu retten, gewisse Waaren oder Schiffsgeräthschaften angewiesen, oder übergeben: so wird deren Werth als große Haverey vergütet.
§. 1830. Ist in Fällen dieser Art ein bedungenes Lösegeld baar bezahlt worden: so muß die Auslage auf gleiche Art erstattet werden.
§. 1831. Haben die Feinde den Schiffer, oder andre am Bord befindliche Personen, als Geisel für das bedungene Lösegeld mitgenommen: so müssen, außer dem Lösegelde, auch die dadurch den Geiseln verursachten Zehrungs- und andere Kosten, als große Haverey ersetzt werden.
§. 1832. Von der Zahlung können die Rheder und Befrachter, in diesem besondern Falle, durch Abtretung ihrer Antheile am Schiffe oder an der Ladung sich nicht befreyen.
§. 1833. Sie sind vielmehr selbst alsdann dafür verhaftet, wenn gleich das Schiff oder die Ladung durch nachherige Unglücksfälle verloren gegangen seyn sollte.
§. 1834. Wenn auch ein nicht feindlicher Kaper den Schiffer genöthigt hat, ihm Provision, Geräthschaften, oder Waaren, gegen versprochene aber nicht erfolgte Bezahlung zu überlassen: so gehört dieser Verlust zur großen Haverey.
h) Vertheidigung des Schiffes gegen feindliche Anfälle;
§. 1835. Wird bey der Vertheidigung gegen Kaper oder Seeräuber Schiff und Gut beschädigt: so geschieht der Ersatz dieses Schadens, nebst der im Gefechte verbrauchten Ammunition, als große Haverey.
§. 1836. Sind bey einer solchen Gelegenheit dem Schiffsvolke zur Aufmunterung Belohnungen versprochen, oder gegeben worden: so wird eine solche Auslage gleichfalls vergütet.
§. 1837. Eben dahin gehören alle Kosten zur Heilung und bessern Verpflegung der Verwundeten, zum Begräbniß der Getödteten, und zur Abfindung der untauglich gewordenen Schiffsleute.
§. 1838. Auch dasjenige, was den Wittwen und Kindern der Getödteten, oder an ihren Wunden gestorbenen Schiffsleuten gereicht werden muß, ist in Rechnung zu bringen.
i) von außerordentlichen Kosten überhaupt;
§. 1839. Außer diesen Fällen gehören auch alle außerordentliche Kosten, welche zur Fortsetzung der Reise verwendet werden müssen, und Einen Thaler, auf die Schiffslast gerechnet, übersteigen, ebenfalls zur großen Haverey. (§. 1774. sqq.)
Wo die Havereyrechnung anzulegen.
§. 1840. Jeden zur großen Haverey gehörenden Fall muß der Schiffer, sobald er sich ereignet, und es die Umstände gestatten, in sein Tagebuch umständlich verzeichnen, und den erlittenen Schaden so genau als möglich bemerken.
§. 1841. Ist der Fall eines Seewurfs vorhanden: so muß der Schiffsschreiber, oder wer sonst seine Stelle vertritt, oder auch der Schiffer oder Steuermann selbst, die vorwaltenden Umstände, die Meinungen der Schiffsleute und Eigenthümer, ingleichen die geworfenen, oder auch durch die Werfung beschädigten Waaren, nach den Packen, Kisten, Tonnen, mit ihren Nummern und Zeichen, genau aufschreiben.
§. 1842. Wenn Zeit und Gefahr dergleichen pünktliche Aufzeichung nicht erlauben: so soll so viel als möglich bemerkt; der Beweis des übrigen aber durch die eidlichen Aussagen und Angaben der Schiffsleute geführt werden.
§. 1843. In dem ersten Hafen, wo der Schiffer landet, muß er den Havereyfall und entstandenen Schaden den dortigen Seegerichten, oder dem Consul der Nation umständlich anzeigen, und sich darüber ein Attest ausstellen lassen.
§. 1844. Auch muß er den Rhedern und Befrachtern, ingleichen den Correspondenten derselben am Bestimmungsorte, sobald als möglich davon Nachricht geben.
§. 1845. Wenn er am Orte der Bestimmung anlangt, muß er den erlittenen Havereyfall den Gerichten, den Empfängern der Waaren, und den etwa daselbst befindlichen Bevollmächtigten der Rheder, noch vor der Losung anzeigen.
§. 1846. Er muß zugleich den Seegerichten sein Tagebuch vorlegen, und nebst den vornehmsten des Schiffsvolks den Inhalt desselben, so wie die Wahrheit seiner Angabe, eidlich bestärken.
Wie der Schade, welcher vergütet werden soll, zu bestimmen.
§. 1847. Bey der Untersuchung des zu vergütenden Schadens müssen zuvörderst diejenigen Sachen abgesondert werden, welche, wenn sie auch bey einem Havereyfalle beschädigt worden, dennoch keine Vergütung erhalten.
§. 1848. Dahin gehören vornehmlich die Güter, welche der Schiffer als Ueberfracht eingenommen hat.
§. 1849. Ferner die Waaren, welche auf den Verdeck, Ueberlauf, Back, oder Schanze gelegt, in das Schiffsboot gepackt, oder an die Seiten des Schiffes gehängt worden.
§. 1850. Der Eigenthümer solcher Waaren hat keine Vergütung durch Havereyrechnung zu fordern, wenn gleich diese Art der Unterbringung (§. 1848. 1849.) ohne sein Vorwissen geschehen ist; sondern er kann sich deshalb nur an den Schiffer und das Schiff halten.
§. 1851. Güter, wovon gar kein Connossement vorhanden ist, ingleichen heimlich ins Schiff gebrachte Waaren, erhalten keine Vergütung.
§. 1852. Eben dies findet von solchen Gütern statt, welche der Eigenthümer, oder dessen Bevollmächtigter, bey entstehender Seegefahr, ohne des Schiffers und Schiffsvolks Einwilligung, wegnehmen und anderswo hinbringen läßt.
§. 1853. Eben so wird auch der Schade am Schiffsboote nicht vergütet, wenn dasselbe nicht auf dem Verdecke befestigt gewesen.
Wie der Betrag des Schadens auszumitteln.
§. 1854. Der Betrag des zu vergütenden Schadens selbst muß entweder durch Vereinigung sämmtlicher Interessenten, oder durch die in den Gesetzen vorgeschriebenen Beweismittel festgesetzt werden.
§. 1855. Schiffsprovisionen, Geräthschaften, oder andre zur eigentlichen Ladung nicht gehörende Sachen, werden nach dem gemeinen Werthe des Orts, wo sie wieder angeschafft werden, müssen, geschätzt; jedoch werden bey Geräthschaften, und solchen Sachen, die durch den Gebrauch abgenutzt werden, nur Zwey Drittheile dieses Werths in Rechnung gebracht.
§. 1856. Ist der Körper des Schiffs selbst beschädigt: so müssen die Ausbesserungskosten durch den Anschlag vereideter Sachverständigen festgesetzt werden.
§. 1857. Eben dies gilt, jedoch unter der §. 1855. in Ansehung des Werths gegebenen Bestimmung, wenn Schiffsgeräthschaften nicht verloren, sondern nur beschädigt worden.
§. 1858. Sind Waaren verloren gegangen: so wird bey Bestimmung ihrer Art und Quantität die Chartepartie, das Connossement, die Faktur, oder andere bey der Einschiffung geschehene Declaration, zum Grunde gelegt.
§. 1859. Kann dargethan werden, daß die Angabe bey der Einschiffung zu hoch gewesen sey: so ist nur auf die erwiesene Art und Quantität zu sehen.
§. 1860. Dagegen wird auf die Behauptung des Eigenthümers, daß in dem verlornen Packe, Fasse u. s. w. mehrere oder bessere Waare gewesen, als angegeben worden, keine Rücksicht genommen.
§. 1861. Der Werth verlorner Waaren wird nach dem comptanten Marktpreise am Losungsorte, zur Zeit der Losung, angeschlagen.
§. 1862. Davon sind jedoch die kleine Haverey, die Ausladungskosten und andere Ungelder abzuziehen, welche von der Waare, wenn sie wirklich angekommen wäre, hätten entrichtet werden müssen.
§. 1863. Die Fracht hingegen, wenn sie dem Schiffer bezahlt werden muß, kommt nicht in Abzug.
§. 1864. Sind die verlornen Waaren, zur Zeit des Havereyfalls, durch Seesturz oder andern Zufall schon beschädigt gewesen: so werden sie nur nach dem Werthe, den sie bey dem Verluste wirklich noch hatten, vergütet.
§. 1865. Dieser Werth muß auf den Grund der eidlichen Angabe des Schiffers, und seiner Leute, über den Zustand der Waaren zur Zeit des Verlustes, durch das Gutachten der Sachverständigen billig bestimmt werden.
§. 1866. Sind Waaren nicht ganz verloren, sondern nur beschädigt worden: so werden sie auf gemeinschaftliche Kosten öffentlich verkauft, und die daraus gelöseten Gelder dem Eigenthümer zugestellt; außerdem aber wird demselben der Unterschied mit dem nach §. 1861-1863. zu bestimmenden Werthe vergütet.
Wie der Beytrag zur großen Haverey festzusetzen.
§. 1867. Ist solchergestalt der Betrag der zu vergütenden großen Haverey ausgemittelt: so muß derselbe zwischen Schiff und Ladung verhältnißmäßig vertheilt werden.
§. 1868. Zur Bestimmung dieses Verhältnisses muß der Werth des Schiffes nebst Zubehör nach demjenigen Zustande, in dem es aus der See gekommen ist, durch vereidete Sachverständige geschätzt werden.
§. 1869. Die zur Fortsetzung der Reise oder zur Retour bestimmten Mund- und Kriegsprovisionen kommen nicht in Anschlag; wohl aber das durch die zurückgelegte Reise verdiente Frachtgeld, nach Abzug desjenigen, was die Rheder daraus noch zu bezahlen haben, besonders der noch rückständigen Heuer des Schiffers und des Volks, ingleichen des Beytrags zur kleinen Haverey.
§. 1870. Nach dem solchergestalt ausgemittelten Werthe des Schiffs wird dessen Beytrag zur großen Haverey bestimmt.
§. 1871. In Absicht der Ladung müssen zuvörderst diejenigen Stücke abgesondert werden, welche von dem Beytrage zur großen Haverey frey sind.
§. 1872. Dahin gehören alle Waaren, welche erst nach dem Havereyfalle über den Bord des Hauptschiffes gebracht worden.
§. 1873. Ferner diejenigen, welche zu der Zeit, da sich der Havereyfall ereignet, am Bestimmungsorte schon vom Borde des Hauptschiffes gebracht sind.
§. 1874. Ferner die Heuer und Equipage des Schiffers und Schiffsvolks; so wie auch diejenigen Waaren, welche dasselbe für eigne Rechnung vermöge der ihm §. 1596. beygelegten Befugniß mitgenommen hat.
§. 1875. Desgleichen die Kleidungsstücke und Reisebedürfnisse der Passagiers.
§. 1876. Hat bey einem Schiffbruche jemand die ihm zugehörigen Sachen an sich genommen, und mit eigner Lebensgefahr gerettet: so kann ihm davon kein Beytrag abgefordert werden.
§. 1877. Ein Gleiches gilt von den, durch solche Taucher, welche ein Befrachter für eigne Rechnung gedungen hat, herausgebrachten Waaren.
§. 1878. Außer vorstehenden, müssen alle im Schiffe befindlich gewesene Waaren und Effekten zur großen Haverey beytragen.
§. 1879. Dieses gilt sowohl von den verloren gegangenen oder beschädigten, und in der Berechnung als große Haverey vergüteten, als von den geretteten Waaren.
§. 1880. Selbst geworfene Waaren müssen, auch bey der nachher während der Reise sich ereigneten Unglücksfällen, den Beytrag zur großen Haverey erlegen.
§. 1881. Die Art und Quantität der geretteten Waaren wird nach Vorschrift des §. 1858. sqq. angenommen.
§. 1882. Kann dargethan werden, daß die Qualität oder Quantität einer Waare zu niedrig angegeben worden: so muß die durch gerichtliche Besichtigung auszumittelnde wahre Beschaffenheit in Anschlag kommen.
§. 1883. Eben dies findet von denjenigen Waaren statt, worüber keine Connossemente vorhanden sind.
§. 1884. Auch die Bestimmung des Werths der geretteten Waaren geschieht nach Vorschrift des §. 1861-1866.
§. 1885. Wegen der bey einem Seewurfe unrichtig angezeigten und verschonten Waaren findet die Vorschrift des §. 1806. Anwendung.
§. 1886. Waaren deren Werth, während der Reise, durch inneren Verderb, oder andre zur großen Haverey nicht gehörende Unglücksfälle, verringert worden, dürfen nur nach demjenigen Werthe beytragen, den sie zur Zeit der Losung noch wirklich haben.
§. 1887. Effekten, welche keinen gewöhnlichen Marktpreis haben, sind nach ihrem wirklichen Werthe zur Zeit der Losung, durch vereidete Sachverständige zu schätzen.
§. 1888. Heimlich eingebrachte, ingleichen die in Absicht der Art oder Quantität unrichtig deklarirte Waaren, werden nach den höchsten zur Losungszeit am Losungsorte geltenden Preisen berechnet.
§. 1889. Der Empfänger solcher Waaren, von welchen ein Beytrag zur großen Haverey zu entrichten ist, haftet nach geschehener Andeutung, für den festzusetzenden Beytrag als Selbstschuldner.
§. 1890. Er ist verbunden, längstens binnen Acht Tagen nach der Abladung, den Werth derselben, vorstehenden Grundsätzen gemäß, genau und richtig anzugeben, und auf Erfordern eidlich zu erhärten.
§. 1891. Sind ihm die Waaren zur weitern Spedition überschickt: so muß er sie nicht eher versenden, als bis die vorgeschriebene Angabe des Werths geschehen ist.
§. 1892. Wird die Richtigkeit des angegebenen Werths bezweifelt: so können die übrigen Interessenten, auf Kosten des verlierenden Theils, eine gerichtliche Taxe durch vereidete Sachverständige verlangen.
§. 1893. Wer überführt wird, vorsätzlich, oder aus grobem Versehen, den Werth einer empfangenen Waare zu niedrig angegeben zu haben, soll von dem wirklichen Werthe vierfachen Beytrag entrichten, und die Kosten erstatten.
§. 1894. Wenn solchergestalt die Summe, nach welcher ein jeder Interessent zu dem Havereyschaden beytragen muß, ausgemitelt worden: so geschieht die Vertheilung des Beytrages unter die sämmtlichen Interessenten nach der Sodetätsregel.
§. 1895. Werden hiernach auf ihn fallenden Beytrag verweigert, den kann und muß der Schiffer, bey eigner Verhaftung, zur Bestellung hinreichender Sicherheit anhalten, oder die Waaren mit Arrest belegen.
§. 1896. Auch kann der Schiffer auf öffentlichen gerichtlichen Verkauf der Waaren, so viel dazu nöthig ist, antragen.
§. 1897. Das Schiff darf nicht eher aus dem Hafen gelassen werden, als bis die Rheder ihren Beytrag zur Haverey davon entrichtet, oder hinreichende Sicherheit dafür bestellt haben.
§. 1898. Den Vorzug des rückständigen Beytrages zur großen Haverey bey entstehendem Concurse, bestimmen die Vorschriften des Ersten Theils Tit. XX. §. 326. in Absicht des Schiffes, und die Prozeßordnung in Absicht der Waaren.
§. 1899. Werden geworfene, oder sonst verunglückte Güter, nach schon geschlossener Havereyrechnung gerettet: so muß der nach Abzug der Bergungs- und andern Kosten übrig bleibende Werth den Interessenten, nach Verhältniß ihrer Beyträge, wieder zu gute kommen.
III. Von der Particulairhaverey.
§. 1900. Alle übrige nach vorstehenden Grundsätzen weder zur großen noch zur kleinen Haverey gehörende Schäden und Kosten, welche bey Gelegenheit der Schiffahrt und Reise, das Schiff oder die Ladung treffen, werden für particulaire oder besondre Haverey geachtet; und müssen von dem Eigenthümer der Sache, über welche sie ergangen sind, allein getragen werden.
§. 1901. Wenn also ein Schiff auf den Grund oder auf eine Klippe gerathen ist, und nicht durch das Abbringen selbst beschädigt wird: so gehört die daraus entstandene Beschädigung zur besondern Haverey; die Kosten aber, durch welche das Schiff befreyet wird, sind große Haverey.
§. 1902. Wenn ein Schiff, oder dessen Geräthschaften, durch Gewalt des Windes verdorben, oder verloren worden: so ist die daraus entstandene Beschädigung ebenfalls besondre Haverey; es wäre denn, daß der Schiffer, um Strand und Klippen zu vermeiden, genöthigt wäre, das Schiff zu prangen. (§. 1824.)
§. 1903. Wenn Kaper oder Seeräuber Schiffsgeräthschaften, Ammunition, oder Lebensmittel vom Schiffe wegnehmen: so trägt das Schiff den Schaden allein.
§. 1904. Eben so trifft, wenn von Kapern oder Seeräubern Waaren aus dem Schiffe entwendet worden, der Verlust die Eigenthümer der Waaren.
§. 1905. Ein Gleiches findet statt, wenn Waaren bloß durch Sturm oder Seesturz beschädigt, verdorben, oder weggespült worden.
§. 1906. Sind in einem neutralen Schiffe verbotne Waaren oder Sachen gefunden worden: so gehört der aus der Confiscation entstehende Schade nicht zur großen Haverey.
§. 1907. Welche Waaren und Sachen für verboten zu achten sind, wird unten (§. 2034. sqq.) bestimmt.
§. 1908. Schiffer und Rheder, welche wissentlich, oder aus grobem Verschulden, verbotne Waaren oder Sachen eingenommen haben, sind den übrigen Befrachtern zum Ersatze des dadurch verursachten Schadens verhaftet.
§. 1909. Haben aber die übrigen Befrachter von der verbotenen Qualität Wissenschaft gehabt: so muß, wenn Schiff oder Ladung deshalb aufgebracht worden, ein jeder seinen Schaden allein tragen.
§. 1910. Entsteht Verlust oder Schaden daher, weil ein Schiff nicht mit den gehörigen Pässen, Chartepartie, Connossements, oder sonst nöthigen Briefschaften versehen ist: so müssen der Schiffer und diejenigen, welchen die Besorgung dieser Erfordernisse obgelegen hat, dafür haften.
Von Beschädigung der Schiffe durch An- und Uebersegeln.
§. 1911. Wenn zwey unter Segel sich befindende Schiffe, ohne grobes Verschulden des einen oder des andern Schiffers, aufeinander ansegeln, oder stoßen; dergestalt, daß eins oder das andere, oder beyde Schaden leiden: so muß der beyderseitige Verlust und Schade berechnet, und zusammengeschlagen werden.
§. 1912. Von der ganzen Summe trägt jedes Schiff die Hälfte.
§. 1913. Ist das An- oder Uebersegeln von einem der Schiffer vorsätzlich, oder durch grobe Schuld verursacht worden: so muß derselbe seinen Schaden allein tragen, und dem andern Schiffe den ganzen erlittenen Schaden vergüten.
§. 1914. So weit, als der Schade aus dem Vermögen des Schiffers, ingleichen aus dem Schiffe und dessen Frachtgeldern nicht ersetzt wird, ist er als Particularhaverey zu betrachten.
§. 1915. Eben dies findet statt, wenn das Schiff, welches durch Zufall, oder grobe Schuld des Schiffers, ein anderes auf gedachte Art beschädigt hat, nicht ausgemittelt werden kann.
§. 1916. Wird ein vor Anker liegendes, oder am Lande festgemachtes Schiff, von einem segelnden Schiffe beschädigt: so muß des letztern Schiffer allen verursachten Schaden erstatten; er könnte denn nachweisen, daß er durch einen ganz unvermeidlichen Zufall zum An- oder Uebersegeln genöthigt worden; in welchem Falle die Vorschrift §. 1911. 1912. Anwendung findet.
§. 1917. Hat in diesem Falle der festliegende Schiffer der Gefahr ausweichen können, und es vorsätzlich, oder aus grober Schuld unterlassen: so ist derselbe zum Schadensersatze nach §. 1913. verhaftet.
§. 1918. Liegen zwey oder mehrere Schiffe vor Anker, und kommen einander gefährlicher Weise zu nahe: so muß der voranliegende Schiffer, auf des andern Zuruf, den Anker lichten und ablegen.
§. 1919. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Schiffe in Gefahr stehen, durch Ablaufen des Wassers auf den Grund zu gerathen.
§. 1920. Hat der voranliegende Schiffer diese Vorschriften vorsätzlich oder aus grober Schuld unbefolgt gelassen: so muß er den ganzen dadurch veranlaßten Schaden ersetzen.
§. 1921. Leidet der Schiffer, welcher ausweichen soll, bey dem Versuche dazu, ohne sein grobes Verschulden, selbst Schaden: so kann er von dem Zurufenden Vergütung fordern.
§. 1922. Ist der Zurufende, bey dem Ausweichen, ohne grobes Verschulden des andern beschädigt worden: so bleibt der Ausweichende von der Verantwortung frey.
§. 1923. Werden zwey festliegende Schiffe durch Gewalt der Wellen, oder des Windes, dergestalt zusammen gestoßen, daß eines oder beyde gequetscht, gedrückt, oder sonst beschädigt worden: so finden die Vorschriften §. 1911. Anwendung.
§. 1924. Eben das gilt, wenn zwey festliegende Schiffe zu Einer Zeit loskommen, an einander treiben, und dadurch bey einem oder beyden Schaden entsteht.
§. 1925. Ist aber ein vor Anker liegendes Schiff wegen Untauglichkeit seiner Taue, oder sonst durch grobes Verschulden des Schiffers, los und treibend geworden: so muß der Schiffer allen an den festliegenden Schiffen verursachten Schaden erstatten.
§. 1926. Ist hingegen ein Schiff ohne grobes Verschulden des Schiffers los und treibend geworden, so muß der Schade des Anstoßens, nach den Vorschriften §. 1911. gemeinschaftlich getragen werden.
§. 1927. Hat der antreibende Schiffer dem festliegenden zugerufen, den Tau schießen zu lassen, und letzterer hat es nicht gethan, da es doch die Umstände gestattet hätten: so ist ersterer zur Entschädigung nicht verbunden.
§. 1928. Sind in den §. 1911. 1916. 1921. 1922. 1923. 1926. beschriebenen Fällen, auch die geladenen Waaren zu Schaden gekommen: so kann der daran erlittene Verlust bey der Schadenberechnung nicht mit in Anschlag kommen, sondern wird als particulaire Haverey betrachtet.
§. 1929. Fällt nach obigen Grundsätzen die Vergütung einem der Schiffer zur Last: so müssen, bey seinem Unvermögen, dessen Rheder, so weit ihre Schiffsparten reichen, den Ausfall vertreten.
§. 1930. Sind beyde Schiffer an dem einander zugefügten Schaden schuld, so findet die Vorschrift des Ersten Theils, Tit. VI. §. 22. statt.
§. 1931. Ein solcher durch An- oder Uebersegeln, Antreiben und Stoßen entstandener Unglücksfall, wenn er im Hafen geschehen ist, muß binnen Acht und vierzig Stunden nach der Ereigniß, bey Verlust des Rechts, den gehörigen Gerichten angezeigt werden.
§. 1932. Geschieht der Unglücksfall auf der See: so muß von jedem Schiffer die Vorschrift des §. 1840. sqq. beobachtet werden.
§. 1933. Bey Stromschiffen finden gleiche Grundsätze statt.
Dreyzehnter Abschnitt. Von Versicherungen
§. 1934. Bey einer Versicherung, oder Assekuranz, übernimmt der Versicherer, gegen Erhaltung einer gewissen Abgabe oder Prämie, die Vergütung des aus einer bestimmten Gefahr die versicherte Sache treffenden Schadens.
§. 1935. Ist keine Prämie bedungen worden: so wird das Geschäfte nicht als eine Assekuranz, sondern als eine Schenkung betrachtet. (Erster Theil, Tit. XL §. 1089. sqq.)
§. 1936. Mäkler und Schiffsklarirer sollen weder Schiffe, noch Schiffsparten, noch Kaufmannsgüter und Waaren, bey Vermeidung der §. 1328. bestimmten Strafe, auf eigne Rechnung versichern lassen.
§. 1937. Schiffer und Schiffsleute dürfen über ihre Heuer oder Lohn keine Versicherung nehmen; bey Verlust des Rechts und der Prämie, deren doppelter Betrag von dem Versicherer zur Strafe an die Casse der Seearmen erlegt werden soll.
§. 1938. Versicherungen ertheilen, setzt nothwendig die Befugniß voraus, einen lästigen Vertrag zu schließen. (Erster Theil, Tit. V. §. 11.)
§. 1939. Mäkler, Schiffsklarirer und Abrechner; öffentlich bestellte Dispascheurs, Schadentaxatoren, und richterliche Personen in Assekuranzstreitigkeiten; Vorsteher und Bediente der Bank; Vorsteher und Bediente der Assekuranzkompagnie; Officianten, sowohl bey Landesherrlichen, als andern öffentlichen Cassen; ingleichen Zoll- und Accisebediente, dürfen für eigne Rechnung, weder unmittelbar noch mittelbar, Versicherungen ertheilen.
§. 1940. Wird diesem Verbote zuwider gehandelt: so ist der Vertrag nichtig; die bedungene Prämie fällt dem Fiskus anheim; und der unbefugte Versicherer soll seines Amts entsetzt werden.
§. 1941. Hat in solchem Falle der Versicherte, ohne sein Verschulden, die dem Versicherer entgegen stehende Eigenschaft nicht gewußt: so haftet ihm letzterer zur Entschädigung.
§. 1942. Wer den Auftrag hat, für einen Dritten Versicherung zu suchen, darf dieselbe ohne besondere Genehmigung des Auftragenden nicht selbst übernehmen; widrigenfalls er die Prämie herausgeben muß, und für die übernommene Gefahr nichts desto weniger verhaftet ist.
§. 1943. Einem jeden steht frey, Versicherungen da zu nehmen, wo er es am rathsamsten findet.
§. 1944. Die Rechte einer zu Versicherungen besonders privilegirten Gesellschaft sind aus dem ihr ertheilten Privilegio zu beurtheilen.
§. 1945. Wer für fremde Rechnung Versicherung nimmt, muß dazu mit Vollmacht oder Auftrag versehen seyn; widrigenfalls die Versicherung ungültig, und die bedungene Prämie verfallen ist.
§. 1946. Jedoch können Handlungsfaktore und Disponenten, auch ohne besondere Vollmacht, für Rechnung ihres Principals Versicherung nehmen.
§. 1947. Soll ihnen diese Befugniß nicht zustehen: so muß eine solche Einschränkung gehörig bekannt gemacht seyn. (§. 503. sqq.)
§. 1948. Wer für fremde Rechnung ohne Specialvollmacht zeichnet, haftet nur für seine Person.
§. 1949. Eben dies findet auch von Handlungsfaktoren und Disponenten statt, wenn sie nicht durch Specialvollmacht, oder ein für allemal in ihrer Prokura, dazu legitimirt sind.
§. 1950. So wie jeder ohne Vollmacht im Namen eines Andern geschlossener Vertrag, durch desselben nachher hinzukommende Genehmigung zu Kräften gelangt: so findet ein Gleiches auch bey dem Versicherungsvertrage statt.
§. 1951. Einer stillschweigenden Genehmigung ist gleich zu achten, wenn derjenige, in dessen Namen die Versicherung genommen oder ertheilt worden, nach davon erlangter Wissenschaft, binnen der im Ersten Theil, Tit. V. §. 95. sqq. bestimmten Fristen, keinen gerichtlichen Protest dagegen einlegt.
Gegenstände in den Versicherungen.
§. 1952. Ueber alles, was der Gegenstand eines rechtsgültigen Vertrags seyn kann, können auch Versicherungen geschlossen werden. (Th. I. Tit. V. §. 39. sqq.)
§. 1953. Jede künftige Gefahr, die nicht mit verbotnen Handlungen verknüpft ist, kann der Versicherer übernehmen.
§. 1954. Ist eine Versicherung über die Gefahr bey verbotnen Handlungen geschlossen: so muß jeder Theil die gezeichnete Summe zur Strafe erlegen.
§. 1955. Sind Waaren und Güter, welche wider die Landesgesetze aus-, ein-, oder durchgeführt werden sollen, versichert: so ist der Versicherte aller Vortheile aus dem Vertrage verlustig, und der Fiskus tritt an seine Stelle.
§. 1956. Hat der Versicherer wissentlich auf solche Waare gezeichnet: so wird er als Theilnehmer bestraft, und die Prämie verfällt dem Fiskus.
§. 1957. Ist die Versicherung nur zum Theil auf dergleichen Waaren gerichtet: so besteht sie in Ansehung der unverbotenen.
§. 1958. Werden jedoch diese mit der verbotenen zugleich konfiscirt, oder zur Bezahlung der verwirkten Strafe verwendet: so ist der Versicherer zur Vergütung nicht schuldig.
§. 1959. In Kriegszeiten darf kein Unterthan auf Kriegsbedürfnisse, die feindlichen Unterthanen gehören, oder ihnen sonst zugewendet werden sollen, Versicherung geben. (§. 2034. sqq.)
§. 1960. Ein Gleiches gilt von Lebensmitteln aller Art, die in feindliche Magazine, für feindliche Armeen und Festungen gehören, oder dahin geliefert werden sollen.
§. 1961. Ingleichen von allen Waaren und Sachen, worüber der Handel mit feindlichen Unterthanen während des Kriegs verboten ist.
§. 1962. Hat jemand, diesen Vorschriften zuwider, auf solche Sachen Versicherung gegeben: so ist der Vertrag ungültig.
§. 1963. Hat er es wissentlich gethan: so muß er die gezeichnete Summe dem Fiskus zur Strafe bezahlen.
§. 1964. Ist aber dem Versicherer die verbotene Qualität der Waare nicht bekannt gewesen: so ist er nur die erhaltene Prämie an den Fiskus herauszugeben schuldig.
§. 1965. Die Strafe des Versicherten ist nach Vorschrift des Criminalrechts zu bestimmen.
§. 1966. Der Anfang eines Kriegs wird von der Zeit an gerechnet, da die Land- oder Seemacht sich zu Kriegsoperationen gegen den Feind in Bewegung setzt.
§. 1967. Nur mit Bekanntmachung der geschlossenen Friedenspräliminarien wird ein Krieg für beendigt geachtet.
§. 1968. Jedermann kann sein eignes Leben versichern lassen.
§. 1969. Auf einen durch Verbrechen verwirkten Verlust des Lebens kann jedoch eine solche Versicherung weder gegeben, noch gedeutet werden.
§. 1970. Hat aber jemand das Leben eines Dritten versichern lassen: so haftet der Versicherer für jeden auch von dem Dritten selbst verschuldeten Verlust des Lebens; wenn nicht das Gegentheil festgesetzt worden.
§. 1971. Aeltern, Kinder, Ehegatten, oder Verlobte, können für eigne Rechnung das Leben ihrer Kinder, Aeltern, des andern Ehegatten oder Verlobten, versichern lassen.
§. 1972. Unter Kindern werden eheliche Descendenten in absteigender Linie überhaupt verstanden. (Th. I. Tit. I. §. 40. 41.)
§. 1973. Außer diesen kann niemand, zu seinem eignen Vortheile, auf das Leben eines Dritten, ohne dessen gerichtliche Einwilligung, Versicherung nehmen.
§. 1974. Ist dies dennoch geschehen: so muß jeder, sowohl der Versicherer, als der Versicherte, die gezeichnete Summe, zum Besten der Armen, als Strafe erlegen.
§. 1975. Auch die Freyheit eines Menschen kann gegen See- und Türkengefahr, barbarische Seeräubereyen, feindliche Aufbringung, oder Gefangenschaft, versichert werden.
§. 1976. Wird auf solche Art die Freyheit eines Dritten versichert: so ist dessen Einwilligung dazu nicht nöthig.
§. 1977. Versicherungen der Freyheit auf andre Arten des Verlustes, sind ungültig, wenn der Dritte, dessen Freyheit versichert worden, nicht seine Einwilligung dazu gerichtlich ertheilt hat.
§. 1978. Bey erfolgter Einwilligung aber findet die Vorschrift des §. 1970. statt.
§. 1979. Derjenige, welcher die Loskaufung eines von Feinden oder Seeräubern Gefangenen übernommen hat, kann sich das Lösegeld nebst den Kosten wieder versichern lassen.
§. 1980. Ein Bodmereygeber kann, auf den Betrag seines Capitals, nebst kaufmännischen Zinsen davon, und der Assekuranzprämie, Versicherung nehmen.
§. 1981. Auch auf das den Schiffsleuten gegebene Handgeld, und die vorausbezahlte Heuer, kann von dem Rheder Versicherung genommen werden.
§. 1982. Eben dies findet von Frachtgeldern statt.
Wie weit Versicherungen genommen und gegeben werden können.
§. 1983. Durch Versicherungen muß der Versicherte sich nur gegen Schaden decken, nicht aber Bereicherung dadurch suchen.
§. 1984. Niemand darf eine Sache höher versichern lassen, als bis zum gemeinen Werthe derselben zur Zeit des geschlossenen Vertrages. (Th. I. Tit. II. §. 111.)
§. 1985. Bey Versicherung auf das Casco eines Schiffes, werden in dessen Würdigung alle Unkosten der Ausrhedung und Ausrüstung; die Provision; die vorausbezahlte Volksheuer; und die Assekuranzprämie mit und eingerechnet; und der Werth des Schiffes wird so bestimmt, wie er zur Zeit der Absegelung wirklich gewesen ist.
§. 1986. Werden aber die Frachtgelder besonders versichert: so darf die Versicherung des Casco nur bis zu demjenigen Werthe, welchen das Schiff, nebst Geräthe, ohne die Ausrüstungskosten, beym Abgange gehabt hat, geschlossen werden.
§. 1987. Versicherungen auf Waaren sollen den Einkaufspreis nicht übersteigen.
§. 1988. Jedoch kann der Versicherte alle Zölle, Abgaben und Unkosten zuschlagen, die er darauf bis zu der Zeit, da sie wirklich an Bord gebracht, oder sonst abgesendet sind, hat verwenden müssen.
§. 1989. Auch die Versicherungsprämie selbst kann er mit in Anschlag bringen.
§. 1990. Eine Versicherung auf Frachtgelder darf den Betrag der durch Connossemente oder Charte Partie festgesetzten Fracht, und der kleinen Haverey, nicht übersteigen.
§. 1991. Versicherungen auf gehofften oder sogenannten imaginairen Gewinn sind nur in so weit gültig, als sie ausdrücklich darauf geschlossen, und zugleich der Gegenstand, von welchem der Gewinn erwartet wird, bestimmt angegeben worden.
§. 1992. Versicherungen auf das Bestehen, Steigen und Fallen der Waarenpreise, sind nur den Kaufleuten erlaubt.
§. 1993. Es muß jedoch dadurch keine dem gemeinen Wesen nachtheilige Preissteigerung beabsichtiget werden.
§. 1994. Liegt diese zum Grunde: so ist der Vertrag ungültig; die Prämie verfällt dem Fiskus; und die Contrahenten müssen nach Vorschrift des Criminalrechts bestraft werden.
§. 1995. Versicherungen auf Interesse oder Nichtinteresse sind auf keine höhere Summe gültig, als das in der Police angezeigte Interesse wirklich beträgt.
§. 1996. Wird von dem Versicherer nachgewiesen, daß das wirkliche Interesse weniger, als die gezeichnete Summe betrage: so findet verhältnißmäßig das Ristorno statt.
§. 1997. Dagegen darf, auch bey dieser Art von Versicherungen, ein Mehreres, als die gezeichnete Summe, von dem Versicherer niemals vertreten werden.
§. 1998. In so weit Schiffe oder Güter bereits verbodmet sind, sollen sie von dem Bodmereynehmer, bey Verlust der bedungenen Prämie, und Nichtigkeit des Vertrages, nicht versichert werden.
§. 1999. Diejenige Summe aber, welche an dem vollen Werthe fehlt, so wie auch die Art der Gefahr, welche der Bodmereygeber nicht übernommen hat, kann besonders versichert werden.
Verbot mehrerer Versicherungen über den vollen Werth eines und eben desselben Gegenstandes.
§. 2000. Niemand soll über einen und eben denselben Gegenstand, auf dessen nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden Werth, mehrere Versicherungen nehmen,
§. 2001. Wer Versicherung sucht, muß gewissenhaft anzeigen: ob und in welcher Art er bereits an einem andern Orte Versicherung genommen, oder zu deren Schließung Ordre ertheilet habe.
§. 2002. Wer bey einer solchen Anzeige eine vorsätzliche Unrichtigkeit, zum Schaden des Versicherers, oder eines Dritten begeht, soll außer dem Verluste seines Rechts aus den beyden oder mehrern Versicherungen, als ein Betrüger gestraft werden.
§. 2003. Ist die Anzeige aus grobem oder mäßigen Versehen unterlassen worden: so bleibt nur die älteste Versicherung bey Kräften, und es muß nichtsdestoweniger die bey der jüngeren Versicherung bedungene Prämie bezahlt werden.
§. 2004. Das Datum der geschehenen Zeichnung bestimmt, welcher Contrakt der ältere sey, wenn auch die Police ein anderes Datum enthalten sollte.
§. 2005. Diese Vorschrift findet in der Regel auch alsdann Anwendung, wenn die eine Versicherung von dem Principale selbst, und die andre von dem Faktor geschlossen worden.
§. 2006. Hat aber jemand einem Correspondenten Ordre ertheilt, Versicherung für ihn zu nehmen, und nachher sich selbst darüber Versicherung ertheilen lassen: so wird auf das Datum der gegebenen Ordre gesehen. (Erster Theil, Tit. XIII. §. 88.)
§. 2007. Hat ein Correspondent ohne Ordre Versicherung für jemand genommen; dieser aber, weil es ihm unbekannt gewesen, einen solchen Vertrag ebenfalls geschlossen: so wird diejenige, welche zuletzt gezeichnet worden, ristornirt.
§. 2008. Ist in vorstehenden Fällen, §. 2003. sqq., durch den ältern Contrakt eine Summe versichert, die den vollen nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden Werth der Sache noch nicht erreicht: so gilt der zweyte auf das an diesem vollen Werthe noch fehlende Quantum; und in Ansehung des Ueberrestes findet die Rückforderung der Prämie nur in dem Falle des §. 2007. statt.
§. 2009. Ist ein Gegenstand nur auf eine gewisse bestimmte Zeit versichert: so kann derselbe, wegen Verlustes und Schadens, welche sich vor dem Eintritte dieser Zeit, oder nach deren Ablauf ereignen, anderweitig versichert werden.
§. 2010. Wenn eine Sache nur bis zu einem gewissen Orte versichert worden: so ist die fernere Versicherung derselben von diesem bis zu einem andern Orte zuläßig.
§. 2011. Es ist auch erlaubt, über die Zahlungsfähigkeit seines Versicherers Versicherung zu nehmen.
§. 2012. Wird über das Vermögen des Versicherers vor beendigter Gefahr Concurs eröffnet: so steht dem Versicherten frey, anderweitige Versicherung zu nehmen.
§. 2013. Alsdann kann er die Prämie von dem ersten Versicherer ohne Abzug zurückfordern, wenn gleich die bey der anderweitigen Versicherung bedungene Prämie geringer seyn sollte.
§. 2014. Er muß aber, bey Vermeidung der §. 2002. bestimmten Strafe, sogleich, als er die anderweitige Versicherung sucht, oder dazu Ordre giebt, den Curator der Masse des ersten Versicherers davon benachrichtigen.
§. 2015. Will er bey dem Vertrage bleiben: so kann er, wenn der Versicherer Rückversicherung genommen hatte, gegen Erstattung der dafür bezahlten Prämie und Kosten, verlangen, daß ihm alle Rechte gegen den Rückversicherer abgetreten werden.
§. 2016. Der Versicherer kann sich die gezeichnete Summe, ganz oder zum Theil, von einem Andern wider versichern lassen.
§. 2017. Er muß aber außer den §. 2001. sqq. vorgeschriebenen Pflichten, bey Verlust seines Rechts, ausdrücklich anzeigen, daß er eine Rückversicherung verlange.
§. 2018. Die Rückversicherung kann auf das ganze versicherte Quantum, mit Einrechnung der Prämie für die Assekuranz, genommen werden.
§. 2019. Zwischen demjenigen, welcher die Rückversicherung nimmt, und seinem Versicherer, finden eben die Verhältnisse statt, als zwischen denjenigen, welche die erste Versicherung geschlossen haben.
§. 2020. Die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem ersten Versicherer und Versicherten, werden durch die Rückversicherung in nichts geändert.
§. 2021. Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten Versicherers gegen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des letztern, sich mit seinem Versicherten über das bey entstandenem Unglücksfalle zu vergütende Quantum vergleicht.
§. 2022. Ist aber dem ersten Versicherer von der liquiden Vergütungssumme etwas erlassen: so kommt dieses auch dem Rückversicherer zu statten.
§. 2023. Wird über des ersten Versicherers Vermögen Concurs eröffnet: so muß der Rückversicherer nichts desto weniger an dessen Creditmasse eben so die volle Vergütung bezahlen, als ob kein Concurs entstanden wäre.
Pflichten der Contrahenten vor und bey Schließung des Vertrages.
§. 2024. Bey Schließung des Versicherungsvertrages sind beyde Theile zu besondrer Treue, Redlichkeit und Aufrichtigkeit verpflichtet; und es finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 539. sqq. Anwendung.
§. 2025. Hat der Versicherer, vor Schließung des Contrakts, gewisse oder wahrscheinliche Nachricht, daß die Sache bereits in Sicherheit, oder die Gefahr, für welche die Versicherung ertheilt werden soll, schon ganz überstanden sey, erhalten, und dieselbe dem Versicherten verschwiegen: so muß er die ganze Prämie zurückgeben, und den doppelten Betrag derselben zur Strafe erlegen.
§. 2026. Verschweigt der Versicherte Umstände, welche, nach dem vernünftigen Ermessen der Sachkundigen, auf den Entschluß des Versicherers, sich in den Vertrag einzulassen, hätten Einfluß haben können: so ist die Assecuranz unverbindlich, und die Prämie verfallen.
§. 2027. Dagegen soll dem Versicherten die Entschuldigung, daß die erhaltene und verschwiegene Nachricht noch unzuverläßig oder zweifelhaft gewesen sey, nicht zu statten kommen.
§. 2028. Kann er überführt werden, vor Schließung des Contrakts, von einem die Sache betroffenen Unglücksfalle sichere Nachricht gehabt zu haben: so soll er noch außerdem als Betrüger gestraft werden.
§. 2029. Wird die Versicherung durch einen Bevollmächtigten genommen: so muß der Versicherte dessen Fehler als seine eignen vertreten.
§. 2030. Soll ein Schiff versichert werden: so muß der Versicherte, bey Vermeidung der §. 2026. festgesetzten Strafe, die Bauart, Größe, und den gegenwärtigen Zustand desselben, nach seiner besten Wissenschaft angeben; auch anzeigen: ob es von anderem als eichnem Holze erbauet sey; die wievielste Reise es thue; und ob es mit den erforderlichen Dokumenten vollständig versehen sey.
§. 2031. Der Versicherte muß ferner, bey gleicher Strafe, dafür sorgen, damit das Schiff zu der vorhabenden Reise in tüchtigen Stand gesetzt, und gehörig ausgerüstet werde.
§. 2032. Ist das Schiff ein genommenes oder Prisenschiff: so muß er, bey gleicher Strafe, dem Versicherer eröffnen, ob es schon auf einer freyen Rhede, oder in einem freyen Hafen gewesen ist.
§. 2033. Soll eine Cascoversicherung zu Kriegeszeiten geschlossen werden: so muß der Versicherte getreulich angeben: ob auf dem Schiffe Waaren oder Sachen befindlich sind, welche für verboten geachtet werden, oder von den kriegführenden Mächten dafür erklärt worden.
§. 2034. Verbotene Waaren sind grobes Geschütz und die dazu gehörende Ammunition, Granaten, Bajonette, Flinten, Karabiner, Pistolen, Kugeln, Flintensteine, Lunten, Pulver, Salpeter, Schwefel, Picken, Säbel, Degen, Sättel, Hauptgestelle, Zelte, und was sonst durch besondere Verträge zwischen den verschiedenen Nationen einzunehmen verboten ist.
§. 2035. Von Sachen dieser Art darf in der Regel kein Kauffarteyschiff in Kriegszeiten mehr einnehmen, als zur eigenen Bedürfniß erfordert wird.
§. 2036. Masten, Schiffholz, Taue, Segeltuch, Hanf, Pech, Korn, und andere Materialien, die in Kriegesbedürfnisse verwandelt werden können, ingleichen Pferde, gehören nicht unter die verbotenen Güter.
§. 2037. Land- oder Seeofficire und Soldaten der kriegführenden Mächte sollen von neutralen Schiffen nicht an Bord genommen werden.
§. 2038. Von dem Schiffsvolke darf höchstens nur der Dritte Theil zu einer der kriegführenden Nationen gehören.
§. 2039. Jede Ladung eines neutralen Schiffes, die in einen belagerten, blockirten, oder nahe eingeschlossenen Hafen gebracht werden soll, ist für verbotenes Gut zu achten.
§. 2040. In wie fern ein Platz oder Hafen für eingeschlossen zu achten sey, ist nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 219. zu beurtheilen.
§. 2041. Hat der Versicherte von dergleichen Contrebandewaaren etwas verschwiegen: so ist der Vertrag, in so weit als aus dieser Qualität der Waaren ein Schade entsteht, für den Versicherer unverbindlich, und der Versicherte muß gleichwohl die Prämie bezahlen.
§. 2042. Eben so muß, bey Waarenversicherungen zu Kriegeszeiten genau angezeigt werden: ob unter dem versicherten Gute, oder sonst auf dem Schiffe, dergleichen verbotene Stücke befindlich sind.
§. 2043. Der Versicherte muß ferner anzeigen: ob das Schiff mit oder ohne Bedeckung und Convoy gehe; auch wo es darunter kommen, oder dazu stoßen solle.
§. 2044. Ist die Anzeige unterblieben: so haftet der Versicherer nicht, wenn das Schiff auf der Reise zur Convoy genommen wird.
§. 2045. Soll ein bereits abgesegeltes Schiff, oder dessen Ladung, versichert werden: so muß der Versicherte den Ort und die Zeit der Absegelung, so wie den Ort der Bestimmung, so weit ihm diese Umstände bekannt sind, treulich anzeigen; auch alle ihm davon zugekommene Nachrichten und Zeitungen vollständig mittheilen.
§. 2046. Sollen Waaren gegen Seegefahr versichert werden; und es befinden sich solche darunter, die leicht dem Verderben ausgesetzt sind: so müssen dieselben nach ihrer Beschaffenheit und Quantität genau angegeben werden.
§. 2047. Für verderbliche Waaren sind zu achten, Getreyde und alle Sämereyen; alle Salze, als Zucker, Syrup, Vitriol, Alaun, Pot- und Weidasche; frische, getrocknete, und eingemachte Früchte und Kräuter; Blumenzwiebeln und Wurzeln; alle getrocknete Gallerte, vornehmlich Leim und Lakritzensaft; alle Arten von Gummi; Rosinen, Wein, Oel, Flachs, Hanf, Käse, Wolle, getrocknete Fische, Heringe, Pelzwerk, ungetheertes Tauwerk und Kabelgarn, künstliche Instrumente, Papier und Bücher.
§. 2048. Sind dergleichen Waaren nur unter dem allgemeinen Namen von Kaufmannsgütern, Schiffsladung, u. d. m. mit begriffen worden: so ist der Versicherer einen aus der verderblichen Qualität entstehenden Schaden zu vergüten nicht verbunden.
§. 2049. Ein Gleiches gilt, wenn Sklaven oder lebendige Thiere nicht angegeben, sondern nur unter allgemeinen Ausdrücken mit in die Versicherung gezogen worden.
§. 2050. Bey Versicherungen über das Leben eines Menschen muß vorzüglich dessen Alter, Gesundheitszustand, und Gewerbe angezeigt werden.
§. 2051. Soll jemandes Freyheit versichert werden: so ist besonders die genaue Anzeige darüber nothwendig, ob er in einer für seine Person gefährlichen Unternehmung begriffen sey, oder dergleichen vorhabe.
§. 2052. Wer die Fracht vom Salz, oder anderen dem Schmelzen unterworfenen lose ins Schiff geladenen Waaren versichern läßt, muß ausdrücklich anzeigen: ob die Fracht für das eingenommene, oder für das auszuliefernde Maaß festgesetzt sey; widrigenfalls das Letztere angenommen, und nur darnach die Vergütung geleistet wird.
§. 2053. Werden Waaren, Mobilien und Effekten gegen Feuersgefahr versichert: so muß der Versicherte die Qualität dieser Sachen getreulich anzeigen.
§. 2054. Sind Schießpulver, Schwefel, Salpeter, Heu, Stroh, ungedroschenes Getreyde, Tabaksblätter, Hanf, Flachs, Heede, getheertes Tauwerk, Pech, Theer, Talch, Terpentinöl und Thran darunter befindlich: so müssen sie, bey Verlust des Rechts und der Prämie, ausdrücklich benannt werden.
§. 2055. Gold, Silber, Gold- und Silbergeschirr, Juwelen, Porzellain, Emaille, Spiegel, Gläser, Gemälde, Kupferstiche. Cabinette von Antiquitäten-Naturalien oder Kunstsachen, Zeichnungen, Banknoten, Pfandbriefe, Wechsel oder andere Schuldverschreibungen, Contrakte oder Schriften, Handlungsbücher und Rechnungen, ingleichen Moventien (Th. I. Tit. II. §. 17.) sind nicht für versichert zu achten, wenn sie nicht ausdrücklich genannt, und die Versicherung darauf mit gerichtet worden.
§. 2056. Ferner muß derjenige, welcher Versicherung gegen Feuersgefahr sucht, gewissenhaft angeben: ob die Sachen in feuerfesten Gebäuden aufbewahrt werden, und ob sie gefährliche Nachbarschaft haben.
§. 2057. Feuerfeste Gebäude sind solche, welche von allen Seiten massive Mauern und Schornsteine haben.
§. 2058. Ein Gebäude, welches ganz oder zum Theil mit einer leicht brennbaren Materie, als Schindeln, Bretter, Stroh, Rohr, Schilf u. d. m. gedeckt ist, kann für feuerfest nicht geachtet werden.
§. 2059. Für gefährliche Nachbarschaft wird gehalten, wenn im Gebäude selbst, oder in einem der drey nächsten Häuser, welche das versicherte Gebäude umgeben, gefährliche Gewerbe getrieben werden.
§. 2060. Ferner, wenn in einem dieser Gebäude feuerfangende Sachen in größerer Quantität, als zum gewöhnlichen Wirthschaftsgebrauche erforderlich ist, aufbewahrt sind.
§. 2061. Desgleichen, wenn eins der drey nächsten Gebäude, welche das Haus, worin sich die versicherten Sachen befinden, umgeben, mit leicht brennbaren Materien ganz oder zum Theil gedeckt ist. (§. 2058.)
§. 2062. Gefährliche Gewerbe sind Pulvermühlen, Stückgießereyen, Vitriol- und Salmiak-Fabriken, Zuckersiedereyen, chemische Laboratoria, Apotheken, Goldschmiede, Kupferschmiede, Gelbgießer, Grobschmiede, Destillateurs, Brauer, Brandweinbrenner, Bäcker, Färber, Seifensieder, Lichtgießer und Töpfer.
§. 2063. Als leicht feuerfangende Sachen werden die im §. 2054. genannten betrachtet.
§. 2064. Jeder Versicherungsvertrag, welcher zwischen Königlichen Unterthanen, oder in hiesigen Landen zwischen Königlichen Unterthanen und fremden geschlossen wird, muß bey Strafe der Ungültigkeit schriftlich abgefaßt werden.
§. 2065. Wird eine Versicherung durch Mäkler geschlossen: so vertritt der aus ihrem Journale zu ertheilende Auszug die Stelle des schriftlichen Contrakts.
§. 2066. Sobald solchergestalt der Contrakt geschlossen ist, muß der Versicherer, gegen Bezahlung der bedungenen Prämie, den Versicherungsbrief, oder die Police nach den festgesetzten Bedingungen ausfertigen und unterschreiben.
§. 2067. Verzögert der Versicherte, nach Empfang der Police, die Aushändigung der Prämie über Vier und zwanzig Stunden: so kann er dazu im Wege des executivischen Prozesses angehalten werden.
§. 2068. Ist keine besondere schriftliche Verabredung vorhergegangen: so wird der Contrakt in Ansehung eines jeden Versicherers für geschlossen geachtet, sobald derselbe den Versicherungsbrief oder die Police unterzeichnet hat.
§. 2069. In der Police muß der Name des Versicherten ausgedrückt seyn.
§. 2070. Ein Commissionair, der Waaren auf fremde Rechnung versendet, kann die Versicherung auf seinen, oder auf des Eigenthümers Namen schließen.
§. 2071. Nur Kaufleuten ist erlaubt, mit Verschweigung ihres Namens, unter dem Ausdrucke: An Zeigern dieses, oder für Rechnung des, dem es angeht, Versicherung zu nehmen.
§. 2072. Soll aber demnächst der Versicherer Vergütung leisten: so kann er verlangen, daß ihm der Versicherte genannt, und vollständige Legitimation beygebracht werde.
b) Gegenstand der Versicherung;
§. 2073. Die Police muß ferner den Gegenstand der Versicherung nach denjenigen Kennzeichen, die ihn von andern hinlänglich unterscheiden, enthalten.
§. 2074. Bey Seeversicherungen muß der Name des Schiffers und Schiffes genannt seyn.
§. 2075. Wird aus Irrthum der Name des Schiffes ganz unrichtig angegeben: so ist die Versicherung ungültig, und die Prämie muß ohne Abzug zurück gegeben werden.
§. 2076. Ist aber der Versicherte durch eignes grobes oder mäßiges Versehen in einen solchen Irrthum gerathen: so kann der Versicherer den bey dem Ristorno statt findenden Abzug machen. (Th. I. Tit. IV. §. 79.)
§. 2077. Ein Irrthum in Nebenbenennungen schadet nicht; auch hat es keinen Einfluß, wenn dem Schiffe nachher, ohne Betrug, ein anderer Name gegeben worden.
§. 2078. Wird die Größe und Beschaffenheit des Schiffes unrichtig angegeben; und dadurch der Versicherer veranlaßt, die Gefahr für geringer zu halten, als sie wirklich ist: so tritt die Vorschrift des §. 2076. ein.
§. 2079. Eben dies findet statt, wenn der Name des Schiffers unrichtig angegeben worden.
§. 2080. Will jemand Waaren, die er aus weit entlegenen Gegenden erwartet, versichern lassen, bevor er den Namen des Schiffs und Schiffers erfahren hat: so kann zwar der Contrakt über Güter in ungenannten Schiffen geschlossen werden;
§. 2081. Der Versicherte muß aber in diesem Falle dafür sorgen, daß alle Umstände, wodurch diese Bestellung von andern gleicher Art unterschieden werden kann, so genau als möglich ausgedrückt werden.
§. 2082. Besonders ist die Qualität der Waare; wo möglich auch die Zahl der Packen, Kisten oder Fässer, mit ihren Zeichen; der Ort der Absendung; der Name des Absenders; das Datum der Bestellungsordre und des Advisbriefs, in der Police zu bemerken.
§. 2083. Sobald der Versicherte, nach gezeichneter Police, von dem Namen des Schiffers und Schiffes, welches die Waaren überbringen soll, Nachricht erhält, muß er, bey Strafe doppelter Prämie, dieselbe dem Versicherer unverzüglich mittheilen.
§. 2084. Bey Stromversicherungen muß der Schiffer, und bey Landversicherungen der Fuhrmann, oder die Post, mit welchen die Versendung geschehen ist, in der Police benannt werden.
§. 2085. Wird das Leben, oder die Freyheit eines Dritten versichert: so muß dessen Vor- und Geschlechtsname, oder der Geschlechtsname und Charakter desselben, oder ein anderes deutliches Kennzeichen, wodurch er sich von anderen Personen gleiches Namens unterscheidet, in der Police ausgedrückt werden.
§. 2086. Bey Feuerversicherungen ist der Ort und die Lage des Gebäudes, worinn die versicherten Sachen sich befinden, zu benennen.
§. 2087. Haben die Contrahenten den Werth des versicherten Gegenstands unter sich bestimmt: so muß selbiger in der Police angegeben seyn.
c) Betrag der Versicherungssumme;
§. 2088. Es muß ferner die Versicherungssumme genau bestimmt werden.
§. 2089. In allen Fällen, wenn das Leben oder die Freyheit eines Menschen versichert wird, muß im Contrakte genau festgesetzt seyn, was der Versicherer zu bezahlen oder zu leisten habe; widrigenfalls der Contrakt ungültig ist.
§. 2090. Zeichnen mehrere Versicherer eine und eben dieselbe Police: so muß jeder von ihnen bey seiner Unterschrift bemerken: auf welches Quantum er die Versicherung übernehme.
§. 2091. Ist dies unterblieben, und von keinem das Versicherungsquantum bestimmt: so haften sie sämmtlich als Selbstschuldner.
§. 2092. Hat aber der eine oder andere das Versicherungsquantum bestimmt: so haftet jeder für das Quantum seines nächsten Vormannes.
§. 2093. Wird dadurch die Versicherungssumme überschritten: so haftet der letzte nur für dasjenige, was an der Versicherungssumme noch fehlt.
§. 2094. Sowohl die Art, als die Dauer der übernommenen Gefahr, muß nach ihrem Anfange und Ende genau bestimmt werden.
§. 2095. Zu dem Ende muß bey See- und Stromversicherungen der Ort der Ein- und Ausladung oder Bestimmung, desgleichen, so viel als möglich, auch die Zeit der Absegelung angegeben seyn.
§. 2096. Uebernimmt der Versicherer nur eine gewisse Art der Gefahr: so muß dieselbe deutlich angegeben werden.
§. 2097. Zuletzt muß in der Police auch der Ort, wo sie gezeichnet worden, ingleichen die Unterschrift des Versicherers, beygefügt werden.
§. 2098. Haben Mehrere auf Eine Police gezeichnet; und Einer derselben hat das Datum nicht beygesetzt: so wird derjenige Tag angenommen, welchen sein nächster am Orte befindlicher Vormann beygefügt hat.
§. 2099. Von der Unterschrift des Versicherers gilt dasjenige, was §. 776. sqq. bey Wechseln vorgeschrieben worden.
§. 2100. Die Pflichten des Versicherers und Versicherten aus dem Contrakte sind hauptsächlich nach dem Inhalte desselben zu beurtheilen.
§. 2101. Abweichungen von der Regel, Nebenbedingungen, und Einschränkungen, sind nur in so weit gültig, als sie in der Police, oder bey der Zeichnung, ausdrücklich bemerkt worden.
§. 2102. Ist darin etwas dunkel oder zweydeutig: so wird jederzeit angenommen, daß die Contrahenten in so weit von den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften nicht haben abweichen wollen.
§. 2103. Die der Police eingerückte Clausel: frey von Haverey, hat die Wirkung, daß der Versicherer, außer dem Beytrage zur großen Haverey, für keine particulaire Beschädigung, sondern nur alsdann haftet, wenn die versicherte Sache ganz oder zum Theil verloren worden.
- Pflichten des Versicherten:
a) in Absicht der versicherten Prämie;
§. 2104. Der Versicherte ist hauptsächlich zur Entrichtung der versprochenen Prämie verbunden.
§. 2105. Ein Commissionair, welcher nicht auf den Namen des Committenten, sondern auf seinen eigenen Versicherung nimmt, haftet für die Prämie als Selbstschuldner.
§. 2106. Der Versicherer ist aber auch befugt, die Prämie, wenn er will, von dem Committenten selbst zu fordern. (Th. I. Tit. XIII. §. 85. sqq.)
§. 2107. Die Prämie kann in Gelde, oder auch in andern erlaubten Vortheilen, die dem Versicherer eingeräumt werden, bestehen.
§. 2108. Soll bey Seeversicherungen, im Fall das Schiff mit Convoy gienge, ein Theil der Prämie zurückgezahlt, oder im Falle das Schiff ohne Convoy gienge, die Prämie erhöhet werden: so muß dieses ausdrücklich festgesetzt seyn; widrigenfalls weder Verminderung noch Erhöhung der Prämie statt findet.
§. 2109. Ist keine spätere Frist festgesetzt: so muß die Zahlung der Prämie bey Aushändigung der unterzeichneten Police erfolgen.
§. 2110. Wird die Zahlung verzögert: so kann der Säumige dazu, binnen Dreyßig Tagen nach der Zeichnung, im Executivprozesse angehalten werden; und muß zugleich von der Prämie Eins vom Hundert monathlich an Zinsen bezahlen. (§. 2067.)
§. 2111. War die Prämie nicht in Gelde bedungen: so wird statt der Zinsen das volle Interesse vergütet. (Th. I. Tit. V. §. 287.)
§. 2112. Ist die Versicherung durch einen Mäkler geschlossen worden: so haftet dieser für die Prämie nur alsdann, wenn er sie ausgehändigt erhalten hat.
§. 2113. In diesem Falle muß er die Prämie unverzüglich abliefern; und wird, wenn er damit zögert, außer der Verbindlichkeit zur Entrichtung der Zinsen, oder des Interesse, seines Mäklerlohns für das Geschäft verlustig.
§. 2114. Hat der Versicherer in der Police selbst über den Empfang der Prämie quittirt: so soll ihm diese Quittung nicht im Wege stehn, wenn er die Prämie innerhalb Dreyßig Tagen nach der Zeichnung gerichtlich einfordert.
§. 2115. Entsteht Concurs über das Vermögen des Versicherten: so hat der Versicherer, wegen der noch unbezahlten Prämie, vor Ablauf der Dreyßig Tage, das Vorzugsrecht der Zweyten; nach Ablauf derselben aber das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 2116. Jedoch kann auch im letzten Falle, wenn ein Schade vergütet werden muß, die rückständige Prämie, nebst Zinsen oder Interesse, davon abgerechnet werden.
b) bey vorgehenden Veränderungen.
§. 2117. Während der Versicherungszeit darf der Versicherte, bey Verlust seines Rechts, nichts vornehmen, oder durch Andere vornehmen lassen, wodurch die Umstände, unter welchen die Versicherung geschlossen worden, zu des Versicheres Nachtheil geändert werden, oder seine Gefahr vergrößert wird.
§. 2118. Ereignen sich Vorfälle dieser Art, ohne Zuthun des Versicherten: so muß er die erhaltenen Nachrichten, bey Verlust seines Rechts in Ansehung aller nachher sich ereignenden Unglücksfälle, dem Versicherer binnen der im Ersten Theile Tit. V. §. 94. sqq. bestimmten Fristen mittheilen; auch zur Abwendung des daraus entstehenden Nachtheils, schleunig zweckmäßige Vorkehrungen treffen.
§. 2119. In so weit der Versicherte, oder dessen Commissionair, durch eigne Schuld oder Nachläßigkeit, irgend einigen Schaden veranlaßt haben, ist der Versicherer zu dessen Vergütung nicht verbunden.
§. 2120. Welchen Grad des Versehens ein Versicherter zu vertreten habe, ist nach den allgemeinen Vorschriften des Tit. V. §. 278. sqq. zu beurtheilen.
§. 2121. Soll bey der Seeversicherung ein Schiff unter Convoy gehen; und der Versicherte veranlaßt, daß es ohne Convoy segelt, oder später, oder an einem andern Orte, als er angezeigt hat, dazu stößt: so haftet der Versicherer für keinen Schaden, zu dessen Abwendung die Convoy bestimmt war.
§. 2122. Läßt, bey Seeversicherungen, der Versicherte die Reise ohne Noth, oder ohne Einwilligung des Versicherers verlängern, verkürzen, oder sonst verändern; oder das Schiff nach andern, als den in der Police benannten Häfen und Oertern segeln: so ist die Assekuranz erloschen, und die Prämie verfallen.
§. 2123. Die Assekuranz erlöscht jedoch nur von dem Zeitpunkte an, da das Schiff, wegen der veränderten Bestimmung, seinen Lauf wirklich geändert hat.
§. 2124. Machen Seesturm und Ungewitter, Verfolgung von Feinden oder Räubern, oder andere unvermeidliche Zufälle, eine Veränderung der Reise nothwendig: so muß der Versicherte, sobald er solches in Erfahrung bringt, den Versicherer davon binnen der im Ersten Theile, Tit. V. §. 95. sqq. bestimmten Frist benachrichtigen.
§. 2125. Ist dieses geschehen: so bleibt, der veränderten Umstände ungeachtet, die Versicherung bey Kräften.
§. 2126. Wird die Reise zwar nicht verändert; aber ohne Schuld des Versicherten bis zu einer gefährlichen Jahreszeit aufgeschoben: so muß er, sobald ihm dieses bekannt wird, dem Versicherer davon Nachricht geben.
§. 2127. Versäumt er dies: so ist die Versicherung erloschen, und die Prämie verfallen.
§. 2128. Ist aber die Anzeige zu rechter Zeit geschehen: so bleibt der Versicherer zwar an den Contrakt gebunden; kann jedoch eine verhältnißmäßige Erholung der bedungenen Prämie fordern.
§. 2129. So viel als möglich müssen die Parteyen, gleich in der Police, den Betrag der zu erhöhenden Prämie im Voraus festsetzen.
§. 2130. Bey dem Mangel einer solchen Bestimmung, und wenn die Interessenten über den Betrag der Zulage sich nicht vereinigen können, muß selbige durch vereidete, von beyden Theilen zu erwählende Sachverständige, nach demjenigen Satze bestimmt werden, der zur Zeit des wirklichen Antrittes der Reise am Orte der Versicherung gangbar ist.
§. 2131. Die Erhöhung der Prämie findet besonders statt, wenn bey einer vor dem Ein und zwanzigsten Junius geschlossenen Cascoversicherung, das Schiff am Vierzehnten Tage nach dem Ein und zwanzigsten Junius noch nicht segelfertig ist.
§. 2132. Bey einer nach dem Ein und zwanzigsten Junius geschlossenen Versicherung, werden die Vierzehn Tage vom Ablaufe der in der Police bestimmten Ladungszeit an gerechnet.
§. 2133. Diese Grundsätze finden auch bey Versicherungen einer ganzen Schiffsladung statt.
§. 2134. Bey Versicherungen über Stückgüter hingegen, sie mögen vor oder nach dem längsten Tage geschlossen seyn, werden Vier Wochen von der Zeit an gerechnet, da mit der Ladung angefangen worden.
§. 2135. Hat der Versicherte durch seine Schuld die Abreise so lange aufgeschoben, daß die Gefahr bey derselben vermehrt ist: so muß er, bey Verlust seines Rechts, den Versicherer davon noch vor dem wirklichen Antritte der Reise benachrichtigen.
§. 2136. Alsdann hängt es von dem Versicherer ab, gegen eine verhältnißmäßige Erhöhung der Prämie bey dem Contrakte zu bleiben, oder das Ristorno statt finden zu lassen.
§. 2137. Will er das Letzte wählen: so muß er sich binnen der im Ersten Theile, Tit. V. §. 94. bis 102. bestimmten Fristen darüber erklären; widrigenfalls er an den Contrakt gebunden ist, und nur eine verhältnißmäßige Erhöhung der Prämie fordern kann.
§. 2138. Haben mehrere Versicherer die Police zu besondern Antheilen gezeichnet: so läuft einem jeden diese Frist von Zeit der ihm geschehenen Bekanntmachung; ohne Unterschied: ob sie gemeinschaftlich, oder ein jeder nur für seinen Antheil gezeichnet haben. (Th. I. Tit. V. §. 438.)
§. 2139. Eben diese Vorschrift §. 2124. und 2135. findet statt, wenn vor der Abreise das Schiff oder der Schiffer verändert wird.
§. 2140. Bleibt von den versicherten Waaren ein Theil zurück: so muß der Versicherte, sobald er es in Erfahrung bringt, dem Versicherer davon Nachricht geben.
§. 2141. Geschiehet dies: so findet, nach Verhältniß der zurückgebliebenen Waare, das Ristorno statt.
§. 2142. Hat aber der Versicherte diese Anzeige in Zeiten zu thun unterlassen: so kann er von der Prämie nichts abziehen, oder zurückfordern.
§. 2143. Sollen die versicherten Waaren nach der Abrede in verschiedene Schiffe geladen werden; und der Versicherte beschließt, sie sämmtlich nur mit Einem Schiffe zu versenden: so muß er den Versicherer von dieser Aenderung noch vor dem Abgange des Schiffes benachrichtigen.
§. 2144. Hat er dies unterlassen: so haftet der Versicherer nur für diejenigen Güter, welche nach der Abrede in das abgesegelte Schiff haben geladen werden sollen; und gewinnt dennoch die ganze Prämie.
§. 2145. Ist aber die Anzeige zu rechter Zeit geschehen: so hat der Versicherer binnen der §. 2137. vorgeschriebenen Frist die Wahl: ob er bey der Versicherung bleiben, oder davon ganz abgehen wolle.
§. 2146. Wählt er letzteres: so findet das Ristorno statt.
§. 2147. Eben dies gilt, wenn der Versicherte Waaren, die nach der Abrede mit Einem Schiffe versendet werden sollen, in mehrere Schiffe vertheilt, und den Versicherer noch vor der Absegelung davon benachrichtigt.
§. 2148. Ist dies aber unterblieben: so haftet der Versicherer nur für denjenigen Theil der Waare, welcher in dem durch die Police benannten Schiffe wirklich abgegangen ist, und gewinnt die ganze Prämie.
§. 2149. Hat der Versicherte Waaren, die bereits an Bord gebracht worden, ohne Noth wieder aus- oder umladen lassen: so haftet der Versicherer weder für die Kosten, noch für die Schäden, welche bey einer solchen Gelegenheit entstanden sind.
§. 2150. Hat, bey Versicherungen auf Frachtgelder, der Versicherte den Einladern die Waaren gegen einen Theil der Fracht zurückgegeben: so kann er von dem Versicherer für den Ausfall keine Vergütung fordern.
§. 2151. Wird er wegen der Zurückgabe belangt: so muß er binnen der §. 2137. bestimmten Frist, mit dem Versicherer über die Fortsetzung des Prozesses Rücksprache halten, und dessen Willen befolgen.
§. 2152. Hat jemand sein eignes Leben versichern lassen: so hört die Versicherung auf, wenn er ohne des Versicherers Einwilligung außer Europa, oder in den Krieg, oder zur See geht, oder sonst eine für sein Leben gefährliche Lebensart ergreift; es sey denn, daß die Versicherung auf diese Fälle ausdrücklich gerichtet worden.
§. 2153. Giebt aber der Versicherte noch in Zeiten dem Versicherer von einem solchen Vorhaben Nachricht, so findet für die noch nicht abgelaufene Zeit das Ristorno statt.
§. 2154. Hat jemand das Leben eines Dritten versichern lassen: so heben dergleichen Vorfälle an und für sich den Contrakt nicht auf, wenn sie sich ohne Zuthun des Versicherten ereignen.
§. 2155. Gleiche Grundsätze finden bey Versicherung der Freyheit statt.
§. 2156. Bey Feuerversicherungen haftet der Versicherer für keinen Schaden, der von dem Versicherten selbst, dessen Ehegatten, Kindern, oder Enkeln verursacht worden.
§. 2157. Wird ein Theil der versicherten Sache an einen andern als den in der Police bestimmten Ort der Aufbewahrung gebracht: so hört die Gefahr des Versicherers in so weit auf, und er behält dennoch die ganze Prämie.
§. 2158. Wird aber des Versicherten Wohnung, oder der in der Police bestimmte Ort der Aufbewahrung sämmtlicher versicherten Sachen verändert: so muß dieses, bey Verlust des Rechts, dem Versicherer schleunig bekannt gemacht werden.
§. 2159. Alsdann hat der Versicherer innerhalb der §. 2137. bestimmten Frist die Wahl: ob er den Contrakt fortsetzen, oder davon abgehen, und nach Verhältniß der noch nicht abgelaufenen Zeit, das Ristorno statt finden lassen wolle.
§. 2160. Wenn durch Veranlassung des Versicherten eine gefährliche Nachbarschaft entsteht: so ist der Versicherer für den daraus erwachsenden Schaden nicht verhaftet.
§. 2161. Ein Gleiches findet statt, wenn die gefährliche Nachbarschaft zwar ohne des Versicherten Zuthun entstanden ist, derselbe aber die davon erhaltene Nachricht dem Versicherer nicht binnen der §. 2137. bestimmten Frist mitgetheilt hat.
§. 2162. Ist die Anzeige gehörig geschehen: so hat es bey der Vorschrift des §. 2159. sein Bewenden.
§. 2163. Eine Veränderung in der Person des Eigenthümers der versicherten Sache, ändert nichts in der Versicherung, wenn nicht damit zugleich eine Veränderung des Orts, der Aufsicht, der Art der Aufbewahrung, oder der Nachbarschaft verbunden ist.
§. 2164. Sobald der Versicherte in Erfahrung bringt, daß der Gegenstand der Versicherung verunglückt oder beschädigt sey, muß er, bey Verlust seines Rechts, den Versicherer binnen der §. 2137. bestimmten Frist davon benachrichtigen; und sich über die ferner zu treffenden Maasregeln mit demselben berathschlagen, auch nach dessen Anweisung verfahren.
§. 2165. In der Zwischenzeit muß er alles, was zur Abwendung oder Verminderung des Schadens gereichen kann, vorkehren.
§. 2166. Er ist jedoch befugt, von dem Versicherer dazu einen verhältnißmäßigen Vorschuß zu fordern.
§. 2167. Sind Schiffe oder Waaren aufgebracht, oder in Beschlag genommen worden: so muß der Versicherte deren Freygebung betreiben, und wenn darüber ein Confiscationsprozeß entsteht, während desselben für die sichere Aufbewahrung der Güter bis zum Austrage der Sache sorgen.
§. 2168. Sind verderbliche Waaren unter dem aufgebrachten, verunglückten, oder beschädigten Gute: so muß er den öffentlichen Verkauf derselben bewirken.
§. 2169. In jedem Falle, wenn er die Vergütung eines Schadens fordert, muß er darthun, daß die versicherten Stücke wirklich der Gefahr ausgesetzt gewesen sind; daß und welche davon beschädigt oder verloren worden; und wie viel der daran entstandene Schade mit Inbegriff der Kosten betrage.
§. 2170. Nur von dem Nachweise des Werths ist der Versicherte frey, wenn derselbe schon in der Police bestimmt worden; jedoch steht dem Versicherer der Beweis offen, daß diese Taxe mehr als Zehn Prozent über den nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden vollen Werth betrage.
II. Pflichten des Versicherers.
§. 2171. Die Hauptpflicht des Versicherers besteht in der Vergütung des Schadens, welchen die versicherte Sache bey der übernommenen Gefahr erlitten hat.
§. 2172. Ist die Dauer der Gefahr in der Police nach Tagen, Monathen, oder Jahren bestimmt: so ist sie nach dem Calender zu berechnen.
§. 2173. Die Tage werden von Mitternacht bis Mitternacht an dem Versicherungsorte gerechnet, ohne auf die Zeit des Sonnenauf- oder Unterganges Rücksicht zu nehmen.
§. 2174. Die Dauer einer solchen bestimmten Versicherungszeit kann durch keine Zwischenfälle, von welcher Art sie auch seyn mögen, unterbrochen werden.
§. 2175. Geht bey Seeversicherungen von der auf eine bestimmte Zeit versicherten Sache gar keine Nachricht ein: so wird angenommen, daß ein Unglücksfall daran während des Laufes der Versicherungszeit geschehen sey.
§. 2176. Ist die Versicherung so geschlossen, daß die Gefahr von einem bestimmten Tage anfangen soll; das Schiff aber von diesem Tage schon in See gegangen, und nachher nichts weiter von ihm gehört worden; so muß der Versicherte darthun, daß selbiges erst nach diesem Tage verunglückt sey.
§. 2177. Ist die Versicherung dergestalt geschlossen, daß sie erst von einem auf der Reise des Schiffs gelegenen zum An- oder Einlaufen bestimmten Ort anfangen soll; das Schiff aber ist diesen Ort vorbey gesegelt: so haftet der Versicherer nicht für den Schaden.
§. 2178. War aber der Ort nicht zum An- oder Einlaufen bestimmt, sondern nur als ein Punkt im Wege des Schiffes, von welchem die Versicherung gelten solle, angegeben: so haftet der Versicherer für den Schaden, sobald das Schiff diesen Ort vorbey gesegelt ist.
§. 2179. Ist wegen des Anfangs der Gefahr in der Police nichts bestimmt: so wird, bey einer Cascoversicherung, der Versicherer von dem Augenblicke an verhaftet, da der Schiffer Ladung oder Ballast einzunehmen anfängt.
§. 2180. War die Versicherung bloß auf die Hinreise geschlossen: so dauert die Gefahr des Versicherers bis zur Ankunft am Bestimmungsorte, und daselbst geendigten Losung.
§. 2181. Nimmt jedoch das Schiff auf neue Ladung ein: so endigt sich die Gefahr, sobald mit der neuen Ladung angefangen worden.
§. 2182. Ist das Casco auf die doppelte Reise versichert: so dauert die Gefahr durch die Zeit, während welcher das Schiff auf die Rückladung wartet, bis zur geendigten Losung der Retourfracht.
§. 2183. Geht die Versicherung des Casco bloß auf die Rückreise: so fängt sich die Gefahr an, sobald der Schiffer Rückladung einnimmt, wenn auch die überbrachte Fracht noch nicht völlig geloset wäre.
§. 2184. Bey versicherten Waaren und Gütern nimmt die Gefahr ihren Anfang, sobald jedes Pack, Faß, oder Kiste, über den Bord des Schiffes gelangt, oder zum Behufe der Einschiffung in leichtere Fahrzeuge geladen worden.
§. 2185. Die Gefahr hört auf, sobald jedes Stück unmittelbar vom Schiffe, oder von den zur Losung gebrauchten Fahrzeugen, am Bestimmungsorte gelandet ist.
§. 2186. Der Versicherer ist daher verhaftet, wenn die Waaren in Quarantainehäuser gebracht werden müssen, und daselbst Schaden leiden.
§. 2187. Liegen jedoch die Quarantainehäuser dergestalt auf dem festen Lande des Bestimmungsortes, daß kein weiterer Transport auf der See erfordert wird: so haftet derjenige, welcher bloß auf Seegefahr gezeichnet hat, für keinen in diesen Häusern vorgefallenen Schaden.
§. 2188. Auch haftet der Versicherer, wenn bey dem Ein- oder Ausladen das Hebezeug oder der Windetakel zerbricht, und dadurch die versicherten Waaren Schaden leiden.
§. 2189. Die Losung muß möglichst beschleunigt, und ohne erhebliche Hindernisse deren Beendigung nicht über Fünfzehn Tage nach der Ankunft verzögert werden.
§. 2190. Selbst im Falle erheblicher Hindernisse haftet der Versicherer nicht länger, als Ein und zwanzig Tage nach der Ankunft.
§. 2191. Eben diese Grundsätze (§. 2184. sqq.) finden bey Versicherungen auf Frachtgelder Anwendung.
§. 2192. Ist auf das Casco allein gezeichnet, ohne ausdrücklich zu bestimmen, daß die Gefahr nur auf die Hinreise eingeschränkt sey: so geht die Versicherung auf die doppelte Reise.
§. 2193. Ist auf Waaren allein ohne solche Bestimmung gezeichnet: so versteht sich die Versicherung nur von Einer Reise.
§. 2194. Dies gilt auch bey Versicherungen auf Frachtgelder.
§. 2195. Ist auf Casco und Waaren zugleich ohne weitere Bestimmung gezeichnet: so geht die Versicherung, auch in Ansehung des Casco, nur auf Eine Reise.
§. 2196. Sind in der Police mehrere Bestimmungsörter durch den Beysatz "und" mit einander verbunden: so hat der Versicherte die Wahl: ob und wieviel er von der Ladung an jedem Orte absetzen will.
§. 2197. Der Versicherer haftet alsdann so lange, bis die ganze Ladung an einem oder mehreren dieser Oerter geloset ist.
§. 2198. Sind aber die mehrern bestimmten Oerter durch den Beysatz "oder" verbunden: so muß der Versicherte an Einem derselben die ganze Ladung losen.
§. 2199. Setzt er an Einem derselben ohne Noth nur einen Theil der Ladung ab: so ist der Versicherer für den Ueberrest der Waaren, und bey Cascoversicherungen, für die nachherigen Beschädigungen nicht weiter verhaftet.
§. 2200. War zur Zeit der gezeichneten Police das versicherte Schiff oder Gut bereits verunglückt oder beschädigt, und der Versicherte hat davon Nachricht gehabt: so finden die Vorschriften §. 2026-2028. Anwendung.
§. 2201. Ob er dergleichen Nachricht gehabt habe, darüber kann der Versicherer eidliche Angabe von ihm fordern.
§. 2202. Kann nicht ausgemittelt werden, daß der Versicherte bereits Nachricht gehabt; er hätte aber dergleichen schon haben können: so ist dennoch der Versicherer für einen solchen Verlust nicht verhaftet; sondern es findet das Ristorno statt.
§. 2203. Ob der Versicherte einen vor Zeichnung der Police sich ereigneten Unglücksfall habe wissen können, muß nach dem Zeitverlaufe beurtheilt werden, binnen welchem eine Nachricht vom Orte der Ereigniß, bis zu demjenigen, wo die Versicherung geschlossen worden, gelangen kann.
§. 2204. Dabey wird auf den gewöhnlichen Lauf der Posten Rücksicht genommen; im zweifelhaften Falle aber werden Zwey Stunden auf jede deutsche Meile gerechnet.
§. 2205. Muß die Nachricht ganz oder zum Theil über See kommen: so ist in so weit diejenige Zeit zu rechnen, binnen welcher ein Paketboot die Reise gewöhnlich zu machen pflegt.
§. 2206. Hat sich der Unglücksfall auf offner See ereignet: so wird für den Zwischenraum, vom Orte der Ereigniß, bis an den nächsten Handelsplatz, von welchem die Nachricht hat gegeben werden können, eine verhältnißmäßige Zeit, nehmlich Zwey Stunden auf die Meile gerechnet.
§. 2207. Kann nach vorstehenden Grundsätzen nicht ausgemittelt werden, daß der Versicherte vor Zeichnung der Police von dem sich ereigneten Unglücksfalle Nachricht haben können: so ist die Versicherung verbindlich.
§. 2208. War jedoch das versicherte Schiff oder Gut zur Zeit der Zeichnung schon über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben: so haftet der Versicherer für die vorher sich ereigneten Unglücksfälle nur alsdann, wenn der Versicherte alle zu seiner Wissenschaft gelangten Umstände redlich angezeigt hat, und der Contrakt ausdrücklich auf alle gute und schlimme Zeitungen geschlossen worden.
§. 2209. Ist bey See- und Strohmversicherungen keine besondere Art der Gefahr bestimmt, für welche der Versicherer nur haften soll: so trifft ihn jeder Schade, den die Sache durch äußere Vorfälle leidet.
§. 2210. Dahin gehört besonders Sturm, Ungewitter, Schiffbruch, An- und Uebersegelung, Triebeis, Strandung, Brand, Repressalien, feindliche Aufbringung, oder Plünderung von Kriegesschiffen, Kreuzern, Kapern und Seeräubern; Diebstahl und dergleichen.
§. 2211. Hat das Schiff nach der Police unter Convoy segeln sollen; ist aber durch Wind und Wetter zu ihr zu stoßen verhindert, oder von ihr getrennt worden: so muß der Versicherer auch die Folgen eines solchen Zufalls tragen.
§. 2212. Ist das versicherte Schiff oder Gut wegen des von einem Dritten, der die Stelle des Versicherten nicht vertritt, ohne des letztern Vorwissen getriebenen Contrebandehandels, unrichtiger Deklaration, Einlaufens in verbotene Häfen, oder sonstiger Uebertretung der vorhandenen Gesetze und Ordnungen, angehalten und eingezogen worden: so muß der Versicherer für den Schaden haften.
§. 2213. Sind die versicherten Waaren selbst, wegen eines dem Versicherten unbekannt gewesenen Verbots, außerhalb Landes confiscirt worden: so haftet der Versicherer dafür nur in dem Falle, wenn das Verbot während der Reise ergangen ist.
§. 2214. Doch muß der Versicherte zuvor auf Erfordern eidlich erhärten, daß er weder von einem schon vorhanden gewesenen, noch von einem bevorgestandenen Verbote Kenntniß gehabt habe.
§. 2215. Aller Schade, welcher dem versicherten Gute durch Schuld der Rheder, oder eines Dritten, der nicht die Stelle des Versicherten vertritt, ohne des letztern Zuthun entsteht, muß von dem Versicherer getragen werden; welcher dagegen seinen Regreß an den Urheber des Schadens zu nehmen hat.
§. 2216. Ferner haftet der Versicherer für allen Schaden, der dem versicherten Schiffe oder Gute, durch des Schiffers, der Steuerleute, oder des Volks Unerfahrenheit, Unvorsichtigkeit, Nachläßigkeit, Muthwillen oder Bosheit zugefügt wird; in soweit der Versicherte aus dem Vermögen des Schuldigen, und aus dem Schiffe, nebst der Fracht, seine Befriedigung nicht erlangen kann.
§. 2217. Dahin gehört besonders, wenn das Schiff übel versehen und gedichtet, oder die Güter schlecht gestauet, oder durch darauf gelegte nasse und fliessende Waaren verdorben sind.
§. 2218. Hat jedoch ein Rheder bey der Auswahl des Schiffers ein grobes Versehen begangen: so kann er von seinem Versicherer keinen Ersatz der durch den Schiffer verursachten Schäden fordern.
§. 2219. Eben dies findet statt, wenn ein Befrachter bey Auswahl des Schiffes ein grobes Versehen begangen hat.
§. 2220. Der Versicherer eines Casco ist nicht zum Ersatze verbunden, wenn die Schiffsgeräthschaften während der Reise durch den ordentlichen Gebrauch brechen, oder abgenutzt und zernichtet werden.
§. 2221. Dahin gehört auch das Brechen der Masten oder der Taue, ingleichen der Verlust der Anker oder Segel, wenn der Schaden nicht durch Sturm, oder sonst durch außerordentliche Zufälle veranlaßt wird.
§. 2222. Eben so haftet der Versicherer bey Waaren und Gütern für keinen Schaden, der aus der natürlichen Beschaffenheit selbst, aus ihren innern Fehlern und Mängeln, und aus der schlechten Fustage oder Emballage entsteht.
§. 2223. Wenn also Weine sauer werden; Oele verderben; Früchte faulen oder sonst umkommen; Getreyde oder Kastanien sich anstecken; oder die Waare durch innerlich erzeugtes Ungeziefer beschädigt wird: so trifft der Schade den Versicherten allein.
§. 2224. Eben dies gilt von einem durch Anfressen, Benagen und Zernichten, von Mäusen, Ratten oder anderem Ungeziefer verursachten Schaden.
§. 2225. Ist aber die Reise durch Zufall ungewöhnlich verzögert worden: so muß der Versicherer auch dergleichen bey verderblichen Waaren aus solchem Aufenthalte entstandenen Schaden tragen.
§. 2226. Ferner haftet der Versicherer nicht, wenn Weine, Oele, oder andere flüßige Waaren verlecken, ohne daß dieses eine Folge vom Stoßen des Schiffes, vom Stranden, oder von einem andern Unglücke ist.
§. 2227. Bey Negersklaven haftet der Versicherer nicht für das Leben derselben, wenn sie an Krankheiten sterben; oder sich selbst umbringen; oder eine Revolte anfangen, und dabey Schaden leiden.
§. 2228. Ohne ausdrückliche Abrede darf der Versicherer den aus dem Fallen der Preise entstehenden Nachtheil nicht vergüten.
§. 2229. Auch solchen Schaden, der durch die große Havereyrechnung wirklich vergütet wird, darf der Versicherer nicht übernehmen.
§. 2230. Dagegen muß er aber den etwanigen Ausfall, so wie auch den Beytrag, welcher von der versicherten Sache zur großen Haverey hat entrichtet werden müssen, vergüten.
§. 2231. Außer dem Schaden, muß der Versicherer zugleich für alle besondere und extraordinaire Kosten haften, welche der versicherten Sache wegen vorgefallen sind, und durch die große Haverey nicht vergütet werden.
§. 2232. Der Versicherer eines Schiffes muß die Liegekosten vertreten, wenn das Schiff, ohne Veranlassung der Rheder oder Befrachter, durch höhere Macht angehalten, oder auszulaufen verhindert worden.
§. 2233. Eben so muß, bey Waaren, ein Versicherer für die Schäden und Kosten haften, welche durch das Umladen der Waaren entstanden sind; im Fall dies Umladen durch einen Zufall, oder durch die Schuld des Schiffers oder seiner Leute verursacht worden.
§. 2234. Hauptsächlich aber muß der Versicherer diejenigen Kosten vertreten, welche bey sich ereignetem Unglücksfalle, zum Besten der versicherten Sache verwendet werden müssen.
Besonders bey Feuerversicherungen.
§. 2235. Bey Feuerversicherungen haftet der Versicherer für allen Feuerschaden, welcher der versicherten Sache, ohne Verschulden des Versicherten selbst, dessen Ehegatten, Kinder oder Enkel, verursacht wird.
§. 2236. Er haftet auch alsdann wenn das Feuer durch Verschuldung der Hausgenossen und Domestiken des Versicherten entstanden ist.
§. 2237. Unter Hausgenossen sind alle diejenigen zu verstehen, welche in den Gebäuden, wo die versicherten Stücke aufbewahrt werden, ihren Aufenthalt haben.
§. 2238. Geschwister, und entferntere Verwandten des Versicherten, werden zu den Hausgenossen gerechnet.
§. 2239. Nur alsdann ist der Versicherer frey, wenn solche Umstände vorhanden sind, daß der Versicherte, nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. VI. §. 56-64., auch die unerlaubten Handlungen seiner Hausgenossen oder Dienstboten vertreten muß.
§. 2240. Sind, bey entstandener Feuersgefahr, die versicherten Sachen bey dem Retten und Fortschaffen beschädigt oder verloren worden: so muß der Versicherer auch dafür Vergütung leisten.
§. 2241. Für die zur Rettung der versicherten Sachen verwendeten Kosten muß der Versicherer ebenfalls haften.
§. 2242. Ist nach vorstehenden Grundsätzen an einem versicherten Schiffe, Gute, oder andern Objekte ein Totalschade entstanden, welchen der Versicherer zu vertreten hat: so bestimmt sich das von ihm zu entrichtende Quantum aus der Police von selbst.
§. 2243. Ist die Versicherung auf Schiff und Ladung gerichtet, ohne daß der Werth eines jeden in der Police besonders bestimmt wäre; und das Schiff wird während der Reise für unbrauchbar erklärt: so wird ein Drittheil der gezeichneten Summe für das Schiff gerechnet, bis ein höherer oder geringerer Werth desselben, in Verhältniß gegen die Ladung, nachgewiesen werden kann.
§. 2244. Wenn bey Frachtversicherungen die Police nicht taxirt ist: so zahlt der Versicherer, im Falle eines Totalschadens, die durch Connossemente oder Charte Partie zu erweisende, wirklich bedungen gewesene Fracht, und die zur kleinen Haverey gehörenden Auslagen, bis zum Betrage der gezeichneten Summe.
§. 2245. Sind Waaren für Rechnung der Rheder geladen; oder ist sonst keine Fracht bedungen: so wird die Fracht zum Grunde gelegt, welche am Ladungsorte, zu der Zeit, als das Schiff in Ladung gelegen hat, für ähnliche Waaren und Reisen gewöhnlich gewesen ist.
§. 2246. Ist die versicherte Sache nur beschädigt worden, oder nur zum Theil verloren gegangen: so muß der eigentliche Betrag des Schadens ausgemittelt werden.
§. 2247. Bey Schiffen bestimmt denselben die vor der Ausbesserung vorzunehmende Untersuchung, und der darnach anzufertigende Kostenanschlag.
§. 2248. Zu dieser Untersuchung muß ein erfahrner Schiffer, Schiffsbaumeister, Repschläger und Segelmacher, entweder durch Uebereinkunft der Interessenten gewählt, oder von der Obrigkeit ernannt, und in beyden Fällen vereidet werden.
§. 2249. Bey Waaren müssen die beschädigten Stücke von den unbeschädigten gehörig abgesondert, und erstere durch vereidete Taxatoren gewürdiget, hiernächst aber öffentlich verkauft werden.
§. 2250. Sind keine öffentlich bestellte kunsterfahrne Taxatoren zu haben: so können auch andere von beyden Theilen zu erwählende glaubwürdige Männer gebraucht werden.
§. 2251. Die Taxe muß geschehen, ehe noch der Empfänger die Güter in seine Gewahrsam übernimmt.
§. 2252. Hat der Empfänger die Waaren angenommen, ohne den Schaden vorher untersuchen und abschätzen zu lassen: so wird der Versicherer frey.
§. 2253. Ist der Empfänger nur Bevollmächtigter gewesen: so bleibt derselbe dem Versicherten verantwortlich.
§. 2254. Ist nach dem Gutachten der Taxatoren der Schade an den versicherten Waaren so beschaffen, daß sie zu ihrer eigentlichen Bestimmung gar nicht weiter zu gebrauchen sind: so müssen selbige für Rechnung des Versicherers, ohne weitere Rücksprache sogleich öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden.
§. 2255. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die beschädigten Waaren an sich unter die verderblichen gehören.
§. 2256. Außer diesen beyden Fällen ist der Versicherte, oder dessen Commissionair schuldig, nach aufgenommener Taxe zuvor mit dem Versicherer über den Verkauf Rücksprache zu halten, und dessen Anweisung zu befolgen.
§. 2257. Das aus solchem Verkaufe gelösete Geld erhält der Versicherte, auf Abschlag der ihm von dem Versicherer zukommenden Vergütung.
§. 2258. Die Würdigung muß bey Schiffen an dem Orte, wo sie zuerst einlaufen, und bey Waaren an dem Orte, wo sie ausgeladen werden, geschehen.
§. 2259. Der daselbst gegenwärtige Versicherer, oder dessen dem Schiffer bekannt gemachter Commissionair, muß dabey mit zugezogen; außerdem aber dem Versicherer ein zuverläßiger Mann, zur Wahrnehmung seiner Rechte, zugeordnet werden.
§. 2260. Die Würdigung muß unter gerichtlicher Aufsicht erfolgen.
§. 2261. Doch soll, wenn die Schadensaufnehmung außerhalb Landes geschieht, auch die Zuziehung des Consuls der Nation, von welcher der Versicherer ist, oder eines Notarii und zweyer Zeugen hinreichend seyn.
§. 2262. Die Schadenberechnung selbst muß, wenn beyde Theile darüber uneinig sind, von vereideten Sachkundigen oder Dispacheurs, nach den ihnen vorzulegenden richtig befundenen Briefschaften und Beweismitteln, angefertigt werden.
§. 2263. Bey beschädigten Schiffen ergiebt sich der Betrag dessen, was der Versicherer vergüten muß, aus dem aufgenommenen Anschlage. (§. 2247.)
§. 2264. Ist der vormalige Werth des Schiffes in der Police bestimmt, und nicht voll versichert: so wird der Schade nur nach Verhältniß der gezeichneten Summe vom Versicherer vergütet.
§. 2265. Bey beschädigten Waaren ergiebt sich die zu vergütende Summe aus Vergleichung des gelöseten Geldes, gegen den comptanten Marktpreis am Bestimmungsorte.
§. 2266. Wird aber die beschädigte Waare im Nothhafen verkauft: so muß der Einkaufspreis ausgemittelt werden.
§. 2267. Dies geschieht auf den Grund der Faktur und Einkaufsrechnung, mit Zuschlagung der Ladungskosten, der Fracht, des Beytrages zur kleinen Haverey, der Versicherungsprämie, und anderer Unkosten, welche die Waare gewöhnlich bis zum Verkauf am Bestimmungsorte erfordert.
§. 2268. Beträgt die gezeichnete Summe weniger, als der nach vorstehenden Grundsätzen auszumittelnde Werth der Waaren: so muß der Schade zwischen beyden Theilen, nach Verhältniß des Versicherungsquanti zum ausgemittelten Werthe, vertheilt werden.
§. 2269. Sind Waaren von gleicher Art bey Mehrern versichert, und es kann nicht ausgemittelt werden, von wem die beschädigten versichert sind: so tragen sämmtliche Versicherer den Schaden auf vorstehende Art, nach Verhältniß der gezeichneten Summen.
§. 2270. Ist zur Zeit des entstandenen Unglücks die versicherte Sache schon durch solche Vorfälle, wofür der Versicherer nicht einsteht, beschädigt gewesen: so wird der Betrag dieses Schadens nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen in Abzug gebracht.
§. 2271. Bey Frachtversicherungen wird, im Falle eines Partialschadens, auf die Taxe in der Police keine Rücksicht genommen, sondern der Versicherte muß durch Connossemente und Charte Partie die bedungen gewesene Fracht, und die kleine Haverey erweisen.
§. 2272. Was er weniger erhält, wird, in Verhältniß des ausgemittelten Betrages der bedungenen Fracht und der kleinen Haverey, prozentweise berechnet; und der Versicherer bezahlt so viel Prozente von der gezeichneten Summe.
§. 2273. Wenn aber die gezeichnete Summe die wirklich bedungene Fracht und kleine Haverey übersteigt: so bezahlt der Versicherer nur jene Differenz.
§. 2274. Beträgt bey an sich verderblichen Waaren, der Schade nur Zehn; bey unverderblichen aber, ingleichen bey Cascoversicherungen, unter Drey Prozent von der versicherten Summe gerechnet: so kann der Versicherte keine Vergütung fordern.
§. 2275. Ist ein Schade durch Schuld und Versehen des Schiffers, der Steuerleute, oder des Schiffsvolks geschehen: so muß der Versicherte alle Mühe anwenden, auf Kosten des Versicherers, aus des Schuldigen Vermögen, aus dem Schiffe oder dessen Frachtgeldern, den Ersatz seines Schadens zu erhalten.
§. 2276. Nur so weit, als er solchergestalt zu seiner Befriedigung ganz; oder zum Theil nicht gelangen kann, ist er dieselbe von dem Versicherer zu fordern berechtigt.
§. 2277. Dem Versicherer steht jedoch frey, den Prozeß gegen den Schuldigen selbst zu übernehmen, ohne daß er dazu eine Vollmacht oder Cession nöthig hat; er muß aber alsdann dem Versicherten die Vergütungssumme auf dessen Verlangen sogleich bezahlen.
§. 2278. Hat außer dem Schiffer oder Schiffsvolke, sonst ein Dritter, der nicht die Stelle des Versicherten vertritt, den Schaden verursacht: so ist der Versicherte schuldig, die Klage wider denselben sogleich anzustellen, und den Prozeß, auf Kosten des Versicherers, so lange gehörig fortzusetzen, als dieser, nach dem Laufe der Posten, dazu die nöthigen Verfügungen selbst treffen kann.
Von Zahlung der Vergütungssumme.
§. 2279. Wegen der Münzsorte, worin die Zahlung von dem Versicherer geleistet werden muß, gelten die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XVI. §. 74. sqq.
§. 2280. Die Zahlung muß an denjenigen geschehen, auf dessen Namen die Police lautet, oder dem sie von diesem cedirt worden.
§. 2281. Ist nach §. 2071. die Versicherung an Zeigern dieses, oder für Rechnung des, den es angeht, geschlossen: so kann der Versicherer zwar an jeden Inhaber sicher zahlen; jedoch hängt es von ihm ab, von der Vorschrift des §. 2072. Gebrauch zu machen.
§. 2282. Von der zu zahlenden Vergütungssumme kann der Versicherer Zwey Procent in Abzug bringen, wenn er dieser Befugniß nicht ausdrücklich entsagt hat.
§. 2283. Bey einem Totalschaden sowohl, als bey Partialschäden, muß die Vergütung binnen Zwey Monathen, vom Tage der Bekanntmachung und Andeutung, entrichtet werden; wenn binnen dieser Zeit die erforderlichen Beweise beygebracht werden.
§. 2284. Werden die erforderlichen Beweise später beygebracht: so ist die Zahlung binnen Acht Tagen vom Tage der angelegten Dispache zu leisten.
§. 2285. Von der hiernach zu bestimmenden Zahlungszeit, oder wenn die zu leistende Vergütung erst durch Prozeß festgesetzt wird, vom Tage der eingehändigten Klage, kann der Versicherte auch die im Ersten Theile, Tit. XI. §. 827. sqq. bestimmten Verzögerungszinsen fordern.
§. 2286. Auf die Zwischenzeit kann er in denjenigen Fällen Sicherheitsbestellung verlangen, da gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage vorhanden sind.
§. 2287. Bey Versicherungen der Freyheit eines Menschen, muß der Versicherer die gezeichnete Summe binnen Acht Tagen von dem Tage an bezahlen, da ihm die eingegangene glaubhafte Nachricht von der Gefangennehmung des Versicherten angedeutet, oder in Ermangelung vollständiger Beweise, bis zur Beybringung derselben hinreichende Sicherheit bestellt worden.
§. 2288. Der §. 2282. bestimmte Abzug der Zwey von Hundert findet in einem solchen Falle nicht statt.
§. 2289. Ist der Versicherte ohne Lösegeld frey gekommen: so wird der Versicherer dadurch nicht außer Verbindlichkeit gesetzt, noch kann er die bereits gezahlte Summe zurückfordern.
§. 2290. Dagegen findet die Zurückforderung statt, wenn der Versicherte vor der Auslösung gestorben ist; jedoch muß alsdann der Wittwe und den Kindern des Verstorbenen der Vierte Theil der gezeichneten Summe gelassen werden.
§. 2291. Ist auf die Freyheit eines Menschen keine bestimmte Summe in der Police gezeichnet: so muß der Versicherer für alle Kosten zu der versuchten Losmachung des Gefangenen haften.
§. 2292. Doch soll, bey ermangelnder Vereinigung, auf den Antrag des Versicherers, ein Dritter von der Obrigkeit bestellt werden, der das Auslösungsgeschäft auf Rechnung des Versicherers, welcher den Vorschuß dazu hergeben muß, betreibe.
§. 2293. Ist das Leben eines Menschen versichert: so muß die gezeichnete Summe binnen Zwey Monathen, nach dem Tage, da die von seinem Absterben eingegangene glaubhafte Nachricht dem Versicherer angedeutet worden, bezahlt werden.
§. 2294. Ist der zur Dauer der Versicherung bestimmte Zeitpunkt verflossen, ohne daß von dem Leben oder Tode der versicherten Person Nachricht eingegangen wäre: so ist der Versicherer zu nichts verbunden, bis das Absterben während der Versicherungszeit erwiesen wird.
§. 2295. War die Versicherung ausdrücklich zum Behufe einer bevorstehenden Gefahr geschlossen, und die versicherte Person ist dieser Gefahr wirklich ausgesetzt gewesen: so muß der Inhaber der Police die gesetzliche Frist, nach deren Verlauf ein Verschollner für todt erklärt werden kann, abwarten.
§. 2296. Die Todesklärung muß der Inhaber auf seine Kosten suchen, nach deren Erfolg aber kann er die gezeichnete Summe fordern.
§. 2297. In der Zwischenzeit kann er verlangen, daß ihm landübliche Zinsen von der gezeichneten Summe, seit dem Ablaufe der zur Dauer der Versicherung bestimmten Zeit, gezahlt werden.
§. 2298. Wird hiernächst erwiesen, daß der Versicherte während des zur Dauer der Versicherung bestimmten Zeitpunktes verstorben sey: so muß nichts destoweniger die volle gezeichnete Summe bezahlt werden; wird aber dieser Beweis nicht geführt: so werden die genossenen Zinsen von der gezeichneten Summe abgerechnet.
§. 2299. Findet sich hiernächst der Verschollne wieder ein, oder kann sonst erwiesen werden, daß er die Jahre der Versicherung überlebt habe: so muß der Empfänger die gezeichnete Summe, jedoch ohne Zinsen, zurückzahlen.
§. 2300. Von vorstehenden aus dem Assecuranzvertrage fließenden Verbindlichkeiten kann keine von beyden Parteyen sich, weder ganz noch zum Theil, einseitig losmachen.
§. 2301. Doch kann der Versicherer von den zur Rettung oder Freymachung der versicherten Sache erforderlichen Kosten sich befreyen, wenn er sich, nach entstandenem Unglücksfalle, zur Zahlung der ganzen gezeichneten Summe erbietet.
§. 2302. Er muß sich aber darüber binnen der im ersten Theile. Tit. V. §. 95. vorgeschriebenen Frist, von der Zeit an gerechnet, da ihm der geschehene Unglücksfall mit den Hauptumständen vollständig gemeldet worden, schriftlich erklären.
§. 2303. Zögert er damit: so muß er alle bis zum Zeitpunkte der Erklärung bereits verwendete Kosten, noch außer dem Versicherungsquanto, bezahlen.
§. 2304. Der Versicherte kann sich seiner Verbindkeit, zur Rettung der versicherten Sache ferner allen Fleiß und Mühe anzuwenden, nur in dem Falle entziehn, wenn bey Seeversicherungen ein Totalschade höchstwahrscheinlich ist; und dies durch gehörig beygebrachte Beweise dargethan worden.
§. 2305. Dies findet besonders statt, wenn ein Schiff über die zur Reise gewöhnliche Zeit ausbleibt, und davon keine Nachricht eingeht; welches der Versicherte auf Erfordern eidlich bestärken muß.
§. 2306. Ferner, wenn das Schiff, ohne daß ein Fehler in der Bauart oder Ausrüstung daran Ursache wäre, während der Reise unbrauchbar wird; und entweder gar nicht, oder nicht ohne sehr erhebliche Kosten ausgebessert werden kann.
§. 2307. Die Kosten werden für erheblich geachtet, wenn sie mehr betragen, als das Schiff, nach der Reparatur, den Werth des Wraks abgerechnet, werth seyn würde.
§. 2308. Auch wenn ein Schiff und Gut aufgebracht, angehalten, oder in Beschlag genommen worden, und dessen Befreyung oder Losmachung ungewiß und weit aussehend ist, kann dasselbe von dem Versicherten abandonnirt werden.
§. 2309. In allen Fällen des §. 2304. kann der Versicherte dem Versicherer andeuten, daß er ihm die versicherte Sache überlasse, und dagegen die Zahlung der gezeichneten Summe von ihm verlange.
§. 2310. Zwey Monath nach dem Tage der ihm zugekommenen Andeutung muß der Versicherer, gegen Aushändigung der nöthigen Documente, Zahlung leisten.
§. 2311. Will der Versicherte Schiff und Gut abandonniren, weil selbiges über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben ist: so kann, wenn das Schiff von und nach einem Hafen in der Ost- oder Nordsee bestimmt war, die Andeutung geschehen, sobald Drey Monath über die gewöhnliche Zeit verlaufen sind.
§. 2312. War aber das Schiff von oder nach einem andern jedoch europäischen Hafen bestimmt: so muß ein Zeitraum von Sechs Monathen abgewartet werden.
§. 2313. Zwey Monathe nach dieser Andeutung muß der Versicherer die gezeichnete Summe zahlen; kann jedoch davon Acht vom Hundert in Abzug bringen.
§. 2314. Will der Versicherer sich zu dieser Zahlung nicht bequemen: so muß der Versicherte Ein Jahr und Zwey Monathe, von Zeit der Absegelung des Schiffes an, in Geduld stehen.
§. 2315. Nach Verlauf dieser Zeit aber muß der Versicherer die volle gezeichnete Summe, auch ohne Abzug der sonst gewöhnlichen Zwey vom Hundert, bezahlen.
§. 2316. Soll ein außer Europa bestimmtes Schiff, weil es über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben ist, abandonnirt werden: so muß der Versicherte, bey Schiffen, welche die Linie nicht passiren, Ein Jahr und Sechs Monathe, von Zeit der Absegelung, abwarten.
§. 2317. Hat das Schiff die Linie passiren sollen: so muß ein Zeitraum von Drey Jahren abgewartet werden.
§. 2318. Ist nach Ablauf dieser Fristen noch keine Nachricht eingegangen: so muß der Versicherer binnen Acht Tagen, ohne Abzug der Zwey Procent, Zahlung leisten.
§. 2319. Ein angehaltenes, weggenommenes, oder aufgebrachtes Schiff oder Gut, dessen Befreyung ungewiß, oder weitaussehend ist, kann nach Sechs Monathen von der Zeit an, da die erfolgte Beschlagnehmung dem Versicherer bekannt gemacht worden, abandonnirt werden.
§. 2320. Ist die Aufbringung außerhalb Europa geschehen: so muß der Versicherte den Verlauf Eines Jahres abwarten.
§. 2321. Kann jedoch der Versicherte beybringen, daß ein solches Schiff mittelst rechtlichen Erkenntnisses für verwirkt, oder für eine gute Prise erklärt worden: so steht ihm frey, es sofort zu abandonniren, und von dem Versicherer nach §. 2310. Zahlung zu fordern.
§. 2322. Die Andeutung des Abandonnements muß gerichtlich, oder durch einen Notarium, oder vereideten Mäkler geschehen.
§. 2323. Es muß unbedingt geschehen, und kann nicht wieder zurückgenommen werden.
§. 2324. Auch muß die ganze versicherte Sache abandonnirt werden, wenn sie gleich nicht zum vollen Werthe versichert gewesen seyn sollte.
§. 2325. Bey einer Cascoversicherung müssen die Rheder auch die Fracht mit abandonniren; außer wenn das Schiff ohne die Einrechnung der Ausrüstungskosten versichert worden. (§. 1986.)
§. 2326. Ist während der Reise Ein Theil der versicherten Waaren ausgeladen worden: so kann der Versicherte die gezeichnete Summe nur nach Verhältniß des Werths der nicht ausgeladenen Waaren fordern.
§. 2327. Nach geschehenem Abandonnement hängt es lediglich von dem Versicherer ab, was für Mühe oder Kosten er zur Rettung oder Freymachung der Sache anwenden wolle.
§. 2328. Der Versicherte ist jedoch verbunden, ihm dazu behülflich zu seyn, so weit dies ohne seine Kosten, und ohne besondre Mühe oder Beschwerde geschehen kann.
§. 2329. Alles, was noch gerettet wird, kommt dem Versicherer zu gute, wenn auch die abandonnirte Sache nicht zum vollen Werthe versichert gewesen seyn sollte.
§. 2330. Bey allen übrigen Arten von Versicherungen findet gar kein Abandonnement statt.
§. 2331. Hat aber, bey Feuerassecuranzen, der Versicherer die gezeichnete Summe bezahlt: so gehört ihm alles, was von den versicherten Sachen gerettet, oder aufgefunden wird.
§. 2332. Der Versicherte ist schuldig, dem Versicherer dazu die ihm bekannt gewordenen Nachrichten mitzutheilen, und sich auf Erfordern darüber eidlich zu reinigen.
§. 2333. Wenn der Assekuranzcontrakt ohne Schuld des Versicherten rückgängig wird; und also der Versicherer gar keine Gefahr gelaufen ist: so muß letzterer die bereits erhaltene Prämie zurückzahlen.
§. 2334. Er kann sich jedoch ein halb Procent von dem versicherten Capitale abziehen und einbehalten.
§. 2335. Beträgt die Prämie selbst nicht über Zwey Procent: so kann nur Ein Viertel der Prämie abgezogen werden.
§. 2336. Das Ristorno findet alsdann statt, wenn mehrere Versicherungen über den vollen Werth der Sache ohne Schuld des Versicherten geschlossen worden, und also die eine wieder aufgehoben werden muß. (§. 2007. 2008.)
§. 2337. Ferner, wenn der Versicherte die Unternehmung, auf welche die Versicherung geschlossen worden, aus erheblichen Gründen gänzlich einstellt.
§. 2338. Auch alsdann, wenn sonst wegen vorgefallener Zufälle und Hindernisse, die Unternehmung gänzlich unterbleibt.
§. 2339. Muß aber ein bereits ausgelaufenes Schiff, wegen widrigen Windes, oder aus andern Ursachen, wieder zurückkehren, und die Reise gänzlich einstellen: so kann der Versicherer, außer dem halben Procent, noch einen verhältnißmäßigen Abzug machen.
§. 2340. Dieser Abzug muß nach Verhältniß der bereits ausgestandenen Gefahr, allenfalls durch schiedsrichterlichen Ausspruch, bestimmt werden.
§. 2341. Die Reise wird für ganz eingestellt geachtet, wenn die Ladung ganz geloset werden muß, um das Schiff auszubessern.
§. 2342. Wird aber von dem Versicherer irgend ein Schade aus dem Contrakte vergütet: so findet das Ristorno nicht statt, und die Versicherung ist beendigt.
§. 2343. Ist ein Schiff oder Gut auf mehrere Orte zugleich versichert; und auf jeden Ort eine besondere Prämie bestimmt: so findet das Ristorno in Ansehung derjenigen Prämien statt, welche für Orte bestimmt waren, wohin das Schiff oder Gut nicht wirklich gegangen ist.
§. 2344. In Ansehung eines Theils der Prämie findet das Ristorno, in den §. 2141. 2146. 2153. 2159. bestimmten Fällen Anwendung.
§. 2345. Bey Versicherungen auf imaginairen Gewinn ist das Ristorno nur alsdann zuläßig, wenn die Unternehmung, worauf selbige geschlossen worden, ohne Schuld des Versicherten nicht statt findet.
§. 2346. Kann der Versicherte zu seiner Befriedigung nicht gelangen: so muß er deshalb richterliche Hülfe nachsuchen.
§. 2347. Die Klage muß binnen Sechs Monathen angestellt werden, wenn der Schade in der Nord- oder Ostsee, oder in einem Hafen an diesen Küsten geschehen ist.
§. 2348. Hat sich aber der Schade im mittelländischen Meere und dessen Häfen, in der Levante, dem Archipelagus, oder an den Küsten der Barbarey zugetragen: so muß die Anstellung der Klage binnen Jahresfrist erfolgen.
§. 2349. Bey einem in andern entferntern Welttheilen vorgefallenen Schaden, findet ein Zweyjähriger Zeitraum statt.
§. 2350. Diese Fristen laufen, bey einem Totalschaden, von dem Augenblicke an, da der Versicherte über die Hauptumstände vollständige Nachricht erhalten hat.
§. 2351. Ist ein gehöriges Abandonnement erfolgt: so läuft die Verjährung von dem Tage der Andeutung desselben, ohne Rücksicht auf die nachher etwa eingegangene Nachricht.
§. 2352. In allen übrigen Fällen hingegen fängt die Verjährung von der Zeit an, da der Schade so weit liquide geworden ist, daß die Klage angestellt werden können.
§. 2353. Sind diese Fristen verflossen, und der Versicherte kann keine solche Umstände nachweisen, welche nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. IX. §. 512-534. den Anfang der Verjährung hindern, oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen: so ist sein Anspruch ganz erloschen.
§. 2354. Die Verjährung kann nur durch Anstellung einer gerichtlichen Klage, oder dadurch unterbrochen werden, daß der Versicherer sich schriftlich zur Vergütung erboten hat.
§. 2355. Sind über die Vergütung Unterhandlungen gepflogen worden: so wird die darauf verwendete Zeit, bis zu dem Zeitpunkte, da selbige wegen der Weigerung des Versicherers abgebrochen worden, in die Verjährungszeit nicht mit eingerechnet.
§. 2356. Ist die Verjährung einmal unterbrochen: so dauert der Anspruch dreyßig Jahre.
§. 2357. Wegen rückständig gebliebener Prämie erlöscht die Klage nur innerhalb der gewöhnlichen Verjährungsfristen.
§. 2358. Mit Einforderung des Ristorno hat es gleiche Bewandniß.
Vierzehnter Abschnitt. Von der Bodmerey
§. 2359. Bodmerey ist ein Darlehnscontrakt, bey welchem der Gläubiger, gegen Verpfändung eines Schiffes, oder der Ladung desselben, oder beyder zusammen, die Seegefahr übernimmt.
§. 2360. Dagegen kann er sich ein den erlaubten Zinssatz übersteigendes Aufgeld verschreiben lassen.
§. 2361. Die Bestimmung dieses Aufgeldes hängt lediglich von der Vereinigung beyder Theile ab.
§. 2362. Ein Darlehn auf Schiff oder Ladung, bey welchem der Gläubiger keine Seegefahr übernimmt, hat nicht die Vorrechte einer Bodmerey.
§. 2363. Sind in einem solchen Abkommen höhere als die an dem Orte des geschlossenen Contrakts unter Kaufleuten erlaubten Zinsen bedungen worden: so ist dasselbe für einen wucherlichen Contrakt zu achten.
§. 2364. Diejenigen Personen, welchen nach §. 1939-1942. untersagt ist, Versicherungen zu ertheilen, dürfen auch, bey gleicher Strafe, kein Geld oder Geldeswerth auf Bodmerey geben.
§. 2365. Wer in der Fähigkeit, Darlehne aufzunehmen, eingeschränkt ist, kann keine Bodmerey nehmen. (Th. I. Tit. XI. §. 675. sqq.)
§. 2366. Jeder einzelne Rheder kann seine Schiffspart verbodmen.
§. 2367. Auch kann das ganze Schiff von allen Rhedern zusammen, oder von ihrem gemeinschaftlichen Faktor verbodmet werden.
§. 2368. Auf die Schiffspart eines einzelnen Rheders können die übrigen, oder deren Disponent, auch wider des Eigenthümers Willen, Bodmerey nehmen, wenn derselbe den schuldigen Beytrag zur Ausrüstung oder Ausbesserung des Schiffs verweigert, oder zur Ungebühr verzögert.
§. 2369. Bodmerey auf die Fracht allein findet nicht statt.
§. 2370. Eben so wenig kann sie über die Heuer des Schiffsvolks geschlossen werden.
§. 2371. In beyden Fällen ist der Vertrag ungültig; und das gegebene Darlehn zum Besten der Seearmen verfallen.
§. 2372. Jeder einzelne Befrachter kann seinen Theil der Ladung verbodmen.
§. 2373. Diese Befugniß steht auch dem Schiffer und dem Schiffsvolke, in Absicht der unter Billigung der Gesetze, oder Bewilligung der Rheder. für eigene Rechnung mitgenommenen Waaren zu.
§. 2374. Kein Rheder oder Befrachter darf über den gemeinen Werth des Schiffes, oder der Ladung (Th. I. Tit. II. §. 111. sqq.) am Orte und zur Zeit des geschlossenen Contrakts, Bodmerey nehmen.
§. 2375. Hat er es gleichwohl gethan: so soll er als ein Betrüger gestraft werden; und für das mehr empfangene, nebst Sechs Procent Zinsen, auch alsdann haften, wenn die verbodmete Sache verunglückt.
§. 2376. Bey gleicher Strafe darf weder ein Rheder, noch Befrachter, Bodmerey über Gegenstände schließen, die bereits zu ihrem vollen gemeinen Werthe versichert sind.
§. 2377. Geschieht dies dennoch: so muß dem Bodmereygeber das verschriebene Capital ohne Abzug bezahlt werden, wenn auch die verbodmete Sache verloren geht.
§. 2378. Ist aber Schiff oder Ladung nur zum Theil versichert: so kann der freygebliebene Theil, bis zum vollen gemeinen Werthe, noch besonders verbodmet werden.
§. 2379. Der Schiffer kann nur im Nothhafen Bodmerey schließen.
§. 2380. Er kann aber alsdann sowohl das Schiff allein, als auch Schiff und Ladung zusammen, nicht aber die Ladung allein verbodmen.
§. 2381. Es macht in diesem Falle keine Aenderung, wenn gleich Schiff und Ladung bis zum vollen gemeinen Werthe versichert seyn sollten.
§. 2382. Eben so wenig hat es Einfluß, wenn glech der Schiffer Theil an der Rhederey nimmt.
§. 2383. An dem Orte, von welchem er aussegelt und am Bestimmungsorte, ist er, ohne Specialvollmacht der Rheder oder Befrachter, nicht befugt, Bodmerey zu schließen.
§. 2384. Auch in einem solchen Zwischenhafen, wo er an Bevollmächtigte der Rheder oder Befrachter gewiesen worden, soll er, ohne Vorwissen und Einwilligung derselben, keine Bodmerey nehmen.
§. 2385. Was der Schiffer zu beobachten habe, wenn er in einem Nothhafen Bodmerey nimmt, ist oben, verordnet. (§. 1499. sqq.)
§. 2386. Wird eine solche Bodmerey in einem hiesigen Hafen geschlossen: so muß der Geber, bey Verlust der Vorrechte aus dem Bodmerey-Contrakte, dahin sehen, daß der Schiffer diese Vorschrift genau beobachte.
§. 2387. In Absicht derjenigen Bodmerey-Contrakte hingegen, welche in auswärtigen Häfen geschlossen worden, sind die Gesetze des Orts zur Richtschnur zu nehmen.
§. 2388. Wer einem Schiffer wissentlich zu anderm Gebrauche, als zum Besten des Schiffs oder Guts, Bodmerey giebt, kann sich nur allein an den Schiffer und dessen Schiffspart, oder andere Habseligkeit, halten.
§. 2389. Ein Bodmereygeber, welcher sich mit dem Schiffer zum Schaden der Rheder und Befrachter verstanden hat, muß den Letztern für allen aus der Bodmerey entstandnen Nachtheil als Selbstschuldner haften, und soll als ein Betrüger gestraft werden.
§. 2390. Bodmerey-Contrakte sollen in Königlichen Landen, bey Strafe der Ungültigkeit, schriftlich errichtet werden.
§. 2391. Ist jedoch die Bodmerey durch einen Mäkler geschlossen worden: so kann der von demselben zu ertheilende Auszug seines Journals die Stelle des. schriftlichen Contrakts vertreten.
§. 2392. Bloß mündliche Verabredungen zur Bodmerey sind ungültig, wenn auch in der Absicht, einen Bodmerey-Contrakt zu schließen, ein unausgefülltes. Blanket ausgestellt und unterschrieben worden. (Th. L Tit. V. §. 155. sqq. Tit. XI. § 727.)
§. 2393. Der Bodmereybrief muß vorzüglich enthalten: die Namen des Gebers und des Nehmers; die Benennung des Schiffs und des Schiffers; die zu zahlende Summe; die vom Geber übernommene Seegefahr; und die Bestürmung der verbodmeten Sache.
§. 2394. Ein Schuldschein, worin bloß allgemein bemerkt worden, daß die Valuta oder der Werth auf Bodmerey genommen sey, ist für keinen Bodmereybrief zu achten.
§. 2395. Wegen der Münzsorte findet dasjenige Anwendung, was §. 759. sqq. bey Wechseln vorgeschrieben ist.
§. 2396. Auch in Absicht der Unterschrift des Namens gilt alles dasjenige, was §. 776. sqq. bey Wechseln verordnet worden.
§. 2397. Sind wegen der vom Geber übernommenen Seegefahr, im Bodmereybriefe keine besondern Verabredungen enthalten: so treffen ihn alle die Vorfälle, für welche, nach §. 2171. sqq., bey der Seeversicherung der Versicherer einstehen muß.
§. 2398. Ist keine Zahlungszeit bestimmt: so wird angenommen, daß die Berichtigung binnen Acht Tagen nach der Ankunft der Schiffes erfolgen solle.
§. 2399. Ist die Bodmerey nicht ausdrücklich nur auf die Hin- oder auf die Rückreise, oder auf beyde zusammengeschlossen: so muß, bey verbodmeten Waaren, die Zahlung an dem in der Charte Partie oder im Connossemente bemerkten Bestimmungssorte geschehen.
§. 2400. Ist in einem solchen Falle das Schiff allein verbodmet: so wird der Contrakt auf die Hin- und Herreise gezogen.
§. 2401. Doch muß die Bodmereyschuld sogleich bezahlt werden, wenn das Schiff binnen Zwey Monathen die Retourreise ohne unverschuldete Hinderungen nicht angetreten hat.
§. 2402. Sind Schiff und Waaren zugleich ohne weitere Bestimmung verbodmet: so haften dem Bodmereygeber die in Sicherheit gebrachten Waaren, wenn gleich das Schiff auf der Rückreise verloren geht.
§. 2403. Eben das findet statt, wenn die Waaren verloren gehn, und das Schiff gerettet wird.
§. 2404. Für die von den Rhedern geschlossene Bodmerey haftet der Regel nach nur das Schiff, oder die Schiffspart des einzelnen Rheders, welcher die Bodmerey geschlossen hat.
§. 2405. Eben so wird, für die von einem Befrachter geschlossene Bodmerey, nur dessen Antheil an der wirklichen Ladung verhaftet.
§. 2406. Dagegen ist für die vom Schiffer im Nothhafen genommene Bodmerey Schiff und Ladung zugleich verhaftet, wenn nicht das Gegentheil im Bodmereybriefe festgesetzt worden.
§. 2407. Der Bodmereygeber hält sich an Schiff und Ladung, oder welchen Theil derselben er will, so lange bis sein Bodmereybrief berichtigt ist.
§. 2408. Bodmerey, welche der Rheder in Königlichen Landen nimmt, muß gleich einer Verpfändung, auf den Original-Schiffsurkunden verzeichnet werden. (Th. I. Tit. XX. §. 301. sqq.)
§. 2409. Eben so sind bey einer Bodmerey auf Waaren, wenn sie in hiesigen Landen von dem Eigenthümer derselben, oder dessen Bevollmächtigten geschlossen wird, die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX. §. 376. sqq. zu beobachten.
§. 2410. Ist dies verabsäumt worden: so steht die Bodmerey den Verpfändungen, bey welchen diese Vorschriften beobachtet sind, ohne Rücksicht des Alters nach.
§. 2411. Nimmt der Schiffer Bodmerey, es sey in- oder außerhalb Landes: so ist er schuldig dafür zu sorgen, daß selbige auf den Schiffsurkunden, und wenn Waaren verbodmet worden, auf dem Connossement gehörig verzeichnet werde; auch muß er, im letztern Falle, den Empfänger der verbodmeten Waaren sogleich davon benachrichtigen.
§. 2412. Unterläßt er dies: so haftet er jedem Dritten für allen daraus entstehenden Schaden.
Pflichten bey Schließung des Contraktes.
§. 2413. Bey Schließung des Bodmerey-Contrakts muß von beyden Theilen alles dasjenige beobachtet werden, was §. 2024. sqq. dem Versicherten und dem Versicherer zur Pflicht gemacht ist.
§. 2414. In allen Fällen, da wegen unterlassener Befolgung dieser Vorschriften, eine Seeversicherung ungültig wird, (§. 2025. 2026. 2030. 2031.) findet auch eben dies bey dem Bodmerey-Contrakte statt.
§. 2415. Hat alsdann der Bodmereynehmer den Fehler begangen: so muß er die völlige Bodmereyschuld, sammt allen erweislichen Kosten bezahlen.
§. 2416. Ist aber der Fehler von Seiten des Bodmereygebers vorgefallen: so verliert er, zur Strafe, das gegebene Darlehn, und der Nehmer muß selbiges, nebst Zinsen, vom Tage des Empfanges, zur Armencasse bezahlen.
§. 2417. In allen den Fällen, da bey Seeversicherungen das Ristorno zugelassen ist §. 2007. 2136. 2139. 2141. 2202. und 2337. findet selbiges auch bey der Bodmerey statt.
§. 2418. Bedient der Nehmer sich desselben: so muß er das erhaltene Darlehn, nebst Sechs Procent Zinsen vom Tage des Empfanges, und der verursachten Kosten, wohin auch die Kosten der von dem Geber über die Bodmerey etwa genommenen Versicherung gehören, erstatten.
§. 2419. Sollte der Bodmereynehmer bloß unter Vorspiegelung einer zu machenden Reise oder Versendung, Geld zu erhalten gesucht haben: so muß er außerdem die bedungene Bodmereyprämie, in soweit selbige die gewöhnlichen Zinsen übersteigt, an die Schiffs-Armencasse zur Strafe erlegen.
§. 2420. Wird das Ristorno von dem Geber ausgeübt: so erhält er bloß das Darlehn ohne Zinsen und Kosten zurück.
§. 2421. In beyden Fällen bleibt ihm, bis zur erfolgenden Zahlung, die verbodmete Sache eben so verhaftet, als wenn der Contrakt nicht rückgängig geworden wäre.
Pflichten des Nehmers nach geschlossenem Contrakte.
§. 2422. Auch nach geschlossenem Contrakte liegt dem Nehmer alles dasjenige ob, was §. 2117. sqq. dem Versicherten zur Pflicht gemacht worden.
§. 2423. Hat er davon etwas verabsäumt: so wird der Geber von der übernommenen Seegefahr frey, und es muß demselben die völlige Bodmereyschuld bezahlt werden, wenn gleich die verbodmete Sache ganz oder zum Theil verunglückte.
§. 2424. Wird durch das Ristorno die auf Ladung geschlossene Bodmerey nur zum Theil rückgängig: so finden die Vorschriften des §. 2418. und 2420. nach Verhältniß der zurückgebliebenen, gegen die abgegangenen Waaren, Anwendung, und es haften, bis zur erfolgenden Zahlung, dem Geber sowohl die zurückgebliebenen, als die abgegangenen Waaren.
§. 2425. Der Geber haftet für die Seegefahr der verbodmeten Sache gleich einem Versicherer, und es finden sowohl wegen der Zeit, als wegen der Art dieser Gefahr die Vorschriften des §. 2180-2190. und 2209-2234. Anwendung, in so fern im Bodmereybriefe keine ausdrückliche Ausnahme festgesetzt worden.
§. 2426. Ist die verbodmete Sache durch die nach §. 2209. sqq. zu beurtheilende Seegefahr ganz verloren gegangen: so erlöscht der Anspruch des Bodmereygebers.
§. 2427. Ist sie aber nur zum Theil verunglückt: so hängt es von der Wahl des Nehmers ab: die Bodmereyschuld zu bezahlen, oder dem Geber die verbodmete Sache zu seiner Befriedigung zu überlassen.
§. 2428. Wählt er das Letztere: so muß er, bey einer auf das Schiff genommenen Bodmerey, auch die vorhandenen Geräthschaften, Ammunition, Lebensmittel, und die Fracht der letzten Reise, dem Bodmereygeber abtreten.
§. 2429. Auch muß er in jedem Falle dem Bodmereygeber den Vortheil aus der über die verbodmete Sache nach §. 2378. etwa besonders erhaltenen Versicherung überlassen.
§. 2430. Dagegen muß der Bodmereygeber, wenn er sich an den verbliebenen Werth der verbodmeten Sache hält, den Beytrag zur großen Haverey mit übernehmen.
§. 2431. Es ist nicht erlaubt, das Gegentheil zu verabreden.
§. 2432. Ist der Unfall durch Versehen des Schiffers, oder seines Volks veranlaßt worden: so kann sich der Bodmereygeber auf Ladung an den Schiffer; bey dessen Unvermögen aber an das Schiff selbst halten.
§. 2433. Haben die Rheder unmittelbar, oder die Befrachter, oder deren Bevollmächtigte, durch Beladung des Schiffes mit verbotenen Waaren, oder sonst durch ihre Schuld, den Verlust oder Schaden veranlaßt: so kann der Bodmereygeber von ihnen den Ausfall an der völligen Bodmereyschuld, nebst Zinsen und Kosten fordern.
§. 2434. Der Bodmereygeber kann auch in gleicher Art gegen jeden, durch dessen Schuld das Schiff beschädigt oder verloren worden, auf Entschädigung klagen.
§. 2435. Wenn verbodmete Waaren bloß durch innern Verderb oder Abschlag des Preises Schaden und Verlust leiden: so kann der Eigenthümer sich durch Abtretung derselben nicht befreyen: sondern ist schuldig, die völlige Bodmereyschuld zu bezahlen,
Erfüllung des Bodmereycontrakts.
§. 2436. Ist die verbodmete Sache unbeschädigt an dem Orte ihrer Bestimmung angekommen; oder will der Nehmer die beschädigte Sache nach §. 2427. dem Geber nicht abtreten: so muß er zu der im Bodmereybriefe festgesetzten, oder nach §. 2398. sqq. zu bestimmenden Zahlungszeit, die Bodmereyschuld sogleich baar entrichten.
§. 2437. Auch ist er, von dieser Zeit an, verbunden, davon die unter Kaufleuten üblichen Zinsen zu entrichten.
§. 2438. Hat der Schiffer die Bodmerey selbst geschlossen; oder ist ihm dieselbe bekannt gemacht worden: so muß er, ohne Einwilligung des Gebers, die verbodmeten Waaren nicht eher verabfolgen, als bis die Bodmereyschuld bezahlt, oder deshalb hinreichende Sicherheit bestellt worden; widrigenfalls er dem Geber für allen daraus entstehenden Schaden haftet.
§. 2439. Bey ausbleibender Zahlung ist der Bodmereygeber berechtigt, sogleich den öffentlichen gerichtlichen Verkauf der verbodmeten Sache zu verlangen.
§. 2440. Hat er die §. 2408. und 2409. angegebenen Vorsichten beobachtet: so kann sich der Bodmereygeber auch nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. XX. §. 119. an den Dritten Besitzer der verbodmeten Sache halten.
§. 2441. Sind aber diese Vorsichten nicht beobachtet worden: so findet der Anspruch wider den Dritten Besitzer nur in so weit statt, als dieser entweder vor Erlangung des Besitzes von der darauf haftenden Bodmerey gewußt, oder vor geschehener Anmeldung des Bodmereygebers den Eigenthümer noch nicht vollständig befriedigt hat.
§. 2442. Ein Bodmereynehmer, welcher die verbodmete Sache, vor Befriedigung des Gebers, ohne dessen Einwilligung veräußert, oder denselben auf andere Art vorsätzlich in Schaden gebracht hat, haftet für dessen vollständige Befriedigung, und soll als Betrüger bestraft werden.
§. 2443. Hat der Bodmereygeber seine Forderung innerhalb Jahresfrist nach eingetretenem Zahlungstermine nicht gehörig eingeklagt: so ist sein dingliches Recht auf die verbodmete Sache und deren Vorzug erloschen.
§. 2444. Das persönliche Recht gegen den Bodmereyschuldner verbleibt ihm jedoch, bis zum Ablaufe der gewöhnlichen Verjährungsfrist.
Priorität zwischen mehrern Bodmereyforderungen.
§. 2445. Ist wegen derselben Sache mit Mehrern Bodmerey geschlossen worden: so hat diejenige welche der Schiffer im Nothhafen genommen hat vor allen vorhergehenden den Vorzug.
§. 2446. Von mehrern durch den Schiffer auf derselben Reise im Nothhafen geschlossenen Bodmereyen, gebt die jüngste der ältern vor.
§. 2447. Diesen folgen, nach Ordnung der Zeit, diejenigen Bodmereygläubiger, welche die §. 2408. und 2409. bemerkten Vorsichten beobachtet haben.
§. 2448. Alle übrige Bodmereyforderungen haben ohne Unterschied der Zeit, gleiche Rechte.
§. 2449. Sie theilen sich also, bey entstehender Unzulänglichkeit der verbodmeten Sache, nach Verhältniß ihrer Bodmereyforderungen an Capital, einjährigen Zinsen, und Kosten.
§. 2450. In wie fern dem Einen oder Andern, wegen erweislicher Verwendung zum Besten der verbodmeten Sache, ein besonderer Vorzug zukomme, ist nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. XX. §. 318. zu beurtheilen.
§. 2451. Sind, außer den Bodmereyforderungen, noch andere Gläubiger vorhanden: so wird die Priorität nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. XX. §. 321. sqq. bestimmt.
Fünfzehnter Abschnitt. Von Fuhrleuten
§. 2452. Die Inhaber öffentlicher Landkutschen, welche der Staat bestellt oder besonders privilegirt hat, um Reisende oder Sachen fortzuschaffen, werden Rhedern; und diejenigen, denen sie die Führung der Kutsche anvertraut haben, Schiffern gleich geachtet.
§. 2453. Dergleichen Landkutscher müssen, also für alle Waaren und Sachen haften, die ihnen, und ihren dazu bestellten Leuten, zur Fortschaffung und Ablieferung an einen gewissen Ort übergeben worden.
§. 2454. Von dieser Verbindlichkeit können sie sich, gleich den Rhedern, durch Abtretung des Wagens, der Pferde und deren Zubehör, ingleichen der Frachtgelder, befreyen; wenn nicht solche Umstände vorhanden sind, da eine Herrschaft, nach Vorschrift des ersten Theils, Tit. VI. §. 61. sqq., auch für die unerlaubten Handlungen ihrer Dienstboten einstehen muß.
§. 2455. In Absicht der Verhaftung für die Geldstrafen, wegen der von ihren Knechten begangenen Accise- und Zolldefraudationen, finden die Vorschriften des §. 515. sqq. Anwendung.
§. 2456. Zwischen den Inhabern der Landkutsche und den von ihnen bestellten Kutschern oder Fuhrleuten, waltet eben das Verhältniß ob, als zwischen Rhedern und Schiffern.
§. 2457. In Absicht der Inhaber solcher Fähren, welche zum Uebersetzen der Reisenden bestimmt sind, finden gleiche Grundsätze statt.
§. 2458. Das Verhältniß zwischen Privatfuhrleuten, ingleichen Fußboten, und denjenigen, welche sie gedungen haben, ist nach den Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. Sect. VIII. §. 869-920. zu beurtheilen.
§. 2459. Dergleichen Fuhrleute müssen jedoch allen Verlust oder Schaden vertreten, welchen sie, oder die von ihnen bestellten Leute, auch nur durch ein geringes Versehen verursacht haben,
§. 2460. Besonders müssen sie auch für das geringste Versehen haften, wenn der Schade oder Verlust durch mangelhafte Beschaffenheit des Fuhrwerks entstanden ist.
§. 2461. Ferner, wenn sie wissentlich Waaren übernommen haben, bey deren Aufbewahrung und Transport, nach ihrer besondern Natur und Beschaffenheit, eine vorzügliche Sorgfalt und Vorsicht erfordert wird, und durch Verabsäumung derselben Schade entsteht.
§. 2462. Ferner alsdann, wenn sie, noch außer der Fracht, für die Aufsicht über die Waaren eine besondere Belohnung angenommen haben.
§. 2463. In wie fern Fuhrleute verschlossene Briefe oder Pakete unter Vierzig Pfund mitnehmen können, ist im Vierten Abschnitte des Fünfzehnten Titels verordnet.
§. 2464. Was Fuhrleute bey hohlen Wegen und engen Pässen, ingleichen bey dem Ausweichen, zu beobachten haben, wird im Ersten Abschnitte des Fünfzehnten Titels vorgeschrieben.
Neunter Titel. Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes
§. 1. Dem Adel, als dem ersten Stande im Staate, liegt, nach seiner Bestimmung, die Vertheidigung des Staats, so wie die Unterstützung der äußern Würde und innern Verfassung desselben, hauptsächlich ob.
§. 2. Zum Adelstande werden nur diejenigen gerechnet, denen der Geschlechtsadel durch Geburt oder Landesherrliche Verleihung zukommt.
§. 3. Durch die Geburt kommt er allen zu, die von einem adlichen Vater aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugt, oder darin geboren sind.
§. 4. Der Adel wird also durch den Vater fortgepflanzt, auch wenn die Mutter nicht von Adel ist.
§. 5. Auch das von einem adlichen Vater außer der Ehe erzeugte Kind, wird durch gesetzmäßige Vollziehung einer Ehe zur rechten Hand mit der Mutter, ingleichen durch eine derselben gleich zu achtende gerichtliche Erklärung des Vaters, des Adelstandes theilhaft. (Tit. II. §. 596. 597.)
§. 6. Eben das geschieht, wenn die Mutter durch Urtel und Recht für die Ehefrau des adlichen Vaters erklärt wird. (Ebend. §. 592.)
§. 7. In wiefern durch Landesherrliche Legitimation, oder durch Annahme an Kindesstatt, der Adel erlangt werde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Ebend. §. 603. 604. 605. §. 682-685.)
§. 8. Wenn eine Person weiblichen Geschlechts aus einem niedern Stande, sich mit einer Mannsperson von Adel zur rechten Hand verehlicht: so erlangt sie dadurch die äußern Rechte des Adels; in so fern nicht etwa die Ehe selbst nach den Gesetzen für eine Mißheirath zu achten ist. (Tit. I. §. 30-33. §. 952.)
2) durch Landesherrliche Verleihung.
§. 9. Nur das Oberhaupt des Staats kann einem Unterthan, welcher den Adel durch die Geburt nicht hat, denselben verleihen.
§. 10. Auch nur ihm allein kommt es zu, jemanden von einer niedern Stufe des Adels in eine höhere zu erheben.
§. 11. Die vom Landesherrn verliehene Standeserhöhung kommt auch den alsdann schon vorhandenen Kindern, sie mögen noch unter väterlicher Gewalt seyn, oder nicht, zu statten; sobald dieselben nicht ausdrücklich ausgenommen sind.
§. 12. Standeserhöhungen der Frauen und Wittwen haben auf ihre Kinder keinen Einfluß.
§. 13. Kein Unterthan des Staats soll, ohne Erlaubniß seines Landesherrn, Standeserhöhungen bey fremden Staaten suchen; oder deren, welche ihm etwa aus eigner Bewegung von selbigen verliehen werden, in hiesigen Landen sich bedienen.
§. 14. Niemand, welcher den Adelstand nicht durch Geburt, oder Landesherrliche Begnadigung, erlangt hat, darf adlicher Prädikate und Vorrechte sich anmaßen.
§. 15. Eben so wenig darf jemand aus dem niedern Adel Rechte oder Prädikate der höhern Stufen sich eigenmächtig beylegen.
§. 16. Niemand darf sich eines adlichen Familienwappens bedienen, welcher nicht zu der Familie gehört, der dieses Wappen entweder ausdrücklich beygelegt ist, oder die dasselbe von alten Zeiten her geführt hat.
§. 17. Die Aufnahme in adliche Ritterorden und Stifter zu adlichen Stellen; zu Turnieren; zur Ritterbank auf den Landtagen und in den Collegien; so wie zu adlichen Hofämtern, beweiset den einer Familie zukommenden Geschlechtsadel.
§. 18. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren im Jahre 1740 im wirklichen Besitze des Adels sich befunden, und desselben nach der Zeit nicht verlustig gemacht haben, der soll in seinen adlichen Rechten durch den Fiscus nicht beunruhigt werden. (Th. I. Tit. IX. §. 641. sqq.)
§. 19. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren vier und vierzig Jahre hindurch sich adlicher Prädikate und Vorrechte ruhig bedient, und also ein ausdrückliches oder stillschweigendes Anerkenntniß des Staats für sich hat, für den streitet die rechtliche Vermuthung, daß ihm der Geschlechtsadel wirklich zukomme.
§. 20. Dagegen ist die nur ein- und anderesmal geschehene Beylegung adlicher Prädikate, in gerichtlichen oder andern öffentlichen Ausfertigungen, zum Beweise des Geschlechtsadels für sich allein noch nicht hinreichend.
§. 21. In Ansehung der wesentlichen Rechte und Eigenschaften des Adelstandes ist zwischen älterem und neuerem Adel kein Unterschied.
§. 22. Wo aber Statuten, Privilegien, oder das ununterbrochene Herkommen eines Ordens, Capituls, oder einer andern Corporation, einen Stifts- oder turniermäßigen Adel erfordern, hat es dabey auch ferner sein Bewenden.
§. 23. Die im Ahnenbriefe jemanden ertheilte Ahnen werden in einem solchen Falle der Regel nach nicht mitgezählt.
§. 24. Auch muß, bey Nachweisung der Ahnen, in der Regel die adliche Geburt der Vorfahren von beyderley Geschlecht dargethan werden.
§. 25. Der zuerst geadelte Vorfahr, so wie seine etwa mit ihm zugleich in den Adelstand erhobene Descendenten, werden bey der Nachweisung der Ahnen in der Regel nicht gerechnet.
§. 26. Wie viel Ahnen nachgewiesen, und wie die Nachweisungen geführt werden müssen, bleibt hauptsachhch der nähern Bestimmung der Statuten, der wivilegien, und des Herkommens bey einem jeden, Orden, Stifte oder Corporation überlassen.
§. 27. Wo jedoch hiedurch über die Art der Führung des Nachweises nichts Gewisses festgesetzt ist, da muß die Ahnentafel hauptsächlich mit beglaubten Auszügen aus Kirchenbüchern, Tauf- oder Trauungsregistern, belegt werden.
§. 28. Wo diese, besonders für ältere Zeiten, nicht herbeygeschafft werden können, da sind für die in der Ahnentafel vorkommenden Heirathen und Abstammungen, auch Eheberedungen, Erbrezesse, Lehnbriefe, und andere unverdächtige Familienurkunden, als Beweismittel zuläßig.
§. 29. Was solchergestalt nicht vollständig nachgewiesen werden kann, mag durch das eidliche Zeugniß, wenigstens Zweyer Personen, von bekannten ritterbürtigem und stiftsmäßigem Adel, denen von der Familie, in welcher der Beweis geführt werden soll, nähere Kenntniß beywohnt, ergänzt werden.
§. 30. In wie fern noch außerdem die eidliche Versicherung des Beweisführers: daß, nach den ihm bekannten Familiennachrichten, die vorgelegte Ahnentafel ihre Richtigkeit habe, erforderlich oder zuläßig sey, ist nach den allgemeinen Grundsätzen vom Beweise zu beurtheilen.
§. 31. So weit eine Ahnentafel aus einer andern entnommen ist, die eben derselbe Orden, dasselbe Capitul, oder dieselbe Corporation schon einmal richtig befunden hat, bedarf es darüber keiner besondern Beweisführung.
§. 32. Die einem Collegio oder einer Corporation von dem Landesherrn beygelegte oder mit einem Amte verbundene adliche Rechte, können über die wörtliche Bestimmung des Gnadenbriefes nicht ausgedehnt werden.
§. 33. Dergleichen Rechte werden durch die Geburt nicht fortgepflanzt.
§. 34. Personen des Adelstandes sind der Regel nach nur dem höchsten Gerichte in der Provinz unterworfen.
§. 35. Der Adel ist zu den Ehrenstellen im Staate, wozu er sich geschickt gemacht hat, vorzüglich berechtigt.
§. 36. Doch bleibt dem Landesherrn die Beurtheilung der Tüchtigkeit, und die Auswahl unter mehrern Bewerbern unbenommen.
§. 37. Nur der Adel ist zum Besitze adlicher Güter berechtigt.
§. 38. Welches adliche Güter sind, ist durch die besondern Verfassungen einer jeden Provinz bestimmt.
§. 39. In wie fern zum Besitze solcher Güter, außer dem Adel, auch noch das Indigenat erfordert werde, hängt ebenfalls von Provinzialverfassungen ab.
§. 40. Nur der Adel kann Familien-Fideicommisse aus adlichen Gütern errichten.
§. 41. Adliche Gutsbesitzer sind zur Ausübung der dem Gute verliehenen Jagdgerechtigkeiten in ihrem eignen Namen berechtigt.
§. 42. Sie können die dem Gute anklebende Gerichtsbarkeit in ihrem Namen ausüben lassen.
§. 43. Ihnen kommen die mit dem Kirchenpatronate verbundenen Ehrenrechte zu.
§. 44. Sie müssen also mit ihrer Familie in das Kirchengebet ausdrücklich eingeschlossen, und die Kirchentrauer, wo dieselbe üblich ist, muß für sie angelegt werden.
§. 45. Sie mögen nach dem Gute sich nennen, und in Urkunden, oder bey öffentlichen Gelegenheiten, sich des Besitzes davon als eines besondern Titels bedienen.
§. 46. Das Recht, in den Versammlungen des Adels auf Kreis- und Landtagen zu erscheinen, und über die daselbst vorkommenden Angelegenheiten zu stimmen, gebührt in der Regel nur dem angesessenen Adel.
§. 47. Unadliche Personen sollen bey solchen Versammlungen, als Stellvertreter oder Bevollmächtigte adlicher Mitglieder, in der Regel nicht zugelassen werden.
§. 48. Wenn jedoch ein Gutsbesitzer von Adel, während seiner Abwesenheit, die Besorgung seiner Gutsangelegenheiten überhaupt einem Generalbevollmächtigten bürgerlichen Standes aufgetragen hat: so kann dieser auch das Stimmenrecht seines Machtgebers bey Kreis- und Landtagen ausüben.
§. 49. Auch können die Vormünder der Angesessenen von Adel, ingleichen die Deputirte der Magisträte, welche adliche Cämmereygüter besitzen, wenn sie gleich für ihre Personen zum Bürgerstande gehören, von solchen Versammlungen nicht ausgeschlossen werden.
§. 50. Unadliche Besitzer adlicher Güter sind, wenn sie auch in Person nicht erscheinen, dennoch ihr Stimmenrecht, von einem Falle zum andern Adlichen aufzutragen berechtigt.
Von bürgerlichen Besitzern adlicher Güter.
§. 51. Personen bürgerlichen Standes können, ohne besondere Landesherrliche Erlaubniß, keine adliche Güter besitzen.
§. 52. Eine Frau von bürgerlicher Herkunft, die mit einem Adlichen eine Ehe zur rechten Hand geschlossen hat, kann zwar, so lange diese Ehe dauert, oder so lange sie nach des Mannes Tode sich nicht wieder an einen Unadlichen verheirathet, adliche Güter besitzen.
§. 53. Auch hat eine geschiedene, nicht für den schuldigen Theil erklärte Frau, in diesem Stücke mit einer Wittwe gleiche Rechte.
§. 54. Eine solche Frau (§. 52. 53.) kann aber den Besitz ihrer Güter an ihre unadliche Verwandten auch von Todeswegen nicht übertragen. (§. 68. sqq.)
§. 55. Tritt sie durch anderweitige Heirath, oder sonst, aus dem adlichen Stande wieder heraus: so kann sie zwar die bis dahin schon erworbenen adlichen Güter behalten; den Besitz neuer aber nicht erwerben.
§. 56. Eine Person von adlicher Geburt, die sich an einen Unadlichen verheirathet, behält nur das Recht zum Besitze solcher adlichen Güter, die ihr schon vor der Heirath gehört haben, oder ihr nach derselben durch Erbgangsrecht zufallen.
§. 57. Aber auch diese Fähigkeit zum Besitze solcher Güter, geht auf ihre Verwandten vom Bürgerstande, selbst auf ihre Abkömmlinge nicht über.
§. 58. Hat der Landesherr einem Bürgerlichen Concession zum Besitze eines adlichen Guts ohne dessen Benennung ertheilt: so gilt dieselbe nur auf dasjenige Gut, bey welchem davon zuerst Gebrauch gemacht worden.
§. 59. Bürgerliche Besitzer adlicher Güter erhalten die mit diesem Besitze sonst verbundenen persönlichen Ehrenrechte nur in so fern, als dieselben in der ertheilten Concession ausgedrückt sind. (§. 41-50.)
§. 60. Bürgerliche Besitzer können den Besitz ihrer adlichen Güter an andere Personen bürgerlichen Standes, ohne besondre Concession, nicht übertragen.
§. 61. In wie fern die Fähigkeit zum Besitze derselben auf ihre bürgerlichen Anverwandten übergehe, muß lediglich nach dem Inhalte ihrer Concession beurtheilt werden.
§. 62. Ist ihnen die Concession bloß in allgemeinen Ausdrücken für sich und ihre Erben verliehen: so sind darunter bloß Descendenten des Ersten Erwerbers zu verstehen.
§. 63. Doch ist die Wittwe eines solchen Gutsbesitzers das adliche Gut des Mannes, so lange sie ihren Wittwenstand nicht ändert, zu besitzen fähig.
§. 64. Nehmen Erben adlichen und bürgerlichen Standes an einem Nachlasse Theil: so haben erstere auf den Besitz des dazu gehörenden adlichen Guts ein vorzügliches Recht.
§. 65. Dem adlichen Miterben muß also das Gut, wenn er dafür eben so viel, und unter gleichen Zahlungsbedingungen, als der bürgerliche bietet, vor diesem zugeschlagen werden.
§. 66. Dies Vorrecht kommt auch der zwar bürgerlich gebornen, aber durch Heirath in den Adelstand übergegangnen Miterbin, wenn sie sich in diesem Stande noch befindet, ingleichen den durch sie zur Erbfolge mitgelangenden adlichen Abkömmlingen derselben zu.
§. 67. Auch durch letzwillige Verordnung kann der Erblasser den bürgerlichen Miterben kein Vorrecht zum Besitze des Guts, zum Nachtheile der Adelichen beylegen.
§. 68. Sind unter den Erben keine zum Besitze fähige Personen: so muß das Gut innerhalb Jahresfrist, vom Todestage an gerechnet, an einen adlichen Besitzer aus freyer Hand überlassen werden.
§. 69. Geschieht dieses nicht: so muß das Gut, auf den Antrag des Fiskus, durch gerichtliche nothwendige Subhastation an einen adlichen Besitzer gebracht werden.
§. 70. Dabey gilt, auch wegen des Zuschlags, alles, was bey gerichtlichen nothwendigen Subhastationen überhaupt verordnet ist.
§. 71. Uebrigens finden alle in Vorstehendem enthaltene Einschränkungen der bürgerlichen Besitzer adlicher Güter nur auf diejenigen Anwendung, welche dergleichen Güter erst nach den in jeder Provinz ergangenen besondern Einschränkungsgesetzen, oder erst nach dem 18ten Februar 1775 erworben haben.
a) bey dem Besitze von bürgerlichen u. bäuerlichen Grundstücken;
§. 72. In wie fern Adliche bürgerliche Grundstücke erwerben und besitzen können, ist im vorigen Titel verordnet.
§. 73. Nur unter ausdrücklicher Genehmigung der Landes-Polizeybehörde, können Personen von Adel Rustikalgründe als eigne für sich bestehende Güter erwerben.
§. 74. Wegen der Einziehung einzelner Rustikalgrundstücke zu adlichen Gütern, hat es bey den Vorschriften des Siebenten Titels §. 14. 15. 16. sein Bewenden.
§. 75. In allen Fällen, wo Adlichen der Besitz von Rustikalgrundstücken verstattet wird, müssen sie die auf selbigen haftenden dinglichen Lasten und persönlichen Leistungen vertreten.
b) bey bürgerlichen Nahrungen und Gewerben.
§. 76. Adliche sollen in der Regel keine bürgerliche Nahrung und Gewerbe treiben.
§. 77. Wo die Handlung im Großen an keine Gilde gebunden ist, kann auch ein Adlicher dergleichen Gewerbe unternehmen.
§. 78. Bey einem Adlichen, welcher ein solches Gewerbe in einer Stadt treibt, finden die Vorschriften des Achten Titels §. 60 sqq. Anwendung.
§. 79. In geschlossene Kaufmannsinnungen soll, der Regel nach, kein Adlicher ohne besondre Landesherrliche Erlaubniß aufgenommen werden.
Besondere Rechte und Pflichten des Adels.
§. 80. Besondre Rechte und Pflichten des Adels, theils als ganzer Stand betrachtet, theils der einzelnen Mitglieder desselben, in Rücksicht auf ihre Person und Vermögen, sind nach Verschiedenheit der Provinzen durch besondere Gesetze und Verfassungen bestimmt.
§. 81. Wer mit Verschweigung oder Verläugnung seines adlichen Standes, in eine Zunft oder Innung sich einschleicht, und bürgerliche Gewerbe treibt, der wird seiner adlichen Rechte verlustig.
§. 82. Noch mehr findet dieses statt, wenn jemand von adlicher Geburt eine unehrbare, oder auch nur eine solche Lebensart wählt, wodurch er sich zu dem gemeinen Volke herabsetzt.
§. 83. Wer sich von jemand niedern Standes an Kindesstatt annehmen läßt, und dabey seinen adlichen Namen verändert, kann ohne besondre Dispensation des Landesherrn den Adel nicht beybehalten.
§. 84. Personen weiblichen Geschlechts verlieren die persönlichen Vorrechte des Adels, wenn sie durch Verheirathung mit einem Unadlichen ihren Geschlechtsnamen ändern.
§. 85. Auch nach getrennter Ehe treten sie, der Regel nach, in den Adelstand nicht wieder zurück.
§. 86. Ist jedoch die Frau bey der Trennung der Ehe durch richterliches Erkenntniß nicht für den schuldigen Theil erklärt worden: so steht ihr frey, in ihren angebohrnen Adelstand wieder einzutreten. (Tit. I. §. 738-742.)
§. 87. Wenn eine Person adlicher Geburt, nachdem ihre Ehe mit einem Bürgerlichen durch den Tod, oder durch richterliches Erkenntniß getrennt worden, wiederum einen Adlichen zur rechten Hand heirathet: so kann ihren Abkömmlingen aus dieser Ehe, wegen der vormaligen Heirath derselben mit einem Bürgerlichen, auch in Ansehung der Rechte des alten Adels, in der Regel keine Ausstellung gemacht werden. (§. 90.)
§. 88. Wird die Ehe einer Person von adlicher Geburt mit einem Bürgerlichen für nichtig erklärt: so kann sie ihren adlichen Stand und Familiennamen wieder annehmen.
§. 89. Ist sie aber für den schuldigen Theil erklärt: so kann sie daraus, durch Zurücktretung in den Adelstand, keinen Vortheil ziehen.
§. 90. Ist die Person adlicher Herkunft, welche einen Bürgerlichen geheirathet hatte, bey der Trennung und Nichtigkeitserklärung dieser Ehe ausdrücklich für den schuldigen Theil erkannt worden: so kann dieselbe, wenn sie hiernächst wieder einen Adlichen heirathet, zum Besten der Abkömmlinge aus dieser spätern Ehe, unter den weiblichen Ahnen nicht mitgerechnet werden.
§. 91. Wegen grober Verbrechen kann jemand des Adels durch richterliches Erkenntniß entsetzt werden.
§. 92. In welchen Fällen darauf erkannt werden müsse, bestimmen die Criminalgesetze.
§. 93. Diese Strafe trifft die Kinder, welche vor dem Erkenntnisse schon vorhanden gewesen sind, nur in denjenigen Fällen, wo es die Gesetze ausdrücklich vorschreiben.
§. 94. Durch den bloßen Nichtgebrauch adlicher Rechte und Titel geht der Adel selbst nicht verloren.
§. 95. Wenn eine adliche Familie sich in zwey Geschlechtsfolgen ihres Adels nicht bedient hat: so muß derjenige, welcher davon wieder Gebrauch machen will, sich bey dem Landes-Justizcollegio der Provinz melden, und seine Befugniß dazu nachweisen.
§. 96. Wer entweder selbst, oder wessen Vorfahren den Adel verloren haben, der kann die Erneuerung desselben bey dem Landesherrn nachsuchen.
§. 97. Durch die Erneuerung des Adelstandes werden die besondern Vorrechte des alten Adels, ohne ausdrückliche Erklärung des Landesherrn nicht wieder hergestellt. (§. 22.)
§. 98. Ein durch Verbrechen verwirkter Adel kann in der Person des Verbrechers nicht erneuert werden.
§. 99. Nicht durch bloße Begnadigung des Verbrechers, wohl aber durch gänzliche Aufhebung und Niederschlagung der Untersuchung (Abolition) wird der Adel erhalten.
§. 100. Der Landesherr kann zwar, zum Besten der von dem Verbrecher nach der Verwürkung des Adels erzeugten Kinder, den alten Adel derselben wieder herstellen; es wird aber alsdann in Fällen, wobey es auf Zählung der Ahnen ankommt, der Verbrecher nicht mitgerechnet.
Zehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats
§. 1. Militair- und Civilbediente sind vorzüglich bestimmt, die Sicherheit, die gute Ordnung, und den Wohlstand des Staats unterhalten und befördern zu helfen.
§. 2. Sie sind, außer den allgemeinen Unterthanenpflichten, dem Oberhaupte des Staats besondre Treue und Gehorsam schuldig.
§. 3. Ein jeder ist nach der Beschaffenheit seines Amtes, und nach dem Inhalte seiner Instruktion, dem Staate noch zu besondern Diensten durch Eid und Pflicht zugethan.
Gesetze, nach welchen sie zu beurtheilen sind.
§. 4. Die besondern Pflichten des Soldatenstandes sind hauptsächlich durch die Kriegsartikel, und andre dahin einschlagende Verordnungen festgesetzt.
§. 5. Ober- und Unterofficiers von adlicher Herkunft sind, in ihren persönlichen Privatangelegenheiten, eben den Gesetzen unterworfen, wie der Adel der Provinz, in welcher sie ihr Standquartier haben.
§. 6. Oberofficiers von. bürgerlicher Herkunft werden in dergleichen Angelegenheiten nach den Rechten der Eximirten in der Stadt, wo sie ihr Standquartier haben, beurtheilt.
§. 7. Unterofficiers aus dem Bauer- oder Bürgerstande, ingleichen gemeine Soldaten, stehen unter den Rechten des Orts, wo das Regiment oder Corps, zu welchen sie gehören, sein gewöhnliches Standquartier hat.
§. 8. In Fällen, wo es auf die äußere Form, oder Feyerlichkeit einer Handlung ankommt, haben dergleichen Unterofficiers und Soldaten, auch wenn sie eine solche Handlung an dem Orte ihres Standquartiers vornehmen, die Wahl: ob sie den Statuten, oder den Vorschriften des gemeinen Rechts folgen wollen.
§. 9. Beurlaubte werden, auch in ihren persönlichen Angelegenheiten, welche den Kriegesdienst nicht betreffen, nach den Rechten desjenigen Orts, wo sie während der Urlaubzeit sich gewöhnlich aufhalten, beurtheilt.
§. 10. Doch wird dadurch ihr persönlicher Gerichtsstand selbst in der Regel nicht verändert.
§. 11. Bey Militairpersonen überhaupt, die noch unter väterlicher Gewalt stehen, gelten, ihres privilegirten Gerichtsstandes ungeachtet, in Ansehung ihrer persönlichen Privatangelegenheiten, eben die Gesetze, welchen ihr Vater unterworfen ist.
§. 12. Alle Militairpersonen werden nach den ihnen hier beygelegten Rechten beurtheilt, wenn sie auch auf dem Marsche, im Lager, in Cantonirungs- oder Winterquartieren, in Garnison während des Krieges, oder auf Werbung sich befinden.
§. 13. Alle Militairpersonen ohne Unterschied sind, in Ansehung ihrer inne habenden Grundstücke, und ihrer darauf sich beziehenden Handlungen und Pflichten, den Rechten uad dem Gerichtsstande, unter welchen die Grundstücke liegen, unterworfen.
§. 14. Officiers, welche zur Landmiliz, oder andern nicht beständig stehenden Corps gehören, haben die Rechte der Eximirten in der Provinz; Unterofficiers und Gemeine hingegen sind den Beurlaubten gleich zu achten.
§. 15. Invaliden, die dem Regimente noch obligat, oder noch in ein Corps versammelt sind, werden als wirkliche Soldaten; alle andere Invaliden aber als Verabschiedete angesehen.
Besondere Rechte der Militairpersonen:
§. 16. Militairpersonen haben sich eines privilegirten persönlichen Gerichtsstandes zu erfreuen.
§. 17. Sie sind der Regel nach von allen persönlichen Lasten und Pflichten der übrigen Bürger des Staats frey.
§. 18. Ausnahmen von dieser Regel sind durch besondre Verordnungen bestimmt.
§. 19. Als Besitzer von Grundstücken müssen sie alle mit diesem Besitze verbundene Lasten tragen.
§. 20. Militairpersonen sollen in die Rechte des Civilstandes keinen Eingriff thun.
in Ansehung der bürgerlichen Gewerbe;
§. 21. Sie dürfen für sich selbst keine andre bürgerliche Nahrung treiben, als die ihnen nach der besondern Polizeyverfassung jedes Orts, unter Genehmigung des Regimentschefs, ausdrücklich zugelassen ist.
§. 22. Auch können überhaupt gemeine Soldaten als Gesellen bey andern Meistern arbeiten.
§. 23. Haben sie vor Antritt der Kriegesdienste das Meisterrecht selbst gewonnen: so können sie, auch während derselben, unter Genehmigung ihres Chefs, ihr Gewerbe fortsetzen.
§. 24. Außer der Einwilligung des Chefs wird in beyden Fällen (§. 22. 23.) auch die Genehmigung der bürgerlichen Polizeyobrigkeit des Orts erfordert.
§. 25. Dergleichen ein bürgerliches Gewerbe treibende Militairpersonen (§. 23.) müssen alle bürgerliche Lasten und Pflichten tragen, sich zur Zunft halten, und in Handwerks- Polizey- Servis- und Einquartirungs-Sachen, der Obrigkeit des Orts Folge leisten.
§. 26. In wie fern dergleichen Militairpersonen in persönlichen Rechtsangelegenheiten, welche auf ihr Gewerbe Beziehung haben, den Regiments- oder den ordentlichen Civilgerichten des Orts unterworfen sind, wird in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 27. Den Unterofficiers und Soldaten sollen, so lange sie in wirklichen Kriegesdiensten stehen, weder bürgerliche Grundstücke und Häuser, noch Ackerwirthschaften, ohne ausdrückliche Genehmigung des Regimentschefs übergeben werden.
§. 28. So lange dieser Consens nicht beygebracht ist, darf kein Richter den Erwerbungsvertrag einer solchen Militairperson bestätigen; noch ihren Besitztitel im Hypothekenbuche vermerken; noch auch dieselbe bey gerichtlichen Licitationen zum Mitgebothe zulassen.
§. 29. Keine Gutsherrschaft ist schuldig, eine solche Militairperson zu einer unterthänigen Stelle, von welcher Naturaldienste zu leisten sind, als Käufer und Gewährmann anzunehmen.
§. 30. Dagegen können auch Unterofficiere und gemeine Soldaten alle Grundstücke, welche sie bey dem Eintritte in die Kriegesdienste bereits inne hatten, ferner besitzen.
§. 31. Auch können sie von der Uebernehmung solcher Grundstücke, die ihnen während des Soldatenstandes durch Erbschaft, Vermächtniß, Schenkung, oder Heirath zufallen, nicht ausgeschlossen werden.
§. 32. Sind ihnen dergleichen Grundstücke nur mit andern Miterben gemeinschaftlich zugefallen: so finden, wenn sie dieselben als ihr alleiniges Eigenthum übernehmen wollen, die Vorschriften §. 27. 28. 29. Anwendung.
§. 33. In allen Fällen müssen Militairpersonen, welche Grundstücke besitzen, nicht nur die darauf haftenden Abgaben entrichten, sondern auch die damit verbundenen persönlichen Prästationen gleich andern leisten. (§. 19.)
§. 34. Werden sie, letzteres selbst zu thun, durch ihre Kriegsdienste verhindert: so müssen sie dazu für sich andre taugliche Personen stellen.
§. 35. Ihre Grundstücke können Unterofficiers und Soldaten, ohne schriftliche unter dem Regimentssiegel ertheilte Einwilligung des Chefs oder Commandeurs, nicht veräußern, noch verpfänden.
in Ansehung der Capitalien und Erbschaften;
§. 36. Capitalien und Erbschaften sollen ihnen, ohne gleichmäßigen Erlaubnißschein des Chefs oder Commandeurs, nicht in die Hände gegeben werden.
§. 37. Veräußerungen und Verpfändungen, bey welchen die Vorschrift des §. 35. nicht beobachtet worden, sind nichtig.
§. 38. Zahlungen, die ohne den §. 36. vorgeschriebenen Consens geleistet worden, können nur den Empfängern selbst, oder deren Erben, nicht aber einem Dritten, und am wenigsten dem Regimente, oder der Invalidencasse, die an ihr Vermögen Anspruch zu machen haben, entgegen gesetzt werden.
§. 39. Ueber die Zinsen der Capitalien, und die Einkünfte der Grundstücke, können auch Unterofficiers und gemeine Soldaten frey verfügen.
in Ansehung anderer Geschäfte;
§. 40. Auch bey der Einnahme von ihrem übrigen Gewerbe sind sie keinen besondern Einschränkungen unterworfen.
§. 41. Die besondern Rechte der Militairpersonen in Ansehung der Verjährung, des Schuldenmachens, der letztwilligen Verordnungen, ihrer Heirathen, und der Bevormundung ihrer Kinder, sind gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 522. Tit. XL §. 678-703. T't. XII. §. 177. sqq. Th. II. Tit. I. §. 34. 35. 950. Tit. XVIII. Abschn II.)
§. 42. Von der Aussetzung der Prozesse gegen Militairpersonen bey ausgebrochenem Kriege, ingleichen von der den Unterofficiers und Gemeinen zu statten kommenden Sportulfreyheit, handelt die Prozeßordnung.
Weiber und Kinder der Militairpersonen.
§. 43. Weiber und Kinder der Unterofficiers und Soldaten, welche sich bey ihren Männern oder Vätern in der Garnison nicht aufhalten, bleiben unter dem Gerichtsstande ihres Wohnorts.
§. 44. Doch finden in Ansehung der Weiber die §. 27-36. bestimmten Einschränkungen, wie bey den Männern, statt.
§. 45. Rechtsangelegenheiten solcher Weiber mit ihren Männern gehören, wenn auch die Frau ihrem Manne in die Garnison nicht gefolgt ist, dennoch vor den Gerichtsstand des Mannes.
§. 46. Weiber, die den Männern in die Garnison gefolgt sind, behalten den privilegirten Gerichtsstand, und die Rechte desselben, so lange der Mann lebt, und noch wirklich zum Soldatenstande gehört.
§. 47. Ist die Ehe einer Militairperson durch richterliches Erkenntniß getrennt, oder aufgehoben worden: so steht die Frau, wenn sie auch sonst nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen den Stand und Rang des Mannes beybehält, dennoch nicht mehr unter der Militair-, sondern unter derjenigen Civilgerichtsbarkeit, welcher der Mann, wenn er den Abschied erhalten hätte, unterworfen seyn würde.
§. 48. Cantonisten, die bey dem Regimente noch nicht einrangirt und verpflichtet sind, gehören noch nicht zum Soldatenstande.
§. 49. Doch dürfen sich dergleichen Leute, ohne Vorwissen des Landraths oder Magistrats des Orts, nicht aus ihrer Heirath; und ohne Vorwissen der Cammer, nicht aus der Provinz entfernen.
§. 50. Haben sie es dennoch gethan; und können sie erforderlichen Falls auch von ihren Aeltern und Verwandten nicht gestellt, oder nachgewiesen werden: so entsteht daraus die rechtliche Vermuthung wider sie, daß sie, um dem Kriegsdienste sich zu entziehn, aus dem Lande gegangen sind.
§. 51. Wenn Cantonisten ohne Erlaubniß des Regiments, bey welchem sie eingeschrieben sind, eine Lebensart, die mit ihrer Bestimmung zu künftigen Kriegsdiensten nicht bestehen kann, ergriffen haben, so können sie sich damit, gegen die wirkliche Uebernehmung der Kriegsdienste, sobald sie dazu aufgefordert werden, nicht entschuldigen.
§. 52. Welche Classen der Einwohner des Staats zu den Cantonisten gehören; und was in diesen Classen für Entschuldigungsursachen von wirklichen Kriegsdiensten statt finden, ist in den Cantonsreglements verordnet.
§. 53. Beamte, die zwar nicht zu wirklichen Kriegsdiensten, aber doch zum Kriegswesen bey der Armee, oder in der Garnison verpflichtet sind, gehören zum Soldatenstande.
§. 54. Ob sie die Rechte der Ober- oder Unterofficiers haben, bestimmt der Rang, der ihnen bey der Armee angewiesen ist.
§. 55. Sie sind jedoch den Kriegsartikeln nicht unterworfen; in so fern diese nur für diejenigen Militairpersonen gegeben sind, welche zur Fahne zu schwören pflegen.
§. 56. Die beym Kriegswesen verpflichteten niedern Beamten und Knechte werden, so lange sie im Solde stehen, den gemeinen Soldaten gleichmachtet.
§. 57. Das Gesinde der Militairpersonen steht zwar unter der Militairgerichtsbarkeit;
§. 58. Es ist aber den Gesetzen des Standquartiers in allen seinen persönlichen Angelegenheiten unterworfen.
§. 59. Die davon für den Militairstand gemachten Ausnahmen, in Ansehung der Testamente und sonst, kommen dem Gesinde nur in so fern zu, als Abwesenheit oder Entfernung von ordentlich besetzten Civilgerichten dergleichen Ausnahmen nothwendig machen.
Andre Personen, die dem Lager folgen.
§. 60. Andre Personen, welche dem Lager folgen, ohne zum Kriegswesen verpflichtet zu seyn, gehören nicht zum Soldatenstande;
§. 61. Sie stehen aber unter der Militairgerichtsbarkeit, so lange sie bey der Armee sich befinden.
§. 62. Sind dergleichen Personen bey gewissen Regimentern, oder andern Kriegscorps, bey Feldlazarethen, Feldmagazinen, und Bäckereyen u. s. w. ordentlich angestellt: so haben sie nach Beschaffenheit ihres Ranges mit den §. 53. 56. beschriebenen Bedienten gleiche Rechte.
§. 63. Dagegen wird bey Civilbeamten, welche nur bey erfolgendem Ausmarsche der Armee zum Kriegscommissariate, oder andern dergleichen Anstalten abgeordnet worden, und demnächst zu ihrer eigentlichen Bedienung zurückkehren, durch diese einstweilige Abordnung, in ihren Privatrechten, so wie in ihrem Gerichtsstande, nichts geändert.
Wie der Soldatenstand aufhöre.
§. 64. Der Soldatenstand, und die damit verbundenen Rechte und Pflichten, hören durch den Tod, und durch die ausdrückliche Entlassung aus den Kriegsdiensten auf.
§. 65. So lange eine entlassene Militairperson noch keinen anderweitigen Wohnsitz erwählt hat, wird dieselbe von dem Zeitpunkte ihrer Entlassung an, den Gesetzen und Gerichten des Standquartiers, unter welche Civilpersonen von gleicher Herkunft gehören, unterworfen.
§. 66. Doch behält ein mit Officiersrang entlassener Bürgerlicher den Gerichtsstand und die Rechte der Eximirten.
§. 67. Was wegen entlaßener Unterofficiers und Soldaten, die ihrer Herkunft nach Gutsunterthanen sind Rechtens sey, ist im Siebenten Titel, §. 540. sqq. bestimmt.
§. 68. Alle Beamte des Staates, welche zum Militairstande nicht gehören, sind unter der allgemeinen Benennung von Civilbedienten begriffen.
§. 69. Dergleichen Beamte stehen entweder in unmittelbaren Diensten des Staats, oder gewisser demselben untergeordneter Collegien, Corporationen und Gemeinen.
§. 70. Es soll niemanden ein Amt aufgetragen werden, der sich dazu nicht hinlänglich qualificirt, und Proben seiner Geschicklichkeit abgelegt hat.
§. 71. Wem die Besetzung der verschiedenen Arten von Civilbedienungen zukomme? wer zu dergleichen Bedienungen gelangen könne? und was für Vorbereitungen und Prüfungen dazu vorhergehen müssen? ist nach Verschiedenheit der Fächer und Stufen solcher Bedienungen, durch specielle Gesetze und Instructionen bestimmt.
§. 72. Wer sich durch Bestechungen oder andere unerlaubte Wege in ein Amt eindringt, soll desselben sofort wieder entsetzt werden.
§. 73. Alle Verträge und Versprechungen, wodurch jemanden, gegen Zuwendung eines Amts, Privatvortheile zugesagt, oder wirklich eingeräumt worden, sind null und nichtig.
§. 74. Auch Verabredungen zwischen einem abgehenden Beamten, und dessen Nachfolger, wodurch dem erstern von den Einkünften des Amts etwas vorbehalten werden soll, sind nur so weit gültig, als sie von der vorgesetzten Behörde ausdrücklich genehmigt worden.
§. 75. Wer wissentlich eine Bedienung einer dazu nicht tauglichen Person anvertraut, muß dem Staate, und den einzelnen Bürgern desselben, für allen durch die Unwissenheit und Untauglichkeit eines solchen Bedienten entstandenen Nachtheil gerecht werden. (Tit. XX. Abschn. VIII.)
§. 76. Niemand soll sich eigenmächtig der Verwaltung eines Amts anmaßen, wozu er von der vorgesetzten Behörde nicht angewiesen worden.
§. 77. Wer dieses thut, und vermöge eines solchen Amts Handlungen vornimmt, zu welchen er nach den Gesetzen überhaupt nicht qualificirt ist, dessen Handlungen sind unkräftig.
§. 78. Mangelt es ihm nicht an den erforderlichen Eigenschaften zu Handlungen dieser Art überhaupt: so können zwar seine Handlungen, zum Nachtheile der Parteyen, in der Regel, und wo nicht besondere Gesetze ein Anderes vorschreiben, für nichtig nicht angesehen werden.
§. 79. Er hat aber auch in diesem Falle, nach Verhältniß des Grades seiner Schuld, bey der ungebührlichen Anmaßung des Amts; seiner aus den Umständen sich ergebenden unerlaubten Absicht dabey; und der aus der Anmaßung entstandenen schädlichen Folgen, wenn nicht besondere Gesetze die Ahndung näher bestimmen, willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 80. Alles, was der unbefugte Anmaßer bey Gelegenheit der von ihm unternommenen Amtshandlungen empfangen hat, muß er zurückgeben.
§. 81. Niemand soll, bey Zehn bis Dreyhundert Thalern fiskalischer Geldstrafe, sich eines Amts anmaßen, welches ihm nicht auf eine der eingeführten Ordnung gemäße Art übergeben worden.
§. 82. Allen Schaden, welcher aus solchen ungebührlichen Anmaßungen für den Staat oder einen Dritten entsteht, muß er ersetzen.
§. 83. Wer einem Cassenbedienten die Casse übergiebt, ehe und bevor die Amtscaution desselben berichtigt worden, ist für allen daraus entstandenen Schaden verhaftet.
§. 84. Titel und Rang, welche mit einem Amte verbunden sind, werden, nebst den davon abhangenden Vorrechten, schon durch die darüber ausgefertigte Bestallung verliehen.
Rechte und Pflichten derselben in Ansehung ihres Amts.
§. 85. Die Rechte und Pflichten der Civilbedienten, in Beziehung auf das ihnen anvertrauete Amt, werden durch die darüber ergangenen besondern Gesetze, und durch ihre Amtsinstructionen bestimmt.
§. 86. Niemand soll sein Amt zur Beleidigung oder Bevortheilung Anderer mißbrauchen.
§. 87. Was ein Beamter vermöge seines Amts, und nach den Vorschriften desselben unternimmt, kann gegen ihn als eine Privatbeleidigung nicht gerügt werden.
§. 88. Wer ein Amt übernimmt, muß auf die pflichtmäßige Führung desselben die genaueste Aufmerksamkeit wenden.
§. 89. Jedes dabey begangene Versehen, welches bey gehöriger Aufmerksamkeit, und nach den Kenntnissen, die bey der Verwaltung des Amts erfordert werden, hätte vermieden werden können und sollen, muß er vertreten.
§. 90. Vorgesetzte, welche durch vorschriftsmäßige Aufmerksamkeit die Amtsvergehungen ihrer Untergebenen hätten hindern können, sind für den aus Vernachläßigung dessen entstehenden Schaden, sowohl dem Staate, als einzelnen Privatpersonen, welche darunter leiden, verhaftet.
§. 91. Doch findet in beyden Fällen (§. 89. 90.) die Vertretung nur alsdann statt, wenn kein anderes gesetzmäßiges Mittel, wodurch den nachtheiligen Folgen eines solchen Versehens abgeholfen werden könnte, mehr übrig ist.
§. 92. Kein Beamter darf den zur Ausübung seines Amts ihm angewiesenen Wohnort ohne Vorwissen und Genehmigung seiner Vorgesetzten verlassen.
§. 93. In wie fern zu bloßen Reisen und Entfernungen auf eine Zeitlang, die Erlaubniß der unmittelbaren oder höhern Vorgesetzten erforderlich sey, ist nach den einer jeden Classe von Beamten vorgeschriebenen besondern Gesetzen und Amtsinstructionen zu bestimmen.
Niederlegung, Entsetzung, und Verabschiedung.
§. 94. Bey derjenigen Instanz, von welcher die Besetzung eines Amts abhängt, muß auch die Entlassung davon gesucht werden.
§. 95. Die Entlassung soll nur alsdann, wenn daraus ein erheblicher Nachtheil für das gemeine Beste zu erwarten ist, versagt werden.
§. 96. Einem Beamten, dem aus diesem Grunde die Entlassung versagt wird, steht dagegen die Berufung auf die unmittelbare Landesherrliche Entscheidung.
§. 97. In keinem Falle aber darf der abgehende Beamte seinen Posten eher verlassen, als bis wegen Wiederbesetzung oder einstweiliger Verwaltung desselben Verfügung getroffen ist.
§. 98. Kein Vorgesetzter oder Departements-Chef kann einen Civilbedienten, wider seinen Willen, entgegensetzen oder verabschieden.
§. 99. Vielmehr muß er, wenn die Verabschiedung nöthig gefunden wird, den Beamten mit seiner Erklärung oder Verantwortung darüber ordnungsmäßig hören, und die Sache zum Vortrage im versammelten Staatsrathe befördern.
§. 100. Was dieser durch die Mehrheit der Stimmen schließt, dabey hat es lediglich sein Bewenden.
§. 101. Doch muß bey Bedienungen, zu welchen die Bestallung von dem Landesherrn selbst vollzogen wird, ein auf Entsetzung oder Entlassung ausgefallener Beschluß des Staatsraths, jedesmal dem Landesherrn zur unmittelbaren Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden.
§. 102. Amtsverbindungen, deren Dauer durch die Natur des Geschäftes, oder durch ausdrücklichen Vorbehalt, auf eine gewisse Zeit eingeschränckt ist, erlöschen mit dem Ablaufe dieser Zeit von selbst. (§. 97.)
§. 103. Was bey Entsetzung oder Entlassung der Justizbedienten statt finde, ist im Siebenzehnten Titel, und in der Prozeßordnung bestimmt.
Rechte der Civilbedienten in ihren Privatangelegenheiten.
§. 104. Civilbediente werden in ihren Privatangelegenheiten nach eben den Gesetzen und Rechten, wie andre Bürger des Staats, beurtheilt.
§. 105. Königliche Beamte haben sich, als Eximirte, eines privilegirten Gerichtsstandes zu erfreuen. (Tit. XVII.)
§. 106. Sie stehen unter eben den Gesetzen, welchen die übrigen von der gemeinen Gerichtsbarkeit ausgenommenen Personen derselben Provinz oder desselben Orts unterworfen sind.
§. 107. Sie behalten diese Rechte, wenn auch die Ausübung der Gerichtsbarkeit über sie einem Untergerichte aufgetragen (delegirt) worden.
§. 108. Beamte, die nicht unmittelbar in den Diensten des Staats, sondern andrer demselben untergeordneten Collegien, Corporationen und Gemeinen stehen, haben in der Regel keinen privilegirten Gerichtsstand, und werden nach den Gesetzen ihres Wohnorts beurtheilt.
§. 109. In sofern jedoch dergleichen Beamte adlichen Standes, oder vom Landesherrn mit einem Charakter bekleidet sind, genießen sie, gleich den Königlichen Beamten, die Rechte des privilegirten Gerichtsstandes.
§. 110. Ein Gleiches findet in Ansehung derjenigen statt, die eine Königliche und eine andere Civilbedienung zugleich verwalten.
§. 111. Ausnahmen von den §. 109. 110. festgesetzten Regeln müssen durch besondere Privilegia und Verordnungen nachgewiesen werden.
§. 112. Auch in Rücksicht auf bürgerliche Rechte, Lasten und Pflichten, sind Königliche Beamte als Eximirte zu betrachten.
§. 113. Andere Civilbediente können sich einer solchen Exemtion nicht anmaßen, wenn ihnen dieselbe nicht besonders ausdrücklich verliehen worden.
§. 114. Wenn mehrere Beamte in ein Collegium zusammengezogen sind: so gilt wegen ihrer Versammlungen, Berathschlagungen und Schlüsse, in der Regel eben das, was im Sechsten Titel von öffentlichen Gesellschaften und Corporationen verordnet ist.
§. 115. Doch können dergleichen Collegia, die von dem Landesherrn, oder ihrer vorgesetzten Instanz gemachten Einrichtungen, auch durch einmüthige Beschlüsse, nicht ändern.
§. 116. Eben so wenig können sie über Grundstücke, Gerechtigkeiten, Capitalien und Einkünfte des ganzen Collegii eigenmächtig Verfügung treffen.
§. 117. Ueber die Rechte des Collegii können sie, ohne Genehmigung der vorgesetzten Instanz, keinen Vergleich schließen.
§. 118. Gegenstände, welche zur Behandlung des Collegii gehören, müssen nach der Mehrheit der Stimmen entschieden werden.
Vorgesetzte solcher Collegien.
§. 119. Auch der unmittelbare Vorgesetzte des Collegii muß in Sachen, die zur collegialischen Bearbeitung gehören, der Mehrheit der Stimmen sich unterwerfen.
§. 120. Dem Vorgesetzten des Collegii kommt nur das Recht zu, die Stimmen zu sammeln, und den Schluß nach der Mehrheit derselben abzufassen.
§. 121. Wenn aber die Stimmen der Mitglieder über einen Gegenstand der Berathschlagungen gleich sind: so giebt er durch die seinige den Ausschlag.
§. 122. Aeußere Ordnung bey dem Collegio, und was dahin gehört, hängt lediglich von der Direction des Vorgesetzten ab.
§. 123. Doch darf er von der bisherigen Ordnung nicht abgehen, wenn durch eine Veränderung der Lauf der Geschäfte unterbrochen oder aufgehalten würde.
§. 124. Die dem Collegio ausdrücklich vorgeschriebene Instruction darf er eigenmächtig nicht ändern.
§. 125. Die §. 120. 121. bestimmten Verhältnisse des Vorgesetzten bey der Stimmensammlung, kommen auch demjenigen zu, welcher bey der Abwesenheit des Erstern desselben Stelle vertritt.
§. 126. Dagegen darf dergleichen bloß einstweiliger Vorgesetzter in der bisher bey dem Collegio beobachteten Ordnung nichts ändern.
§. 127. Geschäfte, welche dem ganzen Collegio obliegen, müssen von allen Mitgliedern desselben vertreten werden.
§. 128. In wie fern die Mitglieder für einen durch Vorsatz oder Versehen entstandenen Schaden, als Mitschuldner, oder ein jeder nur für seinen Antheil, haften, ist nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen. (Th. I. Tit. VI. §. 29. sqq.)
§. 129. Kann in Fällen, wo jedes Mitglied nur für seinen Antheil haftet, von einem oder dem andern dessen Antheil an der Entschädigung nicht beygetrieben werden, so müssen die übrigen denselben zu gleichen Theilen vertreten.
§. 130. Der Einwand, daß ein Versehen durch den unrichtigen Vortrag eines Mitglieds; oder durch die von demselben geschehene Abfassung einer dem Schlüsse des Collegii nicht gemäßen Verfügung; oder durch andre Pflichtwidrigkeiten oder Fahrlässigkeiten desselben entstanden sey, befreyt das Collegium nicht von der Einlassung auf die Klage.
§. 131. Findet sich aber bey der Untersuchung, daß dieser Einwand seine Richtigkeit habe: so muß der Kläger an dasjenige Mitglied, welches solchergestalt das Versehen unmittelbar begangen hat, vorzüglich sich halten.
§. 132. Nächst diesem haftet der Vorgesetzte, wenn er durch Anwendung der ihm vermöge seines Amtes obliegenden Aufmerksamkeit, (§. 90.) das vorgefallene Versehen hätte verhüten oder abwenden können und sollen.
§. 133. Die übrigen Mitglieder haften nur, in Ermangelung beyder, und nur in so fern, als besondre Gesetze ihnen eine vorzüglich eigne Aufmerksamkeit auf die Handlungen ihrer Collegen bey Geschäften dieser Art, ausdrücklich zur Pflicht gemacht haben.
§. 134. Hat der Vorgesetzte das Geschäft ohne Zuziehung des Collegii, oder nur mit Zuziehung einiger Mitglieder vorgenommen: so ist derselbe nur allein, oder nur mit den zugezogenen Mitgliedern, verantwortlich.
§. 135. Die nicht zugezogenen Mitglieder sind nur alsdann zur Vertretung gehalten, wenn hiernächst das Geschäft dem Collegio vorgetragen, und zu einer Zeit, da dem Versehen noch abgeholfen werden konnte, von selbigem genehmigt worden.
§. 136. Hat das Collegium die Besorgung der verschiedenen Arten seiner Geschäfte unter seine Mitglieder eigenmächtig vertheilt: so ändert dieses nichts in der Vertretungsverbindlichkeit der Mitglieder gegen die Partey.
§. 137. Doch bleibt den übrigen der Regreß gegen diejenigen Mitglieder vorbehalten, welche die Besorgung des Geschäfts ausschließend übernommen, und dabey das Versehen begangen haben.
§. 138. Sind aber durch Gesetze, Amtsinstructionen oder höhere Anweisungen, gewisse Arten von Geschäften einem oder etlichen Mitgliedern zur ausschließenden Besorgung angewiesen: so müssen diese für ein dabey begangenes Versehen, und zwar wenn ihrer mehrere sind, nach Vorschrift §. 127. 128. 129. haften.
§. 139. Ist dem einen die eigentliche Besorgung des Geschäfts, den übrigen aber eine besondre Aufsicht über ihn solchergestalt angewiesen: so werden letztere nur für Vernachläßigung dieser Aufsicht verantwortlich.
§. 140. Sind dergleichen zu einem gewissen Geschäfte besonders verordnete Mitglieder oder Subalternen zum Schadensersatze nicht vermögend, so haften der Vorgesetzte, und die übrigen Mitglieder, nur in so fern, als bey der Auswahl oder Bestellung des Subjekts ein grobes oder mäßiges Versehen begangen, oder die über das Geschäft zu führende allgemeine Aufsicht vernachläßigt worden.
§. 141. In keinem Falle sind Mitglieder eines Colleg zur Vertretung gehalten, wenn ihnen bey dem Geschäfte, worin das Versehen vorgefallen ist, kein Votum zukam;
§. 142. Auch alsdann nicht, wenn sie mit Vorwissen und Genehmigung des Vergesetzten abwesend waren.
§. 143. Ferner alsdann nicht, wenn sie durch Krankheit der Versammlung des Collegii beyzuwohnen verhindert worden.
§. 144. Endlich alsdann nicht, wenn sie überstimmt worden, und ihr Votum schriftlich, unter Anführung der Gründe, zu den Akten gebracht haben.
§. 145. Auch die Erben der Mitglieder haften für den dem Erblasser obliegenden Ersatz eben so, wie für andere Schulden desselben.
Eilfter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften
§. 1. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube, und der innere Gottesdienst, können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen seyn.
§. 2. Jedem Einwohner im Staate muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreyheit gestattet werden.
§. 3. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen.
§. 4. Niemand soll wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet, oder gar verfolgt werden.
§. 5. Auch der Staat kann von einem einzelnen Unterthan die Angabe: zu welcher Religionspartey sich derselbe bekenne, nur alsdann fordern, wenn die Kraft und Gültigkeit gewisser bürgerlichen Handlungen davon abhängt.
§. 6. Aber selbst in diesem Falle können mit dem Geständnisse abweichender Meinungen nur diejenigen nachtheiligen Folgen für den Gestehenden verbunden werden, welche aus seiner, dadurch, vermöge der Gesetze, begründeten Unfähigkeit zu gewissen bürgerlichen Handlungen oder Rechten von selbst fließen.
§. 7. Jeder Hausvater kann seinen häuslichen Dienst nach Gutfinden anordnen.
§. 8. Er kann aber Mitglieder, die einer andern Religionspartey zugethan sind, zur Beywohnung desselben wider ihren Willen nicht anhalten.
§. 9. Heimliche Zusammenkünfte, welche der Ordnung und Sicherheit des Staats gefährlich werden könnten, sollen, auch unter dem Vorwande des häuslichen Gottesdienstes, nicht geduldet werden.
§. 10. Wohl aber können mehrere Einwohner des Staats, unter dessen Genehmigung, zu Religionsübungen sich verbinden.
§. 11. Religionsgesellschaften, welche sich zur ordentlichen Feyer des Gottesdienstes verbunden haben, werden Kirchengesellschaften genannt.
§. 12. Diejenigen, welche zu gewissen andern besondern Religionsübungen vereinigt sind, führen den Namen der geistlichen Gesellschaften.
Erster Abschnitt. Von Kirchengesellschaften überhaupt
§. 13. Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat, und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen.
Unerlaubte Kirchengesellschaften.
§. 14. Religionsgrundsätze, welche diesem zuwider sind, sollen im Staate nicht gelehrt, und weder mündlich, noch in Volksschriften, ausgebreitet werden.
§. 15. Nur der Staat hat das Recht, dergleichen Grundsätze, nach angestellter Prüfung, zu verwerfen, und deren Ausbreitung zu untersagen.
§. 16. Privatmeinungen einzelner Mitglieder machen eine Religionsgesellschaft nicht verwerflich.
§. 17. Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegirter Corporationen.
§. 18. Die von ihnen zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt; und sind als privilegirte Gebäude des Staats anzusehen.
§. 19. Die bey solchen Kirchengesellschaften zur Feyer des Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten Personen, haben mit andern Beamten im Staate gleiche Rechte.
§. 20. Eine Religionsgesellschaft, welche der Staat genehmigt, ihr aber die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nicht beygelegt hat, genießt nur die Befugnisse geduldeter Gesellschaften. (Tit. VI. §. 11. sqq.)
§. 21. Jede Kirchengesellschaft, die als solche auf die Rechte einer geduldeten Anspruch machen will, muß sich bey dem Staate gebührend melden, und nachweisen, daß die von ihr gelehrten Meinungen nichts enthalten, was dem Grundsatze des §. 13 zuwider läuft.
§. 22. Einer geduldeten Kirchengesellschaft ist die freye Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes verstattet.
§. 23. Zu dieser gehört die Anstellung gottesdienstlicher Zusammenkünfte in gewissen dazu bestimmten Gebäuden, und die Ausübung der ihren Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuche, sowohl in diesen Zusammenkünften, als in den Privatwohnungen der Mitglieder.
§. 24. Eine bloß geduldete Kirchengesellschaft kann aber das Eigenthum solcher Gebäude ohne besondre Erlaubniß des Staats nicht erwerben.
§. 25. Ihr ist nicht gestattet, sich der Glocken zu bedienen, oder öffentliche Feyerlichkeiten außerhalb den Mauern ihres Versammlungshauses anzustellen.
§. 26. Die von ihr zur Feyer ihrer Religionshandlungen bestellten Personen genießen, als solche, keine besondere persönliche Rechte.
Verhältnis der Kirchengesellschaften gegen den Staat;
§. 27. Sowohl öffentlich aufgenommene, als bloß geduldete Religions- und Kirchengesellschaften müssen sich, in allen Angelegenheiten, die sie mit andern bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staats richten.
§. 28. Diesen Gesetzen sind auch die Obern, und die einzelnen Mitglieder, in allen Vorfällen des bürgerlichen Lebens unterworfen.
§. 29. Soll denselben, wegen ihrer Religionsmeinungen, eine Ausnahme von gewissen Gesetzen zu statten kommen: so muß dergleichen Ausnahme vom Staate ausdrücklich zugelaßen seyn.
§. 30. Ist dieses nicht geschehen: so kann zwar der Anhänger einer solchen Religionsmeinung etwas gegen seine Ueberzeugung zu thun nicht gezwungen werden;
§. 31. Er muß aber die nachtheiligen Folgen, welche die Gesetze mit ihrer unterlassenen Beobachtung verbinden, sich gefallen lassen.
§. 32. Die Privat- und öffentliche Religionsübung einer jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen.
§. 33. Der Staat ist berechtigt, von demjenigen, was in den Versammlungen der Kirchengesellschaft gelehrt und verhandelt wird, Kenntniß einzuziehen.
§. 34. Die Anordnung öffentlicher Bet-, Dank- und andrer außerordentlichen Festtage, hängt allein vom Staate ab.
§. 35. In wie fern die bereits angeordneten Kirchenfeste mit Einstellung aller Handarbeiten und bürgerlichen Gewerbe begangen werden sollen, oder nicht, kann nur der Staat bestimmen.
gegen andere Kirchengesellschaften;
§. 36. Mehrere Kirchengesellschaften, wenn sie gleich zu einerley Religionspartey gehören, stehen dennoch unter sich in keiner nothwendigen Verbindung.
§. 37. Kirchengesellschaften dürfen so wenig, als einzelne Mitglieder derselben, einander verfolgen oder beleidigen.
§. 38. Schmähungen und Erbitterung verursachende Beschuldigungen müssen durchaus vermieden werden.
§. 39. Protestantische Kirchengesellschaften des Augsburgschen Glaubensbekenntnisses sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die Theilnahme auch an ihren eigentümlichen Religionshandlungen nicht versagen, wenn dieselben keine Kirchenanstalt ihrer eignen Religionspartey, deren sie sich bedienen können, in der Nähe haben.
§. 40. Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig erkennen, für sich selbst zu urtheilen, soll die Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten will, frey stehn. (Tit. II. §. 74. sqq.)
§. 41. Der Uebergang von einer Religionspartey zu einer andern geschieht in der Regel durch ausdrückliche Erklärung.
§. 42. Die Theilnehmung an solchen Religionshandlungen, wodurch eine Partey sich von der andern wesentlich unterscheidet, hat die Kraft einer ausdrücklichen Erklärung, wenn nicht das Gegentheil aus den Umständen deutlich erhellet. (§. 39.)
§. 43. Keine Religionspartey soll die Mitglieder der andern durch Zwang oder listige Ueberredungen zum Uebergange zu verleiten sich anmaßen.
§. 44. Unter dem Vorwande des Religionseifers darf niemand den Hausfrieden stören, oder Familienrechte kränken.
§. 45. Keine Kirchengesellschaft ist befugt, ihren Mitgliedern Glaubensgesetze wider ihre Ueberzeugung aufzudringen.
§. 46. Wegen der äußern Form und Feyer des Gottesdienstes kann jede Kirchengesellschaft dienliche Ordnungen einführen,
§. 47. Dergleichen Anordnungen müssen jedoch dem Staate zur Prüfung, nach dem §. 13. bestimmten Grundsatze, vorgelegt werden.
§. 48. Nach erfolgter Genehmigung haben sie mit andern Polizeygesetzen gleiche Kraft und Verbindlichkeit.
§. 49. Sie können aber auch ohne Genehmigung des Staats nicht verändert, noch wieder aufgehoben werden.
§. 50. Jedes Mitglied einer Kirchengesellschaft ist schuldig, sich der darin eingeführten Kirchenzucht zu unterwerfen.
§. 51. Dergleichen Kirchenzucht soll bloß zur Abstellung öffentlichen Aergernisses abzielen.
§. 52. Sie darf niemals in Strafen an Leib, Ehre, oder Vermögen der Mitglieder ausarten.
§. 53. Sind dergleichen Strafen zur Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit in der Kirchengesellschaft nothwendig: so muß die Verfügung der vom Staate gesetzten Obrigkeit überlassen werden.
§. 54. Wenn einzelne Mitglieder durch öffentliche Handlungen eine Verachtung des Gottesdienstes und der Religionsgebräuche zu erkennen geben, oder andre in ihrer Andacht stöhren: so ist die Kirchengesellschaft befugt, dergleichen unwürdigen Mitgliedern, so lange sie sich nicht bessern, den Zutritt in ihre Versammlungen zu versagen.
§. 55. Wegen bloßer von dem gemeinen Glaubensbekenntnisse abweichender Meinungen, kann kein Mitglied ausgeschlossen werden.
§. 56. Wenn über die Rechtmäßigkeit der Ausschließung Streit entsteht: so gebührt die Entscheidung dem Staate.
§. 57. So weit mit einer solchen Ausschließung nachtheilige Folgen für die bürgerliche Ehre des Ausgeschlossenen verbunden sind, muß vor deren Veranlassung die Genehmigung des Staats eingeholt werden.
Zweyter Abschnitt. Von den Mitgliedern der Kirchengesellschaften
§. 58. Die Kirchengesellschaft besteht aus geistlichen und weltlichen Mitgliedern.
§. 59. Diejenigen, welche bey einer christlichen Kirchengemeine zum Unterrichte in der Religiongemeinschaft zur Besorgung des Gottesdienstes, und zur Verwaltung der Sacramente bestellt sind, werden Geistliche genannt.
§. 60. Niemand darf ohne Vorwissen und Genehmigung derjenigen, deren Einwilligung zur Wahl einer Lebensart erfordert wird, zu einem geistlichen Amte sich bestimmen. (Tit. II. §. 109. sqq. Tit. XVIII. Abschn. VI.)
§. 61. Ohne vorhergegangene genaue Prüfung seiner Kenntnisse, und seines bisher geführten Wandels, soll niemand zu einem geistlichen Amte gelassen werden.
§. 62. Die übrigen Erfordernisse zu einem geistlichen Amte bleiben, nach Verschiedenheit der Religionsparteyen, den vom Staate genehmigten Grundgesetzen und Verfassungen derselben vorbehalten.
§. 63. Die Befugniß zur Ausübung aller geistlichen Amtsverrichtungen wird durch die Ordination verliehen.
§. 64. Landesunterthanen sollen, ohne besondere Erlaubniß, die Ordination zu geistlichen Aemtern bey auswärtigen Behörden nicht nachsuchen, oder annehmen.
§. 65. Die Ordination soll niemanden ertheilt werden, ehe er ein geistliches Amt, welches ihm seinen Unterhalt gewährt, zu übernehmen Gelegenheit hat.
Rechte und Pflichten in Ansehung des Amts.
§. 66. Die besondern Rechte und Pflichten eines Katholischen Priesters, in Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die Vorschriften des canonischen Rechts; der protestantischen Geistlichen aber, durch die Consistorial- und Kirchenordnungen bestimmt.
§. 67. Alle Geistliche müssen sich, bey Verlust des Amts, eines ehrbaren und dem Volke unanstößigen Lebenswandels vorzüglich befleißigen.
§. 68. Auch in gleichgültigen Dingen müssen sie alle Gelegenheit zum Anstoße für die Kirchengemeine sorgfältig vermeiden.
§. 69. Aller zudringlichen Einmischungen in Privat- und Familienangelegenheiten müssen sie sich enthalten.
§. 70. Durch vorsichtiges und sanftmüthiges Betragen müssen sie die Liebe und das Vertrauen der Gemeine zu erwerben suchen.
§. 71. Ueberhaupt müssen sie in Lehre und Wandel ihren Zuhörern mit einem guten Beyspiele der Sanftmuth und Verträglichkeit, selbst gegen fremde Religionsverwandte, vorgehn.
§. 72. Auch die Personen, welche zu ihrer Familie gehören, müssen sie zu einer ordentlichen, stillen und bescheidenen Ausführung anhalten.
§. 73. In ihren Amtsvorträgen, und bey dem öffentlichen Unterrichte, müssen sie, zum Anstoße der Gemeine, nichts einmischen, was den Grundbegriffen einrer Religionspartey widerspricht.
§. 74. In wie fern sie, bey innerer Ueberzeugung von der Unrichtigkeit dieser Begriffe, ihr Amt dennoch fortsetzen können, bleibt ihrem Gewissen überlassen.
§. 75. Auch außer der Kirche müssen Geistliche, denen die Seelsorge bey einer Kirchengesellschaft anvertraut ist, an der Belehrung und moralischen Besserung ihrer Mitglieder unermüdet arbeiten.
§. 76. Zu Privatermahnungen, in so fern dieselben mit Sanftmuth und Bescheidenheit geschehen sind sie berechtigt.
§. 77. Wenn sie einem Mitgliede der Gemeine seine Vergehungen ins Geheim vorhalten: so sind sie nicht schuldig, die Quelle ihrer davon erhaltenen Nachrichten anzugeben.
§. 78. Dergleichen geheime Vorhaltungen sollen niemals für Injurien angesehen werden.
§. 79. Fehlen sie dabey aus Mangel an Sanftmuth und Bescheidenheit: so müssen die geistlichen Obern sie deshalb zurechtweisen.
§. 80. Was einem Geistlichen unter dem Siegel der Beichte, oder der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertraut worden, das muß er, bey Verlust seines Amts, geheim halten.
§. 81. Auch zum gerichtlichen Zeugnisse über den Inhalt solcher Eröffnungen kann ein Geistlicher, ohne den Willen desjenigen, der ihm dieselben anvertraut hat, nicht aufgefordert werden.
§. 82. So weit aber die Offenbarung eines solchen Geheimnisses nothwendig ist, um eine dem Staate drohende Gefahr abzuwenden; oder ein Verbrechen zu verhüten; oder den schädlichen Folgen eines schon begangenen Verbrechens abzuhelfen, oder vorzubeugen, muß der Geistliche dasselbe der Obrigkeit anzeigen.
§. 83. In öffentlichen Vorträgen muß jeder Geistliche aller persönlichen Anzüglichkeiten sich enthalten.
§. 84. Schilderungen der in einer Gemeine herrschenden Laster sind keine Anzüglichkeiten.
§. 85. Sie arten aber darin aus, wenn Personen genannt, oder durch individuelle Nebenumstände kundbar gemacht werden.
§. 86. Kein Geistlicher darf eigenmächtig irgend ein Mitglied der Gemeine von Beywohnung des Gottesdienstes, oder von den Sacramenten ausschließen.
§. 87. Findet er Bedenken, jemanden zuzulassen: so muß er demselben dies Bedenken in Zeiten mit vernünftiger Schonung eröffnen.
§. 88. Besteht derselbe dennoch auf seiner Zulassung: so muß der Geistliche den Vorfall, mit Verschweigung des Namens, seinen geistlichen Obern anzeigen, und nach deren Vorbescheidung sich achten.
§. 89. Nur in Fällen, wenn jemand zu einer gottesdienstlichen Handlung in der Trunkenheit, in anstößiger und ärgerlicher Kleidung, oder sonst in einem Zustande sich darstellt, in welchem er, ohne offenbaren Anstoß und grobes Aergerniß der Gemeine, oder seiner Mitgenossen bey dieser Handlung, nicht zugelassen werden kann, mag der Geistliche einen solchen Menschen, bis auf weitere Verfügung der Behörde, zurückweisen.
§. 90. Der einmal zurückgewiesene (§. 87. 89.) muß die Vorbescheidung der geistlichen Obern abwarten.
§. 91. Kein Geistlicher kann ein Mitglied der Gemeine zur Beywohnung des Gottesdienstes, und zum Gebrauche der Sacramente, durch äußern Zwang anhalten.
§. 92. Auch zu Haus- und Krankenbesuchen darf er sich niemanden gegen dessen erklärte Abneigung aufdringen.
Rechte und Pflichten in ihren Privatangelegenheiten.
§. 93. Geistliche dürfen weder für sich selbst, noch durch die in ihrem Hause lebende Familie, Kaufmannschaft oder bürgerliche Gewerbe treiben.
§. 94. Wenn ihnen der Genuß gewisser Grundstücke zu ihrem Unterhalte angewiesen worden: so mögen sie deren Cultur und den Absatz der darauf gewonnenen Erzeugnisse selbst besorgen.
§. 95. Außerdem dürfen sie nur unter Genehmigung ihrer Obern, und nur in so fern, als es ohne Vernachläßigung ihres Amts geschehen kann, sich mit der Landwirthschaft beschäftigen.
§. 96. Die Geistlichen der vom Staate privilegirten Kirchengesellschaften sind, als Beamte des Staats, der Regel nach von den persönlichen Lasten und Pflichten des gemeinen Bürgers frey.
§. 97. Sie genießen einen privilegirten Gerichtsstand.
§. 98. In den Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens werden alle Geistliche, ohne Unterschied der Religion, nach den Gesetzen des Staats beurtheilt.
§. 99. Nach, diesen Gesetzen behalten sowohl alle protestantische, als die katholischen Weltgeistlichen, die freye Disposition über ihr Vermögen.
§. 100. Auch dasjenige, was sie aus den Einkünften ihres geistlichen Amts erworben haben, gehört zu ihrem freyen Eigenthume.
§. 101. Nur da, wo Provinzialgesetze, oder vom Staate gebilligte Statuten, der Kirche ein Erbrecht auf einen gewissen Theil dieses Erwerbes beylegen, hat es dabey sein Bewenden.
Wie das geistliche Amt aufhöre.
§. 102. Seinem geistlichen Amte kann ein jeder entsagen.
§. 103. Criminalverbrechen, und grobe Vergehungen gegen die Kirchenordnungen, und die darin vorgeschriebenen geistlichen Amtspflichten, ingleichen ein ärgerlicher Lebenswandel, begründen die Entsetzung eines Geistlichen.
§. 104. Durch öffentliche den geistlichen Obern angezeigte Entsagung des geistlichen Standes, so wie durch Entsetzung eines Geistlichen von seinem Amte, gehen alle damit verbundenen äußern Rechte verloren.
§. 105. Auch darf ein solcher gewesener Geistlicher, bey Vermeidung nachdrücklicher Strafe, sich keiner Amtsverrichtungen mehr anmaßen.
§. 106. Thut er es dennoch, so haben die Amtshandlungen, deren er sich anmaßt, keine bürgerliche Gültigkeit, und er selbst bleibt denen, welche dadurch Schaden leiden, verantwortlich. (Tit. X. §. 76-82.)
§. 107. Wenn und wie ein katholischer Priester, bey der Entsetzung auch seines geistlichen Charakters verlustig werde, ist nach den Grundsätzen seiner Kirche zu beurtheilen.
§. 108. Die weltlichen Mitglieder einer Kirchengesellschaft haben das Recht, sich der Anstalten der Gesellschaft zu ihren Religionshandlungen zu bedienen.
§. 109. Sie müssen sich aber dabey den bey dieser Gesellschaft eingeführten Ordnungen, und Verfassungen unterwerfen.
§. 110. So lange sie Mitglieder der Gesellschaft bleiben, müssen sie zur Unterhaltung der Kirchenanstalten, nach den Verfassungen der Gesellschaft beytragen.
§. 111. Nur der Staat kann bestimmen, zu welcher der verschiedenen Kirchengemeinen seiner eignen Religionspartey, jeder Einwohner als ein beytragendes Mitglied gerechnet werden soll.
§. 112. Auch ist der Staat berechtigt, jeden Einwohner zur Beobachtung solcher äußern Kirchengebräuche und Einrichtungen derjenigen Religionspartey, zu der er sich bekennt, in so weit anzuhalten, als davon, vermöge der Gesetze, die Bestimmung oder Gewißheit bürgerlicher Rechte abhängt.
Dritter Abschnitt. Von den Obern und Vorgesetzten der Kirchengesellschaften
Von dem geistlichen Departement.
§. 113. Die dem Staate über die Kirchengesellschaften nach den Gesetzen zukommende Rechte, werden von dem geistlichen Departement in so fern verwaltet, als sie nicht dem Oberhaupte des Staats ausdrücklich vorbehalten sind.
§. 114. Außerdem aber stehen die Kirchengesellschaften einer jeden vom Staate aufgenommenen Religionspartey, unter der Direction ihrer geistlichen Obern.
§. 115. Bey den katholischen Glaubensgenossen ist der Bischof der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm angewiesenen Distrikts.
§. 116. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats kann keine Kirchengesellschaft von dieser Unterordnung gegen den Bischof der Diözes ausgenommen werden.
Verhältniß derselben gegen den Staat.
§. 117. Kein Bischof darf in Religions- und Kirchenangelegenheiten, ohne Erlaubniß des Staats, neue Verordnungen machen, oder dergleichen von fremden geistlichen Obern annehmen.
§. 118. Alle päpstliche Bullen, Breven und alle Verordnungen auswärtiger Obern der Geistlichkeit, müssen vor ihrer Publication und Vollstreckung, dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden.
§. 119. Diejenige Gerechtsame über die Kirchengesellschaften, welche nach den Gesetzen dem Staate vorbehalten sind, kann der Bischof nur in so fern ausüben, als ihm eine oder die andre derselben von dem Staate ausdrücklich verliehen worden.
§. 120. Ohne Zuthun und Approbation des Bischofs der Diözes, oder dessen Vicarien, soll niemand zum Priester aufgenommen, zu einem geistlichen Amte befördert, oder auch nur zum öffentlichen Lehrvortrage in einer Kirchengemeine zugelassen werden.
§. 121. Dem Bischof gebührt die Aufsicht über die Amtsführung, Lehre und Wandel der seiner Diözes unterworfenen Geistlichen.
§. 122. Diese sind ihm Ehrfurcht, und in Angelegenheiten ihres geistlichen Amts Gehorsam schuldig.
§. 123. Der Bischof ist berechtigt, bey den Kirchen seiner Diöze, so oft er es nöthig findet, Visitationen vorzunehmen.
§. 124. Die Rechte der Kirchenzucht gebühren nur dem Bischöfe.
§. 125. Vermöge dieses Rechts kann er die ihm untergeordneten Geistlichen durch geistliche Bußübungen, durch kleine den Betrag von Zwanzig Thalern nicht übersteigende Geldbußen, oder auch durch eine die Dauer von Vier Wochen nicht übersteigende Gefängnißstrafe, zum Gehorsame, und zur Beobachtung ihrer Amtspflichten anhalten.
§. 126. Geistliche katholischer Religion, die sich in ihrer Amtsführung grober Vergehungen schuldig gemacht haben, müssen nach dem Erkenntnisse des geistlichen Gerichts bestraft werden.
§. 127. Langwieriges Gefängniß (§. 125.) und andre körperliche Strafen; ist weder der Bischof, noch ein geistliches Gericht, zu verhängen berechtigt.
§. 128. In weltlichen Angelegenheiten der Geistlichen kann sich der Bischof nur in so weit einer Gerichtsbarkeit, und eines Erkenntnisses anmaßen, als ihm das Recht dazu vom Staate ausdrücklich verliehen worden.
§. 129. Auch über ein Privatinteresse, welches bey Gelegenheit einer Amtshandlung entstanden ist, gebührt das Erkenntniß in der Regel den weltlichen Gerichten.
§. 130. Der Bischof kann in den verschiedenen Verrichtungen seines Amts durch andre Geistliche, die ihm untergeordnet sind, vertreten werden.
§. 131. Diejenigen, welchen dergleichen Vertretung, nach der besondern Verfassung einer jeden Diöze, vermöge ihres Amts zukommt und obliegt, werden zur hohem Geistlichkeit gerechnet.
§. 132. Auch andern Geistlichen kann der Bischof, bey einzelnen Vorfällen seines Amts, nach Gutfinden Aufträge machen.
§. 133. Die Bestellung eines bischöflichen Generalvicanus kann ohne Landesherrliche Genehmigung nicht geschehen.
§. 134. Alle Obern der Geistlichkeit sind der Pflicht zur vorzüglichen Treue und Gehorsam verpflichtet.
§. 135. Kein auswärtiger Bischof, oder andrer geistlicher Obere, darf sich in Kirchensachen einer gesetzgebenden Macht anmaßen.
§. 136. Auch darf er irgend einige andre Gewalt, Direction, oder Gerichtsbarkeit in solchen Sachen, ohne ausdrückliche Einwilligung des Staats nicht ausüben.
§. 137. Kein Unterthan des Staats, geistlichen oder weltlichen Standes, kann unter irgend einem Vorwande zu der Gerichtsbarkeit auswärtiger geistlicher gezogen werden.
§. 138. Ist dergleichen auswärtigen Obern eine Direction oder Gerichtsbarkeit innerhalb der Gränzen des Staates gestanden: so müssen sie, zu deren Verwaltung einen vom Staate genehmigten Vicarius innerhalb Landes bestellen.
§. 139. Ein solcher Vicarius muß nicht nur selbst die den inländischen Bischöfen vorgeschriebenen Gränzen genau beobachten, sondern auch nicht gestatten, daß diese Gränzen von seinen auswärtigen Obern überschritten werden.
§. 140. Vielmehr muß er, wenn etwas dergleichen, so er nicht hintertreiben kann, unternommen wird, dem Staate davon in Zeiten getreue Anzeige machen.
§. 141. Zu Kirchenversammlungen innerhalb Landes darf die Geistlichkeit ohne Vorwissen und Mitwirkung des Staats nicht berufen; vielweniger können die Schlüsse solcher Versammlungen ohne Genehmigung des Staats in Ausübung gebracht werden.
§. 142. Den Einladungen zu auswärtigen Kirchenversammlungen dürfen inländische Geistliche ohne besondere Erlaubniß des Staats nicht Folge leisten.
§. 143. Bey den Protestanten kommen die Rechte und Pflichten des Bischofs in Kirchensachen, der Regel nach, den Consistoriis zu.
§. 144. Der Umfang der Geschäfte derselben ist durch die Consistorial- und Kirchenordnungen, nach den verschiedenen Verfassungen der Provinzen und Departements, näher bestimmt.
§. 145. Sämmtliche Consistoria der Protestanten stehen unter der Oberdirection des dazu verordneten Departements des Staatsministerii.
§. 146. Ohne desselben Vorwissen und Genehmigung kann in Kirchensachen keine Veränderung vorgenommen, noch weniger können neue Kirchenordnungen eingeführt werden.
§. 147. Mediatconsistoria, wo dergleichen vorhanden sind, stehen der Regel nach unter der Aufsicht des Oberconsistorii der Provinz.
§. 148. Ausnahmen davon, und unmittelbare Unterordnung unter das geistliche Departement, müssen besonders dargethan werden.
§. 149. Es sollen aber auch die Oberconsistoria den untergeordneten Mediatconsistoriis in Ausübung ihrer Gerechtsame keinen Eintrag thun.
Superintendenten, Inspectoren, und Erzpriester.
§. 150. Superintendenten, Inspectoren, und Erzpriester, sind untergeordnete Aufseher einzelner Diöcesen oder Kreise.
§. 151. Sie stehen unter der Direction des Bischofs oder der Consistorien, und werden von denselben, unter Genehmigung des Staats, ausgewählt und bestellt.
§. 152. Ihr Amt besteht eigentlich nur in der Aufsicht über die zu ihrem Kreise geschlagenen Kirchen und Geistlichen.
§. 153. Letztere sind ihnen von ihrer Amtsführung, Lehre und Wandel, auf jedesmaliges Verlangen, Rechenschaft zu geben schuldig.
§. 154. Besonders müssen diese Aufseher die Kirchenvisitationen ordentlich und sorgfältig vornehmen; dabey auch von der Beschaffenheit und Verwaltung des Kirchenvermögens, so wie von dem Baustande der Kirchen und Pfarrgebäude, genaue Erkundigung einziehn; und davon sowohl, als von der Amtsführung der Prediger und übrigen Kirchenbedienten, ihren vorgesetzten Obern treulich berichten.
§. 155. Zu entscheidenden Verfügungen, so wie überhaupt zu andern Geschäften, sind sie ohne besondern Auftrag ihrer Obern nicht befugt.
§. 156. Die Collegia einzelner Kirchen bestehen aus den Geistlichen, und den ihnen zugeordneten Vorstehern.
§. 157. Diesen kommt die Verwaltung der äußern Rechte der Kirchengesellschaft zu.
§. 158. Sie sind der Aufsicht der Erzpriester oder Inspectoren untergeordnet.
§. 159. In außerordentlichen Fällen und Angelegenheiten müssen von der Gemeine Bevollmächtigte oder Repräsentanten gewählt, und mit der erforderlichen Instruction versehen werden.
Vierter Abschnitt. Von den Gütern und dem Vermögen der Kirchengesellschaften
§. 160. Zu dem Vermögen der Kirchengesellschaften gehören die Gebäude, liegende Gründe, Capitalien und alle Einkünfte, welche zur anständigen Unterhaltung des äußern Gottesdienstes für jede Kirchengemeine nach deren Verfassung bestimmt sind.
Verhältniß desselben gegen den Staat.
§. 161. Das Kirchenvermögen steht unter der Oberaufsicht und Direction des Staats.
§. 162. Der Staat ist berechtigt, darauf zu sehen, daß die Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden.
§. 163. Ihm kommt es zu, dafür zu sorgen, daß nützliche Anstalten aus Mangel des Vermögens nicht zu Grunde gehen.
§. 164. Für den Unterhalt der bey einer Kirchengesellschaft angesetzten Beamten muß die Gesellschaft selbst sorgen.
§. 165. Kirchen, welche, gleich andern Gesellschaften im Staate, den Schutz desselben bey ihrem Vermögen genießen, sind auch von diesem Vermögen, so weit ihnen nicht aus besondern Gesetzen und Verfassungen gewisse Freyheiten zu statten kommen, zu den Lasten des Staats beyzutragen verbunden.
§. 166. Sind Kirchengesellschaften, vermöge besonderer Privilegien oder Verordnungen, von gewissen Lasten in Ansehung ihrer liegenden Gründe frey: so kann doch diese Befreyung, wofern das Privilegium, oder die Verordnung es nicht ausdrücklich festsetzt, auf nachher erst erworbene Grundstücke nicht ausgedehnt werden.
§. 167. Das Kirchenvermögen steht unter der Aufsicht der geistlichen Obern.
§. 168. Diese sind schuldig, für die Unterhaltung und zweckmäßige Verwendung desselben, nach der Verfassung einer jeden Kirchengesellschaft, zu sorgen.
§. 169. Keinem auswärtigen geistlichen Obern soll erlaubt seyn, sich irgend einer Aufsicht oder Direction über das Vermögen inländischer Kirchen unmittelbar anzumaßen.
§. 170. Kirchen und andere dahin gehörige Gebäude sind ausschließend das Eigenthum der Kirchengesellschaft, zu deren Gebrauche sie bestimmt sind.
§. 171. Auch durch Veränderung ihrer Religionsgrundsätze verliert eine Kirchengesellschaft nicht das Eigenthum der ihr gewidmeten Kirchengebäude.
§. 172. Wenn aber die Kirchengesellschaft ganz aufhört: so gilt von diesen Gebäuden alles das, was von dem Vermögen erloschner Gesellschaften überhaupt im Sechsten Titel §. 189. sqq. verordnet ist.
§. 173. Kirchengebäude, so weit sie zur Feyer des Gottesdienstes und zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt sind, dürfen ohne die Einwilligung der Gemeine zu andern Zwecken nicht gebraucht werden.
§. 174. Die Kirchengebäude sind von den gemeinen Lasten des Staats frey, und genießen alle Vorrechte der dem Staate zustehenden öffentlichen Gebäude.
§. 175. Sie sollen zu keinen Freystätten für Verbrecher dienen; sondern die Weltliche Obrigkeit ist berechtigt, diejenigen, welche sich dahin geflüchtet haben, heraus holen, und ins Gefängniß bringen zu lassen.
§. 176. Neue Kirchen können nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Staats erbaut werden.
§. 177. Eine Kirchengesellschaft kann auf diese Erlaubniß nur alsdann Anspruch machen, wenn sie erhebliche Gründe der Notwendigkeit oder des Nutzens, und zugleich hinlängliche Mittel zum Baue und zur Unterhaltung eines solchen neuen Kirchensystems, ohne besorglichen Ruin der gegenwärtigen und künftigen Mitglieder, nachweisen kann.
§. 178. Durch Errichtung neuer Kirchen sollen die Rechte, oder vom Staate genehmigten Verfassungen anderer schon vorhandenen Kirchengesellschaften, nicht beeinträchtigt werden.
§. 179. Kirchengefäße, und andere zum unmittelbaren gottesdienstlichen Gebrauche gewidmeten Sachen, haben mit den Kirchengebäuden der Regel nach gleiche Rechte.
§. 180. Solche Gerätschaften können in der Regel nur wegen einer dringenden Nothwendigkeit, unter Genehmigung des Staats, und der geistlichen Obern, veräußert werden.
§. 181. Doch können der Staat, und die geistlichen Obern, dergleichen Veräußerung überflüßiger Kirchengeräthschaften, auch wegen eines für die Kirchengesellschaft zu hoffenden sichern und überwiegenden Nutzens zulassen.
§. 182. Wenn aber solche Geräthschaften aus Stiftungen herrühren: so finden dabey die Vorschriften des Sechsten Titels §. 73. sqq. Anwendung.
§. 183. Kirchhöfe, oder Gottesäcker und Begräbnißplätze, welche zu den einzelnen Kirchen gehören, sind der Regel nach das Eigenthum der Kirchengesellschaften.
§. 184. In den Kirchen, und in bewohnten Gegenden der Städte, sollen keine Leichen beerdigt werden.
§. 185. Bey Verlegungen der Begräbnißplätze können diejenigen, welche bisher erbliche Familienbegräbnisse in den Kirchen besessen haben, die unentgeltliche Anweisung eines schicklichen Platzes dazu auf dem neuen Kirchhofe fordern.
§. 186. Ohne Anzeige bey den geistlichen Obern sollen Leichen anderswo, als auf einem öffentlichen Kirchhofe, nicht begraben werden.
§. 187. Niemand kann, durch Veranstaltung eines solchen Privatbegräbnisses, der Kirchencasse und der Geistlichkeit die ihnen zukommenden Abgaben entziehn.
§. 188. Ohne Erkenntniß des Staats soll niemanden das ehrliche Begräbniß auf dem öffentlichen Kirchhofe versagt werden.
§. 189. Auch die im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften der verschiedenen Religionsparteyen, dürfen einander wechselsweise, in Ermangelung eigner Kirchhöfe, das Begräbniß nicht versagen.
§. 190. Wo der Kirchhof erweislich nicht der Kirchengesellschaft, sondern der Stadt- oder Dorfgemeine gehört, da kann jedes Mitglied der Gemeine, ohne Unterschied der Religion, auch auf das Begräbniß daselbst Anspruch machen.
§. 191. Das bey einer Kirche befindliche Geläute ist in der Regel als ein Eigenthum der Kirchengesellschaft anzusehen.
§. 192. Wo nach Verträgen, oder hergebrachter Observanz, auch eine andere Gemeine oder Religionspartey auf den Gebrauch desselben Anspruch machen kann, da kann dennoch dieser Mitgebrauch während des Gottesdienstes der Kirchengesellschaft, welcher die Glocken gehören, nicht verlangt werden.
§. 193. Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften sind, auch bey Erwerbung, Verwaltung, und Veräußerung ihres Vermögens, andern Privilegirten Corporationen gleich zu achten. (Tit. VI. §. 70. 71. 72. 81. sqq.)
§. 194. Keine Kirchengesellschaft kann ohne ausdrückliche Bewilligung des Staats liegende Gründe an sich bringen.
§. 195. Ohne Vorwissen und besondere Erlaubniß des Oberhaupts im Staate, darf, bey Strafe doppelten Ersatzes, keiner ausländischen Kirche etwas verabfolgt werden.
§. 196. Diese Strafe trifft denjenigen, auf dessen Veranstaltung die Sache oder Summe der ausländischen Kirche ausgehändigt worden.
§. 197. Auch inländische Kirchen dürfen, ohne besondere Einwilligung des Staats, Geschenke und Vermächtnisse, welche die Summe von Fünfhundert Thalern übersteigen, nicht annehmen.
§. 198. Geschenke und Vermächtnisse von höherem Werthe erhalten erst durch die Genehmigung des Staats ihre Gültigkeit.
§. 199. Erst mit dem Tage, da diese Bestätigung dem Geschenkgeber oder Erben bekannt gemacht worden, nimmt dessen Verbindlichkeit zur Entrichtung des Geschenks, oder Vermächtnisses, ihren Anfang.
§. 200. Dergleichen Geschenke oder Vermächtnisse zur todten Hand können nur in so fern auf die Genehmigung des Staats Anspruch machen, als sie die Summe von Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 201. Mehrere Zuwendungen von einerley Geschenkgeber oder Erblasser werden, wenn sie auch zu verschiedenen Zeiten bestimmt worden, in Eine Summe zusammengezogen, und auf obigen Betrag herabgesetzt.
§. 202. Besteht die Zuwendung in einer jährlichen fortwährenden Prästation: so soll der Betrag derselben mit Vier vom Hundert zu Capital gerechnet, und wenn er alsdann die erlaubte Summe übersteigt, bis auf so weit herabgesetzt werden.
§. 203. Ist das herabgesetzte Geschenk mehrern Kirchen gewidmet: so hängt die Vertheilung der von dem Staate gebilligten Summe von dem Gutfinden des Gebers ab.
§. 204. Hingegen muß, bey einem für mehrere Kirchen bestimmten und herabgesetzten Vermächtnisse, die Vertheilung der gebilligten Summe vom Staate, nach der wahrscheinlichen Absicht des Erblassers, bestimmt werden.
§. 205. Auch kann der Staat, wenn es dieser Absicht nicht offenbar entgegen ist, die ganze gebilligte Summe, der unter mehrern berufenen Kirchen befindlichen unvermögenden, mit Ausschließung der hinlänglich versorgten Kirchen, zuwenden.
§. 206. Unter dem auf Fünfhundert Thaler eingeschränkten Betrage der Geschenke und Vermächtnisse soll dasjenige nicht mit begriffen seyn, was für Seelmessen, die gleich nach dem Tode zu lesen sind, den katholischen Priestern auf die Hand vertheilt worden.
§. 207. Doch darf auch ein solches Vermächtniß die Summe von Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 208. Wenn ein Geschenk oder Vermächtniß zur Verbesserung des Auskommens der bey einer Kirche angestellten, und noch nicht hinlänglich versorgten Prediger, oder andrer Beamten, gewidmet ist: so soll darüber auch auf einen höhern Betrag, bis zur wirklichen Nothdurft, die Einwilligung des Staats in der Regel nicht versagt werden.
§. 209. Ein Gleiches findet statt, wenn das Geschenk oder Vermächtniß zur Wiederherstellung oder Reparatur eines schon vorhandenen kirchlichen Gebäudes bestimmt ist.
§. 210. Dem Staate allein aber gebührt die Beurtheilung: ob die Unterhaltung eines solchen Gebäudes für die Kirchengesellschaft, der es gewidmet ist, nothwendig und nützlich sey.
§. 211. Zum Baue neuer Kirchen finden Geschenke und Vermächtnisse nur in so fern statt, als der Staat nach §. 176. sqq. den Bau selbst genehmigt.
§. 212. Was jemand an Sachen und Effekten, aus eignem Vorrathe, zur Auszierung einer Kirche schenkt, oder vermacht: dazu soll die Bestätigung in der Regel, wenn aus den Umständen eine Absicht, das Gesetz zu vereiteln, nicht erhellet, nicht versagt werden.
§. 213. Uebrigens finden eben die Gründe zum Widerrufe, welche bey Schenkungen überhaupt eintreten können, auch bey bestätigten Schenkungen an Kirchen Anwendung. (Th. I. Tit. XI. §. 1089. sqq.)
§. 214. Kirchenvorsteher, welche, den obigen Vorschriften zuwider, Schenkungen und Vermächtnisse annehmen, ohne davon dem Staate zur Bestätigung Anzeige zu machen, haben fiskalische Strafe verwirkt.
§. 215. Die Strafe soll, nach Bewandniß der Umstände, und je nachdem das Geschenk oder Vermächtniß an sich auf die Bestätigung Anspruch machen könnte, oder nicht, von der Hälfte bis zum doppelten Betrage des Werths der angenommenen Sache oder Summe bestimmt werden.
§. 216. So weit das Geschenk oder Vermächtniß nicht bestätigt wird, fällt ersteres an den Geber, oder dessen Erben; so wie letzteres in den Nachlaß zurück.
Verwaltung des Kirchenvermögens.
§. 217. Die Verwaltung des Kirchenvermögens liegt den Kirchencollegien, unter Aufsicht der geistlichen Obern, ob.
§. 218. Von diesen gilt, der Regel nach, alles was wegen der Beamten privilegirter Corporationen verordnet ist. (Tit. VI. §. 147. sqq.)
§. 219. Grundstücke und Gerechtigkeiten, die einer Kirche gehören, können, ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats, nicht veräußert werden.
§. 220. Bey ganzen Landgütern oder Häusern ist die Genehmigung des geistlichen Departements nothwendig; bey einzelnen Grundstücken oder bloßen Gerechtigkeiten hingegen ist der Consens der unmittelbaren geistlichen Obern hinreichend.
§. 221. Die Genehmigung kann nur alsdann nachgesucht werden, wenn die Veräußerung zum Besten der Kirche nothwendig, oder von erheblichem Nutzen ist.
§. 222. Die öffentliche Subhastation ist zur Gültigkeit einer solchen Veräußerung nicht wesentlich nothwendig.
§. 223. Die ohne den erforderlichen Consens geschehene Veräußerung eines solchen Eigenthums der Kirche ist nichtig.
§. 224. Dagegen kann dieselbe, wenn die Einwilligung der Behörde hinzu gekommen ist, unter dem Vorwande, daß sie unnöthig, oder nicht nützlich gewesen sey, nicht angefochten werden.
§. 225. Vielmehr finden dagegen nur eben die Einwendungen und Rechtsmittel, wie gegen jede andere Veräußerung, statt.
§. 226. Doch bleibt derjenige, welcher durch unrichtige Vorspiegelungen, oder sonst, vorsetzlich, oder aus grobem Versehen, die Einwilligung zu einer nicht nothwendigen oder schädlichen Veräußerung bewirkt hat, der Kirche zur vollständigen Schadloshaltung verhaftet.
§. 227. Zu Verpfändungen des unbeweglichen Kirchenvermögens ist die Einwilligung des Bischofs, und bey protestantischen Kirchen, des Consistorii, nothwendig.
Besondre Vorrechte des Kirchenvermögens.
§. 228. Die Kirchengeselschaften genießen, in Ansehung der mit ihnen selbst, oder mit ihren Repräsentanten und Vorstehern, über ihr Vermögen verhandelten Geschäfte, und geschlossenen Verträge, die Rechte der Minderjährigen.
§. 229. Wegen solcher zum Kirchenvermögen gehörenden beständig fortlaufenden Abgaben und Prästationen, welche, nach Gesetzen und Verfassungen, auf allen Grundstücken gewisser Art in einem Orte oder Districte haften, gebührt den Kirchen, bey entstandenem Concurse der Besitzer, ein vorzügliches Recht in der Zweyten Classe.
§. 230. Eben dergleichen Vorzugsrecht kommt ihnen auch in Ansehung solcher beständig fortlaufenden persönlichen Abgaben zu, welche in einem Orte, oder Districte, von allen Einwohnern einer gewissen Classe zu entrichten sind.
§. 231. Doch ist beyderley Vorzugsrecht, nach näherer Vorschrift der Concursordnung, nur auf den Rückstand zweyer Jahre eingeschränkt.
§. 232. Haften dergleichen beständig fortlaufende Prästationen auf liegenden Gründen nur vermöge besonderer Contrakte, oder letztwilliger Verordnungen: so gebührt den Kirchen deswegen, bey ermangelnder gerichtlichen Eintragung, nur ein Vorrecht der fünften Classe.
§. 233. Eben dergleichen Vorrecht kommt den Kirchen in dem Vermögen derjenigen zu, mit welchen sie Contrakte geschlossen, oder ihnen Vorschüsse gegeben haben.
§. 234. Hingegen gebührt ihnen das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe, in dem Vermögen ihrer Vorsteher und Administratoren, welchen die Verwaltung oder Aufbewahrung ihrer Gelder, oder anderer Vermögensstücke, anvertrauet worden.
§. 235. Die Verhältnisse zwischen den Kirchengesellschaften, und deren Mitgliedern, in Ansehung der Güter und des Vermögens der erstern, sind nach den allgemeinen Grundsätzen von Corporationen überhaupt, und demnächst nach der unter Genehmigung des Staats hergebrachten Verfassung einer jeden einzelnen Kirchengesellschaft bestimmt.
§. 236. Bey eigentlichen Parochialkirchen sind nähere Bestimmungen gesetzlich vorgeschrieben.
Fünfter Abschnitt. Von Parochien
§. 237. Derjenige Distrikt, in welchem Glaubensverwandte einer vom Staate öffentlich aufgenommenen Religionspartey zu einer gemeinschaftlichen Kirche angewiesen sind, wird eine Parochie genannt.
§. 238. Neue Parochien können nur vom Staate, unter Zuziehung der geistlichen Obern errichtet, und die Gränzen derselben bestimmt werden.
§. 239. Bey Veränderungen in schon errichteten Parochien, muß der Staat alle diejenigen, welche ein Interesse dabey haben, rechtlich hören, und die ihnen etwa zukommenden Entschädigungen festsetzen.
§. 240. Alle dergleichen Streitigkeiten, so wie diejenigen, welche über die Gränzen zwischen Zwey oder mehrern Parochien entstehen, müssen von der weltlichen Obrigkeit durch den ordentlichen Weg Rechtens entschieden werden.
§. 241. Sind die Gränzen eines Kirchspiels in öffentlichen Urkunden deutlich bestimmt: so findet dagegen die gewöhnliche Verjährung nicht statt. (Th. I. Tit. K. §. 660-663.)
§. 242. Fehlt dergleichen deutliche Bestimmung: so muß die bisherige Gewohnheit, zu welcher Kirche die Bewohner der streitigen Grundstücke sich in den letzten Zehn Jahren gleichförmig gehalten haben, den Ausschlag geben.
§. 243. Kann keine solche gleichförmige Observanz ausgemittelt werden: so ist keine der streitenden Parochien zum Pfarrzwange über dergleichen Einwohner berechtigt, sondern es finden die Vorschriften §. 293. sqq. Anwendung.
Von Mutter- und Tochter-, ingleichen von vereinigten Mutterkirchen.
§. 244. Zum Gebrauch einer Parochie können mehrere Kirchen errichtet, so wie mehrere Parochien zu Einer Kirche, oder unter einem gemeinschaftlichen Pfarrer zusammen geschlagen werden.
§. 245. Wenn in einer Parochie, außer der Haupt- und ursprünglichen Pfarrkirche, mehrere Nebenkirchen in entlegenen Gegenden, zur Bequemlichkeit der daselbst wohnhaften Eingepfarrten errichtet worden: so werden dieselben Tochterkirchen genannt.
§. 246. Wenn aber, nach Erforderniß der Umstände, und um die Kosten zur Unterhaltung des öffentlichen Gottesdienstes zu erleichtern, mehrere Parochien und deren Kirchen zusammen geschlagen werden: so heißen dieselben vereinigte Mutterkirchen.
§. 247. Von dergleichen zusammen geschlagenen Mutterkirchen behält jede ihre ursprünglichen Rechte, und sie können, nach Beschaffenheit der Umstände, unter Genehmigung der geistlichen Obern wieder getrennt werden.
§. 248. Es ändert darunter nichts, wenn gleich derjenigen Kirche, bey welcher der Prediger nicht wohnt, im gemeinen Sprachgebrauche der Name Tochterkirche beygelegt worden.
§. 249. Eigentliche Tochterkirchen aber sind von der Haupt- oder Mutterkirche abhängig, und können sich von ihr ohne Einwilligung der Hauptgemeine nicht trennen.
§. 250. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermuthung gegen die Eigenschaft einer Tochterkirche.
§. 251. Wenn erhellet, daß die eine Kirche aus den Mitteln der andern errichtet oder dotirt worden: so ist dies zum Beweise, daß jene eine Tochterkirche von dieser sey, wenn nicht das Gegentheil aus den vorhandenen Urkunden klar erhellet, hinreichend.
§. 252. In wie fern die vereinigten Kirchen zum Unterhalte des gemeinschaftlichen Pfarrers und seiner Gehülfen beytragen müssen, beruht hauptsächlich auf Verträgen, und ist in deren Ermangelung durch die hergebrachte Verfassung einer jeden Kirche bestimmt.
§. 253. Nach eben dieser Vorschrift ist auch, wenn diesseitige Unterthanen zu einer auswärtigen Kirche sich halten, oder inländische Kirchen durch auswärtige benachbarte Pfarrer mit besorgt werden, das Verhältniß der inländischen Unterthanen oder ihrer Kirche, mit der auswärtigen Kirche, oder deren Pfarrer, zu beurtheilen.
§. 254. In so fern aber die Zuläßigkeit einer kirchlichen Handlung, oder deren rechtliche Folgen, durch bürgerliche Gesetze bestimmt sind, müssen die diesseitigen Unterthanen lediglich nach hiesigen Gesetzen beurtheilt werden.
§. 255. Weigert sich der auswärtige Pfarrer, eine Handlung nach hiesigen Gesetzen zu vollziehen: so steht den Interessenten frey, bey ihrer Landesregierung den Auftrag zur Vollziehung an einen inländischen Geistlichen nachzusuchen.
§. 256. Auch die Rechte der inländischen mit einer auswärtigen verbundenen Kirche, werden, so weit sie nicht durch Verträge oder Herkommen nach §. 252. bestimmt sind, nach hiesigen Gesetzen beurtheilt.
§. 257. Bey Amtshandlungen, welche auswärtige Pfarrer in hiesigen Kirchen vornehmen, müssen sie schlechterdings die hiesigen Landesgesetze befolgen, und nach den in hiesigen Landen vorgeschriebenen Bestimmungen wegen der Pfarrgebühren sich richten.
§. 258. Der ausländische Geistliche ist wegen derjenigen Amtshandlungen, die er innerhalb Landes verrichtet, der Aufsicht der hiesigen geistlichen Obern unterworfen.
§. 259. Den Befehlen derselben muß er, auch so weit sie in die Kirchen- oder allgemeine Landespolizey einschlagen, gebührend Folge leisten.
§. 260. Wer innerhalb eines Kirchspiels seinen ordentlichen Wohnsitz aufgeschlagen hat, ist zur Parochialkirche des Bezirks eingepfarrt.
§. 261. Doch soll niemand bey einer Parochialkirche von einer andern, als derjeniger Religionspartey, zu welcher er selbst sich bekennt, zu Lasten oder Abgaben, welche aus der Parochialverbindung fließen, angehalten werden; wenn er gleich in dem Pfarrbezirke wohnt, oder Grundstöcke darin besitzt.
§. 262. Wer noch keinen beständigen Wohnsitz hat, wird als Eingepfarrter derjenigen Parochie, zu welcher seine Aeltern gehört haben, betrachtet.
§. 263. Wer den Wohnsitz seiner Aeltern aufgegeben, und keinen andern erwählt hat, ist nirgends eingepfarrt.
§. 264. Wer einen doppelten Wohnsitz hat, ist bey der Parochialkirche eines jeden derselben als Eingepfarrter verpflichtet.
§. 265. In Ansehung seiner Grundstücke trägt er die Lasten der Parochialverbindung nur bey derjenigen Kirche, in deren Pfarrbezirk die Grundstücke liegen.
§. 266. Bey Trauungen, Taufen, und andern kirchlichen Handlungen, die zu gleicher Zeit nur an einem Orte vorgenommen werden können, hat er die Wahl, welcher von beyden Kirchenanstalten er sich bedienen wolle.
§. 267. Hat jemand an einem Orte, wo mehrere Parochien seiner Religionspartey sind, seinen Wohnsitz aufgeschlagen: so bestimmt die Lage des Hauses in dem er wohnt, die Parochie zu welcher er gehört.
§. 268. Durch den bloßen Aufenthalt in einem Kirchspiele, so lange der Vorsatz, seinen Wohnsitz darin aufzuschlagen, noch nicht erhellet, wird die Einpfarrung nicht begründet.
§. 269. Die Frau gehört zur Parochie des Mannes nur in so fern, als sie mit ihm einerley Glaubensbekenntnisse zugethan ist.
§. 270. Ist sie von einer verschiedenen Religionspartey: so gehört sie der Regel nach in diejenige Parochie, welcher die übrigen Mitglieder ihrer eigenen Religionspartey, in dem Bezirke, wo der Mann seinen Wohnsitz hat, unterworfen sind.
§. 271. Sind diese zu keiner Parochie geschlagen: so ist auch eine solche Frau von dem Pfarrzwange frey.
§. 272. Kinder, die noch unter der Aeltern Gewalt stehn, gehören zur Parochie desjenigen von den Aeltern, in dessen Glaubensbekenntnisse sie unterrichtet worden, oder deren Religionspartey sie gewählt haben.
§. 273. Sind dergleichen Kinder von einem andern Glaubensbekenntnisse als beyde Aeltern: so finden die Vorschriften §. 270. 271. Anwendung.
§. 274. Wo es durch besondre Gesetze oder wohlhergebrachte Gewohnheiten zwischen den verschiedenen protestantischen Gemeinen bisher eingeführt gewesen, daß die Parochialeigenschaft der sämmtlichen Mitglieder einer Familie nach der Religionspartey, zu welcher das Haupt derselben sich bekennt, beurtheilt worden, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 275. Das Gesinde gehört zu der Parochie seiner Religionspartey an dem Orte, wo es im Dienste der Herrschaft sich aufhält.
§. 276. Eben das gilt von Handwerksgesellen und Lehrburschen, in Beziehung auf den Wohnort des Meisters.
§. 277. Aus der Befreyung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Orts folgt noch nicht die Ausnahme von der Parochie.
§. 278. Sämmtliche zum Militairstande gehörende Personen sind der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts oder Standquartiers nicht unterworfen.
§. 279. Vielmehr gehören dieselben, nach näherer Bestimmung der Militair-Consistorialordnung, zu der Parochie des Regiments oder der Garnison; zu welcher sie in Absicht ihres Dienstes gewiesen sind.
§. 280. Besitzen sie aber Grundstücke: so müssen von diesen die Parochiallasten an die Kirche ihrer Religionspartey, in deren Bezirke die Grundstücke liegen, entrichtet werden.
§. 281. Wo an einem Orte ein Feld- und ein Garnisonprediger sich befinden, da hat Ersterer nur auf diejenigen als seine Eingepfarrten Anspruch, welche zu dem Regimente oder Bataillon, bey welchem er angesetzt ist, gehören.
§. 282. Wo aber kein besonderer Garnisonprediger ist, da gehören alle am Orte befindliche, unter Militärgerichtsbarkeit stehende Personen, zu der Gemeine des Feldpredigers; und unter mehrern desjenigen, welchem der Gouverneur oder Commandant die Geschäfte des Garnisonpredigers aufgetragen hat.
§. 283. Sämmtliche zum Civilstande gehörige Königliche, in wirklichen Diensten stehende, oder Titularräthe, und andre Bediente, sind der Regel nach von der ordentlichen Parochie ihres Wohnorts ausgenommen.
§. 284. Wo jedoch dergleichen Civilbediente unter der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Orts stehen, da gilt die Vermuthung, daß sie auch zur Parochie desselben gehören.
§. 285. Dagegen wird durch bloße Uebertragung (Delegation) der Gerichtsbarkeit von dem Ober- an die ordentlichen Gerichte des Orts, die Befreyung von der Parochie nicht aufgehoben.
§. 286. In so fern Landesunterthanen, welche einen auswärtigen Charakter erhalten haben, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgenommen worden, sind sie auch von dem bisherigen Pfarrzwange befreyt.
§. 287. Sind gewisse innerhalb der Gränzen des Kirchspiels gelegene Häuser von der Parochie ausgenommen: so kommt diese Exemtion allen Bewohnern zu statten.
§. 288. Alle vom Pfarrzwange Ausgenommene haben in jedem einzelnen Falle die Wahl, welcher Kirchenanstalt sie sich bedienen wollen.
§. 289. Doch müssen sie sich, bey jeder solchen Handlung, allen Anordnungen und Abgaben derjenigen Kirchenanstalt, deren sie sich bedienen, gleich den wirklich Eingepfarrten unterwerfen.
§. 290. Bei den Heirathen derselben muß das Aufgebot nothwendig in der Pfarrkirche des Wohnorts geschehen.
§. 291. In allen Fällen, wo bey einer ihrer kirchlichen Handlungen, Ausnahmen von gewissen die Civilperson überhaupt bindenden Gesetzen gemacht werden sollen, muß die Dispensation dazu, wenn gleich die Handlung selbst von einem zum Militairstande gehörigen Geistlichen verrichtet wird, dennoch bey der gehörigen Civilinstanz nachgesucht werden.
§. 292. An Orten, wo kein ordentlich eingerichteter Garnison-Gottesdienst ist, können auch Eximirte vom Civilstande sich eines Feldpredigers zu wirklichen Parochialhandlungen nicht bedienen.
Von vagirenden Distrikten und Einwohnern.
§. 293. Einzelne Einwohner des Staats, welche nach obigen Grundsätzen weder zu einer Parochie gehören, noch vom Pfarrzwange ausdrücklich eximirt sind, müssen eine Kirche ihrer Religionspartey wählen, zu welcher sie sich halten wollen.
§. 294. Auch ganze Gemeinen, welche noch zu keinem Kirchspiele gewiesen sind, müssen sich, unter Vorwissen und Genehmigung der geistlichen Obern, zu einer benachbarten Kirche schlagen.
§. 295. Der Regel nach hängt die Bestimmung, zu welcher Kirche sie sich halten wollen, von der Mehrheit der Stimmen einer solchen Gemeine ab.
§. 296. Doch können, wenn keine Vereinigung statt findet, die geistlichen Obern, nach Bewandniß der Umstände, einen Theil der Gemeine zu dieser, und die Uebrigen zu einer andern Kirche weisen.
§. 297. Bey der Zuschlagung solcher Gemeinen zu benachbarten Kirchen, müssen die Abgaben und Beyträge derselben, so wie ihre Theilnehmung an einem der Gemeine bey Besetzung der Pfarrstelle zukommenden Wahlrechte, unter Direction der geistlichen Obern, durch Verträge bestimmt werden.
§. 298. Sind damals keine Verträge geschlossen worden: so muß die fehlende Bestimmung, in vorkommenden streitigen Fällen, von den geistlichen Obern, nach der Billigkeit, und nach dem, was unter ähnlichen Umständen im Kreise oder in der Provinz üblich ist, ergänzt werden.
§. 299. Dergleichen Zuschlag hat zwar nicht die Wirkung einer beständigen Einpfarrung.
§. 300. Es können aber die zugeschlagenen Gemeinen nur aus erheblichen Ursachen, und nur unter Approbation der geistlichen Obern, von der einmal gewählten Kirche wieder abgehen.
§. 301. So lange der Pfarrer, welcher für diese zugeschlagne Gemeine mit berufen worden, noch im Amte steht, kann zu seinem Nachtheile eine Abtrennung dieser Gemeine nicht gestattet werden.
§. 302. Dagegen hat der Prediger, während dessen Amtsführung die Zuschlagung geschehen ist, gegen eine von den geistlichen Obern genehmigte Wiederabtretung kein Recht zum Widerspruch.
§. 303. Wer von einer Religionspartey zur andern übergeht, verläßt seine bisherige Parochie.
§. 304. Wer seinen Wohnsitz außer den Gränzen seiner bisherigen Parochie verlegt, wird dadurch zugleich von dem Pfarrzwange derselben frey.
§. 305. Ein Gleiches geschieht durch Erlangung eines Standes, Amts, oder Titels, mit welchem die Befreyung von der ordinairen Parochie gesetzlich verbunden ist.
§. 306. Die unter Genehmigung des Staats einmal bestehende Parochien, können ohne dergleichen Genehmigung nicht wieder aufgehoben werden.
§. 307. Dadurch, daß aus Mangel an Eingepfarrten in einer Kirche eine Zeitlang keine gottesdienstliche Wandlungen haben vorgenommen werden können, verliert dieselbe noch nicht die Rechte einer Parochialkirche.
§. 308. Wenn aber, aus Mangel an Eingepfarrten, die Stelle des Pfarrers länger als Zehn Jahre hindurch unbesetzt gebliebn ist, so kann der Landesherr, wo nicht besondere Landesverfassungen oder Traktaten entgegen stehen, über die vakante Kirche verfügen; und alsdann erlöschen auch die etwanigen Parochialrechte derselben.
§. 309. Wenn zwey Gemeinen verschiedener Religionsparteyen zu Einer Kirche berechtigt sind: so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach den vorhandenen besonderen Gesetzen oder Verträgen beurtheilt werden.
§. 310. Mangelt es an solchen Bestimmungen: so wird vermuthet, daß eine jede dieser Gemeinen mit der anderen gleiche Rechte habe.
§. 311. Die nähern Maaßgaben wegen der Ausübung dieser Rechte müssen, bey entstehendem Streite, nach dem Einverständnisse der beyderseitigen Obern, und wenn dies nicht statt findet, durch unmittelbare Landesherrliche Entscheidung festgesetzt werden.
§. 312. Dabey ist jedoch auf dasjenige, was bisher üblich gewesen, hauptsächlich Rücksicht zu nehmen.
§. 313. Wird aberr darüber gestritten: ob eine oder die andere Gemeine zu der Kirche wirklich berechtigt sey; so gehört die Entscheidung vor den ordentlichen Richter.
§. 314. Wenn nicht erhellet, daß beyde Gemeinen zu der Kirche wirklich berechtigt sind: so wird angenommen, daß diejenige, welche zu dem gegenwärtigen Mitgebrauche am spätesten gelangt ist, denselben nur bittweise, d. h. als eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe.
§. 315. Selbst ein vieljähriger Mitgebrauch kann, für sich allein, die Erwerbung eines wirklichen Rechts durch Verjährung in der Regel nicht begründen. (Th. I. Tit. IX. §. 589.)
§. 316. Wenn jedoch, außer diesem Mitgebrauche, auch die Unterhaltung der Kirche von beyden Gemeinen gemeinschaftlich bestritten worden: so begründet dieses die rechtliche Vermuthung, daß auch der später zum Mitgebrauche gekommenen Gemeine ein wirkliches Recht darauf zustehe.
§. 317. Solange eine Gemeine den Mitgebrauch nur bittweise hat, muß sie bey jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen gottesdienstlichen Handlung die besondre Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen.
Sechster Abschnitt. Von dem Pfarrer und dessen Rechten
§. 318. Derjenige Geistliche, welcher zur Direction und Verwaltung des Gottesdienstes bey einer Parochialkirche bestellt worden, wird der Pfarrer des Kirchspiels genannt.
§. 319. Ein Pfarrer muß die von einem geschickten und tugendhaften Geistlichen erforderten Eigenschaften im vorzüglichen Grade besitzen.
allgemeine Pflichten desselben.
§. 320. Er muß sich den Wohlstand der Kirche, den Unterricht der Gemeine, und die Beförderung eines guten moralischen Verhaltens ihrer sämmtlichen Mitglieder, besonders angelegen seyn lassen.
§. 321. Die Sorge für die Gebäude und das Vermögen der Kirche hat er mit den Vorstehern gemein.
§. 322. Wenn letztere in ihren Pflichten nachläßig sind, ist er seiner geistlichen Behörde davon Anzeige zu machen schuldig.
§. 323. Dagegen sind aber auch die Vorsteher verbunden, eben dieser Behörde es anzuzeigen, wenn der Pfarrer seine Amtspflichten vernachläßigt oder in seinem sittlichen Verhalten zu gegründetem Tadel und Aergerniß der Gemeinen Veranlassung giebt.
§. 324. Ob die Wahl des Pfarrers von dem Bischofe, dem Consistorio, einem Privatpatrone, oder den Gliedern der Gemeine abhänge, wird durch die besondern Verfassungen jeder Provinz und jedes Orts näher bestimmt.
§. 325. Niemals soll ein Subjekt, welches mit der Gemeine in Streit und Feindschaft lebt, oder gegen dessen Grundsätze, oder moralisches Verhalten, die Gemeine erhebliche Einwendungen hat, derselben zum Pfarrer aufgedrungen werden.
§. 326. In allen Fällen muß daher das Subjekt, welches zum Pfarrer bestellt werden soll, der Gemeine zuvor bekannt gemacht werden.
Insonderheit bey Patronalkirchen.
§. 327. Hat die Pfarrkirche ihren eignen Patron: so gebührt diesem der Regel nach die Berufung eines neuen Pfarrers.
§. 328. Auch Patronen können, bey ihrer anzustellenden Auswahl, nur auf solche Subjekte Rücksicht nehmen, die entweder schon in einem geistlichen Amte stehn, oder doch als Candidaten, von den geistlichen Obern ihrer Provinz, nach angestellter vorläufiger Prüfung, die Erlaubniß zum Predigen erhalten haben.
§. 329. Das von dem Patrone ausgewählte Subjekt muß der Gemeine vorgestellt, und zur Haltung einer Probepredigt und Catechisation angewiesen werden.
§. 330. Hat der Gewählte schon vorhin in einem geistlichen Amte gestanden: so muß er dennoch, wenn die Gemeine ihn nicht schon hinlänglich kennt, eine Gastpredigt und Catechisation halten.
§. 331. Der Tag der zu haltenden Probe- oder Gastpredigt muß der Gemeine wenigstens Vierzehn Tage vorher bekannt gemacht werden.
§. 332. Sind Zwey oder mehrere Kirchen unter einem Pfarrer zusammen geschlagen: so muß in jeder eine Probepredigt gehalten werden.
§. 333. Ob auch in eigentlichen Filialkirchen die Haltung einer Probepredigt nöthig sey, oder ob die Mitglieder einer solchen Tochtergemeine zu deren Anhörung in der Mutterkirche sich einfinden müssen, bleibt der hergebrachten Verfassung bey einem jeden Kirchensysteme überlassen.
§. 334. Die Gemeine muß, nach Verlauf von wenigstens Acht Tagen, mit ihrer Erklärung über das von dem Patrone ausgewählte Subjekt vernommen werden.
§. 335. Ist der Candidat aus einer andern Diözes oder Consistorialdepartement: so kann die Gemeine eine längere Frist, allenfalls bis Vier Wochen, zu ihrer Erklärung verlangen.
§. 336. Ist die Gemeine mit dem Patrone über die Würdigkeit des von letzterem ausgewählten Subjekts uneins: so müssen die vorgesetzten geistlichen Obern, ohne prozessualische Weitläufigkeiten, über die Erheblichkeit der Einwendungen entscheiden.
§. 337. Wer rechtlich überführt wird, daß er sich durch Bestechungen, oder andre unerlaubte Wege, in ein geistliches Amt einzuschleichen gesucht habe, wird eines solchen Amts auf immer unfähig.
§. 338. Auf den bloßen, mit keinen erheblichen Gründen unterstützten Widerspruch einzelner Mitglieder der Gemeine soll keine Rücksicht genommen werden.
§. 339. Wenn aber ein Subjekt wenigstens Zwey Drittel der Stimmen sämmtlicher Gemeinglieder gegen sich hat, soll er zu der Pfarrstelle nicht anders gelassen werden, als wenn sich bey der Untersuchung findet, daß der Widerspruch durch bloße Verhetzungen und Aufwiegeleyen veranlaßt worden.
§. 340. Ist der Patron dem römisch-katholischen, die Gemeine aber dem protestantischen Glaubensbekenntnisse zugethan, oder umgekehrt: so muß der Patron wenigstens Drey Subjekte zur Probepredigt zulassen.
§. 341. Demjenigen unter diesen, welcher bey der Gemeine, nach der Mehrheit der Stimmen derselben, den vorzüglichsten Beyfall hat, kann er die Vocation nicht versagen.
§. 342. In diesem sowohl, als in allen übrigen Fällen, wo es hergebracht ist, daß der Patron der Gemeine mehrere Subjekte zur Auswahl vorschlage, muß die Gemeine nothwendig eins derselben wählen, in so fern sie nicht allen Dreyen erhebliche Einwendungen nach Vorschrift §. 336. 337. 338. entgegensetzen kann.
§. 343. Eben dies findet, im umgekehrten Falle, in Ansehung des Patrons statt, wenn nach wohlhergebrachter Verfassung demselben mehrere Subjekte zur Auswahl von der Gemeine vorgeschlagen werden.
§. 344. Nehmen mehrere Patronen mit gleichem Rechte an Besetzung der Pfarren Theil: so entscheidet, wenn sie sich nicht vereinigen können, die Mehrheit der Stimmen.
§. 345. Ist keine überwiegende Mehrheit der Stimmen vorhanden: so müssen die geistlichen Obern den Patronen aufgeben, sich binnen einer gewissen nach den Umständen zu bestimmenden Frist, über ein vorzuschlagendes Subjekt zu vereinigen.
§. 346. Erfolgt in der bestimmten Frist kein Einverständniß: so fällt die Besetzung der Stelle, für diesmal den geistlichen Obern anheim.
§. 347. Diese müssen aber die Stelle in der Regel einem Dritten, welcher von keinem, der uneinigen Patronen vorgeschlagen worden, verleihen.
§. 348. Hat eine eigentliche Tochterkirche einen besondern Patron: so muß dieser in der Regel dem Patrone in der Mutterkirche beytreten, wenn er nicht gegen das von letzterem ausgewählte Subjekt erhebliche Einwendungen nach §. 336. 337. zu machen vermag.
§. 349. Wenn in dem Falle des §. 340. 342. der Gemeine von den mehrern Patronen drey Subjekte vorgeschlagen werden sollen: so finden, wenn die Patronen sich über diese Auswahl nicht vereinigen können, die Vorschriften §. 344-347. Anwendung.
§. 350. Wenn also die mehrern Patronen ohne ein vorhandenes Uebergewicht von Stimmen auf mehr als Drey Subjekte Rücksicht nehmen: so müssen die geistlichen Obern der Gemeine drey andere vorschlagen.
§. 351. Wenn jedoch alle oder die meisten Patrone sich über ein oder zwey Subjekte vereinigt hatten: so müssen diese auch von den geistlichen Obern mit vorgeschlagen; und nur statt derjenigen, wegen welcher kein solches Einverständniß getroffen werden kann, andre genommen werden.
§. 352. In allen Fällen, wo es auf die Stimmenmehrheit unter den Patronen ankommt, werden die Stimmen, wenn das Patronatrecht bloß persönlich ist, nach den Personen; wenn es aber auf Gütern haftet, nach den Gütern, ohne Rücksicht auf den Werth oder die Größe derselben, gezählt; in sofern nicht, vermöge vorhandener Verträge, oder einer rechtsverjährten Gewohnheit, ungleiche Antheile für die mit dem Patronatrechte versehenen Güter bestimmt sind.
Bey Kirchen, welche keinen Patron haben.
§. 353. Bey Kirchen, welche keinen eigenen Patron haben, gebührt der Regel nach die Wahl des Pfarrers der Gemeine.
§. 354. In diesem Falle müssen die Kirchenvorsteher der Gemeine Drey Subjekte vorschlagen.
§. 355. Bey diesem Vorschlage aber müssen sie nur auf solche Subjekte, die der Gemeine durch Probepredigten, oder sonst, hinlänglich bekannt sind, Rücksicht nehmen; und besonders solche, von welchen sie Ursache haben zu glauben, daß mehrere Mitglieder der Gemeine Zuneigung und Vertrauen gegen sie hegen, nicht übergehen.
§. 356. Bey der Wahl selbst hat in der Regel jedes Mitglied der Gemeine, welches nicht einem mitwählenden Familienhaupte untergeordnet ist, ein Stimmrecht.
§. 357. Durch Streitigkeiten über die Befugnisse zum Stimmrechte soll die Wahl niemals aufgehalten werden.
§. 358. Wer entweder selbst schon in einem ähnliche Falle ein Stimmrecht bey der Gemeine ausgeübt hat; oder wer zu einer Classe gehört, deren Mitglieder m vorigen ähnlichen Fällen zum Stimmen zugelassen worden, dem muß auch bey der gegenwärtigen Wahl die Abgebung seiner Stimme verstattet werden.
§. 359. Ein Gleiches gilt von demjenigen, der ein Grundstück besitzt, dessen vorige Inhaber, als Glieder der Gemeine, in ähnlichen Fällen zur Wahl gelassen Worden.
§. 360. Niemand aber kann ein Stimmrecht sich anmaßen, der zu einer andern, als derjenigen Religionspartey gehört, für welche der Pfarrer gewählt werden soll.
§. 361. Die Festsetzung, wie nach diesen Grundsätzen ein streitig gewordenes Stimmrecht in dem gegenwärtigen Falle ausgeübt werden soll, kommt den geistlichen Obern zu.
§. 362. Die Entscheidung über das streitige Stimmrecht selbst aber gehört vor den ordentlichen weltlichen Richter.
§. 363. Die nach der Festsetzung der geistlichen Obern vorgenommene Wahl (§. 361.) verliert für den gegenwärtigen Fall nichts von ihrer Gültigkeit, wenn sich hiernächst durch richterliches Erkenntniß jemanden das ausgeübte Stimmrecht ab-, oder wenn dasselbe einem Ausgeschlossenen zugesprochen wird.
§. 364. Was vorstehend §. 357-363. wegen eines über das Stimmrecht gewisser Gemeinglieder entstehenden Streits verordnet ist, gilt, jedoch mit Ausschließung des §. 360., auch in Fällen, wo unter mehren Patronen das Berufungsrecht streitig wird.
§. 365. Uebrigens findet bey der von einer Gemeine anzustellenden Pfarrwahl, dasjenige statt, was wegen Verhandlung und Entscheidung gemeinschaftlicher Angelegenheiten bey Gemeinen überhaupt verordnet ist. (Tit. VI. §. 167. 168.)
§. 366. Nehmen mehrere Gemeinen an der Pfarrwahl Theil: so sind, wenn nicht ein Vertrag, oder eine seit rechtsverjährter Zeit wohl hergebrachte Gewohnheit etwas Anderes bestimmt, die Mitglieder der Filialgemeine ihre Stimmen unter der Hauptgemeine abzugeben befugt.
§. 367. Sind mehrere Pfarrgemeinen unter einem gemeinschaftlichen Pfarrer vereinigt: so hat jede solche Gemeine nach der Regel ihre eigne Stimme.
§. 368. Entsteht durch Zählung der Stimmen dieser vereinigten Kirchengemeinen keine überwiegende Mehrheit: so müssen die einzelnen Stimmen der Mitglieder, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Gemeinen, gezählt werden.
§. 369. In allen Fällen, wo keine entscheidende Mehrheit der Stimmen zu finden ist, gebührt den geistlichen Obern die Ernennung, unter den mit gleich viel Stimmen gewählten Personen.
§. 370. Mitglieder bloß zugeschlagener Gemeinen nehmen, wenn nicht bey der Zuschlagung nach §. 297. ein Anderes festgesetzt worden, an der Pfarrwahl keinen Theil.
§. 371. Doch ist, wenn von den übrigen Gemeinen ein Pfarrer gewählt worden, zu welchem der größere Theil der Gastgemeine kein Vertrauen hat, dieses für einen erheblichen Grund, aus welchem letztere auf die Wiederabtrennung antragen kann, zu achten.
§. 372. Uebrigens kommt es, auch bey Pfarrwahlen, der Gerichtsobrigkeit des Kirchspiels in allen Fällen zu, die Wahl zu dirigiren, und auf Ruhe und Ordnung dabey zu sehen.
§. 373. Sind in dem Kirchspiele mehrere Gerichts-Obrigkeiten vorhanden: so gebührt die Wahldirection der Gerichtsobrigkeit des Orts, wo jede Stimmensammlung geschieht.
§. 374. Demjenigen, welcher von dem Patron, oder der Gemeine, zu der erledigten Pfarrstelle rechtmäßig gewählt worden, muß eine schriftliche Vocation zugefertigt werden.
§. 375. Wo es bisher gebräuchlich gewesen, daß die Vocation erst nach erfolgter Prüfung ertheilt worden, da muß dem Gewählten eine schriftliche Bekanntmachung, welche die Bedingungen zur künftig zu ertheilenden Vocation enthält, geschehen.
§. 376. Die Ausfertigung der Vocation gebührt dem Patrone, und in dessen Ermangelung den Kirchenvorstehern.
§. 377. Die Bestimmung der Zeit, binnen welcher der Berufene sich über die Annahme der Vocation erklären muß, ist willkührlich; und hängt von dem Gutfinden der Wählenden ab.
§. 378. Kommt binnen dieser Frist die Erklärung des Berufenen nicht ein: so sind der Patron, oder die Gemeine, zu einer neuen Wahl zu schreiten sofort berechtigt.
§. 379. Ist keine Zeit zur Erklärung bestimmt: so kann der Berufene die Vocation so lange annehmen, als ihm nicht ein geschehener Widerruf derselben bekannt gemacht worden.
§. 380. Hat er sich aber binnen Vierzehn Tagen, nach erhaltener Vocation, über die Annahme derselben nicht erklärt; und sind, nach Verlauf dieser Frist, der Patron und die Gemeine zu einer neuen Wahl geschritten: so hat eine später erfolgte Annahme keine rechtliche Wirkung.
§. 381. Uebrigens gelten von der Annahme der Vocationen, die von der Annahme bey Verträgen überhaupt vorgeschriebenen Gesetze. (Th. I. Tit. V. §. 78. sqq.)
§. 382. Ist die Vocation von Mehrern ausgefertigt, so ist es hinlänglich, wenn die Annahme auch nur gegen Einen derselben erklärt worden.
§. 383. Die von dem Berufenen einmal gültig angenommene Vocation kann ohne erhebliche Ursachen nicht widerrufen werden.
§. 384. Nur aus eben den Gründen, aus welchen ein schon bestellter Pfarrer seines Amts entsetzt werden kann, ist auch der Widerruf einer zu rechter Zeit angenommenen Vocation zuläßig.
§. 385. Es macht dabey keinen Unterschied: ob diese Gründe schon vor Erlassung der Vocation vorhanden und bekannt gewesen, oder ob sie erst nachher entstanden, oder zur Wissenschaft des Patrons oder der Gemeine gelangt sind.
§. 386. So bald der Berufene die Vocation angenommen hat, muß er den geistlichen Obern der Diözes, oder des Departments, zur Bestätigung präsentirt werden.
§. 387. Die Präsentation muß von dem Patrone, und wo deren mehrere sind, von allen geschehen, welche zur Theilnehmung an der Wahl und Vocation berechtigt sind.
§. 388. In Ermangelung von Patronen, geschieht die Präsentation durch die Vorsteher.
§. 389. Der Präsentation muß eine Abschrift der ertheilten oder noch zu ertheilenden Vocation, ingleichen das Protokoll über die Probe- oder Gastpredigt, beygelegt werden.
§. 390. In allen Fällen, wo eine Wahl der Gemeine statt gefunden hat, ist auch die Beylegung des Wahlprotokolls erforderlich.
§. 391. Wird von den Geistlichen Obern der Präsentirte untauglich, oder die Wahl unregelmäßig befunden: so muß eine neue Wahl und Präsentation erfolgen.
§. 392. Ist der Patron, welcher ein untaugliches Subjekt vorgeschlagen hat selbst ein Geistlicher: so verliert er für diesen Fall sein Präsentationsrecht, und die Besetzung der Pfarre geschieht durch die geistlichen Obern.
§. 393. Die Präsentation zu einem erledigten Pfarramte muß innerhalb Sechs Monathen von Zeit der Erledigung geschehen.
§. 394. Ist der Pfarrer auswärts verstorben: so läuft die Frist von der Zeit an, wo sein Tod dem Patrone oder Kirchenvorstehern bekannt geworden.
§. 395. Während der Vakanz muß der Gottesdienst in der Pfarrkirche, auf Veranstaltung des Erzpriesters oder Kreisinspectors, durch dazu qualificirte Personen versehen werden.
§. 396. In der Regel sind bey Pfarrkirchen, wo nur Ein Geistlicher angesetzt ist, die benachbarten Pfarrer derselben Inspection, nach der Anweisung des Erzpriesters oder Inspectors, gegen die hergebrachte Vergütung aus den Einkünften der erledigten Pfarre, dazu verpflichtet.
§. 397. Auch bey Kirchen, wo mehrere Geistliche sind, findet eine solche Vertretung der vakanten Stelle statt, wenn nach dem Befinden des Inspectors, die übrigen Geistlichen die Arbeit allein nicht bestreiten können.
§. 398. Kommt die Präsentation innerhalb Sechs Monathen nicht ein; und ist auch vor Ablauf dieser Frist eine Verlängerung derselben nicht gesucht, oder nicht zugestanden worden: so fällt die Besetzung der Pfarre für diesen Fall den geistlichen Obern anheim.
§. 399. Wenn ein hiernächst bey der Prüfung untauglich befundenes Subjekt präsentirt worden; und darüber die gesetzmäßige Frist verlaufen ist: so kommt, außer dem Falle des §. 392., dem Präsentirenden noch eine Nachfrist von Sechs Wochen zu statten.
§. 400. Muß nach §. 343. die Gemeine dem Patron Subjekte zur Auswahl vorschlagen; oder muß, nach §. 340. 342., ein solcher Vorschlag der Gemeine von dem Patron geschehen; so fällt nur das Recht desjenigen, welcher in seiner Obliegenheit säumig gewesen ist, den geistlichen Obern anheim.
§. 401. So lange die geistlichen Obern von ihren Anfallsrechten noch keinen Gebrauch gemacht haben, können der Patron oder die Gemeine das Versäumte nachholen.
§. 402. Auch die geistlichen Obern müssen, so oft ihnen die Ernennung des Pfarrers anheim fällt, wegen Auswahl eines tauglichen Subjekts, die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften beobachten.
§. 403. Ist der Präsentirte bestätigt: so muß ihm die Ordination, wenn er selbige nicht wegen eines vorher bekleideten geistlichen Amts schon erhatten hat, verliehen werden.
§. 404. Der erwählte und bestätigte Pfarrer muß in sein Amt, und zu allen Verrichtungen desselben, ordentlich eingewiesen werden.
§. 405. Die Einweisung wird der Regel nach durch den Erzpriester oder Kreisinspector vollzogen.
§. 406. Die Kosten der Vocation, Präsentation, und Einweisung, wozu auch die Reisekosten der zur Einweisung nöthigen Personen gehören, müssen, wo nicht besondere Provinzialverordnungen ein Anderes festsetzen, aus den Einkünften der Kirche, und in deren Ermangelung, von der Gemeine bestritten werden.
§. 407. Die Kosten der Prüfung und Ordination hingegen muß der neue Pfarrer tragen.
§. 408. Auch muß der Regel nach der neue Pfarrer sich auf seine eigne Kosten an den Ort seiner Bestimmung hinbegeben.
§. 409. Wo es aber durch Provinzialgesetze, oder nach einem ununterbrochenen Herkommen, eingeführt ist, daß die Reisekosten aus der Cämmerey- oder Gemeinecasse gegeben, oder daß die Fuhren von den Mitgliedern der Gemeine unentgeltlich verrichtet werden; da hat es noch ferner dabey sein Bewenden.
§. 410. Doch soll in keinem Falle der Gemeine zugemuthet werden, einen Prediger, welchen sie nicht selbst gewählt hat, weiter, als in einer Entfernung von zwey Tagereisen, abzuholen.
§. 411. An Orten, wo die Gemeine den Prediger zu holen schuldig ist, muß sie auch die zu seiner Familie gehörenden Personen, und was er an Kleidung, Wäsche, Hausrath, und Büchern mitbringt, herbeyführen.
Bestellung der Feld- und Garnisonprediger.
§. 412. Die Berufung der Feld- oder Garnisonprediger geschieht von dem Regimentschef oder Gouverneur; und dieser steht dabey gegen die geistlichen Obern des Militairstandes in eben dem Verhältnisse, wie der Patron gegen das Consistorium.
§. 413. Die Pfarrer müssen sich bey ihren Kirchen beständig aufhalten, und dürfen die ihnen anvertrauete Gemeine, selbst bey einer drohenden Gefahr, eigenmächtig nicht verlassen.
§. 414. Wenn sie zu verreisen genöthigt sind: so kann es nur mit Vorwissen und Erlaubniß des Inspectors oder Erzpriesters geschehen.
§. 415. Dieser muß die Genehmigung der geistlichen Obern einholen, wenn die Zeit der Abwesenheit mehr, als Einen Sonntag, unter sich begreift.
§. 416. In allen Fällen muß der Pfarrer, unter Direction des Erzpriesters oder Inspectors, solche Veranstaltungen treffen, daß die Gemeine bey seiner Abwesenheit nicht leide.
§. 417. Bey seiner Amtsführung muß der Pfarrer alle den Geistlichen überhaupt vorgeschriebenen Pflichten sorgfältig beobachten.
§. 418. Dagegen hat er das Recht, von den Eingepfarrten zu fordern, daß sie sich in ihren Religionshandlungen, zu deren Vollziehung es der Mitwirkung eines Pfarrers bedarf, nur seines Amts bedienen sollen.
§. 419. Dieser Verbindlichkeit können auch einzelne Eingepfarrte, ohne besondere Erlaubniß der geistlichen Obern, sich nicht entziehen.
§. 420. Dergleichen Erlaubniß soll nur aus erheblichen Gründen, besonders aber alsdann ertheilt werden, wenn aus den Umständen erhellet, daß die Amtshandlungen dieses Pfarrers bey den Eingeplanten den Zweck der moralischen Besserung verfehlen dürften.
§. 421. Auch soll, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die Schuld davon auf der Seite des Pfarrers sey, für die Entschädigung desselben gehörig gesorgt werden.
§. 422. Auch in einzelnen Fällen dürfen Eingepfarrte ihre Trauungen, Taufen, und Begräbnisse, durch einen andern, als den in ihrer Parochie bestellten Pfrarrer, ohne dessen Einwilligung nicht vornehmen lassen.
§. 423. Der Pfarrer hat für dergleichen Handlungen die festgesetzten Stolgebühren zu fordern; und der Richter muß ihm dazu, nötigenfalls, auf gebührendes Anmelden verhelfen.
§. 424. Er kann aber diese Gebühren niemals voraus ordern, noch deshalb die von ihm begehrte Amtshandlung verschieben.
§. 425. Das Recht eine Taxordnung für die Stolgebühren vorzuschreiben, selbige zu erhöhen, oder sie zu ändern, gebührt allein dem Staate.
§. 426. Kirchenbediente, welche sich mit den ihnen angewiesenen Gebühren nicht begnügen, sollen um den drey- bis zehnfachen Betrag des zu viel Geforderten fiskalisch bestraft werden.
§. 427. Kein Geistlicher darf dergleichen Handlungen, die einer andern Parochie zukommen, ohne ausdruckliche Bewilligung des gehörigen Pfarrers vornehmen.
§. 428. Dieser aber darf, gegen Empfang der ihm zukommenden Gebühren, die Einwilligung nicht versagen.
§. 429. Diese Einwilligung muß schriftlich ertheilt, und es dürfen dafür keine besondere Gebühren gefordert werden.
§. 430. Eine dergleichen Einwilligung berechtigt jeden zu dergleichen Handlungen überhaupt befugten Geistlichen, die Handlung vorzunehmen.
§. 431. Soll aber bey einem protestantischen Eingepfarrten die Handlung von einem katholischen Geistlichen, oder umgekehrt, verrichtet werden: so ist dazu die Erlaubniß des Staats erforderlich.
§. 432. Soll ein Pfarrer eine an sich ihm gebührende Handlung in dem Sprengel eines andern Pfarrers von seiner Religionspartey vornehmen: so muß dazu die Einwilligung des diesem Sprengel vorgesetzten Pfarrers eingeholt werden.
§. 433. Dieser letztere ist schuldig, die Einwilligung gegen Empfang der halben Gebühren zu ertheilen; dem die Handlung selbst vollziehenden Pfarrer aber darf deswegen an seinen Gebühren nichts abgezogen werden.
§. 434. Ein Pfarrer, welcher, obigen Vorschriften zuwider, eine vor einen andern Pfarrer gehörende Handlung ohne dessen Einwilligung vornimmt, soll um den doppelten Betrag der erhaltenen Gebühren fiskalisch bestraft, der gehörige Pfarrer aber von dem Eingepfarrten entschädigt werden.
§. 435. Die Trauung gebührt der Regel nach dem Pfarrer der Braut.
§. 436. Wenn ein Theil der Verlobten zur deutsch reformirten, und der andere zur französisch-reformirten Kirche gehört: so kommt die Trauung dem Pfarrer des Bräutigams zu.
§. 437. Gehört der Bräutigam zur Militärgerichtsbarkeit: so muß die Trauung von dem Feld- oder Garnisonprediger geschehen; und zwar ohne Unterschied, zu welcher Religionspartey der Bräutigam sich bekenne.
§. 438. Gehört der Bräutigam zum Civil-, die Braut aber zum Militairstande: so gebührt die Trauung dem Pfarrer des Orts, zu dessen Kirchsprengel der Bräutigam gehört.
§. 439. Soll jedoch die Trauung an einem andern Orte, als wo der Pfarrer des Bräutigams wohnt, geschehen: so ist auch in diesem Falle der Pfarrer der Braut dazu berechtigt.
§. 440. Jeder Pfarrer, welcher ein Aufgebot oder eine Trauung verrichten soll, muß die darüber vorhandenen gesetzlichen Vorschriften genau beobachten, und sorgfältige Erkundigungen einziehen: ob die rechtlichen Erfordernisse einer gültigen Ehe vorhanden, oder ob Ehehindernisse im Wege sind. (Tit. I. Abschn. I. II.)
§. 441. Wenn mit Erlaubniß des ordentlichen Pfarrers die Trauung durch einen andern Geistlichen verrichtet, und diesem der gehörige Aufgebotsschein vorgelegt worden: so wird der trauende Pfarrer nur wegen solcher Mängel und Ehehindernisse verantwortlich, von denen er überführt werden kann, daß sie ihm wirklich bekannt gewesen sind.
§. 442. Wenn ein katholischer Pfarrer Anstand nimmt, eine Ehe welche nach den Landesgesetzen erlaubt ist, um deswillen, weil die Dispensation der geistlichen Obern nicht nachgesucht, oder versagt worden, durch Aufgebot und Trauung zu vollziehen: so muß er sich gefallen lassen, daß diese von einem andern Pfarrer verrichtet werden.
§. 443. Das Landes-Justizcollegium ist in einem solchen Falle, so wie auch alsdann schon, wenn der katholische Pfarrer das Aufgebot aus einem solchen Grunde versagt, wohl befugt, beydes einem andern Pfarrer, allenfalls auch von einer verschiedenen Religionspartey, aufzutragen.
§. 444. Uebrigens sind die katholischen Pfarrer bey fiskalischer Ahndung verbunden, die von ihren geistlichen Obern ihnen zukommenden Dispensationen, ehe sie davon Gebrauch machen, dem Landes-Justizcollegio der Provinz vorzulegen.
§. 445. Kein Pfarrer darf, ohne besondere Erlaubniß des geistlichen Departments, fremde Officiers, die in hiesigen Landen heirathen wollen, aufbieten oder trauen.
§. 446. Die Taufe ehelicher Kinder gebührt in der Regel dem Pfarrer des Vaters.
§. 447. Sind die Aeltern von verschiedener Religionspartey: so gebührt die Taufe, bey Söhnen, der Regel nach dem Pfarrer des Vaters; so wie bey Töchtern dem Pfarrer der Mutter.
§. 448. Die Taufe der unehelichen Kinder kommt dem Pfarrer der Mutter zu.
§. 449. Steht in beyden Fällen der Vater unter Militärgerichtsbarkeit: so muß die Taufe von dem Feld- oder Garnisonprediger, ohne Unterschied der Religionspartey des Vaters, verrichtet werden.
§. 450. Ist die Niederkunft nicht an dem Orte geschehen, wo der gehörige Pfarrer sich aufhält: so kann auch der Pfarrer des Orts der Niederkunft die Taufe ohne weitere Rückfrage verrichten.
§. 451. Hat eine Nothtaufe geschehen müssen: so muß dem ordentlichen Pfarrer davon unverzüglich Anzeige gemacht werden.
§. 452. Für die Handlungen oder Gebräuche, welche hiernächst, nach Verschiedenheit der Religionsparteyen, bey einem solchen am Leben bleibenden Kinde vorgenommen werden, hat der Pfarrer eben die Gebühren, wie für eine Taufe, zu fordern.
§. 453. Jeder Eingepfarrte muß der Regel nach in seiner Parochie begraben werden.
§. 454. Stirbt jemand außer seiner Parochie, jedoch an eben demselben Orte: so hat der Pfarrer seines Kirchspiels das Recht, zu fordern, daß die Beerdigung in seiner Parochie geschehe.
§. 455. Stirbt er aber an einem andern Orte: so haben die Hinterlassenen die Wahl, ob sie ihn da, wo er gestorben ist, begraben, oder in seine ordentliche Parochie zurückbringen lassen wollen.
§. 456. Ueberhaupt kann jeder Eingepfarrte sein und der Seinigen Begräbniß auch außerhalb seiner Parochie wählen.
§. 457. Hat der Verstorbene selbst gewählt: so ist es hinreichend, wenn nur seine Willensmeinung mit genügsamer Gewißheit bekannt ist.
§. 458. Außer den Fällen des §. 454. 455. müssen aber nicht nur dem Pfarrer und der Kirche, wo die Beerdigung geschieht, sondern auch dem Pfarrer und der Kirche, denen sie eigentlich zukommt, die Gebühren entrichtet werden.
§. 459. Doch haben letztere, wenn nach §. 457. der Verstorbene selbst gewählt hat, nur solche Gebühren zu fordern, die, nach der Verfassung jedes Orts, von allen Begräbnissen derjenigen Classe, zu welcher die Leiche gehört, nothwendig zu entrichten sind.
§. 460. Soll eine Leiche, auf bloßes Verlangen der Hinterlassenen, außer der gehörigen Parochie begraben werden: so müssen letztere dem Pfarrer und der Kirche dieser Parochie, außer den nothwendigen Gebühren, auch diejenigen Handlungen und Feyerlichkeiten, welche sie bey der fremden Kirche vornehmen lassen, taxmäßig bezahlen.
§. 461. Wer ein Erb- oder Familienbegräbniß außerhalb des Kirchspiels hat, kann verlangen, daß sein und der Seinigen Leichname dahin abgeführt werden.
§. 462. Doch sind auch alsdann der Kirche und dem Pfarrer, für welche das Begräbniß eigentlich gehören würde, der Regel nach, die ihnen nach §. 459. zukommenden Gebühren ohne Abzug zu entrichten.
§. 463. In allen Fällen, wo eine Leiche durch einen andern Gerichtsbezirk geführt werden soll, muß bey dem Obergerichte der Provinz ein Leichenpaß gesucht werden.
§. 464. Kann ein solcher Paß nicht vorgezeigt werden: so hat die ordentliche Obrigkeit jeden Orts der Durchfuhre das Recht, zu verlangen, daß der Sarg geöffnet, und ihr die Besichtigung der Leiche gestattet werde.
§. 465. Die Pfarrer, durch deren Kirchspiel die Leiche gebracht wird, können davon weder für sich, noch für die Kirche, Gebühren fordern.
§. 466. Jeder Pfarrer, von welchem, bey Gelegenheit der Durchfuhre, gewisse Amtshandlungen oder andere Feyerlichkeiten ausdrücklich verlangt werden, hat davon die Gebühren, für sich und die Kirche, nach der Taxe des Orts zu fordern.
§. 467. Ist der Todte an einer ansteckenden Krankheit verstorben; so, daß durch Wegbringung der Leiche die Ansteckung verbreitet werden könnte: so muß die Leiche schlechterdings, und ohne Unterschied der Fälle, da, wo sie ist, beerdigt werden.
§. 468. Alsdann sind aber auch die Gebühren nur dem Pfarrer und der Kirche der Parochie, wo die Beerdigung wirklich geschehen ist, zu entrichten.
§. 469. Jeder Todesfall muß dem Pfarrer des Kirchspiels, in welchem er erfolgt ist, angezeigt werden.
§. 470. Eben das gilt auch bey Personen, die sonst keiner Parochie unterworfen sind.
§. 471. Auch von todtgebornen, oder vor der Taufe gestorbenen Kindern, muß die Anzeige dem Pfarrer geschehen.
§. 472. Auch solche Kinder dürfen ohne Vorwissen des Pfarrers nicht außerhalb dem öffentlichen Kirchhofe begraben werden.
§. 473. Der hinterlassenen Familie, und in deren Ermangelung dem Wirthe des Hauses, in welchem der Todesfall erfolgt ist, liegt es ob, denselben anzuzeigen.
§. 474. Der Pfarrer muß sich nach der Todesart erkundigen, und dem Todtengräber aufgeben, bey der Einlegung der Leiche in den Sarg, und bey dessen Zuschlagung gegenwärtig zu seyn.
§. 475. So lange es noch im geringsten zweifelhaft ist: ob die angebliche Leiche wirklich todt sey, muß das Zuschlagen des Sarges nicht gestattet werden.
§. 476. Die nähern Bestimmungen wegen der zur Verhütung des Lebendigbegrabens nöthigen Vorsichten, bleiben den besondern Polizeyverordnungen vorbehalten.
§. 477. Alle gewaltsame Todesarten, so wie deren bey Besichtigung der Leiche sich ergebende Vermuthungen, muß der Pfarrer der ordentlichen Obrigkeit schleunigst anzeigen, und vor erfolgter Untersuchung weder das Begräbniß, noch die Abfuhr gestatten.
§. 478. Ist dem Pfarrer bekannt, daß der Verstorbene minderjährige, wahn- oder blödsinnige, oder aus andern gesetzlichen Gründen unter Vormundschaft zu setzende Kinder, oder sonstige Erben hinterlasse: so muß er der Obrigkeit davon Anzeige machen.
§. 479. Diese Anzeige muß der Regel nach derjenigen Behörde, unter welcher der Verstorbene seinen persönlichen Gerichtsstand hatte; wenn aber diese dem Planer unbekannt, oder außerhalb der Provinz ist, dem nächsten Gerichte geschehen.
§. 480. Sowohl der Pfarrer des Kirchspiels, in welchem der Todesfall erfolgt, als der, wo die Beerdigung geschehen ist, sind zu dieser Anzeige verpflichtet.
§. 481. Die Pfarrer sind schuldig, richtige Kirchenbücher zu halten, und darin alle von ihnen besorgte, gleichen alle die Eingepfarrten betreffende und ihnen angezeigte Aufgebote, Trauungen, Geburten, Taufen, und Begräbnisse, deutlich und leserlich einzuschreiben.
§. 482. Die Eintragung muß sogleich nach vorgenommener Handlung oder geschehener Anzeige erfolgen, und das Datum muß mit Buchstaben ausgedrückt werden.
Was zu beobachten bey Eintragung der Trauungen;
§. 483. Bey Trauungen müssen die Vor-, Zu- und Geschlechtsnamen, ingleichen das Alter beyder Verlobten; auch ob sie schon verheirathet gewesen, oder nicht; ob sie noch unter Aeltern und Vormündern stehen, oder nicht, verzeichnet werden.
§. 484. Stehen die Verlobten, oder einer von ihnen, noch unter Aeltern, oder Vormünder: so muß der Pfarrer dabey bemerken: wie ihm die Einwilligung derselben nachgewiesen worden.
§. 485. Bey Geburten und Taufen muß der Pfarrer den Vor-, Zu- und Geschlechtsnamen, und den Stand der Aeltern, ingleichen den Namen und Stand der gegenwärtig gewesenen Taufzeugen, nebst den Namen, welche dem Kinde selbst beygelegt worden, mit eintragen.
§. 486. Auch muß er dabey die Angabe der Aeltern, wer in deren Ermangelung, der Hebamme, von dem Tage und Stunde der Geburt, bemerken.
§. 487. Giebt die Mutter eines unehelichen Kindes den Vater nicht an: so muß es der Pfarrer zwar dabey bewenden lassen; zugleich aber sich sorgfältig erkundigen: ob auch die Mutter das Kind zu verpflegen und zu erziehen hinlängliche Mittel habe.
§. 488. Findet er dabey ein Bedenken: so muß er selbiges der Obrigkeit des Orts anzeigen.
§. 489. Wird der Vater des unehelichen Kindes angegeben: so muß der Pfarrer denselben darüber vernehmen; und wenn er sich dazu bekennt, den Namen desselben, so wie die Art, wie dies Bekenntniß an ihn, den Pfarrer, gelangt ist, in das Kirchenbuch mit eintragen.
§. 490. Widerspricht der genannte Vater der Angabe der Mutter; oder kann derselbe, weil sein Aufenthalt entfernt oder unbekannt ist, nicht vernommen werden: so darf der Pfarrer seinen Namen in das Kirchenbuch nicht einschreiben.
§. 491. Er muß aber den Fall der Obrigkeit des Orts, zur Untersuchung und Obsorge für das Beste des Kindes, so fort anzeigen.
§. 492. Bey Todesfällen muß der Name, der Stand, und das Alter des Verstorbenen, der Tag des Todes, die Krankheit oder sonstige Todesart, nach der dem Pfarrer geschehenen Anzeige eingeschrieben werden.
§. 493. Hat der Pfarrer den Verstorbenen nicht persönlich gekannt: so muß er sich durch die Aussagen glaubwürdiger Personen so viel als möglich versichern, daß derselbe wirklich derjenige gewesen sey, für den er ihm angegeben worden.
§. 494. Wie er zu dieser Versicherung gelangt sey, muß in dem Kirchenbuche mit vermerkt werden.
§. 495. Den Tod und die Beeidigung eines Fremden muß der Pfarrer, wenn sonst niemand vorhanden ist, welcher davon in die Heimath desselben Nachricht geben könnte, zu diesem Behufe dem nächsten Gerichte anzeigen.
Eintragung der in andern Kirchen vorgenommenen Handlungen.
§. 496. In allen Fällen, wo dem Pfarrer eine Handlung, die in einer andern Parochie vorgenommen werden soll, bloß angezeigt wird, muß er dennoch diese Anzeige, mit Bemerkung des Orts, wo die Handlung selbst erfolgen soll, in sein Kirchenbuch einzeichnen.
§. 497. Von solchen bloßen Anzeigen aber muß er, bey Fertigung der jährlichen Listen, keinen Gebrauch machen.
§. 498. Diejenigen, welche einer bloß geduldeten mit keiner eignen Kirchenanstalt versehenen Religionspartey zugethan sind, müssen die unter ihnen vorkommenden Geburten, Heirathen, und Sterbefälle, dem Pfarrer des Kirchspiels, in dessen Bezirk sie wohnen, zur Eintragung in das Kirchenbuch anzeigen.
§. 499. Dergleichen Anzeigen gehören mit in die jährlichen Listen.
§. 500. Wenn bey einer Kirche mehrere Geistliche angesetzt sind: so muß dennoch nur der eigentliche Pfarrer das Kirchenbuch führen.
§. 501. Der Küster muß ein Duplicat des Kirchenbuchs halten, und darin die von dem Pfarrer eingetragenen Vermerke getreulich abschreiben.
§. 502. Am Ende eines jeden Jahres muß der Pfarrer dies Duplicat mit seinem Kirchenbuche vergleichen, und die befundene Richtigkeit darunter bezeugen.
§. 503. Sodann muß dieses Duplicat bey den Gerichten des Orts verwahrlich niedergelegt werden.
§. 504. Kirchenzeugnisse müssen jedoch aus dem von dem Pfarrer geführten Originale, und nur in dessen Ermangelung aus dem Duplicate ertheilt werden.
§. 505. Auch in diesen Zeugnissen soll, zur Vermeidung aller Zweifel und Verfälschungen, das Datum, worauf es ankommt, nicht bloß mit Zahlen, sondern zugleich mit Buchstaben ausgedrückt, und die Zeugnisse selbst müssen mit dem Kirchensiegel bestärkt werden.
Vertretung des Pfarrers in seinem Amte.
§. 506. Ein Pfarrer, der nur bey einer einzelnen Handlung, oder nur auf kurze Zeit, sein Amt selbst zu verrichten gehindert wird, kann sich dabey durch einen andern Geistlichen, welcher zu solchen Handlungen an und für sich befugt ist, vertreten lassen.
§. 507. Soll die Vertretung länger als Drey Tage dauern: so muß dem Erzpriester oder dem Kreisinspector Anzeige davon geschehen.
§. 508. Ist die Vertretung auf länger als Vierzehn Tage erforderlich: so muß der Erzpriester oder Inspector es an das Consistorium berichten, und die genommenen Maaßregeln zur Genehmigung anzeigen.
§. 509. Verrichtet der Stellvertreter eine Amtshandlung, die ins Kirchenbuch eingetragen werden muß: so ist er schuldig, seinen eignen Namen, mit der Angabe seines Amts, und der Ursache der Vertretung, zu unterzeichnen.
§. 510. Ein katholischer Pfarrer kann, unter Approbation seines vorgesetzten Consistorii, einen beständigen Amtsgehülfen oder Capellan annehmen.
§. 511. Er muß aber dazu ein Subjekt wählen, gegen dessen Person, Lehre, und Wandel, der Patron so wenig, als die Gemeine, etwas Erhebliches einwenden können.
§. 512. Der Pfarrer kann einem solchen Capellan, wenn derselbe die Ordination erhalten hat, alle Arten seiner Amtsgeschäfte ohne Unterschied auftragen.
§. 513. Die Vertheilung der Geschäfte selbst, die Dauer der Vertretung, und die dem Capellane dafür zukommende Belohnung, wird lediglich durch den zwischen ihnen, unter Approbation der geistlichen Obern, geschlossenen Vertrag bestimmt.
§. 514. Ein solcher Capellan kann jedoch, wenn die Pfarrerstelle selbst erledigt wird, auf die Nachfolge darin keinen rechtlichen Anspruch machen.
§. 515. Ein protestantischer Pfarrer kann, mit Vorwissen des Consistorii, einen Candidaten zu seiner Vertretung, jedoch nur bey dem Unterrichte der Gemeine, nicht aber bey andern Amtshandlungen annehmen.
§. 516. Wird er durch Krankheit, Schwachheit, oder Alter verhindert, sein Amt nach dessen ganzen Umfange selbst gehörig zu verwalten; und verlangt er daher einen beständigen Gehülfen zu allen seinen Amtsverrichtungen: so muß er dieses demjenigen, welchem bey einer erfolgenden Erledigung der Pfarre das Wahlrecht zusteht, anzeigen.
§. 517. Alsdann muß, bey der Bestellung eines solchen Amtsgehülfen, alles das beobachtet werden, was bey der Wahl eines neuen Pfarrers erforderlich ist.
§. 518. Ehe jedoch zur Wahl geschritten wird, muß dem zu bestellenden Substituten sein auskömmlicher Unterhalt aus den Einkünften der Pfarre bestimmt werden.
§. 519. Dieser Aussatz darf niemals in einem Antheile der einzelnen Pfarreinkünfte (pars quota) bestehen; sondern er muß auf einen gewissen Betrag an Gelde oder Naturalien, welche der Pfarrer dem Substituten, oder dieser jenem abzugeben hat, bestimmt werden.
§. 520. Ein solcher Substitut tritt, wenn die Pfarre erledigt wird, sofort an die Stelle und in alle Rechte eines wirklichen Pfarrers.
§. 521. Dagegen hat ein nicht förmlich gewählter, sondern nur von dem Pfarrer selbst, mit Erlaubniß der geistlichen Obern, wenn auch unter Einwilligung des Patrons oder der Gemeine, angenommener Substitut kein Recht zur Nachfolge in die erledigte Pfarre.
§. 522. Auch ohne das Gesuch des Pfarrers kann demselben ein Substitut gegeben werden, wenn aus der Anzeige des Patrons, der Vorsteher, oder der Gemeine, oder auch des Kreisinspectors, bey einer deshalb von den geistlichen Obern zu veranlassenden Untersuchung sich ergiebt, daß der Pfarrer, aus einem der §. 516. angeführten Gründe, seinem Amte vollständig vorzustehen, nicht mehr vermögend sey.
§. 523. Wenn ein Pfarrer sein Amt niederlegen will: so muß er dem Patrone und der Gemeine davon Anzeige machen, und die Genehmigung der geistlichen Obern nachsuchen.
§. 524. Finden diese dabey nichts zu erinnern, so gebührt weder dem Patrone, noch der Gemeine, ein Recht zum Widerspruche.
§. 525. Nimmt jedoch ein Pfarrer, innerhalb Zehn Jahren von Zeit seiner Bestellung, einen anderweitigen Ruf an: so ist er schuldig, der Kirchenkasse, und der Gemeine, alle bey seiner Ansetzung und seinem Anzuge verwendete Kosten zu erstatten.
§. 526. Auch nach erhaltener Genehmigung der geistlichen Obern darf der Pfarrer sein Amt nicht eher verlassen, als bis sein Nachfolger bestellt und eingewiesen worden.
§. 527. Sind erhebliche Gründe vorhanden, warum dieses nicht abgewartet werden kann: so muß der Erzpriester oder Inspector, unter besonderer Approbation des Consistorii, für die Versehung des Amts in der Zwischenzeit sorgen.
§. 528. Einem Pfarrer, der sein untadelhaft geführtes Amt wegen Alters oder Krankheit niederlegen muß, gebührt ein lebenswieriger Gnadengehalt.
§. 529. Bey ermangelnder Vereinigung über den Betrag und Fond desselben, muß das Gehalt auf ein Drittel der sämmtlichen Pfarreinkünfte, nach einem gemäßigten Anschlage festgesetzt, und der Amtsfolger zu dessen Entrichtung auf die §. 519. bestimmte Art angewiesen werden.
§. 530. Geringere Amtsvergehungen der Pfarrer müssen von den geistlichen Obern auf die §. 125. bestimmte Art geahndet werden.
§. 531. Hat ein Pfarrer, ohne bösen Vorsatz, durch unvorsichtiges Betragen, das Vertrauen seiner Gemeine verloren: so müssen die geistlichen Obern seine Versetzung an einen andern Ort veranstalten.
§. 532. Hat ein Pfarrer in seinem Amte grobe Excesse begangen: so müssen die geistlichen Obern ihm die Führung seines Amts vorläufig untersagen; wegen dessen Wahrnehmumg die erforderlichen Anstalten treffen; die nähere Untersuchung verhängen; und nach dem Befunde derselben ihm die Entsetzung andeuten.
§. 533. Will sich der Pfarrer dabey nicht beruhigen, so steht ihm frey, auf förmliche gerichtliche Untersuchung und Entscheidung anzutragen.
§. 534. Er muß sich aber dazu binnen Vier Wochen nach angedeuteter Entsetzung melden.
§. 535. Bey katholischen Pfarrern gebührt das Erkenntniß dem geistlichen Gerichte; bey protestantischen aber dem Landes-Justizcollegio der Provinz.
§. 536. Hat ein Pfarrer sich bürgerlicher Verbrechen, die eine Criminaluntersuchung nach sich ziehn, schuldig gemacht: so müssen die geistlichen Obern ihn suspendiren, und die Sache der ordentlichen Obrigkeit zur weitern Verfügung anzeigen.
§. 537. Es kann aber auch die bürgerliche Obrigkeit, ohne erst die Anzeige abzuwarten, sich des Verbrechers sofort bemächtigen, und ihm den Prozeß machen.
§. 538. Doch muß sie den geistlichen Obern davon Nachricht geben; damit diese wegen der Amtsversehung das Nöthige verfügen können.
§. 539. Die bey größern Parochialkirchen bestellten Nebengeistlichen machen mit dem Pfarrer ein Collegium aus, worin dem letztern der Vorsitz und die Direction gebührt.
§. 540. Die Vertheilung der Geschäfte und Einkünfte unter sie; so wie ihr Verhältniß gegen den Pfarrer und die Gemeine, ist nach den Verfassungen einer jeden solchen Kirche besonders bestimmt.
§. 541. Der Regel nach sind die Nebengeistlichen der Aufsicht und der Anweisung des Pfarrers in allen ihren Amtsgeschäften unterworfen.
§. 542. Weltgeistliche, die zur Abwartung des Gottesdienstes bey einer Capelle oder bey einem Altar bestimmt sind, dürfen sich keiner Parochialverrichtungen anmaßen.
§. 543. Auch mehrere dergleichen bey einer Kirche bestellte Capelläne machen dennoch unter sich kein Kollegium aus.
§. 544. Uebrigens aber haben sie die allgemeinen Rechte und Obliegenheiten der Geistlichen.
§. 545. Weltgeistliche, die kein bestimmtes geistliches Amt bey einer Gemeine oder Kirche haben, sollen von den Bischöfen nicht ohne erhebliche Ursache bestellt, oder in ihre Diöces aufgenommen werden.
§. 546. Sie stehen in Ansehung ihrer geistlichen Functionen unter dem Bischöfe; und dieser muß dafür sorgen, daß sie weder Unordnung oder Aergerniß anrichten, noch sonst dem Staate zur Last fallen.
§. 547. So lange sie bey einer Gemeine oder Kirche nicht wirklich angesetzt sind, haben sie auf die äußern Vorrechte der Geistlichen §. 96. 97. keinen Anspruch.
Schiffs- und Gesandschaftsprediger.
§. 548. Schiffsprediger stehen unter den geistlichen Obern der Provinz, wohin das Schiff gehört; und Gesandschaftsprediger unter den geistlichen Obern derjenigen Provinz, deren Landes-Justizcollegio der Gesandte in seinen persönlichen Angelegenheiten unterworfen ist.
§. 549. Beyde haben, in Ansehung der ihnen angewiesenen Kirchengesellschaft, die Rechte und die Glaubwürdigkeit eines wirklichen Pfarrers.
Siebenter Abschnitt. Von weltlichen Kirchenbedienten
§. 550. Personen, welche zwar zum Dienste der Kirche, aber nur in mechanischen Verrichtungen, oder weltlichen Angelegenheiten bestimmt sind, haben nicht die Rechte der Geistlichen.
§. 551. Insonderheit werden sie durch ihre Kirchenbedienungen von der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht ausgenommen.
§. 552. Kirchenvorsteher werden der Regel nach von dem Patron bestellt; wo aber dergleichen nicht vorhanden ist, von der Gemeine, unter Genehmigung der ordentlichen Gerichtsobrigkeit, gewählt.
§. 553. Wo nach bisheriger Observanz die Bestellung der Vorsteher von andern Personen oder Behörden abgehangen, hat es deshalb, so wie in Ansehung der Dauer des Amts, bey dieser hergebrachten Gewohnheit sein Bewenden.
§. 554. Nur Mitglieder der Gemeine können zu Kirchenvorstehern bestellt werden.
§. 555. Von der Verbindlichkeit des ausgewählten Mitglieds, dergleichen Amt zu übernehmen, und von den ihm dagegen zu statten kommenden Entschuldi- gungsursachen, gilt alles das, was wegen der Beamten der Corporationen überhaupt, und der Bürgergemeinen insonderheit, oben verordnet ist. (Tit. VI. §. 161. 162. Tit. Vni.)
§. 556. Küster, und andere dergleichen niedere Kirchenbediente, werden der Regel nach von dem Patron bestellt.
§. 557. Dieser muß zwar den Pfarrer mit seinem Gutachten über das zu bestellende Subject hören; er ist aber an desselben Vorschläge nicht gebunden.
§. 558. Doch darf dem Pfarrer kein Subjekt aufgedrungen werden, welches mit ihm in offenbarer Feindschaft lebt, oder sich gröblich wider ihn vergangen hat.
§. 559. Ist der Küster zugleich Vorleser oder Vorsänger: so muß er eine Probe vor der versammelten Gemeine ablegen.
§. 560. Die Gemeine hat in diesem Falle ein Recht zum Widerspruche, wenn sie den geistlichen Obern erhebliche Gründe gegen die Tüchtigkeit oder Würdigkeit des vorgeschlagnen Subjekts anzeigen und nachweisen kann.
§. 561. Ist der Küster zugleich Schulhalter: so finden wegen seiner Prüfung und Bestellung die Vorschriften des folgenden Titels Anwendung.
§. 562. Bey Kirchen, welche keinen eignen Patron haben, gebührt die Bestellung der niedern Kirchenbedienten dem Pfarrer und den Kirchenvorstehern; in so fern nicht dieselbe, nach wohlhergebrachter Gewohnheit des Orts, letztern allein, oder auch der ganzen Gemeine zukommt.
§. 563. In allen Fällen muß der Pfarrer die geschehene Bestellung eines solchen Kirchenbedienten dem Erzpriester oder Kreisinspector anzeigen.
§. 564. Ist von einem Küster die Rede: so muß derselbe, ehe er in das Amt wirklich eingesetzt wird, dem Erzpriester oder Inspector zur Prüfung vorgestellt werden.
§. 565. Die Pflichten und Verrichtungen der niedern Kirchenbedienten sind in den Provinzial-Kirchenordnungen, und durch die besondern Verfassungen einer jeden Parochialkirche bestimmt.
§. 566. Sie stehen in ihrem Amte zunächst unter der Aufsicht und Direction des Pfarrers, und müssen den Anweisungen desselben bereitwillig Folge leisten.
§. 567. Uebrigens gilt von der Aufsicht der geistlichen Obern über sie, von ihrer Bestrafung bey vorkommenden Amtsvergehungen, ingleichen von ihrer Entsetzung, alles, was im vorigen Abschnitte in Ansehung der Pfarrer verordnet ist. (§. 530-538.)
Achter Abschnitt. Von Kirchenpatronen
§. 568. Derjenige, welchem die unmittelbare Aufsicht über eine Kirche, nebst der Sorge für deren Erhaltung und Vertheidigung obliegt, wird der Kirchenpatron genannt.
§. 569. Wer eine Kirche baut, oder hinlänglich dotirt, erlangt dadurch ein Recht zum Patronat.
§. 570. Eben dergleichen Recht erlangt derjenige, welcher eine verfallene oder verarmte Kirche wieder aufbaut, oder von neuem dotirt.
§. 571. Hat eine solche Kirche bereits einen Patron: so erlangt der neue Wohlthäter mit demselben gleiche Rechte; doch nur in so fern, als der bisherige Patron die Kosten des Aufbaues, und der Dotation, nicht hat übernehmen können oder wollen.
§. 572. Auch durch den Auftrag einer Kirchengesellschaft, die bisher unter keinem besondern Patrone gestanden hat, kann jemand ein Recht zum Patronat erhalten.
§. 573. Doch wird in allen vorstehenden Fällen (§. 569-572.) das Kirchenpatronat selbst erst durch die Verleihung des Staats erworben.
§. 574. Außerdem kann das Kirchenpatronat auch durch Verjährung erlangt werden.
§. 575. Soll eine dergleichen Erwerbung desselben, gegen den Staat, oder die Kirchengesellschaft nachgewiesen werden: so müssen die Erfordernisse der bey Regalien statt findenden Verjährung vorhanden seyn.
§. 576. Wenn aber zwey oder mehrere Privatpersonen über den Besitz des Patronatrechts mit einander streiten: so ist die gemeine Verjährung hinreichend.
§. 577. Alle dergleichen über die Zuständigkeit des Patronatrechts entstehende Streitigkeiten gehören zum Erkenntnisse des ordentlichen weltlichen Richters.
§. 578. In wie fern das Patronatrecht nur der Person des Erwerbers und seinen Erben, oder einer gewissen Familie zukomme; oder mit einem Amte, oder mit dem Besitze eines Guts verbunden sey; ist in vorkommenden Fällen nach den darüber sprechenden Erwerbungsurkunden zu bestimmen.
§. 579. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß das Kirchenpatronat auf einem Gute oder Grundstücke hafte.
§. 580. Dergleichen Patronat kann von dem Gute, auf welchem es bisher gehaftet hat, ohne ausdrückliche Einwilligung der geistlichen Obern, nicht abgesondert werden.
§. 581. Mit dem Gute zugleich aber geht dasselbe auf jeden Besitzer, ohne Unterschied der Religionspartey, wozu er sich bekennt, über.
§. 582. Doch können Personen, welche zu keiner von den im Staate aufgenommenen oder geduldeten christlichen Religionsparteyen gehören, das Patronatrecht über eine Kirche nicht ausüben.
§. 583. Es steht ihnen zwar frey, diese Ausübung einem Andern während ihrer Besitzzeit zu übertragen; die Beyträge und Leistungen aber, welche aus dem Patronate fließen, müssen in allen Fällen, aus den Einkünften des Guts bestritten werden.
Rechte und Pflichten des Patrons.
§. 584. Die dem Patrone obliegende Sorge für die Erhaltung der Kirche, begreift die Pflicht, dazu, bey Ermangelung eines hinlänglichen Kirchenvermögens, aus eignen Mitteln beyzutragen, unter sich.
§. 585. Dagegen ist aber auch der Patron berechtigt, die Verwalter des Kirchenvermögens zu bestellen, und Rechnungslegung von ihnen zu fordern.
§. 586. Dem Patrone, als Wohlthäter und Erhalter der Kirche, kommen in Ansehung derselben gewisse Ehrenrechte zu.
§. 587. Er hat das Recht, bey Erledigung der Pfarrstelle den neuen Pfarrer zu präsentiren. (§. 327. sqq.)
§. 588. Er ist befugt, seinen Kirchstuhl im Chore, oder sonst in einem vorzüglichen Orte der Kirche zu haben.
§. 589. Der Patronen und ihrer Familie muß im öffentlichen Kirchengebete besonders gedacht werden.
§. 590. Auch bey der Beerdigung gebührt dem Patrone, seiner Ehefrau, ehelichen Abkömmlingen, und bey ihm wohnenden Seitenverwandten, ein Platz in dem Begräbnißgewölbe.
§. 591. Kann in diesem die Beerdigung nach den Gesetzen des Staats nicht statt finden: so kann der Patron die unentgeltliche Anweisung einer vorzüglichen Stelle auf dem der Kirchengesellschaft zustehenden Begräbnißplatze fordern. (§. 185.)
§. 592. Auch ist er berechtigt, Ehrenmäler für sich und seine Familie in der Kirche zu errichten.
§. 593. Bey seinem und seiner Ehegatten Absterben findet, durch den nach jedes Orts Gewohnheit bestimmten Zeitraum, das Trauergeläute statt.
§. 594. Wo die Kirchentrauer für den Patron und seine Familie bey deren Absterben hergebracht ist, hat es dabey auch fernerhin sein Bewenden.
§. 595. Verarmte Patronen genugsam dotirter Kirchen haben aus dem Kirchenschatze nothdürftigen Unterhalt zu fordern.
§. 596. Doch ist die Kirche zu dieser Competenz nur in so fern verpflichtet, als die Einkünfte des Vermögens, womit sie dotirt worden, nach Abzug aller zur Unterhaltung ihrer Anstalten erforderlichen Ausgaben, dazu hinreichen.
§. 597. Auch tritt die Verbindlichkeit der Kirche nur alsdann ein, wenn außer ihr niemand mehr vorhanden ist, der zur Ernährung des verarmten Patrons nach den Gesetzen verpflichtet wäre.
Wem die Ausübung eines Real-Patronatrechts zukomme.
§. 598. Die Ausübung des auf einem Gute haftenden Patronatrechts gebührt demjenigen, welchem das bürgerliche Eigenthum (Dominium civile) des Guts zukommt.
§. 599. Wem die Gesetze die Verwaltung des Inbegriffs der Güter und Gerechtsame eines Andern übertragen haben, der ist auch das dazu gehörende Kirchenpatronat in dessen Namen auszuüben berechtigt.
§. 600. Ein bloßes Verwaltungs-, Nutzungs- oder Erbpachtrecht an dem mit dem Patronate versehenen Gute, giebt noch keine Befugniß zur Ausübung des letztern.
§. 601. Dagegen ist die Leibgedings-Frau zu solcher Ausübung während ihres Besitzes berechtigt.
§. 602. Wenn ein Gut Schulden halber in Beschlag genommen worden: so bleibt die Ausübung des Patronatrechts dennoch dem Eigenthümer; und nur diejenigen Befugnisse und Pflichten, welche auf das Kirchenvermögen Beziehung haben, müssen von dem gerichtlich bestellten Administrator wahrgenommen werden.
§. 603. Dagegen müssen die Lasten des Patronats, auch in diesem Falle, aus den Einkünften des Guts getragen werden.
§. 604. Verfällt ein mit dem Patronatrechte versehenes Gut, aus andern Ursachen, als Schulden halber, auf den Antrag des Fiskus in gerichtlichen Beschlag: so kommt es, während desselben, dem Staate zu, für die Ausübung der diesfälligen Rechte und Plichten zu sorgen.
§. 605. Wenn das Patronatrecht über eben dieselbe Kirche auf mehrern Gütern mit gleichem Rechte haftet: so sind die Besitzer dieser Güter, in Ansehung der damit verbundenen Befugnisse und Pflichten, als Inhaber eines gemeinsamen Rechts, oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit, zu betrachten.
§. 606. Doch kann jeder von ihnen die §. 586. bis 594. beschriebenen Ehrenrechte für seine Person fordern und ausüben.
§. 607. Hat eine Kirche mehrere Patronen: so kann derjenige, in dessen Gute die Kirche liegt, in gemeinschaftlichen Geschäften das Directorium, und den dahin gehörenden Vorzug in der Unterschrift verlangen.
§. 608. Sind mehrere Kirchen unter gemeinschaftlichen Geistlichen und Patronen vereinigt: so kommt das Directorium in gemeinschaftlichen Angelegenheiten dem Patrone des Orts zu, wo der Pfarrer wohnt.
§. 609. In Angelegenheiten aber, welche nur eine einzelne Kirche betreffen, findet die Vorschrift §. 607. ebenfalls Anwendung.
Wie das Patronatrecht aufhöre.
§. 610. Niemand kann, ohne ausdrückliche Einwilligung der Gemeine, und ohne Genehmigung der geistlichen Obern, des Patronatrechts, und der damit verbundenen Obliegenheiten sich begeben.
§. 611. Dagegen verliert aber auch der Patron seine Rechte keinesweges durch den bloßen Nichtgebrauch.
§. 612. Hat er aber geschehen lassen, daß einzelne unter dem Patronatrechte begriffene Befugnisse von der Gemeine, oder deren Vorstehern, oder auch von einem Dritten, durch eine zur gewöhnlichen Verjährung hinreichende Frist, als ein ihnen zukommendes Recht ausgeübt worden: so hat er diese Befugnisse verloren.
§. 613. Wer um Bestechung, oder andrer unerlaubter Privatvortheile willen, jemand zu einer Pfarrstelle präsentirt, verliert für seine Person das Wahl- und Präsentationsrecht bey dieser und allen folgenden Vakanzen.
§. 614. In diesem und allen übrigen Fällen, wo der Patron das Wahl- und Präsentationsrecht für seine Person verliert, kommt die Besetzung der vakanten Pfarrstelle den geistlichen Obern zu. (§. 398. sqq.)
§. 615. Auch einem Collegio, Corporation, oder Commune, kann das Kirchenpatronat zukommen.
§. 616. Ein solches Collegium u. s. f. kann zwar die Ausübung desselben jemanden aus seinem Mittel übertragen, oder selbige mit einem gewissen Amte verknüpfen;
§. 617. Es kann sich aber dadurch der zum Patronate gehörigen Pflichten, zum Nachtheile der Kirche, nicht entledigen.
Neunter Abschnitt. Von der Verwaltung der Güter und des Vermögens der Pfarrkirchen
§. 618. Von den Gütern und dem Vermögen der Parochialkirchen gilt alles, was vom Vermögen der Kirchen überhaupt im Vierten Abschnitte verordnet ist.
§. 619. Die Verwaltung des Kirchenvermögens gebührt in der Regel den Kirchenvorstehem.
§. 620. Auf die Amtsführung derselben findet alles das Anwendung, was von den Vorstehern der Kirchengesellschaften überhaupt §. 156. sqq. ingleichen §. 552. sqq. verordnet ist.
§. 621. Doch sind sie, bey Patronatkirchen, in Rücksicht auf diese Verwaltung, auch der besondern und unmittelbaren Aufsicht des Patrons unterworfen.
§. 622. Ein Gleiches gilt bey städtischen und andern größern Kirchen, welche keinen besondern Patron haben, in Ansehung eines, noch außer den administrirenden Vorstehern, angeordneten Kirchencollegii.
Rechte und Pflichten der Kirchenverwalter.
§. 623. Sie müssen, bey ihrer Verwaltung, eben die Aufmerksamkeit anwenden, und eben den Grad der Schuld vertreten, wozu Vormünder nach den Gesetzen verpflichtet sind.
§. 624. Bey einer jeden Pfarrkirche müssen wenigstens Zwey Vorsteher bestellt werden.
§. 625. Sie müssen die der Kirche zustehenden Gelder, Schuldinstrumente, und andre Urkunden, dergestalt unter gemeinschaftlichem Beschlüsse halten, daß keiner von ihnen einseitig, und ohne die übrigen, darüber verfügen könne.
§. 626. Wo der Kasten, in welchem die Kirchengelder und Urkunden unter solchem gemeinsamen Beschlusse aufzubewahren sind, am sichersten untergebracht werden könne, müssen die Vorsteher mit dem Patrone und Pfarrer in Ueberlegung nehmen; allenfalls aber muß dieses von dem Inspector oder Erzpriester nach den Umständen bestimmt werden.
§. 627. Wo es, besonders auf dem Lande, an tauglichen und im Rechnungswesen hinlänglich geübten Subjekten zu Kirchenvorstehern ermangelt, da kann der Pfarrer sich nicht entbrechen, dieses Geschäft mit zu übernehmen, und die Schreibereyen, nebst dem Rechnungswesen, zu besorgen.
§. 628. Was also hier von Kirchenvorstehern überhaupt verordnet wird, gilt in diesem Falle auch von dem Pfarrer, und den ihm an die Seite gesetzten Nebenvorstehern.
§. 629. Ausstehende Kirchencapitalien können die Vorsteher, ohne Vorwissen und Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, wo dergleichen vorhanden ist, nicht aufkündigen.
§. 630. Geschieht die Aufkündigung von dem Schuldner: so müssen sie dem Patrone oder Kirchencollegio davon sofort Anzeige machen.
§. 631. Wo weder ein Patron, noch ein Kirchencollegium vorhanden sind, da müssen Aufkündigungen nicht anders, als mit Zuziehung des Inspectors oder Erzpriesters, gethan oder angenommen werden.
§. 632. Der Patron, das Kirchencollegium, oder der Inspector, müssen den Zahler anweisen: ob die Zahlung an die Vorsteher allein geleistet, oder wer noch außer ihnen dabey zugezogen werden solle.
§. 633. Nach dieser Anweisung muß sich der Zahler richten; und nur eine derselben gemäß ausgestellte Quittung kann gegen die Kirche die Zahlung beweisen.
§. 634. Sobald aus den Einkünften der Kirche ein Bestand von Fünfzig Thalern oder mehr erübrigt werden kann, müssen die Vorsteher für dessen sichere und zinsbare Unterbringung zum Besten der Kirche sorgen.
§. 635. So lange sich zu einer solchen Unterbringung gegen höhere Zinsen, unter gesetzmäßiger Sicherheit, keine Gelegenheit findet, müssen dergleichen aufgesammelte Capitalien bey der Königlichen Bank belegt werden.
§. 636. Kirchencapitalien sollen in der Regel nicht anders, als gegen gerichtliche Sicherheit und Eintragung auf unbewegliche Güter, ausgeliehen werden.
§. 637. Die Ausleihung muß mit Vorwissen und Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, in deren Ermangelung aber mit Zuziehung des Pfarrers geschehen.
§. 638. In allen Fällen muß die vorhabende Ausleihung, und die dagegen der Kirche zu verschaffende Sicherheit, dem Erzpriester oder Inspector angezeigt werden.
§. 639. Beträgt das auszuleihende Capital mehr, als Fünfzig Thaler: so muß er bey den angesetzten geistlichen Obern darüber anfragen.
§. 640. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Inspector, auch bey einer minderen Summe, die Sicherheit bedenklich findet.
§. 641. Dem Patrone selbst dürfen das Kirchencollegium, der Pfarrer, und die Vorsteher, bey eigner Vertretung, ohne besondere Genehmigung der geistlichen Obern, keine Kirchengelder zum Darlehn geben, oder sonst überlassen.
§. 642. Ein Gleiches gilt von Darlehnen, die einem Vorsteher, oder einem Mitgliede des Kirchencollegii, oder auch dem Pfarrer gemacht werden sollen.
§. 643. Die geistlichen Obern machen sich der Kirche verantwortlich, wenn sie ohne eine solche Sicherheit, als die Gesetze bey Verleihung der Mündelgelder aus dem gerichtlichen Deposito erfordern, in dergleichen Darlehne (§. 641. 642.) willigen.
§. 644. An Personen, welche zu den geistlichen Obern gehören, dürfen weder die Vorsteher, noch der Patron oder die Kirchencollegia, bey eigner Vertretung, Darlehne aus dem Kirchenvermögen machen.
§. 645. Sollen Capitalien für die Kirche aufgenommen werden: so ist dazu der Beytritt des Patrons oder Kirchencollegii, oder in beyder Ermangelung, der Gemeine, oder deren Repräsentanten, nebst der Genehmigung der geistlichen Obern erforderlich.
§. 646. Wer ohne diese Erfordernisse in ein solches Darlehnsgeschäft sich einläßt, der erlangt daraus ein Recht an die Kirche und deren Vermögen nur so weit, als er die geschehene Verwendung in ihren Nutzen nachweisen kann.
§. 647. In die Veräußerung eines Kirchenguts muß außer dem Patrone, wo dergleichen vorhanden ist, auch die Gemeine durch ihre zu bestellende Repräsentanten einwilligen.
§. 648. Keine Veräußerung aber kann ohne vorhergegangene Untersuchung und Approbation der geistlichen Obern, und ohne Erlaubniß des geistlichen Departements im Staatsministerio, gültig geschehen.
§. 649. Zu Erbverpachtungen, oder Austhuung gegen Erbzins, ist die Einwilligung der geistlichen Obern hinreichend.
§. 650. Wenn die Kirche wegen ihrer Güter und Vermögens in Prozesse verwickelt wird: so liegt der Betrieb derselben den Vorstehern ob.
§. 651. Der Patron muß die Vorsteher in Ausführung und Vertheidigung der Kirchengerechtsame unterstützen.
§. 652. Soll die Kirche Klägers Stelle vertreten: so müssen der Patron und die Vorsteher, noch vor dem Anfange des Prozesses, die Approbation der geistlichen Obern darüber einholen.
§. 653. Unterlassen sie dieses: so wird der Prozeß auf ihre Gefahr und Kosten geführt, und der Kirche kann daraus kein Nachtheil erwachsen.
§. 654. Auch wenn die Kirche von andern rechtlich belangt wird, müssen der Patron und die Vorsteher den geistlichen Obern davon sofort Anzeige machen,
§. 655. Das Approbationsdekret der geistlichen Obern ist zwar zur Einlassung auf die Klage nicht nothwendig.
§. 656. Wenn aber die Vorsteher dergleichen Dekret nicht nachbringen: so geht der Prozeß auf ihre Gefahr und Kosten.
§. 657. Die Kosten können jedoch sowohl in diesem, als in dem Falle des §. 653., aus dem Kirchenvermögen zurückgefordert werden, wenn durch einen günstigen Ausgang des Prozesses ein die Kosten übersteigender Nutzen für die Kirche verschafft worden.
§. 658. Die Vollmacht zum Betriebe eines Prozesses muß, außer den Vorstehern, von dem Patrone, dem Kirchencollegio, oder in deren Ermangelung, von dem Pfarrer mit unterschrieben werden.
§. 659. In Fällen, wo die Vorsteher, der Patron, oder die Kirchencollegia, wirkliche Rechte der Kirche in Gerichten auszuführen oder zu vertheidigen beharrlich verweigern, müssen die geistlichen Obern der Kirche einen Bevollmächtigten dazu von Amtswegen bestellen.
§. 660. Die durch die ungegründete Weigerung entstandnen mehrern Kosten muß der Weigerer aus eignen Mitteln ersetzen.
§. 661. Auch wenn gegen den Patron oder das Kirchencollegium selbst ein gerichtliches Verfahren erforderlich ist, muß der Kirche von den geistlichen Obern ein Bevollmächtigter dazu von Amts wegen bestellt werden.
§. 662. Ohne Genehmigung der geistlichen Obern kann über Kirchengüter und Rechte kein Vergleich geschlossen werden.
§. 663. Enthält der Vergleich eine Art von Veräußerung solcher Güter und Rechte: so müssen noch außerdem die §. 648. vorgeschriebenen Erfordernisse einer gültigen Veräußerung von Kirchengütern überhaupt hinzukommen.
§. 664. Die Kirchenvorsteher müssen insonderheit die ordentliche und prompte Einziehung der Kircheneinkünfte besorgen.
§. 665. Der Ertrag des Klingelbeutels, oder ausgestellten Beckens, gehört der Regel nach zu den Kircheneinkünften, und muß, nach vollendeter Einsammlung, von den Vorstehern, mit Zuziehung des Pfarrers, übernommen werden.
§. 666. Ein Gleiches gilt von den persönlichen Abgaben, welche von Eingepfarrten oder andern, die sich dieser Anstalt bedienen wollen, für gewisse kirchliche Handlungen, nach einer vom Staate genehmigten Taxe, an die Kirche selbst zu entrichten sind.
§. 667. Desgleichen von den Stellgeldern, die nach Gewohnheit des Orts, für die Begräbnißplätze auf den Kirchhöfen entrichtet werden müssen.
Vermiethen und Verpachten der Grundstücke.
§. 668. Grundstücke der Kirche können die Vorsteher, unter Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, vermiethen oder verpachten, und die Miethen oder Pachtgelder davon einziehen.
§. 669. Die Ausbietung eines solchen Grundstückes zur Miethe oder Pacht, muß allemal öffentlich geschehen.
§. 670. Hat die bisherige Miethe oder Pacht, oder der bisherige Ertrag, Fünfzig Thaler nicht überstiegen, und soll die Austhuung nicht auf längere Zeit als Sechs Jahre geschehen: so ist es hinreichend, wenn die Bekanntmachung, und die Aufforderung der Mieth- oder Pachtlustigen, sich an einem bestimmten Tage in der Wohnung des Patrons, oder der Kirchenvorsteher zu melden, Drey Sonntage hintereinander von der Kanzel geschieht.
§. 671. Alsdann kann der Contrakt mit dem Meistbietenden, unter Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, von den Vorstehern, ohne Dazwischenkunft der Gerichte oder der geistlichen Obern, gültig abgeschlossen werden.
§. 672. Soll das Grundstück auf länger als Sechs Jahre ausgethan werden, oder übersteigt der Ertrag desselben Fünfzig Thaler: so muß außer der Bekanntmachung von den Kanzeln, eine öffentliche gerichtliche Aufforderung der Mieth- oder Pachtlustigen vorhergehn.
§. 673. Dabey müssen die gesetzlichen Vorschriften von freywilligen Subhastationen beobachtet, und es muß vor dem Zuschlage die Genehmigung der geistlichen Obern eingeholt werden.
§. 674. Sollen Grundstücke dem Kirchenpatrone selbst vermiethet oder verpachtet werden: so ist allemal die Genehmigung der geistlichen Obern dazu nothwendig.
§. 675. Kann ein Kirchengut zum Besten der Kirche nicht verpachtet werden: so sind die eingepfarrten Gemeinen, wo nicht ein Andres hergebracht ist, nur schuldig, die innerhalb der Kirchspielsgränzen gelegenen Grundstücke, gegen Vergütung der in der Gegend üblichen Bestellungs- und Erndtekosten zu bearbeiten, und die Früchte davon einzusammeln.
§. 676. Wo die Vermiethung der Kirchstellen hergebracht ist, da gebührt selbige den Vorstehern.
§. 677. Sie können die Stelle an Eingepfarrte und an Fremde zum Gebrauch überlassen; doch haben die erstern den Vorzug.
§. 678. Die Vorsteher können die hergebrachten Kirchstellen-Gelder ohne Bewilligung der Eingepfarrten nicht erhöhen.
§. 679. Das Vermiethen der Kirchstellen soll niemals nach Art einer öffentlichen Versteigerung geschehen.
§. 680. Bey neu errichteten Kirchen muß die Vertheilung der Stellen von der Vorstehern, unter Beystimmung des Patrons oder Kirchencollegii, und Genehmigung der geistlichen Obern, nach Klassen, oder durch das Loos besorgt werden.
§. 681. Wo nach besondern Verfassungen Kirchstellen gewissen Personen oder Familien erblich verliehen sind, da können die Eigenthümer dieselben an Andre vermiethen, und zum Gebrauche einräumen; auch sie auf ihre Nachkommen vererben.
§. 682. Dagegen können sie das Eigenthum weder unter Lebendigen, noch von Todes wegen, an Andre übertragen.
§. 683. Wenn der Eigenthümer einer solchen Stelle ohne Nachkommen stirbt, oder die Parochie verläßt: so fällt die Stelle an die Kirche zurück.
§. 684. Kirchstühle, die jemanden in Rücksicht seiner Würde oder seines Amts angewiesen sind, können von ihm an Andre auf keine Weise überlassen werden.
§. 685. Kirchstühle, die einem Hause oder Gute für beständig zugeschlagen sind, gehen mit diesem Grundstücke zugleich auf jeden Besitzer desselben, auch wenn er einer andern Religionspartey zugethan ist, über.
Ausgaben aus dem Kirchenvermögen.
§. 686. Die bey der Kirche vorkommenden ordentlichen und bestimmten Ausgaben, sind die Vorsteher, ohne weitere Rückfrage, aus den Kirchenmitteln zu entrichten befugt.
§. 687. In Ansehung der außerordentlichen Ausgaben hingegen, sollen bey jeder Kirche gewisse Summen, nach Bewandniß der Umstände, von den geistlichen Obern bestimmt werden, welche die Vorsteher nicht ohne Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, und diese nicht ohne Approbation der geistlichen Obern, überschreiten dürfen.
§. 688. Bey jeder Parochialkirche sind gewisse Termine zu bestimmen, in welchen die Vorsteher von ihrer Administration Rechnung legen müssen.
§. 689. Bey Patronatkirchen gebührt die Abnahme der Rechnung dem Patron; und muß auf dessen Verlangen in seiner Behausung geschehen.
§. 690. Ist der Patron nicht selbst am Orte wohnhaft: so hängt die Bestimmung, wo die Rechnung am Orte abgenommen werden solle, von ihm ab.
§. 691. Die Kirchengemeine ist der Rechnungsabnahme durch ihre Repräsentanten oder Bevollmächtigte beyzuwohnen berechtigt.
§. 692. Hat die Kirche keinen Patron: so müssen die Vorsteher dem Kirchencollegio die Rechnung ablegen, und findet auch dabey die Vorschrift §. 691. Anwendung.
§. 693. Ist auch kein Kirchencollegium vorhanden: so muß die Rechnung den von der Kirchengemeine dazu ernannten Deputaten abgelegt werden.
§. 694. In allen Fällen ist der Pfarrer, auch wenn er nicht Vorsteher wäre, bey der Rechnungsabnahme zuzuziehen.
§. 695. Die geistlichen Obern müssen von Amts wegen darauf halten, daß die Rechnungslegung zur bestimmten Zeit gehörig erfolge.
§. 696. Bey Gelegenheit einer jeden Kirchenvisitation muß der Erzpriester oder Inspector die, seit der letztvorhergehenden, gelegten Rechnungen nachsehen, und einen Extrakt, in Ansehung der verschiedenen Rubriken von Einnahme und Ausgabe, den geistlichen Obern einsenden.
§. 697. Findet er bey den abgelegten Rechnungen noch Zweifel oder Bedenken: so muß er die Vorsteher darüber vernehmen, und die Sache den geistlichen Obern zur weitern Beurtheilung und Verfügung anzeigen.
§. 698. Die Rechnungen von Königlichen Patronatkirchen; ingleichen von denjenigen, worüber Magistraten oder Communen in den Städten das Patronatrecht zusteht, müssen an das Consistorium zur Revision; und wenn die jährliche Einnahme über Fünfhundert Thaler beträgt, von dem Consistorio an die Oberrechencammer eingesendet werden.
Bau und Besserung der Kirchengebäude.
§. 699. Für die Unterhaltung der Kirchengebäude und Geräthe müssen die Kirchenvorsteher, nebst dem Pfarrer, vorzüglich Sorge tragen.
§. 700. Bey vorfallenden Bauen und Reparaturen muß dem Patron oder Kirchencollegio jedesmal Anzeige gemacht werden.
§. 701. Wo kein Patron oder Kirchencollegium vorhanden ist, mögen die Vorsteher kleine Reparaturen, welche Zehn Thaler nicht übersteigen, bloß mit Zuziehung des Pfarrers, ohne weitere Rückfrage, veranstalten.
§. 702. Ist eine höhere Summe erforderlich: so muß dem Inspector oder Erzpriester davon Anzeige gemacht werden.
§. 703. Dieser kann, wenn die Kosten unter Fünfzig Thalern betragen, und er bey angestellter Prüfung kein Bedenken findet, den Bau oder die Reparatur ohne Rückfrage genehmigen.
§. 704. Sollen aber zu einem Baue, oder zu einer Reparatur, mehr als Fünfzig Thaler aus dem Kirchenvermögen verwendet werden: so wird allemal, auch wenn ein Patron oder Kirchencollegium vorhanden sind, die Genehmigung der geistlichen Obern erfordert.
§. 705. Diesen muß der Erzpriester oder Inspector, nach angestellter Untersuchung, darüber berichten, und einen von Sachverständigen aufgenommenen Kostenanschlag beylegen.
§. 706. Ist von einem neuen Anbaue, oder von einer Erweiterung der Kirchengebäude die Rede: so muß, ohne Unterschied der Fälle, die Approbation der geistlichen Obern eingeholt werden.
Untersuchung der Notwendigkeit und Erforderniß des Baues.
§. 707. Die geistlichen Obern müssen die Nothwendigkeit des Baues prüfen, und die Art desselben bestimmen.
§. 708. In allen Fällen, wo über die Nothwendigkeit oder Art des Baues, oder der Reparatur, oder wegen des dazu zu leistenden Beytrages, unter den Interessenten Streit entsteht, müssen die geistlichen Obern, die Sache gütlich zu reguliren, sich angelegen seyn lassen.
§. 709. Findet die Güte nicht statt: so müssen sie die rechtliche Entscheidung des Streits an die weltliche Obrigkeit verweisen; zugleich aber festsetzen: wie es inzwischen mit dem Baue oder der Reparatur gehalten werden solle.
§. 710. Wo in Ansehung der Kosten zum Baue, und zur Unterhaltung der Kirchengebäude, durch Verträge, rechtskräftige Erkenntnisse, ununterbrochene Gewohnheiten, oder besondere Provinzialgesetze, gewisse Regeln bestimmt sind, da hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 711. In so weit aber, als es an dergleichen besondern Bestimmungen ermangelt, finden nachstehende allgemeine Vorschriften Anwendung.
§. 712. Die Kosten zum Baue und zur Unterhaltung der Kirchengebäude müssen hauptsächlich aus dem Kirchenvermögen genommen werden.
§. 713. Es darf aber davon nicht mehr verwendet werden, als ohne Nachtheil der aus der Kirchencasse zu bestreitenden jährlichen Ausgaben geschehen kann.
§. 714. Auch müssen, bey Landkirchen, die Eingepfarrten in jedem Falle, ohne Unterschied, die nöthigen Hand- und Spanndienste unentgeltlich leisten.
§. 715. Die Vertheilung der Hand- und Spanndienste unter die Eingepfarrten muß nach eben dem Verhältniße geschehen, wie bey Gemeindiensten. (Tit. VII. §. 37. sqq.)
§. 716. Eingepfarrte, welche nicht zu der Gemeine des Dorfs, wo die Kirche liegt, gehören, oder aus irgend einem Grunde von den Gemeindiensten frey sind, müssen dennoch zu den Hand- und Spanndiensten bey Kirchenbauen und Reparaturen beytragen.
§. 717. Ihr Verhältniß dabey wird, in Ansehung der Handdienste, nach der Zahl der Familien, so wie in Ansehung der Spanndienste, nach dem auf ihren Stellen angeschlagenen oder gewöhnlich gehaltenen Gespanne bestimmt.
§. 718. Zu unentgeltlicher Leistung von Arbeiten, welche kunst- oder handwerksmäßige Kenntniß erfordern, ist, auch bey Kirchenbauen und Reparaturen, kein Eingepfarrter verpflichtet.
§. 719. Bey Stadtkirchen werden die erforderlichen Hand- und Spanndienste zu den übrigen Kosten geschlagen.
- Ist das Kirchenvermögen zur Bestreitung der Kosten ganz oder zum Theil nicht hinreichend: so muß der Ausfall von dem Patron und den Eingepfarrten gemeinschaftlich getragen werden.
§. 721. Kein Eingepfarrter kann sich dieser Verbindlichkeit entziehen, und wer eine doppelte Parochie hat, ist in beyden dazu verpflichtet.
§. 722. Auch diejenigen, welche nur vermöge eines besondern Privilegii vom Pfarrzwange der Parochialkirche ihrer Religionspartey befreyt sind, müssen dennoch von ihren im Kirchspiele eigentlich inne habenden Grundstücken zum Baue und Unterhaltung der Pfarrkirche beytragen.
§. 723. Auch Gastgemeinen, welche zu einer benachbarten Kirche gewiesen worden, (§. 294. sqq.) müssen dazu Beytrag leisten.
§. 724. Ist die nothwendige Reparatur während der Zeit ihrer Verbindung entstanden: so können sie sich dieser Pflicht durch Wiederabtrennung von der Kirche, auch bey sonst vorwaltenden erheblichen Gründen einer solchen Trennung, nicht entziehen.
§. 725. Sind mehrere Kirchen nur unter Einem gemeinschaftlichen Pfarrer vereinigt: so dürfen der Patron und die Eingepfarrten einer jeden solchen Kirche nur zur Unterhaltung ihrer eignen Gebäude beytragen.
§. 726. Sind aber mehrere Haupt- oder Filialgemeinen zu Einer gemeinschaftlichen Kirche geschlagen: so sind sämmtliche Patronen und Eingeplante zu deren Unterhaltung verpflichtet.
§. 727. Hat der Patron einer zugeschlagenen Mutter- oder Filialgemeine, bey der Zuschlagung, mit Einwilligung des Hauptpatrons, sich seines Patronalrechts zu Gunsten dieses Letztern gänzlich begeben: so kann er auch bey vorfallenden Bauen und Reparaturen, als Patron, zum Beytrage nicht gezogen werden.
§. 728. Ist einem Theile der Gemeine die Errichtung einer besondern Capelle, oder eines Bethhauses, in einer entlegneren Gegend des Kirchspiels verstattet worden: so muß dennoch dergleichen Capelle, so wie die Hauptkirche, von denjenigen, die zu letztrer verpflichtet sind, unterhalten werden.
§. 729. Baumaterialien, welche der Patron oder die Kirchengemeine selbst hat, müssen von ihnen zum Bau geliefert werden.
§. 730. Doch wird jedem Theile der anschlagsmäßige Preis derselben auf seinen Geldbeytrag zu gute gerechnet.
§. 731. Der Geldbeytrag wird, bey Landkirchen, zwischen dem Patrone und der Kirchengemeine dergestalt vertheilt, daß der Patron Zwey Drittel, die Eingepfarrten aber Ein Drittel entrichten.
§. 732. Besitzt der Patron Rustikalhufen im Kirchspiele: so trägt er davon noch besonders, wie ein andrer Eingepfarrter, mit bey.
§. 733. Wenn mehrere Patronen zum Beytrage verpflichtet sind: so tragen die Patronen die ihnen obliegenden Zwey Drittel unter sich, nach Verhältniß ihres Antheils am Patronatrechte.
§. 734. Der nach §. 731. bestimmte Beytrag der Eingepfarrten wird unter sie nach dem Contributionsfuße vertheilt.
§. 735. Kirchen- Pfarr- Schul- und Hospitaläcker werden zu keinem Beytrage gezogen.
§. 736. Eingepfarrte, deren Grundstücke der Contribution nicht unterworfen sind, müssen ihren Beytrag dennoch nach Verhältniß des Maaßes und Ertrages dieser Grundstücke entrichten.
§. 737. Zu dem Ende werden diese Grundstücke, nach den im Steuercatastro für die contribuablen Aecker der Feldmark angenommenen Classen und Sätzen, durch Sachverständige gewürdigt, und solchergestalt das Verhältniß des zu leistenden Beytrages gegen die steuerbaren Grundstücke bestimmt.
§. 738. Eingepfarrte Gemeinglieder, die keine Grundstücke besitzen, sondern nur von ihren Nahrungen und Gewerben beytragen sollen, werden dazu nach eben dem Verhältnisse angeschlagen, nach welchem sie zu andern Gemeinlasten mit den angesessenen Mitgliedern Beytrag leisten müssen,
§. 739. Wer in Zwey Kirchspielen eingepfarrt ist, trägt in jedem nur nach Verhältniß der in demselben besitzenden Grundstücke, oder des in demselben treibenden Gewerbes bey.
§. 740. Bey Stadtkirchen geschieht die Vertheilung zwischen dem Patrone und den Eingepfarrten dergestalt, daß Ersterer Ein Drittel, Letztere aber Zwey Drittel beytragen.
§. 741. Die Vertheilung unter den Eingepfarrten geschieht auf eben die Art, wie andre gemeine persönliche Lasten und Abgaben nach eines jeden Orts Verfassung aufgebracht werden.
§. 742. Sind Filial- oder auch Mutterkirchen eingegangen, und die dazu eingepfarrt gewesenen Gemeinen zu einer andern benachbarten Kirche geschlagen worden: so werden in der Regel die Mitglieder derselben nach einerley Grundsätzen, wie die Mitglieder der Hauptgemeine, zum Beytrage gezogen.
§. 743. Die einzelnen Mitglieder bloßer Gastgemeinen entrichten jeder den Vierten Theil dessen, was ein Contribuent von eben der Classe aus der eigentlichen Pfarrgemeine zu leisten hat.
§. 744. Ist ihnen aber bey der Zuschlagung die Theilnehmung an dem Wahlrechte zur Besetzung der Pfarrstelle zugestanden worden: so müssen sie auch zu den Bau- und Reparaturkosten der Kirche, gleich den Mitgliedern der eigentlichen Pfarrgemeinen beytragen.
§. 745. Einwohner des Kirchspiels, die zu einer andern Religionspartey gehören, müssen dennoch nach eben diesen Grundsätzen beytragen, sobald sie sich der Kirche zu ihrem Gottesdienste mit bedienen.
§. 746. Außer diesem Falle sind sie zwar zu Beyträgen in der Regel nicht verpflichtet.
§. 747. Es dürfen aber auch, wegen ihres Ausfalles, die Beyträge der übrigen, wider deren Willen, nicht erhöhet werden; sondern die geistlichen Obern müssen für die Uebertragung eines solchen Ausfalles auf andre Art sorgen.
§. 748. Gleiche Grundsätze gelten auch bey der Vertheilung der Hand- und Spanndienste.
§. 749. Auf die Ausfälle, welche durch den zurückbleibenden Beytrag solcher nicht eingepfarrten Gemeinglieder entstehn, muß vornämlich der von der Kirche, nach Maßgabe ihres Vermögens, zu entrichtende Zuschuß gerechnet werden.
§. 750. Kann der Ausfall dadurch nicht gedeckt werden: so können die geistlichen Obern die Bewilligung einer Collekte bey dem Staate nachsuchen.
§. 751. Sind gar keine andre Mittel, den Ausfall zu decken, vorhanden: so muß derselbe von den Eingepfarrten, so weit es ohne ihre erhebliche Bedrückung geschehen kann, übertragen werden.
§. 752. Hat aber die Zahl der Eingepfarrten dergestallt abgenommen, daß die noch übrigen den ihnen obliegenden Beytrag, ohne ihren zu besorgenden Ruin, nicht mehr auf bringen können: so müssen die geistlichen Obern, unter Genehmigung des Staats, eine solche Parochie zu einer andern benachbarten schlagen.
§. 753. Dergleichen zusammengeschlagene Parochien stehen in dem Verhältnisse gegen einander als Mutterkirchen.
§. 754. Wie weit der Patron und die Eingepfarrten der zugeschlagenen Parochie, auch in Ansehung der Bestellung des Pfarrers und der Unterhaltung der Kirche, so wie in Ansehung der übrigen Rechte und Pflichten, zur Theilnehmung mit dem Patrone und den Eingepfarrten der Kirche, bey welcher sie vereinigt sind, gelangen sollen, muß in dem Einigungsvertrage, unter Vermittelung der geistlichen Obern, deutlich bestimmt werden.
§. 755. So weit dergleichen Bestimmung nicht erfolgt, treten die Regeln der Gesetze über die Verhältnisse vereinigter Mutterkirchen, ihrer Patronen und Eingepfarrten ein.
§. 756. Das Vermögen jeder Parochie wird in der Regel nach wie vor besonders verwaltet; doch muß jedes derselben zur Unterhaltung der gemeinschaftlichen Kirche, so lange die Vereinigung dauert, in gleichem Verhältnisse beytragen.
§. 757. Die Aufsicht über den Bau, und die Einsammlung der Beyträge dazu, liegt den Kirchenvorstehern ob.
§. 758. Der weltliche Richter kann denselben, zur Beytreibung der letztern, die rechtliche Hülfe auf gebührendes Anmelden nicht versagen.
§. 759. Auch während eines über die Verbindlichkeit, oder das Quantum des Beytrages entstandenen Prozesses, muß letzterer nach der Festsetzung der geistlichen Obern entrichtet werden.
§. 760. Wenn aber der klagende Interessent durch Urtel und Recht von diesem Beyträge ganz oder zum Theil frey gesprochen wird: so muß demselben das Gezahlte, nebst Zinsen, von den übrigen Contribuenten zurückgegeben werden.
Bau und Besserung der Kirchhöfe.
§. 761. Die Unterhaltung der Begräbnißplätze ist gemeine Last, und liegt allen ob, die an dem Kirchhofe Theil zu nehmen berechtigt sind. (§. 183. sqq.)
§. 762. Erhält jedoch die Kirche Bezahlung für die Grabstellen: so muß der Kirchhof aus der Kirchencasse auf eben die Art, wie die Kirche selbst, unterhalten werden.
§. 763. Der Patron ist der Regel nach zur Unterhaltung des Kirchhofes beyzutragen in keinem Falle verpflichtet.
§. 764. Die Anlegung neuer Begräbnißsplätze soll nur aus erheblichen Ursachen, und nur unter Einwilligung der geistlichen Obern, so wie der Polizeyvorgesetzten des Orts, statt finden.
§. 765. Durch dergleichen neue Anlagen soll dem Pfarrer und Kirchenbedienten an ihren bisherigen Gebühren nichts entzogen werden.
§. 766. In wie fern eine Kirchengesellschaft, welche sich des Geläutes einer andern Kirche bedient, zur Unterhaltung desselben, ingleichen des Glockenstuhls und Thurmes, beytragen müsse, hängt hauptsächlich von Verträgen, und der bisherigen ununterbrochenen Gewohnheit eines jeden Orts ab.
§. 767. Fehlen dergleichen Bestimmungen: so kommt es darauf an: ob die fremde Kirchengesellschaft derjenigen, welcher die Glocken gehören, für den Mitgebrauch derselben etwas entrichte, oder ob sie sich dieses Mitgebrauchs unentgeltlich zu erfreuen habe.
§. 768. Entrichtet die fremde Kirchengesellschaft etwas für den Mitgebrauch: so kann diejenige, welcher das Geläute gehört, zur Unterhaltung desselben keinen Beytrag fordern.
§. 769. Eben das findet statt, wenn auch nur die Mitglieder der fremden Kirchengesellschaft für den Gebrauch der Glocken, in einzelnen Fällen mehr, als die Mitglieder derjenigen, welcher das Geläute gehört, zur Kirchencasse entrichten müssen.
§. 770. Ist der Mitgebrauch ganz unentgeltlich; oder zahlen die Mitglieder der fremden Gesellschaft dafür in einzelnen Fällen nur eben so viel, als die eigentlichen Eingepfarrten: so müssen erstere zur Unterhaltung des Geläutes nach eben dem Verhältnisse, wie letztere, beytragen.
§. 771. Werden in diesem Falle die Kosten aus der Kirchencasse genommen; also, daß die eigentlichen Eingepfarrten nichts beytragen dürfen: so muß dennoch die fremde Kirchengesellschaft einen von den geistlichen Obern billig zu bestimmenden Beytrag leisten.
Zehnter Abschnitt. Von Pfarrgütern und Einkünften
§. 772. Von dem Kirchenvermögen müssen die unmittelbar zur Unterhaltung des Pfarrers und der übrigen Kirchenbedienten bestimmten Güter und Einkünfte unterschieden werden.
§. 773. Zu letzern gehören auch die von den Parochialverrichtungen zu erlegenden Stolgebühren.
§. 774. Pfarrgüter haben eben die äußern Rechte, als Kirchengüter.
§. 775. Sie sind der Regel nach von allen Prästationen und Abgaben an die Gutsherrschaft oder Stadtcämmerey, so wie von den gemeinen Lasten frey.
§. 776. Zu solchen Ausgaben der Gemeine, wovon der Pfarrer und die Gemeine unmittelbaren Vortheil ziehen, müssen sie mit beytragen.
§. 777. Pfarr- und Küstergüter sind, gleich den Kirchengütern, von der ordentlichen Realgerichtsbarkeit des Orts ausgenommen.
§. 778. Die Verwaltung und der Nießbrauch der Pfarrgüter gebührt dem Pfarrer.
§. 779. Der Patron und die Kirchenvorsteher sind schuldig und befugt, darauf zu sehen, daß der Pfarrer die Wiedmuthsstücke ordentlich verwalte, und wirthschaftlich nutze.
§. 780. Besonders müssen sie dafür sorgen: daß ein richtiges und vollständiges Wohnungs-, Wirthschafts-, Garten- und Feldinventarium gehalten werde.
§. 781. Wenn Streit entsteht, was an Grundstücken, Gebäuden, Inventarien, Capitalien, oder jährlichen Hebungen, zur Kirche oder Pfarre gehöre: so muß bey dessen Entscheidung auf die vorhandenen Kirchenmatrikeln vorzüglich Rücksicht genommen werden.
§. 782. Der Pfarrer kann seine Wohngebäude nur mit Einwilligung des Patrons und der Kirchenvorsteher vermiethen; diese aber dürfen ihm die Einwilligung ohne erhebliche Gründe nicht versagen.
§. 783. Bey Aufnehmung der Fremden ist der Pfarrer den Polizeygesetzen, gleich jedem andern Einwohner, unterworfen.
§. 784. Die Unterhaltung der Zäune und Gehege, so wie kleine Reparaturen an den Gebäuden, müssen die Pfarrer und Kirchenbedienten aus eignen Mitteln besorgen.
§. 785. Für kleine Reparaturen sind diejenigen zu achten, die entweder gar keine baaren Auslagen erfordern, oder wo die Kosten, von jeder einzeln genommen, für den Pfarrer nicht über Drey, und für den Kirchenbedienten nicht über Einen Thaler betragen.
§. 786. Thüren, Fenster, Oefen, Schlösser, und andere dergleichen innere Pertinenzstücke der Gebäude, müssen von dem Nießbraucher, mit eignen Kosten, ohne Rücksicht auf den Betrag derselben, unterhalten werden.
§. 787. Auch zu größern Reparaturen der Pfarrgebäude, so wie zu neuen Bauen, muß der Pfarrer die Materialien, so weit als dieselben bey der Pfarre über die Wirthschaftsnothdurft befindlich sind, unentgeltlich hergeben.
§. 788. Woher die übrigen Kosten, in Ermangelung eines eignen dazu bestimmten Fonds, zu nehmen sind, ist nach den vorhandenen verschiedenen Provinzialgesetzen zu bestimmen.
§. 789. Wo darüber keine besondere gesetzliche Bestimmung vorhanden ist, da müssen diese Kosten, gleich den Bau- und Reparaturkosten der Kirche selbst, aus dem Kirchenvermögen genommen; bey dessen Unzulänglichkeit aber, von dem Patron und den Eingepfarrten getragen werden.
§. 790. Wegen Aufbringung und Vertheilung der Beyträge finden eben die Grundsätze wie bey Kirchengebäuden statt.
§. 791. Doch sind Filial- und zugeschlagene Gemeinen von allen Beiträgen zu Pfarr- und Küstergebäuden bey der gemeinschaftlichen Kirche frey, wenn sie eigne dergleichen Gebäude zu unterhalten haben.
§. 792. Dagegen ist eine solche Filial- und zugeschlagene Gemeine von dem Beyträge zur Unterhaltung des Küstergebäudes bey der gemeinschaftlichen Kirche nicht frey, wenn sie gleich einen eignen Schulmeister hat; sobald dieser das Küsteramt bey dem Gottesdienste nicht zugleich mit versieht.
§. 793. Predigerwittwenhäuser ist in der Regel weder die Kirchencasse, noch der Patron, oder die Gemeine, zu unterhalten verbunden.
§. 794. Vielmehr müssen die Kosten aus dem von dem Erbauer dazu ausgesetzten Fond genommen; und bey dessen Ermangelung oder Unzulänglichkeit, von der Wittwe, gegen den ihr zu gute kommenden Genuß der freyen Wohnung, getragen werden.
§. 795. Ist aber das Haus von dem Patrone und der Gemeine selbst errichtet; oder sonst mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung zu Pfarre geschlagen worden: so gilt von desselben Unterhaltung alles, was von Unterhaltung der Pfarrgebäude verordnet ist.
§. 796. Den Kirchenvorstehern liegt vorzüglich ob, darauf zu sehen, daß der Pfarrer, und die übrigen zu kleinen Reparaturen verpflichteten Personen, den Schaden nicht größer werden lassen.
§. 797. Die geistlichen Obern müssen, bey Gelegenheit der Visitationen, die Pfarrer und Kirchenbedienten zu ihrer Schuldigkeit, auch in diesem Stücke, ernstlich anhalten lassen.
§. 798. Hat ein Pfarrer oder Kirchenbedienter durch Vernachläßigung der kleinen Reparaturen, oder durch schuldbar unterlassene Anzeige eines vorhandenen beträchtlichen Schadens, zur Vergrößerung desselben Anlaß gegeben: so muß die Wiederherstellung auf desselben eigne Kosten geschehen.
§. 799. Für die Unterhaltung des Garten-, Feld- und Wirthschaftsinventarii muß der Pfarrer als Nießbraucher sorgen.
§. 800. Pfarräcker kann der Pfarrer ohne weitere Rückfrage verpachten; sein Amtsfolger ist aber an den von ihm geschlossenen Vertrag nicht gebunden.
§. 801. Doch muß der Amtsfolger, wenn die Aecker in gewisse Felder getheilt sind, den Pächter so lange dulden, bis derselbe mit der Nutzung wenigstens Einmal, von Anfang der Pacht an, durch alle Felder herumgekommen ist.
§. 802. Trift die Anstellung des Nachfolgers in eine Zeit, da der Pächter die Benutzung der Felder nach der Reihe bereits von neuem wieder angefangen hat: so muß der Nachfolger sich die Fortsetzung der Pacht so lange, bis die Reihe wieder herum ist, gefallen lassen.
§. 803. Ist der Pachtcontrakt mit Zuziehung des Patrons und der Vorsteher, und unter ausdrücklicher Bestätigung der geistlichen Obern geschlossen worden: so ist auch, der Amtsfolger daran gebunden.
§. 804. Gehört ein Wald zur Pfarre: so kann der jedesmalige Pfarrer denselben nach den Regeln der Forstordnung nutzen.
§. 805. Er ist aber Bauholz daraus zu verkaufen nicht berechtigt.
§. 806. Dergleichen Bauholz muß, so weit es ohne Abbruch des benöthigten Brennholzes für den Pfarrer geschehen kann, geschont, und zu vorkommenden Bauen und Reparaturen an den Pfarrer- und Küstergebäuden aufbewahrt werden.
§. 807. Ist überflüßiges Bauholz vorhanden: so können die Vorsteher, unter Genehmigung des Patrons oder Kirchencollegii, oder in deren Ermangelung, der Gemeine, oder ihrer Repräsentanten, dasselbe verkaufen, und das gelösete Geld zinsbar belegen.
§. 808. Dergleichen Capital gehört zum Pfarrvermögen, und muß vorzüglich zu vorkommenden Bau- und Reparaturkosten an den Pfarr- und Küstergebäuden verwendet werden.
§. 809. So lange es aber zu diesem Behufe noch nicht gebraucht wird, kommen die Zinsen davon dem jedesmaligen Pfarrer zu gute.
§. 810. Auch Brennholz ist der Pfarrer nur so weit zu verkaufen berechtigt, als entweder der Pfarrwald in gewisse Schläge eingetheilt, und ihm solchergestalt zum Nießbrauche eingeräumt, oder ihm ein gewisses Deputat daraus angewiesen ist, und er von diesem etwas erübrigen kann.
§. 811. Außer diesem Falle findet bey Brennholz, wenn etwas davon ohne Abbruch der Nothdurft des Pfarrers verkauft werden kann, eben das statt, was §. 807-809. wegen des Bauholzes verordnet ist.
§. 812. Ist auf dem eigentlichen Hufenschlage der Pfarre Holz gewachsen: so kann ein nachfolgender Pfarrer zwar verlangen, daß dasselbe entweder auf Kosten desjenigen, der eine solche Veränderung in der ursprünglichen Bestimmung des Grundes eigenmächtig vorgenommen hat, oder auf Kosten der Pfarr- oder Kirchencasse, weggeschafft und geradet werde.
§. 813. Er kann aber weder an das geschlagene Holz, noch an das dafür gelösete Geld Anspruch machen; sondern dieses verbleibt demjenigen, welcher die Kosten der Radung getragen hat.
§. 814. Die Früchte und wirtschaftlichen Nutzungen von einzelnen auf dem Felde stehenden Obst- und andern Bäumen, gehören dem Pfarrer; an die Substanz der Bäume hingegen hat er keinen Anspruch.
§. 815. Wo gewisse Dienst- oder Frohnleute zur Pfarre geschlagen sind, hat der Pfarrer, in Ansehung ihrer Dienste, eben die Rechte, wie ein Gutsherr gegen seine Unterthanen.
§. 816. Gerichtsbarkeit und andre gutsherrliche Rechte stehen dem Pfarrer über sie nur alsdann zu, wenn er dergleichen Gerechtsame durch Beleihung vom Staate, oder durch Verjährung, besonders erworben hat.
§. 817. Sind dergleichen Rechte in der Matrikel mit aufgeführt: so streitet die Vermuthung für den Pfarrer, daß dieselben auf eine rechtsgültige Weise zur Pfarre erworben worden.
§. 818. Die Nutzung des Kirchhofs gehört der Regel nach nicht dem Pfarrer, sondern zu den Kircheneinkünften.
§. 819. Wenn jedoch ein Pfarrer den Kirchhof mit Maulbeerbäumen bepflanzt, und für deren Abwartung und Cultur gehörig sorgt: so gebührt demselben die ganze Nutzung des Kirchhofs, sowohl an Gras als Früchten.
§. 820. Will der Pfarrer sich mit Anpflanzung und Cultur der Maulbeerbäume solchergestalt nicht befassen: so steht dieses dem Küster frey; welcher dagegen eben dieselben Vortheile von dem Kirchhofe zu genießen hat.
§. 821. Ob und in wie fern den Pfarrern, und andern Kirchenbedienten, die Accise- oder Abschoßfreyheit, das Recht zum Haustrunke, und andre dergleichen besondre persönliche Vorrechte zukommen, wird in den Provinzialgesetzen näher bestimmt.
Auseinandersetzung zwischen dem an- und abziehenden Pfarrer.
§. 822. Bey der Einweisung eines neuen Pfarrers, muß demselben Wohnung und Wirthschaft von den Vorstehern, unter Aufsicht und Direction des Patrons, oder des Erzpriesters, oder Kreisinspectors, nach dem Inventario übergeben werden.
§. 823. Die Auseinandersetzung zwischen dem abgehenden Pfarrer oder dessen Erben, und der Kirche, in Ansehung der Substanz; so wie mit dem neuen Pfarrer, in Ansehung der Nutzungen, geschieht nach den in der Lehre vom Nießbrauche vorgeschriebenen Gesetzen. (Th. I. Tit. XXI. §. 111. sqq.)
§. 824. Wo daselbst zu Verbesserungen, die dem Nießbraucher vergütet werden müssen, die Einwilligung des Eigenthümers erfordert wird, da ist bey einem Pfarrer die Einwilligung des Patrons oder Kirchencollegii, und die Genehmigung der geistlichen Obern erforderlich.
§. 825. So weit dergleichen Verbesserungen dem abgehenden Pfarrer, oder dessen Erben, vergütet worden, werden dieselben der Pfarre einverleibt; und es gilt davon, in Ansehung der folgenden Fälle, alles das, was von Pfarrgütern überhaupt verordnet ist.
§. 826. Hat der neue Pfarrer die Vergütung solcher Verbesserungen aus eignen Mitteln geleistet: so können er, oder seine Erben, bey seinem erfolgenden Abgange, die Vergütung des dafür Gezahlten von dem Nachfolger fordern.
§. 827. Dergleichen einem Vorgänger von seinem Nachfolger zu leistende Vergütung dauert, auch bey nachherigen Amtsveränderungen, so lange fort, als nicht etwa auch dieser Werth der Verbesserung, so wie die Verbesserung selbst, der Pfarre einverleibt worden.
§. 828. Hat aber der neue Pfarrer dem abgehenden, oder dessen Erben, Verbesserung, für welche dieselben keine Vergütung fordern, sondern sie nur zurücknehmen konnten, bezahlt: so werden dieselben der Pfarre dadurch nicht einverleibt; der Pfarrer kann aber auch dafür, bey seinem demnächst erfolgenden Abgange, keinen Ersatz fordern.
§. 829. Vielmehr tritt er, in Ansehung der Befugniß zur Zurücknahme, nur in die Rechte des ursprünglichen Verbesserers.
§. 830. Soll gegen diese Regeln etwas durch Vertrag, zwischen der Kirche und Pfarre an einer, und dem abgehenden Pfarrer oder dessen Erben, ingleichen dem neuen Pfarrer, an der andern Seite, festgesetzt werden: so ist dazu die Genehmigung der geistlichen Obern nothwendig.
§. 831. Auch wegen der Auseinandersetzung über die Nutzungen gelten, so weit ausdrückliche Provinzialgesetze nicht ein Andres bestimmen, die bey dem Nießbrauche vorgeschriebenen Regeln. (Th. I. Tit. XXI. §. 143. sqq.)
§. 832. Doch kommen die Stolgebühren nur demjenigen zu, welcher die Handlung verrichtet hat.
§. 833. Das Sterbequartal kommt der Wittwe und den Kindern des im Amte gestorbenen Pfarrers zu gute.
§. 834. Doch müssen dieselben davon die Begräbnißkosten, so weit die Einkünfte dazu hinreichen, bestreiten.
§. 835. Zum Nachtheile der Gläubiger des verstorbenen Pfarrers, können auch seine Wittwe und Kinder auf das Sterbequartal keinen Anspruch machen.
§. 836. Dagegen kann ihnen der Mann und Vater diesen Genuß durch letztwillige Verordnung, zu Gunsten andrer Erben, nicht entziehen.
§. 837. Sowohl das Amtsjahr, als das Sterbequartal, werden von dem ersten Tage desjenigen Monaths, in welchem der Pfarrer eingewiesen worden, berechnet.
§. 838. Das Gnadenjahr, oder die Gnadenzeit, findet nur bey den protestantischen Pfarren, und nur an Orten statt, wo es durch Provinzial-Kirchenordnungen eingeführt, oder durch Gewohnheit hergebracht ist.
§. 839. Es gebührt nur der hinterlassenen Wittwe, und solchen Kindern des Pfarrers, die sich bey seinem Absterben noch in seiner väterlichen Gewalt befunden haben.
§. 840. Enkel und bloß angenommene Kinder des verstorbenen Pfarrers können darauf nur in so fern Anspruch machen, als sie sich zur Zeit seines Ablebens in seinem Hause und in seiner Verpflegung befunden haben.
§. 841. Wittwen, welche nach der Verfassung des Orts einen Wittwengehalt empfangen, können in der Regel kein Gnadenjahr fordern.
§. 842. Den Wittwen und den Kindern eines Pfarrers, der sein Amt gänzlich niedergelegt, und nur noch ein Gnadengehalt davon genossen hat, gebührt kein Gnadenjahr.
§. 843. War aber der Pfarrer noch im Amte geblieben, und war ihm nur ein Substistut zugeordnet worden: so genießen seine Wittwe und Kinder die ihm vorbehaltnen Einkünfte während der Gnadenzeit.
§. 844. Die Dauer der Gnadenzeit ist nach jedes Orts Gewohnheit bestimmt.
§. 845. Das Sterbequartal wird in die Gnadenzeit nicht mit eingerechnet.
§. 846. Das Gnadenjahr bleibt der Wittwe und den Kindern, wenn sie auch ihres Mannes und Vaters Erben nicht geworden sind.
§. 847. Doch können rechtmäßig enterbte Kinder keinen Anspruch darauf machen.
§. 848. Ist eine Wittwe vorhanden, so gebührt derselben allein das Gnadenjahr; sie muß aber dagegen für den Unterhalt des Kindes unentgeltlich sorgen.
§. 849. Stirbt die Wittwe während des Gnadenjahrs, so wird der Genuß von den nach §. 839. 840. dazu berechtigten Kindern des Pfarrers fortgesetzt.
§. 850. Genießen nur Kinder das Gnadenjahr; und stirbt während des Genusses eins derselben: so wächst dessen Portion den übrigen zu.
§. 851. Andre als die §. 839. 840. benannte Wittwen und Kinder des verstorbenen Pfarrers, können auf eine Gnadenzeit niemals Anspruch machen.
§. 852. Was von den Einkünften der Pfarre während der Vacanz, nach Abzug der Vertretungskosten, übrig bleibt, wächst, wo kein Gnadenjahr statt findet, dem Pfarrvermögen zu.
§. 853. Die Stolgebühren gehören der Regel nach weder zum Gnadenjahre, noch zum Pfarrvermögen; sondern sie kommen demjenigen zu, der die Handlung, wofür sie erlegt werden müssen, verrichtet hat.
§. 854. Wo es hergebracht ist, daß auch die Stolgebühren zum Gnadenjahre gehören, da müssen die im Genusse des Letztern befindliche Wittwe und Kinder diejenigen, welche die Handlung verrichtet haben, für die dabey vorgefallenen Reise- und Zehrungskosten schadlos halten.
§. 855. Sowohl im Sterbequartale, als im Gnadenjahre, müssen diejenigen, welche die Pfarreinkünfte genießen, denjenigen, welche den Gottesdienst versehen, die in der Provinz oder im Kreise gewöhnliche Entschädigung, so weit sie nicht durch die Stolgebühren erfolgt, gewähren.
§. 856. Kommt das Sterbequartal und Gnadenjahr verschiedenen Personen zu: so müssen die Nutzungen unter sie nach Verhältniß der Zeit getheilt werden.
Eilfter Abschnitt. Von Zehnten und andern Pfarrabgaben
§. 857. Der eigentliche Zehnte ist eine Abgabe von Früchten, die auf der zur Parochie gehörigen Feldmark erzeugt werden.
§. 858. Ursprünglich ist der Zehnte zur Unterhaltung des Pfarrers bestimmt; er kann aber auch von der Kirche, so wie von jedem Andern, erworben und besessen werden.
§. 859. Bey Zehnten, die sich in den Händen eines weltlichen Besitzers befinden, hat, wenn sie auch ursprünglich Pfarrzehnten sind, die Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses auf das Recht, sie zu fordern, keinen Einfluß.
§. 860. Daraus, daß eine Kirche die Eigenschaft einer Parochialkirche hat, folgt noch nicht, daß die Eingepfarrten zur Entrichtung eines Zehenten verbunden sind.
§. 861. Der Pfarrer und die Kirche können das Zehentrecht auf eben die Art, wie jedes andere Recht, auch durch die ordentliche Verjährung erwerben.
§. 862. Wenn ein Laye den durch Verjährung geschehenen Erwerb eines ursprünglichen Pfarr- oder Kirchenzehnten gegen den Pfarrer oder die Kirche behaupten will: so müssen alle Erfordernisse der Kirchenverjährung vorhanden seyn.
§. 863. Zwischen Layen, die über den Besitz eines ursprünglichen Kirchen- oder Pfarrzehenten unter einander streiten, ist die gewöhnliche Verjährung zur Entscheidung hinreichend.
§. 864. Alle, auch über Pfarr- und Kirchenzehnten entstehende Streitigkeiten, gehören zur Entscheidung des weltlichen Richters.
§. 865. Sobald ausgemittelt ist, daß dem Zehentberechtigten, der einen ursprünglichen Pfarr- oder Kirchenzehent besitzt, das Zehentrecht über eine gewisse Feldmark zustehe, gilt die Vermuthung, daß alle in dieser Feldmark gelegene Grundstücke demselben unterworfen sind.
§. 866. Zehentsteine beweisen kein allgemeines Zehentrecht; sondern nur, daß derjenige, dessen Zeichen darauf befindlich ist, ein Zehentrecht in dem innerhalb der Steine gelegenen Bezirke auszuüben befugt sey.
§. 867. Wer zehentfreye Aecker neben zehentpflichtigen erwirbt, oder zehentfreye Wiesen, Weiden, und Holzungen, in Saatland verwandeln, und mit zehentpflichtigen Ländereyen vereinigen will, muß dem Zehentherrn davon Anzeige machen, und in Gegenwart desselben, oder dessen Bevollmächtigten, das zehentfreye Land von dem zehentpflichtigen durch Gränzmale absondern.
§. 868. Hat er dies nicht beobachtet: so ist die Vermuthung wider ihn; und er muß bey entstehendem Streite, die Gränzen des zehentfreyen Landes vollständig nachweisen.
§. 869. Die sonstigen Eigenschaften und Vorrechte eines innerhalb des Zehentbezirks gelegenen Grundstückes begründen noch nicht die Befreyung vom Zehenten.
§. 870. Wenn jedoch der Inhaber sich seit Zehn Jahren im ruhigen Besitze der Zehentfreyheit befindet; so wird dadurch die aus der Lage des Grundstücks entstandene rechtliche Vermuthung gehoben.
§. 871. Kann aber die zehentpfiichtige Eigenschaft des Grundstücks auf andere Art nachgewiesen werden: so geht die Befugniß, den Zehenten zu fordern, für die Kirche oder dem Pfarrer nur durch einen Vier und vierzigjährigen Nichtgebrauch, unter den im Titel von der Verjährung enthaltenen Bestimmungen verloren. (Th. I. Tit. IX. §. 509. 510. 511.)
§. 872. Wenn der Besitzer eines an sich zehentbaren Grundstückes, für seine Person, wegen Verschiedenheit seines Religionsbekenntnisses, von Entrichtung des Zehenten frey ist: so ruht inzwischen das Zehentrecht; und es kann, während dieses Besitzes, keine Verjährung wider die Kirche oder den Pfarrer anfangen.
§. 873. Auch werden die Jahre eines solchen Besitzes von dem Zeitraume, in welchem die Verjährung gegen die Kirche oder den Pfarrer gehörig angefangen und fortgesetzt worden, abgerechnet.
§. 874. Der Zehente besteht, der Regel nach, in dem Zehenten Theile der auf dem zehentpflichtigen Lande gewachsenen, und dem Zehentrechte unterworfenen Früchte.
§. 875. Wo der Zehente überhaupt und ohne weitere Bestimmung hergebracht ist, wird darunter nur der sogenannte Großzehente verstanden.
§. 876. Dieser muß von allen Erzeugnissen der zehentpflichtigen Aecker und Wiesen, welche der Halm trägt, entrichtet werden.
§. 877. Der Zehentberechtigte kann dem Zehentpflichtigen nicht vorschreiben: wie derselbe das Grundstück bestellen und nutzen solle.
§. 878. Baut aber der Zehentpfiichtige eine andre Art von Erzeugnissen, als wozu das Grundstück bisher gewöhnlich genutzt worden: so muß er auch davon den Zehenten entrichten.
§. 879. Kann diese Art der Berichtigung, nach der Natur und Beschaffenheit des anderweitig gebaueten Erzeugnisses, oder aus andern Ursachen nicht statt finden: so muß der Zehentpflichtige eben so viel, als der Zehente von einem Acker gleicher Größe, in demselben Felde beträgt, in dem Erzeugnisse der gewöhnlichen Art entrichten.
§. 880. Früchte, die im Brachfelde gebauet werden, sind der Regel nach zehentfrey.
§. 881. Hat aber der Zehentpflichtige das Brachfeld so genutzt, daß dadurch der Ertrag der künftigen Erndte offenbar geschmälert wird: so muß er den Zehentberechtigten deshalb entschädigen.
§. 882. Sowohl, ob eine solche dem Zehentberechtigten schädliche Brachnutzung vorhanden sey; als wie viel der demselben daraus entstandene Ausfall betrage, muß, wenn kein gütliches Abkommen statt findet, nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen bestimmt werden.
§. 883. Diese müssen dabey auf das Verhältniß des Ertrages benachbarter Aecker von eben derselben Beschaffenheit, bey welchen die Brache landüblich genutzt worden, Rücksicht nehmen.
§. 884. Läßt der Zehentpflichtige die zum Winter- oder Sommerfelde gehörigen Ländereyen, aus Nachläßigkeit, oder unordentlicher Wirthschaft, ganz oder zum Theil unbebauet liegen: so ist der Zehentberechtigte befugt, dieselben in Cultur zu nehmen; und der Eigentümer hat auf die davon gewonnenen Früchte gar keinen Anspruch.
§. 885. Nimmt der Zehentpflichtige eine Art von Cultur vor, wodurch die Gestalt und Bestimmung des Grundstücks gänzlich verändert wird: so muß er den Zehentberechtigten, wegen des dadurch erleidenden Verlustes, auf andre Art schadlos halten.
§. 886. Zum Maaßstabe dieser Entschädigung muß der Durchschnitt des Zehentertrages von den letzten Sechs Jahren vor der Veränderung angenommen werden.
§. 887. Können die Parteyen sich über diese Art der Entschädigung nicht vereinigen: so muß dieselbe, für jedes Jahr, nach der Vorschrift des §. 879. bestimmt werden.
§. 888. Eine bloße Veränderung in der Eintheilung der Felder, oder in der Art der Bedüngung, oder die Verminderung der Aussaat durch Anlegung künstlicher Wiesen, geben dem Zehentberechtigten keinen Anspruch auf Schadloshaltung.
§. 889. Auch von solchen Aeckern, welche nicht gewöhnlich, sondern, nur zuweilen gebauet werden, ist der Zehente, so oft sie wirklich bestellt sind, zu entrichten.
§. 890. Kirchen- und Pfarrzehente können zwar auch von ausgetrockneten Sümpfen, geradeten Wäldern und Wiesen, und andern ganz neu in Cultur gebrachten Aeckern, in so fern dieselben im Zehentdistricte liegen, gefordert werden.
§. 891. Es kommt aber den Besitzern eine zwölfjährige Befreyung, von der Zeit an, wo dergleichen Neuland zuerst wirklich bestellt worden, zu statten.
§. 892. Zehentberechtigte weltlichen.Standes können den Zehenten von solchem Neulande nur alsdann fordern, wenn er ihnen ausdrücklich mit verliehen worden.
§. 893. Für Neuland ist es nicht zu achten, wenn der Zehentpflichtige Hecken, Bäume, Gesträuche oder Graben, welche an sich auf dem zehentbaren Lande befindlich sind, auf eine oder die andre Art zu Acker einrichtet, und bestellt.
Art der Entrichtung des Großzehenten.
§. 894. Der Zehente muß von den Früchten, ohne Abzug der Bestellungskosten und Abgaben, entrichtet werden.
§. 895. Der Empfänger muß denselben auf dem Felde, aus den aufgesetzten Garben oder Haufen, wie sie folgen, annehmen; doch kann er mit dem Abzählen da, wo er selbst will, den Anfang machen.
§. 896. Auch kann er von einem Acker, auf einen andern des nämlichen Besitzers, die Garben oder Haufen fortzählen.
§. 897. Bey diesem Fortzählen steht es ihm frey: ob er an dem obern oder untern Ende des folgenden Ackers den Anfang machen will.
§. 898. Bleiben zuletzt noch Früchte übrig, die keine Zehentgarbe ausmachen: so werden dieselben, zur Mitzählung auf das folgende Jahr, dem Berechtigten vorbehalten.
§. 899. Wo die Feldfrüchte in Mandeln oder Hocken aufgesetzt werden, da kann der Zehentberechtigte verlangen, daß die bey der Abzählung übrig gebliebenen einzelnen Mandeln oder Hocken auseinander genommen, und ihm von den darin enthaltenen Farben der Zehente verabfolgt werde.
§. 900. Der Zehentberechtigte muß, wenn er zur Zeit der Erndte nicht selbst gegenwärtig seyn kann oder will, einen Abzehentner in der Nähe bestellen, und denselben dem Zehentpflichtigen zeitig bekannt machen.
§. 901. So bald dem Zehentberechtigten, oder dessen Abzehntner, gemeldet worden, daß die Früchte zum Abzählen, in Bereitschaft stehen, müssen sich dieselben unverzüglich einfinden.
§. 902. Der Zehentpflichtige ist nicht schuldig, länger als Zwölf Stunden nach der Anzeige auf das Abzählen zu warten.
§. 903. Vielmehr kann er alsdann, in Gegenwart oder mit Zuziehung der Dorfgerichte, oder zweyer an sich glaubwürdigen Zeugen, auf Kosten des Berechtigten den Zehenten selbst ausstoßen, und auf dem Felde liegen lassen.
§. 904. Nöthigt die Witterung den Zehentpflichtigen, mit der Einführung der Früchte zu eilen: so ist es genug, wenn die Anzeige dem Zehentherrn, oder dessen Abzehntner, nur Sechs Stunden vor dem Einfahren geschieht.
§. 905. Dagegen ist aber auch der Zehentpflichtige schuldig, wenn der Zehentsammler auf der Flur mit der Abzählung schon wirklich beschäftigt ist, so lange zu warten, bis derselbe auf seinen Acker kommen kann.
§. 906. Säumt der Zehentsammler geflissentlich: so haftet er dem Zehentpflichtigen für allen dadurch erweislich entstandenen Schaden.
§. 907. Sind aber, mit Vernachläßigung obiger Vorschriften, die Früchte vor Ausstoßung des Zehenten eingeführet worden: so muß derselbe dem Berechtigten noch aus der Scheune verabfolgt werden.
§. 908. Ist die zu frühe Einführung von dem Verpflichteten vorsätzlich, oder durch eignes grobes Verschulden geschehen: so muß er, wenn besondere Provinzialgesetze nicht ein Anderes bestimmen, dem Berechtigten auf Zehn Garben Eine; bey einem obwaltenden nur mäßigen Versehen aber, auf Zwanzig Garben Eine Garbe mehr abliefern.
§. 909. Die Einfuhre des auf dem Felde abgezählten Zehenten muß der Empfänger, der Regel nach, und wo nicht ein Anderes durch ununterbrochene Gewohnheit hergebracht ist, selbst besorgen.
§. 910. Wo der Klein-Zehente ausdrücklich eingeführt ist, muß derselbe in der Regel von allen Garten- und Baumfrüchten, ohne Unterschied, ob sie im Garten, oder auf dem Felde gebauet worden, entrichtet werden.
§. 911. Weder an Groß- noch Klein-Zehenten kann der Zehentpflichtige, wegen erlittener Unglücksfälle, Erlaß fordern.
§. 912. Weder bey dem Verkaufe der Zehentfrüchte noch bey Verpachtungen des Zehentrechts, gebührt dem Zehentpflichtigen ein Vorkaufs- oder Näherrecht.
§. 913. Eben das gilt, wenn das Zehentrecht mit dem Gute oder Grundstücke, worauf dasselbe haftet, verkauf wird.
§. 914. Wenn hingegen das Zehentrecht über eine ganze Feldflur, oder auch über einzelne in derselben gelegene Grundstücke, für sich allein verkauft werden soll: so kommt im ersten Falle der Gemeine, so wie im letzteren dem Besitzer des Pflichtigen Grundstücks, das Vorkaufs- und Näherrecht zu.
§. 915. Die Befugniß, Fleisch- oder Blutzehenten zu nehmen, erstreckt sich auf alle Arten von Vieh, welches zur Haus- und Feldwirthschaft gehört.
§. 916. Der Regel nach muß das zehentbare Vieh von einem Jahre ins andere aufgezählt, und darnach das zehnte Stück geliefert werden.
§. 917. Die vor der wirklichen Aufzählung gestorbenen Stücke werden bey Berechnung des Zehenten nicht mitgezählt.
§. 918. Die Zeit der Abzählung ist nach jedes Orts Herkommen bestimmt.
§. 919. Kälber, Lämmer, und Schweine ist der Zehentberechtigte nicht eher, als bis sie zum Verkaufe tauglich; Fohlen nicht eher, als bis sie abgesogen sind; und Federvieh erst, wenn es befiedert ist, anzunehmen verbunden.
§. 920. Von allen Sorten dürfen nur Stücke mittlerer Güte zum Zehenten gegeben und angenommen werden.
Abschaffung des Personalzehenten.
§. 921. Ein Personalzehent von dem, was durch bloßen menschlichen Fleiß erworben worden, soll nirgend weder gefordert, noch gegeben werden.
§. 922. Wenn der Zehente auf gewisse Quantitäten oder Maaße von gedroschnem Getreyde oder gewonnenen Früchten bestimmt ist: so heißt derselbe ein Sackzehente.
§. 923. Wenn erhellet, daß der Berechtigte einen Naturalzehenten zu fordern habe: so hat derselbe sein Recht, diesen Zehenten in Natur zu ziehen, nicht verloren, wenn er gleich seit länger als rechtsverjährter Zeit selbigen in gedroschenen Körnern angenommen hätte.
§. 924. Hat aber der Berechtigte sein Recht zum Zugzehenten ausüben wollen; der Verpflichtete demselben widersprochen; und ersterer seit diesem Widerspruche, durch rechtsverjährte Zeit, den Zehenten in gedroschenem Getreyde angenommen: so ist eine Verwandlung des Zug in einen Sackzehnten durch Verjährung erfolgt.
§. 925. Der Sackzehente muß gleich durch, wie der Zehentpflichtige die Früchte gewonnen hat, entrichtet und angenommen werden.
§. 926. Doch ist der Zehentpflichtige in jedem Falle marktgängiges Getreyde abzuliefern verbunden.
§. 927. Die Ablieferung muß in der Regel nach gestrichenem Maaße geschehen.
§. 928. Die Abfuhre in die Wohnung, oder auf den Boden des Empfängers, muß der Zehentpflichtige besorgen.
§. 929. Ist der Zehentpflichtige in der Ablieferung säumig gewesen: so finden die Vorschriften des Siebenten Titels, §. 479. 480., Anwendung.
§. 930. Hat der Zehentpflichtige totalen Mißwachs erlitten: so kann der Empfänger den Sackzehenten nur in so fern fordern, als die gewonnenen Früchte, nach Abzug der Wirthschaftsnothdurften, an Saamen, Brod, Speisung des Gesindes, und Futterung, dazu noch hinreichen.
§. 931. Hat sich der Mißwachs nur in einer oder der andern Getreydesorte, z. B. nur in den Winter- oder nur in den Sommerfrüchten, ereignet: so muß der Zehentpflichtige den in der mißrathenen Sorte zu entrichtenden Sackzehnten, entweder nach den in der Provinz oder Gegend üblichen Anschlagspreisen bezahlen, oder denselben in einer andern Getreidesorte, nach Verhältniß eben dieser Preise, abliefern,
§. 932. Der Zehentpflichtige, welcher von einem dieser Befugnisse Gebrauch machen will, muß wegen der dem Berechtigten von dem vorhandenen Mißwachse in Zeiten zu machenden Anzeige, die einem Pächter ertheilten Vorschriften beobachten. (Th. I. Tit. XXI. §. 480-483.)
§. 933. Auch findet keine von diesen Befugnissen statt, wenn der Zehentpflichtige allen Remissionen ausdrücklich entsagt hat.
§. 934. Was hier von dem Erlasse bey geistlichen Sackzehenten verordnet ist, findet auf andere Naturalabgaben, welche nicht als Pfarr- oder Kirchenzehenten entrichtet werden, keine Anwendung.
§. 935. Wenn der Zehentberechtigte, statt des Naturalzehenten, eine beständig gleichförmige Abgabe in Gelde durch rechtsverjährte Zeit angenommen hat: so finden die Vorschriften §. 923. und 924. Anwendung.
§. 936. Ein solcher Zehentpflichtiger kann, wegen erlittener Unglücksfälle, nur in so weit Nachsicht oder Erlaß fordern, als dergleichen einem Erbzinsmanne wegen des schuldigen Canons zu statten kommt (Th. I. Tit. XVIII. §. 758. sqq.)
§. 937. Offertoria, Pröven, Ostereyer, Wettergarben, und andre dergleichen Pfarr- und Küsterabgaben, müssen lediglich nach jedes Orts Gewohnheit bestimmt werden.
§. 938. Für dergleichen Prästationen kann niemals Erlaß gefordert werden.
Zwölfter Abschnitt. Von geistlichen Gesellschaften überhaupt
§. 939. Unter geistlichen Gesellschaften, deren Mitglieder sich mit andern Religionsübungen, als der Seelsorge, hauptsächlich beschäftigen, werden die vom Staate aufgenommenen Stifter, Klöster, und Orden verstanden.
§. 940. Diese haben unter dem Namen der Capitel und Convente, mit andern Corporationen im Staate gleiche Rechte. (Tit. VI.)
§. 941. Sie stehen unter der Direction ihrer besondern Vorgesetzten, welche, nach Verschiedenheit der Verfassung, entweder von den Mitgliedern gewählt, oder von einem Dritten bestellt werden.
§. 942. Sie sind in ihren geistlichen Beschäftigungen, der Regel nach, der Aufsicht des Bischofs der Diözes unterworfen; und müssen, wenn sie davon befreyt zu seyn behaupten, eine besondre vom Staate genehmigte Exemtion nachweisen.
§. 943. Sie dürfen den Pfarrern in ihre Amtsverrichtungen keine Eingriffe thun, und sich auch einzelner zur Seelsorge gehörigen Handlungen, ohne besondere Erlaubniß des Bischofs, nicht anmaßen.
§. 944. Doch sind sie selbst vom Pfarrzwange ausgenommen, und können für sich einen eignen Gottesdienst unterhalten.
§. 945. Wo einer geistlichen Gesellschaft Parochialrechte über einen gewissen Distrikt verliehen sind, da muß dieselbe die Verwaltung des Pfarramts einem dazu gehörig qualificirten Subjekte aus ihrem Mittel übertragen.
§. 946. Geistliche Gesellschaften sind berechtigt, ihre Mitglieder durch geistliche Busübungen zur Erfüllung der Pflichten ihrer Verbindung, und zur Vermeidung alles Aergernisses anzuhalten.
§. 947. Körperliche oder Geldstrafen gegen ihre Mitglieder zu verhängen, sind sie nur so weit berechtigt, als ihnen die Befugniß dazu durch besondere Gesetze, oder in ihren vom Staate bestätigten Statuten, ausdrücklich eingeräumt worden.
§. 948. Die Rechte des Staats über solche geistliche Gesellschaften, und deren Vermögen, sind hauptsächlich nach den von ihm bestätigten Grundverfassungen, nach den vorhandenen Recessen und Verträgen, und nach den die Angelegenheiten derselben betreffenden Friedenschlüssen und andern Traktaten zu beurtheilen.
§. 949. In der Regel kommen dem Staate eben die Rechte über sie zu, wie über die Kirchengesellschaften.
§. 950. Sie genießen, gleich diesen, in ihren Rechtsangelegenheiten einen privilegirten Gerichtsstand.
§. 951. Das ihnen vom Staate zugewendete oder überlassene Vermögen muß zur Aufrechthaltung ihrer geistlichen Anstalten, nach der vom Staate gebilligten Verfassung, und zum Unterhalte der Mitglieder verwendet werden.
§. 952. Sie sind dabey eben den Einschränkungen unterworfen, und genießen eben die Vorrechte, wie Kirchengesellschaften.
§. 953. Doch haben sie, in Ansehung ihrer beständig fortlaufenden jährlichen Hebungen, auf das den Kirchengesellschaften §. 229. verliehene besondre Pnvilegium keinen Anspruch.
§. 954. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens kommt dem Capitel zu, welches, zur Besorgung der dabey vorfallenden Einnahmen und Ausgaben, unterbediente Zubestellen berechtigt ist.
§. 955. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der geistlichen Corporationen werden in ihren Zusammenkünften oder Capiteltagen verhandelt.
§. 956. Dem Vorsteher gebührt der Vorsitz und die Direction in dem Capitel; er muß aber, bey Abfassung der Schlüsse, sich nach der Mehrheit der Stimmen richten.
§. 957. Die Schlüsse selbst müssen nothwendig im versammelten Capitel abgefaßt werden.
§. 958. Die ordinairen Zusammenkünfte, oder Capiteltage, sind nach der besondern Einrichtung einer Jeden Corporation festgesetzt, und zur Verhandlung desjenigen bestimmt, was zur Verwaltung und Conservation der Rechte und innern Verfassung der Corporation gehört.
§. 959. So oft in der Grundverfassung des Stifts etwas geändert werden soll, wird eine außerordentliche Zusammenberufung des Capitels; die Einwilligung des Bischofs der Diözes; und die Genehmigung des Staats erfordert.
§. 960. Eben dies findet statt, wenn unbewegliche Güter, Kostbarkeiten, oder Rechte der Stiftung vertauscht, verpfändet, oder veräußert werden sollen.
§. 961. Geistliche Gesellschaften dürfen, ohne ausdrückliche Erlaubniß des Staats, weder Capitalien außerhalb Landes verleihen, noch weniger auswärtigen geistlichen Obern, oder Stiftungen, etwas von ihrem Vermögen, bey einer gleich hohen Geldstrafe, zuwenden.
§. 962. Die Verwendung der aus dem Stiftsvermögen den einzelnen Mitgliedern bestimmten Hebungen zu andern Zwecken, kann nur in außerordentlichen Zusammenkünften, mit einmüthiger Bewilligung sämmtlicher Mitglieder, beschlossen werden.
§. 963. Auch die Wahl eines neuen Vorgesetzten, Beamten, oder Mitglieds der Corporation, kann nur in solchen außerordentlichen Zusammenkünften geschehen.
§. 964. Abwesende Mitglieder des Capitels, oder Convents, müssen zu dergleichen außerordentlichen Versammlungen besonders eingeladen werden.
§. 965. Ist dieses unterlassen worden: so können sie dieser Uebergehung wegen (ob contemtum) auf Vernichtung des von den übrigen Mitgliedern gefaßten Schlusses antragen.
§. 966. Es ist aber genug, wenn die Einladung nur in die gewöhnliche Wohnung oder Curie solcher abwesender Mitglieder insinuirt wird.
§. 967. Ein Mitglied des Capitels, welches persönlich zu erscheinen verhindert ist, kann seine Stimme nur einem andern Mitgliede auftragen.
§. 968. Wer auf gehörige Einladung weder selbst erscheinet, noch einen qualificirten Bevollmächtigten bestellt, muß sich dasjenige gefallen lassen, was von den übrigen Mitgliedern beschlossen worden.
§. 969. In gewöhnlichen Angelegenheiten und Zusammenkünften entscheidet die Mehrheit der Stimmen der gegenwärtigen Mitglieder.
§. 970. In wie fern, und bey welchen Geschäften, die Mehrheit der Stimmen sämmtlicher Mitglieder, oder eine gewisse überwiegende Mehrheit erfordert werde, ist nach der besondern Verfassung einer jeden Corporation bestimmt, und wird unten vorkommen.
§. 971. Eben so bestimmt die Verfassung einer jeden geistlichen Corporation, was der Vorsteher ohne Rückfrage an das Capitel zu beschließen und vorzunehmen berechtigt sey.
§. 972. Uebernimmt er außerdem eine Verbindlichkeit ohne Zuziehung des Capitels: so haftet dieses nur so weit dafür, als etwas aus einem solchen Geschäfte in den Nutzen der Gesellschaft wirklich verwendet worden.
§. 973. Welchen Personen die Verwaltung der Rechte und Obliegenheiten eines abwesenden, oder sonst verhinderten, ingleichen eines gänzlich abgegangenen Vorstehers, vermöge ihres Amts zukomme, muß nach den besondern Stiftsverfassungen beurtheilt werden.
Rechte des Capitels bey vakantem Vorsteheramte.
§. 974. Der Regel nach fallen die Rechte des mit Tode abgegangenen Vorstehers an das Capitel zurück.
§. 975. Das Capitel kann dieselben entweder selbst ausüben, oder deren Verwaltung inzwischen andern übertragen.
§. 976. Doch ist das Capitel die an die Person des Vorstehers besonders gebundnen Rechte, ohne dringende Nothwendigkeit auszuüben, oder an Andere zu übertragen, nicht berechtigt.
§. 977. Während der Vakanz darf keine Neuerung in den Angelegenheiten des Stifts vorgenommen werden.
§. 978. Die besondern Einkünfte des Vorstehers müssen während der Vakanz aufbewahrt, und seinem Nachfolger übergeben werden.
§. 979. Wo die Wahl des Vorgesetzten dem Capitel oder Convente zusteht, muß dieselbe innerhalb Dreyer Monathe nach dem Abgange des vorigen, bey Verlust des Wahlrechts, erfolgen.
§. 980. Der zu wählende Candidat muß alle zu solchem Amte nach dem canonischen Rechte und den Statuten des Stifts erforderlichen Eigenschaften besitzen.
§. 981. Wem eine oder die andere derselben ermangelt, der kann nur nach vorhergegangener Postulation, und erfolgter Dispensation des geistlichen Obern, zu der vacanten Würde gelangen.
§. 982. Das Wahlgeschäft ist der Landesherr durch dazu bestellte Commissarien zu dirigiren berechtigt.
§. 983. Wo nicht besondere Statuten entgegen stehn, werden die Stimmen von diesen Commissarien als Scrutatoren eingesammelt.
§. 984. Die Stimmen werden mittelst verschlossener Zettel abgegeben.
§. 985. Finden sich nach geendigter Stimmensammlung mehr oder weniger Wahlzettel, als wählende Personen sind: so müssen die sämmtlichen Zettel uneröffnet verbrannt, und die Stimmen aufs neue gesammelt werden.
§. 986. Nach richtig befundenen Wahlzetteln werden dieselben eröffnet, und die Stimmen, so wie sie sich hinter einander finden, in das Wahlprotocoll eingetragen.
§. 987. Nur der ist für regelmäßig gewählt zu achten, welcher wenigstens Eine Stimme über die Hälfte der Stimmen sämmtlicher Mitglieder des Capitels oder Convents für sich hat.
§. 988. Wenn ein Candidat, welcher nur postulirt werden kann, mit einem völlig Wahlfähigen zusammen kommt: so kann die Postulation des ersten nur alsdann erfolgen, wenn er mehr als Zwey Drittel sämmtlicher Wahlstimmen für sich hat.
§. 989. In dessen Entstehung wird der Wahlfähige vorgezogen, wenn auch nur Ein Drittel sämmtlicher Stimmen sich für ihn erklärt hätte.
§. 990. Wenn aber sämmtliche Candidaten nur postulirt werden können: so muß die Postulation für denjenigen erfolgen, der mehr als die Hälfte der sämmtlichen Wahlstimmen für sich hat.
§. 991. Hat keiner der Candidaten so viel Stimmen, als nach obigen Vorschriften zu einer gültigen Wahl oder Postulation erfordert werden: so ist der ganze Wahlactus ohne Wirkung.
§. 992. Die Wahl kann auch durch Compromiß auf
ein oder mehrere Mitglieder des Capitels geschehen.
§. 993. Auch die Errichtung eines solchen Compromisses muß unter Direction der Landesherrlichen Commissarien erfolgen.
§. 994. Zu dergleichen Compromiß ist die Einwilligung sämmtlicher Mitglieder erforderlich.
§. 995. Nur durch gleichmäßige allgemeine Einwilligung kann das Compromiß, wenn es einmal zu Stande gekommen ist, wieder aufgehoben werden.
§. 996. Diejenigen, auf welche compromittirt worden, müssen sich nach dem Inhalte des ihnen von dem Capitel geschehenen Auftrages genau achten.
§. 997. Ist in diesem Auftrage nicht ein Anderes bestimmt: so ist derjenige für gewählt oder postulirt zu achten, welcher die Mehrheit der Stimmen der Compromissarien für sich hat.
§. 998. Haben die Compromissarien einen ganz Unwürdigen gewählt: so fällt das Wahlrecht an das Capitel oder Convent zurück.
§. 999. Das Capitel oder Convent kann mit dem gewählten oder postulirten Vorsteher eine Capitulation errichten.
§. 1000. Dadurch können aber klare und entschiedene Rechte des Vorgesetzten nicht geschmälert, noch die Grundverfassungen des Stifts geändert werden.
§. 1001. Auch die Capitulation, wenn dergleichen errichtet wird, muß dem Landesherrn zur Genehmigung vorgelegt werden.
§. 1002. Der Gewählte oder Postulirte muß, bey Verlust seines Rechts, innerhalb Monatsfrist über die Annahme der ihm zugedachten Würde sich erklären, und hiernächst innerhalb Dreyer Monathe die Confirmation oder Zulassung desjenigen geistlichen Obern, dem das Stift unmittelbar untergeordnet ist, nachsuchen.
§. 1003. Die einmal geschehene Wahl kann von dem Capitel niemals, die Postulation aber nur so lange, als sie dem geistlichen Obern noch nicht angezeigt ist, zurückgenommen werden.
§. 1004. Einem regelmäßig Gewählten, welchem die nach §. 980. erforderlichen Eigenschaften nicht ermangeln, darf der geistliche Obere die Confirmation nicht versagen.
§. 1005. Auch die Postulation muß er zulassen, wenn der Mangel des Erfordernisses denselben des zugedachten Amtes nicht unwürdig, oder zur Ausübung der damit verbundenen Pflichten ganz unfähig macht.
§. 1006. Die Zulassung einer Postulation hat mit der
Bestätigung einer Wahl gleiche Wirkung.
§. 1007. Wird die Wahl unregelmäßig, oder die Postulation unzuläßig befunden: so verliert das Capitel für diesen Fall sein Wahlrecht.
§. 1008. Der Bestätigte oder Zugelassene gelangt durch die Einweihung zum Besitze seines geistlichen Amts.
§. 1009. Es darf aber kein Gewählter oder Postulirter die Bestätigung oder Zulassung der geistlichen Obern eher nachsuchen, als bis er dazu die Genehmigung des Landesherrn erhalten hat.
§. 1010. Vor dem Erfolge dieser Genehmigung soll die Einweihung nicht statt finden; noch der Gewählte oder Postulirte zur Ausübung der Functionen seines Vorsteheramts, oder zum Besitze und Genusse der damit verbundenen weltlichen Rechte und Einkünfte gelassen werden.
§. 1011. Wenn der Landesherr, aus Gründen des gemeinen Wohls, oder der Erhaltung der äußern und innern Ruhe des Staats, das präsentirte Subject verwirft: so muß eine neue Wahl veranlaßt werden.
§. 1012. In Fällen, wo das Capitel oder Convent wegen seiner schuldbaren Saumseligkeit, oder wegen der bey der Wahl oder Postulation vorgefallenen Unregelmäßigkeiten, seines Wahlrechts verlustig wird, fällt die Besetzung der Stelle für diesesmal, nach Verschiedenheit der Verfassungen in den Provinzen, entweder dem Landesherrn, oder den geistlichen Obern anheim.
§. 1013. Aber auch letztere müssen, bey ihrer Ernennung, die gesetzlichen Vorschriften wegen der Tüchtigkeit des zu bestellenden Subjects beobachten, und dasselbe dem Landesherrn zur Genehmigung vorschlagen.
§. 1014. Wo es hergebracht ist, daß dem Landesherrn mehrere Subjecte zur Ernennung vorgeschlagen werden müssen, da ist das Capitel oder Convent, bey der Auswahl dieser Subjecte, die §. 979. sqq. enthaltenen Vorschriften ebenfalls zu beobachten schuldig.
§. 1015. Einem Stiftsvorgesetzten, der durch Alter, Krankheit, oder andre Ursachen, an gehöriger Verwaltung seines Amtes verhindert ist, kann ein Coadjutor bestellt werden.
§. 1016. Die Wahl eines solchen Coadjutors kommt dem Capitel oder Convent in so fern zu, als ihm die Wahl des Vorgesetzten selbst gebührt.
§. 1017. Die Gründe zur Bestellung eines Coadjutors müssen von den umittelbaren geistlichen Obern des Stifts, und von dem Landesherrn, geprüft und genehmigt werden.
§. 1018. Es hängt von dem Vorgesetzten ab, in wie fern er sich seines Coadjutors bedienen will; und dieser darf sich wider seinen Willen keiner Amtsver- nchtungen anmaßen.
§. 1019. Dagegen darf aber auch der Vorgesetzte diejenigen Amtsgeschäfte, die er selbst nicht verrichten kann, oder will, einem Andern, als seinem Coadjutor, nicht auftragen.
§. 1020. Soll der Coadjutor Verrichtungen vornehmen, die bey bloßer Abwesenheit, oder temporeller Verhinderung des Vorgesetzten, gewissen Mitgliedern des Capitels vermöge ihres Amts zukommen: so wird zu deren Uebertragung der Consens des Capitels erfordert.
§. 1021. Bey gänzlichem Abgang des Vorgesetzten tritt der ihm zugeordnete Coadjutor sofort an dessen Stelle.
Dreyzehnter Abschnitt. Von katholischen Domstiftern und Capiteln
§. 1022. Domcapitel sind geistliche Corporationen, deren Mitglieder zur Abwartung des feyerlichen Gottesdienstes in der Hauptkirche der Diözes bestimmt, und dem Bischofe, in wichtigen Angelegenheiten des Bißthums, und der Diözes, zur Seite gesetzt sind.
Rechte derselben, als für sich bestehender Corporationen.
§. 1023. Nur diejenigen sind als Mitglieder dieses Collegii zu betrachten, welche bey dem Stifte eine Gründe oder ein Canonicat besitzen.
§. 1024. Der Bischof hat also darin weder Sitz noch Stimme, als in so fern er zugleich mit einem Canonicat bey dem Stifte versehen ist.
§. 1025. Alle gemeinschaftliche Rechte des Stifts werden also, mit Ausschluß des Bischofes, durch das Capitel allein ausgeübt.
§. 1026. Insonderheit gebührt dem Capitel die alleinige Verwaltung des Stiftsvermögens.
§. 1027. Das Capitel steht in diesen gemeinschaftlichen Angelegenheiten unter der Direction des Dechanten.
§. 1028. Die übrigen Würden und Aemter im Capitel sind, nebst ihren Rechten und Obliegenheiten, nach den besondern Verfassungen eines jeden Stifts bestimmt
§. 1029. Das Capitel ist zur Vertheidigung seiner Rechte einen Syndicum; und andre Unterbediente, zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten, ohne Zuziehung des Bischofes zu bestellen berechtigt.
§. 1030. Das Capitel ist dem Bischöfe subordinirt, welcher berechtigt ist, Visitationen bey dem Capitel vorzunehmen, und die dabey vorgefundenen Mißbräuche abzustellen.
§. 1031. Der Bischof soll in allen wichtigen Angelegenheiten des Bißthums, und der Diözes, das Domcapitel mit seinem Rathe und Gutachten vernehmen.
§. 1032. Die Einwilligung des Domcapitels ist nothwendig, wenn unbewegliche Güter oder Gerechtigkeiten des Bißthums, oder einer Kirche in der Diözes, verpfändet oder veräußert; Pfarren und Pfründen, die zur gemeinschaftlichen Collatur des Bischofs und Capitels stehen, vergeben; und Kirchen oder Pfründen zusammenschlagen oder aufgehoben werden sollen.
§. 1033. In welchen Fällen es außerdem, zur Gültigkeit einer von dem Bischöfe vorgenommenen Handlung, der Einwilligung des Domcapitels bedürfe, ist nach der besondern Verfassung einer jeden Diözes bestimmt.
§. 1034. Zur anderweitigen Verleihung von Lehn- und Erbzinßgütern, die sich an das Bißthum eröffnen, ist die Einwilligung des Capitels in der Regel nicht erforderlich.
§. 1035. In gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Bischofs und Capitels, geschieht die Zusammenberufung von Seiten des erstern; und ihm gebührt alsdann die Direction der Berathschlagung.
§. 1036. Der Regel nach wird die Versammlung in der Capitelsstube gehalten.
§. 1037. In allen Fällen, wo zu einem Geschäfte die Einwilligung des Capitels nothwendig ist, hat der Bischof für sich Eine, und das Capitel zusammen genommen die Zweyte Stimme.
§. 1038. Es kann also nichts beschlossen werden, als worin der Bischof von einer, und die Mehrheit der Stimmen des Domcapitels von der andern Seite willigen.
§. 1039. In so fern der Bischof zugleich Canonicus ist, muß seine Stimme auch unter den Stimmen der Mitglieder des Capitels mitgezählt werden.
§. 1040. Das Capitel kann in Angelegenheiten des Bißthums und der Diözes, ohne den Bischof, oder gegen desselben Gutbefinden, auch durch einhelligen Beschluß, nichts entscheiden.
Rechte des Capitels während der Vacanz des Bißthums.
§. 1041. Wenn der bischöfliche Stuhl entweder gänzlich, oder auf eine Zeitlang erledigt; oder dessen Wiederbesetzung, ohne die Schuld des Capitels, verzögert wird: so kommt die Verwaltung der bischöflichen Rechte dem Dömcapitel zu.
§. 1042. Dieses muß dabey alles beobachten, was §. 974. sqq. bey der Vacanz eines geistlichen Vorstehers überhaupt vorgeschrieben ist.
§. 1043. Die Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten des Bißthums kann das Capitel einem Vicarius auftragen; wenn aber dergleichen Vicarius von dem abgegangenen Bischöfe schon bestellt worden: so muß das Capitel denselben bestätigen.
§. 1044. Functionen, die mit der Person und Würde des Bischofs untrennbar verknüpft sind, kann weder das Capitel, noch der von ihm gesetzte Vicarius ausüben.
§. 1045. Zur Verwaltung der weltlichen Gerichtsbarkeit, in so fern dergleichen mit dem Bißthume verbunden ist, muß ein Offlcial bestellt; oder der von dem Bischöfe geordnete bestätigt werden.
§. 1046. Rechte, welche nach den Gesetzen und Verfassungen, für den Bischof und das Capitel gemeinschaftlich gehören, können, während der Vacanz, von dem Capitel allein nur in dringenden Nothfällen ausgeübt werden.
§. 1047. Eigne Angelegenheiten des Capitels, zu deren Rechtsbeständigkeit die Einwilligung des Bischofs nothwendig ist, müssen der Regel nach während der Vacanz ausgesetzt bleiben.
§. 1048. Pfründen, welche zur alleinigen Verleihung des Bischofs stehen, können von dem Capitel, während einer gänzlichen Vacanz, nicht vergeben werden; sondern es muß deren Besetzung dem neuen Bischöfe aufbewahrt bleiben.
§. 1049. Wird aber die Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhls ohne Schuld des Domcapitels verhindert: so kann letzteres über dergleichen Pfründen in so fern verfügen, als das Wohl der Kirche deren baldige Verleihung erfordert.
§. 1050. Zum Besten des Bißthums kann das Domcapitel, während einer Vakanz, Verträge schließen, welche zur Conservation der Gerechtsame desselben nothwendig sind.
§. 1051. Wo die Ernennung des Bischofs dem Landesherrn nicht vorbehalten ist, da kommt die Wahl desselben dem Domcapitel zu.
§. 1052. Dieses muß dabey alles beobachten, was im vorigen Abschnitte von der Wahl eines Stiftsobern verordnet ist.
§. 1053. Ein Gleiches findet statt, wenn dem Bischöfe ein Coadjutor bestellt werden soll.
Vierzehnter Abschnitt. Von Collegiatstiftern
§. 1054. Geistliche Corporationen, die bey einer andern, als der Hauptkirche der Diözes, zur feyerlichen Begehung des Gottesdienstes verordnet sind, werden Collegiatstifter genannt.
§. 1055. Sie unterscheiden sich von den Domstiftern nur darin, daß ihre Mitglieder an den Angelegenheiten des Bißthums und der Diözes keinen Theil nehmen.
§. 1056. Die dem weiblichen Geschlechte gewidmete weltgeistlichen Stifter haben mit den Collegiatstiftern gleiche Rechte.
Fünfzehnter Abschnitt. Von Klostergesellschaften
§. 1057. Klostergesellschaften sind geistliche Corporationen, deren Mitglieder zu gemeinschaftlichem Leben und gemeinschaftlicher Religionsübung, nach gewissen von der Kirche bestätigten Regeln, durch feyerliche Gelübde sich verpflichtet haben.
§. 1058. Den einzelnen Klostergesellschaften sind eigne Obern, unter dem Nahmen der Aebte, Prioren, Pröbste, Guardiane, oder Rectoren vorgesetzt.
§. 1059. Alle Klostergesellschaften einer Provinz, welche zu einerley Ordensregel sich bekennen, stehen unter dem Provinzial; und sämmtlichen Provinzen ist der General des Ordens vorgesetzt.
§. 1060. Diese Ordens-Obern dürfen den Bischöfen der Diözes in ihre Gerechtsame nicht eingreifen.
§. 1061. Wenn sie außerhalb Landes wohnen: so gut von ihnen alles das, was von auswärtigen Obern der Kirchengesellschaften verordnet ist. (§. 135. sqq.)
§. 1062. Auch da, wo die Besetzung der vacanten Stelle eines Kloster-Obern von einem höhern Ordens-Obern abhängt, muß über das von diesem ausgewählte Subject, vor dessen Einsetzung und Annahme, die Approbation des Staats eingeholt werden.
§. 1063. Visitationen bey einländischen Klöstern dürfen auswärtige Ordens-Obern ohne ausdrückliche Erlaubniß des Staats nicht vornehmen.
§. 1064. Ob und in welchen Angelegenheiten dem Kloster-Obern ein Capitel oder Convent an die Seite gesetzt sey, ist durch die Regeln eines jeden Ordens bestimmt.
§. 1065. Nur wirkliche Klostergeistliche, nicht aber bloße Layenbrüder, haben in dem Capitel oder Convent Sitz und Stimme.
§. 1066. Die Kloster-Obern müssen die ihnen zukommende Klosterzucht nach den §. 946. 947. vorgeschriebenen Gesetzen ausüben, und machen sieh durch deren Uebertretung dem Staate verantwortlich.
§. 1067. Kloster-Obern, welche diesen Vorschriften zuwider handeln, haben vom Staate eben die Strafen zu erwarten, welche gegen eigenmächtige Privatgewalt im Criminalrechte verordnet sind.
Aufnahme und Versetzung der Mitglieder.
§. 1068. Ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats, dürfen sie keine Mitglieder außerhalb Landes verschicken, oder in auswärtige Klöster versetzen, oder auswärtige Mitglieder in einländische Klöster aufnehmen.
§. 1069. Kloster-Obern, welche diesem zuwider handeln, sollen in ihrem Amte nicht ferner geduldet, und noch außerdem verhältnißmäßig bestraft; auch zur Zurückschaffung des aus dem Lande gebrachten Mitglieds durch rechtliche Zwangsmittel angehalten werden.
Sechszehnter Abschnitt. Von geistlichen Ritterorden
§. 1070. Der Deutsche, und der Maltheser- oder Johanniterorden, genießen bey ihren innerhalb der Königlichen Staaten zu betreibenden Geschäften oder Angelegenheiten, die Rechte der geistlichen Corporationen.
§. 1071. Die inneren Verfassungen der Capitel dieser Orden, so wie die Rechte und Pflichten ihrer Obern und Beamten, müssen in vorkommenden Fällen lediglich nach den Statuten des Ordens beurtheilt werden.
§. 1072. Die Versammlungen der zur Abwartung des Gottesdienstes bey den Ordenskirchen bestimmten Mitglieder der geistlichen Ritterorden sind den Klostergesellsehaften gleich zu achten.
Siebzehnter Abschnitt. Von weltgeistlichen Canonicis
§. 1073. Die Mitglieder der Dom- und Collegiatstifter führen beyde den Namen Canonici.
§. 1074. Nur diejenigen Canonici, welche innerhalb der bey jedem Stifte nach der Fundation bestimmten Anzahl aufgenommen sind, haben Sitz und Stimme in Capitel; und werden bey Cathedralstiftern Domcapitularen genannt.
§. 1075. Diejenigen, welche nach der Observanz eines Stift über die ursprüngliche Zahl angesetzt worden, heißen mindere Canonici, oder bey Domstiftern, Domicellaren.
§. 1076. Sogenannte regulirte Canonici sind nach den Vorschriften des folgenden Abschnitts zu beurtheilen.
§. 1077. Wer bey einem Stifte Canonicus werden will, muß derjenigen Religionspartey, zu welcher das Stift selbst gehört, zugethan seyn.
§. 1078. Bey vermischten Stiftern muß, in den zum deutschen Reiche gehörenden Provinzen, der Besitzstand des Ersten Januars des Jahres 1624 beobachtet werden.
§. 1079. Das Alter, welches erforderlich ist, wenn jemand befugt seyn soll, um ein Canonicat sich zu bewerben, Sitz und Stimme im Capitel zu verlangen, und auf die höhern Würden im Stifte Anspruch zu machen, muß hauptsachlich nach den Statuten und wohlhergebrachten Gewohnheiten eines jeden Stifts beurtheilt werden.
§. 1080. Der Regel nach kann nur derjenige, welcher das Vierzehnte Jahr zurückgelegt hat, um ein Canonicat sich bewerben.
§. 1081. Eben so kann in der Regel niemand, welcher das Zwey und zwanzigste Jahr noch nicht zurückgelegt hat, Sitz und Stimme im Capitel haben.
§. 1082, Zur Bekleidung höherer Würden im Stifte wird ein Alter von Fünf und zwanzig, und zum Bißthume von Dreyßig Jahren erfordert,
§. 1083. Wer Canonicus werden will, muß wenigstens die erste Tonsur erhalten haben.
§. 1084. Sitz und Stimme im Capitel kann nur der erlangen, welcher zum Subdiaconat eingeweiht ist, und Drey Jahre hindurch den Studien auf hohen Schulen obgelegen hat.
§. 1085. Zu höhern Würden im Capitel ist derjenige Ordensgrad erforderlich, den die damit verbundene geistliche Verrichtungen voraussetzen.
§. 1086. Wo nach den Statuten des Stifts adliche Herkunft zur Aufnahme erfordert wird, muß dieselbe gehörig nachgewiesen, (Tit. IX. §. 17. bis 20.) und ein darüber entstandener Streit vor dem weltlichen Richter entschieden werden.
§. 1087. Wem die Verleihung der Canonicate gebühre, bestimmen die Statuten und Gewohnheiten eines jeden Stifts.
§. 1088. Wo die Verleihung zwischen dem Capitel und dem Landesherrn, oder dem geistlichen Obern, nach Monathen abwechselt, wird der Ablauf des Monaths auf die Mitternachtsstunde des letzten Tages festgesetzt.
§. 1089. Die Wahl des Capitels geschieht durch die Mehrheit der Stimmen sämmtlicher Capitularen, mit Ausschluß des Bischofs.
§. 1090. Wo es hergebracht ist, daß gewisse Präbenden, nach einer festgesetzten Ordnung oder Reihe, von einzelnen Canonicis vergeben werden, da übt derjenige, an welchem die Reihe steht, nur ein Recht des Capitels aus.
§. 1091. In der Regel kann also derjenige, welcher zur Zeit der Erledigung noch nicht Sitz und Stimme im Capitel hatte, auf dieses Recht keinen Anspruch machen.
§. 1092. Wo die Reihe mit jedem Monathe abwechselt, geht das Verleihungsrecht mit Ablauf jedes Monaths sofort an den Folgenden über.
§. 1093. Wenn aber das Capitel, oder die einzelnen Canonici, welche an die Reihe kommen, mit Verleihung der Präbende über Sechs Monathe zögern: so fällt das Recht dazu dem Bischöfe anheim.
§. 1094. Bey Stiftern, wo das Recht der ersten Bitte hergebracht ist, wird selbiges von demjenigen, welchem es zukommt, auf die erste zur Verleihung des Capitels stehende Vacanz ausgeübt.
§. 1095. Dem Precisten bleibt sein dadurch erlangter Anspruch, wenn auch derjenige, von welchem er vorgeschlagen worden, vor wirklich entstehender Vacanz verstirbt.
§. 1096. Durch die Ausübung des Rechts der ersten Bitte wird übrigens die abwechselnde Ordnung der Collation an sich nicht geändert.
§. 1097. Der Precist ist, bey Verlust seines Rechts, schuldig, sich spätestens innerhalb Vier Wochen, nach entstandener Vacanz, bey dem, welchem das Verleihungsrecht zukommt, zu melden.
§. 1098. Sein durch den Vorschlag erlangtes Recht kann er nur unter ausdrücklicher Bewilligung desjenigen, welcher ihm dasselbe verliehen hat, einem Andern abtreten.
§. 1099. Durch Resignation kann jemanden eine Präbende übertragen werden.
§. 1100. Doch muß der, zu dessen Gunsten die Resignation geschieht, alle zu einem Canonico erforderlichen Eigenschaften besitzen.
§. 1101. Außerdem findet bey der Resignation alles statt, was die Gesetze von Abtretung der Rechte überhaupt verordnen.
§. 1102. Der Resignant kann sich eine Pension auf die Revenüen der Präbende zu seiner Nothdurft vorbehalten.
§. 1103. Die Resignation muß in die Hände desjenigen geschehen, der dem Resignanten die Präbende verliehen hat.
§. 1104. Erst durch die Genehmigung des vormaligen Collators erhält die Resignation ihre Gültigkeit; und kann also noch bis dahin zurückgenommen werden.
§. 1105. Eben so findet die Zurücknahme statt, wenn der Resignatarius die Präbende nicht annehmen kann oder will; oder wenn der Collator nicht alle Bedingungen der Resignation genehmigt.
§. 1106. Wo es hergebracht ist, daß die Resignation auch der von einem einzelnen Canonico erhaltenen Präbende in die Hände des Capitels geschehen muß, hat es auch ferner dabey sein Bewenden.
§. 1107. Stirbt der Resignirende binnen Ein und zwanzig Tagen, von dem Tage an gerechnet, da die Resignation dem Collator angezeigt worden: so ist dieselbe für nicht geschehen zu achten.
§. 1108. Jeder neu bestellte Canonicus wird der letzte im Capitel, und tritt also, auch bey Resignationen, nicht in die Stelle und den Rang seines Vorfahren.
§. 1109. Nur bey Prälaturen erhält der neue Prälat denjenigen Rang, welchen die Würde mit sich bringt.
Von mehrern Ordnungen der Canonicorum.
§. 1110. Bey Stiftern, wo mehrere Ordnungen von Canonicis sind, wird der neue Canonicus der letzte in derjenigen Ordnung, zu welcher sein Vorfahr gehört hat.
§. 1111. Wo aber das Einrücken aus einer niedem in eine höhere Ordnung hergebracht ist, da muß die Art und Weise dieses Einrückens lediglich nach den Statuten und Gewohnheiten des Stifts beurtheilt werden.
§. 1112. Der Regel nach können mindere Canonici in ein höhere Ordnung nur in so fern einrücken, als die in dieser Ordnung vacante Stelle zur Collatur desjenigen steht, von welchem ihnen das mindere Canonicat verliehen worden.
Von Canonicaten, die an Unfähige verliehen werden.
§. 1113. Wenn der Landesherr ein Canonicat an ein Subject verleiht, dem es an den persönlichen Eigenschaften mangelt: so erhält derselbe dadurch nur das Recht, diese Stelle an ein andres fähiges Subject abzutreten.
§. 1114. Letzterer aber erlangt dadurch die Präbende mit vollem Rechte, und in eben der Qualität, wie sich dieselbe an den Landesherrn erledigt hatte.
In wie fern Eine Person mehrere Canonicate besitzen könne.
§. 1115. Niemand soll zwey oder mehrere geistliche Pfründen bey einem und eben demselben Stifte besitzen.
§. 1116. Wohl aber kann ein Canonicus zugleich eine geistliche Würde bey eben demselben Stifte bekleiden.
§. 1117. Auch bey verschiedenen Stiftern kann Eine Person mehrere Pfründen zugleich alsdann nicht besitzen, wenn diese Pfründen die Verbindlichkeit zur Residenz bey sich führen.
§. 1118. Wenn also die verschiedenen Stifter an Einem Orte, oder zwar an verschiedenen, jedoch so gelegen, oder beschaffen sind, daß die Residenzzeit in jedem derselben gehörig abgewartet werden kann: so ist der Besitz solcher mehrern Pfründen in Einer Person erlaubt.
§. 1119. Wer von der Residenz bey dem Stifte, wo er dieselbe nicht abwarten kann, befreyet ist, (§. 1131.) auf den findet in so weit die Vorschrift des §. 1117. nicht Anwendung.
§. 1120. Ein Gleiches gilt, wenn bey einem Stifte die Residenz nicht nothwendig, sondern nur eine statutenmäßige Geldstrafe, oder die Einbuße gewisser Arten von Einkünften, mit deren Unterlassung verbunden ist.
§. 1121. Jeder neue Canonicus muß sich vor seiner Aufnahme der nach den Statuten des Stifts bestimmten Prüfung, an dem Orte, wo das Stift seinen Sitz hat, unterwerfen.
§. 1122. Doch genießt er, auch während der Probezeit, der Regel nach alle zu seiner Stelle gehörigen Hebungen.
§. 1123. Erst nach geendigter Probezeit erfolgt die feyerliche Aufnahme, bey welcher der neue Canonicus auf die vom Staate genehmigten Statuten verpflichtet wird.
§. 1124. Vor der Aufnahme muß jeder neue Canonicus, wenn er nicht vom Landesherrn selbst bestellt worden, demselben zur Genehmigung und Bestätigung präsentirt werden.
§. 1125. Die allgemeinen Pflichten der Geistlichen, so weit dieselben nicht auf das Lehramt Beziehung haben, liegen auch den Canonicis ob. (§. 67. sqq.)
§. 1126. Ihre Amtsverrichtungen sind durch die Statuten des Stifts, und durch die Vorschriften des canonischen Rechts bestimmt.
§. 1127. Insonderheit sind sie schuldig, den Gottesdienst im Chore durch die geordneten Stunden regelmäßig abzuwarten.
§. 1128. Sie sind verpflichtet, an dem Sitze des Stifts ordentlich Residenz zu halten.
§. 1129. Eine beharrliche Unterlassung dieser Pflicht wird mit dem Verluste der Stelle; eine Vernachläßigung aber, mit einer verhältnißmäßigen Geldbuße; und zwar, wenn die Statuten nichts Näheres festsetzen, mit dem Verluste des Vierten Theils, oder der Hälfte der Einkünfte, geahndet.
§. 1130. Die Art und Dauer der Residenz ist nach den Statuten eines jeden Stifts zu beurtheilen.
§. 1131. Wer durch öffentliche Bedienungen, durch Reisen in Angelegenheiten des Staats, oder der Kirche, Studirens halber, durch Alter, Krankheit, oder ungefähren Zufall, an der wirklichen Residenz verhindert ist, nimmt dennoch auch an solchen Hebungen Theil, die nur für die Residirenden bestimmt sind.
§. 1132. Dagegen kann er auf die sogenannten Präsidentiengelder keinen Anspruch machen.
§. 1133. Wer aus bloßer Gnade von der Residenz dispensirt ist, muß sich mit den Nutzungen seiner Pfründe begnügen.
§. 1134. Die Canonici können sich in ihren geistlichen Verrichtungen, an deren eigenen Abwartung sie verhindert sind, durch Vicarien vertreten lassen.
§. 1135. Solche Vicarien müssen diejenigen Eigenschaften besitzen, welche zu den Functionen, die sie übernehmen sollen, nach dem canonischen Rechte erforderlich sind.
§. 1136. Der Regel nach kommt die Bestellung eines solchen Vicarii demjenigen Canonico zu, dessen Stelle derselbe vertreten soll.
§. 1137. Dieser muß sich mit seinem Vicario wegen einer billigen Abgabe für die Vertretung einigen; er kann aber auch seinen Auftrag, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich verabredet worden, nach eigenem Auffinden zurücknehmen.
§. 1138. Bey Stiftern, wo beständige Vicarien gestellt sind, bekleiden dieselben ein eigenes geistliches Amt, und können nur aus eben den Gründen, wie andere Geistliche, wieder entsetzt werden.
Rechte und Pflichten der Canonicorum.
§. 1139. Canonici genießen, in Ansehung ihrer Person, und eigenen Vermögens, alle äußere Vorrechte der Geistlichen überhaupt; sind aber auch dabey eben denselben Einschränkungen unterworfen. (§. 93. sqq.)
§. 1140. Sie behalten, des Eintritts in den geistlichen Stand ungeachtet, alle Familienrechte; und sind der Succession in Lehne und Fideicommisse fähig.
§. 1141. Katholische Canonici nehmen und hinterlassen kein Heergeräthe; wo aber Niftelgerade hergebracht ist, da sind sie dergleichen von ihren weiblichen Verwandten in aufsteigender Linie zu erben fähig.
besonders in Ansehung ihrer Präbenden.
§. 1142. Auf ihre Präbenden haben die Canonici alle mit dem Nießbrauche verbundene Rechte und Pflichten.
§. 1143. Insonderheit müssen sie die dazu gehörigen Gebäude aus den Einkünften der Präbende in baulichem Wesen unterhalten.
§. 1144. Bey vorfallenden Hauptreparaturen kann, mit Einwilligung des Capitels, ein Capital aufgenommen werden, welches aus den Einkünften verzinset, und in gewissen bestimmten Terminen zurückgezahlt werden muß.
§. 1145. Dergleichen Zinsen und Terminszahlungen muß auch der Nachfolger in der Präbende, für die Zeit, wo er die Nutzungen hat, übernehmen.
§. 1146. Die Gläubiger eines Canonici sind berechtigt, aus den Einkünften der Präbende Befriedigung zu suchen.
§. 1147. Doch muß daraus dem Präbendaten, in Ermangelung eigenen Vermögens, eine Competenz, nach näherer Vorschrift der Prozeßordnung, gelassen werden.
§. 1148. Auch über das aus der Präbende erworbene Vermögen können Canonici letzwillig verfügen; ohne das es eines päbstlichen oder bischöflichen Indults dazu bedarf.
§. 1149. Keinem auswärtigen geistlichen Obern soll erlaubt seyn, sich eines Spolienrechts auf inländische Präbenden anzumaaßen.
§. 1150. Den Erben eines Canonici gebühren auch die Nutzungen des Sterbejahrs (annus deservitus), die der Erblasser noch nicht erhoben hat.
§. 1151. Der Anfang und die Dauer dieses letzten Jahres richten sich nach dem Capiteljahre, so wie dieses an jedem Orte hergebracht ist.
§. 1152. Welche Nutzungen zum Sterbejahre gehören, ist ebenfalls nach den Statuten und Verfassungen der einzelnen Stifter bestimmt.
§. 1153. Hebungen, die nicht zu einer besondern Präbende gehören, kommen den Erben nur alsdann zu, wenn der Erblasser die Mitternachtsstunde vor dem Tage, wo sie fällig sind, überlebt hat.
§. 1154. Gehört ein Landgut oder anderes Grundstück zur Präbende: so erfolgt die Auseinandersetzung, wegen der Nutzungen, Verbesserungen, Verschlimmerungen u. s. w., nach den im Titel vom Nießbrauche ertheilten Vorschriften. (Th. I. Tit. XXI. §. 111. sqq.)
§. 1155. Die Verwaltung aber während des Ueberrestes des letzten Wirthschaftsjahres, gebührt der Regel nach dem neuen Präbendaten.
§. 1156. Die Nutzungen des letzten Jahres behält auch der, welcher eine Präbende resignirt; es wäre denn die Resignation darauf ausdrücklich mit gerichtet worden.
§. 1157. Gnaden- oder Nachjahre finden bey Canonicaten der Regel nach keine Statt.
§. 1158. Bey Stiftern, wo sie eingeführt sind, muß alles nach den Statuten, und in deren Ermangelung, nach der hergebrachten Observanz bestimmt werden.
Von weltgeistlichen Frauenstiftern.
§. 1159. Von den Mitgliedern weltgeistlicher Frauenstifter gilt der Regel nach alles das, was von weltgeistlichen Canonicis männlichen Geschlechts verordnet ist; außer wo Abweichungen davon durch den Unterschied des Geschlechts begründet werden.
Achtzehnter Abschnitt. Von Mönchen und Ordensleuten
Erfordernisse zum Mönchs- und Nonnenstande.
§. 1160. Niemand darf ohne Vorwissen und Genehmigung derjenigen, deren Einwilligung zur Wahl einer Lebensart nach den Gesetzen erforderlich ist, zum Klosterleben sich bestimmen.
§. 1161. Kein Königlicher Unterthan, männlichen oder weiblichen Geschlechts, soll ohne Vorwissen und Erlaubniß des Staats in ein Kloster aufgenommen werden.
§. 1162. Vor zurückgelegtem Fünf und zwanzigsten Jahre darf keine Mannsperson, und vor zurückgelegtem Ein und zwanzigsten Jahre keine Person weiblichen Geschlechts, zur Ablegung des Klostergelübdes zugelassen werden.
§. 1163. Ein obigen Vorschriften (§. 1160. 1161. 1162.) zuwider abgelegtes Gelübde, ist von Anfang an nichtig.
§. 1164. Ein Stift oder Kloster, welches diesen Vorschriften entgegen handelt, soll mit fiskalischer Geldstrafe, allenfalls bis zu Hundert Dukaten, belegt; und bey beharrlicher Wiederholung solcher Uebertretungen, bewandten Umständen nach, ganz aufgehoben werden.
§. 1165. Aeltern oder Vormünder, welche ihre Kinder oder Pflegebefohlnen, gegen die Vorschriften §. 1161. 1162. das Klostergelübde ablegen lassen, haben fiskalische Geldstrafe, allenfalls bis zu Hundert Dukaten; oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1166. Verehelichte Personen dürfen gar nicht, und Verlobte nur mit ertheilter oder von dem Richter ergänzter Einwilligung des andern Theils, in ein Kloster aufgenommen werden.
§. 1167. Verschuldete können durch Ergreifung des Klosterstandes die Rechte ihrer Gläubiger auf ihre Person oder ihr Vermögen nicht vereiteln.
§. 1168. Personen, welche fremde Güter verwaltet, und die Rechnung darüber noch nicht abgelegt haben, können durch den Eintritt in das Kloster weder dieser ihrer Verbindlichkeit, noch dem Erkenntnisse des gehörigen weltlichen Richters sich entziehen.
§. 1169. Die innere Tüchtigkeit eines Candidaten zu solchem Stande ist nach den Regeln des Ordens zu beurtheilen.
§. 1170. Der wirklichen Aufnahme in das Kloster muß das Probejahr vorangehn, welches unter keinerley Vorwande abgekürzt werden kann.
§. 1171. Nach geendigtem Probejahre geschieht die Aufnahme durch die feyerliche Ablegung des Klostergelübdes.
§. 1172. Alles, was die Rechtsgültigkeit einer Willenserklärung vereitelt, benimmt auch dem Klostergelübde seine Kraft.
§. 1173. Auch die geistlichen Obern sind nicht berechtigt, irgend jemanden, auch nicht einen Weltgeistlichen, unter dem Vorwande einer geistlichen Züchtigung, zum Klosterleben zu nöthigen.
§. 1174. In allen Fällen, wo, nach vorstehenden Grundsätzen, die Ablegung des Klostergelübdes nichtig und ungültig ist, kann dessen förmliche Aufhebung bey dem Bischöfe der Diözes zu allen Zeiten nachgesucht werden.
§. 1175. Wird von diesem das Gehör versagt: so hat der Staat das Recht, die Sache zu untersuchen, und befundenen Umständen nach, die Nichtigkeitserklärung in Ansehung der äußern Folgen des Gelübdes zu erkennen.
§. 1176. Der gewesene Klostergeistliche tritt alsdann in alle Rechte und Verhältnisse eines andern Staatsbürgers zurück.
§. 1177. Wird das Gelübde von Anfang an für nichtig erklärt: so erstreckt sich die Wirkung dieser Erklärung bis auf den Zeitpunkt des nichtig abgelegten Gelübdes zurück.
§. 1178. Wird aber jemand nur aus andern Ursachen von seinem Gelübde durch die geistlichen Obern entbunden: so nehmen die bürgerlichen Wirkungen dieser Dispensation nur von dem Tage, an welchem sie erfolgt ist, ihren Anfang.
§. 1179. Die geistlichen Obern sind nicht berechtigt, unter dem Vorwande des abgelegten Gelübdes, irgend jemanden einen Gewissenszwang anzulegen; ihm die freye Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten will, zu verschränken; oder ihn wider seinen Willen im Kloster zurückzuhalten.
§. 1180. Die geistlichen Obliegenheiten und Verrichtungen der Mönche und Nonnen, sind durch die Ordensregeln bestimmt.
§. 1181. Diese Regeln können ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats nicht geändert werden.
Rechte in Ansehung des Vermögens während des Probejahrs.
§. 1182. Personen, die sich dem Mönchs- oder Nonnenstande widmen wollen, können, so lange sie im Probejahre stehn, über ihr Vermögen, gleich andern Bürgern des Staats, frey verfügen.
§. 1183. Sie können dem Kloster, in welches sie treten wollen, nach Verhältniß der Nothdurft ihres Unterhalts, einen Theil ihrer Einkünfte, jedoch nicht über Vier Prozent von dem Betrage ihrer gesammten Vermögensubstanz, auf ihre Lebenszeit verschreiben.
§. 1184. Wenn sie aber ihren Vorsatz wegen Ablegung des Klostergelübdes ändern: so sind sie berechtigt, alle während des Probejahrs über ihr Vermögen getroffenen Verfügungen, welche mit dem intendirten Klosterleben Verbindung oder Beziehung darauf haben, zu widerrufen.
Von geistlichen Brautschätzen.
§. 1185. Wo bey dem Eintritte in ein Kloster die Bestellung eines geistlichen Brautschatzes gewöhnlich ist, mag es dabey auch ferner sein Bewenden haben.
§. 1186. Es muß aber diese Gewohnheit weder auf genugsam dotirte, noch auf Klöster der Bettelmönche ausgedehnt werden.
§. 1187. Auch soll dergleichen Brautschatz die Summe von Fünfhundert Thalern nicht übersteigen.
§. 1188. Höhere Summen können nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Staats, auf vorhergegangne Untersuchung der Umstände, nach der besondern Nothdurft des Klosters, und der zur Unterhaltung des Conventualen erforderlichen mehrern Kosten, ausgesetzt werden.
§. 1189. Den zur Wartung der Kranken bestimmten geistlichen Orden können höhere Brautschätze, ingleichen Vermächtnisse und Schenkungen, ohne Einschränkung auf eine gewisse Summe, zugewendet werden.
§. 1190. Aber auch bey diesen ist, wenn die Summe mehr als Fünfhundert Thaler beträgt, die ausdrückliche Genehmigung des Staats nothwendig.
§. 1191. Unter dem geistlichen Brautschatze sind die Kosten der sogenannten geistlichen Hochzeit und Ausstattung nicht mit begriffen.
§. 1192. Doch dürfen auch diese die Summe von Fünfhundert Thalern niemals übersteigen.
§. 1193. Der Werth der Sachen und Effekten, welche der in das Kloster tretenden Person zu ihrem eignen Gebrauche mit gegeben werden, sind unter keiner der obigen Summen begriffen.
§. 1194. Doch fallen die darunter befindlichen Juwelen und Kostbarkeiten, nach dem Abgange der Klosterperson, nicht dem Kloster, sondern deren alsdann vorhandnen nächsten Erben zu.
§. 1195. Hat ein Kloster höhere Einkünfte, als nach §. 1183. zuläßig sind, oder einen höheren Brautschatz, oder ein mehreres zur Ausstattung und Hochzeit, als Fünfhundert Thaler, ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats angenommen: so verfällt der ganze Betrag dem Fiskus; und das Kloster muß, noch außerdem, den doppelten Betrag des zu viel genommenen als Strafe entrichten.
§. 1196. Haben weltliche Verwalter der Klostergüter dergleichen übermäßigen Brautschatz, oder Ausstattung und Hochzeitskosten angenommen: so trift sie die Strafe, und das Kloster verliert nur das Empfangene.
§. 1197. Haben dergleichen Verwalter den Betrag solcher Zuwendungen in den Rechnungen verschwiegen, oder verheimlicht: so müssen sie die dreyfache Summe zur Strafe entrichten.
§. 1198. Kann die verwirkte Summe und Strafe von dem Kloster oder dessen Verwaltern nicht beygetrieben werden: so haften dafür diejenigen, von welchen die gesetzwidrige Zahlung geleistet worden.
Aeußere Rechte nach abgelegtem Gelübde.
§. 1199. Nach abgelegtem Klostergelübde werden Mönche und Nonnen, in Ansehung aller weltlichen Geschäfte, als verstorben angesehen.
§. 1200. Sie sind unfähig, Eigenthum oder andre Rechte zu erwerben, zu besitzen, oder darüber zu verfügen.
§. 1201. Bey Erb- und andern Anfällen treten diejenigen an ihre Stelle, denen ein solcher Anfall zukommen würde, wenn jene gar nicht mehr vorhanden wären.
§. 1202. Sie sind, auch vor Ablegung des Klostergelübdes, über dergleichen künftigen Anfall zu verordnen, und sich etwas davon, für die Zeit ihres Klosterlebens vorzubehalten, nicht berechtigt.
§. 1203. Aeltern sind nicht schuldig, ihren Kindern, welche das Klostergelübde abgelegt haben, etwas zu hinterlassen; und diese so wenig, als das Kloster, können aus dem Nachlasse der Aeltern einen Erb- oder Pflichtheil fordern.
§. 1204. Haben Aeltern solchen Kindern in einer an sich zu Recht beständigen letztwilligen Verordnung etwas ausgesetzt: so erhält das Kloster, so lange der Geistliche lebt, die Zinsen davon mit Vier vom Hundert; nach dessen Ableben aber fällt von dem Hauptstuhle so viel, als gesetzmäßig einem Kloster vermacht werden kann, an dieses, und der Ueberrest an die Erben des Testators.
§. 1205. Doch steht den Aeltern frey, den Rückfall der sonst gesetzmäßig erlaubten Summe an das Kloster, in ihrer letzwilligen Verordnung zu untersagen.
Aeußere Rechte, nach aufgehobenem Gelübde.
§. 1206. Wenn ein Klostergelübde, als von Anfang an nichtig, aufgehoben wird: so kann der gewesene Klostergeistliche dasjenige, was bey seinem Eintritte an das Kloster aus seinem Vermögen entrichtet worden, jedoch ohne Zinsen, zurückfordern.
§. 1207. Auch kann er die Herausgabe der während seines Klosterstandes an ihn sich ereigneten Anfälle von denjenigen, welche dieselben in Ermangelung seiner, nach §. 1201. überkommen haben, verlangen.
§. 1208. In so fern aber diesen keine Theilnehmung oder Mitwirkung an den bey seiner Aufnahme vorgefallenen Nichtigkeiten beygemessen werden kann, ist die gewesene Klosterperson nicht berechtigt, Ersatz der genossenen Früchte und gezognen Nutzungen zu fordern; und muß vielmehr mit dem, was von dem Hauptstuhle noch wirklich vorhanden, oder so weit der Inhaber davon noch wirklich reicher ist, sich begnügen.
§. 1209. Wird aber jemand von einem an sich gültigen Klostergelübde aus andern Ursachen entbunden: so kann er weder das dem Kloster Gezahlte zurückfordern, noch auf die Anfälle, welche während seines Klosterstandes sich ereignet haben, Anspruch machen.
Neunzehnter Abschnitt. Von den Mitgliedern der geistlichen Ritterorden
§. 1210. Die Deutschen und Maltheserordens-Ritter werden als Geistliche betrachtet, und sind durch Gelübde verpflichtet.
§. 1211. Sie sind aber zu einem gemeinschaftlichen Klosterleben nicht verbunden.
§. 1212. Die besondern Pflichten und Obliegenheiten ihres Standes sind durch die Ordensstatuten bestimmt.
§. 1213. Es kann aber kein Königlicher Unterthan, durch den Eintritt in einen Ritterorden, Verbindlichkeiten übernehmen, welche den Gesetzen des Staats zuwider sind.
§. 1214. In Ansehung ihrer äußern persönlichen Rechte und Vermögens gilt von ihnen alles, was im Siebzehnten Abschnitte von den weltgeistlichen Canonicis verordnet ist.
§. 1215. Doch nehmen und verlassen sie Heergeräthe, in Provinzen, wo dasselbe üblich ist; sie succediren aber nicht, wie die Canonici, in die Gerade.
§. 1216. Auf ihre Commenden, und deren Einkünfte haben sie gleiche Rechte, wie die weltgeistlichen Canonici auf ihre Pfründen.
§. 1217. Die zu den Ritterorden gehörigen Priester sind andern Mönchen und Ordensleuten gleich zu achten.
Zwanzigster Abschnitt. Von protestantischen Stiftern, Klöstern, Ritterorden, und deren Mitgliedern
Rechte, der geistliche Gesellschaften;
§. 1218. Die protestantischen Stifter und Klöster haben, vermöge ihres Ursprungs und ihrer Fundation, die Rechte der geistlichen Gesellschaften.
§. 1219. Als Corporationen werden sie hauptsächlich nach ihren Statuten und hergebrachten Observanzen: demnächst aber nach eben den Gesetzen, wie katholische Stifter gleicher Art, beurtheilt.
§. 1220. Der Landesherr hat, in Beziehung auf dieselben, alle Rechte, welche den Bischöfen, oder andern geistlichen Obern, auf katholische Stiftungen gleicher Art eingeräumt worden.
§. 1221. Dagegen können protestantische Stifter, wenn sie auch an sich die Würde der Cathedralstifter haben, dennoch einiger Theilnehmung an den Angelegenheiten der Kirche oder der Diözes sich nicht anmaßen.
Rechte der einzelnen Mitglieder.
§. 1222. Bey den einzelnen Mitgliedern der protestantischen Stifter, Klöster, und Ritterorden, werden die äußern persönlichen Rechte und Pflichten derselben, sowohl in Beziehung auf den Staat, als auf die übrigen Einwohner, durch die Aufnahme in eine solche Gesellschaft nicht verändert.
§. 1223. Auch sind dieselben weder an Gelübde, noch an andre auf den Gottesdienst sich beziehende Regeln und Vorschriften ähnlicher katholischen Stiftungen gebunden.
§. 1224. Was sie aber in dieser Rücksicht bey einem oder dem andern Stifte besonders zu beobachten haben, ist lediglich nach den Statuten und Gewohnheiten desselben zu bestimmen.
§. 1225. Wegen der Art, zu einer Präbende oder Stelle zu gelangen, und der in Ansehung derselben dem Präbendaten zukommenden Rechte und Pflichten, finden, der Regel nach, die bey katholischen Stiftern von gleicher Art ertheilten Vorschriften Anwendung.
§. 1226. Bey den Erfordernissen zur Aufnahme; wegen der Probezeit; Verbindlichkeit zur Residenz; und Vereinigung mehrerer Pfründen in Einer Person, kommt dem Landesherrn das Dispensationsrecht in allen Fällen zu, wo nicht besondre Gesetze oder Verträge entgegen stehn.
§. 1227. Sowohl der Landesherr, als das Capitel, können auf Präbenden und Stellen, die künftig zu ihrer Verleihung erledigt werden, Anwartschaften ertheilen.
§. 1228. Unter mehrern Anwärtern, gebührt der Regel nach die erste zur Verleihung des Collators derselben vacanten Stelle demjenigen, welcher die älteste Anwartschaft hat.
§. 1229. Ist in den Statuten eine Zeit bestimmt, binnen welcher, nach Entstehung der Vacanz, der Anwärter sich melden muß: so geht durch deren Verabsäumung sein Recht für diesen Fall verloren.
§. 1230. So lange der Anwärter noch nicht immatrikulirt worden, kann die Anwartschaft zurückgenommen werden.
§. 1231. Uebrigens gilt von dem Falle, wenn mehrere Anwärter auf eine zur Verleihung desselben Collators erledigte Präbende Anspruch machen, eben das, was in einem gleichen Falle bey Lehnsanwartschaften verordnet ist. (Th. I. Tit. XVIII. §. 458. sqq.)
§. 1232. Die Immatriculation vertritt dabey die Stelle der Eventualbelehnung.
Zwölfter Titel. Von niedern und höhern Schulen
§. 1. Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staats, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben.
§. 2. Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staats errichtet werden.
Von Privaterziehungsanstalten.
§. 3. Wer eine Privaterziehungs- oder sogenannte Pensionsanstalt errichten will, muß bey derjenigen Behörde, welcher die Aufsicht über das Schul- und Erziehungswesen des Orts aufgetragen ist, seine Tüchtigkeit zu diesem Geschäfte nachweisen, und seinen Plan, sowohl in Ansehung der Erziehung, als des Unterrichts, zur Genehmigung vorlegen.
§. 4. Auch solche Privat- Schul- und Erziehungsanstalten sind der Aufsicht dieser Behörde unterworfen; welche von der Art, wie die Kinder gehalten und verpflegt, wie die physische und moralische Erziehung derselben besorgt, und wie ihnen der erforderliche Unterricht gegeben werde, Kenntniß einzuziehen befugt und verpflichtet ist.
§. 5. Schädliche Unordnungen und Mißbräuche, welche sie dabey bemerkt, muß sie der dem Schul- und Erziehungswesen in der Provinz vorgesetzten Behörde zur nähern Prüfung und Abstellung anzeigen.
§. 6. Auf dem Lande, und in kleinern Städten, wo öffentliche Schulanstalten sind, sollen keine Neben- oder sogenannte Winkelschulen ohne besondere Erlaubniß geduldet werden.
§. 7. Aeltern steht zwar frey, nach den im Zweyten Titel enthaltenen Bestimmungen, den Unterricht und die Erziehung ihrer Kinder auch in ihren Häusern zu besorgen.
§. 8. Diejenigen aber, welche ein Gewerbe daraus machen, daß sie Lehrstunden in den Häusern geben, müssen sich wegen ihrer Tüchtigkeit dazu, bey der §. 3. bezeichneten Behörde ausweisen, und sich von derselben mit einem Zeugnisse darüber versehen lassen.
§. 9. Alle öffentliche Schul- und Erziehungsanstalten stehen unter der Aufsicht des Staats, und müssen sich den Prüfungen und Visitationen desselben zu allen Zeiten unterwerfen.
§. 10. Niemanden soll, wegen Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses, der Zutritt in öffentliche Schulen versagt werden.
§. 11. Kinder, die in einer andern Religion, als welche in der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staats erzogen werden sollen, können dem Religionsunterricht in derselben beyzuwohnen nicht angehalten werden.
Aufsicht und Direction derselben.
§. 12. Gemeine Schulen, die dem ersten Unterrichte der Jugend gewidmet sind, stehen unter der Direction der Gerichtsobrigkeit eines jeden Orts, welche dabey die Geistlichkeit der Gemeine, zu welcher die Schule gehört, zuziehen muß.
§. 13. Die Kirchenvorsteher einer jeden Gemeine, auf dem Lande und in kleinen Städten, so wie in Ermangelung derselben, Schulzen und Gerichte, ingleichen die Polizeymagistrate, sind schuldig, unter Direction der Obrigkeit und der Geistlichen, die Aufsicht über die äußere Verfassung der Schulanstalt, und über die Aufrechthaltung der dabey eingeführten Ordnung zu übernehmen.
§. 14. Alle dabey bemerkten Mängel, Versäumnisse, und Unordnungen, müssen sie der Obrigkeit und dem Geistlichen, zur nähern Untersuchung und Abstellung anzeigen.
§. 15. Die Obrigkeit und der Geistliche müssen sich nach den vom Staate ertheilten oder genehmigten Schulordnungen achten; und nichts, was denselben zuwider ist, eigenmächtig vornehmen und einführen.
§. 16. Finden sie bey der Anwendung der ergangenen allgemeinen Vorschriften auf die ihrer Aufsicht anvertraute Schule, Zweifel oder Bedenklichkeiten: so muß der geistliche Vorsteher der dem Schulwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde davon Anzeige machen.
§. 17. Eben dieser Behörde gebührt die Entscheidung, wenn die Obrigkeit sich mit dem geistlichen Schulvorsteher über eine oder die andere bey der Schule zu treffende Anstalt oder Einrichtung sich nicht vereinigen kann.
Aeußere Rechte der Schulanstalten.
§. 18. Schulgebäude genießen eben die Vorrechte, wie die Kirchengebäude. (Tit. XI. §. 170. sqq.)
§. 19. Auch von den Grundstücken und übrigem Vermögen der Schulen gilt in der Regel alles das, was vom Kirchenvermögen verordnet ist. (Ebend. §. 193. sqq. Sect. IX.)
§. 20. Doch sind Vermögen und Grundstücke, die zu einer gemeinen Schule gehören, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht ausgenommen.
§. 21. Auch sind inländische Schulen, bey Schenkungen und Vermächtnissen, den Einschränkungen der Kirchen und geistlichen Gesellschaften nicht unterworfen. (Th. I. Tit. XL §. 1075.)
§. 22. Die Bestellung der Schullehrer kommt in der Regel der Gerichtsobrigkeit zu.
§. 23. Durch wen diese Befugniß in Ansehung der auf Domainen- oder andern Königlichen Gütern zu bestellenden Schulmeister ausgeübt werde, ist nach den Verfassungen einer jeden Provinz bestimmt.
§. 24. Ueberall aber soll kein Schulmeister bestellt und angenommen werden, der nicht zuvor, nach angestellter Prüfung, ein Zeugniß der Tüchtigkeit zu einem solchen Amte erhalten hat.
§. 25. Es muß also jeder neu anzunehmende Schullehrer dem Kreisinspector oder Erzpriester angezeigt, und wenn er noch mit keinem Zeugnisse seiner Tüchtigkeit versehen ist, demselben zur Prüfung vorgestellt werden.
Rechte und Pflichten derselben.
§. 26. Gemeine Schullehrer haben keinen privilegirten Gerichtsstand, sondern sind der ordentlichen Gerichtsobrigkeit des Orts unterworfen.
§. 27. Dieser gebührt, mit Zuziehung des geistlichen Schulvorstehers, auch die Aufsicht über die Amtsführung; und sie hat wegen Ahndung der solchen gemeinen Schullehrern in ihrem Amte zur Last fallenden Vergehungen, eben die Rechte, welche in Ansehung der Kirchenbedienten den geistlichen Obern beygelegt sind.
§. 28. Dagegen finden auch in Ansehung der Schullehrer, wenn dieselben ihres Amts entsetzt werden sollen, die Vorschriften des vorhergehenden Titels Anwendung.
§. 29. Wo keine Stiftungen für die gemeinen Schulen vorhanden sind, liegt die Unterhaltung der Lehrer den sämmtlichen Hausvätern jedes Orts, ohne Unterschied, ob sie Kinder haben, oder nicht, und ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses ob.
§. 30. Sind jedoch für die Einwohner verschiedenen Glaubensbekenntnisses an Einem Orte mehrere gemeine Schulen errichtet: so ist jeder Einwohner nur zur Unterhaltung des Schullehrers von seiner Religionspartey beyzutragen verbunden.
§. 31. Die Beyträge, sie bestehen nun in Gelde oder Naturalien, müssen unter die Hausväter nach Verhältniß ihrer Besitzungen und Nahrungen billig vertheilt, und von der Gerichtsobrigkeit ausgeschrieben werden.
§. 32. Gegen Erlegung dieser Beyträge sind alsdann die Kinder der Contribuenten von Entrichtung eines Schulgeldes für immer frey.
§. 33. Gutsherrschaften auf dem Lande sind verpflichtet, ihre Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres schuldigen Beytrags ganz oder zum Theil auf eine Zeitlang unvermögend sind, dabey nach Nothdurft zu unterstützen.
§. 34. Auch die Unterhaltung der Schulgebäude und Schulmeister-Wohnungen muß, als gemeine Last, von allen zu einer solchen Schule gewiesenen Einwohnern ohne Unterschied getragen werden.
§. 35. Doch trägt das Mitglied einer fremden zugeschlagenen Gemeine zur Unterhaltung der Gebäude nur halb so viel bey, als ein Einwohner von gleicher Classe an dem Orte, wo die Schule befindlich ist.
§. 36. Bey Bauen und Reparaturen der Schulgebäude müssen die Magisträte in den Städten, und die Gutsherrschaften auf dem Lande, die auf dem Gute oder Cämmereyeigenthume, wo die Schule sich befindet, gewachsenen oder gewonnenen Materialien, so weit selbige hinreichend vorhanden, und zum Baue nothwendig sind, unentgeltlich verabfolgen.
§. 37. Wo das Schulhaus zugleich die Küsterwohnung ist, muß in der Regel die Unterhaltung desselben auf eben die Art, wie bey Pfarrbauen vorgeschrieben ist, besorgt werden.
§. 38. Doch kann kein Mitglied der Gemeine, wegen Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses, dem Beytrage zur Unterhaltung solcher Gebäude sich, entziehen.
Pflicht der Schulgemeine zur Herbeyholung neuer Schulmeister.
§. 39. Die Gemeinen sind in der Regel verbunden, einen neuen Schulmeister herbeyzuholen.
§. 40. Diese Verbindlichkeit erstreckt sich auch auf die zur Familie des Schulmeisters gehörenden Personen, und was derselbe an Kleidung, Wäsche, Hausrath und Büchern mitbringt.
§. 41. Doch findet dabey, in Ansehung der Entfernung, eben die Einschränkung auf Zwey Tagereisen, wie bey Abholung der Pfarrer durch die Kirchengemeine statt.
§. 42. Auch findet die Vorschrift des Eilften Titels §. 525. auf Schulmeister ebenfalls Anwendung.
Pflicht der Aeltern, ihre Kinder zur Schule zu halten.
§. 43. Jeder Einwohner, welcher den nöthigen Unterricht für seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann, oder will, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem Fünften Jahre zur Schule zu schicken.
§. 44. Nur unter Genehmigung der Obrigkeit, und des geistlichen Schulvorstehers, kann ein Kind länger von der Schule zurückgehalten, oder der Schulunterricht desselben, wegen vorkommender Hindernisse, für einige Zeit ausgesetzt werden.
§. 45. Zum Besten derjenigen Kinder, welche wegen häuslicher Geschäfte die ordinairen Schulstunden, zu gewissen nothwendiger Arbeit gewidmeten Jahreszeiten, nicht mehr ununterbrochen besuchen können, soll am Sonntage, in den Feyerstunden zwischen der Arbeit, und zu andern schicklichen Zeiten, besondrer Unterricht gegeben werden.
§. 46. Der Schulunterricht muß so lange fortgesetzt werden, bis ein Kind, nach dem Befunde seines Seelsorgers, die einem jeden vernünftigen Menschen seines Standes nothwendigen Kenntnisse gefaßt hat.
§. 47. Die Schulaufseher müssen darauf Acht haben, daß der Schulmeister sein Amt mit Treue und Fleiß abwarte.
§. 48. Ihnen liegt es ob, unter Beystand der Obrigkeit, darauf zu sehen, daß alle schulfähige Kinder, nach obigen Bestimmungen (§. 43. sqq.), erforderlichen Falls durch Zwangsmittel, und Bestrafung der nachläßigen Aeltern, zur Besuchung der Lehrstunden angehalten werden.
§. 49. Der Prediger des Orts ist schuldig, nicht nur durch Aufsicht, sondern auch durch eignen Unterricht, des Schulmeisters sowohl, als der Kinder, zur Erreichung des Zwecks der Schulanstaltea thätig mitzuwirken.
§. 50. Die Schulzucht darf niemals bis zu Mißhandlungen, welche der Gesundheit der Kinder auch nur auf entfernte Art schädlich werden könnten, ausgedehnt werden.
§. 51. Glaubt der Schullehrer, daß durch geringere Züchtigungen der eingewurzelten Unart eines Kindes, oder dem überwiegenden Hange desselben zu Lastern und Ausschweifungen nicht hinlänglich gesteuert werden könne: so muß er der Obrigkeit und dem geistlichen Schulvorsteher davon Anzeige machen.
§. 52. Diese müssen alsdann, mit Zuziehung der Aeltern oder Vormünder, die Sache näher prüfen, und zweckmäßige Besserungsmittel verfügen.
§. 53. Aber auch dabey dürfen die der älterlichen Zucht vorgeschriebenen Gränzen nicht überschritten werden.
II. Von gelehrten Schulen und Gymnasien.
§. 54. Schulen und Gymnasia, in welchen die Jugend zu hohem Wissenschaften, oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben, durch Beybringung der dabey nöthigen oder nützlichen wissenschaftlichen Kenntnisse vorbereitet werden soll, haben die äußern Rechte der Corporationen.
§. 55. Diese Rechte werden durch die Schulcollegia, nach der eingeführten Schulordnung jedes Orts, ausgeübt.
§. 56. Dergleichen Schulen stehen unter der nähern Direction der dem Schul- und Erziehungswesen, vom Staate vorgesetzten Behörde; welche besonders darauf sehen muß, daß der Unterricht zweckmäßig eingerichtet, und die Schule unter beständiger Aufsicht gehalten werde.
§. 57. Von den Gebäuden, Grundstücken, und Vermögen solcher Anstalten gilt alles, was in Ansehung der Kirchen und deren Vermögen im vorigen Titel verordnet ist.
§. 58. Doch sind Gymnasia und Realschulen, in Ansehung der Schenkungen und Vermächtnisse, den Einschränkungen der Kirchengesellschaften eben so wenig, wie die gemeinen Schulen, unterworfen.
§. 59. Wo die Bestellung der Lehrer und Schulaufseher nicht etwa gewissen Personen oder Corporationen, vermöge der Stiftung, oder eines besondern Privilegii zukommt, da gebührt dieselbe dem Staate.
§. 60. Auch da, wo die unmittelbare Aufsicht über dergleichen Schulen, oder die Bestellung der Lehrer, gewissen Privatpersonen oder Corporationen überlassen ist, können dennoch, ohne Vorwissen und Genehmigung der dem Schulwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde, weder neue Lehrer bestellt, noch wesentliche Veränderungen in der Einrichtung des Schulwesens, und der Art des Unterrichts, vorgenommen werden.
§. 61. Zu Aufsehern müssen Leute von hinlänglichen Kenntnissen; guten Sitten; und richtiger Beurtheilungskraft gewählt werden.
§. 62. Diese müssen junge Leute, welche sich einer Lebensart, die gelehrte Kenntnisse erfordert, widmen, und zu dem Ende die Universität beziehen wollen; gleichwohl aber sich durch Geistesfähigkeiten und Anlagen zu einer gründlichen Gelehrsamkeit nicht auszeichnen, vom Studiren ernstlich abmahnen, und deren Aeltern oder Vormünder dahin zu vermögen suchen, daß sie dergleichen mittelmäßige Subjecte zu andern nützlichen Gewerben in Zeiten anhalten.
§. 63. Dagegen sollen junge Leute, welche vorzügliche Fähigkeiten und Anlagen zeigen, zur Fortsetzung ihrer Studien aufgemuntert und unterstützt werden.
§. 64. Kein Landeseingeborner, welcher eine öffentliche Schule besucht hat, soll ohne ein von den Lehrern und Schulaufsehern unterschriebenes Zeugniß über die Beschaffenheit der sich erworbenen Kenntnisse, und seines sittlichen Verhaltens, von der Schule entlassen werden.
§. 65. Die Lehrer bey den Gymnasiis und andern hohem Schulen, werden als Beamte des Staats angesehen, und genießen der Regel nach einen privilegirten Gerichtsstand.
§. 66. Rückständig gebliebenes Schulgeld, so wie bey gemeinen Schulen, der zum Unterhalte des Schullehrers zu leistende Beytrag, genießen, bey einem über das Vermögen der Aeltern entstandenen Concurs, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht.
§. 67. Universitäten haben alle Rechte privilegirter Corporationen.
§. 68. Die innere Verfassung derselben, die Rechte des academischen Senats, und seines jedesmaligen Vorstehers, in Besorgung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten, sind durch Privilegien, und die vom Staate genehmigte Statuten einer jeden Universität bestimmt.
§. 69. Zur nachdrücklichen Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung auf Academien, ist dem academischen Senate die Gerichtsbarkeit über alle sowohl lehrende als lernende Mitglieder verliehen.
§. 70. Diese Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch auf die Officianten der Universität, so wie auf die Familien und das Gesinde aller derer, die für ihre Personen derselben unterworfen sind.
§. 71. Sie ist aber nur eine persönliche Gerichtsbarkeit, und kann auf Grundstücke, welche diese Personen besitzen, in der Regel nicht ausgedehnt werden.
§. 72. Soll sie auch auf die Grundstücke sich erstrecken, oder sollen noch andre als die vorbenannten Personen derselben unterworfen seyn: so muß dergleichen Ausdehnung durch ausdrückliche Privilegia, oder aus andern Rechtsgründen, besonders nachgewiesen werden.
§. 73. Alle sowohl ordentliche als außerordentliche Professores, Lehrer und Officianten auf Universitäten, genießen, außer was den Gerichtsstand betrifft, die Rechte der Königlichen Beamten. (Tit. X. §. 104. sqq.)
§. 74. Die Aufnahme der Studirenden unter die Mitglieder der Universität, geschieht durch das Einschreiben in die Matrikel.
§. 75. Wer einmal eingeschrieben worden, bleibt ein Mitglied der Universität, so lange er sich am Sitze derselben aufhält, und daselbst keinen besondern Stand, oder Lebensart, die ihn einer andern Gerichtsbarkeit unterwerfen, ergriffen hat.
§. 76. Wer sich Studirenshalber auf eine Universität begiebt, ist schuldig, bey dem Vorsteher des academischen Senats sich zur Einschreibung zu melden.
§. 77. Der Einzuschreibende muß sein mitgebrachtes Schulzeugniß (§. 64.) vorlegen.
§. 78. Wenn er dergleichen, weil er Privatunterricht genossen, nicht mitgebracht hat: ist der Rector denselben, an die zur Prüfung solcher neuen Ankömmlinge verordnete Commission zu verweisen schuldig.
§. 79. Wer bey dieser Prüfung noch nicht reif genug in Ansehung seiner Vorkenntnisse befunden wird, muß entweder zurückgewiesen, oder mit der nöthigen Anleitung zur Ergänzung des ihm noch fehlenden versehen werden.
§. 80. Der Rector muß einem jeden ankommenden Studenten die academischen und Polizeygesetze des Orts bekannt machen, und ihn zu deren gehörigen Beobachtung anweisen.
Aufsicht über ihre Studien, und Lebensart.
§. 81. Nach geschehener Immatriculation muß der Student seine Matrikel dem Decanus der Facultät vorlegen.
§. 82. Bemerkt der Decanus an einem zu seiner Facultät gehörenden Studenten Unfleiß oder unordentliche Lebensart: so muß er davon dem academischen Senate Anzeige machen.
§. 83. Dieser muß den Studirenden durch nachdrückliche Ermahnungen zu bessern suchen, und wenn dieselben fruchtlos sind, seinen Aeltern oder Vormündern, so wie denjenigen, von welchen sie Stipendia genießen, davon Nachricht geben.
Von der academischen Disciplin.
§. 84. Alle Studirende müssen den allgemeinen Polizeygesetzen des Landes und Orts sowohl, als den besondern die academische Zucht betreffenden Vorschriften und Anordnungen, die genaueste Folge leisten.
§. 85. Besonders müssen Schlägereyen, Schwelgereyen, und andre zum öffentlichen Aergerniß, oder zur Stöhrung der gemeinen Ruhe und Sicherheit gereichende Excesse der Studenten, nachdrücklich geahndet werden.
§. 86. Der Rector oder Prorector ist vorzüglich, und nach ihm der academische Senat, für alle entstandene Unordnungen, welche durch genauere Aufmerksamkeit und Sorgfalt hätten vermieden werden können, dem Staate verantwortlich.
§. 87. Gefängnißstrafe muß an Studirenden nur zu solchen Zeiten und Stunden, wo sie dadurch an Besuchung der Collegien nicht verhindert sind, vollzogen werden.
§. 88. Sie muß mit gänzlicher Entfernung aller Gesellschaft, und Entziehung der gewöhnlichen Bequemlichkeiten des Lebens verbunden seyn.
§. 89. Wiederholte grobe Excesse, Widersetzlichkeit gegen den academischen Senat, und dessen zur Ausübung der academischen Zucht verordnete Bediente; Aufwiegeleyen, Rottenstiftungen, und Verführung Anderer, müssen mit Relegation bestraft werden.
§. 90. Von der erkannten Relegation muß den Aeltern oder Vormündern der Straffälligen sofort Nachricht gegeben; er selbst aber so lange in gefänglicher Haft behalten werden, bis dieselben seinetwegen weitere Verfügungen treffen.
§. 91. Von jeder erkannten Relegation muß dem der Universität vorgesetzten Departement, mit Beylegung des Erkenntnisses, Anzeige geschehen; damit dieses, nach Beschaffenheit der Umstände, die übrigen Universitäten gegen die Aufnahme eines solchen Subjects, vor hinlänglich nachgewiesener Besserung, warnen; auch dem Departement, von welchem der Relegirte, nach der Facultät, zu welcher er gehört, eine künftige Beförderung zu erwarten hat, davon Nachricht geben könne.
§. 92. Ein Relegirter soll weder am Orte, noch in der Nachbarschaft, unter irgend einem Vorwande geduldet werden.
§. 93. Jede angrenzende Gerichtsobrigkeit ist schuldig, ihn auf Requisition des academischen Senats aus ihrer Botmäßigkeit fortzuschaffen.
§. 94. Grobe Excesse, wenn sie sich auch noch nicht zur Relegation qualificiren, sollen dennoch mit Gefängniß-, niemals aber mit bloßer Geldstrafe geahndet werden.
§. 95. So wenig die Relegation, als eine nach den Gesetzen verwirkte Gefängnißstrafe, kann mit Gelde abgekauft werden.
§. 96. In Ansehung wirklicher Verbrechen der Studirenden hat es bey den Vorschriften der Criminalgesetze sein Bewenden.
Rechte der Studirenden in ihren Privatangelegenheiten.
§. 97. In ihren Privatangelegenheiten bleiben Studirende der Regel nach den Gesetzen ihres Geburtsorts, oder ihrer Heimath unterworfen.
§. 98. So lange Studirende noch unter Aeltern oder Vormündern stehn, bleibt es, wegen ihrer Unfähigkeit, für sich allein verbindliche Verträge zu schließen, bey den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.
Besonders in Ansehung des Schuldenmachens.
§. 99. Kein Studirender, er mag der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt noch unterworfen sein, oder nicht, kann, so lange er auf Universitäten ist, ohne Vorwissen und Consens des academischen Gerichts gültig Schulden contrahiren oder Bürgschaften übernehmen.
§. 100. Kostgeld, Waschgeld, Perukenmacher- und Barbierlohn, soll nicht über Einen Monath; Stubenmiethe, Bettzins und Aufwartung nicht über Ein Vierteljahr; Arzeneyen und Arztlohn nicht über Ein halbes Jahr; und das Honorarium für die Collegia höchstens nur bis zum Ende des Collegii geborgt werden.
§. 101. Schneider und Schuster können nur auf Zehn, so wie Buchbinder nur auf Drey Thaler Credit geben; und müssen diesen Credit auf länger als Einen Monat nicht ausdehnen.
§. 102. Das Honorarium für den Unterricht in Sprachen und Leibesübungen darf nicht über Drey Monathe creditirt werden.
§. 103. Alle vorstehend (§. 100.101. 102.) benannte Gläubiger müssen, wenn die Zahlung mit Ablauf der bestimmten Frist nicht erfolgt, ihre Forderungen längstens binnen Acht Tagen, bey Verlust derselben, gerichtlich einklagen.
§. 104. Alle andere Privatschulden eines Studirenden sind nichtig, und begründen keine Klage.
§. 105. Auch die Verträge, wodurch Sicherheit oder Bürgschaft dafür bestellt worden, sind unkräftig.
§. 106. Die dafür eingelegten Pfänder müssen unentgeltlich zurückgegeben werden.
§. 107. Ist auf eine solche ungültige Schuld von dem Studenten etwas bezahlt worden: so können die Aeltern oder Vormünder dasselbe unter fiskalischer Assistenz zurückfordern.
§. 108. Hat jemand einem Studirenden Geld oder Geldeswerth zu unnützen Ausgaben, oder gar zur Ueppigkeit und Schwelgerey geliehen, oder sonst creditirt: so soll er, außer dem Verluste der Schuld, auch noch um den ganzen Betrag derselben fiskalisch bestraft werden.
§. 109. Hat der Schuldner ein solches Darlehn ganz oder zum Theil bezahlt: so ist der Fiskus, außer der Strafe, auch das Gezahlte von dem Gläubiger beyzutreiben berechtigt.
§. 110. Wenn aber ein Studirender, durch das Außenbleiben der ihm zu seinem Unterhalte ausgesetzten Gelder, oder durch andere für ihn unvermeidliche Zufälle, in die Notwendigkeit, ein Darlehn zu seiner Subsistenz aufzunehmen, gesetzt ist: so muß er sich mit seinem Gläubiger bey dem academischen Gerichte melden, und dessen Einwilligung nachsuchen.
§. 111. Das Gericht muß die angebliche Notwendigkeit und Bedürfniß des Schuldners, so wie die übrigen Umstände der Sache, genau prüfen; und wenn sich nichts dabey zu erinnern findet, den Consens unter das auszustellende Instrument verzeichnen.
§. 112. Besonders muß darauf gesehen werden, daß die Summe des aufzunehmenden Darlehns die wirkliche gegenwärtige Bedürfniß des Schuldners nicht übersteige.
§. 113. Der Regel nach darf das academische Gericht für einen Studirenden nicht mehr an Schulden consentiren, als der Vierte Theil der ihm zu seinem jährlichen Unterhalte bestimmten Summe beträgt.
§. 114. Wenn also ein Studirender dergleichen Consens sucht, muß er zuvörderst glaubhaft angeben, wie viel ihm zu seinem Unterhalte auf der Academie bestimmt worden.
§. 115. Findet sich das academische Gericht durch besondere Umstände veranlaßt, den Credit des Studirenden auf ein höheres Quantum zu erstrecken: so muß dieses, und die Gründe davon, in dem Consens ausdrücklich bemerkt werden.
§. 116. Gleich nach ertheiltem Consens muß das Gericht den Aeltern oder Vormündern des Schuldners davon Nachricht geben.
§. 117. Der Consens selbst muß allemal nur auf eine gewisse Zeit, und zwar nur auf so lange gegeben werden, als nöthig ist, um den Aeltern oder Vormündern zu Treffung der nöthigen Zahlungsanstalten Raum zu lassen.
§. 118. Mit dem Ablaufe dieser Frist muß der Gläubiger, wenn er inzwischen nicht befriedigt worden, es dem academischen Gerichte, bey Verlust seines Rechts, anzeigen.
§. 119. Das Gericht muß alsdann die den Aeltern oder Vormündern des Schuldners vorgesetzte Obrigkeit, mit Zufertigung des Instruments, requiriren, diese zu Abtragung der Schuld allenfalls executivisch anzuhalten.
§. 120. Alle Gerichte in Königlichen Landen sollen gehalten seyn, dergleichen Requisitionen, wegen Beytreibung einer gesetzmäßig consentirten Schuld, ohne Gestattung prozessualischer Weitläuftigkeiten Folge zu leisten.
§. 121. Glauben die Aeltern oder Vormünder, erhebliche Einwendungen gegen die Schuld zu haben: so müssen sie den Betrag bey dem requirirten Gerichte niederlegen, und die Einwendungen gegen den Gläubiger vor dem academischen Gerichte ausführen.
§. 122. Gegen diese den consentirten Gläubigern zu verschaffende promte Rechtshülfe, dürfen sie den Schuldner selbst, während des Laufes seiner Studien, mit Executionen nicht beunruhigen.
§. 123. Steht der Studirende nicht mehr unter Aeltern oder Vormündern: so kann der Gläubiger sich auf die Person und das Vermögen des Schuldners selbst, der gesetzmäßigen Executionsmittel bedienen.
§. 124. Hat ein solcher Schuldner die Universität ohne Befriedigung seiner consentirten Gläubiger verlassen, so steht diesen frey, ihn überall, wo er sich betreffen läßt, mit Personalarrest zu verfolgen.
§. 125. Für die dem academischen Gerichte in dergleichen Angelegenheiten zufallenden Bemühungen, soll demselben eine billige Belohnung in der ihm vorzuschreibenden Sportultaxe bestimmt werden.
§. 126. Dagegen soll aber auch das academische Gericht, wenn es pflichtwidriger Weise in unnütze und übermäßige Schulden gewilligt, oder sonst, durch Collusion mit einem Studirenden, jemand zum Borgen an denselben verleitet hat, einem solchen Gläubiger für seine Forderung selbst haften.
§. 127. Jeder Studirende muß, wenn er die Universität verlassen will, bey seinen Lehrern Zeugnisse seines Fleißes und seiner Ordnung in Abwartung der Lehrstunden nachsuchen, und selbige dem Vorsteher des academischen Senats zustellen.
§. 128. Dieser muß die Richtigkeit derselben unter dem Siegel der Universität bekräftigen, und zugleich bemerken: ob gegen das sittliche Betragen des Abgehenden, während seines Aufenthalts auf der Academie, etwas nachtheiliges bekannt geworden sey.
§. 129. Jeder Landeseingeborne, welcher sich zu Uebernehmung eines Amts, oder sonst zur Ausübung seiner Wissenschaft qualificiren will, muß dergleichen Zeugniß von einer inländischen Academie vorlegen.
Dreyzehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten des Staats überhaupt
§. 1. Alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine Bürger und Schutzverwandten vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben.
§. 2. Die vorzügliche Pflicht des Oberhaupts im Staate ist, sowohl die äußere als innere Ruhe und Sicherheit zu erhalten, und einen jeden bey dem Seinigen gegen Gewalt und Störungen zu schützen.
§. 3. Ihm kommt es zu, für Anstalten zu sorgen, wodurch den Einwohnern Mittel und Gelegenheiten verschafft werden, ihre Fähigkeiten und Kräfte auszubilden, und dieselben zur Beförderung ihres Wohlstandes anzuwenden.
§. 4. Dem Oberhaupte im Staate gebühren daher alle Vorzüge und Rechte, welche zur Erreichung dieser Endzwecke erforderlich sind.
§. 5. Die Verteidigung des Staats gegen auswärtige Feinde anzuordnen; Kriege zu führen; Frieden zu schließen; Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten zu errichten, kommt allein dem Oberhaupte des Staats zu.
§. 6. Das Recht, Gesetze und allgemeine Polizeyverordnungen zu geben, dieselben wieder aufzuheben, und Erklärungen darüber mit gesetzlicher Kraft zu ertheilen, ist ein Majestätsrecht.
§. 7. Privilegia, als Ausnahmen von dergleichen Gesetzen zu bewilligen, Standeserhöhungen, Staatsämter und Würden zu verleihen, gebühret nur dem Oberhaupte des Staats.
§. 8. Todesurtel, ingleichen solche, die eine Zehnjährige Gefängniß- oder noch längere oder härtere Strafe festsetzen, können ohne ausdrückliche Bestätigung des Oberhaupts im Staate nicht vollzogen werden.
§. 9. Das Recht, aus erheblichen Gründen Verbrechen zu verzeihen; Untersuchungen niederzuschlagen; Verbrecher ganz oder zum Theil zu begnadigen; Zuchthaus-, Festungs- oder andere härtere Leibesstrafen in gelindere zu verwandeln, kann nur von dem Oberhaupte des Staats unmittelbar ausgeübt werden; so weit er nicht dasselbe, für gewisse Arten von Verbrechen oder Strafen, einer ihm untergeordneten Behörde ausdrücklich übertragen hat.
§. 10. Durch dergleichen Aufhebung eines Verbrechens, oder durch die erfolgende Begnadigung des Verbrechers, sollen aber die aus der That selbst wohl erworbenen Privatrechte eines Dritten niemals gekränkt werden.
§. 11. Vielmehr bleibt diesem, wenn auch die peinliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten niedergeschlagen worden, dennoch frey, die Richtigkeit der Thatsache, so weit es zur Begründung seines Rechts erforderlich ist, im Wege des Civilprozesses nachzuweisen.
§. 12. Das Recht, Münzen, Maaß und Gewicht zu bestimmen, gehört zu den Majestätsrechten.
§. 13. Alle im Staate vorhandene und entstehende Gesellschaften, und öffentliche Anstalten, sind der Aufsicht des Landesherrn, nach dem Zwecke der allgemeinen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung unterworfen.
§. 14. Damit das Oberhaupt des Staats die ihm obliegenden Pflichten erfüllen, und die dazu erforderlichen Kosten bestreiten könne, sind ihm gewisse Einkünfte und nutzbare Rechte beygelegt.
§. 15. Das Recht, zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse, das Privatvermögen, die Personen, ihre Gewerbe Produkte, oder Consumtion mit Abgaben zu belegen, ist ein Majestätsrecht.
§. 16. So weit die Besorgung gewisser zu den Rechten und Pflichten des Staats gehörender Angelegenheiten und Geschäfte den Beamten des Staats vermöge ihres Amte obliegt (§. 7.), muß diesen, innerhalb der Gränzen ihres Auftrags, eben so, wie dem Landesherrn selbst, Folge geleistet werden.
Privatrechte des Landesherrn und seiner Familie,
§. 17. Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und Familienrechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, werden nach den Hausverfassungen uüd Verträgen bestimmt.
§. 18. Andre Privathandlungen und Geschäfte derselben sind nach den Gesetzen des Landes zu beurtheilen.
Vierzehnter Titel. Von den Staatseinkünften und fiskalischen Rechten
§. 1. Alle Arten der Staatseinkünfte, welche aus dem Besteurungsrechte, aus dem besondern Staatseigenthume den nutzbaren Regalien, und andern Staatsabgaben fließen, werden unter der Benennung des Fiskus begriffen, und haben besondere Vorzugsrechte.
§. 2. Dem Besteurungsrechte, als einem Hoheitsrechte des Staats (Tit. Xm. §. 15.), sind alle diejenigen unterworfen, die für ihre Personen, Vermögen, oder Gewerbe, den Schutz des Staats genießen.
§. 3. Welchen Classen von Landeseinwohnern oder Besitzungen die Befreyung von einer oder der andern Art der Staatsabgaben zukomme, ist, nach Verschiedenheit der Provinzen, in den besondern Gesetzen derselben bestimmt.
§. 4. Einzelne Landeseinwohner, Corporationen oder Gemeinen können die Befreyung von den Abgaben derjenigen Classe, zu welcher sie gehören, in der Regel nur durch Verträge oder ausdrückliche Privilegia erlangen.
§. 5. In wie fern dergleichen Befreyung durch Verjährung erworben werden könne, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 656-659.)
§. 6. Alle solche ausdrücklich oder stillschweigend erlangte Befreyungen sind nach den Vorschriften der Einleitung §. 54-58. und §. 62-72. zu beurtheilen.
§. 7. Durch dergleichen Ausnahmen sollen die übrigen Mitglieder derselben Classe mit höhern Lasten nicht beschwert werden.
§. 8. Wer ein solches zur Belastung der übrigen Mitglieder gereichendes Privilegium für sich anführt, gegen den gilt die Vermuthung, daß er selbiges erschlichen habe.
§. 9. Streitigkeiten, welche über die Vertheilung der aus dem Besteurungsrechte fließenden Abgaben unter den Contribuenten entstehn, werden, in Ermangelung hinlänglicher durch Verträge, wohlhergebrachte Gewohnheiten, oder besondre Gesetze begründeter Bestimmungen, nach den Regeln einer ohne ausdrücklichen Vertrag entstandnen Gemeinschaft (Th. I. Tit. XVTL Abschn. I.) beurtheilt.
§. 10. Streitigkeiten über Befreyungen sollen nach obigen Gesetzen (§. 2-8.), übrigens aber nach denjenigen, welche über den angeführten Grund der Exemtion ergangen sind, entschieden werden.
§. 11. Einzelne Grundstücke, Gefälle, und Rechte, deren besonderes Eigenthum dem Staate, und die ausschließende Benutzung dem Oberhaupte desselben zukommt, werden Domainen- oder Cammergüter genannt.
§. 12. Auch diejenigen Güter, deren Einkünfte zum Unterhalte der Familie des Landesherrn gewidmet worden, sind als Domainengüter anzusehen.
§. 13. Was Personen aus der Familie des Landesherrn durch eigene Ersparniß, oder auf andere Art, gültig erworben haben, wird, so lange von dem Erwerber oder seinen Erben keine ausdrückliche Einverleibung erfolgt, und so weit darüber durch Familienverträge und Hausverfassungen nicht ein Anderes bestimmt ist, als Privateigenthum betrachtet.
§. 14. Eben das gilt von Gütern und Sachen, welche der Landesherr selbst aus eigenen Ersparnissen, oder durch irgend eine andere auch bey Privatpersonen statt findende Erwerbungsart, an sich gebracht hat.
§. 15. Hat jedoch derjenige Landesherr, welcher ein solcher erster Erwerber war, über unbewegliche von ihm auf dergleichen Art erworbene Sachen, weder unter Lebendigen, noch von Todeswegen verfügt: so sind dieselben für einverleibt in die Domainen des Staats, anzusehn.
§. 16. Domainengüter können nur in so weit an einen Privatbesitzer gültig gelangen, als der Staat dagegen auf andere Art schadlos gehalten worden.
§. 17. Insonderheit können sie gegen andere Güter vertauscht, in Erbpacht ausgethan, oder gegen fortwährende Zinsen den Unterthanen zum erblichen Besitze vertheilt werden.
§. 18. Uebrigens gilt, wenn ein Domainengut einer Privatperson gegen Entschädigung überlassen worden, die Verantwortung, daß die Schadloshaltung verhältnißmäßig gewesen sey.
§. 19. Wer aber wissentlich den Besitz eines Domainenguts ohne dergleichen Schadloshaltung an sich gebracht hat, der ist als ein unredlicher Besitzer anzusehen. (Th. L.Tit. VII. §. 10. sqq. §. 40. 41.42.)
§. 20. Lehne, welche dem Oberhaupte des Staats von seinen Vasallen heimfallen, ingleichen Erbzinsgüter, kann derselbe zu allen Zeiten wieder verleihen.
§. 21. Die Land- und Heerstraßen, die von Natur schiffbaren Ströhme, das Ufer des Meeres und die Hafen, sind ein gemeines Eigenthum des Staats. (Tit. XV. Abschn. I. II.)
§. 22. Eben dahin wird auch das ausschließende Recht, gewisse Arten der herrenlosen Sachen in Besitz zu nehmen, gerechnet. (Tit. XVI.)
§. 23. Ein Gleiches gilt, nach gemeinen Rechten, von der Befugniß, verwirkte Güter einzuziehn, große Geldstrafen aufzulegen, und Abzugsgelder zu fordern. (Tit. XVII.)
§. 24. Die Nutzungsrechte vorstehender Arten des Staatseigentums (§. 21. 22. 23.), werden niedere Regalien genannt.
§. 25. Dies gemeine Staatseigentum selbst ist den Domainen völlig gleich zu achten.
§. 26. Die einzelnen Nutzungsrechte oder niedern Regalien aber, können von Privatpersonen und Communen erworben und besessen werden.
§. 27. Ist ein dergleichen niederes Regale, zur Zeit der Verleihung, von dem Staate schon wirklich benutzt worden: so finden dabey die Vorschriften §. 16-19., wie bey Domainen, Anwendung.
§. 28. Wem das Oberhaupt des Staats dergleichen Nutzungsrecht verliehen hat, der kann, zur Vertheidigung desselben, auf den Beystand des fiskalischen Amts gegründeten Anspruch machen.
§. 29. Es darf aber der Privatbesitzer die Benutzung der vom Staate ihm übertragenen Rechte nicht weiter ausdehnen, als der Staat selbst dergleichen Regalien zur Zeit der Uebertragung genutzt hat.
§. 30. Sind Art und Schranken der Benutzung bey der Verleihung selbst ausdrücklich bestimmt worden: so kann der Privatbesitzer sein Recht, unter keinerley Vorwande, auf andere Art, oder in einem weitern Umfange ausüben.
§. 31. Ueberhaupt versteht sich dergleichen Verleihung allemal unter der Einschränkung auf den bestimmten Ort, oder auf die vorausgesetzten Fälle oder Begebenheiten.
§. 32. Innerhalb dieser bestimmten Gränzen aber gilt die Vermuthung, daß das Regale dem Privatbesitzer ausschließend zukomme, und der Staat sich der Mitausübung begeben habe.
§. 33. Sind die Gränzen des Rechts in der Verleihungsurkunde nicht deutlich bestimmt: so findet wegen deren Auslegung alles statt, was von Auslegung der Privilegien verordnet ist. (Einleitung §. 54-58.)
§. 34. Wenn der Staat einem Privatbesitzer ein Gut mit allen Regalien, oder mit Regalien überhaupt, ohne weitere Bestimmung verliehen hat: so werden darunter nur diejenigen niedern Regalien verstanden, welche andern Gütern derselben Art, in derselben Provinz, oder in eben dem Distrikte, gewöhnlich beygelegt sind.
Von der Verjährung bey Regalien und Domainen.
§. 35. Von der Verjährung der Regalien gilt alles, was von der Verjährung gegen den Fiskus überhaupt verordnet ist. (Th. I. Tit. IX. §. 629. sqq.)
§. 36. Das Eigenthum der Domainen hingegen kann dem Staate auch durch eine solche Verjährung nicht entzogen werden.
§. 37. Vielmehr muß derjenige, der eines solchen Eigenthums sich anmaaßt, des für sich habenden Besitzes ungeachtet, den Titel oder Rechtsgrund, auf welchem sein Besitz beruhet, gegen den Fiskus angeben und nachweisen.
§. 38. Doch soll die Verjährung durch den Besitz vom Jahre 1740 auch bey Domainengütern statt finden. (Th. I. Tit. IX. §. 641. sqq.)
§. 39. Auch hat derjenige, welcher sich in einem Vier und vierzigjährigen ruhigen Besitze eines Domainenguts befindet, die Vermuthung für sich, daß er es aus einem rechtsgültigen Titel besitze.
§. 40. Er muß also bey diesem Besitze so lange geschützt werden, als nicht ausgemittelt worden, daß bey der ersten Veräußerung entweder gar kein rechtsgültiger Titel zum Grunde gelegen habe, oder daß dabey die Vorschrift des §. 16. nicht beobachtet worden sey.
§. 41. Wer nach Verlauf von Zwanzig Jahren, vom Tage der erfolgten Abtrennung von den Domainen an gerechnet, ein solches Gut redlicher Weise an sich gebracht hat, dem kommen, wenn auch Fiskus zur Rückforderung an sich berechtigt ist, die Vorschriften des Fünfzehnten Titels im Ersten Theile §. 24. sqq. zu statten.
§. 42. Wird nicht über das Eigenthum eines Domainenguts, sondern nur über einzelne Pertinenzstücke desselben, oder über Dienstbarkeits- und andere Rechte, deren das Domainenamt gegen einen Dritten, oder dieser gegen das Amt, sich anmaaßt, gestritten: so finden auch bey Domainen die allgemeinen Grundsätze von der Verjährung gegen den Fiskus Anwendung. (Th. I. Tit. IX. §. 629. sqq.)
§. 43. Eben das gilt bey den zwischen einem Domainen- und einem andern Privatgute entstehenden Gränzstreitigkeiten.
§. 44. Die Art der Erhebung und Verwaltung der verschiedenen Staatseinkünfte hängt von dem Oberhaupte des Staats ab.
1) Vorrechte der Staatscassen in dem Vermögen der Cassenbedienten, Domainenbeamten und Pächter.
§. 45. Der Staat hat, zu seiner Sicherheit, in dem Vermögen seiner Cassenbedienten, Domainenbeamten und Pächter, ein in der Concursordnung näher bestimmtes gesetzliches Vorzugsrecht.
§. 46. Unter Cassenbedienten sind hier Rendanten, Controlleur, Cassirer, Cassenschreiber, und Diener oder Boten zu verstehen.
§. 47. Das fiskalische Vorrecht erstreckt sich auf das gesammte Vermögen des Schuldners, welches sich zu der Zeit, wo er, wegen der ihm zur Last fallenden Vertretung, in rechtlichen Anspruch genommen wird, in seinem Eigenthume noch befindet.
§. 48. Auf einen dritten redlichen Besitzer einer zu dem Vermögen des Cassenbedienten gehörig gewesenen Sache, geht die Belastung mit diesem Vorrechte, mit der Sache zugleich, nur alsdann über, wenn es eine unbewegliche Sache, und wenn die Eigenschaft des vorigen Besitzers, als eines Cassenbedienten, Domainenbeamten, oder Pächters, im Hypothekenbuche ausdrücklich vermerkt ist.
§. 49. Dagegen haftet ein solcher Cassenschuldner mit seinem gesammten in dem §. 47. bemerkten Zeitpunkte vorhandenen Vermögen, für alles, was er aus seiner Amtsführung, oder aus seinem Pachtcontrakte, dem Fiskus zu leisten oder zu ersetzen hat.
§ 50. Nur diejenigen Privatgläubiger gehen in dem Vermögen des Schuldners dem Fiskus vor, welche ihr Eigenthum zurückfordern; oder die durch gültige Verpfändung beweglicher, oder durch dergleichen Eintragung auf unbewegliche Vermögensstücke, ein dingliches Recht erlangt haben.
§. 51. Die Gültigkeit einer Verpfändung, welche vor angelegtem allgemeinen oder besondern Beschläge auf das ganze Vermögen des Schuldners, oder auf gewisse Stücke desselben, von ihm vorgenommen worden, ist nach eben den Grundsätzen zu beurtheilen, welche die Concursordnung für den Fall vorschreibt, wenn ein Gemeinschuldner, vor oder nach eröffnetem Concurse, Verfügungen über sein Vermögen getroffen hat.
§. 52. Nur solche gerichtliche Eintragungen sind zum Nachtheile des Cassenvorrechts gültig, welche geschehen sind, ehe noch der Cassen-oder Domainenbeamte das Amt, oder der Pächter die Pachtung übernommen hat.
§. 53. Ferner diejenigen, die auf eine unbewegliche Sache vermerkt worden, ehe noch dieselbe an den Beamten oder Pächter gelangt ist.
§. 54. Endlich diejenigen, welche der Beamte oder Pächter, bey Uebernehmung eines während seiner Amtsführung oder Pacht erworbenen Grundstücks, mit seinem Besitztitel zugleich, in das Hypothekenbuch hat eintragen lassen.
§. 55. Doch gilt Letzteres (§. 54.) nur von rückständigen Kaufgeldern, oder andern aus dem Erwerbungsvertrage entspringenden Verbindlichkeiten; ingleichen von Vermächtnissen, oder andern Abgaben, Bedingungen und Leistungen, mit welchen ein dem Beamten oder Pächter durch Erbgangsrecht zugefallenes Gut auf denselben übergegangen ist.
§. 56. Was vorstehend §. 52. 55. von Grundstücken selbst verordnet ist, gilt auch von deren Zubehörungen und Inventarienstücken.
§. 57. Wenn die Krieges- und Domainencammer, oder andere dem Beamten oder Pächter in der Provinz vorgesetzte höchste Behörde, in die Eintragung einer Schuld ausdrücklich gewilligt hat: so muß die Casse einem solchen Gläubiger mit ihrem Vorrechte in Ansehung dieses Grundstücks nachstehn.
§. 58. Wenn für einen Beamten oder Pächter eine gewisse bestimmte Caution festgesetzt, und dieselbe auf seine Grundstücke eingetragen worden: so kann die Casse von ihrem Vorrechte, in Ansehung dieses Grundstücks, nur nach Höhe der bestimmten Stimme Gebrauch machen; und steht mit dem Ueberschusse ihrer Forderung sämmtlichen eingetragenen Gläubigern nach.
§. 59. Wie die Mißbräuche des Cassenvorrechts zu bestrafen, und die dadurch veranlagten Hintergehungen anderer Gläubiger zu ahnden, ist im Zwanzigsten Titel verordnet. (Abschn. VIII.)
§. 60. In dem Vermögen desjenigen, welcher ein Finanz- oder Cassengeschäft bloß als einen besondern und außerordentlichen Auftrag zu besorgen hat, gebührt dem Staate, bey entstehender Unzulänglichkeit, nur das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 61. Das Privilegium der Staatscassen kann nur auf solche Kreiscassen, in welche die Landesherrlichen Steuern entrichtet werden müssen, nicht aber auf Commun- und andere öffentliche Cassen im Staate ausgedehnt werden, wenn gleich ein Theil der Einkünfte dieser letztern in die Staatscasse fließt.
§. 62. Die Cassenbedienten bey den Prinzlichen Cammern werden, auch in Ansehung des Cassenvorrechts, den Landesherrlichen Cassenbedienten gleich geachtet.
§. 63. Eben das gilt von den Verwaltern und Pachtern solcher Prinzlichen Güter, welche nach §. 12. zu den Domainen des Staats gehören.
§. 64. Hingegen sind Beamte und Pächter auf solchen Prinzlichen Gütern, welche den Domainen des Staats noch nicht einverleibt worden, diesem Cassenvorrechte nicht unterworfen.
2) in dem Vermögen andrer Cassenschuldner.
§. 65. In Ansehung der fixirten beständigen Abgaben gebührt den Staatscassen das Vorzugsrecht vor allen andern Gläubigern, auf einen Rückstand der beyden letzten Jahre, nach näherer Vorschrift der Concursordnung.
§. 66. Alle andere Forderungen des Fiskus, sie mögen entspringen woher sie wollen, Geldstrafen allein ausgenommen, genießen das in eben diesem Gesetze bestimmte Vorrecht der Vierten Classe.
§. 67. In Ansehung der erkannten Geldstrafen steht der Fiskus allen übrigen Glaubigem des Schuldners nach.
§. 68. Kann jedoch nachgewiesen werden, daß eine Schuld bloß zur Vereitelung der Strafe gemacht worden, und dieses dem Gläubiger bekannt gewesen sey: so muß derselbe dem Fiskus weichen.
§. 69. Confiscirte Sachen nimmt der Staat als sein Eigenthum an sich.
§. 70. Doch geht auch eine solche Sache mit den zur Zeit der Confiscation darauf haftenden Lasten an den Fiskus über.
§. 71. Wo nach besondern Gesetzen der Werth an die Stelle der sonst zu confiscirenden Sache tritt, hat der Fiskus diesen Werth in der Vierten Classe zu fordern.
§. 72. Die Bank, und andre dem Staate gehörende Handlungsanstalten, genießen die fiskalischen Rechte nur so weit, als ihnen dieselben durch ein besondres Privilegium ausdrücklich beygelegt worden.
§. 73. Eine minder privilegirte Casse erhält dadurch, daß ihre Einkünfte zu einer mehr privilegirten bestimmt und angewiesen worden, kein größeres Recht.
§. 74. Wie weit eine Privatperson, der eine fiskalische Forderung cedirt worden, in die Rechte des Fiskus trete, und wie weit der Fiskus, der eine Privatforderung übernimmt, dabey von seinen Vorrechten Gebrauch machen könne, ist nach den allgemeinen Vorschriften von Cessionen zu beurtheilen. (Th. I. Tit, XI. §. 492-406.)
§. 75. In wie fern besonders die fiskalische Vorrechte bey der Verjährung, in Ansehung der Sachen und Rechte, welche der Fiskus einer Privatperson überlassen, oder von derselben überkommen hat, statt finden, ist am gehörigen Orte bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 635-640.)
3) Bey der Administration der Domainen und Regalien.
§. 76. Bey dem Gebrauche, der Benutzung und Verwaltung der Domainen und Regalien, kommen dem Staate der Regel nach, nur eben die Rechte zu, wie einem jeden Privateigenthümer.
4) In besondern Angelegenheiten.
§. 77. Besondre Vorrechte des Staats bey gewissen Angelegenheiten und Geschäften müssen durch ausdrückliche Gesetze bestimmt seyn.
§. 78. Ueber die Verbindlichkeit zur Entrichtung allgemeiner Anlagen, denen sämmtliche Einwohner des Staats, oder alle Mitglieder einer gewissen Classe derselben, nach der bestehenden Landesverfassung unterworfen sind, (§. 2. 3.) findet kein Prozeß statt.
§. 79. Behauptet aber jemand aus besondern Gründen die Befreyung von einer solchen Abgabe, (§. 4-8.) oder behauptet er in der Bestimmung seines Antheils über die Gebühr belastet zu seyn: (§. 9.) so soll er darüber rechtlich gehört werden.
§. 80. Doch muß der, welcher sich über Prägravation beschwert, in allen Fällen; so wie der, welcher eine Exemtion behauptet, wenn er nicht wenigstens seit Zwey Jahren im Besitze der Freyheit sich befindet, die von ihm geforderten Abgaben, während des Prozesses, mit Vorbehalt seines Rechts, entrichten.
§. 81. Alle Streitigkeiten zwischen dem Fiskus und in Privatpersonen, über Befugnisse und Obliegenheiten, welche nicht auf solchen allgemeinen Anlagen beruhen, sollen im ordentlichen Wege Rechtens, nach den Gesetzen des Staats, erörtert und entschieden werden.
§. 82. Insonderheit ist jeder, mit welchem der Fiskus Verträge oder andre einzelne Geschäfte sich eingelassen hat, bey entstehendem Streite, rechtliches Gehör und Erkenntniß darüber zu verlangen befugt.
§. 83. Auch die vermöge allgemeiner Anlagen zu fordern habenden Rückstände, muß der Fiskus, durch seine Beamten, im Wege Rechtens einfordern, sobald es dabey auf ein Vorzugsrecht gegen einen Dritten ankommt.
§. 84. Doch genießt der Fiskus in allen seinen Prozessen einen privilegirten Gerichtsstand, und die Befreyung von den sonst gewöhnlichen Gerichtsgebühren.
§. 85. Wenn Diener des Staats, oder fiskalische Beamte, andre Privatpersonen mit ungegründeten fiskalischen Prozessen vorsätzlich beunruhigen: so müssen sie denselben die dadurch verursachten Kosten aus eigenen Mitteln ersetzen.
Fünfzehnter Titel. Von den Rechten und Regalien des Staats in Ansehung der Landstraßen, Ströhme, Hafen, und Meeresufer
Erster Abschnitt. Von Land- und Heerstraßen
§. 1. Wege, die von einer Gränze des Landes zu einer andern, oder von einer Stadt, von einem Post- oder Zollamte, entweder zu einem andern, oder zu Meeren und Hauptströhmen führen, werden Land- oder Heerstraßen genannt.
§. 2. Ohne besondre Erlaubniß des Staats darf sich niemand einer Verfügung über solche Straßen anmaßen.
§. 3. Auch alsdann nicht, wenn die Verfügung an sich dem Gebrauche der Straße für die Reisenden unschädlich wäre.
§. 4. Der Staat hingegen ist berechtigt, die Land- und Heerstraßen, so wie er es zum gemeinen Besten dienlich findet, zu verändern und zu verlegen.
§. 5. Doch muß er alsdann die Eigenthümer der Grundstücke, über welche die verlegte Straße geht, entschädigen.
§. 6. Wird durch Verlegung einer Straße, die nicht aus unvermeidlicher Nothwendigkeit vorgenommen worden, einem Privatbesitzer ein nutzbares Recht, welches ihm ausdrücklich in Beziehung auf diese Straße vom Staate verliehen war, ganz entzogen, oder beträchtlich geschmälert: so findet wegen seiner Entschädigung eben das statt, was wegen Aufhebung der Privilegien verordnet ist. (Einleit. §§. 70. 71.)
§. 7. Der freye Gebrauch der Land- und Heerstraßen ist einem jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet.
§. 8. Alle andere Nutzungen aber, welche von solchen Straßen gezogen werden können, gehören nach gemeinen Rechten zu den niedern Regalien.
§. 9. Die Nutzungen der an den Landstraßen gepflanzten Bäume kommen in der Regel demjenigen zu gute, welcher die Bäume gepflanzt hat.
§. 10. Muß ein Andrer, als der, welcher die Pflanzung zuerst angelegt hat, dieselbe unterhalten: so kommt diesem die Nutzung der Bäume zu.
§. 11. Gegen den Genuß der dem Staate von den Landstraßen zukommenden Nutzungen, ist er verpflichtet, für die Unterhaltung der Sicherheit und Bequemlichkeit derselben zu sorgen.
§. 12. Für den aus Unterlassung dieser Pflicht entstandenen Schaden sind diejenigen, welche bey der vom Staate ihnen aufgetragenen Sorge dafür, sich eines groben oder mäßigen Versehens schuldig gemacht haben, verantwortlich.
§. 13. Die Einwohner der an der Straße liegenden Gegend sind, nach gemeinen Rechten, zur Arbeit mit Hand- und Spanndiensten bey Unterhaltung und Besserung der Wege, nach der Anordnung des Staats verbunden.
§. 14. Diese Verbindlichkeit erstreckt sich auf alle Einwohner, durch deren Distrikt, Kreis, oder Kirchspiel, dergleichen Landstraße geht, und die nach den Gesetzen oder Landesverfassungen zur Gemeinarbeit verpflichtet sind.
§. 15. Wo durch Provinzialgesetze oder besondere Wegeordnungen, die Verbindlichkeit zu Unterhaltung der Landstraßen näher oder anders bestimmt ist, hat es dabey, auch in Zukunft, lediglich sein Bewenden.
§. 16. Auch bey Anlegung neuer Wege kann der Staat von den nach der Landesverfassung zur Wegearbeit überhaupt verpflichteten Einwohnern, welche von dem neuen Wege Vortheil haben, Hand- und Spanndienste fordern.
§. 17. Bey der Anlegung von Chausseen oder Dammstraßen, statt ordinairer Landstraßen, sind die zur Wegearbeit verpflichteten Einwohner nur nach dem Maaße zu helfen schuldig, nach welchem sie bey Anlegung einer gewöhnlichen Landstraße Dienste thun müßten.
§. 18. Den zur Anlegung, Verbreitung, oder geraden Führung einer solchen Dammstraße erforderlichen Boden, ingleichen die dazu nöthigen, auf der benachbarten Feldflur befindlichen Materialien, ist ein jeder dem Staate zu überlassen verbunden.
§. 19. Er muß aber dafür von dem Staate entschädigt werden.
§. 20. Zu dieser Entschädigung ist der Staat denjenigen Boden, oder dessen Werth, vorzüglich anzuwenden berechtigt, welcher dadurch gewonnen wird, daß die neue Dammstraße nicht die ganze Breite des bisher gewöhnlichen Weges erfordert, oder daß durch die geradere Führung der Dammstraße ein Theil des bisherigen Weges liegen bleibt.
§. 21. Doch kann über solche Ersparnisse des Bodens, die auf einer Feldmark sich befinden, nur zu Entschädigung für Grundbesitzer in eben der Feldmark verfügt werden.
§. 22. Auch bleiben demjenigen, welcher nachweisen kann, daß der ersparte Boden zu seinem Eigenthum, gehöre, und bloß mißbrauchsweise zu dem ehemaligen Wege gezogen worden sey, seine Rechte darauf vorbehalten.
§. 23. Von der gewöhnlichen Unterhaltung solcher Dammstraßen gilt alles, was von der Unterhaltung der Wege verordnet ist. (§. 13. 14.15.)
§. 24. Zu Hauptreparaturen hingegen, die ohne Verschulden der zur Wegearbeit verpflichteten Einwohner entstanden sind, sind dieselben nur in eben dem Maaße, wie bey der Anlegung, zu helfen verbunden. (§. 17.)
Vorschriften wegen des Ausweichens auf den Straßen.
§. 25. Den nach §. 7. einem jeden freystehenden Gebrauch der Landstraßen muß ein jeder so ausüben, daß der Andere an dem gleichmäßigen Gebrauche des Weges nicht gehindert, noch, zu Zänkereyen oder gar Thätlichkeiten über das Ausweichen Anlaß gegeben werde.
§. 26. Alle Fuhr- und Landleute, auch andere Reisende ohne Unterschied des Standes, müssen den ordinairen und Extraposten, wenn diese hinter ihnen kommen, oder ihnen begegnen, aus dem Wege fahren, und sie ohne Schwierigkeit vorbeylassen, sobald der Postillion ins Hörn stößt.
§. 27. Außer diesen Fällen müssen ledige oder bloß mit Personen besetzte Wagen und Kutschen, allen mit Sachen und Effekten beladenen Wagen, wohin auch Kutschen, die Koffer oder sonstige Bagage führen, zu rechnen sind, ausweichen.
§. 28. Begegnen sich zwey beladene oder zwey ledige Wagen: so müssen beyde auf der rechten Seite zur Hälfte ausweichen.
§. 29. Kann einer rechter Hand nicht ausweichen: so muß dieses von dem andern ganz geschehen.
§. 30. Fehlt es auch dazu am Raume: so muß in dem Falle des §. 27. derjenige, welcher zum Ausweichen verbunden ist, so wie in dem Falle des §. 28. der, welcher den andern zuerst gewahr wird, an einem schicklichen Orte so lange still halten, bis der andere Wagen vorüber ist.
§. 31. Kommt ein Wagen von einem Berge oder von einer steilen Anhöhe herunter, und ein anderer Wagen fährt hinauf: so ist der letztere jederzeit zum Ausweichen verbunden; er mag schwerer beladen seyn, oder nicht.
§. 32. Bey hohlen Wegen, oder andern engen Pässen, muß jeder zuvor stille halten, und nach gegebenem deutlichen Zeichen mit dem Horne, mit der Peitsche, oder auf andere Art, so lange warten, bis er versichert ist, daß kein anderer Wagen sich schon darin befindet.
§. 33. Ist der hohle Weg oder enge Paß von solcher Länge, daß die gegebenen Zeichen von einem Ende bis zum andern nicht deutlich gehört oder wahrgenommen werden können: so muß an solchen Plätzen, wo Raum zum Ausweichen ist, aufs neue gewartet, und das Zeichen wiederholt werden.
§. 34. Außer den Posten, muß jeder vorfahrende Wagen dem hinten folgenden und schneller fahrenden, wenn dieser nicht anders vorbeykommen kann, und der Raum es erlaubt, auf ein gegebenes Zeichen, so weit ausweichen, als es nöthig ist, damit letzterer seinen Weg fortsetzen könne.
§. 35. Wer durch Verabsäumung dieser Vorschriften dem Andern Schaden zufügt, muß denselben nach Beschaffenheit der ihm zur Last fallenden Schuld ersetzen. (Th. I. Tit. VI. §. 11. sqq.)
§. 36. Hat der Beschädigte durch sein eigenes Versehen dazu Anlaß gegeben: so treten die Vorschriften des Tit. VI. §. 18. sqq. ein.
§. 37. Fuhrleute haften für ihre Knechte nach Vorschrift des Zweyten Theils Tit. VIII. Abschn. XV.; andere Dienstherrschaften aber nur nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. VI. §. 61. sqq.
Zweyter Abschnitt. Von Ströhmen, Hafen, und Meeresufern
§. 38. Die Nutzungen solcher Ströhme, die von Natur schiffbar sind, gehören zu den Regalien des Staats.
§. 39. Privatflüsse können, zum Nachtheile der bisherigen Eigenthümer, in schiffbare Ströhme nicht verwandelt werden.
§. 40. Findet der Staat die Schiffbarmachung eines Privatflusses dem gemeinen Besten zuträglich: so muß er den bisherigen Eigenthümern für die dadurch verlornen Nutzungen, und vermehrten Lasten, vollständige Schadloshaltung anweisen.
§. 41. Uebrigens gehen durch die Schiffbarmachung eines Privatflusses die Eigentumsrechte, so weit dieselben mit der nunmehrigen Bestimmung des Flusses bestehen können, noch nicht verloren.
§. 42. Der Staat kann zwar den Eigenthümer eines auch nicht schiffbaren Privatflusses nöthigen, den Gebrauch desselben zum Holzflößen zu gestatten;
§. 43. Er muß aber auch für die vollständige Entschädigung eines solchen Eigenthümers sorgen.
§. 44. Der Gebrauch des Flußwassers aus öffentlichen Ströhmen, durch Schöpfen, Baden, und Tränken, ist einem Jeden unverwehrt.
§. 45. Doch muß jeder, welcher Vieh aus einem Flusse tränken will, der dazu bereits vorhandenen Tränk- und Schwemmstätte sich bedienen.
§. 46. Wasserleitungen dürfen aus öffentlichen Ströhmen ohne besondre Erlaubniß des Staats nicht geführt, noch Wasch- oder Badehäuser daran, ohne dergleichen Erlaubniß, angelegt werden.
§. 47. Die Schifffahrt auf solchen Flüssen ist, unter den vom Staate festgesetzten Bedingungen, einem Jeden erlaubt.
§. 48. An Provinzen oder Orten, wo Schiffergilden und Innungen eingeführt sind, müssen andere Einwohner derselben Provinz, oder desselben Orts, sich der Frachtschifffahrt enthalten.
§. 49. Unverbundnes Holz auf schiffbaren Ströhmen zu flößen, ist nach gemeinen Rechten ein Vorbehalt des Staats; und darf, ohne Vorwissen desselben, von Privatpersonen nicht unternommen werden.
§. 50. Fähren und Prahmen zum eignen Gebrauche kann jeder Anwohner eines solchen Flusses halten.
§. 51. Das Recht aber, Fähren und Prahmen zur Uebersetzung für Geld zu halten, gehört zu den Regalien des Staats.
§. 52. Neue Brücken über öffentliche Ströhme darf niemand, auch auf eignen Grund und Boden, ohne besondre Erlaubniß des Staats anlegen.
§. 53. Die Unterhaltung der Brücken über öffentliche Ströhme liegt in der Regel demjenigen ob, welcher daselbst die Nutzung des Strohms hat.
§. 54. Brücken über Privatflüsse, welche bloß, oder doch hauptsächlich, zum Uebergange der Reisenden bestimmt sind, müssen von denjenigen, welchen die Besserung des Weges obliegt, unterhalten werden,
§. 55. Die Ufer der öffentlichen Flüsse gehören der Regel nach den Eigenthümern der unmittelbar daran stoßenden Grundstücke.
§. 56. Auch die Vergrößerung des Ufers durch angesetztes Land wächst den Eigenthümern des Ufers zu. (Th. I. Tit. IX. §. 225-241.)
§. 57. Die Eigenthümer der Ufer öffentlicher Flüsse können den Schifffahrenden nicht wehren, sich des Leinpfads an selbigen zu bedienen; daran zu landen; die Schiffe zu befestigen; und die Ladung, im Nothfalle, eine Zeitlang an das Ufer auszusetzen.
§. 58. Wird aber dadurch das Ufer selbst, oder dessen Befestigung beschädigt; oder wird dem Eigenthümer die Nutzung des Ufers entzogen, oder geschmälert: so kann er von den Urhebern des Schadens Ersatz fordern.
§. 59. In wie fern er, zur Deckung dieses Schadens, gegen fremde oder unbekannte Schifffahrer zur Pfändung schreiten könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Pfändungen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. XIV. Abschn. IV.)
§. 60. Was vorstehend von dem den Schifffahrenden zu gestattenden Gebrauch des Ufers, und der dem Eigenthümer dafür zukommenden Schadloshaltung verordnet ist, findet auf Holzflöße ebenfalls Anwendung.
§. 61. Niemand darf an seinem Ufer etwas anlegen, wodurch der Lauf des Flusses zum Nachtheile der Schifffahrt gehemmet, eingeschränkt, oder sonst verändert wird.
§. 62. Es soll daher auch niemand an oder in öffentlichen Flüssen, Wasserbaue führen, ohne sich vorher bey dem Staate gemeldet, und die Genehmigung desselben erhalten zu haben.
§. 63. Ordinaire Befestigungen der Ufer, ingleichen Dämme, wodurch nur die zunächst daran stoßende Felder gegen Ueberschwemmungen gedeckt werden sollen, müssen der Regel nach von den Eigenthümern der Ufer unterhalten werden.
§. 64. Zur Anlegung und Unterhaltung von Hauptdämmen, die einer ganzen Gegend zum Schutze gegen die Ueberschwemmungen dienen sollen, müssen die Eigenthümer sämmtlicher dadurch geschützter Grundstücke beytragen.
§. 65. Die Art und das Maaß des Beytrags ist nach den vorhandenen Verträgen oder Damm- und Uferordnungen; in deren Ermangelung aber nach dem Verhältnisse des drohenden Schadens, welcher durch den Damm abgewendet wird, zu bestimmen.
§. 66. Entsteht die Nothwendigkeit, einen neuen Damm zu führen, aus einer von dem Staate zu seinem besondern Vortheile in oder an dem Flusse gemachter Veranstaltung: so muß der Staat für die Kosten der Anlage und Unterhaltung des Dammes, ohne neue Belastung der Anwohner sorgen.
§. 67. In welchen öffentlichen Flüssen die entstehenden Inseln dem Staate gehören, oder von den Eigenthümern der Ufer in Besitz genommen werden können, wird nach Verschiedenheit der bisherigen Observanz, in den Provinzial-Gesetzbüchern bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 242. sqq.)
§. 68. Je nachdem die Inseln in einem Flusse dem Staate oder den Uferbesitzern gehören, fällt auch das vom Flusse verlassene Bette jenem oder diesen anheim. (Ebend. §. 270.)
§. 69. Auch der Staat ist, so wie ein jeder Privatbesitzer, schuldig, das ihm zugefallene Flußbette, oder dessen Werth, zur Entschädigung dererjenigen Unterthanen, welche durch den neuen Canal des Flusses an ihrem Eigenthume gelitten haben, anzuwenden. (Ebend. §. 271.)
§. 70. Hat der Staat durch veranlaßte Durchstiche dem Strohme einen andern Lauf angewiesen: so ist er in allen Fällen berechtigt, über das verlassene Bette Verfügungen zu treffen.
§. 71. Er muß aber auch in diesen Fällen sowohl die Anwohner des verlassenen Canals, als diejenigen, über deren Grundstücke der neue Canal geführt ist, so wie bey Landstraßen, vollständig entschädigen.
§. 72. Eine gleiche Entschädigung haben auch die Fischereyberechtigten zu fordern, wenn der verlassene Canal von ihnen nicht mehr befischt werden kann, und der neue Canal ihnen nicht eine Fischerey von gleicher Art gewähret.
§. 73. Der Fischfang in öffentlichen Ströhmen gehört zu den Regalien.
§. 74. Wem die Fischereygerechtigkeit, ohne Bestimmung gewisser Gränzen, vom Staate verliehen worden, der kann dieselbe nur so weit ausüben, als sein Besitz am Ufer sich erstreckt.
§. 75. Wem die Fischerey bloß zum häuslichen Gebrauche verliehen ist, der kann sie weder verpachten, noch mit den gefangenen Fischen Handel treiben.
§. 76. Ist jedoch der Fischfang zum Hausgebrauche nicht gewissen bestimmten Personen, sondern einem Grundstücke und dessen Besitzern bey gelegt: so kann er dem Pächter des Grundstücks, mit diesem zugleich, zu solchem Gebrauche überlassen werden.
§. 77. Uebrigens finden die allgemeinen Bestimmungen wegen der einer Person oder Familie beygelegten, oder mit einem Amte verbundenen Nutzungsrechte, auch auf die solchergestalt verliehene Fischerey-Gerechtigkeit Anwendung. (Th. I. Tit. XIX. §. 22-28.)
§. 78. Auch sind der Umfang, die Gränzen, und Einschränkungen einer jeden Fischereygerechtigkeit, gehörigen Orts festgesetzt. (Th. I. Tit. IX. §. 170-192.)
§. 79. Gegen die dem Staate zukommende Nutzung der schiffbaren Ströhme ist derselbe verpflichtet, für die zur Sicherheit und Bequemlichkeit der Schifffahrt nöthigen Anstalten zu sorgen. (§. 11.12.)
§. 80. Die Hafen und Meeresufer, und was auf diese von der See angespült oder ausgeworfen wird, sind nach gemeinen Rechten ein Eigenthum des Staats.
§. 81. Jedoch begiebt sich derselbe des sogenannten Strandrechts, zum Besten der zur See Verunglückten.
§. 82. Jedes Orts Obrigkeit, und die zur Beobachtung des Strandes angesetzte Beamten, sind schuldig, dafür zu sorgen, daß gestrandete Sachen gerettet, erhalten, und den Eigenthümern zurückgegeben werden.
§. 83. Auch keine Privatperson darf solcher gestrandeten von ihr gefundenen Sachen sich anmaßen.
§. 84. Vielmehr sind dabey die von gefundenen Sachen im Ersten Theile Tit. IX. §. 19. sqq. gegebenen Vorschriften anzuwenden.
§. 85. Die Eigenthümer der gestrandeten Sachen sind schuldig, außer den aufgelaufenen Kosten, ein billiges in den Strandungsordnungen jeder Provinz näher bestimmtes Bergelohn zu entrichten.
§. 86. Gestrandete Sachen, zu welchen kein Eigenthümer sich meldet, gehören dem Staate. (§. 80.)
§. 87. Gegen fremde Nationen, welche das Strandrecht noch ausüben, behält sich der Staat eben dieses Recht, zur Schadloshaltung seiner verunglückten Unterthanen, ausdrücklich vor.
Dritter Abschnitt. Von der Zollgerechtigkeit
§. 88. Das Recht, von denjenigen, welche sich der Hafen, Ströhme, Wege, Brücken und Fähren bedienen, eine gewisse bestimmte Abgabe zu fordern, wird die Zollgerechtigkeit genannt.
§. 89. Der eigentliche Zoll wird von Sachen und Waaren; Brücken-, Fähr- und Wegegeld aber nur von den Personen, dem Viehe, und den Fuhrwerken, welche die Brücke, die Fähre, oder den Weg passiren, entrichtet.
Grundsätze von Verleihung und Erwerbung der Zollgerechtigkeit.
§. 90. Zoll, Brücken- und Wegegeld darf niemand erheben, als dem das Recht dazu vom Staate verliehen, oder aufgetragen worden.
§. 91. Nur allein der Staat kann die Zollabgaben, das Hafen-, Wege- und Brückengeld bestimmen, und den Tarif darüber vorschreiben.
§. 92. Es macht in der Art des Rechts keinen Unterschied: ob die Abgabe im Tarif nach Geld, oder auf einen gewissen Theil der zollbaren Waaren bestimmt ist.
§. 93. Ohne einen vom Staate vorgeschriebenen Tarif kann weder Zoll, noch Wege- oder Brückengeld gefordert werden.
§. 94. Wer nach §. 51. eine Prahmgerechtigkeit hat, muß die Bestimmung der für das Uebersetzen zu nehmenden Abgabe vom Staate erwarten.
§. 95. So lange der Staat noch keine Abgabe festgesetzt hat, hängt die Bestimmung derselben, in jedem einzelnen Falle, von dem Abkommen zwischen dem Berechtigten, und denen, welche sich des Prahms bedienen wollen, ab.
§. 96. So lange ein Prahmberechtigter noch mit keinem Tarif vom Staate versehen ist, kann er den Reisenden, auch in derselben Gegend, nicht wehren, sich andrer Mittel zum Uebersetzen zu bedienen.
§. 97. Ueber Privatbrücken und Wege darf niemanden ein Uebergang, zum Nachtheile der Zolleinkünfte des Staats, oder derer, welche von diesem berechtigt sind, gestattet werden.
§. 98. Die von dem Staate einmal bestimmten Zollabgaben, Wege-, Prahm- und Brückengelder, dürfen von Privatberechtigten eigenmächtig nicht erhöht werden.
§. 99. Auch eine vom Staate vorgenommene Erhöhung solcher Abgaben ertheilt den Privatbesitzern noch kein Recht zu einer gleichen Steigerung des ihnen verliehenen Privatzolls oder Brückengeldes.
§. 100. So weit jedoch dergleichen Erhöhung sich bloß auf eine Veränderung des Münzfußes gründet, hat der Privatbesitzer auf die Zugestehung gleichmäßiger Sätze rechtlichen Anspruch.
§. 101. Zollbefreyungen können nur durch ausdrückliche Provinzialgesetze, oder durch besondere Pnvilegia oder Verträge, begründet werden.
§. 102. Allgemeine Zollbefreyungen, welche der Staat der Handlung zum Besten festsetzt, ist derselbe auch auf die Befreyung von Privatzöllen auszudehnen wohl befugt.
§. 103. Doch gilt, wegen der dem Privatberechtigten alsdann zukommenden Entschädigung, alles das, was wegen Aufhebung und Einschränkung der Privilegien überhaupt verordnet ist. (Einleit. §§. 70.71.)
§. 104. Alles, was zum eignen Gebrauche des Staats, oder des Landesherrn, und seiner Hofhaltung transportirt wird, genießt in der Regel, wo nicht Provinzialgesetze und besondere Verfassungen ein Anderes mit sich bringen, die Befreyung auch von den Privatzöllen.
§. 105. Diese Landesherrliche Zollfreyheit aber kann an Privatpersonen, bloß zu deren Begünstigung, mit dem Nachtheile anderer Privatzollberechtigten, nicht abgetreten werden.
§. 106. Eben so gelten einzelne Zollbefreyungen, oder sogenannte Freypässe, nur in den Zollstätten des Staats; nicht aber zum Nachtheile der Privatzollberechtigten.
§. 107. Ein Zollberechtigter darf die ihm angewiesene Zollstätte ohne Genehmigung des Staats nicht verlegen.
§. 108. Zur Bequemlichkeit der Reisenden können, so weit es ohne Nachtheil eines Dritten geschieht, Nebenzölle angelegt werden.
§. 109. Doch sind Privatberechtigte nicht befugt, dergleichen Einrichtungen ohne Vorwissen des Staats zu treffen.
Pflichten der Reisenden, den Zoll nicht zu verfahren.
§. 110. Niemand darf, zum Nachtheile des Zolles, die Reisenden von der Zollstraße ableiten, oder ihnen, bey Bereisung derselben, Hindernisse in den Weg legen.
§. 111. Niemand, der zollbare Waaren führt, darf, innerhalb des Zolldistricts, von der ordinairen Zollstraße abweichen, und Nebenwege zur Vermeidung des Zolles aufsuchen.
§. 112. Wer jedoch auf dem gewöhnlichen zu seiner Wohnung führenden Wege zwar einen Theil der Zollstraße, nicht aber die Zollstätte selbst passirt, ist die Zollabgaben zu entrichten nicht schuldig.
§. 113. Auch da, wo zu Unterhaltung der Landstraßen oder Brücken, nur ein Wege- oder Brückengeld festgesetzt ist, darf, dem Staate oder dessen Beliehenen zum Nachtheile, kein Nebenweg gesucht werden.
§. 114. Wem also die Anlegung neuer Wege oder Brücken zu seiner Bequemlichkeit gestattet worden, der darf nicht zulassen, daß dieselben zum Nachtheile des Staats, oder eines Privatberechtigten, gemißbraucht werden.
§. 115. Jeder Reisende ist schuldig, sich an der Zollstätte, zur Entrichtung des Zolles, auch unerfordert zu melden, und die bey sich führenden Waaren getreulich anzuzeigen.
§. 116. Auch derjenige, dem eine Befreyung zu statten kommt, ist von der Meldung im Zollamte nicht ausgenommen; und muß auf Erfordern sein Angeben bescheinigen.
Pflichten der Zollberechtigten.
§. 117. Jeder Zollberechtigte muß solche Anstalten treffen, wodurch die Zollstätte jedermann kenntlich gemacht werde; und die von den Reisenden nicht leicht übersehen werden können.
§. 118. Eben so muß der Zollberechtigte dafür sorgen, daß diejenigen, welche sich zur Entrichtung des Zolles, Wege-, Fähr- oder Brückengeldes melden, nicht ungebührlich aufgehalten, sondern prompt abgefertigt werden.
§. 119. Die Zollbedienten, welche ihre Pflicht darunter nicht beobachten, sollen nicht nur nach Inhalt der Zollgesetze bestraft, sondern auch zum Ersatze alles aus der Versäumniß durch ihre Schuld entstandenen Schadens angehalten werden.
§. 120. Niemand soll, zum Nachtheile des Zollberechtigten, den Zoll verfahren, oder zollbare Waaren verschweigen.
§. 121. Wer innerhalb des Zolldistricts, auf Nebenwegen, die Zollstätte vorbeygegangen ist, wird als ein Zolldefraudant angesehn.
§. 122. Damit sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen könne: so sollen auf den Straßen, welche zu einer Zollstätte führen, die gewöhnlichen Zollstangen errichtet, und beständig unterhalten werden.
§. 123. Was von Verfahrung des Zolles verordnet ist, gilt auch in Ansehung des vom Staate festgesetzten Wege-, Fähr- und Brückengeldes.
§. 124. Wie die zum Nachtheile des Staats vorsätzlich begangenen Zolldefraudationen, durch Confiscation und sonst, zu bestrafen, ist in den Criminalgesetzen verordnet.
§. 125. Zolldefraudationen zum Nachtheile eines Privatberechtigten, sollen nach Vorschrift seines Privilegii geahndet werden.
§. 126. Ist in diesem keine Strafe bestimmt, und auch in Provinzialgesetzen keine Vorschrift enthalten: so muß der Zolldefraudant entweder den zehnfachen Betrag der zu entrichten gewesenen Abgabe als Zoll erlegen, oder, nach eigener Wahl, die Sache, an welcher die Defraudation begangen worden, dem Zollberechtigten überlassen.
§. 127. Ist die im Privilegio bestimmte Strafe härter, als diejenige, welche die allgemeinen oder Provinzialgesetze vorschreiben: so muß das Privilegium, gleich einem Gesetze, gehörig publicirt werden.
§. 128. Die Strafgefälle bey Zolldefraudationen kommen allemal demjenigen zu, dessen Rechte durch die Defraudation beeinträchtigt worden.
§. 129. Wer, um dem Wege- und Brückengeide sich zu entziehen, unerlaubte Nebenwege sucht, soll, wenn nicht anderweitige rechtsgültige Strafbestimmungen vorhanden sind, die schuldige Abgabe vierfach, nebst dem etwanigen Pfandgelde entrichten.
Wem das Erkenntniß über Zolldefraudationen, ingleichen
§. 130. Jeder Privatberechtigte ist befugt, die Zolldefraudanten innerhalb seines Zolldistricts anzuhalten, zu pfänden, und zur gesetzmäßigen Strafe zu ziehen.
§. 131. Alle Obrigkeiten und Gerichte innerhalb solchen Districts sind schuldig, dem Berechtigten die Pfändung der Zolldefraudanten in ihrem Gebiete zu verstatten, und ihm gegen etwanige Widersetzungen hülfreiche Hand zu leisten.
§. 132. Sobald der angebliche Uebertreter die Defraudation läugnet, oder sonst auf rechtliches Gehör sich beruft, muß die Sache von den ordentlichen Gerichten des Orts, wo der Zoll sich befindet, gesetzmäßig untersucht, und darüber erkannt werden.
§. 133. Auch außerhalb des Zolldistricts kann der Zollberechtigte die Uebertreter verfolgen, und ihre Verkümmerung bey den Gerichten des Orts, wo sie betroffen werden, nachsuchen.
§. 134. Die Untersuchung und Entscheidung eines über die Contravention entstandenen Streits gehört alsdann vor die Gerichte des Orts, wo der Uebertreter betroffen worden.
§. 135. Doch kann der Zollberechtigte verlangen, daß die Sache vor seine Gerichte gezogen, und bey ermangelnder sonstigen Sicherheit, der Uebertreter zur Verwahrung im Arreste, an dieselben ausgeliefert werde.
über streitige Zollrechte gebühre.
§. 136. Wird demjenigen, der das Recht eines Zolles, Brücken- oder Wegegeldes behauptet, das Recht selbst bestritten: so gehört die Untersuchung und Entscheidung vor das Landes-Justizcollegium der Provinz.
§. 137. Behauptet der, welcher einer Uebertretung halber in Anspruch genommen wird, eine Zollbefreyung auf den Grund eines besondern, oder auch eines allgemeinen Privilegii seiner Standesgenossen: so muß die Sache gleichergestalt bey dem Landes-Justizcollegio der Provinz erörtert und entschieden werden.
Obliegenheiten der Zollberechtigten.
§. 138. Jeder Privatinhaber einer Zoll-, Brücken-, Fähr- oder Wegegelds-Gerechtigkeit, ist schuldig, die Straßen, Wege, Fähren, und Brücken, innerhalb des ihm angewiesenen Districts, auf eigene Kosten in sicherem und tauglichem Stande zu erhalten.
§. 139. Für allen Schaden, der den Reisenden aus der Unterlassung dieser Pflicht entsteht, muß der Zoll- oder Brückengeldberechtigte haften.
§. 140. Doch kann ihm ein Schade, welcher durch bloßen Zufall, oder durch eigene Schuld und Unvorsichtigkeit der Reisenden entstanden ist, nicht zugerechnet werden.
Vierter Abschnitt. Vom Postregal
§. 141. Der Staat hat die ausschließende Befugniß, Posten und Marktschiffe anzulegen, und den Lauf derselben zu ordnen.
§. 142. Damit der Staat diese Anstalten zum gemeinen Besten unterhalten könne, und wegen deren Benutzung gesichert sey, darf niemand etwas unternehmen, welches unmittelbar zur Schmälerung der Posteinkünfte gereicht.
Ausschließende Rechte der Posten, wegen Beförderung von Briefen u. Sachen;
§. 143. Alle versiegelte oder verschlossene Briefe, wohin auch die zugenäheten gehören, ingleichen alle Pakete von Vierzig Pfund und darunter, sollen nur durch die Post verschickt werden.
§. 144. Niemand darf Briefe von Andern einsammeln, und zum Nachtheile der Posteinkünfte unter seinem Couvert versenden.
§. 145. Nur diejenigen werden davon ausgenommen, welche ihrer eignen Geschäfte wegen, oder aus andern besondern und erheblichen Ursachen, dergleichen fremde Briefe den ihrigen beyzuschließen genöthiget sind.
§. 146. Eben so wenig dürfen mehrere an verschiedene Empfänger, oder von verschiedenen Versendern an Einen Empfänger, bestimmten Pakete von vorgedachtem postmäßigen Gewichte, unter Einen Umschlag zusammengepackt, und der Post solchergestalt entzogen werden.
§. 147. Es steht zwar einem jeden frey, seine Briefe oder postmäßigen Pakete durch eigne Boten oder Fuhren abzuschicken;
§. 148. Niemand aber darf, bey solcher Gelegenheit, fremde Briefe oder postmäßige Pakete zur Bestellung annehmen.
§. 149. Eben so wenig ist dies Reisenden erlaubt.
§. 150. Will jemand besondrer Umstände oder Ursachen wegen sich eines Reisenden, eines Fuhrmanns oder Schiffers, zur Fortschaffung seiner Briefe oder postmäßigen Pakete bedienen: so muß er es dem Postamte anzeigen, und sich mit selbigem über das Porto abfinden.
§. 151. Der Reisende, der Fuhrmann, oder Schiffer, darf die Briefe oder postmäßigen Pakete nicht eher annehmen, bis er sich hinreichend überzeugt hat, daß es mit Genehmigung der Post geschehe.
wegen Fortschaffung der Reisenden.
§. 152. Wer sich zu einer Reise von mehr als Einer Meile aus einer Stadt, wo ein Postamt errichtet ist, eines gedungenen Fuhrmannes bedienen will, muß es dem Postamte anzeigen, und zu seiner Legitimation den gewöhnlichen Zettel lösen.
§. 153. An Orten, wo die Post nur Boten hält, bedarf es zu gedungenen Fuhren keines solchen Zettels.
§. 154. Auch ist dergleichen nicht nöthig, wenn jemand mit eignen Pferden einen Andern, oder dessen Sachen, umsonst fortschafft.
§. 155. Von Orten, wo keine Posten sind, findet die Versendung der Briefe und Sachen ohne Unterschied, durch jede selbst gewählte Gelegenheit, jedoch nur bis zum nächsten auf dem Wege liegenden Postamte statt.
§. 156. Wie die vorfallenden Postcontraventionen zu bestrafen, ist in den besondern Postordnungen testgesetzt.
II. Verhältniß der Postämter gegen die Reisenden und Befrachter überhaupt.
§. 157. Postmeister und Postwärter stehen gegen diejenigen, welche sich zur Fortschaffung ihrer Person oder Sachen der Post bedienen, in eben dem Verhältnisse, als die Schiffer gegen Reisende und Befrachter. (Tit. VIII. §. 1620. sqq. und 1742. sqq.)
§. 158. Sie sind schuldig, für tüchtige Pferde und Fuhrwerk, auch zuverläßige und verständige Schirrmeister und Postillons, zu sorgen.
§. 159. Für die äußere Sicherheit der Posten müssen sie bey der Behörde die nöthigen Anstalten bewirken.
§. 160. Die commandirenden Officiers, und bürgerliche Obrigkeiten, müssen ihnen dazu nöthigenfalls hülfreiche Hand leisten.
Gegen die Befrachter insonderheit
§. 161. Die Postämter sind zur Annahme und Fortschaffung der ihnen vorschriftsmäßig überlieferten Briefe und Sachen verbunden.
§. 162. Waaren, die am Gewicht über hundert Pfund wiegen, Schießpulver, und lebendige Thiere, sind die Postämter anzunehmen nicht schuldig.
§. 163. Die Ablieferung muß auf dem Postamte, an den Postmeister, oder an die dazu bestellten Unterbedienten geschehen.
§. 164. An Orten, wo keine Postämter oder Postwärtereyen sind, können Briefe und Sachen den mit der Post durchgehenden Schirrmeistern, oder in deren Ermangelung, den Postillons eingeliefert werden.
§. 165. Briefe und Sachen, die zu spät eingeliefert worden, sind die Postämter anzunehmen nicht verbunden.
§. 166. Die Einlieferung muß wenigstens Zwey Stunden vor dem Abgange der Post, und wenn diese in der Nacht, oder am folgenden. Morgen vor Neun Uhr abgeht, bis um Acht Uhr des vorhergehenden Abends geschehen.
§. 167. Briefe, die an Staatsminister, Vorgesetzte der Departements, und Geheime Cabinetsräthe gerichtet sind, dürfen von den Postämtern innerhalb Landes nicht anders, als gegen Erlegung des Porto, angenommen werden.
§. 168. Eben dies findet statt, wenn jemand in seinen Privatangelegenheiten an die Landescollegia Briefe und Pakete abschickt.
§. 169. Wer ein öffentliches Siegel in seinen Privatangelegenheiten zur Versteckung von Postcontraventionen mißbraucht, hat wilkührliche Geld- oder Leibesstrafe verwirkt. (Tit. XX. §. 35.)
§. 170. Briefe müssen gehörig addressirt und versiegelt; abzuschickende Sachen gehörig bezeichnet, verpackt und verwahrt seyn; widrigenfalls die Postämter sie anzunehmen nicht schuldig sind.
§. 171. Ueber baare Gelder, und über Briefe, worin Geld oder Juwelen enthalten sind, können die Absender einen gedruckten vom Postmeister zu unterschreibenden Empfangsschein fordern.
§. 172. Die Postämter müssen für die ungesäumte und sichere Fortschaffung der von ihnen angenommenen Briefe und Sachen; in der Zwischenzeit aber für deren gehörige Aufbewahrung sorgen.
§. 173. Kommen Briefe oder Sachen, auf einer unterweges liegenden Station, eröffnet oder beschädigt an: so ist das Postamt daselbst schuldig, weitern Schaden nach Möglichkeit zu verhüten, und dergleichen Poststücke durch besseres Einpacken oder Beydrückung des Postsiegels, zu verwahren.
§. 174. Die durch einen solchen Zufall nothwendig gewordene Eröffnung, neue Einpackung, und Verwahrung der Poststücke, muß in Gegenwart der Reisenden, oder andrer Zeugen geschehen; und die Kosten derselben ist der Empfänger zu erstatten schuldig, so bald nicht erhellet, daß die Beschädigung durch Verschulden der Postbedienten geschehen sey.
§. 175. Es müssen ferner die Ursachen der Eröffnung oder Beschädigung in Gegenwart der Passagiers oder Zeugen genau untersucht, und die Postämter, sowohl der letzvorhergehenden, als der nächstfolgenden Station, davon benachrichtigt werden.
§. 176. Haben beschädigte Briefe mit dem Postsiegel wieder versiegelt werden müssen: so muß der Postbediente auf der Außenseite die Ursache, und die Zeugen, in deren Gegenwart es geschehen ist, eigenhändig bemerken.
§. 177. Die Postbedienten müssen dafür sorgen, daß die Briefe und Sachen an die benannten Empfänger richtig abgeliefert werden.
§. 178. Diejenigen, an welche Briefe oder Sachen gerichtet sind, müssen dieselben unverzüglich annehmen und auslösen.
§. 179. Kann oder will jemand sich dazu nicht verstehen: so liegen die Sachen auf seine Gefahr; und das Postamt ist zu einiger fernern Aufsicht darüber nicht verbunden.
§. 180. Vielmehr kann sich dasselbe, bey beharrlich verweigerter Auslösung, wegen des ihm zukommenden Porto, sowohl an den Absender, als an die Sachen selbst halten.
§. 181. Kann ein Empfänger nicht ausgeforscht werden: so muß das Postamt, nach Verlauf von Vierzehn Tagen, eine besondre Charte oder Anzeige darüber anfertigen, und in oder vor dem Posthause öffentlich aushängen.
§. 182. Zugleich muß es den Versuch anstellen, durch Rückfrage an den Ort der Absendung nähere Nachricht einzuziehn.
§. 183. Ist dies fruchtlos, und meldet sich innerhalb Dreyer Monathe nach dem Aushange kein Empfänger: so müssen die Briefe oder Pakete dem General-Postamte eingesendet werden.
§. 184. Sind aber die Sachen, deren Empfänger nicht ausgeforscht werden kann, der Fäulniß, oder sonst einem schleunigen Verderben unterworfen: so können die Postbedienten selbige, nach Verlauf von Acht Tagen, an die Armenanstalt des Orts abliefern.
4) wegen Vertretung der angenommenen Sachen.
§. 185. Die Postämter sind für die zur Post vorschriftsmäßig eingelieferten Briefe und Sachen, gleich den Schiffern, zu haften schuldig.
§. 186. Alle dabey begangene Versehen der Postbedienten und Postillons müssen die Postämter vertreten.
§. 187. Sie sind aber von der Vertretung frey, wenn ausgemittelt werden kann, daß der Schade oder Verlust durch einen bloßen Zufall oder ungewöhnliche Begebenheit entstanden sey, welche vorherzusehen und zu verhüten den Postbedienten nicht möglich gewesen.
§. 188. Ferner bey einfachen unbeschwerten Briefen, wenn dieselben aus dem Posthause abgefordert worden; und der Postbediente eidlich erhärten kann, daß er seiner Seits mit gutem Glauben verfahren habe.
§. 189. Dagegen soll aber derjenige, welcher andrer Correspondenten Briefe ohne deren Vorwissen abfordert, oder wohl gar unterschlägt, mit einer Geldbuße von Fünfzig bis Hundert Thalern, oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt werden.
§. 190. Auch fällt die Vertretung der Königlichen Postämter weg, wenn sich der Schade oder Verlust auf einem auswärtigen Postamte, über welches die Post passiren müssen, erweislich zugetragen hat.
§. 191. Der Beschädigte muß sich alsdann an das auswärtige Postamt und dessen Vorgesetzte wenden; es wird aber das Generalpostamt demselben seinen Beystand nicht versagen.
§. 192. Wenn ein Brief oder Pack dem Empfänger wohl verwahrt und versiegelt überliefert, und das Gewicht übereinstimmend gefunden wird: so darf dasjenige, was bey der Eröffnung an der auf dem Umschlage bemerkten Summe oder Zahl der Stücke fehlt, von dem Postamte nicht vertreten werden.
§. 193. Sind aber Geld oder Banknoten im Posthause, in Gegenwart des Postmeisters, oder des zur Annahme gesetzten Postbedienten versiegelt, und das Postsiegel beygedruckt worden: so haftet das Postamt für den ganzen auf dem Umschlage vermerkten Betrag.
§. 194. Alsdann muß jedoch auch die Eröffnung des Briefes, oder Packs, in Gegenwart eines Postbedienten des Ablieferungsorts geschehen seyn.
§. 195. Sind Geldfässer, Beutel, oder Pakete von Werth, nach dem Gewichte übernommen worden: so müssen sie vor der Ablieferung von dem Postamte nachgewogen werden.
§. 196. Findet sich dabey ein erheblicher Unterschied am Gewichte: so muß das Faß, Beutel, oder Paket, auf dem Posthause, in Gegenwart des Postmeisters und des Empfängers, oder eines von diesem ernannten glaubwürdigen Person, eröffnet und nachgesehen werden.
§. 197. Das bey dieser Handlung von dem Postamte aufgenommene Protocoll ist bey der Beurtheilung: ob und was zu vertreten sey? zum Grunde zu legen.
§. 198. In jedem Falle dürfen die Postämter nur so viel vertreten, als bey der Aufgebung auf die Post wirklich declarirt worden.
§. 199. Wer weniger angiebt, kann im Falle eines Verlustes, nur den Ersatz des an der angegebenen Summe Fehlenden fordern; und soll noch außerdem um den zehnten Theil des verschwiegenen Werths fiskalisch bestraft werden.
§. 200. Findet jemand aus einer oder der andern Ursache Bedenken, den Werth versendeter Juwelen oder Kostbarkeiten auf dem Briefe oder Packe selbst anzuzeigen: so muß er denselben dem Postmeister, zur Eintragung in das Postbuch, bey der Aufgebung besonders eröffnen.
§. 201. Hat jemand vorsätzlich schlechte und geringe Sachen als Juwelen oder Kostbarkeiten declarirt, oder sonst durch unrichtige höhere Angabe die Post zu gefährden unternommen: so muß er bey erfolgtem Verluste den Schaden allein tragen, und soll als Betrüger gestraft werden. (Criminalrecht Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 202. Briefe oder Pakete, worauf bloß vermerkt ist, das Juwelen, Kostbarkeiten, Geld, Banknoten, und dergleichen darin enthalten sind, ohne daß zugleich ein bestimmter Werth oder Betrag angegeben wird, sollen, außer dem Falle des §. 200., bey den Postämtern nicht angenommen werden.
§. 203. Ist es dennoch geschehen: so muß, bey erfolgtem Verluste, der Aufgeber den Betrag vollständig nachweisen, und kann zur bloßen eidlichen Bestärkung nicht gelassen werden.
§. 204. Die Postbedienten müssen die ankommende und abgehende Correspondenz verschwiegen halten, und mit wem jemand Briefe wechsele, keinem andern offenbaren.
§. 205. Ein Postbedienter, welcher eigenmächtig Briefe erbricht, oder unterschlägt, soll allen Schaden ersetzen, seines Amts verlustig, und zu allen fernern Bedienungen und Ehrenämtern im Staate unfähig seyn; außerdem aber noch an Gelde oder am Leibe, nach Maasgabe des durch die That an sich beabsichtigten oder wirklich begangenen Verbrechens, und nach Vorschrift der darauf sich beziehenden Criminalgesetze, bestraft werden.
Verhältniß der Postämter gegen die Reisenden.
§. 206. Reisende, welche sich der Post bedienen wollen, müssen ihren Stand und Namen dem Postamte des Orts, von welchem sie abgehen, richtig anzeigen.
§. 207. Wer sich dessen weigert, soll zur Post nicht angenommen werden.
§. 208. Sie müssen sich zur bestimmten Zeit zur Abreise fertig halten, und können nicht verlangen, daß die Post auf sie warten solle.
§. 209. Bleiben sie durch ihre Schuld und Versäumniß zurück, so verlieren sie das vorausbezahlte Postgeld.
§. 210. Bey der ordinairen Post haben die zuerst eingeschriebenen Reisenden die Wahl der Plätze.
§. 211. Diejenigen, welche mit der Post ankommen und weiter reisen, gehen denen vor, welche am Orte des Durchganges eingeschrieben worden.
§. 212. Diejenigen, welche nur halbe Fracht bezahlen, müssen allen übrigen, ohne Unterschied der Zeit oder des Orts der Einschreibung, nachstehn.
§. 213. Sind keine hinlängliche Plätze zur Aufnahme sämmtlicher sich angebender Passagiers vorhanden: so muß nach eben diesen Vorschriften bestimmt werden, welche von denselben zurückstehn müssen.
§. 214. Zum Nachtheile der Posteinkünfte darf kein Reisender, bey der in den Postordnungen bestimmten Strafe, versiegelte Briefe oder Pakete, Gelder oder Sachen, zur Bestellung an Andere mitnehmen.
§. 215. Während der Reise müssen sich die Reisenden ruhig und ordentlich betragen, und nichts vornehmen, wodurch ein Aufenthalt oder Schade an den geladenen Personen und Sachen entstehen könnte.
§. 216. Kein Reisender kann verlangen, daß die Post um seinetwillen die Reise unterbrechen, oder einen andern, als den vom Postamte ihr angewiesenen Weg, nehmen solle.
§. 217. Der Postwagen soll unter dem Vorwande, daß eine der darauf befindlichen Personen zu arretiren sey, auf seinem Wege nicht angehalten, sondern nur bis zur nächsten Station, wo die Arretirung mit Sicherheit geschehen kann, begleitet werden.
§. 218. Auf der Station aber dürfen die Postbedienten sich den Anordnungen der Behörde wegen einer solchen Arretirung nicht widersetzen; noch dieselben zu vereiteln sich unterfangen.
§. 219. Jeder Reisende ist schuldig, auf seine Sachen selbst Acht zu haben.
§. 220. Hat aber ein Postbedienter sich zur Verwahrung solcher Sachen besonders und ausdrücklich anheischig gemacht: so muß derselbe dafür haften.
Besondere Vorrechte der Posten.
§. 221. Zu Zeiten, wo die ordentlichen Postwege gar nicht, oder schwer zu passiren sind, steht den fahrenden, reitenden, und Extraposten frey, sich der Neben- und Feldwege zu bedienen.
§. 222. Auch können sie in einem solchen Nothfalle über ungehegte Wiesen und unbestellte Aecker fahren; und niemand darf sie durch Aufwerfung eines Grabens, oder sonst, daran verhindern oder aufhalten.
§. 223. Doch steht den Eigenthümern der Grundstücke frey, sich durch Haltung verschlossener Schlagbäume gegen den Mißbrauch zu sichern; sie müssen aber dem vor- und rückwärts liegenden Postamte Schlüssel dazu einhändigen.
§. 224. Fahren die Postillions über gehegte Wiesen oder bestellte Aecker: so müssen sie die Eigenthümer vollkommen entschädigen, und sollen außerdem nachdrücklich bestraft werden.
§. 225. Die Post selbst aber darf niemand, auch aus einer solchen Ursache, anhalten und pfänden.
§. 226. Wegen des Vorrechts der Posten beym Ausweichen, wenn Fuhr- und Landleute, oder andere Reisende, hinter ihnen kommen, oder ihnen begegnen, ist Tit. XV. §. 26. verordnet.
§. 227. Die zur Post gehörenden Geräthe und Pferde sollen Schulden halber nicht mit Arrest belegt werden.
§. 228. Auch auf die Besoldung der Postbedienten findet nur wegen solcher Schulden, die zur Anschaffung von Postpferden, Wagen, Geräthschaften, oder Futter gemacht worden, eine Verkümmerung statt.
Fünfter Abschnitt. Von der Mühlengerechtigkeit
Mühlen an öffentlichen Flüssen.
§. 229. Das Recht, Wasser- und Schiffsmühlen an und in öffentlichen Flüssen anzulegen, ist ein Vorbehalt des Staats.
§. 230. Wem der Staat die Mühlengerechtigkeit auf einem schiffbaren Strohme verliehen hat, der muß bey Ausübung seines Rechts, nach dem Inhalte seines Privilegii, und der vom Staate ertheilten allgemeinen oder Provinzial-Mühlenordnungen, auf das genaueste sich achten.
§. 231. Will er von seinem Rechte durch Anlegung einer neuen, bisher noch nicht vorhanden gewesenen Mühle Gebrauch machen: so muß er sich bey der Landespolizey-Instanz melden, und den Anweisungen derselben Folge leisten.
§. 232. Ein Gleiches findet statt, wenn eine alte eingegangene Mühle dieser Art wieder aufgebauet, oder in der gegenwärtigen Anlage einer wirklich vorhandenen etwas verändert werden soll.
Mühlen an Privatflüssen, und Windmühlen.
§. 233. Mühlen an Privatflüssen, ingleichen Windmühlen, mag zwar in Provinzen, wo nicht das Gegentheil durch besondere Gesetze oder Verfassungen bestimmt ist, jeder Eigenthümer auf seinem Grunde und Boden anlegen.
§. 234. Er ist aber dazu nur in so fern berechtigt, als es ohne Schmälerung der Befugnisse eines Dritten geschehen kann.
Was Rechtens sey, bey Anlegung neuer, oder Veränderung alter Mühlen.
§. 235. Es muß daher jeder Mühlenberechtigte ohne Unterschied, welcher eine neue Mühle bauen; oder eine eingegangene wieder herstellen; oder sie an einen andern Ort verlegen; oder in eine andere Gattung verwandeln; oder mit mehrern Gängen versehen will, sich bey der Landespolizey-Instanz melden, derselben den Plan der vorhabenden Einrichtung anzeigen, und die weitere Anweisung derselben erwarten.
§. 236. Die Landespolizey-Instanz muß ehe sie die Approbation ertheilt, die benachbarten Mühlenberechtigten, und Andre, welchen durch den neuen Bau, oder durch die Abänderung, Schaden erwachsen könnte, darüber vernehmen.
Wer zum Widerspruche dagegen berechtigt sey, oder nicht.
§. 237. Zum Nachtheile der Zwangsgerechtigkeit einer schon vorhandenen Mühle, soll der Bau einer andern, oder die Veränderung oder Erweiterung derselben, nicht zugelassen werden.
§. 238. Auch ist ein neuer Mühlenbau in so fern unzuläßig, als dadurch den schon vorhandenen Mühlen das zu ihrem Betriebe erforderliche Wasser entzogen, oder selbiges zu ihrem Nachtheile zurückgestauet wird.
§. 239. Wer aus einem dieser gesetzmäßigen Gründe einem neuen Mühlenbaue widerspricht, dem soll Gehör darüber, im ordentlichen Wege Rechtens, verstattet werden.
§. 240. Wer eine Zwangsgerechtigkeit hat, kann dennoch der Anlegung einer Mühle von anderer Art, als worauf sein Zwangsrecht gerichtet ist, nicht widersprechen.
§. 241. Der vermeintliche Abgang frey williger Mahlgäste ist kein hinlänglicher Grund zum Widerspruche, gegen die Anlegung neuer Mühlen.
§. 242. Wenn jedoch in einem Orte und Districte schon hinlängliche Mühlen zur Versorgung des Publici vorhanden sind: so soll denjenigen, welche neue Mühlen nicht zum eigenen alleinigen Gebrauche, sondern vielmehr zum Abbruche der schon vorhandenen Mühlen anlegen wollen, die Erlaubniß dazu von der Landespolizey-Instanz versagt werden.
Polizeygesetze in Mühlensachen.
§. 243. Erhöhungen des Fachbaumes, und Veränderungen des Sicherpfahls, können nicht anders, als unter Aufsicht der Landespolizey, mit Zuziehung der benachbarten Interessenten, und nur so weit es diesen unschädlich ist, vorgenommen werden.
§. 244. Dagegen sind bewegliche Aufsätze auf dem Fachbaum bey kleinem Wasser, so lange erlaubt, als den ober- oder unterhalb liegenden Nachbarn, sowohl Müllern, als Grundbesitzern, daraus kein Nachtheil entsteht.
§. 245. Wer nicht selbst die Mühlengerechtigkeit, sondern nur die Erlaubniß zur Anlegung einer Mühle, von dem Staate oder einem Privatmühlenberechtigten erhalten hat, der darf, ohne ausdrückliche Erlaubniß seines Concedenten, weder einen neuen Gang anlegen, noch seine Mühle in eine von andrer Art verwandeln.
§. 246. Einer schon vorhandenen Mühle darf ein Nachbar, durch dessen Grundstücke das zu ihrem Betriebe nöthige Wasser fließt, dasselbe nicht entziehen. (Th. I. Tit. XXII. §. 3.)
§. 247. Auch ist niemand berechtigt, einer Windmühle, durch Anpflanzung hoher Bäume, da, wo dergleichen vorher nicht gewesen sind, den nöthigen Wind zu benehmen.
Sechszehnter Titel. Von den Rechten des Staats auf herrnlose Güter und Sachen
§. 1. Auf Sachen, welche noch in keines Menschen Eigenthume gewesen sind, hat der Staat ein vorzügliches Recht zum Besitze.
§. 2. Sachen dieser Art, welche sich der Staat ausdrücklich vorbehalten hat, können ohne Einwilligung desselben von keinem Andern in Besitz genommen werden.
§. 3. Unbewegliche Güter, auf welche noch niemand ein Recht erlangt hat, oder die von ihren vorigen Eigenthümern wieder verlassen worden, sind ein Vorbehalt des Staats.
§. 4. Ein Gleiches gilt von Verlassenschaften, auf welche keinem Andern ein Erbrecht zusteht.
§. 5. Ferner von nutzbaren Landthieren, die noch in ihrer natürlichen Freyheit leben.
§. 6. Endlich auch von unterirdischen Schätzen der Natur, auf welche noch niemanden ein besonderes Recht verliehen worden.
§. 7. Andere von Anfang an herrnlose, oder in der Folge herrnlos gewordene Sachen, die sich der Staat nicht ausdrücklich vorbehalten hat, können, auch ohne besondere Einwilligung desselben, von Privatpersonen in Besitz genommen werden.
Erster Abschnitt. Von den Rechten des Staats auf herrnlose Grundstücke
1) Von Grundstücken, die von Anfang an hermlos sind.
§. 8. Grundstücke, welche noch niemandes Eigenthum gewesen, kann der Staat für sich selbst in Besitz nehmen; oder auch an Andere, sowohl zum Eigenthum, als zur Nutzung, überlassen.
§. 9. Wer das Eigenthum solcher Grundstücke durch eine stillschweigende Einwilligung des Staats erlangt zu haben behauptet, muß einen Vier und vierzigjährigen ruhigen Besitz, oder den Besitzstand des Jahres 1740 nachweisen.
§. 10. Wer ein solches Grundstück auch nur durch eine kürzere Zeit genutzt hat, behält die Nutzungen, so weit dieselben ohne Widerspruch des Staats gezogen worden.
§. 11. Er kann aber auch keinen Ersatz der auf die Cultur des Grundstücks verwendeten Kosten fordern.
2) Von verlassenen Grundstücken.
§. 12. Wenn der Eigenthümer sein Grundstück verlassen, und dabey seinen Willen, sich desselben begeben zu wollen, ausdrücklich oder stillschweigend geäußert hat: so gilt von einem solchen Grundstücke eben das, was von ursprünglich herrnlosen Gütern verordnet ist.
§. 13. Kann eine solche Willensäußerung nicht nachgewiesen werden; und ist der Aufenthalt des bisherigen Eigenthümers bekannt: so muß der Richter, auf das Anmelden des Fiskus, einen solchen Eigenthümer zur bestimmten Erklärung: ob er sich seines Eigenthums an das Grundstück begeben wolle, in einer nach den Umständen festzusetzenden Frist auffordern.
§. 14. Verweigert der Eigenthümer diese Erklärung ungehorsamer Weise, oder zögert er damit beharrlich: so muß das Grundstück dem Fiskus, als herrnloses Gut, durch rechtliches Erkenntniß zugeschlagen werden. (Th. I. Tit. IX. §. 16. 17.)
§. 15. Ist der Aufenthalt des bisherigen Eigenthümers eines solchen verlassenen Grundstücks unbekannt: so findet in Ansehung desselben eben das statt, was wegen des Vermögens eines Abwesenden oder Verschollenen überhaupt verordnet ist. (Tit. XVIII. Abschn. I. Vm.)
Zweyter Abschnitt. Von den Rechten des Staats auf erblose Verlassenschaften
In welchen Fällen ein Nachlaß dem Staate als erblos anheim falle.
§. 16. Wenn ein Verstorbener niemanden hinterläßt, dem aus rechtsgültigen Willenserklärungen, oder vermöge der Gesetze, ein Erbrecht auf sein Vermögen zukommt: so fällt seine Erbschaft dem Staate anheim.
§. 17. Wenn der durch gültige Willenserklärungen ernannte Erbe nicht Erbe seyn kann oder will, oder seines Erbrechts, als dessen unwürdig, verlustig wird; und niemand vorhanden ist, welcher nach der Verfügung des Erblassers, oder nach Vorschrift der Gesetze, an seine Stelle treten könnte: so fällt die Erbschaft ebenfalls dem Fiskus anheim.
§. 18. Die bloße Unfähigkeit oder Unwürdigkeit des gesetzlichen, oder durch Willenserklärungen berufenen Erben, giebt also dem Staate auf den Nachlaß noch keinen gegründeten Anspruch. (Th. I. Tit. XII. §. 36. sqq. §. 599. und 605. sqq.)
§. 19. In welchen Fällen der Nachlaß eines Verbrechers, mit Ausschließung seiner Erben, von dem Staate eingezogen werde, bestimmt das Criminalrecht.
In wie fern das Recht, erblose Verlassenschaften in Besitz zu nehmen, von Privatpersonen;
§. 20. Das Erbrecht des Staats auf erledigte Verlassenschaften kommt moralischen oder andern Privatpersonen nur in so fern zu, als sie nachweisen können, dasselbe vom Staate auf eine rechtsgültige Weise erworben zu haben.
§. 21. In wie fern jemand das Eigenthum einer gewissen bestimmten Verlassenschaft, mittelst der Verjährung durch Besitz, gegen den Fiskus erwerben könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von der fiskalischen Verjährung zu beurtheilen.
§. 22. Milden Stiftungen bleibt ihr Successionsrecht auf den erblosen Nachlaß der darin erzogenen, oder bis an ihren Tod verpflegten Personen, gegen den Fiskus auch alsdann, wenn dem Verstorbenen die vorgeschriebene Bedeutung nicht geschehen ist. (Tit. XIX.)
von einem Gesellschafter ausgeübt werden könne.
§. 23. Wenn der Landesherr eine Sache oder ein Recht Mehrern gemeinschaftlich verliehen hat, und die Begünstigten in der Gemeinschaft geblieben sind: so wächst bey dem erblosen Abgange des Einen von ihnen, der Antheil desselben den übrigen zu.
Vom Aufgeboth erbloser Verlassenschaften.
§. 24. Ehe der Staat sich eine Erbschaft als erledigt zueignet, müssen zuvor alle diejenigen, welchen daran ein Recht zustehen möchte, zu dessen Angabe und Nachweisung öffentlich aufgefordert werden. (Th. I. Tit. IX. §. 471. sqq.)
Rechte und Pflichten des Fiskus in Ansehung eines solchen Nachlasses.
§. 25. Der Fiskus hat, in Beziehung auf einen solchen Nachlaß, alle Rechte und Pflichten eines gemeinen Erben.
§. 26. Tritt der Fiskus nach §. 17. in die Stelle des die Erbschaft ausschlagenden, oder dazu nicht fähigen, oder nicht würdigen Testamentserben: so muß er aus dem Testamente alles leisten, wozu der ernannte Erbe, wenn derselbe wirklich Erbe geworden wäre, nach den Gesetzen verpflichtet seyn würde.
Rechte eines präcludirten Erben.
§. 27. Ein rechtmäßiger Erbe, welcher nach erfolgtem Präclusionsurtel, jedoch innerhalb der gewöhnlichen Verjährungsfrist, sich noch meldet, hat mit einem Verschollenen, der nach der Todeserklärung zurückkommt, gleiche Rechte. (Tit. XVHI. Abschn. VIII. §. 847. sqq.)
Theilnehmung mehrerer Privatberechtigten an einem erblosen Nachlasse.
§. 28. Besaß der Verstorbene Vermögen an verschiedenen Orten, wo verschiedenen Behörden das Recht, erblose Verlassenschaften in Besitz zu nehmen, zukommt: so gebührt jedem Berechtigten das zur Zeit des Todes in seinem Bezirke befindliche bewegliche und unbewegliche Vermögen.
§. 29. Ausstehende Capitalien aber gebühren demjenigen, welcher an dem letzten eigentlichen Wohnorte des Erblassers zur Einziehung erbloser Verlassenschaften berechtigt ist.
Dritter Abschnitt. Vom Jagdregal
§. 30. Das Recht, jagdbare wilde Thiere aufzusuchen, und sich zuzueignen, wird die Jagdgerechtigkeit genannt. (Th. I. Tit. IX. §. 107-175.)
§. 31. Was zu den jagdbaren Thieren gehöre, oder ein Gegenstand des freyen Thierfanges sey, wird in den Gesetzen einer jeden Provinz bestimmt.
§. 32. Im Mangel andrer Bestimmungen gehören vierfüßige wilde Thiere, und wildes Geflügel, in so fern beyde zur Speise gebraucht zu werden pflegen, zur ausschließenden Jagdgerechtigkeit.
§. 33. Andre wilde Thiere sind in der Regel ein Gegenstand des freyen Thierfanges.
§. 34. Dahin gehören auch Wölfe, Bären, und andre dergleichen schädliche Raubthiere.
§. 35. Doch dürfen dergleichen Thiere (§. 33. 34.) in Wäldern und Jagdrevieren, von denjenigen, denen daselbst keine Jagdgerechtigkeit zukommt, nicht aufgesucht, noch weniger Jagden darauf angestellt werden.
§. 36. Was für Arten der wilden Thiere weder gejagt, noch sonst eingefangen werden können, muß durch besondre Gesetze und Verordnungen ausdrücklich bestimmt seyn.
Hohe, mittlere, und niedere Jagd.
§. 37. Zur hohen Jagd werden gewöhnlich nur Hirsche, wilde Schweine, Auerochsen, Elendthiere, Phasanen, Auerhäne und Hennen gerechnet.
§. 38. Wo die Provinzialgesetze keine mittlere Jagd bestimmen, gehört alles übrige Wild zur niedern Jagd.
Verleihung des Jagdregals an Privatpersonen.
§. 39. Die Jagdgerechtigkeit gehört zu den niedern Regalien, und kann von Privatpersonen nur so, wie bey Regalien überhaupt verordnet ist, erworben und ausgeübt werden. (Tit. XTV. §. 26-35.)
§. 40. Unter der Jagdgerechtigkeit, welche den Rittergütern gewöhnlich beygelegt ist, wird in der Regel nur die niedere Jagd verstanden.
§. 41. Wer nur mit der Jagd überhaupt beliehen ist, der hat nur ein Recht zur niedern Jagd.
§. 42. Wer sich also der hohen Jagd anmaßen will, der muß die auf eine rechtsgültige Art geschehene Erwerbung derselben besonders nachweisen.
§. 43. Wer aber mit allen Jagden, oder mit allen Arten der Jagden, oder auch nur mit Jagden in der mehrern Zahl beliehen worden, der hat auch auf die hohe Jagd gegründeten Anspruch.
Einschränkungen der Jagdgerechtigkeit.
1) in Ansehung der Zeit der Ausübung,
§. 44. So weit als jemand zur Jagd berechtigt ist, kann er seine Befugniß auf alle an sich erlaubte Arten, das Wild zu jagen, oder zu fangen, ausüben.
§. 45. Die Setz-, Schon- und Hegezeit aber muß von jedem Jagdberechtigten genau beobachtet werden.
§. 46. Die Bestimmung der Schonzeit in Ansehung der verschiedenen Arten des Wildes, und die Ausnahmen in Ansehung einiger Arten desselben, bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 47. Die Bestimmung dieser Zeiten in unmittelbaren landesherrlichen Jagdrevieren, hängt lediglich von der Festsetzung der Landespolizey-Instanz ab.
§. 48. Im Mangel andrer Bestimmungen, dauert die allgemeine Schonzeit vom Ersten März, bis zum Vier und zwanzigsten August.
§. 49. Alte und tragende rothe Thiere sind vom Ersten November, bis zum Vier und zwanzigsten August zu schonen.
§. 50. In Wäldern, wo hoch Wild steht, ist das Jagen mit starken Netzen und Jagdhunden, nur vom Vier und zwanzigsten August, bis zum letzten October zuläßig.
§. 51. Hirsche, Rehböcke, hauende Schweine oder Keiler, Erpel oder Entriche zu schießen, ist das ganze Jahr hindurch erlaubt.
§. 52. Haselhäne können bis zum letzten April, Auerhäne bis zum letzten May, und Birkhäne bis zum Fünfzehnten Junius geschossen werden,
§. 53. Wilde Enten und Gänse, Schnepfen und andre Zugvögel, sind nur in der Brutzeit, vom Ersten May, bis Vier und zwanzigsten Junius, zu schonen.
§. 54. Das Schießen junger Hasen, und der Einfang junger Schwäne, ist nur vom Ersten März bis Zwanzigsten Junius verboten.
§. 55. Bären, Wölfe, und andre schädliche Raubthiere, können zu allen Zeiten geschlossen werden.
§. 56. Auf Bären und Wölfe ist, auch in geschlossenen Zeiten, das Jagen mit Netzen und Durchtreiben der Leute zuläßig.
§. 57. Die Eyer von jagdbarem Federwilde dürfen niemals ausgenommen werden.
2) in Ansehung der Art der Ausübung.
§. 58. Auch ein Jagdberechtigter darf kein Selbstgeschoß legen.
§. 59. Fuchseisen oder Schlingen dürfen nur an abgelegenen Oertern, und mit solcher Vorsicht, daß dadurch weder Menschen noch Vieh, ohne eignes grobes Versehen der erstern, zu Schaden kommen können, gelegt werden. (Th. I. Tit. IX. §. 152. 153.)
§. 60. Ohne besondre Erlaubniß des Staats darf niemand verzäunte Gehege, zum Schaden der Nachbarschaft, und Hemmung des Wildwechsels, errichten; Einsprünge anlegen; oder die Gränzen nächtlich verlappen.
§. 61. Außer den Dohnen sind Schleifen und Schlingen, auch Garnsäcke, zur Einfangung des Federwildes, gänzlich verboten.
§. 62. Die Einfangung der Rebhüner durch sogenannte Treibzeuge ist erlaubt.
§. 63. Doch muß von jedem Volke, oder von jeder Kette Hühner, so nur aus Neun Stücken besteht, die alte Henne und ein junger Hahn; wenn aber das Volk mehr als Neun Stück ausmacht, überdem noch ein junges Huhn freygelassen werden.
Von Hunden, auf fremdem Jagdreviere.
§. 64. Niemand darf auf fremden Jagdrevieren Hunde laufen lassen, die nicht mit einem Knüppel, welcher sie an der Aufsuchung und Verfolgung des Wildes hindere, versehen sind.
§. 65. Ungeknüppelte gemeine Hunde, ingleichen Katzen, die auf Jagdrevieren herumlaufen, kann jeder Jagdberechtigte tödten, und der Eigenthümer muß das Schußgeld bezahlen.
§. 66. Wenn Jagd- oder Windhunde, während der von einem Jagdberechtigten auf seinem Reviere angefangenen Jagd, bloß überlaufen: so können sie nicht getödtet; sie müssen aber sofort zurückgerufen werden.
§. 67. Wenn Jagdhunde nicht mit Vorsatz an der Gränze gelöset worden, sondern nur von ungefähr über die Gränze gelaufen sind: so können sie aufgefangen, und müssen dem Eigenthümer, gegen Entrichtung eines Pfandgeldes von Acht Groschen für das Stück, zurückgegeben werden.
§. 68. Wie die Jagdcontraventionen zu bestrafen, ist im Criminalrechte vorgeschrieben; und wird in den Provinzial-Jagdordnungen näher bestimmt.
Vierter Abschnitt. Vom Bergwerksregal
Fossilien, welche dazu gehören.
§. 69. Alle Fossilien, woraus Metalle und Halbmetalle gewonnen werden können, gehören, in Ermangelung besonderer Provinzialgesetze, ausschließend zum Bergwerksregal.
§. 70. Desgleichen alle Edelsteine und andere Steinarten, welche nicht §. 73. und 74. ausgenommen sind.
§. 71. Ferner alle Salzarten mit den Salzquellen, vorzüglich Steinsalz, Salpeter, Vitriol und Alaun; so wie auch Inflammabilien, als Schwefel, Reißbley, Erdpech, Stein- und Braunkohlen.
§. 72. Andere Fossilien hingegen, die in ihrer natürlichen Gestalt sogleich zum ökonomischen Gebrauche, bey Künsten, Handwerken, oder zum Bauen genutzt zu werden pflegen, gehören dem Eigenthümer des Grundes und Bodens; oder dem Gutsherrn, wenn derselbe nach den Provinzialgesetzen das Vorrecht darauf hat. (Th. I. Tit. IX. §. 94. sqq.)
§. 73. Besonders werden Marmor, Porphyr, Granit und Basalt, Serpentinstein, Kalk, Gips, Sandstein, Torf, Thon, Lehm, Mergel, Walker, Umbra-, Ocker- und andere Farbenerden, in so fern aus letzteren keine Metalle oder Halbmetalle gewonnen werden können, zu den Regalien nicht gerechnet.
§. 74. Dies findet auch von den nach §. 70. zum Bergwerksregal gehörenden Steinarten Anwendung, wenn sie entweder auf den Aeckern liegen, oder durch die Pflugschar ausgerissen, oder bey Gelegenheit anderer ökonomischer Arbeiten einzeln gefunden werden.
Rechte in Ansehung der dazu nicht gehörenden Fossilien.
§. 75. Fossilien, die kein Regale sind, können diejenigen, welchen solche nach §. 72. gehören, ohne besondere Erlaubniß aufsuchen, und durch Verkauf oder auf andere Art benutzen.
§. 76. Sie dürfen aber bey deren Benutzung nichts vornehmen, was den allgemeinen Berg-Polizeygesetzen zuwider ist.
§. 77. Sollte jemand dergleichen Fossilien gänzlich unbenutzt lassen: so kann er angehalten werden, sein Recht entweder dem Staate selbst, oder andern Baulustigen, gegen billige Abfindung zu überlassen.
§. 78. Es muß aber ausgemittelt seyn, daß dadurch der dem Staate selbst, oder andern Bürgern desselben zu verschärfende Vortheil, die Unbequemlichkeit oder den Nachtheil, welchen der Eigenthümer durch diese Einschränkung seines Eigenthumsrechts erleidet, beträchtlich überwiege. (Th. I. Tit. VIII. §. 30.)
Verleihung des Rechts zum Bergbaue, und Aufsicht darüber.
§. 79. Wer ein Stockwerk, Erzlager, Gang oder Flötz von solchen Fossilien, welche nach §. 69. 70. und 71. zum Bergwerksregal gehören, bauen will, muß damit gehörig beliehen seyn.
§. 80. Wasch- und Pochwerke, ingleichen Graben und Wasserleitungen über Tage, sind unter der Muthung einer Grube nicht mit begriffen, sondern müssen besonders gemuthet und verliehen werden.
§. 81. Eben dies findet von Wassern verlassener Gruben oder Stollen statt.
§. 82. Jeder Beliehene muß sein Bergwerkseigenthum den Grundsätzen der Bergwerkspolizey gemäß benutzen, und kann sich dabey der Aufsicht und Direction des Bergamtes nicht entziehen.
§. 83. Das Bergamt aber ist schuldig, ihn mit seinen Vorschlägen zu hören, und bey Beschließung wichtiger Vorrichtungen, welche mit erheblichen Kosten verbunden sind, jedesmal zuzuziehen.
§. 84. Wegen der besonderen Aufsicht über die Gewerkschaften ist nachher §. 272. sqq. verordnet.
§. 85. Hüttenwerke darf niemand ohne Erlaubniß des vorgesetzten Bergamtes anlegen.
§. 86. Wo der Staat sich den Erzkauf nicht vorbehalten, oder sonst rechtlich erworben hat, da können Hüttenwerke auch an Privatpersonen verliehen werden.
§. 87. So lange jedoch die in einer Gegend vorhandenen Hüttenwerke hinreichend sind; die in den umliegenden nicht über Drey Stunden oder anderthalb Meilen entfernten Gruben gewonnenen oder zu gewinnenden Erze zu verarbeiten, sollen keine neue Belehnungen ertheilt werden.
§. 88. Die Anlegung muß unter Aufsicht des Bergamtes geschehen; und es muß darüber besondere Beleihung nachgesucht werden.
§. 89. Dem ersten Muther eines Hüttenwerks soll die Beleihung darüber vorzüglich ertheilt werden.
§. 90. Die Anlegung neuer Hüttenwerke findet auch nur in so fern statt, als dadurch der Provinz das nöthige Brennholz, zum Bedarf der Einwohner, und zum Betrieb der darin schon vorhandenen Fabriken, nicht entzogen wird.
§. 91. Doch ist bey dessen Beurtheilung auch auf die in der Provinz sich befindenden Vorräthe von Torf und Steinkohlen, welche zu dem Bedarf der Einwohner, und dem Betriebe der Fabriken gebraucht werden können, Rücksicht zu nehmen.
§. 92. Jeder Beliehene, welcher kein eigenes Hüttenwerk hat, ist schuldig, sich zu demjenigen zu halten, welches ihm von dem Bergamte angewiesen worden.
§. 93. Doch darf er sich an kein Hüttenwerk weisen lassen, welches über Drey Stunden, oder Anderthalb Meilen, von seinen Gruben oder Pochwerken entfernt ist.
§. 94. Findet das Bergamt nöthig, daß mehrere, welche kein eignes Hüttenwerk haben, zusammen schmelzen: so kommt es ihm zu, die Ordnung dabey zu bestimmen, und die erforderliche Erztaxe einzurichten.
§. 95. Auf alles von den beliehenen Bergwerkseigenthümern gewonnene Gold und Silber, hat der Staat, wegen des ihm competirenden Münzregals, den Vorkauf.
§. 96. Bey andern Metallen und Mineralien haben die Eigenthümer freye Hand, dieselben nach ihrer Gelegenheit, inn- oder außerhalb Landes zu verkaufen, in so fern die Provincialgesetze keine Ausnahme machen.
§. 97. Dagegen dürfen Erze, Eisensteine, und überhaupt rohe Bergwerksprodukte oder Materialien, aus welchen erst durch Zubereitung und Verarbeitung, Metalle oder mineralische Fabrikate herausgebracht werden, ohne besondre Erlaubniß des Staats, bey nachdrücklicher Strafe, außerhalb Landes nicht verfahren werden.
§. 98. Von allen zum Bergwerksregale gehörenden Metallen und Mineralien, welche die Beliehenen gewinnen, gebührt dem Staate der Zehent.
§. 99. Zu den Berggewinnungskosten dieser Metalle und Mineralien trägt der Staat wegen seines Zehenten nicht bey.
§. 100. Es muß also von Bergprodukten, welche so wie sie aus der Erde gebracht worden, ohne weitere Zurichtung verkauft werden können, der Zehent in Natur, oder das dafür gelösete Geld, ohne Abzug sofort entrichtet werden.
§. 101. Bey metallischen und mineralischen Werken hingegen, deren Produkte durch Feuer oder andere Zurichtung erst verkäuflich gemacht weiden müssen, trägt der Staat zu den Poch-, Wasch-, Hütten- und sonstigen Zubereitungskosten, nach Verhältniß seines Zehent, mit bey.
§. 102. In Ermangelung besonderer Provinzialordnungen, genießen die Bergbauenden auf Sechs Jahre die Zehentbefreyung; Steinkohlen jedoch ausgenommen, bey welchen diese Befreyung nicht statt findet.
§. 103. Außer dem Zehent, müssen die Beliehenen, von ihren gangbaren Gruben oder Stollen, ein in den Provinzialgesetzen bestimmtes Quatembergeld, zur Unterhaltung des Bergamtes entrichten.
§. 104. Auch muß von jeder Grube, sie sey gangbar oder nicht, und von jedem andern Bergwerkseigenthume, alle Quartale das in eben diesen Gesetzen vorgeschriebene Rezeßgeld an das Bergamt abgeführt werden.
§. 105. Hat ein Beliehener die Rezeßgelder, der einmal geschehenen Erinnerung ungeachtet, durch Vier Quartale, und also durch Ein ganzes Jahr nicht bezahlt: so fällt sein Bergwerkseigenthum an den Staat zurück, und kann wieder an einen Andern verliehen werden.
B. Wenn das Bergwerksregal einer Privatperson zusteht.
§. 106. Das Bergwerksregal auf einen gewissen Distrikt, oder auf ein bestimmtes Objekt, kann gleich andern niedern Regalien, von Privatpersonen und Communen erworben und besessen werden. (Tit. XIV. §. 24. sqq.)
§. 107. Wem das Bergwerksregal auf solche Art zusteht, dem kommen alle darunter begriffenen Rechte des Staats zu, welche bey der Verleihung, oder durch Provinzialgesetze, nicht ausdrücklich ausgenommen worden.
§. 108. Doch bleibt er dabey allemal der Oberaufsicht des Staats, den allgemeinen Bergpolizey-Gesetzen, und den Entscheidungen des Bergamtes unterworfen; ist auch zu Entrichtung der §. 103. und 104. bestimmten Abgaben verbunden.
C. Verhältniß des Bergwerksregals gegen den Grundbesitzer.
a) Verbindlichkeit des Grundeigenthümers.
§. 109. Der Grundeigentümer muß an die Bergbauenden den Grund und Boden überlassen, welcher zur Grube selbst, zu den Stollen, zu Halden und Wegen, und zu den Gebäuden über der Erde, nothwendig ist, ingleichen das zum Betriebe der Kunst- Poch- Wasch- und Hüttenwerke erforderliche Wasser.
§. 110. Auch Teiche und Mühlen müssen dem Bergbaue weichen, wenn es zur Fortsetzung desselben nothwendig ist.
§. 111. Bau- und Kohlenholz, in so fern der Grundherr dergleichen aus seinen Forsten verkauft, muß er an die bauenden Gewerke vorzüglich, jedoch nur für eben den Preis, wie an Fremde, überlassen.
§. 112. Dagegen muß für alles, was der Grundeigenthümer zum Baue und Betriebe des Werks abgetreten oder verloren hat, demselben vollständige Entschädigung nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. VI. §. 7. geleistet werden.
b) Rechte desselben. Entschädigung.
§. 113. Für den abgetretenen Grund und Boden muß der Eigenthümer sich damit begnügen, daß ihm die nach gedachter Vorschrift auszumittelnde jährliche Abnutzung in jedem Jahre so lange vergütet werde, bis der Boden wieder in solchen Stand gesetzt ist, daß er gehörig genutzt werden kann.
§. 114. Im Mangel gesetzlicher Bestimmung, müssen die Beliehenen sich mit dem Grundeigenthümer wegen seiner Schadloshaltung besonders vereinigen.
§. 115. Kann dergleichen Vereinigung in Güte nicht getroffen werden: so muß das Bergamt die Schadloshaltung, mit Zuziehung sachverständiger Taxatoren, der Billigkeit gemäß bestimmen.
§. 116. a) Will ein oder anderer Theil bey dieser Festsetzung sich nicht beruhigen: so steht ihm frey, auf rechtliches Gehör und Erkenntniß darüber bey den Berggerichten anzutragen.
§. 116. b) Hat jemand Gebäude, Wasserleitungen, Teiche, Bleichen, und dergleichen, in einem Reviere, wo ein Bergbau schon in solcher Nähe getrieben wird, daß eine weitere Ausdehnung desselben bis zu diesen neuen Anlagen vernünftiger Weise vorausgesehen werden konnte, dennoch angelegt, ohne sich von dem Bergamte die Stelle, wo es ohne seine Gefahr geschehen kann, anweisen zu lassen: so ist er, wegen der durch den fortgehenden Bergbau daran entstehenden Schäden, zu keiner Vergütung berechtigt.
§. 117. Dem Grundeigentümer wird ferner der Erbkux, ohne Unterschied der Metalle oder Mineralien gegeben.
§. 118. Dieser Erbkux kann von dem Grunde und Boden, auf welchem das Bergwerk betrieben wird, nicht getrennt, noch besonders veräußert werden.
§. 119. Wer bey getheiltem Eigenthume den Erbkux erhalte, ist nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. IX. §. 94., und in wie fern ein Gutsherr den Vorzug vor dem Grundeigenthümer darauf habe, nach den Provinzialgesetzen zu beurtheilen.
§. 120. Der Erbkux gebührt demjenigen, in dessen Grunde und Boden die Fundgrube sich befindet.
§. 121. Liegt die Fundgrube auf der Gränze, und also auf dem Grunde und Boden zweyer Nachbarn zugleich; so wird der Erbkux zwischen beyden Grundeigenthümern verhältnißmäßig durch Erkenntniß des Bergamts getheilt.
§. 122. Der Grundeigenthümer ist wegen des Erbkuxes zu irgend einigem Beytrage, wegen der Kosten oder Abgaben des Baues, nicht verbunden.
§. 123. Steht ihm aber das Recht des Mitbaues zur Hälfte zu, und übt er selbiges aus: so muß er, nach Verhältniß seines Antheils an der Grube, den Erbkux übertragen helfen.
Recht des Mitbaues zur Hälfte.
§. 124. Das Recht des Mitbaues zur Hälfte findet jedoch nur alsdann statt, wenn besondere Provinzialgesetze dasselbe dem Grundeigenthümer ausdrücklich beylegen.
§. 125. In solchem Falle muß er, noch ehe die Beleihung an einen Andern geschiehet, vernommen werden: ob er davon Gebrauch machen wolle.
§. 126. Zur Erklärung darüber ist ihm jedesmal eme hinlängliche Frist, jedoch niemals unter Drey Monathen, vom Tage, da die Aufforderung ihm eingehändigt worden, zu bestimmen.
§. 127. Läßt er diese, ohne sich zu erklären, verstreichen; oder thut er auf sein Recht zum Mitbaue Verzicht: so kann er sich dessen in der Folge, zum Nachtheile der bauenden Gewerkschaft, oder des Staats, niemals wieder anmaaßen.
D. Rechte und Pflichten der Bergwerkseigenthümer.
a) vom Bergwerkseigenthume überhaupt.
§. 128. Der Bergbau kann sowohl von einzelnen Personen, als von Gesellschaften betrieben werden.
§. 129. Mehrere Personen, welche ihren Bau mit eigner Handarbeit betreiben, werden Eigenlöhner genannt.
§. 130. Eine Gesellschaft von Eigenlöhnern darf aus nicht mehr als Acht Personen bestehen, und wenigstens Vier derselben müssen die Arbeit mit eigener Hand verrichten; widrigenfalls sie als Gewerke zu behandeln sind.
§. 131. Gesammteigenthümer, welche ihre Lehne nicht selbst bauen und verwalten, führen den Namen einer Gewerkschaft.
§. 132. Die einzelnen Mitglieder einer solchen Gesellschaft werden Gewerke; und das Bergwerk selbst, welches sie betreiben, wird Zeche oder Grube genannt.
§. 133. Jedes verliehene Bergwerkseigenthum wird in Hundert und acht und zwanzig Antheile oder Kuxe getheilt.
§. 134. Außer diesen werden Zwey dem Grundherrn als Erbkux; auch wenn die Provinzialgesetze keine Ausnahme enthalten, Zwey der Kirche und Schule, unter deren Sprengel die Zeche liegt, und eben so viel der Knappschafts- und Armencasse beygelegt.
§. 135. Ein Interessent kann mehrere Kuxe besitzen; auch kann jeder Kux in mehrere Unterabtheilungen getheilt werden, die jedoch nicht unter einem Achtel betragen dürfen.
§. 136. Fremde können so gut, als Landeseinwohner, ohne Unterschied der Religion, an dem Bergbaue Theil nehmen, und genießen dabey mit diesen völlig gleiche Rechte.
§. 137. Insonderheit sind die Bergantheile derselben, so wie deren Ausbeute, von aller Confiscation, Abschoß- und Abzugsgeldern frey.
§. 138. Bergbeamte hingegen sollen, bey Strafe der Confiscation, nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Bergwerks- und Hüttendepartements an dem Bergbaue als Gewerke Antheil nehmen.
§. 139. Diese Genehmigung soll nur auf eine gewisse Anzahl von Kuxen, welche den Vierten Theil einer Zeche niemals übersteigen darf, ertheilt werden.
§. 140. Kein Bergbeamter darf streitige Zechen, oder andere Berggebäude an sich bringen.
Unmittelbare Erlangung desselben.
§. 141. Niemand hat das Recht auf die nach §. 69. 70. und 71. zum Bergwerksregal gehörenden Fossilien zu schürfen, ohne von dem Bergamte einen Erlaubnisschein dazu erhalten zu haben.
§. 142. Der Grundeigenthümer kann demjenigen, welcher einen Schürfschein erhalten hat, das Schürfen nicht wehren noch hindern; es sey denn, daß er selbst mit einem ältern Schürfscheine versehen worden.
§. 143. Schürfscheine sollen nicht auf ganze Aemter und Gerichte, sondern nur auf gewisse nach Namen, Lage, Gegend und Gränzen möglichst genau bestimmte Berge oder Thäler gegeben werden.
§. 144. Sie gelten auf Ein Jahr und Sechs Wochen vom Tage ihrer Ausfertigung an: und verlieren ihre Kraft, wenn nicht vor dem Ablaufe dieser Frist ihre Verlängerung bey dem Bergamte nachgesucht worden.
§. 145. Wer einen Schürfschein auf fremden Grund und Boden erhalten hat, muß sich damit zuvor bey dem Eigenthümer melden; diesem den Ort, wo er schürfen will, bestimmt anzeigen; und wegen der Zeit mit ihm Abrede nehmen.
§. 146. Können sich beyde nicht vereinigen: so muß der Inhaber des Schürfscheins zuvor die Entscheidung des Bergamtes einholen und abwarten.
§. 147. An solchen Orten, wo Wohn- oder Wirthschaftsgebäude stehen, und Vier Fuß Rheinländisch vom Umkreise derselben, darf nicht geschürft werden; es sey denn, daß nach Anleitung des Ersten Theils, Tit. VIII. §. 30. der Grundherr, durch Erkenntniß des Bergamtes, zu dessen Gestattung, gegen erhaltene vollständige Schadloshaltung, verurtheilt wäre.
§. 148. Bepflanzte Baum- und Kohlgärten sind bey dem Schürfen ganz zu verschonen, wenn nicht der Schürfschein ausdrücklich darauf gerichtet worden.
§. 149. Das Schürfen auf Aeckern und Wiesen muß zu einer solchen Zeit vorgenommen werden, da die Feldfrüchte dadurch keinen Schaden leiden.
§. 150. Wird bey dem Schürfen nichts entdeckt; so muß der Schürfer die aufgeworfene Grube wieder einfüllen, den Ort eben machen, auch allen durch das Graben verursachten Schaden, und die entzogene Nutzung, allenfalls nach der Festsetzung des Bergamtes, ersetzen.
§. 151. Ist hingegen ein Stockwerk, Lager, Gang oder Flötz wirklich entdeckt worden: so muß der Schürf, wenn auch vor der Hand darauf nicht fortgebauet würde, dennoch offen bleiben.
§. 152. Hat der Grundeigenthümer denselben ohne Genehmigung des Bergamtes zugeworfen: so muß die Wiedereröffnung auf seine Kosten geschehen, und er hat außerdem eine Geldbuße von Zehn Thalern zum Besten der Bergarmen verwirkt.
§. 153. Der Grundeigenthümer ist befugt, wegen seiner Entschädigung Sicherheit zu verlangen, wenn gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage vorhanden sind.
Vom Rechte des ersten Finders.
§. 154. Wer auf erhaltenen Schürfschein ein Stockwerk, Erzlager, Gang oder Flötz zuerst erschürft hat, ist befugt zu verlangen, daß ihm der Bau auf das entdeckte Werk, innerhalb eines gewissen Districts, vorzüglich vor allen Andern, verliehen werde.
§. 155. Von diesem Rechte aber muß er, bey Verlust desselben, innerhalb Vier Wochen von Zeit der wirklichen Entdeckung Gebrauch machen, und die schriftliche Muthung bey dem Bergamte gehörig niederlegen.
§. 156. Der Umfang des dem Bauenden anzuweisenden Feldes oder Districts, worauf sich das Recht des ersten Finders erstreckt, ist in Ermangelung besonderer Provinzialgesetze, auf streichenden Gängen, Stockwerken und Erzlagern, deren Fallen mehr als fünfzehn Grad beträgt, zwey und vierzig Lachter Längenmaaß; auf Gängen und Erzlagern, deren Fallen unter fünfzehn Grad beträgt, zwey und vierzig Lachter ins Gevierte; und auf Flötzen oder Seifenwerken, ohne Unterschied des Fallens, fünfzig Lachter ins Gevierte.
§. 157. Doch sollen dem Finder, auf ausdrückliches Begehren, außer seiner Fundgrube, vorzüglich zugetheilt werden: auf Gängen, Stockwerken und Erzlagern, deren Fallen mehr als fünfzehn Grad beträgt, und welche gangweise oder nach Längenmaaß vermessen werden, zwölf Maaßen, jede zu acht und zwanzig Lachtern Feldeslänge; auf Gängen und Erzlagern, deren Fallen unter fünfzehn Grad beträgt, und die nach geviertem Felde vermessen werden, zwanzig Maaßen, jede zu acht und zwanzig Lachtern ins Gevierte; auf Flötzen oder Seifenwerken aber, ohne Unterschied des Fallens, so viel, als füglich in einem zusammenhängenden Baue gefaßt werden kann, bis zwölf hundert Maaßen, jede zu vierzehn Lachtern ins Gevierte.
§. 158. Macht der Finder, nach §. 154. sqq., von seinem Rechte keinen Gebrauch: so tritt derjenige, der am ersten den Gang oder das Flötz muthet, an dessen Stelle.
Verhältnisse mehrerer Muther untereinander.
§. 159. Der Finder des Ganges geht dem vor, der den Gang nur überfahren hat.
§. 160. Bey auflässigen Zechen wird derjenige, welcher sie frey gemacht hat, als Finder betrachtet.
§. 161. Außerdem geht der ältere Muther dem Jüngern vor, und wird das Alter nach dem Präsentato des Bergamtes beurtheilt.
§. 162. Der Finder sowohl, als der Muther, müssen mit Fleiß und unausgesetzter Arbeit bemühet seyn, den gemutheten Gang, das Flötz, oder die Bank zu entblößen; das ist, selbige mit dem Stollen oder Schürf in vollem frischen Anbruche zu zeigen.
§. 163. Wer binnen Vier Wochen nach erfolgter Approbation die Arbeit nicht anfängt, oder sie nicht beständig fortsetzt, wird seines Rechts verlustig; und das Werk ist ins Freye gefallen.
§. 164. Nur wenn der Finder oder Muther erhebliche Umstände, welche den Anfang des Baues verhindern, dem Bergamte anzeigt und bescheinigt, kann ihm eine billige Frist nicht versagt werden.
§. 165. Doch ist auch unter solchen Umständen das Bergamt mehr als dreymal Fristen zu ertheilen nicht berechtigt.
§. 166. Sind mehrere Theilnehmer vorhanden: so kann die Frist nur ertheilt werden, wenn sie alle über deren Nachsuchung einig sind.
§. 167. Wer von mehrern Theilnehmern seinen Beytrag zu den Kosten der Arbeit, nach geschehener Aufforderung durch das Bergamt, nicht binnen Vier Wochen entrichtet, geht seines Rechts zu Gunsten der übrigen Theilnehmer verlustig.
§. 168. Sobald ein Gang, Flötz, oder Lager entblößt ist, muß dem Bergamte davon Anzeige gemacht, und die Untersuchung desselben über die Bauwürdigkeit des Werkes abgewartet werden.
§. 169. Wenn hiernächst das Bergamt festgesetzt hat, daß es ein Gang, Stockwerk, Lager oder Flötz, auch bauwürdig und im Freyen gelegen sey; so muß der Finder oder Muther binnen Vier Wochen, bey Verlust des Rechts, die Beleihung nachsuchen.
§. 170. In der Beleihung müssen die verliehenen Stockwerke, Lager, Gänge oder Flötze, nach deren Gränzen, genau bestimmt, auch selbige dem Beliehenen ordentlich angewiesen werden.
§. 171. Die über oder unter der Fundgrube, im langen oder im Quadratfelde liegenden Maaßen, in so fern der Finder oder erste Muther darauf nach §. 156. und 157. kein Vorzugsrecht hat, ist der Staat berechtigt, andern Baulustigen zur Aufnahme einer neuen Grube zu verleihen.
§. 172. Wer beliehen ist, kann sich sein verliehenes Feld auf der Oberfläche vom Bergamte zumessen lassen; und letzteres darf dieses nicht verweigern.
§. 173. Wenn das Bergamt die Vermessung nöthig findet, muß der Beliehene sich dieselbe gefallen lassen.
§. 174. Auch angränzende Gruben sind befugt, zu verlangen, daß der andern Grube das Vermessen aufgelegt werde, wenn sie ihr Interesse dabey nachweisen.
§. 175. Dagegen hängt es bloß von dem Beliehenen ab, auch das Erbbereiten, oder feyerliche Vermessen zu verlangen.
§. 176. Steht die jüngere Grube in Ausbeute, und die ältere nicht: so kann jene zuerst, jedoch dem Rechte der altern unbeschadet, auf die Vermessung antragen.
§. 177. Die Fundgrube wird jederzeit vom Puncte des Fundes, und zwar bey Gängen nach deren Streichen, halb oberwärts, halb unterwärts; bey gevierten Feldern hingegen, über das Kreutz, winkelrecht vermessen.
§. 178. Das Bergamt kann nur alsdann von dieser Regel abgehen, wenn nach dessen Ermessen auf der einen Seite des Fundes kein nutzbarer Bau zu veranstalten ist, und von der andern Seite keine gegründeten Widersprüche der Feldnachbarn entgegen stehn.
§. 179. Bey Maaßen steht es in dem Gutfinden des Beliehenen: ob er sie oberhalb oder unterhalb, neben der zuerst vermessenen Fundgrube verlange.
§. 180. Bey dem Vermessen wird in der Regel da angehalten, wo der Gang oder Flötz zuerst entblößt wurde, und der Lehnträger muß den Ort zeigen.
§. 181. Ist daselbst Kübel und Seil eingeworfen: so ist die Mitte des Rundbaumes der Anhaltungspunct.
§. 182. Entstehen Zweifel: ob dieser Schacht der wahre Ort des Fundes sey: so wird der Lehnträger, oder ein Vorsteher der Zeche, zur eidlichen Bestärkung auf den Rundbaum gelassen.
§. 183. Ist ein Grubenbau mit einem Stollen angefangen worden: so wird am Stollen-Mundloch angehalten.
§. 184. Bey überfahrnen Gängen und Flötzen, bringt der Markscheider den Ort des Fundes an den Tag, und bezeichnet ihn mit einem Lochsteine, der zum Anhalten dient.
§. 185. Die Maaßen werden jederzeit an die Fundgrube gemessen, und wer nur mit Maaßen beliehen ist, muß diejenigen Gränzen für richtig annehmen, nach welchen die vorliegende Fundgrube vermessen worden.
§. 186. Bey Messung der Vierung eines Ganges wird an dessen beyden Saalbändern, und bey einem Flötze an dessen Dach und Sohle angehalten.
§. 187. Theilt sich der Gang in Trümme, und bleiben diese in der Vierung: so ist der Anhaltungspunkt in der Mitte zwischen den Trümmen, wenn sie aber aus der Vierung fallen, an dem Trum, welches der Lehnträger wählt.
Allgemeine Pflichten aus der Beleihung: fortwährende Benutzung;
§. 188. Jede Bergwerksbeleihung geschieht unter der Bedingung, das überkommene Bergwerkseigenthum, bey dessen Verlust, zu dem beabsichtigten Endzwecke zu benutzen.
§. 189. Berggebäude müssen daher ununterbrochen fortgebauet, so wie verliehene Schmiedestätte, Wasserläufe, und dergleichen, zu dem Zwecke angewendet werden, zu welchem sie verliehen sind.
§. 190. Außerdem fallen die Berggebäude, die Räume u. s. w. welche dem Grundbesitzer zum Bergbaue abgekauft worden, in das Landesherrliche Freye; die nicht abgekauften Plätze aber zurück an die Grundbesitzer.
§. 191. Zum Fortbaue der Gruben wird überhaupt beständige Belegung mit Arbeitern erfordert.
§. 192. Für gehörige Belegung ist nur Arbeit in der Grube zu achten; nicht aber die Arbeit über Tage, außer wenn Wasser zu gewältigen, oder Wetter zu schaffen sind, oder Abraum nöthig ist.
§. 193. Jede Fundgrube muß wenigstens mit Einem Berghauer und Einem Schlepper belegt seyn, die täglich Acht Stunden Eine Schicht arbeiten, und eine ordnungsmäßige Aufsicht haben.
§. 194. Ist die Fundgrube fündig, und das Feld geöffnet, daß die Wasser auf den Strecken fortgebracht werden: so kann der Beliehene die Zeche durch tägliche Belegung irgend eines Theiles seines Feldes, mit Einem Berghauer und Einem Schlepper, bauhaft erhalten.
§. 195. In Eigenlöhnerzechen muß wenigstens wöchentlich Drey Tage, jeden Tag Vier Stunden, gearbeitet werden.
§. 196. Pochwerke, in welchen weder Zapfen noch Eisen gefunden wird, oder die Drey Jahre nicht als solche gebraucht worden, sind in das Freye gefallen.
§. 197. Desgleichen zum Bergbau verliehene Wasser, welche Ein Jahr lang nach der Belehnung nicht gefaßt worden sind.
§. 198. Zum Verluste des Eigenthums wegen unterlassener Belegung wird erfordert, daß das Bergamt die Zeche in Einer Woche dreymal, oder bey Eigenlöhnern eine ganze Woche hindurch, nicht gehörig belegt finde; über diese Freyfahrung Registraturen aufnehme; und in dem Bergbuche anmerke, daß die Zeche in das Freye gefallen sey.
§. 199. Auf gleiche Weise wird in Ansehung der Wasser- und Pochwerke verfahren.
§. 200. Ein neuer Muther kann das Bergamt um diese Freyfahrung bitten.
§. 201. Wenn das Bergamt bey vorgängiger Untersuchung gefunden hat, daß wesentliche Hindernisse, die nicht aus einer Verschuldung des Beliehenen entstanden sind, und die er nicht heben können, keine nutzbare Belegung der Zeche, oder Benutzung der Pochwerke, Räume und Wasser gestatten: so kann es demselben auf sein Gesuch eine Frist geben, bis zu welcher er, der unterlassenen Benutzung ungeachtet, bey seinem Rechte verbleibt.
§. 202. Diese Frist, auch wenn sie auf bestimmte Zeit gegeben ist, muß das Bergamt zuvörderst dem Beliehenen aufkündigen, ehe ihm das Bergwerkseigenthum entzogen werden kann.
§. 203. Während des Laufens der Fristen müssen dennoch die geordneten Rezeßgelder nach §. 103. vierteljährig erlegt werden.
§. 204. Wenn während des Laufens der Frist ein Fremder sich meldet, welcher den Bau, des Hindernisses ungeachtet, fortsetzen will: so muß die Frist dem Beliehenen aufgekündiget, und ihm angedeutet werden, daß er nach deren Ablaufe keine Verlängerung mehr zu gewarten habe.
§. 205. Setzt der Beliehene nach dieser Aufkündigung, und nach Ablauf der Frist, den Bau nicht fort: so muß alsdann die Grube dem Baulustigen, welcher sich dazu gemeldet hat, ohne weitern Anstand verliehen werden.
§. 206. Niemand darf auf den Raub bauen; das ist: durch unwirthschaftliche Aushauung der oberen Mittel, und Wegnehmung der nöthigen Bergfesten und Stollenpfeiler, wenn sie gleich Erze enthalten, die Wasserabführung und Wetter- auch Berglosung erschweren; die fernere regelmäßige Fortsetzung des Baues hindern, oder gar unmöglich machen.
§. 207. Eben so wenig dürfen die Sohlen unter der Stollenstrecke ohne Erlaubniß des Bergamtes verhauen oder unterwerket werden; und es muß wenigstens ein Vier bis Sechs Lachter dickes Mittel unverritzt darzwischen liegen bleiben, oder die Sohle verflüdert werden.
§. 208. Wer sich eines Raubbaues schuldig macht, wird mit dem Verluste der auf solche unerlaubte Art erworbenen Mineralien bestraft.
§. 209. Wird nach geschehener Weisung durch das Bergamt, dergleichen Raubbau dennoch wiederholt: so zieht dieses den Verlust des aus der Beleihung erhaltenen Rechts nach sich.
§. 210. Wer in einer Zeche die tiefsten Stollen oder Strecken, oder andere Oerter, stehen lassen, verzimmern, oder verstürzen will, muß seinen Entschluß zuvor dem Bergamte ansagen, und die Besichtigung nachsuchen.
§. 211. Wer außerdem eine Zeche, Stolle oder Strecke verbauet oder verstürzt, soll den hineingestürzten Berg wieder herausschaffen, und nachdrücklich bestraft werden.
§. 212. Ein Beliehener, welcher anderer Gruben oder Tagewerke zerstört oder einwirft, Lochsteine verrückt, oder die in der Grube eingehauenen Merkzeichen (Erbstufen) vernichtet, soll außer dem Schadensersatze nachdrücklich bestraft, oder gar, nach Bewandniß der Umstände, seiner erwiesenen Bosheit, und der Größe des verursachten Schadens, seiner Bergtheile, zum Besten des Fiskus, verlustig erklärt werden.
Pflichten gegen die Bergleute.
§. 213. Den Bergleuten muß ihr Lohn in baarem Gelde, nicht aber in Erzen, Materialien, oder Lebensmitteln gereicht, und nach den Anschnitten aus den bereitesten Vorräthen der Grube, bey jeder Lohnung, ohne Verzug gezahlt werden.
§. 214. Die Bergwerkseigenthümer sind der in ihren Diensten erkrankten oder beschädigten Bergleute sich anzunehmen verbunden.
§. 215. Einem solchen Arbeiter muß, in Ermangelung besonderer Vorschrift der Provinzialgesetze, sein Lohn von einer Zubußzeche, ingleichen von einer Freybau oder Verlag erstattenden Zeche, auf Vier Wochen, und bey einer Ausbeute-Zeche auf Acht Wochen, wenn die Krankheit so lange dauert, gereicht werden.
§. 216. Dauert die Krankheit länger: so fällt die Verpflegung des Kranken oder beschädigten Bergmannes der Knappschaftscasse zur Last.
§. 217. Die Cur- und Begräbnißkosten eines beschädigten oder verunglückten Bergmanns müssen aus der Knappschaftscasse bestritten werden.
§. 218. Auch die Wittwe eines Bergmanns hat das §. 215. bestimmte Gnadenlohn zu fordern.
§. 219. Obige Vortheile der beschädigten oder verunglückten Bergleute fallen hinweg, wenn sich einer den Schaden oder Tod vorsätzlich, oder durch grobes Versehen, außer der Bergarbeit zugezogen hat.
§. 220. Ist der Schade oder Tod durch Bosheit oder grobes Verschulden eines Dritten verursacht worden: so muß dieser die Knappschaftscasse und Bergwerkseigenthümer entschädigen.
Besondere Pflichten der Stollner.
§. 221. Bey Verleihung eines Stollen, zu Lösung fremder Zechen, wird nur der Ort, wo er angesetzt, und das Gebirge, in welches er getrieben werden soll, bestimmt.
§. 222. Ein solcher Stollner ist befugt, seinen Stollen von dem in der Beleihung bestimmten Punkte in das daselbst bestimmte Gebirge zu treiben, und kann denselben nach Gefallen in mehrere Flügel theilen.
§. 223. In der Regel müssen alle Hauptstollen sohlig betrieben werden; wenn nicht, in Absicht des Ansteigens der Wasserseigen, besondere Abweichungen in den Provinzial-Bergordnungen bestimmt sind.
§. 224. Der Stollner darf, bey Verlust seines Stollenrechts, ohne ausdrückliche Genehmigung des Bergamts seinen Stollen weder mit größerm Ansteigen, noch auch die Wasserseige so treiben, daß in derselben Absätze oder Stufen (Gesprenge) bleiben.
§. 225. Die Erlaubniß zu Gesprengen soll, außer besondern Umständen, nur auf Flügelörter gegeben werden, die in einige wenige, und zwar solche Gruben gehen, welche entweder des Stollens vorzüglich bedürfen, oder wenige, und höher liegende Erzanbrüche haben.
§. 226. Diese gegebene Erlaubniß wird vom Bergamte in den Bergbüchern angemerkt.
§. 227. Das Feld des Stollners, in welchem er die daselbst brechenden Mineralien gewinnen kann, ist Fünf Viertel Lachter, von der Wasserseige seines Stollens in die Höhe, und Fünf Achtel Lachter in die Breite, oder so weit der Stollen von dem Mundloche an geführt worden.
§. 228. Außer diesen Gränzen steht ihm kein Bergwerkseigenthum zu, als in so fern er besonders damit beliehen ist.
§. 229. Will der Stollner außer diesen Gränzen über, unter, oder neben dem Stollen ausbrechen: so muß er zuvörderst dazu vom Bergamte Erlaubniß erhalten, und letztere in die Bergbücher eingetragen werden.
§. 230. Der Stollner hat das Recht, die Erlaubniß zum Ausbrechen, und zu Lichtlöchern, vom Bergamte zu fordern, wenn er außerdem durch Wettermangel, oder durch beschwerliche Forderung, an Forttreibung des Stollens gehindert würde.
§. 231. Desgleichen wenn der Stollen in Gebäude kommt, die kein Tiefstes haben, welches die Tiefe der Stollensohle erreichet.
§. 232. Vor Ertheilung der Erlaubniß zu Lichtlöchern, muß das Bergamt das Bedürfniß des Stollens durch Befahrung auf den Augenschein untersuchen.
§. 233. Hat der Stollner die Erlaubniß zum Auslenken und zu Lichtlöchern erhalten: so muß er dieselben, in Ansehung der Richtung und Weite, ganz nach der Vorschrift des Bergamts, und nie über die Weite eines Schachts führen.
§. 234. Der Stollner hat an den unverliehenen Gängen und Flötzen, die er gehörig überfährt, die Rechte des ersten Finders.
§. 235. Er ist, bey Verlust seines Stolleneigenthums, verpflichtet, den Stollen nach irgend einer Richtung immer weiter zu treiben, wenn er nicht, nach vorhergegangener Untersuchung, von dem Bergamte Frist erhalten hat.
§. 236. Doch kann er sich im Eigenthume des Stollens erhalten, wenn er die anstehenden Stollörter vom Bergamte verstufen läßt.
§. 237. Durch diese Verstufung wird des Stollners Befugniß zum unbedingten Forttriebe des Stollens (§. 222.) an diesem Orte aufgehoben; und er hat außer diesen Gränzen kein Recht.
§. 238. Von den verstuften Stollenörtern an kann der Stollen andern Gruben, oder neuen Muthern verliehen werden.
§. 239. Vorliegende Gruben haben ein Näherrecht vor andern Muthern, die Verleihung des Stollens zu verlangen; und unter mehrern Gruben diejenige, welche dem verstuften Stollorte am nächsten liegt.
§. 240. Vorliegende Gruben, welche den Stollen von den verstuften Stollenörtern, oder von der Markscheide der anliegenden Grube an, jede Grube in ihrem verliehenen Felde, unter ihre Gebäude führen wollen, bedürfen keiner besondern Belehnung, sondern sind bloß schuldig, ihr Vorhaben dem Bergamte anzuzeigen.
§. 241. Wenn ein Stollenort verstuft, und entweder auf Belehnung (§. 238.) oder auf vorgängige Anzeige bey dem Bergamte (§. 240.) weiter getrieben worden ist; und weder der zweyte Stollner, noch die Gewerken entfernterer Gruben, denselben in weiter liegende Gruben fortführen wollen: so kann der Ort nochmals verstuft werden.
§. 242. Alsdann hat der erste Stollner ein Näherrecht zur Muthung.
§. 243. Solche Belehnungen (§. 238. sqq.) geben gleiche Rechte und Pflichten, als die erste Verleihung des Stollens.
§. 244. Unterläßt der Stollner, den Stollen in vorliegende Gruben zu treiben: so sind diese Gruben, und andere neue Muther, berechtigt, bey dem Bergamte darauf anzutragen, daß der Stollen an diesem Orte verstuft werde.
§. 245. Das Bergamt muß alsdann dem Stollner eine billige Frist zur Forttreibung des Stollens in die desselben bedürfenden Gruben vorschreiben; und wenn auch diese nicht inne gehalten wird, mit der Verstufung verfahren.
§. 246. Aus der Verstufung Eines Stollenorts folgt noch nicht der Verlust des Rechts auf die übrigen unverstuft gebliebenen Oerter.
§. 247. Unterläßt der Stollner gänzlich, den Stollen fortzutreiben, oder verstufen zur lassen: so befährt das Bergamt den Stollen; verstuft die anstehenden Stollörter; und erklärt, durch Bemerkung im Bergbuche, den Stollner seines Eigenthums für verlustig.
§. 248. Der Stollen kann alsdann Andern verliehen werden, welche in alle Rechte und Verbindlichkeiten des ersten Stollners treten.
§. 249. Vorliegende Gruben und neue Muther sind befugt, um diese Freyfahrung zu bitten.
§. 250. Hierbey haben die vorliegenden Gruben eben die bey verstuften einzelnen Stollenörtern §. 239. ihnen beygelegten Rechte.
§. 251. Wenn ein solcher auflässiger Stollen verbrochen ist: so haben die Gruben, in welche der Stollen schon getrieben war, und welche älter als der neue Stollner beliehen sind, das Recht, den Stollen in ihrem Felde selbst zu gewältigen; und geben alsdann dem Stollner nur Wassereinfall-Geld.
§. 252. Der Stollner ist, bey Verlust seines Eigenthums, verpflichtet, den Stollen in solchem Zustande zu erhatten, daß er nicht verbricht.
§. 253. Jedes verliehene Bergwerkseigenthum, und also auch Bergtheile, oder Kuxe, werden zum unbeweglichen Vermögen gerechnet.
§. 254. Ausbeute hingegen gehört zum beweglichen Vermögen, sobald sie nach den Antheilen der Gewerke abgeschlossen ist, wenn sie gleich von den Gewerken noch nicht erhoben worden.
§. 255. Was im Ersten Theile Tit. X. §. 6-20. von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums der Grundstücke überhaupt vorgeschrieben ist, gilt auch vom Bergwerkseigenthume.
§. 256. Es müssen daher alle Besitzveränderungen bey dem Bergamte verlautbart; im Berggegenbuche ab- und zugeschrieben; und ein neuer Gewährschein darüber gelöset werden.
§. 257. Bey dem Ab- und Zuschreiben wird in der Regel alles dasjenige beobachtet, was in der Hypothekenordnung bey Eintragung des Besitztitels verordnet ist.
§. 258. Sind jedoch nur einzelne Kuxe, oder gar nur einzelne Antheile eines Kuxes, von Einem Inhaber auf den andern zu übertragen: so ist es genug, wenn sich das Bergamt nur überhaupt die rechtliche Gewißheit der von den Parteyen beschlossenen Uebertragung verschafft hat.
§. 259. Wie dieses auf die schicklichste, bequemste, und den Interessenten am wenigsten lästige Art geschehen könne, muß denselben allenfalls, nach Beschaffenheit der Umstände, von dem Bergamte an die Hand gegeben werden.
§. 260. Ueberhaupt kann, wenn auch derVerkäufer sich nicht meldet, der Käufer aber einen gehörig beglaubigten Contrakt, worin ihm das Eigenthum des Kuxes übertragen worden, beybringt, das Ab- und Zuschreiben auch ohne Zuziehung des Verkäufers erfolgen.
§. 261. Bey freywilligen Veräußerungen von Bergtheilen, wovon noch Zubußen rückständig sind, kann die Zuschreibung nicht eher erfolgen, als wenn entweder der Verkäufer dieselbe, vor Entsagung seines Eigenthums, berichtigt, oder der Käufer sich erklärt hat, den Rückstand zu übernehmen.
§. 262. Wenn von Bergtheilen, die durch Erbfolge verfällt werden, noch Zubuße rückständig ist: so erhält der neue Besitzer vor deren Berichtigung keine Zugewährung.
§. 263. Bey jeder Uebertragung irgend eines Bergwerkseigenthums, welches nach den im Berggegenbuche vorhandenen Anmerkungen mit dinglichen Ansprüchen behaftet ist, müssen diese im neuen Gewährscheine vollständig ausgedrückt werden.
§. 264. Was bergmännisch gemuthet und verliehen wird, kann auch im Gesammteigenthume besessen werden.
§. 265. Derjenige, welcher erweislich mit einem Bergwerkseigenthume beliehen ist, (der Lehnträger), muß sich vor dem Gegenbuche erklären, daß er die mit Namen anzugebenden Personen in das Gesammteigenthum aufnehme.
§. 266. Rechte des Gesammteigenthums erlangt jeder Theilhaber nur durch Eintragung seines Namens in das Gegenbuch; und erhält darüber vom Bergamte einen Gewährschein, der ihm zum Beweise der erfolgten Eintragung dient.
§. 267. Nur derjenige ist als wahrer Eigenthümer eines Bergtheils zu betrachten, der als solcher im Gegenbuche steht.
Rechte und Pflichten der Gesammteigenthümer.
§. 268. Die Verhältnisse der Gesammteigenthümer unter sich, sind nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, und in dessen Ermangelung nach den allgemeinen Grundsätzen des Ersten Theils, Tit. XVII. zu beurtheilen.
§. 269. Der Lehnsträger ist Repräsentant der Gewerkschaft, in allen Angelegenheiten, welche die Beleihung die Bewahrung und des Eigenthums betreffen.
§. 270. Besonders muß er bey der Anweisung und Vermessung zugezogen werden.
§. 271. Er muß aber auch für die gehörige Herbeyschaffung der Zubuße sorgen.
§. 272. Die Gewerke sind verbunden, dem Bergamte Rechnung von ihrem Grubenhaushalte abzulegen; dieselbe in zwölf monathliche Anschnitte oder Spezialrechnungen, und nachher in eine summarische Rechnung zu bringen; auch die ordnungsmäßigen Gebühren für die Revision derselben zu entrichten.
§. 273. Wie diese Rechnungen geführt, und in welchen Terminen sie abgelegt werden sollen, ist in den Provinzial-Bergordnungen enthalten.
§. 274. Die Zubuße wird von dem Bergamte, nach Erforderniß des Baues, vierteljährig berechnet und ausgeschrieben.
§. 275. Die Ausschreibung geschieht nach Verhältniß der Kuxe, die an Gewerke vertheilt sind.
§. 276. Eben so wird es gehalten, wenn während eines Quartals, wegen Unzulänglichkeit der eingekommenen Zubuße, eine neue Anlage zur Fortsetzung des Baues von dem Schichtmeister, unter Genehmigung des Bergamtes, gemacht werden muß.
§. 277. Doch dürfen von den §. 134. bestimmten Freykuxen keine Zubußen gefordert, sondern die Antheile derselben müssen von den übrigen Interessenten übertragen werden.
§. 278. Jeder Interessent ist schuldig, die von dem Bergamte ausgeschriebene Zubuße, innerhalb Vier Wochen nach geschehener Ausschreibung, unweigerlich zu entrichten.
§. 279. Der Vorwand der Unwissenheit oder Entfernung, kann keinem Gewerken gegen die nachtheiligen Folgen der versäumten Zahlung zu statten kommen.
§. 280. Wer nach Ablauf des Dritten Quartals von der Zeit an, da die Zubuße entrichtet werden sollte, mehr als die Zubuße des letzten Quartals schuldig ist, der wird seiner Kuxe, auf die Anzeige des Schichtmeisters, oder sonstigen Zubußeinnehmers, sofort verlustig.
§. 281. Dazu bedarf es keines förmlichen Gehörs des säumigen Gewerken, oder ausdrücklichen Erkenntnisses; sondern nur eines vom Bergamte abzufassenden Decrets.
§. 282. Einen solchen angefallenen Kux kann das Bergamt, ohne Befragung der übrigen Interessenten, zum Besten der Gewerkschaft verkaufen; oder auch, gegen Entrichtung der rückständigen Zubuße, einem sogenannten gehorsamen Gewerken, welchem allemal der Vorzug vor einem Fremden gebühret, überlassen.
§. 283. Der vorige Inhaber ist nur mit Einwilligung der Gewerkschaft, und gegen Erlegung der rückständigen Zubuße wiederum zum Besitze des einmal verlornen Kuxes zu lassen.
§. 284. So lange die der Gewerkschaft zugewachsenen Kuxe noch nicht wiederum an eigene Inhaber gebracht sind, wird die auf selbige kommende Zubuße auf die übrigen Mitglieder der Gewerkschaft mit ausgeschrieben.
§. 285. Wer von den übrigen Gewerken die gehörig ausgeschriebene Zubuße eines angefallenen Kuxes nicht nach Vorschrift des §. 280. zahlt, verliert sein Recht darauf.
§. 286. Wird eine Gewerkschaft so schwach, daß sie die Beyträge der angefallenen Kuxe nicht entrichten kann oder will; und können diese angefallenen Kuxe nicht auf andere Art untergebracht werden: so fällt die ganze Grube in das Landesherrliche Freye.
§. 287. Eben dies findet statt, wenn alle Gewerke ihren Antheilen entsagt, oder dieselben durch ihre Saumseligkeit in Entrichtung der Zubuße, (Retardat,) verloren haben.
§. 288. Alsdann muß das Bergamt die Namen der bisherigen Gewerken im Gegenbuche löschen lassen.
§. 289. Mit dem Verluste des Eigenthums der Zechen und Bergtheile werden alle dinglichen Rechte aufgehoben, welche die Gewerken daran gehabt haben.
§. 290. Den Gewerken aufläßiger Zechen verbleiben jedoch die Vorräthe, welche vor der Freyfahrt über die Hängebank gestürzt sind; ingleichen alles Andere, was sie über Tage an Mobiliarvermögen besessen haben.
§. 291. Aber auch diese Vorräthe und andere Mobilien fallen dem Landesherrn zu, wenn sie von den Gewerken nicht vor Ablauf Eines Jahres nach der Freyfahrung, von der Grube geschafft sind, oder deshalb beym Bergamte keine Frist nachgesucht und bewilligt ist.
§. 292. Grubenschulden können von Gewerken, deren Bergwerkseigenthum aufgehoben ist, durch persönliche Klagen nicht zurückgefordert werden.
§. 293. Jedoch muß der Verlag, welchen Verleger, in Auftrag der Gewerken, auf ganze Berg- und Hüttenwerke oder Zechen, desgleichen durch Entrichtung der ausgeschriebenen Zubuße, auf einzelne Bergtheile, geleistet haben, von den Gewerken ersetzt werden, wenn sie auch nicht mehr Bergwerkseigenthümer sind.
§. 294. Ein Gleiches gilt in Ansehung derjenigen Schulden, die Schichtmeister auf besondere Vollmacht der Gewerken aufgenommen haben.
§. 295. In wie fern Hypothekengläubiger sich an die Person und das übrige Vermögen ihres Schuldners halten können, ist nach Vorschrift des Ersten Theils, Tit. XX. §. 43. sqq. zu beurtheilen.
§. 296. Wenn die Kosten des Betriebes, ganz oder zum Theil, noch durch Zuschüsse der Gewerken aufgebracht werden müssen: so wird eine solche Grube eine Zubußzeche genannt.
§. 297. Reicht das Einkommen aus den gewonnenen und verkauften Producten zur Bestreitung der Betriebskosten, und zum weitern Fortbaue der Grube: so ist eine Freybauzeche vorhanden.
§. 298. Eine Grube, bey welcher, nach Abzug der zum künftigen Betriebe erforderlichen Kosten, ein Ueberschuß verbleibt, heißt eine Verlagszeche, so lange aus diesem Ueberschusse noch die vorherigen Zubußen, und die zum Betriebe des Werkes, mit Genehmigung des Bergamts, etwa aufgenommenen Schulden nach und nach zurückgezahlt werden.
§. 299. Eine Grube hingegen, welche nach wieder erstattetem Verlage, und nach Abzug der zum künftigen Betriebe nöthigen Kosten, einen reinen Ueberschuß abwirft, wird eine Ausbeutezeche genannt.
§. 300. Die Bestimmung, wann und wie viel an Verlag erstattet, oder an Ausbeute bezahlt werden solle, hängt von der Beurtheilung des Bergamts ab.
§. 301. So lange noch kein hinreichender Cassenbestand, die Kosten des ferneren Baues wenigstens auf Ein Jahr zu bestreiten, vorhanden ist, findet weder Verlagserstattung, noch Vertheilung von Ausbeute statt.
§. 302. Auch soll eher keine Ausbeute vertheilt werden, als bis selbige wenigstens Einen Thaler auf jeden im Gegenbuche zugewährten Kux beträgt.
§. 303. Eine höhere Ausbeute können die Gewerke erst alsdann verlangen, wenn nach pflichtmäßigem Ermessen des Bergamts anzunehmen ist, daß mit solcher Vertheilung auch in der Folge, wenigstens Ein Jahr hindurch, fortgefahren werden könne.
§. 304. Uebrigens wird die Ausbeute unter sämmtliche Interessenten, nach Verhältniß der zu einer Zeche gehörenden Kuxe, mit Inbegriff der Freykuxe vertheilt.
§. 305. So lange hingegen eine Zeche nur noch den Verlag erstattet, haben die Freykuxe auf irgend einigen Vortheil keinen Anspruch.
§. 306. Dagegen muß ihnen, sobald Ausbeute geschlossen wird, davon durch das Bergamt Nachricht gegeben werden.
§. 307. Die Annahme und Entlassung der Berg- und Hüttenarbeiter, Steiger, und anderer Bergbedienten, kommt lediglich dem Bergamte zu.
§. 308. Mitglieder einer Gewerkschaft sollen so wenig, als deren Aeltern, Kinder, Brüder, und Bruderssöhne, oder Dienstboten, bey derselben Zeche als Steiger oder Schichtmeister angesetzt werden.
§. 309. Auch müssen Steiger und Schichtmeister unter einander in keiner solchen nahen Verwandschaft, oder andern genauen Verbindung stehen, die den Gewerken, oder dem Bergbaue überhaupt, Nachtheil bringen könnte.
Des Schichtmeisters besonders.
§. 310. Bey jedem Berg- und Hüttenwerke und bey jeder Grube, muß ein Schichtmeister angestellt werden.
§. 311. Die Gewerken haben das Recht, ein tüchtiges Subjekt dazu in Vorschlag zu bringen, welches nach untersuchter und befundener Tüchtigkeit, von dem Bergamte bestätigt und verpflichtet wird.
§. 312. Das Bergamt ist befugt, auch ohne Zuziehung der Gewerken, einen Schichtmeister, wegen grober Nachläßigkeit oder Untreue, seiner Stelle wieder zu entsetzen.
§. 313. Gewerken können verlangen, daß ihre Schichtmeister wieder entsetzt werden, wenn sie selbige einer groben Nachläßigkeit oder Untreue überführen können.
§. 314. Schichtmeister sind als Generalbevollmächtigte der Gewerken, in allen Angelegenheiten, welche den Betrieb des Werks betreffen, zu betrachten, und es finden die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XDI. §. 37. sqq. Anwendung.
§. 315. Besonders schließen sie im Namen der Gewerken, unter Aufsicht der Geschwornen, die Contracte mit den Arbeitern, und über die angeschnittenen Bergmaterialien mit den Verkäufern; erheben diejenigen Gelder, welche zum Betriebe der Zeche angewendet werden sollen; und verkaufen die Producte der Grube, ingleichen die unbrauchbaren Inventarienstücke, für die vom Bergamte festgesetzten Preise; in so fern die Gewerken nicht selbst darüber disponirt haben.
§. 316. Ferner bezahlen sie von den Gewerkengeldern diejenigen Ausgaben, welche das Bergamt beym Anschnitte genehmigt; desgleichen die Gebühren, wozu die Gewerken aus der Belehnung verpflichtet sind.
§. 317. Dagegen sind sie, ohne Specialvollmacht, nicht befugt, dem Eigenthume eines Theils des gewerkschaftlichen Feldes, der Räume, Wasser, u. s. w. zu entsagen, oder Schulden auf die Gruben zu machen.
§. 318. Sie müssen durch den Anschnitt, und durch die Specialrechnungen, nach Vorschrift des Bergamtes, Rechnung ablegen; und werden als Verfälscher bestraft, wenn sie eingenommene Gelder vorsätzlich nicht zum Anschnitte im Register bringen.
§. 319. Dagegen sind sie, außer dem Falle des Betrugs, nicht schuldig, dasjenige zu vertreten, was sie in Anschnitt und Rechnung gebracht haben, und im Anschnitte schon genehmigt, oder bey den Specialrechnungen nicht defectirt ist.
§. 320. Vielmehr müssen die Gewerke, wenn sie durch unnütze oder übertriebene Ausgaben in Schaden gesetzt zu seyn glauben, an diejenigen Bergbeamten, welche bey dem Anschnitte, oder bey der Durchsicht der Register, dergleichen Ausgaben zugelassen haben, sich halten.
§. 321. Der Erlaß, welchen Schichtmeister über dasjenige, was sie zu ersetzen haben, durch Privatpatente von einzelnen Gewerken sich verschaffen, ist ungültig.
§. 322. Bey dem Verkaufe der Kuxe oder Bergtheile findet kein gesetzliches Vorkaufs- oder Näherrecht, noch eine Klage aus dem Grunde der Verletzung am Werthe statt.
§. 323. Wenn wegen der Zubuße im Contracte nichts ausdrücklich festgesetzt worden: so muß der Verkäufer die letzte vor der Zuschreibung geschlossene Zubuße, der Käufer hingegen diejenigen, welche nachher abgeschlossen worden, berichtigen.
§. 324. Die vor erfolgter Zuschreibung geschlossene Verlags-Erstattung oder Ausbeute, bleibt, wenn sie auch noch im Zehenten vorhanden ist, im Mangel ausdrücklicher Verabredungen, dem Verkäufer.
§. 325. Die Zuschreibung im Gegenbuche muß wenigstens Vier Wochen nach dem Vertrage geschehen.
§. 326. Hat der Käufer binnen dieser Frist die Zuschreibung weder erhalten, noch bey dem Bergamte darauf geklagt: so kann der Verkäufer zurücktreten; in so fern Ersterer nicht glaubhaft nachweisen kann, daß er an Innehaltung der bestimmten Frist ohne seine Schuld verhindert worden.
§. 327. Uebrigens finden, wegen verzögerter Zuschreibung, die Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XI. §. 97. sqq. Anwendung.
3) Von Verpfändung des Bergwerkseigenthums.
§. 328. Das Bergwerkseigenthum kann unter Beobachtung der Vorschriften des Ersten Theils, Tit. XX. §. 390. sqq. gültig verpfändet werden.
§. 329. Soll der Gläubiger ein dingliches Recht erhalten: so muß die Verpfändung bey dem Bergamte verlautbart, und in das Berggegenbuch eingetragen werden.
§. 330. Bey dieser Eintragung ist nach Vorschrift der Hypothekenordnung zu verfahren.
§. 331. Der Hypothekengläubiger verliert sein dingliches Recht, wenn das Berg- und Hüttenwerk, oder die Zeche, in das Freye, oder der Bergtheil in das Retardat verfällt.
§. 332. Wenn es zum gerichtlichen Verkaufe eines verpfändeten Bergwerkseigenthums kömmt, und sich dazu kein Käufer findet: so soll dasselbe dem Gläubiger, für Zwey Drittel der Taxe, an Zahlungsstatt zugeschlagen werden.
§. 333. Der Gläubiger muß von dieser Zuschlagssumme zuvörderst die Landesherrlichen Gefälle, und die ihm vorstehenden Bergschulden berichtigen.
§. 334. Verbleibt sodann, nach Abzug seiner eignen Forderung, noch etwas übrig: so muß er diesen Ueberrest bey dem Bergamte gerichtlich niederlegen.
§. 335. Wegen Schulden, die das Bergwerk nicht angehen, findet keine Klage, noch Verkümmerung bey dem Bergamte statt.
§. 336. Auch ein auf das gesammte Vermögen des Schuldners angelegter Arrest erstreckt sich nicht auf dessen Bergwerkseigenthum, und auf die noch nicht geschlossene Ausbeute.
§. 337. Wenn aber der ordentliche Richter des verschuldeten Gewerken das Bergamt um die Verkümmerung des Bergwerkseigenthums ersucht: so muß dieser Requisition, jedoch ohne Nachtheil der eigentlichen, auch spätern Bergwerksgläubiger, Folge geleistet, uud die Execution vollstreckt werden.
§. 338. Außerdem kann auf Bergwerkseigenthum, und die davon noch nicht geschlossene Ausbeute, nur wegen Berghypotheken, und wegen andrer aus dem Bergbaue herrührender Schulden, Arrest angelegt werden.
§. 339. Wenn dergleichen Arrest angelegt und verstattet worden: so muß der Arrestleger für die Bezahlung der Zubuße, ingleichen der Quatember und Receßgelder sorgen.
§. 340. Unterläßt er dieses, und das verpfändete Bergwerkseigenthum verfällt dadurch: so verliert er nicht nur sein Recht, sondern muß auch den Eigenthümer entschädigen.
5) Vom Concurse über Bergwerkseigenthum.
§. 341. Wenn über das Vermögen eines Gewerken Concurs entsteht: so ist dennoch dessen Bergwerkseigenthum, und die noch nicht geschlossene Ausbeute, zur Masse nicht zu ziehen.
§. 342. Vielmehr muß darüber ein besonderer Liquidationsprozeß unter den Berggläubigern bey dem Bergamte eröffnet werden.
§. 343. Die Berggläubiger sind dabey nach folgender Ordnung anzusetzen:
1)das Lohn der Arbeiter; jedoch nur wegen eines zweyjährigen Rückstandes, vom Tage des ausgebrochenen Concurses zurückgerechnet;
2)Poch- und Hüttenkosten auf gleiche Art;
3)der Zehent und andere Landesherrliche Gebühren, ebenfalls nur in Ansehung eines zweyjährigen Rückstandes, vom Tage des eröffneten Concurses zurückgerechnet;
4)Der Neunte und andere Steuern, mit gleicher Einschränkung;
5)die erweislichen Verlagschulden, und die mit Genehmigung des Bergamts gemachten Anlehne, jedoch nur in so weit diese Forderungen aus dem letzten Jahre entstanden sind;
6)die eingetragenenHypotheken, nach der Zeit der erfolgten Eintragung;
7)Diejenigen, welche erweislich zum Baue, oder zur Erhaltung des Bergwerkseigenthums, Materialien geliefert, Arbeiten gethan, oder Gelder vorgeschossen haben, welche auch zu diesem Behufe verwendet worden, nach der Zeit des gegebenen Vorschusses, oder des geschlossenen Contracts;
8)die mehr als zweyjährigen Rückstände der bey No. 3. benannten Landesherrlichen Gefälle.
§. 344. Bleibt nach Befriedigung der Berggläubiger von dem gelösten Werthe des Bergwerkseigenthums noch etwas übrig: so muß selbiges an den Richter des allgemeinen Concurses, zur Verkeilung unter die andern Gläubiger, abgeliefert werden.
b) Verhältnisse der Bergwerkseigenthümer unter einander;
§. 345. Jede Grube und jeder Stollen sind verbunden, jeder andern Grube oder Stollen, auf Verordnung des Bergamts, den Gebrauch ihrer Schächte, Strecken, oder Stollen, zur Förderniß, gegen eine bergamtlich bestimmte Schacht- Strecken- oder Stollensteuer, zu verstatten.
§. 346. Wasser, die mit Stollen in Bergwerken erschroten worden, können zwar von dem Bergamte demjenigen, welcher selbige muthet, verliehen werden;
§. 347. Jedoch versteht sich eine solche Verleihung allemal unter dem Vorbehalte, daß sie den Bergwerken und bauenden Gewerkschaften unschädlich sey.
§. 348. Auch haben die bauenden Gewerkschaften auf dergleichen Stollen- und Grubenwasser, zur Zubereitung ihrer Erze, und zu ihren Kunstzeugen, ein vorzügliches Recht; und können selbige dazu, wenn sie auch vorher einem Andern verliehen worden, zurückfordern.
2) Mehrerer Gruben untereinander.
§. 349. Jeder Beliehene ist schuldig, bey dem Baue seines Ganges oder Flötzes, in den bey der Verleihung und Vermessung ihm angewiesenen Gränzen sich zu halten.
§. 350. Er darf die ihm angewiesenen Ober- und Untermaaßen, weder zum Nachtheile der Rechte des Staats, noch zur Verkürzung andrer Beliehenen, überschreiten.
§. 351. Auch die bey der Beleihung bestimmte Breite oder Vierung des Ganges muß er genau beobachten.
§. 352. Alle Bergwerksbelehnungen geschehen ältern Rechten unbeschadet, und die jüngern müssen den ältern weichen.
§. 353. Das Alter im Felde giebt besonders den Vorzug, wenn mehrere Trumme aus dem Hauptgange herausgehen; in welchem Falle die Gewerkschaft des Hauptganges, und unter mehrern die älteste, einen derselben wählen, (erkiesen,) und darauf vorzüglich die Beleihung suchen kann.
§. 354. Ferner, wenn eine Gewerkschaft mit dem auf ihrem Gange fortgetriebenen Baue in das Grubengebäude einer andern Gewerkschaft kommt; (mit ihr durchschlägig geworden ist.)
§. 355. Besonders alsdann, wenn Zwey Hauptgänge oder Flötze in Einen sich zusammen vereinigen; (schaaren).
§. 356. Ferner, wenn ein Hauptgang einen andern queer durchstreicht; (denselben überfährt,) selbst wenn die Arbeit in dem einen Gange noch nicht bis auf den Punkt, wo selbiger von dem andern überfahren worden, fortgesetzt wäre.
§. 357. Ferner alsdann, wenn die Flächen Zweyer Gänge sich gegen einander neigen, und einander berühren; (durchfallen).
§. 358. Auch entscheidet das Alter im Felde, wenn zwischen Zwey Gewerkschaften über den für beyde nicht hinreichenden Gebrauch des Wassers zur Gruben- und Pocharbeit gestritten wird, in welchem Falle die jüngere von Wasserläufen nicht eher und anders Gebrauch machen kann, als in so fern die ältere des Wassers nicht bedarf, oder es derselben, ohne Benehmung des Gefälles, wieder zugeführt werden kann.
§. 359. Zum Alter wird erfordert, daß der Aeltere im rechtmäßigen und ältern Eigenthume des Ganges, oder Flötzes und Feldes sey, woran er das Alter verlangt; und daß der streitige Gang erweislich ein Theil seines verliehenen Ganges oder Flötzes sey.
§. 360. Das rechtmäßige Eigenthum beruht auf gehrig erlangter Belehnung, und erweislicher Erfüllung derjenigen Obliegenheiten, welche bey Verlust des Eigenthums vorgeschrieben sind.
§. 361. Das Alter des Eigenthums wird nach dem Tage der Belehnung berechnet.
§. 362. Hatte Ein Theil schon gemuthet, ehe der andere beliehen ward, und selbst später Beleihung erhalten: so giebt das ältere Präsentatum der gehörig geschehenen Muthung das Alter.
§. 363. Hatte Ein Theil Finderrechte, ehe der andere beliehen ward, und erst nachher selbst Beleihung erlangt: so hat er, der spätern Muthung ungeachtet, das Alter.
§. 364. Das Alter erstreckt sich nicht weiter, als auf das in der Beleihung enthaltene und darnach im Berggegenbuche verzeichnete Feld; und wenn der streitige Punct außer demselben liegt: so hat der Aeltere kein Recht daran.
§. 365. Daß der Gang am streitigen Puncte eben derselbe, und kein anderer, als derjenige sey, worauf dem Aeltern das Alter zusteht, muß durch offene Durchschläge vom Funde her, nach ordentlichen hängenden und liegenden, auch kenntlichen Saalbändern erwiesen werden.
§. 366. Bloße offene Markscheider-Durchschläge, ohne Entblößung richtiger Saalbänder, geben keinen Beweis.
§. 367. Wenn der Gang verdruckt, und in der Vierung seiner Streichungslinie wieder gefunden worden ist: so wird der wiedergefundene Gang für denselben gehalten, der vorher verdruckt war, und gehört dem Aeltern.
§. 368. Fällt der Gang des Jüngern in des Aeltern Vierung: so hat der Letzte in derselben das Alter darauf.
§. 369. Ist der Bau der Grube noch nicht so weit gebracht, daß daraus obige Umstände §. 359. sqq. klar sind: so muß besondere Beweisarbeit geführt werden.
§. 370. Der Aeltere darf hierzu nur in seinem eignen Felde ansetzen.
§. 371. Von der im Falle des §. 187. durch Fortstellung der Beweisarbeit geschehenen Wahl eines Trummes, kann nicht wieder abgegangen werden.
§. 372. Auf die vom Jüngern in der Grube überfahrnen Gänge beweiset der Aeltere sein Vorrecht, wenn er sie in seinem Felde Sieben Lachter vom Tage, wieder mit kenntlichen Saalbändern, auch ordentlichem Hängenden und Liegenden ausrichtet, und durch des Markscheiders Anzeige beweiset, daß der ausgerichtete Gang mit dem vom Jüngern überfahrnen Gange gleiches Streichen habe.
§. 373. Wenn der Beweisführende Theil entweder nach dem vorherigen Baue, oder nach der geschehenen Beweisarbeit, seinen Beweis für vollführt erachtet: so muß er das Bergamt um Befahrung bitten.
§. 374. Bey der Befahrung zeigt derselbe in der Grube, daß die Erfordernisse §. 359. sqq. vorhanden sind; und der Gegentheil ist schuldig, über die Richtigkeit der angegebenen Umstände sich zu erklären.
§. 375. Findet das Bergamt noch mehrere Beweisarbeit nöthig, so muß selbige nach dessen Anweisung geführt werden.
§. 376. Sind die Eigenthumsrechte des einen Theils erwiesen: so muß dem andern Theile, wenn er im Besitze des streitigen Punktes ist, der Bau an selbigem, auf Ansuchen des Gegentheils, vom Bergamte untersagt werden.
§. 377. In der Regel wird, während der Untersuchung, der Bau durch besonders dazu angestellte und verpflichtete Schichtmeister und Steiger fortgestellt, der dazu nöthige Vorschuß, welchen der obsiegende Theil hiernächst ersetzen muß, von beyden streitenden Parteyen nach §. 274. sqq. eingezogen; und der Ueberschuß beym Bergamte niedergelegt.
§. 378. Jedoch kann ein solcher Bau, nach dem Befinden des Bergamts, bis zum Austrage der Sache ganz eingestellt bleiben, ohne daß dem Gegentheile dabey ein Recht zum Widerspruche gebühret.
§. 379. In so fern der Bau zur Beweisarbeit nöthig ist, geschieht derselbe zwar nach Anleitung des beweisführenden Theils; jedoch nach Anordnung des Bergamtes, unter Verwaltung der §. 377. erwähnten besondern Schichtmeister und Steiger.
§. 380. Die Erze, welche vor dem Verbote des Bergamts über die Hängebank gestürzt sind, gehören demjenigen Theile, der sie gestürzt hat, wenn er nicht unredlicher Besitzer gewesen ist; die nachher ausgeförderten fallen dem zu, dem das Eigenthum des streitigen Feldes zugesprochen wird.
§. 381. Bey Untersuchung und Entscheidung solcher Streitigkeiten, müssen Bergbediente, die an einer der streitigen Zechen Antheil haben, sich ihres Amts enthalten; in so fern nicht der Gegentheil in ihre Zuziehung ausdrücklich willigt.
§. 382. Wird dadurch die Anzahl der zulässigen Bergbedienten zu sehr vermindert: so können die Parteyen auf Untersuchung und Entscheidung durch ein benachbartes Bergamt antragen.
§. 383. Bey allem Auslenken im verliehenen Felde steht den Grubenbesitzern die Wahl zu, ob sie diese Arbeit selbst übernehmen wollen, oder das Bergamt dem Stollner dazu Erlaubniß geben soll.
§. 384. Die Erze und Mineralien, welche durch dergleichen Baue in verliehenem Felde gewonnen werden, gehören demjenigen, auf dessen Kosten der Bau geschieht.
§. 385. Lichtlöcher, welche mit Erlaubniß des Bergamts in unverliehenem Felde getrieben werden, gehen, bey Verleihung dieses Feldes zum Grubenbaue, in das Eigenthum der Grubenbesitzer über.
§. 386. Letztere sind aber verbunden, dem Stollner deren freyen Gebrauch zu überlassen, und sie so lange gehörig zu unterhalten, als der Stollner derselben nach Erkenntniß des Bergamts benöthigt ist.
§. 387. Jede Grube ist verbunden, jedem rechtmäßig beliehenen Stollner den Durchtrieb des Stollens durch ihre Gebäude ungehindert zu verstatten.
§. 388. Desgleichen den freyen Gebrauch ihrer Schächte, zur Ausförderung der Erze und Berge; und zur Einhängung des Holzes und anderer Bergmaterialien, wenn er sich dazu seines eignen Kübels und Seils bedient.
§. 389. Jede Grube, welche so weit niedergebracht ist, daß ein angefangener Stollen ohne Ueberbrechen in ihre Baue einschlagen kann, muß dem Stollner gestatten, in ihren Bauen anzusitzen, und den Stollen mit einem Orte entgegen zu gehen.
§. 390. Sie kann dieses Ort selbst zutreiben; muß aber alsdann dem Stollner die durch den Stollenhieb gewonnenen Erze und Mineralien, gegen Ersatz der Gewinnungskosten, auf sein Verlangen überlassen, in so fern er zum Stollenhiebe berechtigt ist.
§. 391. Gruben, welche ihre Baue nahe bey einem schon vorhandenen Stollen führen, sind verbunden, nach Erkenntniß des Bergamtes, entweder die gehörigen Bergfesten stehen zu lassen, oder auf eigne Kosten solche Vorrichtungen zu veranstalten, daß der Stollen vor Brüchen sicher gestellt werde.
§. 392. In Ansehung der Grubenschächte hat der Stollner, auf seine Kosten, durch Gerinne, oder sonst, solche Anstalten zu treffen, daß weder die Gruben in ihrem Baue gehindert werden, noch die Stollenwasser in die Tiefsten der Gruben fallen.
§. 393. Werden die Schächte erst nachher unter dem Stollen abgesunken, nachdem dessen Wasserseige schon an diese Orte gehörig nachgebracht war: so sind die Gruben verpflichtet, jene Anstalten auf ihre Kosten zu treffen.
§. 394. Jeder Stollner ist verbunden, alle Wasser auf seinem Stollen aufzunehmen, die daraufkommen.
§. 395. Jede Grube ist berechtigt, in ihren Bauen solche Einrichtungen zu machen, daß ihre Wasser auf den Stollen fallen, oder gehoben werden.
§. 396. Keine Grube darf den Durchlauf der Wasser anderer Gruben auf dem Stollen, und die dazu nöthigen Vorrichtungen, Einlegung von Gerinnen u. s. w. verwehren.
§. 397. Sie kann aber verlangen, daß vom Stollner solche Anstalten getroffen werden, daß ihr Grubenbau dadurch kein Hinderniß leide.
§. 398. Jede dem Stollen vorliegende Grube ist befugt, des Stollners Erklärung zu fordern: ob er den Stollen in ihre Gebäude bringen will, oder nicht.
§. 399. Erklärt der Stollner, daß er den Stollen nicht in die Gebäude der vorliegenden Grube bringen wolle: so kann diese den Stollenort verstufen lassen. (§. 236. sqq.)
§. 400. Will aber der Stollner den Stollen in die Gebäude der vorliegenden Grube bringen: so kann diese, gegen besondern Beytrag der Kosten, eine stärkere Belegung des Stollenorts zu dessen geschwinderem Forttriebe verlangen.
§. 401. Der Stollner hat alsdann die Wahl: ob er den Stollen auf eigene Kosten, oder gegen die Beyträge der Gruben, geschwinder forttreiben will.
§. 402. Nimmt er diese Beyträge an: so geben ihm in der Folge diese Gruben nur so lange die Hälfte der Stollengebühren, bis dadurch die Hälfte der erhaltenen Beysteuern ersetzt ist.
§. 403. Zechen, die inzwischen ins Freye gefallen, und neuen Aufnehmern verliehen sind, können dem Stollner diejenigen Beyträge, welche die alten Gewerken zum Forttriebe des Stollens gegeben haben, nicht an den Stollengebühren kürzen.
§. 404. Außer diesen allgemeinen Stollenrechten, erlangt der Stollner, durch Erfüllung gewisser Erfordernisse, das Recht, von den Gruben noch den Stollenhieb, und das Neunte zu fordern.
§. 405. Der Stollenhieb ist das Recht des Stollners, die in den Gränzen des Stollen §. 227. brechenden Erze und Mineralien zu gewinnen, und in seinem Nutzen zu verwenden.
§. 406. Ein Stollner, der seinen Stollen im verliehenen Felde einer Grube, in mehrere Flügelörter theilt, und in mehr als einem Flügelorte beym Stollenhiebe Erz findet, hat die Wahl, von welchem Flügelorte er die Erze zum Stollenhiebe nehmen will.
§. 407. Die Erze, welche er von den übrigen Flügelörtern gewinnt, muß er der Grube, auf ihr Verlangen, gegen Ersatz der Gewinnungskosten überlassen.
§. 408. Hat aber die Grube mehr als ein Tiefstes; und können die Wasser durch einen Stollenort nicht zugleich den übrigen Tiefsten abgeführt und weiter gebracht werden: so gebührt dem Stollner der Stollenhieb auch von den andern Flügelörtern, welche er nach den übrigen Tiefsten treibt.
§. 409. Gruben, in deren verliehenem Felde, wegen ermangelnder Anbrüche, kein Stollenhieb ausgeübt werden kann, geben dem Stollner dafür den Vierten Theil (Vierten Pfennig) der Kosten, welche er von dem ersten Durchschlage in das Feld der Grube an, bis dahin, wo er es wieder verläßt, auf den Forttrieb des Stollens durch ihre Gebäude verwendet.
§. 410. Dazu gehören auch die Kosten für Lichtlöcher und Durchschläge in die Grubenbaue.
§. 411. Hingegen werden dabey nur Steiger- und Arbeitslöhne, Bergmaterialien und Schmiedekosten; nicht aber die Kosten über Tage angerechnet.
§. 412. In allen Gruben, wo der Stollner zum Stollenhiebe berechtigt ist, hat er die Wahl: ob er den Stollenhieb, oder den Vierten Pfennig fordern will.
§. 413. Der Vierte Pfennig wird jederzeit erst auf Anforderung des Stollners, mithin nicht auf diejenigen Kosten gegeben, welche der Stollner vor der Zeit des geforderten Vierten Pfennigs aufgewendet hat.
§. 414. Es wird für eine stillschweigende Wahl des Stollenhiebes geachtet, wenn der Stollner den Vierten Pfennig nicht gefordert hat, und im Stollen Erze oder Mineralien gewinnt.
§. 415. Hat aber der Stollner anfänglich den Vierten Pfennig genommen: so ist ihm unverwehrt, denselben während des Stollentriebs aufzukündigen, und den Stollenhieb auszuüben.
§. 416. Gruben, welche dem Stollen den Vierten Pfennig geben, sind befugt, von demselben die durch den Stollentrieb in ihrem Felde gewonnenen Erze und Mineralien, gegen Ersatz der Gewinnungskosten, zurückzufordern.
§. 417. Das Neunte ist der Neunte Theil aller aus einer Zeche geförderten Erze, und andern Mineralien, welche der Zeche nach Abzug des Landesherrlichen Zehent verbleiben.
§. 418. Das Neunte wird von allen denjenigen Erzen und Mineralien gegeben, die nach erfolgtem Durchschlage des Stollens in die vorgeschriebenen Orte der Zeche (§. 423. 424.) über die Hängebank gestürzt werden, wenn sie auch vorher in der Grube gewonnen worden sind.
§. 419, Der Stollner erhält das Neunte in Natur, oder in Gelde; je nachdem der Landesherrliche Zehent in Natur, oder in Gelde entrichtet wird.
§. 420. Das halbe Neunte wird überall gleich dem ganzen Neunten berechnet.
§. 421. In allen denjenigen Fällen, da ein Stollen zum ganzen oder halben Neunten berechtigt ist; dieses aber wegen ermangelnder Anbrüche nicht gegeben werden kann; gebührt dem Stollner ein vom Bergamte zu bestimmendes Wassereinfall-Geld.
§. 422. Neuntes und Wassereinfall-Geld erhält der Stollner erst von der Zeit an, da er seinen Anspruch, mit Beweis des wirklich erlangten Rechts Stollengebührnisse zu fordern, ankündigt.
Erfordernisse zu den besondern Stollenrechten.
§. 423. Um dieser Gebührnisse §. 405. sqq. theilhaftig zu werden, muß der Stollen
a) Vom Bergamte gehörig verliehen, und
b) gesetzmäßig getrieben seyn;
c) mit der Wasserseige in diejenigen Tiefsten der Gruben einkommen, wo die Baue auf anstehende Erzanbrüche geführt werden,
d) daselbst die Erbteufe einbringen, und
e) den Gruben Wasser ab-, und Wetter zuführen; mithin vom Mundloche bis an jede Grube, in solchem Stande seyn, daß die Wasser ohne Hinderung zum Mundloche auslaufen.
§. 424. Unverliehene Stollen, und solche, welche ohne Erlaubniß des Bergamtes anders, als nach Vorschrift des §. 223-252. getrieben sind, haben kein Stollenrecht.
§. 425. Es ist nicht nöthig, daß der Stollen an den Orten, wo die Erzanbrüche sind, in dem tiefsten Punkte einkomme, wenn er sonst nur die Erbteufe einbringt.
§. 426. Ehe ein Stollen nicht an die gehörigen Orte (§. 423. c) und 424.) eingekommen ist, erhält er kein Neuntes.
§. 427. Ein Stollen, welcher einer ganzen Zeche Wasser ab-, und Wetter zuführt; aber nur an die Orte der Grube getrieben ist, wo die Erzanbrüche stehen, erhält dennoch von dem ganzen Felde der Gewerkschaft das volle Neunte, so weit als es durchschlägig ist, und von dem Stollen Wasser und Wetterlosung geschieht.
§. 428. Zur Erbteufe wird erfordert, daß der Stollen an den gehörigen Orten Zehn Lachter und eine Spanne tief einkomme.
§. 429. Diese Tiefe wird nicht von der obern Einfassung des Schachts (Hängebank), sondern vom Rasen nieder, bis auf die Wasserseige des Stollens berechnet.
§. 430. Ein Stollen, dessen Mundloch nicht offen ist, so daß auf demselben nicht mehr ein- und ausgefahren werden kann; und dessen Wasserseige nicht gehörig rein gehalten ist, so daß sich die Wasser dadurch zurückdämmen, erhält von den Gruben, wo dieses geschieht, so lange der Schade dauert, keine Stollengebührnisse.
§. 431. Jedoch schadet es dem Stollner nicht, wenn ihm sein Mundloch abgeht, und seine Wasser, mit Genehmigung des Bergamtes, auf einem tiefern Stollen zu Tage auslaufen.
§. 432. Gruben, die sich des Stollens nicht zur Abführung der Wasser bedienen, werden dadurch nicht von Entrichtung derjenigen Gebührnisse befreyet, zu welchen der Stollner an seiner Seite berechtigt ist.
§. 433. Ein Stollen, der gehörige Erlaubniß zu Gesprengen erhalten hat (§. 224.), ist dadurch der Stollengebührnisse fähig.
§. 434. Ein Stollen, der in das Feld einer Zeche eingeschlagen hat, der ganzen Zeche die Wasser ab-, und Wetter zuführt; dessen Wasserseige aber noch nicht an die Orte gebracht ist, wo die Erzanbrüche stehen, erhält so lange nur das halbe Neunte, bis die Wasserseige diese Orte erreicht.
§. 435. Hat eine Zeche in Zwey Tiefsten Erzbaue, und hat der Stollen nur in Eines derselben eingeschlagen, so bekommt er nur von diesem das Neunte.
§. 436. Benimmt er aber zugleich dem andern Tiefsten die Wasser, und schafft ihm Wetter: so gebührt ihm zugleich von diesem das halbe Neunte.
§. 437. Wenn ein Stollen in das Feld einer Grube gebracht ist; die Wasser aber nicht durch offene Durchschläge, sondern durch Klüfte, oder Lotten darauffallen: so erhält er, bis zu erfolgtem gehörigen Durchschlage, nur das halbe Neunte.
§. 438. Hat ein Stollen nicht in das verliehene Feld einer Grube eingeschlagen; führt ihr aber dennoch Wasser ab, und Wetter zu; also, daß die Wasser- und Wetterlosung mittelbar durchandere Gruben geschieht: so bekommt der Stollen von jener Grube Wassereinfall-Geld.
§. 439. Von allen Wassern, die durch verstufte und von andern weiter getriebene Stollenörter auf den Stollen fallen, wird gleichfalls dem Stollner von denjenigen, die solche Stollenörter getrieben haben, Wassereinfall-Geld entrichtet.
§. 440. Auch derjenige, welcher dergleichen Stollenörter weiter getrieben hat, kann von den Gruben, denen er Wasser ab-, und Wetter zuführt, unter eben den Umständen als der erste Stollner, ganzes, oder halbes Neuntes, oder Wassereinfall-Geld fordern.
§. 441. Auf gleiche Art giebt ein oberer Stollen dem niedern, der seine Wasser abführt, und nicht von diesem enterbt ist, ein Wassereinfall-Geld.
§. 442. Kann ein Stollen die vorher in einer Zeche eingebrachte Erbteufe wegen Abfall des Gebirges nicht weiterhin erhalten: so bekommt er von dem Theile, wo er die Erbteufe verloren hat, die halben Stollengebührnisse.
§. 443. Ist der Stollen vorher in der Erbteufe unter einem Schachte des Gebäudes eingekommen, und hat, nach verlorner Erbteufe, das Tiefste eines Zweyten Schachts oder Gebäudes erreicht; führt auch am letzern Orte die Wasser wirklich ab: so kann er auch da, wo er keine Erbteufe einbringt, volle Stollengebührnisse fordern.
§. 444. Bringt ein Stollen in einer Zeche nirgend Erbteufe ein; führt ihr aber dennoch Wasser ab, und Wetter zu: so ist er der gewöhnlichen Stollengebührnisse unfähig; erhält aber von dieser Zeche eine vom Bergamte zu bestimmende Stollensteuer.
§. 445. Wenn Gruben durch einen Stollen an Kosten für die Aushebung der Wasser, und Zuführung frischer Wetter beträchtlich ersparen; und es entweder gar nicht, oder nur mit beträchtlich höherem Aufwände möglich ist, den Stollen in einer solchen Tiefe anzusitzen, durch welche er in der Grube Erbteufe einbringt: so kann demselben durch Verordnung des Bergamts, der fehlenden Erbteufe ungeachtet, volles Stollenrecht gegeben werden.
§. 446. Wenn Gruben sich mit Stollen, welche keine Erbteufe haben, wegen der Stollenrechte überhaupt vergleichen, und die Verträge von dem Bergamte bestätigt werden: so gelten sie auch gegen künftige Aufnehmer in das Freye gefallener Gruben.
§. 447. Gruben, welche dem Stollen, ob ihm gleich die Erbteufe fehlt, den Vierten Pfennig geben, gewähren ihm dadurch keine weitere Stollengebührnisse; sind aber dafür befugt, zum Behufe ihres eigenen Grubenbaues auf dem Stollen anzusitzen.
§. 448. Was vorstehend von dem Verhältnisse der Gruben gegen Stollen verordnet ist, §. 383. sqq. findet auch in dem Falle statt, wenn jemand Wasserstrecken nach oder aus Kalkschlotten treibt; damit die Wasser in gehöriger Erbteufe den vorliegenden Zechen löset, und die übrigen Erfordernisse des Stollners hat.
§. 449. Ferner, wenn Gruben mittelst Feuer oder andrer Wasserhaltungsmaschinen getrocknet werden, und Wetterlosung in ihre Gebäude gebracht wird.
§. 450. Wer dergleichen Maschinen auf seine Kosten erbauet und unterhält, auch mit den aus dem Kunstschachte getriebenen Grund- oder Wasserstrecken die §. 428. sqq. bestimmte Erbteufe auf den geloseten Zechen einbringt, und die übrigen Erfordernisse des Stollners hat, wird dadurch zu den §. 405-423. bestimmten Stollengebühren, nach jedesmaliger Festsetzung des Bergamts berechtigt.
§. 451. Das Neunte darf in diesem Falle nie weniger als den neunten, und nie mehr als den fünften Theil der wirklichen Förderung, nach Abzug des Landesherrlichen Zehenten, betragen.
§. 452. Sollten auch entfernte und mit dem Kunstschachte nicht unmittelbar in Verbindung stehende Grubengebäude, durch abführende und dem Kunstschachte zuführende Klüfte erweisliche Wasserlosung erhalten: so sind sie zur Entrichtung des halben Neunten, oder einer von dem Oberbergamte verhältnißmäßig festzusetzenden Beysteuer verbunden.
4) Der Stollen unter einander.
§. 453. Das Verhältniß mehrerer zusammentreffender Stollen, so wohl unter sich, als gegen die Gruben, wird so, wie das Verhältniß eines Stollens gegen jede Grube, lediglich darnach bestimmt, mit welchen Eigenschaften sie in dem Felde jeder Grube zusammen treffen.
§. 454. Zwischen mehrem Stollen, wovon nur einer, nach den Erfordernissen des §. 423. gewisser Stollenrechte fähig ist, hat dieser jederzeit den Vorzug.
§. 455. Erlangt ein Stollen solche Vorzüge, durch welche den andern ihre Rechte entzogen werden: so sind die andern nie zum Ersatze desjenigen gehalten, was sie vorher genossen haben.
§. 456. Einem Stollen, welcher zum Stollenhiebe oder Vierten Pfennige, und zum ganzen Neunten volkommen berechtigt ist, kann ein Zweyter Stollen nur durch Enterbung seine Stollengerechtigkeit entziehen.
§. 457. Die Enterbung geschieht dadurch, wenn der Zweyte Stollen diejenigen Erfordernisse, durch welche Stollen des Stollenhiebs, oder Vierten Pfennigs, ganzen oder halben Neuntens fähig werden, Sieben Lachter tiefer als der obere Stollen erfüllt.
§. 458. Diese Sieben Lachter werden senkrecht, von der Sohle des obern Stollen auf die Sohle des untern, und zwar aus den Orten gemessen, wo Stollen nach den Gesetzen einkommen sollen. (§. 423. e) 427.)
§. 459. In allen Fällen, da ein Stollen Wassereinfall-Geld oder Stollensteuer erhält, ist er deren verlustig, sobald ein andrer Stollen dieselben Wasser in einer mehrern Tiefe abführt.
§. 460. Zwey Stollen, die zugleich, gegen einander, in Eine Zeche getrieben werden, erhalten beyde, bis zu erfolgtem Durchschlage, den Stollenhieb, oder Vierten Pfennig.
§. 461. Kommen sie unter einander ein; und ist noch keiner an die gehörigen Orte gebracht: so entzieht der tiefere dem obern den Stollenhieb und Vierten Pfennig.
§. 462. Wird der obere, auf Verlangen oder mit Beiträgen der Zechen, in ihr Feld getrieben: so kann er durch einen Zweyten Stollen nur enterbt werden.
§. 463. Wenn ein oberer Stollen in den Fällen des §. 434. und 435. nur das halbe Neunte bekommt; der tiefere Stollen aber ohne alle solche Mängel eingekommen ist: so kann der niedere Stollner verlangen, daß das Bergamt dem obern Stollner eine Frist vorschreibe, binnen welcher er, in so fern ihn nicht unverschuldete Hindemisse abhalten, bey Verlust jenes halben Neunten den Mängeln abhelfen soll.
§. 464. In den Fällen des §. 436. und 437. entzieht derjenige Stollen dem andern das ganze oder halbe Neunte, der eher zum vollen Neunten berechtigt wird.
§. 465. Wenn mehrere Stollen zugleich, und in gleicher Tiefe, aber nicht gegen einander, in Eine Zeche getrieben werden: so hat derjenige überall den Vorzug, der eher in das Feld der Gewerkschaft einschlägt.
§. 466. Wenn nach obigen Vorschriften weder mehrere Tiefe, noch früheres Einschlagen in die Zeche entscheiden: so treten die Vorrechte des Alters ein.
§. 467. So oft ein Stollen dem andern durch Enterbung, oder sonst nach den Gesetzen, Stollenhieb, Vierten Pfennig, oder Neuntes entzieht: so verbleibt demjenigen, der seine Rechte verliert, alles, was er vor der Zeit, da der andere ein Vorzugsrecht wirklich erlangte, durch den Stollenhieb an Erz gewonnen, am Vierten Pfennig erhoben, und von den vorher über die Hängebank der Zeche gestürzten Erzen, an ganzem oder halben Neunten zu fordern hatte.
Verhältniß der Wasserhaltungs-Maschinen gegen Stollen.
§. 468. Was hier §. 453. sqq. von dem Verhältnisse der Stollen unter sich verordnet ist, findet auch zwischen Wasserhaltungs-Maschinen und Stollen Anwendung.
§. 469. Durch solche Maschinen wird ein Stollen gleichfalls enterbt, wenn vermittelst derselben die Wasser sieben Lachter tiefer gehoben, und einer Grube dadurch in dieser Tiefe Wasser- und Wetterlosungen verschafft werden; auch die übrigen Erfordernisse zu den Stollenrechten vorhanden sind.
§. 470. Die sieben Lachter werden von der Stollensohle bis an die Firste der aus dem Kunstschachte getriebenen Grund- oder Wasserstrecken gemessen.
§. 471. Wenn ein Stollen die Wasser der Feuermaschine abnimmt und fortführt: so erhält derselbe eine von dem Ober-Bergamte festzusetzende Stollensteuer oder Wassereinfall-Geld.
5) der Gruben und Stollen gegen Hüttenwerke.
§. 472. Jedes Hüttenwerk genießt von allen auf der Hütte zu gute gemachten Erzen, oder Schlichen, eine von dem Bergamte zu bestimmende Hüttenpacht oder einen Hüttenzins.
§. 473. Die Hüttenwerke sollen einander die Arbeiter nicht abwendig machen, noch das Holz und andere Bedürfnisse im Preise übersteigern.
§. 474. Jeder kann seine Schlacken in der Hütte, darin sie gemacht worden, schmelzen, oder zum Zusatz gebrauchen.
§. 475. Wenn aber dergleichen Schlacken von dem Eigenthümer verlassen werden: so fallen sie in das Landesherrliche Freye; und niemand darf ohne Genehmigung des Bergamts sich deren anmaßen.
§. 476. Den Eigenthümern stehet frey, ihre Zuschläge, Holz, und Kohlen, wenn sie sich darüber mit den Hüttenwerken nicht einigen können, selbst anzuschaffen.
§. 477. Wie viel die Hütte von den zum Schmelzen eingelieferten und zugewogenen Erzen oder Schlichen, an Metall auszubringen, und den Eigenthümern zu liefern schuldig sey, muß nach den vor Anfang des Schmelzens angestellten Proben bestimmt werden.
§. 478. Wenn der Hüttenschreiber, als Probirer der Hütte, und der Bergprobirer im Gehalte mit einander übereinstimmen: so wird der gefundene Gehalt zur Berechnung angenommen.
§. 479. Wenn diese Proben, auch nach angestellter Wiederholung, von einander abweichen, so muß in beyder Gegenwart, mit einer dazu besonders aufbewahrten Portion der zur Hütte gelieferten Erze oder Schliche, eine Dritte oder sogenannte Schiedsprobe, welche zwischen beyden den Ausschlag giebt, vorgenommen werden.
§. 480. Weicht auch diese Probe von den andern beyden ab: so muß der Gehalt, welchen die Hütte auszubringen verbunden ist, nach einem Durchschnitte der beyden am nächsten übereinstimmenden Proben festgesetzt werden.
Siebenzehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten des Staats zum besondern Schatze seiner Unterthanen
§. 1. Der Staat ist für die Sicherheit seiner Unterthanen, in Ansehung ihrer Personen, ihrer Ehre, ihrer Rechte, und ihres Vermögens, zu sorgen verpflichtet.
§. 2. Dem Staate kommt es also zu, zur Handhabung der Gerechtigkeit, zur Vorsorge für diejenigen, welche sich selbst nicht vorstehn können, und zur Verhütung sowohl, als Bestrafung der Verbrechen, die nöthigen Anstalten zu treffen.
Erster Abschnitt. Von der Gerichtsbarkeit
§. 3. Die Pflicht des Staats, für die Sicherheit seiner Einwohner, ihrer Personen, und ihres Vermögens zu sorgen, ist der Grund der demselben zukommenden allgemeinen und obersten Gerichtsbarkeit.
§. 4. Die bürgerliche Gerichtsbarkeit hat die Untersuchung und Entscheidung der Streitigkeiten, welche über Rechte und Eigenthum entstehn, zum Gegenstande.
§. 5. Doch gehört zur Civilgerichtsbarkeit auch das Recht, Handlungen, die nicht streitig sind, gerichtlich zu vollziehn, zu bestätigen, und zu beglaubigen.
§. 6. Zur Criminalgerichtsbarkeit gehört die Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen.
§. 7. Die Gränzen beyder Arten von Gerichtsbarkeit sind nach den verschiednen Provinzialverfassungen näher bestimmt.
§. 8. Symbolische und geringe Realinjurien gehören der Regel nach vor die bürgerliche Gerichtsbarkeit. (Tit. XX. §. 569. 571.628.)
§. 9. Strafbare Beeinträchtigungen nutzbarer Rechte des Staats bleiben den darüber besonders bestellten Gerichten vorbehalten.
§. 10. Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.
§. 11. Die Untersuchung und Bestrafung der gegen solche Polizeygesetze begangnen Uebertretungen kommt, sobald damit kein vorsätzliches oder schuldbares Verbrechen verbunden ist, der Polizeygerichtsbarkeit zu.
§. 12. Bey einem jeden Vorfalle, wodurch die unter der besondern Obsorge der Polizey stehende öffentliche Ruhe und Sicherheit gestört worden, hat die Polizeygerichtsbarkeit das Recht des ersten Angriffs, und der vorläufigen Untersuchung.
§. 13. Findet sich aber bey dieser Untersuchung, daß außer der Uebertretung des Polizeygesetzes, zugleich ein vorsätzliches oder schuldbares Verbrechen begangen worden: so muß die Polizey die fernere Verfügung der ordentlichen Gerichtsbarkeit überlassen.
§. 14. Auch müssen in allen Fällen, da ein Mensch gewaltsamer Weise ums Leben gekommen ist, und überhaupt sobald zur Begründung einer künftigen Criminaluntersuchung, das Daseyn und die Beschaffenheit einer gewaltthatigen Handlung, durch Einnehmung des Augenscheins, oder Besichtigung der Sachverständigen, rechtlich festzusetzen sind, die ordentlichen Gerichte von der Polizey zugezogen werden.
§. 15. Eigentliche fiskalische Prozesse und Untersuchungen gehören nicht zur Polizeygerichtsbarkeit.
§. 16. Nähere Bestimmungen der Gränzen zwischen der Polizey- und der peinlichen oder bürgerlichen Gerichtsbarkeit, bleiben den Provinzialgesetzen und besondern Polizeyordnungen vorbehalten.
§. 17. Die Vollstreckung eines rechtskräftigen Urtels gehört der Regel nach derjenigen Gerichtsbarkeit, welcher die Untersuchung und das Erkenntniß in der Sache gebührt.
Höchste Gerichtsbarkeit des Staats.
§. 18. Die allgemeine und höchste Gerichtsbarkeit im Staate gebührt dem Oberhaupte desselben, und ist, als ein Hoheitsrecht, unveräußerlich.
Verleihung der Gerichtsbarkeit an Privatpersonen.
§. 19. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über bestimmte Districte, Sachen, Personen, oder Handlungen, kann auch Andern übertragen werden.
§. 20. Dergleichen Privatgerichtsbarkeit können Personen, Familien, Corporationen und Gemeinen, gleich andern niedern Regalien, vom Staate erlangen.
§. 21. Auch kann dieselbe mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbunden seyn.
§. 22. Kein Privatberechtigter kann sich, bey Ausübung seiner Gerichtsbarkeit, der Oberaufsicht des Staats entziehen.
§. 23. Wo das Recht der Gerichtsbarkeit mit dem Besitze einer gewissen Art von Gütern überhaupt verbunden, oder gewissen Gütern besonders beigelegt ist, heißt dasselbe die Patrimonialgerichtsbarkeit.
§. 24. Die Patrimonialgerichtsbarkeit geht mit dem Eigenthume des Grundstücks, welchem sie beygelegt ist, auf jeden folgenden Besitzer über.
§. 25. In wie fern bürgerliche Besitzer adlicher Güter der mit der Gerichtsbarkeit verbundenen Ehrenrechte sich bedienen können, ist nach dem Inhalte ihrer zum Besitze erhaltnen Concessionen zu beurtheilen. (Tit. IX. §. 59.)
§. 26. Die nutzbaren Rechte der Gerichtsbarkeit können von einem jeden Besitzer solcher Grundstücke ausgeübt werden.
§. 27. Die Ehrenrechte bleiben dem im Hypothekenbuche eingetragenen Besitzer so lange, als der Besitztitel des Guts noch nicht auf einen Andern überschrieben worden.
§. 28. Eine Wittwe, welche das Gut ihres Mannes als Leibgedinge besitzt, wird aller Ehrenrechte, welche mit diesem Besitze verbunden sind, theilhaftig.
§. 29. Ueberhaupt gilt von dem Besitze, und der Uebertragung der mit dem Besitze verbundenen Ehrenrechte, eben das, was von dem dinglichen Patronatrechte verordnet ist. (Tit. XL §. 598. sqq.)
§. 30. Wer nur mit der Gerichtsbarkeit überhaupt beliehen ist, der hat in der Regel nur die Civilgerichtsbarkeit.
§. 31. Wer aber mit den Ober- und Nieder-, oder mit allen Gerichten beliehen worden, der hat auch die Criminalgerichtsbarkeit, und die damit verbundenen Rechte.
§. 32. Personen von Adel, Beamte des Staats, und Geistliche, sind der Privatgerichtsbarkeit in der Regel nicht unterworfen.
§. 33. Auch erstreckt sich die Privatgerichtsbarkeit in der Regel nicht auf adliche, Kirchen- und Pfarrgüter, und die mit diesen gleiche Rechte haben.
§. 34. Angelegenheiten und Geschäfte, bey welchen der Fiskus als Partey oder Theilnehmer anzusehen ist, sind der Privatgerichtsbarkeit nicht unterworfen.
§. 35. Ein Privatgerichtsherr, welcher sich über dergleichen Personen, Sachen und Geschäfte einer Gerichtsbarkeit anmaaßen will, muß eine rechtsgültige Erwerbung derselben besonders nachweisen.
§. 36. Ueberhaupt finden die Vorschriften der Prozeßordnung, im Titel vom Gerichtstande, auch auf die Befreyungen gewisser Personen, Sachen, oder Geschäfte, von der Patrimonialgerichtsbarkeit Anwendung.
Von mehrern Theilnehmern an der Patrimonialgerichtsbarkeit.
§. 37. Wo die Patrimonialgerichtsbarkeit unter mehrere Besitzer Eines Guts getheilt ist, da hat, bey entstehendem Streite über die Gränzen einer jeden Jurisdiction, derjenige Theil, welcher mit den Ober- und Niedergerichten zugleich beliehen ist, die Vermuthung eines bessern Rechts für sich.
§. 38. Sind alle Theilnehmer mit der Gerichtsbarkeit zu gleichem Rechte, und ohne nähere Bestimmung beliehen: so sind sie der Regel nach schuldig, zur Verwaltung derselben ein Gesammtgericht zu bestellen.
§. 39. Ist aber in der Verleihungsurkunde ausdrücklich bestimmt, daß die Prävention unter ihnen statt finden solle: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 40. Wenn die Gerichtsbarkeit über Ein Gut mehrern Besitzern, jedoch in verschiedenen Districten, verliehen worden: so sind letztere als so viel verschiedene Gerichtssprengel anzusehen.
In wiefern die Patrimonialgerichtsbarkeit auf die ganze Gemeine,
§. 41. Der Gerichtsherr kann seine Gerichtsgesessenen in seinen eigenen Gerichten belangen; er muß sich aber alsdann alles Einflusses auf die Direction und Entscheidung des Processes enthalten.
§. 42. Was von einzelnen Gerichtsgesessenen verordnet ist, gilt auch von ganzen Gemeinen; in so fern nicht Provinzialgesetze ein Anderes bestimmen.
§. 43. Die Gerichtsgesessenen sind, wenn wider sie bey ihrer Gerichtsobrigkeit geklagt wird, sich außer ihrem Gerichtssprengel zu stellen nicht schuldig.
auf den Gerichtsherrn selbst, und
§. 44. Der Gerichtsherr kann wider seinen Willen in seinen eigenen Gerichten nicht belangt werden.
§. 45. Auch kann er seine Gerichtsgesessenen nicht zwingen, ihre Klagen wider ihn bey seinen Gerichten anzubringen.
auf dessen Familie sich erstrecke.
§. 46. Was von dem Gerichtsherrn verordnet ist, findet auch auf dessen Kinder, Ehegatten, und andere zu seiner Familie gehörende Personen Anwendung.
§. 47. Haus- und Wirthschaftsbediente; Gesinde und Pächter sind, wo nicht Provinzialgesetze oder besondere Verträge entgegen stehn, der Patrimonialgerichtsbarkeit unterworfen.
Von der Gerichtsbarkeit in nicht streitigen Sachen.
§. 48. Handlungen und Rechtsangelegenheiten, bey welchen es auf eine bloße Beglaubigung ankommt, können, nach Gutfinden der Parteyen, bey einem jeden Gerichte vollzogen werden.
§. 49. Doch sind Gerichte, welche nur für gewisse Arten der Geschäfte bestellt worden (Fora specialia causae), von der Vollziehung solcher Handlungen in so weit ausgeschlossen, als die Handlung nicht ein Geschäft derselben Art unmittelbar zum Gegenstande hat.
§. 50. Wer die Befugniß hat, solche nicht streitige Handlungen zu vollziehen und zu beglaubigen, der hat deswegen noch keine Gerichtsbarkeit. (Tit. VII. §. 82. 83. 84.)
§. 51. Wie weit Justizcommissarii Handlungen, die eine öffentliche Beglaubigung erfordern, vornehmen können, ist in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 52. Nur solche Handlungen, bey denen es die Gesetze ausdrücklich erfordern, müssen vor Gerichten vollzogen werden.
§. 53. In so fern bey Handlungen, welche die Veräußerung oder Verpfändung eines Grundstücks, oder die Belegung desselben mit einer bleibenden Reallast betreffen, zum Behufe ihrer Eintragung in das Hypothekenbuch, ein nochmaliges feyerliches Anerkenntniß, entweder nach den Vorschriften der Hypothekenordnung, oder nach besondern Gesetzen, erforderlich ist, muß diese Verlautbarung bey derjenigen Behörde, welche das Hypothekenbuch führet, geschehen.
§. 54. In wie fern Handlungen, welche Schiffe und Schiffsgefäße betreffen, vor den besondern See- und Schifffahrtsgerichten vollzogen werden müssen, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. XX. §. 300. sqq. Th. II. Tit. VHI. Abschn. XL)
§. 55. Handlungen, die zwar an sich keinen Rechtsstreit betreffen, dennoch aber vor ihrer Vollziehung eine richterliche Untersuchung erfordern; können nur vor dem ordentlichen Richter vollzogen werden.
§. 56. Besonders gehören Bevormundungen, Erbsonderungen, und Errichtung von Einkindschaften, ingleichen Aussetzungen von Altentheilen, nur vor den ordentlichen Richter der Person; freywillige Subhastationen und Adjudicationen unbeweglicher Güter aber, vor den Richter der Sache.
§. 57. Verträge, wodurch eine Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten eingeführt, oder an Orten, wo sie nach Provinzialgesetzen und Statuten statt findet, ausgeschlossen werden soll, gehören vor den ordentlichen persönlichen Richter. (Th. II. Tit. I. Abschn. VI.)
§. 58. Schenkungen, wenn dieselben die Kraft der gerichtlichen haben sollen, müssen vor dem ordentlichen Richter des Geschenkgebers vollzogen werden. (Th. I. Tit. XI. §. 1089. 1092. 1094. 1095.)
§. 59. Handlungen, die statt gerichtlich, nur vor einem Justizcommissario (§. 52.), oder die statt des gehörigen, vor einem andern Richter (§. 53-58.) vorgenommen worden, werden als solche, die gar nicht öffentlich beglaubigt, oder gar nicht gerichtlich vollzogen sind, angesehen; und gelten nur so weit, als die Handlung, von welcher die Rede ist, als eine bloße Privathandlung rechtliche Wirkungen hervorbringen kann.
§. 60. Hat ein Richter eine Handlung, zu welcher er an sich befugt ist, außer seinem Gerichtssprengel vorgenommen : so ist nach den Vorschriften des Zwölften Titels im Ersten Theile §. 73. sqq. zu verfahren.
Nähere Bestimmungen wegen der bürgerliehen und peinlichen Gerichtsbarkeit.
§. 61. Wo keine besondre Polizeygerichte vorhanden sind, liegt dem mit der bürgerlichen Gerichtsbarkeit Beliehenen auch die Untersuchung und Bestrafung der geringeren Polizeyvergehungen oder Verbrechen ob.
§. 62. Geringere Verbrechen dieser Art sind diejenigen, auf welche die Gesetze nur höchstens Vierzehntägiges Gefängniß, oder Strafarbeit; oder bis Fünf Thaler Geldstrafe verordnen.
§. 63. Auch andere Uebertretungen gemeiner Leute, welche nach den Gesetzen nur mit mäßiger Züchtigung, oder öffentlicher jedoch nicht entehrender Ausstellung, geahndet werden sollen, gehören zur bürgerlichen Gerichtsbarkeil.
§. 64. In wie fern geringere Vergehungen des freyen oder unterthänigen Gesindes, oder der Dienstleute, von jedem Hausvater oder Gutsherrn geahndet werden können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. V. Tit. VII. §. 77. 80. 81. Tit. VII. §. 227. sqq.)
§. 65. Auch in Ansehung wichtigerer Verbrechen ist, in der Abwesenheit oder bey der Entfernung des Criminalrichters, ein jeder Gerichtsinhaber verpflichtet, alle keinen Verzug leidende Verfügungen zu treffen, welche zur Erforschung der Wahrheit, und Festmachung des Thäters erforderlich sind.
§. 66. Weiter aber darf kein Civilrichter, ohne ausdrücklichen Auftrag, der peinlichen Gerichtsbarkeit sich anmaßen; sondern er muß den Inquisiten an die Behörde sofort abliefern.
Einschränkungen der peinlichen Privatgerichtsbarkeit.
§. 67. Ein jedes Urtel, in welchem auf eine wirkliche Criminalstrafe erkannt worden, muß vor der Publication und Vollstreckung an das Obergericht der Provinz eingesendet werden.
§. 68. Wirkliche Criminalstrafen heißen hier diejenigen, welche das Maaß der §. 62. bestimmten Polizeystrafen übersteigen.
§. 69. Die Einsendung der Erkenntnisse muß nach Vorschrift des §. 67. auch alsdann erfolgen, wenn die Gesetze auf die That selbst, welche den Gegenstand der Untersuchung ausgemacht hat, Zuchthaus-, Festungs-, oder eine noch härtere Criminalstrafe verordnen; obgleich gegen den Angeschuldigten eine geringere oder gar keine Strafe wirklich erkannt worden.
§. 70. In Injurienprozessen, wo über die Privatgenugthuung und öffentliche Ahndung zugleich erkannt wird, ist die vorläufige Einsendung des Urtels nicht erforderlich.
§. 71. Wenn ein todter Körper gefunden worden: so muß die Einsendung der Acten erfolgen; selbst wenn keine gewaltsame Todesart ausgemittelt, oder niemand, gegen welchen eine Untersuchung deshalb statt fände, vorhanden ist.
§. 72. In welchen Fällen Criminalurtel dem Oberhaupte des Staats vorgelegt werden müssen, ist am gehörigen Orte vorgeschrieben. (Tit. XIII. §. 8.)
§. 73. Aus der Belehnung mit der Gerichtsbarkeit folgt noch nicht das Recht zur eignen Ausübung derselben.
§. 74. Wer die ihm verliehene Gerichtsbarkeit in eigner Person ausüben will, muß sich dazu auf die in den Gesetzen zur Erlangung eines richterlichen Amtes überhaupt vorgeschriebene Art geschickt machen, und nach überstandener Prüfung, zur Führung desselben dem Staate besonders verpflichtet werden.
§. 75. Wer seine eigne Gerichtsbarkeit durch sich selbst ausübt, kann in seinen eignen Sachen niemals Richter seyn; sondern muß solche Rechtsstreitigkeiten, bey welchen er selbst, oder Personen aus seiner Familie ein Interesse haben, der Untersuchung und Entscheidung des Obergerichts der Provinz überlassen. (§. 41. sqq.)
§. 76. Wer seine Gerichtsbarkeit nicht selbst verwalten kann oder will, muß einen vom Staate zu dergleichen richterlichem Amte geprüften und tüchtig befundenen Gerichtshalter bestellen.
§. 77. Einem solchen Gerichtshalter muß die Verwaltung der Jurisdiction überhaupt durch eine ordentliche Bestallung aufgetragen, und er nicht bloß in vorkommenden einzelnen Fällen gegen Diäten zugezogen werden.
§. 78. Der Gerichtsherr muß ihn den Gerichtsgesessenen ordentlich vorstellen, und in ihrer Gegenwart auf rechtschaffene unpartheyische Rechtspflege, nach den Gesetzen des Staats, verpflichten lassen.
§. 79. Jeder Privat-Gerichtsherr ist schuldig, dem Obergerichte der Provinz denjenigen, welchen er zum Gerichtshalter gewählt hat, anzuzeigen, und entweder die Tüchtigkeit desselben nach §. 76. nachzuweisen, oder ihn zu der erforderlichen Prüfung zu stellen.
§. 80. In Gegenden, wo es an tauglichen Subjekten zu Uebernehmung der einzelnen Gerichtsverwaltungen mangelt, müssen die Jurisdictions-Herrn zur Bestellung eines gemeinschaftlichen Gerichtshalters sich vereinigen.
§. 81. Gerichtshandlungen, welche von einem nicht gehörig qualificirten Richter vorgenommen worden, sind nichtig.
§. 82. Ein Gerichtsherr, der seine Pflichten in gehöriger Bestellung seiner Gerichte vernachläßigt, oder sonst in Rücksicht derselben unbefugte Handlungen unternimmt, macht sich strafbar, und muß allen verursachten Schaden ersetzen.
§. 83. Auch ist das Obergericht der Provinz befugt und schuldig, wenn ein Privatgerichtsherr die Besetzung seines Gerichts mit einem gehörig qualificirten Gerichtshalter vernachläßigt, ihn dazu durch Strafbefehle anzuhalten.
§. 84. Sind diese fruchtlos: so muß das Obergericht einen solchen Gerichtshalter selbst ernennen, und dessen Besoldung nach Verhältniß des Umfanges der Geschäfte bestimmen.
Mißbrauch der Gerichtsbarkeit.
§. 85. Wer seine Gerichtsbarkeit zum Druck der Gerichtsgesessenen mißbraucht, soll, außer der sonst verwirkten Strafe, derselben für seine Person auf immer verlustig erklärt werden.
§. 86. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit fällt alsdann auf so lange, als der Schuldige noch im bürgerlichen Besitze des Guts, mit welchem die Gerichtsbarkeit verbunden ist, sich befindet, dem Staate anheim; und wird durch einen von dem Obergerichte der Provinz bestellten Gerichtshalter besorgt.
§. 87. In so fern die Nutzungen der Gerichtsbarkeit zur Tragung der Lasten derselben nicht hinreichen, muß der entsetzte Gerichtsherr das Fehlende aus eignen Mitteln zuschießen.
§. 88. Sind mehrere Theilnehmer an der Gerichtsbarkeit vorhanden: so tritt der Staat nur an die Stelle desjenigen, welcher nach §. 85. der Gerichtsbarkeit verlustig erklärt worden.
§. 89. Mitglieder einer Corporation, oder Gemeine, welche sich eines solchen Mißbrauchs der Gerichtsbarkeit schuldig gemacht haben, verlieren ihr Stimmrecht zur Richterwahl.
Vertretungsverbindlichkeit des Gerichtsherrn.
§. 90. Ein Gerichtsherr, welcher seine Gerichte nach den Vorschriften der Gesetze gehörig bestellt, ist für die Handlungen oder Unterlassungen derselben zu haften nicht schuldig.
§. 91. Er macht sich aber den Parteyen, wegen entstehenden Schadens verantwortlich, wenn er den Gerichten in ihren Verfügungen vorgreift, oder dieselben an Erfüllung ihrer Pflichten verhindert.
§. 92. Ferner, wenn er die zur ordentlichen Verwaltung der Justitz erforderlichen Kosten herzugeben, und die dazu nöthigen Anstalten zu treffen, auf geschehene Erinnerung der Gerichte weigert, oder verabsäumt. (§. 102. 103.)
§. 93. Insonderheit, wenn er zur Haltung des Gerichts, zur Aufbewahrung der Akten, der Hypothekenbücher, und der in gerichtliche Verwahrung niederzulegenden Gelder, Urkunden und anderer Sachen, den erforderlichen anständigen, und nach gesetzlicher Vorschrift hinlänglich sichern Gelaß nicht anweiset. (§. 104.)
§. 94. Ferner, wenn er nicht für taugliche Gefängnisse zur Aufbewahrung der Civil- und Criminalarrestanten sorgt. (§. 105.)
§. 95. Desgleichen, wenn er bey der ihm zustehenden Auswahl der Personen, denen das Depositorium und die Schlüssel dazu anvertraut werden sollen, ein auch nur mäßiges Versehen begehet.
§. 96. Auch wenn er in Fällen, wo die Depositoria nicht unter der unmittelbaren Aufsicht des Landes-Justizcollegii stehen, die Cassenvisitationen, und Rechnungsabnahmen, gehörig zu veranstalten unterläßt.
§. 97. Ueberhaupt in allen Fällen, wenn Unordnungen, Unregelmäßigkeiten, oder ungebührliche Zögerungen bey der Justizpflege zu seiner Wissenschaft erweislich gelangt sind, und er davon dem Landes-Justizcollegio nicht in Zeiten Anzeige gemacht hat.
Verhältniß der Unterrichter gegen den Staat.
§. 98. Uebrigens steht jeder Unterrichter in Ansehung seiner Amtsgeschäfte unter der Direction des Staats, und des von selbigem ihm vorgesetzten Obergerichts.
§. 99. Wer ein richterliches Amt bekleidet, kann nur bey den vorgesetzten Gerichten oder Landescollegiis wegen seiner Amtsführung belangt, in Untersuchung genommen, bestraft, oder seines Amts entsetzt werden.
§. 100. Die verschiedenen Arten der Obergerichte, und derselben Gränzen, sind in den Ressortreglementts bestimmt.
§. 101. Der Umfang der ordentlichen Gerichtsbarkeit, und die Fälle, wo Ausnahmen von derselben statt finden, sind in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 102. Wer das Recht zur Gerichtsbarkeit ausübt, muß auch die zur Unterhaltung wohl bestellter Gerichte erforderlichen Kosten tragen.
§. 103. Ein jeder Justizbedienter soll, nach Verhältniß seiner Geschäfte, mit einer bestimmten Besoldung versehen; niemals aber auf die Gerichtsgebühren angewiesen werden.
§. 104. Der Ort, welcher zu den gerichtlichen Verhandlungen bestimmt ist, muß mit allen Erfordernissen, nach Vorschrift der Registratur- und Depositalordnungen, versehen seyn.
§. 105. Wem die Criminalgerichtsbarkeit zusteht, der muß sichere und der Gesundheit der Gefangenen unschädliche Gefängnisse besorgen.
§. 106. In so fern ein Inquisit kein eignes Vermögen hat, fallen dem Gerichtsbelehnten der nothdürftige Unterhalt desselben, so wie alle übrige Prozeß- und Executionskosten zur Last.
§. 107. Die Unterhaltung der Familie des Inquisiten gehört nicht zu den Lasten der Criminalgerichtsbarkeit.
§. 108. Zur Erleichterung vorstehender Kosten und Lasten der Gerichtsbarkeit durch gemeinschaftliche Uebertragung, steht mehrern Gerichtsbelehnten frey, mit Vorwissen des Landes-Justizcollegii der Provinz, Verbindungen und Associationen unter sich zu errichten.
§. 109. Zur Bewachung der Gefangenen, wo dieselbe nöthig ist, sind die Gerichtseingesessenen verpflichtet.
§. 110. Wenn aber der Gerichtsbelehnte für taugliche Gefängnisse, nach Vorschrift §. 105. nicht gesorgt hat, und bloß dadurch die Bewachung der Gefangenen durch längere Zeit, als Acht Tage, nothwendig geworden ist: so muß er die Gerichtseingesessenen entschädigen.
§. 111. Die Gerichtseingesessenen müssen den Richter und Inquisitor: so oft es die Noth erfordert, herbeyholen und zurückführen.
§. 112. Wenn aber der Gerichtsherr seinen Gerichtshalter aus einem entlegenen Orte ohne Noth gewählt hat: so muß er die Fuhren aus eigenen Mitteln besorgen.
Nutzungen der Gerichtsbarkeit.
§. 113. Zur Uebertragung der Jurisdictionslasten, sind den Gerichtsbelehnten, nach den verschiedenen Verfassungen der Provinzen, bestimmte Rechte und Nutzungen beygelegt.
§. 114. Gerichtssporteln,Verschreibungs- und Bestätigungs Gebühren, ingleichen Geldstrafen, welche die Summe von Fünf Thalern nicht übersteigen, gehören zu den Einkünften der Civilgerichtsbarkeit.
§. 115. Wo keine besondre Polizeygerichte verordnet sind, da fallen die durch bloße Polizeygesetze bestimmte Geldstrafen, ohne Unterschied der Summe, den Civilgerichten anheim.
§. 116. Schutzgelder und Laudemien gehören gewöhlich zu den Nutzungen der Civilgerichtsbarkeit.
§. 117. Loslassungsgelder von Personen und Vermögen fließen aus dem Grundherrschaftlichen Rechte.
§. 118. Zu den Einkünften der Criminalgerichtsbarkeit gehört, außer den gewöhnlichen Gerichtsgebühren, auch der Zehent- oder sogenannte Gerichtshafer, und der Anfall des gestohlnen Guts, in so fern dessen Eigenthümer nicht ausfindig gemacht werden kann.
§. 119. Geldstrafen, die in den Gesetzen auf gewisse Arten der Verbrechen verordnet sind, und die der Staat seinen Straf- oder den Armencassen nicht besonders vorbehalten hat, gehören dem Inhaber der Criminalgerichtsbarkeit.
§. 120. Wenn das Gesetz die Wahl zwischen einer Geld- und Leibesstrafe dem Ermessen des Richters überläßt: so fällt erstere, wenn auch erst in einer höhern Instanz darauf erkannt worden, dem Criminalgerichtsherrn der ersten Instanz anheim.
§. 121. Wenn aber das Gesetz nur Leibesstrafe bestimmt, und dieselbe bloß im Wege der Begnadigung in eine Geldstrafe verwandelt wird: so gebührt diese dem Fiskus.
§. 122. Geschieht hingegen die Verwandlung der im Gesetze vorgeschriebenen Leibes- in eine Geldstrafe, aus dem Grunde, weil der Uebertreter, nach seiner besondern körperlichen Beschaffenheit, mit der Leibesstrafe nicht belegt werden kann: so soll die Geldstrafe der Armencasse seines Wohnorts zu gute kommen.
§. 123. In wie fern die Pachte von den Scharfrichtern und Abdeckern zur Criminal- oder zur Landesherrlichen Obergerichtsbarkeit zu rechnen sind, beruhet auf den besondern Verfassungen einer jeden Provinz.
§. 124. Ueberhaupt ist kein Gericht befugt, andere oder mehrere Gebühren zu fordern, als der Staat ausdrücklich gebilligt und festgesetzt hat.
§. 125. Alle Gerichtsgebühren, und dahin gehörende Einnahmen der Landes-Justizcollegien, sollen dem Staate berechnet, und besonders zu den bestimmten Besoldungen, auch andern Nothdurften der Rechtspflege, angewandt werden.
§. 126. Zu den dem Staate vorbehaltenen nutzbaren Rechten der obersten Gerichtsbarkeit, gehören besonders die eines Verbrechens wegen eingezogenen Güter; die fiskalischen Strafen; und die Abfahrtsgelder von außer Landes gehenden Vermögen und Erbschaften.
Zweyter Abschnitt. Von Auswanderungen, Abfahrts- und Abschoßgeldern
Allgemeine Grundsätze wegen des Auswanderns.
§. 127. Kein Unterthan des Staats darf sich, ohne Vorwissen desselben, seiner obersten Gerichtsbarkeit durch Auswanderung aus dem Lande entziehn.
§. 128. In Ansehung der den Regimentern verpflichteten Cantonisten hat es bey den Vorschriften des Zehnten Titels §. 48. sqq. sein Bewenden.
§. 129. Vaterlose Waysen dürfen, ohne besondere Einwilligung des Staats, in auswärtige Lande nicht gebracht werden.
§. 130. Welche Classen der Staatseinwohner, außer den vorstehenden, einer besondern Erlaubniß des Staats zu ihrer Auswanderung bedürfen, wird in den Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 131. Fremde, die in hiesigen Landen sich zwar aufgehalten, aber darin weder ein Amt übernommen, noch Grundstücke angekauft, noch bürgerliche Gewerbe getrieben haben, können das Land zu allen Zeiten nach eigner Willkühr wieder verlassen.
§. 132. Auch solchen Ausländern, die sich im Lande wirklich niedergelassen haben, steht es frey, innerhalb der ersten Zehn Jahre nach ihrer Ankunft wieder auszuwandern; sie müssen aber ihren dazu gefaßten Entschluß dem Staate anzeigen.
§. 133. Denjenigen, die sich den Wissenschaften und freyen Künsten gewidmet haben, sollen, wenn sie auch sonst einer besondern Erlaubniß zum Auswandern bedürfen, die Gelegenheiten, sich durch ein auswärtiges Unterkommen zu verbessern, durch Versagung dieser Erlaubniß nicht benommen werden.
§. 134. Auch den Personen weiblichen Geschlechts, welche zu dieser einer besondern Erlaubniß bedürfenden Classe gehören, soll dieselbe, wenn sie durch eine auswärtige Heirath ihre Versorgung finden können, nicht versagt werden.
§. 135. Auch Anderen aus dieser Classe, welche mit ihrem erlernten Gewerbe ihren Unterhalt im Lande nicht finden zu können behaupten, muß der Staat entweder Gelegenheit dazu anweisen, oder ihnen die gebetene Erlaubniß zum Auswandern ertheilen.
§. 136. In allen Fällen, wo dem Haupte der Familie das Auswandern frey steht, oder erlaubt wird, kann er seine Frau, die noch unter seiner Gewalt befindlichen Kinder, und das von ihm mit ins Land gebrachte, noch wirklich in seinen Diensten stehende Gesinde mitnehmen.
§. 137. Einheimisches Gesinde nimmt an der dem Hausvater zustehenden Freyheit, oder gegebenen Erlaubniß zum Auswandern, keinen Theil; sondern wird nach seiner eignen persönlichen Qualität beurtheilt.
§. 138. Ausländerinnen, die an hiesige Einwohner verheirathet gewesen sind, können, nach der Männer Absterben, allemal, und ohne Unterschied der Fälle, in ihr Vaterland zurückkehren.
§. 139. Wer ohne die vorgeschriebene Anzeige, und die erforderliche Erlaubniß des Staats, auszuwandern unternimmt, hat willkührliche Geld- oder Leibesstrafe verwirkt.
§. 140. Wer dem Staate das demselben zukommende Abfahrtsgeld zu entziehen sucht, muß den vierfachen Betrag desselben zur Strafe entrichten.
§. 141. Wer von seiner Freyheit, oder erhaltenen Erlaubniß zum Auswandern, Gebrauch machen will, muß von seinem inländischen Vermögen dem Staate in der Regel Zehn vom Hundert, als ein Abfahrtsgeld entrichten.
§. 142. Wo mit auswärtigen Staaten dieserhalb besondere Verträge und Observanzen bestehen, hat es bey selbigen noch ferner sein Bewenden.
Was für Vermögen und Sachen demselben nicht unterworfen sind.
§. 143. Von dem Vermögen, welches nur aus Einer Königlichen Provinz in die andere gehet, wird dem Staate kein Abfahrtsgeld bezahlt.
§. 144. Einkünfte liegender Gründe, Interessen, Alientgelder, und andere jährliche Hebungen, sind dem Abfahrtsgelde nicht unterworfen.
§. 145. Wenn jedoch angesessene Vasallen des Staats ohne ausdrückliche Erlaubniß desselben auswandern, und die Einkünfte ihrer liegenden Gründe außerhalb Landes verzehren: so müssen sie auch von diesen Einkünften das Abfahrtsgeld entrichten.
§. 146. Sind auch darüber mit demjenigen Staate, wohin der Ausgewanderte sich begeben hat, besondere Verträge oder wohlhergebrachte Gewohnheitsrechte vorhanden: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 147. Wenn auswärtige Unterthanen Capitalien in hiesige Lande verliehen haben: so wird von diesem solchergestalt ins Land gekommenen Gelde, bey dessen Rückkehr, kein Abschoß entrichtet.
§. 148. Haben Auswärtige, ohne sich im Lande wirklich niederzulassen, Grundstücke daselbst angekauft, und in der Folge wieder veräußert: so können sie von dem erhaltenen Kaufgelde so viel, als sie zu dem Ankaufe, und zu den an der Substanz gemachten Verbesserungen, von ihrem auswärtigen Vermögen weislich verwendet haben, frey zurücknehmen.
§. 149. Fremde, die in hiesigen Landen sich nur aufgehalten, oder noch nicht Zehn Jahre daselbst ihren Wohnsitz gehabt haben (§. 131. 132.), sind von ihrem mitgebrachten Vermögen Abfahrtsgelder zu entrichten nicht schuldig.
§. 150. Auch Ausländerinnen, die in hiesigen Landen verheirathet gewesen sind, erlegen bey ihrer Rückkehr nur von demjenigen, was sie innerhalb Landes erworben haben, die Abfahrtsgebühren.
Was zu dem, dem Abzüge unterworfenen Vermögen gerechnet, oder nicht gerechnet werde.
§. 151. Alles, was ein Landeseinwohner mit seinem inländischen Vermögen außerhalb Landes erworben hat, wird zu dem inländischen Vermögen desselben gerechnet.
§. 152. Auch der Gewinn auswärtiger mit inländischem Vermögen errichteter Handlungen kann dem Auswandernden mit in Rechnung gebracht werden.
§. 153. Behauptet der auswandernde Inländer, daß er seine auswärtigen Besitzthümer (§. 151. 152.) anders woher, als aus inländischem Vermögen erworben habe: so muß er die Richtigkeit dieser Behauptung nachweisen.
§. 154. Hölzernes und andres gemeines Haus- und Wirthschaftsgeräthe; Kleider und Wäsche; Eßwaaren und Getränke, die zum eignen Gebrauche des Auswandernden bestimmt sind, kommen bey Berechnung des Abfahrtsgeldes nicht mit in Anschlag.
§. 155. Ein Gleiches gilt von den zum eigenen Gebrauche des Auswandernden bestimmten Büchern, Bibliotheken, Kunst- und Naturaliensammlungen.
Wie der Vermögensbetrag auszumitteln sey.
§. 156. Der Auswandernde ist schuldig, sein Vermögen getreulich, allenfalls eidlich, anzugeben.
§. 157. Findet der Fiskus Bedenken, den mit angegebenen Werth aller oder einiger Vermögensstücke für richtig anzunehmen: so steht ihm frey, auf deren gerichtliche Abschätzung anzutragen.
§. 158. Von dem aus dem Lande gehenden Vermögen müssen die davon zu entrichtenden wahren und wirklichen Schulden, bey Berechnung des Abfahrtsgeldes, in Abzug gebracht werden.
§. 159. Hat der Auswandernde auswärtiges dem Abzüge nicht unterworfenes Vermögen, so gilt die Vermuthung, daß die auswärtigen Schulden in Rücksicht auf dieses Vermögen gemacht worden.
Zu welcher Zeit das Abfahrtsgeld entrichtet werden müsse.
§. 160. Das Abfahrtsgeld ist der Auswandernde sofort, wenn er für seine Person das Land verläßt, zu entrichten verbunden; und es hängt bloß von dem Gutfinden des Staats ab, die Erlegung desselben so lange, bis auch der Rest des Vermögens ausgeführt wird, gegen hinlängliche Sicherheit zu stunden.
§. 161. Erbschaften eines Landeseinwohners, welche einem auswärtigen Unterthan zufallen, sind, wenn sie aus dem Lande gehen, dem Abschosse unterworfen.
§. 162. Ein Gleiches gilt von Brautschätzen, Vermächtnissen, und Schenkungen aller Arten, die aus dem Vermögen eines Inländers einem Ausländer zugewendet worden.
§. 163. Wenn das inländische Vermögen eines verstorbenen Ausländers einem andern Ausländer durch Erbschaft oder Vermächtniß zufällt, und aus dem Lande gezogen werden soll: so ist dasselbe dem Abschosse nur in so fern unterworfen, als der Erblasser selbst, wenn er dergleichen Vermögen hätte herausziehen wollen, Abfahrtsgeld davon zu entrichten schuldig gewesen wäre.
§. 164. Wie es zu halten sey, wenn eine dem Abschosse unterworffne Erbschaft verkauft worden, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. XI. §. 507-510.)
§. 165. Was von dem Abfahrtsgelde §. 141. 142. 143. 144. 151. 152. 153. verordnet ist, gilt in der Regel auch von dem Abschosse.
§. 166. Dagegen sind die nach §. 154. 155. dem Abfahrtsgelde nicht unterworfene Vermögensstücke von dem Abschosse in der Regel keinesweges frey.
§. 167. Wenn ein inländischer Erblasser eins oder das andere seiner Kinder, noch während seiner Lebenszeit, in auswärtigen Landen etablirt hat: so haftet sein inländischer Nachlaß jedesmal, und ohne Unterschied der Fälle, für den Abzug oder Abschoß, welchen der Staat von den zu einem solchen auswärtigen Etablissement verwendeten Geldern zu fordern hat.
§. 168. Wenn zu einem Nachlasse inländisches und auswärtiges dem Abschosse nicht unterworfenes Vermögen gehört; und inländische sowohl, als auswärtige Miterben, daran Theil nehmen: so steht den Erben frey, sich wegen der Auseinandersetzung so zu vereinigen, daß das auswärtige Vermögen den Ausländern, und das inländische den Inländern, auf ihren Erbtheil angewiesen werde.
§. 169. Alsdann ist der inländische Nachlaß dem Abschosse nur so weit unterworfen, als davon noch etwas, zur Ausgleichung mit den auswärtigen Erben, aus dem Lande verabfolgt werden muß.
§. 170. Der Abschoß muß sogleich entrichtet werden, als der auswärtige Erbe seinen Willen, sich nicht in hiesigen Landen nieder zu lassen, erklärt hat.
§. 171. Bis dahin, und so lange noch nicht der ganze Nachlaß ausgeführt wird, muß der auswärtige Erbe auf den ganzen Betrag des Abschoßgeldes Sicherheit bestellen.
§. 172. Wie andere Staaten bey den in hiesige Lande zu verabfolgenden Erbschaften, Vermächtnissen; Brautschätzen, und Schenkungen sich verhalten, eben so sollen hiesige dahin ziehende Unterthanen, oder dahin fallende Erbschaften u. s. w. behandelt werden.
§. 173. In so fern fremde Staaten sich des in ihren Landen befindlichen Nachlasses hiesiger daselbst verstorbener Unterthanen anmaaßen, soll von Seiten des hiesigen Staats die Erwiederung statt finden.
III. Verleihung des Abfahrts- und Abschoßrechts an Privatpersonen.
§. 174. Was von der Erwerbung und dem Gebrauche der niederen Regalien überhaupt, in Ansehung der Privatpersonen verordnet ist, das findet auch von , dem Abfahrts- und Abschossrechte statt.
§. 175. Die Gegenstände und Gränzen des den Magisträten und Gerichtsobrigkeiten verliehenen Abschoßrechts, sind nach dem Inhalte ihrer Privilegien, und dem seit rechtsverjährter Zeit hergebrachten Besitzstande zu beurtheilen.
§. 176. Nur diejenigen Magisträte und Gerichtsobrigkeiten, welche sich vor dem Jahre 1777 in einem auf Privilegia oder auf rechtsgültige Verjährung gegründeten Besitze, von dem aus ihrer Gerichtsbarkeit an andere Orte innerhalb der Königlichen Lande gehenden Vermögen, Abfahrts- oder Abschoßgelder zu fordern, befunden haben, sollen dabey noch ferner geschützt werden.
§. 177. Uebrigens sind die Fälle und Arten des Vermögens, die von dem an den Staat zu entrichtenden Abschosse oder Abfahrtsgelde frey sind, nach eben diesen Gesetzen, auch in Ansehung der Privatberechtigten, in der Regel zu beurtheilen.
§. 178. Wenn jedoch der Staat mit auswärtigen Mächten über eine gegenseitige Abzugs- oder Abschoßfreyheit Verträge schließt: so soll dabey jederzeit auf die Befugnisse der Privatberechtigten die erforderliche Rücksicht genommen werden.
§. 179. Wenn an demselben Orte, wo der Eine mit den Ober-, der Andere aber nur mit den Niedergerichten beliehen ist, beyde Gerichtsherren über die Befugniß zum Abfahrts- oder Abschoßgelde mit einander streiten: so hat der Erstere die Vermuthung für sich.
§. 180. Eine Privatgerichtsobrigkeit kann den Abzug oder Abschoß nur von solchem Vermögen fordern, was sich unter ihrer Gerichtsbarkeit wirklich befindet.
§. 181. Doch werden zu diesem Vermögen auch Capitalien gerechnet, welche der Auswandernde oder Erblasser, wenn gleich unter einer andern Gerichtsbarkeit, ausgeliehen hat.
§. 182. Von solchem Vermögen aber, wovon in den Fällen des §. 151. 152. und 167. der Staat bey Auswanderungen, oder Ausführungen von Erbschaften, Abzug oder Abschoß fordern kann, ist der Privatberechtigte dergleichen, wenn der Jurisdictionsgesessene, oder sein Nachlaß, nur unter eine andere inländische Gerichtsbarkeit geht, zu fordern nicht befugt.
§. 183. So weit Abfahrts- oder Abschoßgelder an sich statt finden, und der Privatberechtigte dieselben nach vorstehenden Grundsätzen nicht zu fordern hat, müssen dieselben dem Staate entrichtet werden.
Achtzehnter Titel. Von Vormundschaften und Curatelen
§. 1. Personen, welche für sich selbst zu sorgen nicht im Stande sind, stehen unter der besondern Aufsicht und Vorsorge des Staats.
§. 2. Diese Vorsorge erstreckt sich jedoch auf dergleichen Personen nur in so fern, als dieselben außer väterlicher Gewalt und Aufsicht sind, oder die väterliche Vorsorge ihnen nicht zu statten kommen kann.
§. 3. Diejenigen, welchen der Staat die Sorge für seine Pflegebefohlnen in Ansehung aller ihrer Angelegenheiten aufgetragen hat, werden Vormünder genannt.
§. 4. Diejenigen, welche denselben entweder bloß zur persönlichen Aufsicht oder Erziehung, oder nur zur Besorgung gewisser Geschäfte und Angelegenheiten vom Staate bestellt worden, führen den Namen der Curatoren.
§. 5. Beystände aber heißen diejenigen, welche jemand bey gewissen Geschäften, die er für sich allein vorzunehmen nach besondern gesetzlichen Vorschriften nicht fähig ist, oder sie solchergestalt vorzunehmen sich nicht getrauet, zu Hülfe nimmt.
Erster Abschnitt. Von den Personen, welchen Vormünder oder Curatoren bestellt werden müssen
1) den Unmündigen, und Minderjährigen.
§. 6. Zu den Pflegebefordnen des Staats gehören zuvörderst Kinder, Unmündige und Minderjährige. (Th. I. Tit. I. §. 25. 26.)
§. 7. Allen diesen müssen Vormünder vom Staate bestellt werden.
§. 8. Die Anordnung der Vormundschaft über solche Personen muß geschehen, wenn dieselben entweder gar nicht in die väterliche Gewalt kommen, oder sobald diese Gewalt durch den Tod ihre Endschaft erreicht.
§. 9, Was Rechtens sey, wenn die väterliche Gewalt vor erreichter Volljährigkeit des Kindes, durch väterliche Willenserklärung, oder durch das Gesetz aufgehoben wird, ist im Vierten Abschnitte des Zweyten Titels verordnet. (Tit. II. §. 255. sqq.)
§. 10. In allen Fällen, wo einem schon gebornen Menschen wegen Unmündigkeit ein Vormund zuzuordnen ist, muß der noch ungebornen Leibesfrucht ein Curator bestellt werden.
§. 11. Dies muß geschehen, sobald eine vorhandene oder auch nur vermuthete Schwangerschaft angezeigt worden. (Tit. II. §. 26. sqq. §. 614. sqq.)
2) den Wahn- und Blödsinnigen;
§. 12. Wahn- und Blödsinnige, welche nicht unter der Aufsicht eines Vaters oder Ehemannes stehen, müssen vom Staate unter Vormundschaft genommen werden.
§. 13. Wer für wahn- oder blödsinnig zu achten sey? muß der Richter, mit Zuziehung sachverständiger Aerzte, prüfen und festsetzen. (Th. I. Tit. I. §. 29. 30.)
§. 14. Auch den Verschwendern, welche gerichtlich dafür erklärt werden, muß der Staat Vormünder bestellen. (Ebend. §. 33.)
§. 15. Taub- und Stummgeborne, ingleichen diejenigen, welche vor zurückgelegtem Vierzehnten Jahre in diesen Zustand gerathen sind, müssen, sobald sie nicht mehr unter väterlicher Aufsicht stehen, vom Staate bevormundet werden.
§. 16. Diejenigen, welche erst in spätern Jahren taubstumm geworden sind, müssen nur alsdann unter Vormundschaft genommen werden, wenn sie sich durch allgemein verständliehe Zeichen nicht ausdrücken können, und daher ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen ganz unfähig sind.
§. 17. Denjenigen hingegen, denen der Mangel der Sprache und des Gehörs den Ausdruck ihrer Gedanken und die Besorgung ihrer Angelegenheiten nur erschweret, soll wider ihren Willen kein Vormund bestellt werden.
§. 18. Doch sind sie bey gerichtlichen Verhandlungen einen Beystand zuzuziehn verbunden.
§. 19. Abwesenden, deren Aufenthalt unbekannt ist, muß der Staat zur Erhaltung ihres zurückgelassenen Vermögens, und zur Besorgung ihrer übrigen Angelegenheiten, Vormünder bestellen.
§. 20. Die Bevormundung muß alsdann geschehen, wenn ein ganzes Jahr hindurch von dem Abwesenden keine Nachricht eingegangen ist.
§. 21. Doch muß auch vor Ablauf des ersten Jahres die Bevormundung geschehen, wenn sich Fälle von Wichtigkeit ereignen, wobey die Besorgung der Angelegenheiten des Abwesenden keinen Aufschub leidet.
§. 22. Ist der Aufenthalt des Abwesenden zwar bekannt; es sind aber Nachrichten, oder wahrscheinliche Vermthuungen vorhanden, daß der Abwesende wider seinen Willen an der eignen Besorgung seiner Angelegenheiten verhindert werde, so ist ihm ebenfalls ein Vormund zu bestellen.
§. 23. Wer einen Bevollmächtigten zur Besorgung seiner Angelegenheiten bestellt hat, der bedarf keines Vormundes.
§. 24. Doch muß bey Vorfällen und Angelegenheiten, auf welche die ertheilte Vollmacht nicht gerichtet ist, dem Abwesenden ein Curator bestellt werden.
§. 25. Wenn der Bevollmächtigte innerhalb Dreyer Jahre keine Nachricht von seinem Machtgeber erhalten hat: so kann von den Verwandten des Abwesenden auf Anordnung einer Vormundschaft für den Letztern angetragen werden.
§. 26. Hiervon findet eine Ausnahme nur alsdann statt, wenn der Bevollmächtigte durch einen rechtsgültigen Vertrag zum Erben des Abwesenden ernannt worden.
§. 27. Wenn der Bevollmächtigte stirbt; die Vollmacht aufkündigt; das Vermögen übel verwaltet; oder sonst in solche Verfassung oder Umstände geräth, die den Abwesenden, wenn ihm dieselben bekannt wären, zur Zurücknahme der Vollmacht wahrscheinlich veranlassen würden: so finden die Vorschriften §. 25. 26. ebenfalls, Anwendung.
1) Vorbenannten Personen, wenn sie noch unter väterlicher Gewalt stehen;
§. 28. Sind die vorbenannten Personen noch in väterlicher Gewalt: so ist der Staat nur in solchen Fällen und Angelegenheiten für sie zu sorgen verbunden, wo ihr Bestes mit dem eignen Vortheile des Vaters in Collision geräth.
§. 29. Wenn also der Vater mit solchen Kindern Verträge schließen, oder andere Geschäfte, wodurch die Kinder ihm verpflichtet, oder gewisser Rechte gegen ihn verlustig werden sollen, mit ihnen vornehmen will: so muß der Staat den Kindern dazu einen Curator bestellen.
§. 30. Ein Gleiches muß geschehen, wenn mit dem für die Kinder ausgesetztem Erbschatze eine Veränderung getroffen werden soll.
§. 31. Desgleichen alsdann, wenn mit Fideicommissen, wozu die Kinder von. dem ersten Stifter mit gerufen sind, Veränderungen oder Verpfändungen vorgenommen werden sollen.
§. 32. In welchen Fällen auch noch ungebornen Fideicommiß-Interessenten Curatores bestellt werden müssen, ist gehörigen Orts verordnet. (Tit. IV. §. 95.)
§. 33. Wenn zwischen den Aeltern noch minderjähriger Kinder ein Ehescheidungs-Prozeß entsteht: so muß den Kindern ein Curator bestellt werden.
§. 34. Besonders aber ist den noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kindern ein Curator zu bestellen, wenn zwischen ihnen und dem Vater eine Auseinandersetzung, wegen des mütterlichen, oder des sonst den Kindern eigenthümlich zustehenden Vermögens, erfolgen soll.
§. 35. Der Vater muß angehalten werden, sich mit den Kindern auseinander zu setzen, wenn er zu einer anderweitigen Ehe schreitet.
§. 36. Ferner in allen Fällen, wo er nach Vorschrift der Gesetze für das Vermögen der Kinder Sicherheit zu bestellen verbunden ist. (Tit. II. §. 179. sqq.)
§. 37. Wenn solchen Kindern etwas unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Vater von dessen Verwaltung ausgeschlossen seyn solle, vermacht, oder sonst zugewendet worden: so muß denselben, wegen eines solchen Anfalls, ein besonderer Curator bestellt werden.
§. 38. Auch diejenigen, welche den Kindern einen Pflichttheil schuldig sind, können dem Vater die Verwaltung darüber entziehen.
§. 39. Volljährige Ehefrauen bedürfen der Regel nach keiner Bevormundung vom Staate, wenn sie auch in Umstände gerathen, da bey andern Personen die Bestellung eines Vormundes nothwendig wäre.
§. 40. Alsdann ist der Mann, so lange er seinen eigenen Sachen vorstehen kann, in Ansehung des vorbehaltenen Vermögens einer solchen Frau, als ihr Vormund anzusehen.
§. 41. Sollen aber wegen des Eingebrachten Verfügungen getroffen werden, wozu die Gesetze die ausdrückliche Einwilligung der Frau erfordern: so ist derselben dazu ein besonderer Curator zu bestellen. (Tit. I. §. 232. sqq.)
§. 42. Ein Gleiches muß geschehen, wenn bey einer Disposition über das vorbehaltene Vermögen, das Interesse des Mannes mit den Vortheilen der Frau in Collision kommt.
§. 43. Das Vermögen einer Hausfrau steht nicht unter Verwaltung des Mannes.
§. 44. Es muß ihr also in allen Fällen, wo andere Personen unter Vormundschaft zu nehmen sind, ein besonderer Vormund vom Staate bestellt werden.
§. 45. Bey der Auswahl des zu bestellenden Vormunds kann das vormundschaftliche Gericht, nach Bewandniß der Umstände, auch auf den Mann Rücksicht nehmen.
3) schon bevormundeten Personen;
§. 46. Einem Bevormundeten wird nur alsdann ein Curator bestellt, wenn zwischen dem Pflegebefohlnen und dem Vormunde, in den eigenen Angelegenheiten des Letztern, etwas zu verhandeln ist.
§. 47. Auch kann der Staat dem Pflegebefohlnen zu Angelegenheiten, welche eine vorzügliche Sachkenntniß, die von dem Vormunde nicht zu erwarten ist, voraussetzen, einen besondern damit versehenen Curator bestellen.
§. 48. Wenn zwischen mehrem Pflegebefohlnen, die nur einen gemeinschaftlichen Vormund haben, wegen eines erheblichen Interesse Collision entsteht: so muß jedem von beyden Theilen, zur Besorgung dieser Angelegenheit, ein Curator bestellt werden.
4) unbekannten oder verhinderten Interessenten.
§. 49. Wenn Fälle vorkommen, wo man noch nicht weiß, wer es sey, der bey einer Sache, oder bey einem Geschäfte ein Interesse habe: so muß auch den unbekannten Interessenten ein Curator bestellt werden.
§. 50. Ein Gleiches muß geschehen, wenn bey einem Geschäfte, welches keinen Aufschub leidet, ein an sich bekannter Interessent seine Rechte schleunig genug selbst wahrzunehmen verhindert ist.
Personen, die sich Beystände wählen müssen.
§. 51. Unter die Personen, welche gewisse Angelegenheiten nur mit Zuziehung eines Beystandes vornehmen können, gehören:
1) volljährige unverheirathete Frauenspersonen;
2) diejenigen verheiratheten Frauen, welche weder eines Vormundes noch eines Curators bedürfen;
3) Blinde, oder beständig kranke Personen;
4) Taubstumme, welche keines Vormundes bedürfen, (§. 17.);
5) Personen, welche gar nicht, oder nicht Geschriebenes lesen, oder nicht selbst schreiben können.
§. 52. In welchen Angelegenheiten dergleichen Personen eines Beystandes bedürfen, ist bey den dahin gehörigen einzelnen Geschäften, in den Gesetzen bestimmt.
§. 53. Wo die Gesetze zu einem solchen Beystande einen Rechtskundigen nicht ausdrücklich erfordern, da kann jede Mannsperson, die ihren Sachen selbst vorzustehen fähig und berechtigt ist, dazu gewählt werden.
§. 54. Ein Beystand muß von dem, welcher seiner bedarf, entweder selbst ausgewählt, oder wenn dieser nicht wählen kann oder will, von dem Richter, bey welchem die Handlung zu vollziehen ist, ihm zugeordnet werden.
§. 55. Uebrigens bedarf die Auswahl oder Annehmung eines Beystandes keiner richterlichen Bestätigung, noch andrer besondrer Feyerlichkeiten.
Zweyter Abschnitt. Von denjenigen, welchen die Bestellung der Vormünder und Curatoren zukommt und obliegt
Wem die Bevormundung der Unmündigen und Minderjährigen; ingleichen
§. 56. Wenn Kinder wegen noch nicht erreichten volljährigen Alters bevormundet werden sollen, so ist der Richter, unter welchem der Vater seinen persönlichen Gerichtsstand entweder zur Zeit seines Ablebens gehabt, oder zur Zeit des eintretenden Falles wirklich hat, dafür zu sorgen verpflichtet.
§. 57. Hat der Vater zur Zeit seines Ablebens einen doppelten persönlichen Gerichtsstand unter einem Ober- und Untergerichte gehabt, so gebührt die Bevormundung dem erstern.
§. 58. Sind beyde Gerichte von gleicher Qualität, so ist dasjenige zur Bestellung des Vormundes befugt und verpflichtet, unter welchem der Vater zuletzt bey seinem Ableben wirklich gewohnt hat.
§. 59. Ist in diesem Falle (§. 58.) der Vater, dessen Kindern ein Curator bestellt werden soll, noch am Leben, so muß die Bestellung von demjenigen seiner beyden Gerichtsstände geschehen, bey welchem zuerst darauf angetragen worden.
§. 60. Soll der Curator zur Verwaltung eines Grundstücks bestellt werden, welches unter einem der beyden Gerichte (§. 58.) belegen ist, so gebührt diesem Gerichte der Sache, der Vorzug.
§. 61. Bey minderjährigen Kindern, welche der Eigenschaft von Kindern aus einer Ehe zur rechten Hand nicht theilhaft worden sind, bestimmt der persönliche Gerichtsstand der Mutter das Recht und Pflicht zur Bevormundung.
§. 62. Die Bevormundung ausgesetzter Kinder, deren Aeltern unbekannt sind, liegt dem Untergerichte des Orts ob, wo sie gefunden worden.
derer, die aus andern Gründen unter Vormundschaft zu setzen sind.
§. 63. In Fällen, wo Jemanden nicht wegen Minderjährigkeit, sondern aus andern gesetzlichen Ursachen, ein Vormund oder Curator bestellt werden muß, ist der Richter seines persönlichen Gerichtsstandes dazu verpflichtet.
§. 64. Hat ein solcher Mensch einen doppelten persönlichen Gerichtsstand, so gebührt die Bevormundung dem Obergerichte.
§. 65. Sind beyde Gerichte von gleicher Qualität: so kommt die Bevormundung demjenigen zu, unter welchem er zur Zeit des eintretenden Falles wirklich wohnt.
§. 66. Hat er sich damals an einem dritten Orte aufgehalten, so finden die Vorschriften §. 59. 60. Anwendung.
§. 67. Ist die Ausübung der Gerichtsbarkeit über Personen, die an sich einen privilegirten persönlichen Gerichtsstand haben, einem Untergerichte für beständig aufgetragen: so gebührt demselben auch die Bevormundung.
§. 68. Fremde, die in hiesigen Landen sich niederzulassen im Begriff stehen, aber darin noch keinen bestimmten Wohnsitz haben, müssen, so wie die bey ihrem Absterben etwa zurückgebliebenen Kinder, erforderlichen Falls von dem Obergerichte der Provinz bevormundet werden.
§. 69. Doch steht dem Obergerichte frey, die Bevormundung, nach Bewandniß der Umstände, auch einem Untergerichte zu übertragen.
§. 70. Hatte ein Fremder, welcher nach seinem Stande nicht unter die Eximirten gehört, über den Ort, wo er in hiesigen Landen seinen Wohnsitz aufschlagen wolle, sich schon deutlich geäußert: so gebührt die Bevormundung den Gerichten dieses Orts.
§. 71. Anderen Fremden, die entweder selbst in Umstände gerathen, wo sie eines Vormundes bedürfen, oder welche Kinder, die sich in diesen Umständen befinden, zurücklassen, muß von dem Gerichte des Orts, wo sie oder ihre Kinder sich alsdann wirklich aufhalten, ein Curator bestellt werden.
§. 72. Die Pflichten dnes solchen Curators erstreckt sich jedoch nur auf eine einstweilige Obsorge für die Person dieser Pflegebefohlnen, und ihr bey sich habendes Vermögen, so lange, bis den Gerichten ihres auswärtigen Wohnorts von dem Vorfalle Nachricht gegeben, und von diesen weitere Verfügung getroffen werden kann.
§. 73. Gehört ein solcher fremder Reisender (§. 71.) unter die Eximirten: so muß zwar das Untergericht seines hiesigen Aufenthaltsorts, wenn nicht das Obergericht sich an eben demselben Orte befindet, für die Bevormundung selbst unverzüglich sorgen.
§. 74. Es muß aber dem Obergerichte der Provinz den Vorfall sofort anzeigen, und demselben die weitere Verfügung überlassen.
§. 75. Nach dem Tode eines Vaters vom Militairstande, gehört die Vormundschaft über seine hinterlassene Kinder vor die Civilgerichte.
§. 76. Demjenigen Gerichte, welchem der Vater, wenn er seine Dimission erhalten hätte, nach näherer Bestimmung der Prozeßordnung unterworfen gewesen wäre, liegt auch die Bestellung der Vormundschaft über seine Kinder ob.
§. 77. Zur Bestellung eines Curators für Kinder von Militairpersonen, die sich noch unter väterlicher Gewalt befinden, sind die Kriegesgerichte verpflichtet.
§. 78. Sobald jedoch mit Führung der Curatel eine Vermögensadministration verbunden ist, müssen die Civilgerichte, vor welche, wenn der Vater gestorben wäre, die Bevormundung gehören würde (§. 76.), die Direction der Curatel übernehmen.
§. 79. Diesen steht aber frey, zur Führung der Administration einen besondern Curator, statt desjenigen, welchen das Militairgericht zur Regulirung der Sache bestellt hatte, auszuwählen, und denselben dem Militairgerichte zur Verpflichtung vorzuschlagen.
§. 80. Wenn eine Militairperson im Felde mit Tode abgeht: so können sich die Kriegesgerichte der Sorge für das mit ins Feld genommene Mobiliarvermögen so lange nicht entziehen, bis selbiges, oder der daraus gelösete Werth, dem Civilgerichte, welchem die Bevormundung obliegt, mit Sicherheit abgeliefert werden kann.
Welchem Richter die Direction der Vormundschaft gebühre.
§. 81. Derjenige Richter, welcher den Vormund bestellt, hat die Direction der Vormundschaft über das ganze Vermögen, in und außer seiner Gerichtsbarkeit.
§. 82. Besitzt der Pflegebefohlne Güter und Vermögen in einer andern Königlichen Provinz: so muß der Richter der Sache, auf Ansuchen des vormundschaftlichen Gerichts, einen besondern Curator bestellen; und die unmittelbare Aufsicht übernehmen.
§. 83. Besitzen inländische Pflegebefohlne Güter und Grundstücke in fremden Landen: so muß der auswärtige Richter der Sache ersucht werden, dieselben in Verwaltung zu nehmen, und die Einkünfte davon dem inländischen Vormunde zur Berechnung und Ablieferung einhändigen zu lassen.
§. 84. Ein gleiches Verfahren muß im umgekehrten Falle, wenn nämlich ausländische Pflegebefohlne in hiesigen Landen Güter und Grundstücke besitzen, von dem inländischen Richter der Sache, jedoch mit Vorbehalt des Retorsionsrechts, beobachtet werden.
§. 85. Eine Veränderung in dem Wohnorte der Pflegebefohlnen, oder ihrer Aeltern, wirkt keine Veränderung in der Direction der Vormundschaft.
§. 86. Erfordert es jedoch das Beste der Pflegebefohlnen, daß die Direction der Vormundschaft dem Richter des veränderten Aufenthalts übertragen werde: so ist dieser sie zu übernehmen schuldig.
§. 87. Auch muß jedes Gericht, von welchem Kindern noch bey des Vaters Leben nur ein Curator bestellt worden, die fernere Direction dieser Curatel demjenigen Gerichte überlassen, welchem die Bevormundung dieser Kinder nach des Vaters Absterben obliegt.
§. 88. Ist jemanden vom Militairstande, oder dessen Kindern, ein Vormund oder Curator bey dem Kriegsgerichte bestellt worden: so muß, wenn demnächst die Militairgerichtsbarkeit auch auf andere Art, als durch den Tod, gänzlich aufhört, dasjenige Civilgericht, unter welches der Vater nach §. 76. zurückfällt, auch die fernere Direction der Vormundschaft oder Curatel übernehmen.
§. 89. Wenn außer diesem Falle, der Vater der Pflegebefohlnen, während dessen Leben denselben ein besonderer Curator hat bestellt werden müssen, seinen Wohnsitz oder Gerichtsstand verändert: so bleibt dennoch die Direction der Curatel bey demjenigen Gerichte wo sie angeordnet worden; wenn der Vater nicht die Abgebung derselben an das Gericht seines nunmehrigen Wohnsitzes ausdrücklich verlangt.
Wer auf Bevormundung anzutragen verpflichtet sey.
§. 90. Für die Bevormundung solcher Personen, die sich selbst nicht vorstehen können, ist sowohl der Richter des Orts, wo sie sich befinden, als das Gericht, welchem die Bevormundung zukommt, von Amtswegen zu sorgen verbunden.
§. 91. Ist der Richter des Orts nicht zugleich der Vormundschaftsrichter, und sind beyde Gerichte nicht an Einem Orte befindlich: so muß Ersterer dem Letztern von dem vorgekommenen Falle sofort Anzeige machen.
§. 92. Die Verwandten solcher Personen, die Ehegatten, der überlebende Theil der Aeltern, sollen dem Richter die Eintretung des Falles, wo nach den Gesetzen eine Vormundschaft angeordnet werden muß, anzeigen, und deren wirkliche Anordnung betreiben.
§. 93. Prediger, Dorfgerichte, und andere, welchen die Anzeige der vorkommenden Todesfälle zur Pflicht gemacht ist, sind schuldig, wenn der Verstorbene, Personen, die der Bevormundung bedürfen, hinterläßt, der Obrigkeit davon Nachricht zu geben. (Tit. Vn. §. 67. Tit. XI. §. 478-480.)
§. 94. Auch die Zunftältesten und andere Mitbürger, die mit dem Vater des Pflegebefohlnen, oder mit dem Pflegebefohlnen selbst, als Handlungsgesellschafter, oder sonst, in nähern Verbindungen gestanden haben, können sich dieser Obliegenheit nicht entziehen.
§. 95. Ist demjenigen, welchem dergleichen Anzeige zu machen obliegt, das Gericht, welchem die Bevormundung zukommt, nicht bekannt: so ist es genug, wenn nur die Anzeige irgend einem am Orte, oder in der Nähe befindlichen Richter geschieht.
§. 96. Weiß auch dieser nicht, wohin die Vormundschaft gehöre: so muß er von dem Vorfalle sofort an das Obergericht der Provinz berichten.
§. 97. Verwandte von Minderjährigen, Wahn- oder Blödsinnigen, welche, nachdem der Fall zu ihrer Wissenschaft gelangt ist, die ihnen davon obliegende Anzeige verabsäumen, haften den Pflegebefohlnen für allen dadurch erlittenen Schaden.
§. 98. Der Nähere haftet vorzüglich vor den Entfernteren, und mehrere gleich Nahe haften zu gleichen Theilen.
§. 99. In gleicher Art haften Verwandte, welche die Pflicht, für die Bevormundung eines Wahnsinnigen zu sorgen, vernachläßigen, auch einem Dritten für den, nach dieser Vernachläßigung, von dem Wahnsinnigen ihm zugefügten Schaden, in so fern der Ersatz desselben überhaupt statt findet, und den Beschädigten dazu auf andre Art nicht verholfen werden kann. (Th. I. Tit. VI. §. 41. 44.)
§. 100. Verwandte, die entweder weiter, als im vierten Grade, mit dem Pflegebefohlnen stehen, oder die mit ihm nicht an einem Orte leben, haften nur alsdann, wenn sie die Anzeige vorsätzlich, in der Absicht die Bevormundung zu hindern, unterlassen haben.
§. 101. Wenn Minderjährige wegen Ableben des Vaters bevormundet werden sollen: so muß die Mutter die erforderliche Anzeige davon längstens binnen Sechs Wochen nach dem Tode des Mannes machen.
§. 102. Versäumt sie dieses: so haftet sie nicht nur vorzüglich vor allen Verwandten, wegen des den Kindern aus der unterbliebenen Bevormundung entstandenen Schadens; sondern sie verliert auch allen Anspruch auf die Vormundschaft.
§. 103. Was Rechtens sey, wenn ein Wittwer, oder eine Wittwe, zur fernern Ehe schreiten, ohne sich mit den Kindern aus voriger Ehe auseinander gesetzt, und zu dem Ende auf Bestellung eines Vormundes oder Curators für sie angetragen zu haben, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. I. §. 18. sqq. §. 1003. sqq.)
§. 104. In Fällen, wo einer verheiratheten Person ein Vormund oder Curator bestellt werden muß, ist der andere Ehegatte, die erforderliche Anzeige zu machen, vorzüglich vor allen Andern verpflichtet.
§. 105. Alle übrige, die nach §. 93. 94. zur Anzeige verbunden sind, werden im Unterlassungsfalle, wegen dieser Vernachlässigung ihrer Amtspflicht, nach Bewandniß der Umstände, und nach Verhältniß des daraus entstandenen Schadens, mit fiskalischer Strafe von Fünf bis Fünfzig Thalern belegt.
§.106. Wenn einer von den zur Anzeige verpflichteten Personen dieselbe wirklich macht: so befreyt er dadurch die übrigen von aller Vertretung wegen des nachher entstehenden Schadens.
§. 107. Ein jeder Richter, welcher in gehöriger Anordnung der Vormundschaft über seine Pflegebefohlnen seine Pflichten verabsäumt, hat jedesmal fiskalische Strafe verwirkt; und haftet überdies dem Pflegebefohlnen für allen Schaden.
§. 108. Gleiche Verantwortung und Strafe trifft den Unterrichter, der von einem in seiner Jurisdiction vorgekommenen Falle, dem Obergerichte, zu dessen Besorgung derselbe gehört, keine Nachricht giebt.
Dritter Abschnitt. Von den Personen, welche das Amt eines Vormundes zu übernehmen schuldig, und dazu fähig sind
Allgemeine Befugniß des Richters bey Bestellung der Vormünder.
§. 109. Kein Bürger des Staats kann sich einer von der Obrigkeit ihm aufgetragenen Vormundschaft ohne besondre und erhebliche Ursachen entziehn.
§. 110. Die Auswahl der Personen, welche zu Vormündern oder Curatoren bestellt werden sollen, gehört zur Beurtheilung desjenigen Richters, welchem die Anordnung der Vormundschaft, oder Curatel obliegt. (§. 56. sqq.)
§. 111. Dieser ist berechtigt, Vorschläge eines zu bestellenden Subjekts von den Anverwandten oder Zunftältesten zu erfordern.
Von Bestellung Eines Vormunds für mehrere Pflegebefohlne; und mehrerer Vormünder für Einen Pflegen befohlnen.
§. 112. Für mehrere Geschwister ist die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vormunds hinreichend.
§. 113. Es können aber auch mehrere Vormünder einer einzelnen Person bestellt werden.
§. 114. Im letztern Falle kommt es auf die Anordnung des Richters an: ob und wie die Geschäfte unter die mehrern Vormünder getheilt, oder gemeinschaftlich von ihnen besorgt werden sollen.
Verhältniß mehrerer Vormünder untereinander.
§. 115. Mehrere Vormünder, die zur gemeinschaftlichen Besorgung der Angelegenheiten des Pflegebefohlnen verordnet sind, stellen Eine moralische Person vor.
§. 116. Was also einer, oder mehrere, ohne Zuziehung der übrigen vornehmen, ist für den Pflegebefohlnen eben so unverbindlich, als wenn es von Fremden geschehen wäre.
§. 117. Können die Vormünder sich über das vorzunehmende Geschäft nicht vereinigen: so entscheidet nicht die Mehrheit der Stimmen; sondern die Sache muß dem vormundschaftlichen Gerichte zur Entscheidung vorgetragen werden.
§. 118. Das Verhältniß solcher Vormünder (§. 115.) wird nicht geändert, wenn sie gleich unter einander in die Besorgung der verschiedenen vorkommenden Geschäfte sich theilen.
§. 119. Hat der Richter die Geschäfte unter mehrere Vormünder getheilt, so ist keiner von ihnen zu einer Mitverwaltung bey den Geschäften des andern befugt oder schuldig.
§. 120. Derjenige, welchem keine Theilnehmung an der wirklichen Verwaltung der Vormundschaft, sondern bloß die Aufsicht über die verwaltenden Vormünder angewiesen worden, wird Ehrenvormund genannt.
§. 121. Mehrere Vormünder, unter welche die Verwaltung von dem Richter getheilt worden, stehen gegen einander in dem Verhältniß als Ehrenvormünder.
§. 122. Es soll also einem jeden solchen Vormunde die Pflicht, über das Betragen der andern zu wachen, und wenn er etwas Verdächtiges wahrnimmt, davon Anzeige zu thun, gleich bey seiner Bestellung besonders bekannt gemacht werden.
§. 123. Was vorstehend (§. 115-122.) von mehrern Vormündern verordnet ist, gilt auch von mehrern Curatoren, welche den Pflegebefohlnen zu einerley Art von Geschäften, Angelegenheiten, oder Vermögen zugeordnet sind.
§. 124. Hingegen stehen mehrere Curatores, die in Ansehung verschiedener Angelegenheiten oder Vermögensverwaltungen bestellt worden, untereinander in keiner Verbindung.
Von der Bestellung eines Vormunds auf oder von einer gewissen Zeit.
§. 125. Vormünder sollen ohne Noth von dem Richter nicht bloß auf eine gewisse bestimmte Zeit bestellt werden.
§. 126. Hat aber der Vater verordnet, daß ein von ihm ernannter Vormund nur bis zu einer gewissen Zeit oder Begebenheit die Vormundschaft führen solle: so kann der Richter nur aus erheblichen, zum offenbaren Besten der Pflegebefohlnen gereichenden Gründen, von dieser Vorschrift abgehen.
§. 127. Ein Gleiches gilt, wenn der Vater verordnet hat, daß die von ihm ernannte Person nur von einem gewissen Erfolge oder Zeitpunkte an, die Vormundschaft führen solle.
§. 128. Was hier (§. 126. 127.) von der Verordnung des Vaters bestimmt ist, gilt auch von jedem, welcher den Pflegebefohlnen etwas zuwendet, und bey Ernennung eines Curators darüber, dergleichen Einschränkungen beyfügt.
Personen die zur Uebernehmung von Vormundschaften unfähig sind;
§. 129. Der Richter darf nur solche Personen zu Vormündern auswählen, bey welchen die erforderlichen Eigenschaften, daß sie das Beste der Pflegebefohlnen gehörig besorgen können und wollen, mit Grunde vorauszusetzen sind.
§. 130. Wer seiner eigenen Sache vorzustehen nicht fähig ist; der kann auch einem Andern niemals, und unter keinerley Umständen, zum Vormunde oder Curator bestellt werden.
§. 131. Minderjährige sind ausgeschlossen, wenn sie gleich in ihren eigenen Angelegenheiten für großjährig erklärt worden.
§. 132. Auch wenn sie von dem Vater der Pflegebefohlnen zu Vormündern ernannt worden, können sie doch erst nach erlangter Großjährigkeit zur wirklichen Führung der Vormundschaft gelassen werden.
§. 133. Großjährige, die aber noch unter väterlicher Gewalt stehen, können nur mit Einwilligung des Vaters Vormundschaften übernehmen.
§. 134. Die in einem Kloster ein wirkliches Ordensgelübde abgelegt haben, können nicht Vormünder oder Curatores seyn.
§. 135. Leute, die wegen grober Verbrechen verurtheilt worden, oder die bekanntlich ein ruchloses und schändliches Leben führen, sind zu jeder Vormundschaft oder Curatel unfähig.
§. 136. Auch denjenigen, welche wegen Untreue oder grober Fahrläßigkeit einer Vormundschaft entsetzt worden, darf keine andere mehr übertragen werden.
2) in Ansehung gewisser Vormundschaften;
§. 137. Christen können für Personen, die keiner der christlichen Religionsparteyen zugethan sind, und diese für jene, zu Vormündern nicht bestellt werden.
§. 138. Wohl aber ist die Bestellung solcher verschiedener Glaubensgenossen zu Curatoren, in einzelnen bloß das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zuläßig.
§. 139. Stiefväter sind in der Regel nicht, wohl aber in besondern Fällen, wo nach richterlichem Ermessen ein erheblicher Vortheil für die Pflegebefohlnen davon zu erwarten ist, ihren Stiefkindern zu Vormündern zu bestellen.
§. 140. Ehemänner können die Vormundschaft ihrer noch nicht volljährigen Ehefrauen nur alsdann übernehmen, wenn der Fall der Bevormundung erst nach vollzogener Heirath eintritt, und das Vermögen der Frau sicher gestellt ist.
§. 141. Wen der Vater der Pflegebefohlnen von Führung der Vormundschaft über seine Kinder ausdrücklich ausgeschlossen hat, der kann auch von dem Richter dazu nicht bestellt werden.
§. 142. Auch steht jedem Andern, welcher dem Pflegebefohlnen mehr, als einen ihnen schuldigen Pflichttheil hinterläßt, das Recht zu, gewisse Personen zu bestimmen, die von der vormundschaftlichen Verwaltung solcher Zuwendungen ausgeschlossen seyn sollen.
§. 143. Frauenspersonen, die leibliche Mutter, und die Großmutter der Pflegebefohlnen allein ausgenommen, darf der Richter Vormundschaften oder Curatelen nicht auftragen.
§. 144. Personen, welche mit den Pflegebefohlnen, oder deren Aeltern, in öffentlicher Feindschaft gelebt haben, oder noch leben, können von dem Richter zu Vormündern oder Curatoren der ersternerstern nicht gewählt werden.
§. 145. Gerichtliche Anschuldigungen grober Verbrechen; verübte Thätlichkeiten gegen das Leben oder die Gesundheit; ehrenrührige Schmähungen; und Prozesse über einen beträchtlichen Theil des Vermögens, begründen die rechtliche Vermuthung einer solchen Feindschaft.
§. 146. Sind dergleichen Zwistigkeiten schon vor mehrern Jahren vorgefallen: so hängt es vom richterlichen Ermessen ab: in wie fern nach den Umständen angenommen werden könne, daß die feindseligen Gesinnungen durch eingetretene Wiederaussöhnung, oder durch den Zeitverlauf gehoben worden.
§. 147. Gläubiger und Schuldner der Pflegebefohlnen, und überhaupt alle diejenigen, deren Recht mit dem Rechte oder Interesse der Pflegebefohlnen in Widerspruch stehen, kann der Richter zu Vormündern nicht wählen, so lange über die Richtigkeit der gegenseitigen Ansprüche noch einiger Zweifel vorhanden ist.
§. 148. Entstehen dergleichen Zweifel erst nach übernommener Vormundschaft: so muß dem Pflegebefohlnen, zur Berichtigung einer solchen Angelegenheit, ein besonderer Curator bestellt werden.
§. 149. Ein Schuldner des Pflegebefohlnen, welcher eine an sich liquide und fällige Schuld nicht bezahlen kann oder will, darf ihm von dem Richter zum Vormunde nicht bestellt werden.
§. 150. Kein Richter soll, ohne besonders erhebliche Ursache, jemanden aus einer andern Jurisdiction seinen Pflegebefohlnen zum Vormunde bestellen.
§. 151. Erhebliche Ursachen sind, wenn der fremde Gerichtsgesessene mit dem Pflegebefohlnen durch Verwandschaft, oder gemeinsames Interesse, in näherer Verbindung steht.
§. 152. Oder wenn es dem vorrnundschaftlichen Gerichte an tauglichen Personen in seiner eigenen Jurisdiction ermangelt.
§. 153. In solchen Fällen muß jedes Gericht in Königlichen Landen, auf gebührendes Ansuchen, seine Gerichtsgesessenen zur Uebernehmung der Vormundschaften auch unter fremden Jurisdictionen anhalten.
§. 154. Ein solcher Vormund wird, in allen auf die Vormundschaft sich beziehenden Geschäften und Angelegenheiten, dem vormundschaftlichen Gerichte unterworfen.
§. 155. Vormundschaften außerhalb Landes darf niemand, bey Vermeidung einer nach den Umständen zu bestimmenden fiskalischen Geldstrafe, ohne Vorwissen und Genehmigung seines inländischen ordentlichen Richters übernehmen.
§. 156. Fremde, die in Königlichen Landen keinen ordentlichen Gerichtsstand haben, können inländischen Pflegebefohlnennur aus überwiegenden Gründen des Bestens derselben, und nur unter Genehmigung; des Justizdepartements, zu Vormündern bestellt werden.
§. 157. Auch müssen dergleichen Vormünder sich, in allen die Vormundschaft betreffenden Angelegenheiten, der Jurisdiction des vormundschaftlichen Gerichts ausdrücklich unterwerfen, und die Einwilligung ihres eignen auswärtigen Richters in beglaubter Form beybringen.
Personen, die zur Uebernehmung von Vormundschaften einer besondern Erlaubniß bedürfen.
§. 158. Königliche und Prinzliche Domainen-Pächter und Beamte, Verwalter und Empfänger Königlicher, Prinzlicher, oder andrer öffentlicher, ingleichen der den privilegirten Corporationen und milden Stiftungen zugehörigen Güter, Gelder und Einkünfte, können ohne ausdrückliche Einwilligung der Behörde, welcher sie wegen solcher Pacht oder Verwaltung untergeben sind, zu Vormündern nicht bestellt werden.
§. 159. Die Erlaubniß soll nur alsdann von dem vormundschaftlichen Gerichte angenommen werden, wenn mit der Vormundschaft gar keine Vermögensadministration verknüpft ist; oder wenn für diese eine besondere, hinlängliche, und von aller Verhaftung für die Pacht oder die Casse freye Caution geleistet werden kann.
§. 160. Militairpersonen dürfen ohne Consens ihres Chefs oder Commandeurs keine Vormundschaft übernehmen.
§. 161. Civilbediente können ohne Vorwissen und Genehmigung ihrer unmittelbaren Amtsvorgesetzten zu Vormündern nicht bestellt werden.
§. 162. Für Räthe bey Königlichen Collegiis muß die Erlaubniß des dem Collegio vorgesetzten Departements; für Dirigenten und Bürgemeister in den Städten aber muß selbige bey dem Landescollegio, dem sie wegen ihres Amts untergeben sind, nachgesucht werden.
§. 163. Curatelen zu einzelnen Handlungen und Geschäften, womit keine Vermögensadministration verbunden ist, können die benannten Personen auch ohne besondre Erlaubniß übernehmen.
Was vorstehende Personen, wenn ihnen eine Vormundschaft aufgetragen wird, zu beobachten haben.
§. 164. Wer nach vorstehenden Grundsätzen zu Uebernehmung einer Vormundschaft, entweder durchaus, oder unter gewissen Umständen und Verhältnissen unfähig ist, muß, wenn er dennoch dazu aufgefordert wird, dem Richter den Grund seiner Unfähigkeit anzeigen.
§. 165. Ist er zum Vormunden wirklich bestellt worden: so muß ihm der Richter, sobald seine Unfähigkeit zu dessen Kenntniß gelangt, die Vormundschaft sofort wieder abnehmen; und er muß alle dafür gezogne Vortheile oder Belohnungen zurückgeben.
§. 166. Hat er seine Unfähigkeit, auf ausdrückliches Befragen des Richters, oder sonst, vorsätzlich und geflissentlich verschwiegen: so haftet er dem Pflegebefohlnen für jedes, auch das geringste Versehen.
§. 167. Außerdem wird derjenige, welcher sein Verhältniß als Gläubiger des Pflegebefohlnen dem Richter aus Gefährde verheimlicht, seiner Forderung zum Besten des Pflegebefohlnen verlustig.
§. 168. Der Schuldner des Pflegebefohlnen verliert in gleichem Falle seine Einwendungen, und muß eine der richtigen Forderung gleiche Summe als fiskalische Strafe entrichten.
§. 169. Wenn nicht erhellet, daß ein solches Verhältniß vorsätzlich und aus Gefährde verschwiegen worden: so findet nur willkührliche Strafe bis zum zehnten Theile der Forderung statt.
§. 170. Der Richter, welcher eine nach diesen Grundsätzen unfähige Person, wissentlich, oder aus grobem Versehen, zum Vormunde bestellt, muß für allen den Pflegebefohlnen daraus entstehenden Schaden selbst haften.
§. 171. Wer dem Gerichte einen Unfähigen wissentlich zum Vormunde vorschlägt, der haftet für denselben als Bürge.
Personen, welche vorzüglich zu Vormündern bestellt werden müssen:
1) Von den Aeltern ernannte, oder in einem Testament bestellte;
§. 172. Bey der Auswahl des zu bestellenden Vormundes muß der Richter auf diejenigen, welche von dem Vater des Pflegebefohlnen dazu ernannt worden, vorzüglich Rücksicht nehmen.
§. 173. Der vom Vater ernannte Vormund hat die Verwaltung des gesammten Vermögens der Pflegebefohlnen; es mag dasselbe von dem Vater, oder auch von einem Andern herrühren.
§. 174. Von einem Vormunde, welchen die Mutter für ihre noch nicht bevormundete Kinder ernannt hat, gilt eben das, was von einem solchen, den der Vater ausgewählt hat, verordnet ist.
§. 175. Auch kann ein jeder, welcher den Pflegebefohlnen etwas, es sey unter Lebendigen, oder von Todes wegen, zuwendet, denselben, wenn sie gleich schon bevormundet sind, einen besondern Curator zu dessen Verwaltung ernennen.
§. 176. Die Ernennung eines solchen Vormundes, oder Curators (§. 173-175.) kann durch eine Erklärung unter Lebendigen, oder auch durch eine letztwillige Verordnung geschehen.
§. 177. In beyden Fällen bedarf es keiner Feyerlichkeit; sondern es ist genug, wenn nur die Willensmeynung des Ernennenden dem Richter mit hinlänglicher Gewißheit bekannt geworden ist.
§. 178. Ist die Ernennung des Vormundes nach Art eines Vertrags mit dem dazu ausgewählten Subjekte geschehen, so kann dennoch der Ernennende einen solchen Vertrag auch einseitig widerrufen.
§. 179. Dagegen darf der Richter Personen, welche von dem Erblasser zur Vormundschaft berufen worden, bloß um deswillen, weil sie von einer verschiedenen Religion, einer andern Gerichtsbarkeit unterworfen, oder Gläubiger oder Schuldner der Pflegebefohlnen sind, von der Vormundschaft nicht ausschließen. (§. 137. 147. 150. sqq.)
§. 180. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn aus den Umständen erhellet, daß diese Verhältnisse eines solchen Subjekts dem Erblasser zur Zeit der Ernennung unbekannt gewesen.
§. 181. Frauenspersonen, die leibliche Mutter und Großmutter des Pflegebefohlnen allein ausgenommen, können auch von einem Erblasser so wenig, als von dem Richter, zu Vormündern ernannt werden.
§. 182. Hat der Erblasser jemanden, mit welchem er vorhin in Feindschaft gelebt, zum Vormunde gewählt: so beweist dieses eine erfolgte Versöhnung.
§. 183. Hat der Erblasser den Ehemann der Pflegebefohlnen zu ihrem Vormunde ernannt: so kann derselbe nicht ausgeschlossen werden, wenn er gleich die §. 140. vorgeschriebene Sicherheit zu bestellen nicht vermöchte.
§. 184. Doch ist in allen Fällen der Richter befugt, die von dem Erblasser ernannte Person zu übergehn, sobald er bey gewissenhafter Prüfung findet, daß die Bestellung derselben dem Pflegebefohlnen nachtheilig oder gefährlich seyn könnte.
§. 185. Bey dieser Prüfung muß besonders auf Einwendungen, welche die Mutter noch unerzogner Pflegebefohlnen gegen das von dem Erblasser ernannte Subjekt zu machen hat, Rücksicht genommen werden.
§. 186. In Ermangelung eines vom Vater ernannten Vormundes, muß der Richter auf die Mutter, wenn sie zur Uebernehmung der Vormundschaft fähig, und dazu willig ist, vorzüglich Rücksicht nehmen.
§. 187. Es findet jedoch dabey eben das statt, was wegen eines vom Vater ernannten Vormundes verordnet ist. (§. 184.)
§. 188. Auch kann eine Mutter, die zu einer anderweitigen Ehe schreitet, die Vormundschaft über ihre Kinder aus voriger Ehe nicht behalten.
§. 189. An dieser gesetzlichen Verordnung kann selbst der Vater der Pflegebefohlnen durch seine Willenserklärung, so wenig unter Lebendigen, als von Todeswegen, etwas ändern.
§. 190. Auch nach getrennter ferneren Ehe kann die Mutter die Vormundschaft über die Kinder aus einer vorigen Ehe nicht wieder übernehmen, sobald aus der spätern Verbindung Kinder vorhanden sind.
§. 191. Sind aber aus der andern wieder getrennten Ehe keine Kinder vorhanden: so hängt es lediglich vom richterlichen Ermessen ab: der Mutter die Vormundschaft der Kinder aus voriger Ehe anderweitig zu übertragen.
§. 192. In Ermangelung der Mutter, muß der Richter die Vormundschaft den Blutsverwandten der Pflegebefohlnen vorzüglich übertragen.
§. 193. Doch kann sich kein Verwandter dem Richter zum Vormunde über Pflegebefohlne aus seiner Familie aufdringen.
§. 194. Auch ist der Richter bey der Auswahl unter den Verwandten an die Nähe des Grades nicht gebunden.
§. 195. Selbst alsdann, wenn von der Curatel für einen Abwesenden die Rede ist, bleibt es der pflichtmäßigen Beurtheilung des Richters überlassen: ob und welchen Verwandten er dazu bestellen wolle.
§. 196. Kinder können ihren Aeltern nur wenn dieselben wegen Wahn- oder Blödsinnes; nicht aber, wenn sie wegen Verschwendung unter Vormundschaft genommen werden müssen, zu Vormündern bestellt werden.
§. 197. Unehelichen Kindern sind in der Regel Fremde, welche zur Familie der Aeltern nicht gehören, zu Vormündern zuzuordnen.
§. 198. Doch ist dem Richter unbenommen, auch Verwandten der Aeltern solcher Kinder, wenn sie es verlangen, und der Vortheil der Pflegebefohlnen dadurch befördert werden kann, zu Vormündern über sie zu bestellen.
§. 199. Nächst den Verwandten sind die Mitglieder der Zünfte und Innungen, die Vormundschaften über ihre Zunftgenossen, oder deren hinterlassene Kinder, zu übernehmen vorzüglich verpflichtet.
Was Rechtens sey, wenn eine zur Vormundsschaft berufene Person dieselbe von sich ablehnt.
§. 200. Personen, welche durch Ernennung des Erblassers, oder durch Familienverträge zur Führung einer Vormundschaft vorzüglich verpflichtet und berechtigt sind, können, wenn sie von dem Richter übergangen worden, auf rechtliches Gehör und Erkenntniß, nach näherer Vorschrift der Prozeßordnung antragen.
§. 201. Eben diese Befugniß kommt auch der Mutter, und den zur Vormundschaft berufenen Verwandten zu, wenn der Richter, mit deren Uebergehung, einen Fremden dazu verordnet hat.
§. 202. Ein jeder, welcher die Uebernehmung einer von der Obrigkeit ihm aufgetragenen Vormundschaft oder Curatel ohne erhebliche und gegründete Ursache verweigert, muß dazu durch Geldstrafe, nach Verhältniß seiner Vermögensumstände, von dem Richter angehalten werden.
§. 203. Führt er gesetzmäßige Entschuldigungsursachen an: so ist ihm darüber rechtliches Gehör nach Vorschrift der Prozeßordnung zu gestatten.
§. 204. Werden aber diese Entschuldigungsursachen verworfen; und ist durch den daraus in der Bevormundung entstandenen Aufenthalt dem Pflegebefohlnen ein Schade zugefügt worden: so muß der Weigernde denselben vergüten.
§. 205. Kann der Weigernde auch durch mäßige Geldstrafen zu Uebernehmung der ohne rechtlichen Grund abgelehnten Vormundschaft nicht vermocht werden: so ist zwar den Pflegebefohlnen ein anderer Vormund zu bestellen;
§. 206. Der Richter ist aber alsdann befugt, diesem ein Honorarium aus dem Vermögen des Weigernden auszusetzen, und auf dessen Grundstücke eine Caution für den neuen Vormund eintragen zu lassen.
§. 207. Auch ohne Caution haftet der ungebührlich sich Weigernde, für den an seiner Statt bestellten Vormund, als Bürge.
Personen, die von Uebernehmung einer Vormundschaft sich entschuldigen können.
§. 208. Vermöge eines besondern Privilegii können zur Uebernehmung von Vormundschaften nicht gezwungen werden:
- Alle in wirklichen Königlichen Militairdiensten stehende Personen;
- Räthe, die in Königlichen Collegiis Sitz und Stimme haben;
- Dirigenten und Burgemeister in den Städten;
- Königliche Domainenpächter und Beamte;
- Wirkliche Verwalter Königlicher oder anderer öffentlicher nicht unbeträchtlicher Cassen;
- Die in öffentlichen Angelegenheiten außer Landes abwesend sind; oder solchergestalt verschickt zu werden in Begriff stehen; oder noch nicht über Ein Jahr von dergleichen Versendung zurückgekommen sind;
- Alle, die das Sechszigste Jahr ihres Alters überschritten haben.
§. 209. Eine gleiche Befreyung kommt denen zu gute, die durch anhaltende Krankheitszufälle dergestallt geschwächt sind, daß ihnen die eigene gehörige Besorgung der aufgetragenen Vormundschaft dadurch unmöglich wird.
§. 210. Ferner denjenigen, welche Fünf oder mehr aus einer Ehe zur rechten oder linken Hand erzeugte, und noch unter ihrer Gewalt stehende, oder unversorgt in ihrem Hause lebende Kinder haben.
§. 211. Söhne, die in Königlichen Militairdiensten stehen, oder darin ihr Leben vor dem Feinde verloren haben, müssen zum Besten des einer Vormundschaft sich weigernden Vaters allemal mitgezählt werden.
§. 212. Wer schon zwey wirkliche mit Vermögensadministration verknüpfte, oder zwar nur Eine, aber mit sehr vielen und wichtigen Geschäften verbundene Vormundschaft über sich hat, kann mehrere zu übernehmen, wider seinen Willen nicht gezwungen werden.
§. 213. Ordentliche Lehrer bey Schulen, Gymnasien, und Universitäten, ingleichen Geistliche, mit deren Amte eine Seelsorge verknüpft ist, können nur über Kinder ihrer Verwandten und Amtsgenossen Vormundschaften zu übernehmen angehalten werden.
§. 214. Hat eine von vorstehenden privilegirten Personen, des für sich habenden Privilegii ungeachtet, zur Uebernehmung einer Vormundschaft sich schriftlich verbunden: so kann sie dasselbe zu ihrer Entschuldigung nicht weiter vorschützen.
§. 215. Vielmehr sind diejenigen unter ihnen, welche zur Uebernehmung einer Vormundschaft der besondern Erlaubniß ihrer Vorgesetzten nach §. 158. sqq. bedürfen, diese Erlaubniß nachzusuchen, und nach deren Erhaltung die Vormundschaft wirklich anzutreten verbunden.
§. 216. Die Befugniß von einer durch den Richter aufgetragenen Vormundschaft sich zu entschuldigen, kommt auch demjenigen zu statten, welchen der Erblasser der Pflegebefohlnen zum Vormunde ernannt hat.
§. 217. Ueberhaupt ist ein jeder, welcher sich in Umständen befindet, um dererwillen er einer gewissen ihm angetragenen Vormundschaft gehörig vorzustehen sich nicht getrauet, befugt und schuldig, diese Umstände dem Richter zur nähern Beurtheilung anzuzeigen.
§. 218. Wenn einer im Testamente zum Vormunde bestellten Person ein Legat hinterlassen worden; so gilt die Vermuthung, daß ihr selbiges in Rücksicht der zu übernehmenden Vormundschaft ausgesetzt sey.
§. 219. Kann oder will ein solcher Legatarius sich der Vormundschaft nicht unterziehn: so verliert er das in dieser Rücksicht ihm zugedachte Vermächtniß.
Vierter Abschnitt. Von Verpflichtung und Bestätigung der Vormünder
§. 220. Der vom Richter gewählte oder genehmigte Vormund muß zu seinem Amte mittelst Handschlags, an Eidesstatt, verpflichtet werden.
§. 221. Vor der Verpflichtung ist derselbe an seine Obliegenheiten zu erinnern, oder es sind ihm dieselben, wo es nöthig ist, wenigstens im Allgemeinen, bekannt zu machen und zu erklären.
§. 222. Hiernachst muß der Vormund mit einer schriftlichen Bestallung versehen werden.
§. 223. In dieser Bestallung müssen die Ursachen der veranlaßten Vormundschaft; der Name des Pflegebefohlnen; wenn derselbe noch minderjährig ist, sein Alter nach dem beygebrachten Taufscheine; die Hauptobliegenheiten des vormundschaftlichen Amts; und die dem Vormunde bey dessen Führung etwa gemachten besondern Einschränkungen, ausgedrückt seyn.
§. 224. Auch muß der Richter in Fällen, wo es einer Caution bedarf, für die Berichtigung derselben vor, oder doch bald möglichst nach ausgeantworteter Bestallung, von Amts wegen sorgen. (§. 424. sqq.)
§. 225. Erst durch die Bestallung erhält der Vormund das Recht und die Pflicht zur Ausübung seines Amts.
§. 226. Doch ist auch schon ein ernannter, obgleich noch nicht förmlich bestellter Vormund, Angelegenheiten der Pflegebefohlnen, bey welchen Gefahr im Verzuge seyn könnte, zu besorgen schuldig und berechtigt.
Von Personen, die ohne richterlichen Auftrag vormundschaftliche Pflichten übernehmen.
§. 227. Wer ohne richterlichen Auftrag gewissen Angelegenheiten der Pflegebefohlnen sich unterzieht, der übernimmt bloß in Ansehung dieser Angelegenheiten die Pflichten eines Vormunds.
§. 228. Er muß aber dem Richter sofort Anzeige machen; und wenn der Pflegebefohlne noch nicht bevormundet ist, auf Bestätigung zum vormundschaftlichen Amte, oder auf Bestellung eines andern Vormunds antragen.
§. 229. Unterläßt er die Anzeige: so haftet er für allen Schaden, welchen die Pflegebefohlnen bey dem von ihm angefangnen Geschäfte, und was damit in Verbindung steht, durch den Mangel der vormundschaftlichen Aufsicht leiden.
§. 230. Gehört er unter diejenigen, welche nach §. 90. sqq. auf Bevormundung anzutragen verpflichtet sind: so haftet er, bey unterlassener Anzeige, auch für den übrigen, aus Mangel der Bevormundung, den Pflegebefohlnen erwachsenen Nachtheil.
Fünfter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Vormünder überhaupt
§. 231. Die Pflichten und Befugnisse der Vormünder haben sowohl die Person, als die Rechte und das Vermögen ihrer Pflegebefohlnen, zum Gegenstande.
§. 232. Die Sorge derselben für die Person muß sowohl auf das körperliche, als auf das moralische Wohl der Pflegebefohlnen gerichtet seyn.
§. 233. Die Sorge für das Vermögen erstreckt sich auf die Sicherstellung und Erhaltung, auf die ordentliche wirthschaftliche Administration, und auf die Verbesserung desselben.
§. 234. Die Sorge für das Vermögen muß jedoch, bey eintretender Collision, der Sorge für das künftige Wohl der Person nachstehn.
Verhältnisse zwischen dem Vormunde und der Obrigkeit.
§. 235. In allen diesen Beziehungen sind die Vormünder als Bevollmächtigte des Staats anzusehn.
§. 236. Sie sind also schuldig, sich bey Führung ihres Amts nach den Vorschriften der Gesetze, und den besondern Anweisungen des vormundschaftlichen Gerichts, sorgfältig zu achten.
§. 237. Das Gericht ist, sie dabey zu dirigiren, und unter beständiger Aufsicht zu halten, befugt und verpflichtet.
§. 238. So oft in Ansehung der Person oder des Vermögens der Pflegebefohlnen eine erhebliche Veränderungen vorgenommen werden soll, müssen die Vormünder dem Gerichte davon Anzeige machen, und dessen Genehmigung oder nähere Anweisung einholen.
§. 239. Vornehmlich aber muß dieses alsdann geschehen, wenn von einer Handlung oder einem Vorfalle die Rede ist, woraus bedenkliche oder gefährliche Folgen für den Pflegebefohlnen entstehen könnten.
Verhältnisse zwischen dem Vormunde und dem Pflegebefohlnen.
§. 240. In Beziehung auf die Pflegebefohlnen, vertreten die Vormünder zunächst die Stelle der Aeltern.
§. 241. Der Pflegebefohlne ist also seinem Vormunde Ehrerbietung, Gehorsam, und Folgsamkeit schuldig.
§. 242. Der Vormund kann sich aber auch über die Person seines Pflegebefohlnen keiner mehrern Befugnisse anmaaßen, als die Gesetze einem Vater über die noch unter seiner Gewalt stehenden Kinder beylegen.
§. 243. Glaubt der Pflegebefohlne, daß der Vormund bey Ausübung der Rechte über seine Person die Schranken überschreite, oder etwas vornehme, welches seinem Besten zuwider sey: so ist er befugt, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 244. Ein Pflegebefohlner, welcher das Achtzehnte Jahr zurückgelegt hat, kann verlangen, daß der Vormund ihm von erheblichen Vorfällen, welche die Substanz seines Vermögens, oder Hauptveränderungen in dessen Verwaltung betreffen, unterrichte, und seine Meynung darüber vernehme.
§. 245. Der Vormund ist jedoch an diese Meynung des Pflegebefohlnen nicht gebunden.
§. 246. Hat der Vormund die Meynung des Pflegebefohlnen nicht eingezogen, oder darauf keine Rücksicht genommen: so steht Letzterem frey, wenn er glaubt, daß seinem Besten zuwider gehandelt werde, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 247. Der Pflegebefohlne kann sich, ohne Zuthun des Vormundes, einem Dritten nicht verpflichten.
§. 248. Weigert sich der Vormund, in eine Handlung zu willigen, die der Pflegebefohlne für sich zuträglich hält: so kann letzterer bey dem vormundschaftlichen Gerichte auf nähere Prüfung, und auf Ergänzung dieser Beystimmung antragen.
§. 249. Von Verträgen der Pflegebefohlnen, von letztwilligen Verordnungen derselben, von Schadenszufügungen, und von ihren Heirathen, sind die nöthigen Bestimmungen gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. I. Tit. V. §. 10. sqq. Tit. VI. §. 41. Tit. XII. §. 16. sqq. Th. II. Tit. I. §. 49. sqq.)
§. 250. Aus Handlungen, welche der Vormund für sich allein, ohne den Beytritt des Pflegebefohlnen, unternimmt, entstehen für Letztern, gegen einen Dritten, Rechte und Pflichten nur in so fern, als der Vormund ausdrücklich in dieser Eigenschaft die Handlung vollzogen, oder den Vertrag geschlossen hat.
§. 251. Hat jedoch der Vormund ein Geschäft zwar nur in seinem eignen Namen abgeschlossen; es ergiebt sich aber aus den damals schon vorhandenen und dem Dritten bekannt gewesenen Umständen, daß es wirklich ein vormundschaftliches Geschäft sey: so hat der Dritte die Wahl: ob er an den Vormund, oder an das Vermögen des Pflegebefohlnen sich halten wolle.
§. 252. Eben so erlangt der Pflegebefohlne Rechte gegen einen Dritten, wenn zwar der Vormund das Geschäft nur in seinem eignen Namen abgeschlossen hat; aus den Umständen aber klar erhellet, daß dasselbe wirklich den Pflegebefohlnen betroffen, und daß dieses dem Dritten bekannt gewesen sey.
§. 253. Mit dem Pflegebefohlnen selbst kann der Vormund keine Verträge oder Handlungen, wodurch Ersterer ihm verpflichtet werden soll, vornehmen.
§. 254. Wenn daher ein Vormund etwas in seinen eigenen Angelegenheiten mit den Pflegebefohlnen zu verhandeln hat: so muß er auf Bestellung eines besondern Curators dazu antragen.
Vergütungen und Belohnungen, welche dem Vormunde zukommen.
§. 255. Einem Vormunde soll jedoch die pflichtmäßige Führung seines Amts niemals zum Schaden gereichen.
§. 256. Hat also der Vormund, bey Erfüllung seiner Pflichten, einen Schaden ohne sein eigenes grobes oder mäßiges Versehen erlitten, der ihm außerdem nicht widerfahren seyn würde: so hat er Vergütung dafür aus dem Vermögen des Pflegebefohlnen zu fordern.
§. 257. Muß der Vormund in Angelegenheiten des Pflegebefohlnen nothwendige Reisen thun; und dadurch in seinem Gewerbe einen auf keine Weise zu vermeidenden Schaden erleiden: so kann er, außer dem Ersatze der Reisekosten, auch Diäten nach Verhältniß seines Standes fordern.
§. 258. Von Schäden, die der Vormund bloß bey Gelegenheit der Besorgung vormundschaftlicher Geschäfte leidet, gilt eben das, was in ähnlichen Fällen von den Beschädigungen eines Bevollmächtigten verordnet ist. (Th. I. Tit. XIII. §. 80. 81.)
§. 259. Alle für den Pflegebefohlnen und in dessen Angelegenheiten nützlich verwendeten Kosten, müssen aus desselben Vermögen dem Vormunde ersetzt werden.
§. 260. Konnte der Vormund von der Verwendung solcher Kosten einen verhältnißmäßigen Vortheil für den Pflegebefohlnen vernünftiger Weise erwarten: so kann er dafür selbst alsdann Ersatz fordern, wenn der beabsichtigte Nutzen nicht erreicht worden, oder ohne seine Schuld wieder verloren gegangen ist.
§. 261. Von solchen Auslagen (§. 259. 260.) kann der Vormund so weit landübliche Zinsen fordern, als zu der Zeit, da sie gemacht werden müssen, kein dazu hinreichender Vorrath baaren Geldes in dem Vermögen des Pflegebefohlnen, ohne des Vormundes Schuld, vorhanden gewesen ist.
§. 262. Auch für Dienste, die er mit seiner erlernten Wissenschaft, Kunst, oder Profession dem Pflegebefohlnen geleistet hat, kann er, gleich Fremden, Bezahlung fordern.
§. 263. Dagegen ist er für seine vormundschaftliche Arbeiten und Bemühungen ein Gehalt oder Belohnung zu verlangen nicht berechtigt.
§. 264. Hat jedoch der Vormund, durch vorzüglich kluge und mühsame Administration, das Vermögen der Pflegebefohlnen vergrößert; oder die Einkünfte derselben beträchtlich vermehrt: so darf ihm der Richter ein verhältnißmäßiges Honorarium nicht versagen.
§. 265. Auch kann ihm der Richter dergleichen Honorarium zubilligen, wenn die Vormundschaft mit einer weitläuftigen und beschwerlichen Verwaltung verknüpft ist, und von den Einkünften, nach Abzug aller Ausgaben und Erziehungskosten, ein Ansehnliches erübrigt wird.
§. 266. Ob und auf wie hoch nach diesen Grundsätzen dem Vormunde ein Honorarium zu bewilligen, muß bey obervormundschaftlichen Gerichten einer Provinz durch eine überwiegende Mehrheit von Zwey Drittel der Stimmen entschieden werden.
§. 267. Ist keine solche überwiegende Mehrheit der Stimmen vorhanden: so ist das Pupillencollegium vor der Festsetzung bey Hofe anzufragen verbunden.
§. 268. Untergerichte sollen den Vormündern Honoraria, welche Fünf Thaler auf das Jahr übersteigen, ohne Genehmigung des Pupillencollegii der Provinz, welches bey deren Bestimmung und Ertheilung die Vorschrift des §. 266. 267. zu beobachten hat, nicht zubilligen.
§. 269. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen dem Vormunde ein Honorarium bestimmt: so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 270. Hat der Erblasser dem Vormunde, in Rücksicht auf die zu übernehmende Vormundschaft, ein Vermächtniß ausgesetzt: so kann letzterer kein besondres Honorarium fordern. (§. 218.)
§. 271. In beyden Fällen steht es jedoch dem Vormunde frey, die von dem Erblasser bestimmte Belohnung bey dem Antritte seines Amts auszuschlagen, und es dagegen auf richterliche Bestimmung ankommen zu lassen.
§. 272. Der Vormund eines Abwesenden kann ein verhältnißmäßiges Honorarium fordern, sobald von den Einkünften des Vermögens, nach Abzug der Ausgaben, noch ein reiner Ueberschuß verbleibt.
§. 273. Bey Güterverwaltungen kann dieses Honorarium auf Eins bis Drey, und bey Capitalsadministrationen bis auf Eins vom Hundert der Einkünfte bestimmt werden.
§. 274. Der Vormund eines Wahn- und Blödsinnigen hat gleiche Rechte, (§. 272. 273.) und das vormundschaftliche Gericht kann demselben, wenn besonders die Vormundschaft über Zehn Jahre dauert, noch ein höheres Honorarium zubilligen.
Vertretungsverbindlichkeit des Vormundes gegen den Pflegebefohlnen.
§. 275. Jeder Vormund ist schuldig, auf die Angelegenheiten seiner Pflegebefohlnen denjenigen Grad der Aufmerksamkeit zu wenden, den ein ordentlicher Hausvater in seinen eignen Angelegenheiten gewöhnlich anwendet.
§. 276. Er muß also jedes dabey begangene mäßige Versehen vertreten.
§. 277. Für ein geringes Versehen haftet der Vormund alsdann, wenn er Umstände, die ihn nach den Gesetzen zur Uebernehmung der Vormundschaft unfähig machen, auf Befragen des Richters, oder sonst, geflissentlich verschwiegen hat. (§. 166.)
§. 278. Ferner alsdann, wenn er Geschäfte, die eine besondre Sachkenntniß erfordern, eigenmächtig, ohne Zuziehung eines Sachverständigen unternommen hat.
§. 279. Auch alsdann, wenn er selbst ein Sachverständiger ist, und in dieser Eigenschaft Angelegenheiten des Pflegebefohlnen besorgt hat.
§. 280. Endlich alsdann, wenn er in Fällen, da er nach ausdrücklichen Gesetzen bey dem vormundschaftlichen Gerichte anfragen sollte, die Anfrage unterlassen hat.
§. 281. Auch der, welcher vormundschaftliche Angelegenheiten ohne Auftrag besorgt, haftet von dem Zeitpunkte an, wo er dem Richter die §. 228. vorgeschriebene Anzeige hätte machen können und sollen, für jedes bey der fortgesetzten Besorgung solcher Angelegenheiten begangene geringe Versehen.
§. 282. Für zufälligen Schaden darf ein Vormund nur in so fern haften, als der Zufall dem Pflegebefohlnen nicht nachtheilig würde geworden seyn, wenn nicht von Seiten des Vormundes ein grobes oder mäßiges Versehen bey Beobachtung seiner Pflichten vorhergegangen wäre. (Th. I. Tit. III. §. 13.)
§. 283. In so fern der Vormund Geschäfte, die der Vater oder Erblasser bereits angefangen hat, nur fortsetzt, haftet er nicht für den aus dieser ersten Einleitung entstandenen Schaden.
§. 284. Sind aber nach dem Antritte seiner Verwaltung Umstände eingetreten, oder bekannt geworden, die zu einer Abänderung der genommenen Maaßregeln vernünftiger Weise Anlaß geben könnten: so haftet der Vormund, welcher dergleichen Maaßregeln nicht genommen hat, dabey für ein grobes Versehen.
§. 285. Ein Gleiches findet statt, wenn der Pflegebefohlne aus Handlungen und Geschäften eines abgegangenen Vormundes Schaden erleidet.
§. 286. Dagegen muß jeder Vormund für seinen Mitvormund haften, wenn er sich in die Verwaltung der Vormundschaft nur durch ein Privat-Abkommen mit ihm getheilt hat.
§. 287. Doch ist er zur Schadloshaltung der Pflegebefohlnen nur so weit verbunden, als sie denselben von dem Mitvormunde, welcher eigentlich das Versehen begangen hat, nicht verschaft werden kann.
§. 288. Mehrere Vormünder, welche die Verwaltung gemeinschaftlich geführt haben, haften dem Pflegebefohlnen, Einer für Alle, und Alle für Einen.
§. 289. Es kann aber nicht nur der in Anspruch genommene an den, welcher den Schaden eigentlich verursacht hat, sondern auch, wenn keinem von ihnen ein Uebergewicht der Schuld zur Last fällt, ein jeder an die Uebrigen, für ihre Antheile, sich halten.
§. 290. Ist die Verwaltung der Vormundschaft von dem Erblasser der Pflegebefohlnen unter mehrere Vormünder vertheilt worden: so hat ein jeder nur die ihm angewiesenen Geschäfte zu vertreten.
§. 291. Ehrenvormünder, ingleichen diejenigen, unter welche der Richter die Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten vertheilt hat, haften für die verwaltenden Vormünder, wenn sie bey Führung der Aufsicht über dieselben ein grobes Versehen begangen haben.
§. 292. In jedem Falle haften sie nur so weit, als der Pflegebefohlne von den verwaltenden Vormündern nicht entschädigt werden kann.
§. 293. Die Erben eines jeden Vormundes sind nur für ein grobes von ihrem Erblasser begangenes Versehen zu haften verbunden.
§. 294. Ist aber die Klage noch bey der Lebenszeit des Erblassers angestellt, und von diesem beantwortet worden: so müssen die Erben eben den Grad der Schuld vertreten, wozu er selbst verbunden gewesen wäre.
§. 295. Pflegebefohlne haben in dem Vermögen ihrer Vormünder, so wie derer, welche sich dafür angegeben haben, wegen aller von denenselben zu vertretenden Defekte, das in der Concursordnung näher bestimmte Vorrecht der vierten Classe.
§. 296. Die ausgemittelten Defekte können auf die unbeweglichen Güter der Schuldner, auch ohne Einwilligung derselben, eingetragen werden.
§. 297. Dieses Vorrecht nimmt bey wirklichen Vormündern vom Tage ihrer Verpflichtung, bey andern aber von dem Tage, da sie sich der Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten angemaßt haben, seinen Anfang.
§. 298. Es erstreckt sich nicht auf das Vermögen bloßer Ehrenvormünder, in so fern sich dieselben nicht einer wirklichen Verwaltung unterzogen haben.
§. 299. Handlungen, die das vormundschaftliche Gericht ohne Zuziehung des Vormundes, oder gar wider dessen Willen vorgenommen hat, ist kein Vormund zu vertreten schuldig.
§. 300. Ein Gleiches gilt, wenn der Vormund zwar nach der Anweisung des vormundschaftlichen Gerichts die Handlung selbst vorgenommen, diesem aber vorher seinen Widerspruch dagegen wirklich angezeigt hat.
Vertretungsverbindlichkeit des vormundschaftlichen Gerichts.
§. 301. Der Richter ist schuldig, für ein mäßiges Versehen zu haften, welches er bey Bestellung des Vormundes, oder bey Führung der Aufsicht und Direction über ihn begangen hat.
§. 302. Doch darf der Richter erst alsdann haften, wenn kein anderes gesetzmäßiges Mittel, den Pflegebefohlnen zu entschädigen, mehr übrig ist.
§. 303. Der Richter kann also erst dann in Anspruch genommen werden, wenn weder die verwaltenden noch die Ehrenvormünder, noch deren Erben oder Bürgen, den Schaden des Pflegebefohlnen zu ersetzen schuldig oder vermögend sind.
§. 304. Die Erben des Richter sind, wegen ihrer Vertretungs-Verbindlichkeit, nach eben den Gesetzen, wie die Erben des Vormundes zu beurtheilen. (§. 293. 294.)
§. 305. Wegen der Vertretungs-Verbindlichkeit mehrerer Mitglieder eines vormundschaftlichen Collegii, bleibt es bey den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften. (Tit. X. §. 127. sqq.)
§. 306. Die Nachfolger im Amte haften für ein Versehen ihrer Vorgänger nur alsdann, wenn sie dasselbe hätten entdecken, und die schädlichen Folgen davon abwenden können, eins oder das andere aber aus einem groben Versehen unterlassen haben.
§. 307. Auch haften Nachfolger in jedem Falle nur alsdann, wenn der Pflegebefohlne von ihren Vorgängern, oder deren Erben, nicht entschädigt werden kann.
Sechster Abschnitt. Von der Sorge für den Unterhalt, und die Erziehung der Pflegebefohlnen
Unterhalt der Pflegebefohlnen.
§. 308. Die Vormünder sind vorzüglich für den Unterhalt und die Erziehung ihrer Pflegebefohlnen zu sorgen verpflichtet.
§. 309. Ist das Vermögen, oder der eigene Verdienst der Pflegebefohlnen nicht hinreichend: so müssen die, vermöge der Familienverbindung, dazu gesetzlich verpflichteten Verwandten zutreten. (Tit. HI. g. 14. sqq.)
§. 310. Ermangelt auch deren Beystand: so haben dergleichen unvermögende Pflegebefohlne auf die Unterstützung des Staats durch gemeine Beyhülfe, oder aus den vorhandenen Armenanstalten, vorzüglich Anspruch.
§. 311. Minderjährige müssen durch eine ihrem Stande, Vermögen, und Fähigkeiten angemessene Erziehung, zu tugendhaften und brauchbaren Bürgern möglichst ausgebildet werden.
§. 312. Haben die Aeltern besondere Verfügungen deswegen getroffen: so dienen diese dem Vormunde und vormundschaftlichen Gerichte zur Maaßregel.
§. 313. Glaubt jedoch der Vormund, daß der von den Aeltern bey der vorgeschriebenen Erziehung beabsichtigte Zweck, wegen Mangels an Fähigkeiten oder Vermögen bey dem Pflegebefohlnen, oder wegen gänzlicher Abneigung desselben, nicht zu erreichen sey; oder daß der Pflegebefohlne, wegen seiner vorzüglichen Fähigkeit, noch zu einem bessern Zwecke erzogen werden könne: so liegt ihm ob, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen.
§. 314. Dieses muß alsdann, mit Zuziehung eines oder des andern der nächsten, am Orte, oder in der Provinz sich aufhaltenden Verwandten, die Umstände sorgfältig prüfen, und gewissenhaft festsetzen: welche Abänderungen in den von den Aeltern vorgeschriebenen Maaßregeln gemacht werden können.
§. 315. Nach dem Tode des Vaters gebührt der Mutter die Erziehung ihrer Kinder.
§. 316. Sie darf aber, so wenig als der Vormund, von den Vorschriften des Vaters, ohne erhebliche Gründe, und ohne Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, abgehen.
§. 317. Die Erziehung der Kinder soll der Mutter bloß um deswillen, weil sie nach vorhergegangener gehöriger Auseinandersetzung zur fernern Ehe geschritten ist, nicht genommen werden.
§. 318. Nach der Mutter haben die Großältern, und nach diesen die Seitenverwandten, das nächste Recht und die Pflicht zur Erziehung solcher Pflegebefohlnen.
§. 319. Das vormundschaftliche Gericht aber behält die Wahl unter den Verwandten, und ist nicht schuldig, sich an die Nähe des Grades zu binden.
§. 320. Auch hängt es in allen Fällen von der pflichtmäßigen Beurtheilung der Obrigkeit ab, die Erziehung der Unmündigen, mit Ausschließung der Mutter und der Verwandten, dem Vormunde oder einem Fremden aufzutragen.
§. 321. Den Grund einer solchen Abweichung von der Regel, ist der Richter nur seiner vorgesetzten Behörde, auf Erfordern, anzugeben schuldig.
§. 322. Der bloße Unterschied der Religionspartey unter Christen ist kein hinreichender Grund, die Mutter oder andere nahe Verwandten von der Erziehung auszuschließen.
§. 323. Sind jedoch die Kinder noch unmündig: so muß die Obrigkeit auf genaue Befolgung der Vorschriften des Zweyten Titels §. 76-85. sorgfältig Acht haben.
§. 324. In Fällen, wo jemand von den Verwandten eines unvermögenden Pflegebefohlnen die Verpflegung desselben nach §. 309. übernehmen muß, kann demselben auch die Erziehung des Pflegebefohlnen, wenn er sie verlangt, nicht entzogen werden.
§. 325. Nur wenn offenbar erhellet, daß die körperliche oder moralische Erziehung des Pflegebefohlnen bey einem solchen Verwandten gefährdet seyn würde, ist das vormundschaftliche Gericht befugt, die Erziehung auch einem Andern, auf Kosten dieses Verwandten, zu übertragen.
§. 326. Wenn gleich die Erziehung dem Vormunde selbst nicht aufgetragen ist: so liegt ihm dennoch ob, ein wachsames Auge darauf zu richten, und die bemerkten Fehler der Erzieher der Obrigkeit anzuzeigen.
§. 327. Ueberhaupt muß der Vormund von dem Aufenthalte, der Verpflegung, und der Erziehung des Pflegebefohlnen, dem vormundschaftlichen Gerichte, wenigstens Einmal im Jahre, getreue und pflichtmäßige Anzeige machen.
§. 328. Weder der Vormund, noch der Erzieher, dürfen von der einmal getroffenen Einrichtung der Obrigkeit, wegen der Art und des Orts der Erziehung, ohne deren Genehmigung abweichen.
§. 329. Die Lebensart, welcher die Kinder gewidmet, und wozu sie vorbereitet werden sollen, kann nicht anders, als unter Genehmigung der Obrigkeit, festgesetzt werden.
§. 330. Hat der Vater etwas darüber bestimmt: so finden, wegen einer darin zu treffenden Veränderung, die Vorschriften §. 312-314. statt.
§. 331. Hat der Vater nichts bestimmt: so muß sich das vormundschaftliche Gericht nach den Anweisungen des Zweyten Titels §. 109. sqq. lediglich achten.
§. 332. Doch sollen in allen Fällen der Vormund und die Mutter, oder die Großältern, mit ihrem Gutachten darüber vernommen werden.
§. 333. Bey Kindern von Zunftgenossen sind die Zunftältesten schuldig, dem Richter, auf Erfordern, mit ihrem Rathe und Gutachten an die Hand zu gehen.
§. 334. Wenn der Pflegebefohlne zum Studiren gewidmet werden soll: so muß das vormundschaftliche Gericht die Vorschriften des Zwölften Titels §. 62. 63. 64. genau beobachten.
§. 335. Die Kosten der Erziehung müssen nach der mit Rücksicht auf das Vermögen bestimmten Art derselben, und nach der Lebensart, zu welcher der Pflegebefohlne vorbereitet werden soll, abgemessen und festgesetzt werden.
§. 336. Der Vormund, welcher den festgesetzten Betrag ohne Genehmigung des Gerichts überschreitet, macht sich verantwortlich.
§. 337. Wenn die jährlichen Einkünfte des Vermögens zur Erlangung des gesuchten Zwecks nicht hinreichen: so kann auch die Substanz des Vermögens dazu verwendet werden.
§. 338. Wegen der Verheirathung der Pflegebefohlnen ist das Erforderliche gehörigen Orts vorgeschrieben. (Tit. I. §. 49. sqq.)
§. 339. Mit Bestimmung und Herbeyschaffung der Ausstattungskosten, ist es wie mit den Erziehungskosten zu halten.
§. 340. Doch sind, bey unvermögenden Pflegebefohlnen, nur Verwandte in aufsteigender Linie, und Geschwister, die bereits ausgestattet sind, zum Beytrage verpflichtet.
Sorge für die Wahn-und Blödsinnigen.
§. 341. Wahn- und Blödsinnige müssen dergestalt unter beständiger Aufsicht gehalten werden, daß sie weder sich selbst, noch Andern schaden können.
§. 342. Die Sorge für diese Aufsicht liegt dem Vormunde, die Führung derselben hingegen denjenigen ob, welchen die Pflicht der Erziehung zukommt.
§. 343. Doch kann, zur Uebernehmung der Aufsicht über Rasende, weder ein Verwandter, noch der Vormund, noch eine andere Privatperson gezwungen werden.
§. 344. Finden der Vormund oder die Verwandten keine andere Gelegenheit, dergleichen Personen unterzubringen: so liegt dem Staate ob, dieselben in eine öffentliche Anstalt zur Verwahrung aufzunehmen.
§. 345. Bey bloßen Wahn- und Blödsinnigen, welche kein Vermögen besitzen, müssen diejenigen, welchen deren Unterhalt nach den Gesetzen obliegt, auch die Kosten der Aufsicht, welche sie nicht selbst übernehmen wollen, hergeben.
§. 346. Eben dies gilt von Taubstummen, wenn dieselben, wegen der mit ihrem körperlichen Mangel verbundenen Gemüthsschwäche, einer besondern Aufsicht bedürfen.
§. 347. So lange noch eine gegründete Hoffnung zur Wiederherstellung solcher Personen vorhanden ist, müssen sie mit den nöthigen Heilungsmitteln nach Möglichkeit versehen werden.
§. 348. Die Heilungskosten haben mit den Erziehungskosten gleiche Rechte.
§. 349. Verschwender, auch wenn sie großjährig sind, muß der Vormund unter beständiger Aufsicht haben; sie zur Arbeit und nützlichen Thätigkeit anhalten; und sie von ihrem Fehlern möglichst zu bessern bemüht seyn.
§. 350. Bey beharrlicher Fortsetzung ihrer ausschweifenden Lebensart hat der Vormund, jedoch nur unter Direction und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, das Recht, den Pflegebefohlnen, auch durch zweckmäßige Zwangsmittel, zu einer ordentlichen und regelmäßigen Aufführung anzuhalten. (Tit. II. §. 86. sqq.)
Siebenter Abschnitt. Von der Vorsorge für das Vermögen der Pflegebefohlnen
§. 351. In allen Fällen, wo eine Vormundschaft anzuordnen ist, muß vor allen Dingen auf die Ausmittelung und Sicherstellung des Vermögens der Pflegebefohlnen Rücksicht genommen werden.
§. 352. Diese Vorsorge liegt jedem Richter ob, in dessen Gerichtsbezirke dergleichen Vermögen sich befindet; auch wenn der Erblasser seiner Gerichtsbarkeit nicht unterworfen war.
§. 353. Befindet das Gericht, unter dessen Gerichtsbarkeit der Erblasser gestanden hat, sich an eben dem Orte: so ist nur dieses zur Obsorge für das an demselben Orte vorhandene Vermögen befugt, und verpflichtet.
§. 354. Der Richter muß das bewegliche Vermögen, an welchem Pflegebefohlne Theil haben, sogleich auf erhaltene Nachricht in gerichtliche Sperre nehmen.
§. 355. Auch Dorfgerichte können, in Abwesenheit des Gerichtshalters, den am Orte befindlichen Nachlaß versiegeln.
§. 356. Sie müssen aber davon dem Gerichtshalter, zur weitern Besorgung und Verfügung, sofort Anzeige machen.
§. 357. Notarien sind, Siegelungen in Sterbefällen vorzunehmen, nicht berechtigt; außer wenn sich kein Richter in der Nähe befindet, und sie darum requirirt; oder wenn es ihnen von dem Richter aufgetragen worden.
§. 358. Bey dem Absterben solcher Personen, die unter Militärgerichtsbarkeit stehen, muß derjenige Nachlaß, welchen sie bey und um sich gehabt haben, von den Kriegsgerichten versiegelt werden.
§. 359. War der Verstorbene im Felde oder auf Commando, an einem Orte, wo kein Kriegsgericht sich befindet: so liegt dem commandirenden Officier ob, für den Nachlaß, welchen er bey und um sich hat, zu sorgen.
§. 360. Ist auch kein commandirender Officier vorhanden: so sind die Civilgerichte des Orts zu dieser Obsorge verpflichtet.
§. 361. Jeder, welcher eine Siegelung vorgenommen hat, muß, wenn er nicht selbst der vormundschaftliche Richter ist, diesem unverzüglich davon Nachricht geben.
§. 362. Er muß, wenn von einer in dem Nachlasse vorhandenen letztwilligen Verordnung Anzeige geschieht, oder Spuren sich finden, dieselbe mit Zuziehung der im Sterbehause gegenwärtigen Verwandten, Freunde, oder Hausofficianten des Verstorbenen aufsuchen, und dem gehörigen Richter zur Verfügung der Publication einsenden.
§. 363. Der siegelnde Richter darf sich über den vorgefundenen Nachlaß in der Regel keiner Verfügung anmaßen.
§. 364. Er muß jedoch, wenn wegen Entfernung des vormundschaftlichen Gerichts, oder aus andern Ursachen, die Verfügungen desselben nicht schnell genug erfolgen können, in schleunigen Fällen die nöthigen Vorkehrungen zum Besten der Pflegebefohlnen treffen, und auch davon dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige machen.
§. 365. Er muß also Sachen, welche bey längerer Aufbewahrung verderben, oder außer Werth kommen würden, sofort öffentlich veräußern.
§. 366. Ein Gleiches liegt ihm in Ansehung solcher Sachen ob, deren Aufbewahrung mit beträchtlichen und offenbar unnützen Kosten verknüpft seyn. würde.
§. 367. Auch muß er dafür sorgen, daß Geschäfte, die ihrer Natur nach ohne augenscheinlichen Nachtheil für den Pflegebefohlnen nicht unterbrochen werden können, in dem Gange, worin sie sich wirklich befinden, ohne Veränderung fortgesetzt werden.
§. 368. Eine zum Nachlasse gehörige Handlung darf der Richter nicht versiegeln; sondern er muß deren Fortführung dem von dem Erblasser angenommenen Disponenten übertragen.
§. 369. Ist kein solcher Disponent vorhanden: so muß der Richter sofort einen Aufseher bestellen.
§. 370. Dieser Aufseher muß vereidet, und ein Gleiches auch in Ansehung des Disponenten, wenn derselbe nicht schon verpflichtet ist, beobachtet werden.
§. 371. Ist ein Ehegatte des Erblassers im Sterbehause vorhanden: so darf mit der Siegelung nur auf dessen eignes Ansuchen, oder unter dessen ausdrücklicher Bewilligung verfahren werden.
§. 372. Einem jeden steht frey, die Siegelung seines künftigen Nachlasses zu untersagen.
§. 373. Die Erklärung muß jedoch schriftlich, oder gegen das Gericht mündlich zum Protocolle, geschehen seyn.
§. 374. Auch muß der Richter auf das Verbot der Siegelung keine Rücksicht nehmen, wenn sich Umstände hervorthun, nach welchen der Nachlaß einer von dem Erblasser nicht vorhergesehenen Gefahr ausgesetzt ist.
§. 375. Dies findet besonders statt, wenn der Erblasser die Siegelung mit ausdrücklicher Beziehung auf eine gewisse Person, welcher die Obsorge und Aufsicht über den Nachlaß von ihm anvertraut worden, verboten hat, und dieselbe Person bey dem Ableben des Erblassers schon verstorben, oder nicht am Orte zugegen ist.
§. 376. Sobald dem Pflegebefohlnen ein Vormund bestellt worden, muß derselbe ohne Zeitverlußt für die Aufnahme eines vollständigen Verzeichnisses von dem Nachlasse sorgen.
§. 377. Zieht die Berichtigung der Vormundschaft sich in die Länge; und kann die Aufnahme des Inventarii, ohne des Pflegebefohlnen Nachtheil, nicht ferner ausgesetzt werden: so muß der Richter dazu einen besondern Curator bestellen.
§. 378. Die Anordnungen wegen Aufnehmung des Inventarii gebühren allein dem vormundschaftlichen Gerichte.
§. 379. Dieses muß jedoch wegen solcher Nachlaßstücke, die an einem Orte sich befinden, der weder seiner unmittelbaren noch mittelbaren Gerichtsbarkeit unterworfen ist, den gehörigen Richter des Orts um deren Inventirung ersuchen.
§. 380. Es müssen aber alle dergleichen Specialinventarien dem vormundschaftlichen Gerichte mitgetheilt werden.
§. 381. Die Inventur des Nachlasses verstorbener Militairpersonen gebührt, nach geschehener Abnahme der Siegel, den Civilgerichten in allen Fällen, wo denselben die Bevormundung der hinterlassenen Pflegebefohlnen obliegt.
§. 382. Von der bevorstehenden Aufnehmung des Inventarii muß dem Vormunde, ingleichen den außer den Pflegebefohlnen etwa noch vorhandenen Miterben, in Zeiten Nachricht gegeben, und dieselben müssen, wenn sie sich melden, dabey zugelassen werden.
§. 383. Einer gerichtlichen Inventur bedarf es nicht, wenn ein überlebender Ehegatte des Erblassers sich in dem Besitze der Erbschaft befindet, und ein Privatverzeichniß darüber aufzunehmen, und vorzulegen erbötig ist.
§. 384. Ausserdem kann der Richter in Fällen, wo entweder eins der Aeltern, oder sonst ein naher Verwandter der Pflegebefohlnen, im Besitze des Nachlasses sich befindet; oder wo man zum voraus weiß, daß der Nachlaß nicht beträchtlich sey, und der, welcher ihn hinter sich hat, wegen seiner Verbindung mit dem Pflegebefohlnen, oder sonst, ein vorzügliches Vertrauen verdient, statt des gerichtlichen Inventarii, mit der Vorlegung einer Privatspecification sich begnügen.
§. 385. Eine zum Nachlasse gehörende Handlung darf, so lange deren Aufhebung nicht erfolgen soll, nicht gerichtlich inventirt werden.
§. 386. Doch muß der Vormund oder Disponent auch darüber ein vollständiges Privatinventarium aufnehmen und vorlegen.
§. 387. Der Richter ist schuldig, dergleichen Handlungsinventarium dergestalt zu verwahren, daß das Innere der Handlung zum Nachtheile der Pflegebefohlnen nicht öffentlich kund werde.
§. 388. Zum Behuf eines solchen Handlungsinventarii müssen die Bücher bis zum Sterbetage des Erblassers nachgetragen, und sodann abgeschlossen werden.
§. 389. Ein jeder, welcher zur Aufnahme eines Privatinventarii verstattet worden, ist die Richtigkeit desselben, auf Erfordern, eidlich zu bestärken verbunden.
§. 390. Der Regel nach muß diese eidliche Bestärkung sofort erfolgen.
§. 391. Bey Verwandten in auf- und absteigender Linie, ingleichen bey Seitenverwandten, die als Respectspersonen für den Pflegebefohlnen anzusehen sind, kann das vormundschaftliche Gericht die eidliche Bestärkung, nach Beschaffenheit der Umstände, bis zu einer näheren Veranlassung aussetzen.
§. 392. Wenn eine Wittwe wieder heirathen will: so muß die eidliche Bestärkung noch vor Vollziehung dieser Ehe von ihr geleistet werden.
§. 393. Nur ein Erblasser, welcher den Pflegebefohlnen mehr, als einen ihm schuldigen Pfiichttheil zugewendet hat, kann die eidliche Bestärkung eines Privatverzeichnisses von seinem Nachlasse untersagen.
§. 394. Aber auch ein solches Verbot ist ohne Wirkung, sobald gegründete Vermuthungen einer begangenen Unrichtigkeit dem Richter bekannt werden.
§. 395. Jedem Erblasser steht es frey, die gerichtliche Inventur seines Nachlasses zu untersagen.
§. 396. Dergleichen Verbot bedarf keiner Feyerlichkeit; sondern es ist genug, wenn nur der Erblasser seinen Willen schriftlich, oder mündlich gegen die Gerichte zum Protocolle, geäußert hat.
§. 397. Das Verbot der gerichtlichen Siegelung begreift das Verbot der gerichtlichen Inventur unter sich.
§. 398. Hat der Erblasser nur eine gewisse Person von der Herausgebung eines Inventarii befreyt: so kann ein Dritter, welcher zur Verwaltung des Nachlasses gelangt, sich darauf nicht berufen.
§. 399. Die Aufnahme eines Privatverzeichnisses kann von dem Erblasser nie verboten, noch durch irgend eine dem Pflegebefohlnen nachtheilige Bedingung eingeschränkt werden.
§. 400. Der Inhaber des Nachlasses muß also auch in diesem Falle das Verzeichniß aufnehmen; er darf aber selbiges nur versiegelt in gerichtliche Verwahrung übergeben.
§. 401. Die Einsiegelung des Verzeichnisses muß in Gegenwart des vormundschaftlichen Gerichts, oder wenigstens eines Justizcommissarii und Notarii geschehen.
§. 402. Diese müssen sich davon überzeugen, daß in dem versiegelten Umschlage wirklich ein Verzeichniß des Nachlasses enthalten sey.
§. 403. Das vormundschaftliche Gericht ist berechtigt, von dem, welcher das versiegelte Verzeichniß übergiebt, die Versicherung an Eidesstatt, daß dasselbe mit den gesetzlichen Erfordernissen eines Nachlaßverzeichnisses versehen, und von ihm nach seiner besten Kenntniß und Wissenschaft treulich aufgenommen sey, zu fordern. (Th. I. Tit. IX. §. 434. 435.)
§. 404. Auch wenn Aeltern oder Großältern, die ihren Kindern eine bestimmte Sache oder Summe zu ihren Erbtheil hinterlassen, die Aufnahme eines gerichtlichen oder Privatverzeichnisses von ihrem Nachlasse gänzlich untersagt haben, muß dennoch der Haupterbe zur künftigen Beurtheilung: ob eine Verletzung im Pflichttheile vorhanden sey, ein Privatverzeichniß aufnehmen, und bey dem vormundschaftlichen Gerichte versiegelt niederlegen.
§. 405. Der Richter ist ein verschlossenes Privatinventarium zu eröffnen berechtigt, wenn ein erheblicher Verdacht der Verkürzung des Pflegebefohlnen im Pflichttheile eintritt; oder ihm eine schlechte Verwaltung, oder gar Verschwendung, von Seiten desjenigen, der den Nachlaß hinter sich hat, glaubhaft angezeigt wird.
§. 406. Ferner alsdann, wenn die Gütergemeinschaft zwischen den Pflegebefohlnen und dem überlebenden Ehegatten des Erblassers aufhört; mithin eine Auseinandersetzung zwischen ihnen erfolgen muß.
§. 407. Auch alsdann, wenn das Andringen der Gläubiger die Offenlegung des Vermögenszustandes unvermeidlich macht.
§. 408. Wenn keiner dieser Fälle sich ereignet, so bleibt das niedergelegte Verzeichniß so lange verschlossen in der Verwahrung des vormundschaftlichen Gerichts, bis der letzte der Pflegebefohlnen der Vormundschaft entlassen wird.
§. 409. Nach berichtigtem Inventario muß der Pflegebefohlne mit denjenigen, welchen ein Miteigenthum an der Masse, oder irgend einem Theile derselben gebühret, auseinandergesetzt werden.
§. 410. Hat jedoch die überlebende Mutter der Pflegebefohlnen mit dem Vater derselben in der Gütergemeinschaft gelebt: so steht ihr frey, auf deren Fortsetzung mit den noch nicht abgefundenen Kindern anzutragen. (Tit. I. §. 634. sqq.)
§. 411. Der Vormund ist in diesem Falle nur alsdann die Auseinandersetzung zu verlangen berechtigt, wenn die Mutter der Pflegebefohlnen zur anderweitigen Ehe schreitet.
§. 412. Ferner, wenn die Töchter heirathen, oder die Söhne eine eigne Wirthschaft anstellen.
§. 413. Endlich, wenn die Mutter sich der Verschwendung, oder sonst einer schlechten Verwaltung verdächtig macht.
§. 414. Wegen der Auseinandersetzung des Vaters mit seinen Kindern aus voriger Ehe finden, auch bey der Gütergemeinschaft, die Vorschriften des §. 35. 36. Anwendung.
§. 415. Hat der Erblasser die Forsetzung der Gemeinschaft der Pflegebefohlnen unter sich, oder mit einem Dritten verordnet: so kann der Vormund davon einseitig nicht abgehen.
§. 416. Glaubt derselbe dennoch aus rechtlichen Gründen (Th. I. Tit. XVII. §. 80.) darauf antragen zu können: so muß der andre Theil darüber ordentlich gehört, und die Sache durch richterliches Erkenntniß entschieden werden.
§. 417. In Fällen, wo Erben überhaupt die Gemeinschaft fortzusetzen schuldig sind, kann auch der Pflegebefohlne sich derselben nicht entziehen.
§. 418. Der Vormund kann auf Theilung eines gemeinschaftlichen Grundstücks nur in den Fällen antragen, in welchen die Veräußerung desselben statt finden würde.
§. 419. Die Auseinandersetzung geschieht in der Regel unter Direction des vormundschaftlichen Gerichts.
§. 420. Kann aber dieselbe in Güte nicht zu Stande gebracht werden: so gebührt die rechtliche Entscheidung dem Richter, unter welchem der Erblasser seinen letzten persönlichen Gerichtsstand hatte.
Einleitung der Administration.
§. 421. Nach erfolgter Ausmittelung des Vermögens der Pflegebefohlnen, muß das Gericht für die ordentliche Einleitung der Administration, und für die Sicherheit der Pflegebefohlnen dabey Sorge tragen.
§. 422. Von dem Vermögen der Pflegebefohlnen darf dem Vormunden in der Regel nur so viel in Händen gelassen werden, als zum Unterhalte, zur Erziehung, und zur Fortsetzung der Administration nöthig ist.
§. 423. Auch müssen sämmtliche den Pflegebefohlnen gehörende Schuldinstrumente, die Capitalien mögen schon von dem Erblasser, oder erst während der Vormundschaft ausgethan seyn, in gerichtliche Verwahrung genommen werden.
Bestimmung der Caution des Vormundes.
§ 424. Nach Verhältniß desjenigen Theils des Vermögens und der Einkünfte, welchen der Vormund von Zeit zu Zeit in Händen behält, muß von ihm Caution bestellt werden.
§. 425. Die Bestellung der Caution kann durch Bürgen oder Pfänder, oder durch gerichtliche Eintragung auf Grundstücke geschehen.
§. 426. Der Richter ist schuldig, dieser Caution diejenige Sicherheit zu verschaffen, die der Vormund, nach der Lage seiner Umstände, und nach Beschaffenheit seines Vermögens, dafür gewähren kann.
§. 427. Doch kann kein Vormund wider seinen Willen angehalten werden, die erste Hälfte des Werths seiner Grundstücke mit einer solchen Caution zu belasten.
§. 428. Ist die Caution innerhalb der ersten Hälfte schon bestellt worden: so muß sie dennoch, auf Verlangen des Vormundes, zum Besten anderer Eintragungen, bis auf diese Hälfte zurücktreten.
§. 429. Die Sicherheit der Activforderungen, mit welchen der Vormund die Caution bestellen will, ist nach denjenigen Grundsätzen zu beurtheilen, welche bey Belegung der Pupillencapitalien selbst unten §. 466, sqq. vorgeschrieben sind.
§. 430. Ein Bürge, der seine Bürgschaft nicht innerhalb der ersten Zwey Drittel des Werths seines Grundstücks eintragen lassen kann, oder will, soll in der Regel zur Caution nicht angenommen werden.
§. 431. Mit Cautionen, die auf keine gewisse Summen bestimmt sind, soll kein Vormund wider seinen Willen belastet werden.
§. 432. In wie fern in der Zwischenzeit, bis die Caution bestimmt werden kann, für die Sicherheit der Pflegebefohlnen durch Eintragung eines vorläufigen Vermerks auf die Grundstücke des Vormundes, oder bey einem nicht angesessenen Vormunde, auf andere Art, nach den Umständen zu sorgen sey, bleibt dem pflichtmäßigen Befinden des vormundschaftlichen Gerichts überlassen.
§. 433. Vormünder, die von dem Erblasser der Pflegebefohlnen ernannt worden, sind von aller Cautionsbestellung so lange frey, als sie sich nicht einer unordentlichen oder unwirthschaftlichen Administration verdächtig machen; oder die Ablegung der Rechnungen länger als Sechs Monathe nach dem dazu bestimmten Termine vernachläßigen.
§. 434. Auch andere Vormünder, die mit einer besondern Cautionsbestellung gar nicht aufzukommen im Stande sind, können, wenn sie nur sonst in dem Rufe unbescholtener Redlichkeit und ordentlicher Wirthschaft stehen, dennoch angenommen und beybehalten werden.
§. 435. Bey gleichem Grade der Tüchtigkeit ist jedoch, unter Mehrern, derjenige, welcher Caution bestellen kann, vorzuziehen.
§. 436. Bey einem ohne Caution bestellten Vormunde muß das Gericht, in Ansehung der Interessen, Pacht- und Miethzinsen, und anderer fixirten Hebungen, so wie selbst in Ansehung der ordinairen Gutseinkünfte, durch deren unmittelbare Einziehung in das Depositum, oder durch Anweisung an diejenigen, welche aus dem Vermögen des Pflegebefohlnen Zahlungen zu erhalten haben, noch genauere Maaßregeln festsetzen; damit dem Vormunde alle Gelegenheit zu nachtheiligen und willkührlichen Dispositionen so viel als möglich benommen werde.
§. 437. Dergleichen besondere Maaßregeln müssen in der vormundschaftlichen Bestallung ausgedrückt werden.
Verwaltung des Vermögens der Pflegebefohlnen:
§. 438. Bey Verwaltung des Vermögens der Pflegebefohlnen, ist der Vormund schuldig und befugt, alles zu thun und zu besorgen, was einem guten Hauswirthe in Ansehung seines eigenen Vermögens obliegt; in so fern er darunter durch ausdrückliche Gesetze, durch den Willen des Erblassers, und durch besondere richterliche Verordnungen nicht eingeschränkt ist.
§. 439. Ob und was von den vorhandenen Mobilien verkauft, aufbewahrt, oder dem Pflegebefohlnen zum eigenen Gebrauche überlassen werden soll, muß hauptsächlich nach der vorhandenen Verfügung des Erblassers bestimmt werden.
§. 440. Bey deren Ermangelung muß der Vormund sowohl darüber, als über die Art des Verkaufs und der Aufbewahrung, nach Lage der Umstände Beschaffenheit des übrigen Vermögens, und Erforderniß des Bestens der Pflegebefohlnen, Vorschläge thun, und richterliche Vorbescheidung einholen.
§. 441. Sachen, die ohne Nachtheil der Substanz nicht füglich aufbehalten werden können; oder bey deren längern Aufbewahrung ihr Werth vermindert werden würde; oder die der Pflegebefohlne entweder gar nicht, oder doch in mehrern Jahren noch nicht würde brauchen können, müssen, und zwar in der Regel durch Auction, verkauft werden.
§. 442. Das vormundschaftliche Gericht kann aber auch, auf den Antrag des Vormundes, die vorhandenen Mobilien ganz oder zum Theil der Mutter, oder einem majorennen Miterben, aus freyer Hand zuschlagen lassen, wenn Bedingungen, die dem Pflegebefohlnen vortheilhafter sind, als wahrscheinlicher Weise ein Verkauf durch Auction seyn würde, geboten werden.
§. 443. Ein solcher Zuschlag aus freyer Hand setzt jedoch allemal eine gerichtlich aufgenommene Taxe voraus.
§. 444. Auch an andre Personen, außer der Mutter und majorennen Miterben, kann der Zuschlag aus freyer Hand geschehen, wenn wenigstens die volle Taxe geboten wird; und der Vormund, nebst den am Orte befindlichen nächsten Verwandten, oder, in Ermangelung der Letztern, andere Sachverständige, welche die Taxe nicht aufgenommen haben, diesen Verkauf dem Pflegebefohlnen vortheilhaft finden.
§. 445. Juwelen, Kostbarkeiten, Gold- und Silbergeschirr, müssen auf den Antrag des Vormundes verkauft werden, wenn das Vermögen des Pflegebefohlnen mit Schulden belastet ist, die auf andre Art nicht getilgt werden können.
§. 446. Auch kann der Vormund auf die Veräußerung antragen, wenn in solchen Kostbarkeiten ein beträchtliches Capital steckt; und voraus zu sehen ist, daß der Pflegebefohlne entweder niemals, oder doch innerhalb Fünf Jahren noch nicht, davon werde Gebrauch machen können.
§. 447. Ob der Verkauf solcher Sachen nur durch Auction, oder durch Subhastation geschehen solle, hängt, nach Beschaffenheit und Beträchtlichkeit des Werths, von dem Befinden des vormundschaftlichen Gerichts ab.
§. 448. Ein Zuschlag aus freyer Hand findet nur in den Fällen des §. 442. und 444. statt.
§. 449. Wird die Aufbewahrung solcher Mobilien (§. 445.) den Pflegebefohlnen zuträglich befunden, so muß dieselbe der Regel nach in dem Deposito des Vormundschaftsamtes geschehen.
§. 450. Hat jedoch der Vormund auf den ganzen Betrag der gerichtlichen Taxe Caution bestellt: so kann ihm die Aufbewahrung unter dem Siegel des Gerichtes überlassen werden.
§. 451. Das Gericht kann den Pflegebefohlnen solche Stücke, wovon sie nach ihrem Stande und Range Gebrauch machen können, nach dem Gutachten des Vormundes, und unter der besondern Aufsicht desselben verabfolgen.
§. 452. Besonders ist dieses den Pflegebefohlnen weiblichen Geschlechts, bey ihrer Verheirathung, nicht leicht zu versagen.
§. 453. Doch liegt alsdann, außer dem Vormunde, auch dem Ehemanne der Pflegebefohlnen die Aufsicht über die Conservation solcher Juwelen und Kostbarkeiten, wenn sie auch an sich zum vorbehaltnen Vermögen der Frau gehören, gleich einem Vormunde ob.
§. 454. Die in dem Nachlasse vorgefundenen baaren Gelder müssen, bis sie untergebracht, oder sonst nützlich verwendet werden können, in gerichtlicher Verwahrung gehalten werden.
§. 455. Sind ausstehende Capitalien vorhanden, so muß der Vormund die Sicherheit derselben prüfen, und sein Gutachten, welche darunter stehen bleiben können, oder aufzukündigen und einzuziehen sind, dem Vormundschaftsamte zur fernern Beurtheilung und Entscheidung vortragen.
§. 456. Forderungen, die weder durch Pfand noch Hypothek gedeckt sind, müssen sofort, oder doch nach Ablauf der etwa bestimmten Aufkündigungsfrist, eingezogen werden.
§. 457. Ein Gleiches gilt von Capitalien, welche von dem Erblasser unzinsbar, wenn auch gegen gerichtliche Sicherheit, ausgeliehen worden.
§. 458. Hat der Erblasser schriftlich verordnet: daß dergleichen Capitalien stehen bleiben sollen, so muß diesem Willen so lange Folge geleistet werden, als nicht eine offenbare Unsicherheit für die Pflegebefohlnen daraus entsteht.
§. 459. Bemerkt der Vormund Umstände, welche dergleichen Unsicherheit besorgen lassen: so muß er selbige dem vormundschaftlichen Gerichte zur Beurtheilung und weitern Verfügung anzeigen.
§. 460. Erhellet aus der Verordnung des Erblassers mit hinlänglicher Gewißheit, daß nach seinem Willen das Capital bey dem Schuldner so lange, bis sich dessen Vermögensumstände bessern, stehen bleiben soll: so sind der Vormund und das Vormundschaftsamt, so lange keine Verletzung am Pflichttheile vorhanden ist, daran gebunden.
§. 461. Doch können alle solche Capitalien (§. 458-460), die der Vater der Pflegebefohlnen den Schuldnern nicht gänzlich erlassen, sondern nur eine längere Stundung derselben vorgeschrieben hat, eingezogen werden, sobald es die eigne unumgängliche Nothdurft der Kinder erfordert.
§. 462. Bey Beurtheilung der Sicherheit solcher Capitalien, die der Erblasser auf Pfand oder gerichtliche Hypothek ausgeliehen hat, haftet der Vormund nur für ein grobes Versehen.
§. 463. Haben sich aber die Umstände des Schuldners, oder des Unterpfandes, seit der angetretnen Vormundschaft verschlimmert: so muß der Vormund auch für ein bey der Einziehung und Beytreibung nach dieser Zeit begangenes mäßiges Versehen haften.
§. 464. Das vormundschaftliche Gericht, welches die Sicherheit der von dem Erblasser ausgeliehenen Capitalien nach rechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen hat, haftet dabey, wenn der Erblasser selbst ein Rechtsverständiger war, nur für ein grobes, sonst aber für ein mäßiges Versehen.
§. 465. In dem Falle des §. 463. muß auch das vormundschaftliche Amt ein mäßiges von ihm bey der Einziehung begangenes Versehen verantworten.
§. 466. Die Vormünder sind schuldig, für die sichere und nutzbare Unterbringung der in dem Vermögen der Pflegebefohlnen vorhandnen, oder dahin eingehenden baaren Gelder, in so fern dieselben nicht zu nothwendigen oder andern nützlichen Ausgaben erforderlich sind, nach bestem Vermögen Sorge zu tragen.
§. 467. Dergleichen neue Darlehne sollen niemals auf Wechsel oder bloße Schuldverschreibungen gegeben werden.
§. 468. Ist es dennoch geschehen: so muß das vormundschaftliche Amt, sobald es davon Kenntniß erlangt, die Wiedereinziehung verordnen.
§. 469. Gegen diese Verfügung kann der Schuldner, welcher wissentlich Pupillengelder auf Wechsel oder Schuldschein zum Darlehne angenommen hat, durch einen mit dem Vormunde verabredeten längeren Zahlungs- oder Aufkündigungstermin sich niemals schützen.
§. 470. Der Vormund haftet für allen Schaden, welcher den Pflegebefohlnen aus einer solchen gesetzwidrigen Ausleihung entsteht.
§. 471. Auch gegen gerichtliche Sicherheit darf der Vormund Capitalien seiner Pflegebefohlnen, ohne Vorwissen und Genehmigung der Obervormundschaft, nicht ausleihen.
§. 472. Bey Prüfung der Sicherheit müssen der Vormund sowohl, als die Obrigkeit, die gewöhnliche Aufmerksamkeit eines vernünftigen Hausvaters anwenden.
§. 473. Auch nach geschehener Ausleihung muß der Vormund auf die Wirthschaft des Schuldners, und auf die mit dem Unterpfande sich ereignenden Veränderung aufmerksam seyn, und, bey bekannt gewordener Verschlimmerung, die Aufkündigung und Wiedereinziehung des Capitals betreiben.
§. 474. Geht ein dergleichen Capital ganz oder zum Theil verloren: so müssen der Vormund, und das vormundschaftliche Gericht, ein dabey begangenes mäßiges Versehen vertreten.
§. 475. Ist das Versehen bey Beurtheilung der Sicherheit gegen rechtliche Grundsätze begangen worden; so haftet das Vormundschaftsamt vorzüglich.
§. 476. Außer diesem Falle ist der Vormund zuerst verantwortlich.
§. 477. Bey Beurtheilung dieser Vertretung darf der Regel nach nur auf den Zeitpunkt, wo das Capital ausgeliehen worden, gesehen werden.
§. 478. Hat sich aber die Sicherheit nachher verschlimmert: so haftet der Vormund, wenn ihm diese Verschlimmerung aus Mangel der gewöhnlichen Aufmerksamkeit unbekannt geblieben ist; oder wenn er, nach erlangter Wissenschaft davon, in der Aufkündigung und Beytreibung ein mäßiges Versehen begangen hat.
§. 479. Einem Vormunde, welcher für die Substanz des Vermögens seiner Pflegebefohlnen vollständige Sicherheit geleistet hat; kann die Ausleihung ihrer Capitalien, auch ohne besondre Rückfrage an das vormundschaftliche Gericht, überlassen werden.
§. 480. Wegen solcher Capitalien, die unmittelbar aus dem Deposito von dem Vormundschaftsamte selbst, und auf dessen Namen ausgeliehen worden bleibt es bey den Vorschriften der Depositalordnung.
§. 481. Auch das Erbtheil der Pflegebefohlnen, welches bey einem ihrer Miterben stehen bleiben soll, muß sichergestellt werden.
§. 482. Bey Beurtheilung dieser Sicherheit finden eben die Grundsätze statt, wie bey Ausleihung neuer Capitalien.
§. 483. Wenn jedoch Aeltern mit ihren Kindern sich aus einander setzen, und das Vermögen derselben nicht herausgeben können, ohne dadurch zur Fortsetzung ihres Amts, oder zum fernern Betriebe ihres Gewerbes auf den bisherigen Fuß, außer Stand gesetzt zu werden: so müssen der Vormund und das Gericht mit einer solchen Sicherheit, als die Aeltern nach ihren Umständen aufzubringen vermögend sind, sich begnügen.
§. 484. Eben das gilt von majorennen Geschwistern, welche das väterliche Gewerbe übernehmen, und die minderjährigen in ihrer Pflege und Erziehung behalten.
§. 485. Dem Vormunde, und den Mitgliedern des vormundschaftlichen Gerichts, darf aus dem Vermögen der Pflegebefohlnen kein Darlehn gegeben werden.
§. 486. Hat der Vormund Gelder des Pflegebefohlnen für sich genutzt: so muß er dieselben sofort, bey wechselmäßiger Execution, zurückzahlen, und Acht vom Hundert an Zinsen entrichten.
§. 487. Ist der Vormund, noch ehe er zu solchem Amte bestellt worden, dem Pflegebefohlnen schuldig gewesen: so kann ihm das Capital gelassen werden, wenn die Schuld ohne Widerspruch anerkannt wird; bereits vollkommen sicher gestellt ist; oder hinreichende Sicherheit dafür, ohne Abbruch der geleisteten Caution, noch verschafft werden kann.
§. 488. Nach Beschaffenheit der Umstände, und des höhern oder mindern Betrags eines solchen dem Vormunde zu überlassenden Capitals, muß der Richter vernünftig beurtheilen; ob dem Pflegebefohlnen wegen dieses Geschäftes ein besonderer Curator zu bestellen sey.
§. 489. Die Ausleihung der dem Pflegebefohlnen zustehenden Capitalien, soll nur gegen den bey dem Capitalsverkehre auf Grundstücke in der Provinz gewöhnlichen Zinssatz geschehen.
§. 490. An Privatpersonen sollen dergleichen Capitalien zu niedrigern Zinsen als Vier vom Hundert, ohne besondere Genehmigung der dem Vormundschaftsamte vorgesetzten Behörde, nicht ausgeliehen werden.
§. 491. Eine bessere Sicherheit ist im zweifelhaften Falle einem höhern Zinssatze vorzuziehen.
§. 492. Die Einziehung der Zinsen gehört in der Regel zu dem Amte des Vormundes.
§. 493. Saumselige Zinszahler muß der Vormund sofort, und ohne daß es dazu einer besondern Anweisung bedarf, rechtlich belangen; zugleich aber dem Vormundschaftsamte davon Anzeige machen, und sein Gutachten über die etwa erforderliche Aufkündigung des Capitals beyfügen.
§. 494. Sollen die Zinsen nicht dem Vormunde, sondern in das Depositum, oder an einen Dritten bezahlt werden: so muß die Obrigkeit dieses den Schuldnern ausdrücklich bekannt machen.
§. 495. Dem Vormunde liegt alsdann nur ob, bey Gelegenheit der Rechnunglegung, nach der Einzahlung solcher Zinsen sich zu erkundigen, und wenn sie zurückgeblieben sind, die Obrigkeit an deren Beytreibung zu erinnern.
§. 496. Für die Einziehung der Zinsen von Capitalien, die unmittelbar aus dem Deposito verliehen worden, muß auch die Obrigkeit allein und unmittelbar sorgen.
§. 497. Capitalsaufkündigungen des Vormundes sind, auch ohne besondre obervormundschaftliche Approbation, in Ansehung des Schuldners gültig.
§. 498. Der Obrigkeit aber muß der Vormund die Gründe, die ihn zur Aufkündigung veranlaßen, vortragen, und deren Approbation, oder wenn wegen Gefahr im Verzuge die Aufkündigung schon geschehen ist, ihre Genehmigung einholen.
§. 499. Die Zahlung der Capitalien kann an den Vormund nur in so fern geschehen, als derselbe zu deren Erhebung, in seiner Bestallung, oder durch besondre Befehle, ausdrücklich berechtigt ist.
§. 500. Außer diesem Falle muß die Obrigkeit jedesmal bestimmen, wohin und zu wessen Händen die Zahlung geschehen soll.
§. 501. Außer dem Falle des §. 493. darf kein Vormund, weder als Kläger, noch als Wiederkläger oder Intervenient, Prozesse ohne ausdrückliche Genehmigung des Vormundschaftsamts anstellen.
§. 502. Hat er es dennoch gethan, und kann auch die obervormundschaftliche Genehmigung nicht nachgebracht werden: so ist die ganze Verhandlung nichtig; der Vormund muß dem Gegentheile alle Schäden und Kosten aus eignen Mitteln erstatten, und das Gericht, welches die Klage ohne Decret angenommen hat, wird der Gebühren verlustig.
§. 503. Nur in Arrestsachen, und andern schleunigen Fällen, kann die Klage eines Vormundes ohne Decret angenommen; es muß aber selbiges unverzüglich nachgebracht, und eine den Umständen gemäße Frist dazu von dem Gerichte bestimmt werden.
§. 504. Wird ein Vormund als Beklagter oder Intervent in einen Prozeß verwickelt: so bedarf er zur Einlassung keines Decrets; und auch ohne dasselbe sind seine Verhandlungen rechtsbeständig.
§. 505. Seine Pflicht aber gegen den Pflegebefohlnen erfordert es, dem vormundschaftlichen Gerichte den gerügten Anspruch ohne Zeitverlust anzuzeigen, und dessen Anweisung darüber einzuholen.
§. 506. Sind die Personen, welche das vormundschaftliche Gericht ausmachen, mit denen, aus welchen das den Prozeß dirigirende Gericht besteht, nicht völlig eben dieselben: so muß der beklagte Vormund bey letzterm die Befolgung dieser seiner Obliegenheit bescheinigen.
§. 507. Zur Einwendung und Fortsetzung der in den Gesetzen vorgeschriebenen Rechtsmittel bedarf es keiner besondern richterlichen Approbation.
§. 508. Doch muß der Vormund von dem Ausfalle des Erkenntnisses, und dem dagegen eingewendeten Rechtsmittel, dem vormundschaftlichen Gerichte sofort Anzeige machen; und dieses ist, wenn es die Beschwerde für ungegründet hält, deren Fortsetzung zu untersagen berechtigt.
§. 509. Hat der Vormund die Anzeige unterlassen: so muß er die Kosten des solchergestalt eigenmächtig eingewendeten und fortgesetzten Rechtsmittels selbst tragen.
§. 510. Doch muß ihm ein dadurch dem Pflegebefohlnen wirklich verschaffter Vortheil auf diese Kosten zu gute gerechnet werden.
§. 511. Glaubt der Vormund sich bey einem wider die Pflegebefohlnen ausgefallenen Urtel beruhigen zu müssen: so muß er dennoch dem vormundschaftlichen Gerichte davon sofort Anzeige machen.
§. 512. Findet dieses bey dem Antrage des Vormundes ein Bedenken: so muß es denselben mit näherer Anweisung unverzüglich versehen.
§. 513. Der Vormund, welcher den Anweisungen des vormundschaftlichen Gerichts wegen Anstellung oder Fortsetzung eines Prozesses Folge leistet, wird für einen nachtheiligen Ausschlag nur in so fern verantwortlich, als er bey Einziehung der Nachrichten ein grobes Versehen begangen, oder ihm bekannte Umstände, von denen er bey einer gewöhnlichen Aufmerksamkeit wissen konnte, daß sie auf die Beurtheilung der Sache Einfluß haben würden, dem vormundschaftlichen Gerichte verschwiegen hat.
§. 514. Das vormundschaftliche Gericht haftet bey der ihm obliegenden rechtlichen Beurtheilung für ein mäßiges Versehen.
§. 515. Ein Vormund, welcher wider den Willen des vormundschaftlichen Gerichtes einen Prozeß anfangen oder fortsetzen will, soll zwar dazu verstattet Werden;
§. 516. Er haftet aber alsdann dem Pflegebefohlnen aus eignen Mitteln, für allen daraus entstehenden Schaden.
§. 517. Die Vormünder und vormundschaftlichen Gerichte sollen andere Bürger des Staates mit unnützen, oder offenbar ungegründeten Prozessen, oder mit Fortsetzung solcher Rechtsmittel nicht belästigen.
§. 518. Werden sie dessen von dem Richter, vor welchem der Prozeß geführt worden, schuldig befunden: so müssen der Vormund, und das Gericht, welches einen solchen Prozeß gebilligt hat, Strafe und Kosten aus eignen Mitteln entrichten.
§. 519. Hat der Vormund die Genehmigung des Gerichtes durch unrichtige oder unvollständige Anzeigen bewirkt, so treffen diese nachtheilige Folgen ihn allein.
§. 520. Hat der Vormund durch solche Anzeigen zu den unnützen oder ungegründeten Prozessen keinen Anlaß gegeben, so treffen diese Folgen nur das vormundschaftliche Gericht.
§. 521. Ohne Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes kann kein Vormund gültige Vergleiche schließen, noch auf Compromisse sich einlassen.
5) in Ansehung der Passivschulden§. 522. Auf die Bezahlung der Schulden, womit das Vermögen des Pflegebefohlnen behaftet ist, muß der Vormund sorgfältig bedacht seyn.
§. 523. Unter mehrern muß er vorzüglich diejenigen abzuführen suchen, die durch wirklich schon geschehene Aufkündigung, oder durch hohen Zinssatz, oder durch solche dem Gläubiger eingeräumte Rechte, welche eine wirtschaftliche Vermögensadministration hemmen, dem Pflegebefohlnen am meisten lästig sind.
§. 524. Findet sich eine beträchtliche Schuldenlast, so muß der Vormund, ohne besondere richterliche Approbation, sich auf Zahlungen an einzelne Gläubiger nicht einlassen, sondern die Vorbescheidung des Gerichtes, über die wegen Eröfnung eines Liquidationsprozesses, oder sonst, zu nehmenden Maaßregeln, nachsuchen und abwarten.
§. 525. Neue Darlehne darf kein Vormund ohne ausdrückliche Approbation des vormundschaftlichen Gerichtes aufnehmen.
§. 526. Wer ohne dergleichen Approbation dem Vormunde ein Darlehn macht, dem wird das Vermögen des Pflegebefohlnen nur so weit verhaftet, als das Geld in den Nutzen desselben erweislich verwendet worden.
§. 527. Unter obrigkeitlicher Genehmigung kann der Vormund selbst seinen Pflegebefohlnen Darlehne machen, und sich dafür eben die Verzinsung und Sicherheit verschaffen, die, unter ähnlichen Umständen, auch einem Fremden wäre zugestanden worden.
6) in Ansehung der Grundstücke.
§. 528. Wegen der Grundstücke des Pflegebefohlnen muß der Vormund vor allen Dingen sorgen, daß das Besitzrecht des Pflegebefohlnen im Hypothekenbuche eingetragen werde.
§. 529. Auch muß er um die seinem Pflegebefohlnen auf Lehne oder andere Grundstücke zustehenden Rechte sich sorgfältig bekümmern, und deren Verlautbarung und Eintragung bey der Behörde bewirken.
§. 530. Alle auf den Grundstücken des Pflegebefohlnen noch eingetragene Schulden, und andre Reallasten, welche nach den vorgefundenen Nachrichten getilgt sind, muß er auf gesetzmäßigen Wegen zur Löschung befördern.
§. 531. Auch die wirtschaftliche Verwaltung, Verpacht- und Vermiethung der Grundstücke des Pflegebefohlnen, gehört zu dem Amte des Vormundes.
§. 532. Einer Anfrage bey dem vormundschaftlichen Gerichte bedarf es nur alsdann, wenn in der Art der Bewirthschaftung oder Benutzung eine Haupt-Veränderung vorgenommen werden soll.
§. 533. Soll also z. B. die bisherige Administration in eine Pacht, oder umgekehrt, verwandelt, oder ein neuer Pächter angenommen, oder der abgelaufene Contrakt mit dem bisherigen Pächter verlängert werden: so ist der Vormund zur Anfrage verpflichtet.
§. 534. Auch wenn über den gewöhnlichen Wirthschafts-Etat ein außerordentlicher Holzschlag in den Forsten vorgenommen werden soll, muß der Vormund zuvörderst darüber anfragen.
§. 535. Ob die Verpachtung der Grundstücke des Pflegebefohlnen aus freyer Hand, oder durch Subhastation geschehen solle, hängt nach Bewandniß der Umstände, nach der Beschaffenheit und Größe des Grundstückes, nach demVerhältnisse eines geschehenen Privatgebots zu dem bisherigen Ertrage oder vorhandenen Pachtanschlage, u. s. w. lediglich von dem pflichtmäßigen Gutachten des Vormundes, und dem vernünftigen Ermessen des Vormundschaftsamtes ab.
§. 536. Wird eine freywillige Subhastation für gut befunden: so kann das vormundschaftliche Gericht dieselbe für sich selbst verfügen, wenn es auch sonst nicht der gehörige Richter der Sache wäre.
§. 537. Neue Baue, Hauptreparaturen, und beträchtliche Meliorationen darf der Vormund ohne richterliche Approbation nicht unternehmen.
§. 538. Sobald die Summe der Kosten Fünfzig Thaler übersteigt, muß das Gericht die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Anstalt, so wie demnächst die erfolgte zweckmäßige Verwendung, durch Sachverständige prüfen lassen.
§. 539. Remissionen kann der Vormund dem Pächter in der Regel eigenmächtig nicht bewilligen.
§. 540. Gleich am Anfange einer jeden Vormundschaft, zu welcher Grundstücke gehören, muß ein gewisses Quantum festgesetzt werden, welches der Vormund für sich, und ohne Anfrage, bey dergleichen Ausgaben zu Bauen, Meliorationen, und Remissionen, nicht übersteigen darf.
§. 541. Gutseinkünfte, Pacht- und Miethgelder einzuziehen, ist der Vormund der Regel nach befugt und verpflichtet.
§. 542. Ausnahmen von dieser Regel muß der Richter ausdrücklich festsetzen, und selbige den Schuldnern gehörig bekannt machen.
§. 543. Denjenigen, welche dergleichen Gefälle zu entrichten haben, ist der Vormund damit ohne Noth, und besonders erhebliche Gründe, nachzusehen nicht berechtigt.
§. 544. Das vormundschaftliche Gericht muß bey der Revision der Rechnungen die darin aufgeführten Reste, und die von dem Vormunde angegebenen Gründe der verstatteten Nachsicht sorgfältig prüfen, und, wo diese Gründe nicht hinreichend sind, den Vormund zur Beytreibung der Rückstände mit Nachdruck anhalten.
§. 545. Die Ueberschüsse von dem Vermögen und Einkünften der Pflegebefohlnen, welche zur Fortsetzung der Administration nicht nothwendig sind, muß der Vormund in das gerichtliche Depositum abliefern, oder dem Gerichte anzeigen, wie er selbige zinsbar unterzubringen, oder sonst nutzbar anzulegen gedenke.
§. 546. Wie ein Vormund, welcher dergleichen Ueberschüsse selbst nutzt, zu bestrafen sey, ist oben verordnet. (§. 486.)
§. 547. Läßt der Vormund dergleichen Ueberschüsse länger als Sechs Wochen bey sich ungenutzt liegen: so muß er dieselben, von diesem Zeitpunkte an, landüblich verzinsen.
§. 548. Ein Vormund, der Gelegenheit hat, die im gerichtlichen Deposito liegenden, oder nur gegen bankmäßige Zinsen ausgethanen Gelder seiner Pflegebefohlnen, ohne seinen eignen Schaden, sicher unterzubringen; und es dem Vormundschaftsamte nicht anzeigt, haftet für den Ausfall an den Zinsen.
§. 549. So wenig der Vormund ohne besondere Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts die Güter der Pflegebefohlnen verschulden kann, so wenig darf er dieselben, ohne dergleichen Genehmigung, mit Reallasten beschweren.
besonders wegen deren Veräußerung;
§. 550. Unbewegliche Güter der Pflegebefohlnen, und was denselben in Rechten gleich geachtet wird, dürfen ohne wichtige Ursachen, ohne Untersuchung und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, und ohne öffentliche Subhastation, nicht verkauft, oder sonst veräußert werden.
§. 551. Wichtige Ursachen der Veräußerung sind, wenn Gläubiger auf ihre Bezahlung dringen, welche weder aus dem übrigen Vermögen befriedigt, noch zur Gestattung eines Indults rechtlich angehalten werden können;
§. 552. Ferner, wenn dergleichen Güter in einen so großen Verfall gerathen sind, daß zu ihrer Wiederherstellung das übrige Vermögen nicht hinreichen würde, und das Grundstück selbst über Zwey Drittel seines Werths verschuldet werden müßte;
§. 553. Ueberhaupt, wenn erhellet, daß durch deren fernere Beybehaltung das Vermögen der Pflegebefohlnen in Zukunft einen beträchtlichen Abbruch erleiden würde.
§. 554. Juwelen und Kostbarkeiten können, außer den §. 551-553. bestimmten Fällen, auch wegen eines dem Pflegebefohlnen dadurch zu verschaffenden erheblichen Nutzens, unter Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, veräußert werden.
§. 555. Auch ist die Veräußerung wegen eines erheblichen Nutzens zuläßig, bey Häusern; Landgütern, die nicht adliche Rechte haben; Gärten; Weinbergen; Zehenten; Zinsen und andern Gerechtigkeiten, die nicht Pertinenzstücke eines adlichen Gutes sind; bey Bergantheilen, die noch keine Ausbeute tragen; ingleichen bey einzelnen Grundstücken, die weder Pertinenzstücke eines adlichen Gutes sind, noch mit der Bewirthschaftung desselben in einer natürlichen Verbindung stehen.
§. 556. Doch muß bey solchen Veräußerungen, (§. 555.) außer dem Decrete des vormundschaftlichen Gerichts, zugleich die Genehmigung der diesem Gerichte unmittelbar vorgesetzten höhern Instanz hinzukommen.
§. 557. Diese höhere Instanz haftet bey versagter Genehmigung niemals, und bey ertheilter, nur für ein grobes Versehen.
§. 558. Auch adliche Güter, und andere in dem §. 555. nicht mit begriffene Immobilien, können wegen eines erheblichen Nutzens für die Pflegebefohlnen veräußert werden.
§. 559. Es müssen aber alsdann die Zwey nächsten Anverwandten des Pflegebefohlnen darüber mit ihrem Gutachten gehört, und die Genehmigung des Justizdepartements nach Maaßgabe §. 556. 557. eingeholt werden.
§. 560. Hat der Pflegebefohlne das Achtzehnte Jahr zurückgelegt: so ist derselbe in allen Fällen, wo eine Veräußerung unbeweglicher Güter des bloßen Nutzens wegen erfolgen soll, mit seiner Erklärung zu vernehmen. (§. 555. 558.)
§. 561. Widerspricht ein solcher Pflegebefohlner dieser Veräußerung: so kann dieselbe nicht stattfinden.
§. 562. Zerstückungen ganzer Güter, wegen eines bloßen davon gehofften Nutzens, sind in keinem Falle zuläßig.
§. 563. Eine Veräußerung ist alsdann für nützlich zu achten, wenn der dem Pflegebefohlnen dadurch zu verschaffende Vortheil, eine nach wirtschaftlichen Grundsätzen aufgenommene Taxe des Grundstücks wenigstens um Ein Viertel übersteigt.
§. 564. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen die Veräußerung selbst verordnet: so bedarf es keiner weitern Untersuchung über die Nützlichkeit derselben.
§. 565. Hingegen macht die bloße Erlaubniß des Erblassers diese Untersuchung nicht überflüssig.
§. 566. Einem volljährigen Miteigenthümer kann auf die Theilung, und zu dem Ende auf die Veräußerung des Grundstücks zu dringen, nicht gewehrt werden.
§. 567. Auch der Vormund ist berechtigt, unter obervormundschaftlicher Approbation auf die Veräußerung des gemeinschaftlichen Grundstücks anzutragen; wenn erhellet, daß die Fortsetzung der Gemeinschaft dem Pflegebefohlnen schädlich seyn würde.
§. 568. Sobald das vormundschaftliche Gericht die Veräußerung genehmigt hat, muß der Richter der Sache, auf Anmelden des Vormundes, mit der Taxe und Subhastation verfahren; ohne daß es von seiner Seite einer besondern Untersuchung oder Approbation bedarf.
§. 569. Hat der Erblasser verordnet, daß das Grundstück einer gewissen Person für einen bestimmten Preis zugeschlagen werden solle: so bedarf es, wenn diese das Gut anzunehmen erbötig ist, weder einer Taxe noch Subhastation.
§. 570. Aeußert sich aber eine nicht offenbar ungegründete Besorgniß, daß unter einer solchen Verordnung eine Verkürzung der Pflegebefohlnen in einem ihnen zukommenden Pflichttheile verborgen liegen möchte: so muß mit Aufnehmung der Taxe verfahren werden.
§. 571. Bestätigt der Ausfall der Taxe diese Besorgniß: so muß der Begünstigte entweder so viel, als zur Ergänzung des Pflichttheils erforderlich ist, zu dem vom Erblasser bestimmten Preise zulegen; oder sich gefallen lassen, daß das Gut durch Subhastation, bey der ihm bloß, gleich Andern, mit zu bieten frey steht, dem Meistbietenden überlassen werde.
§. 572. Hat der Erblasser den Verkauf befohlen, die Subhastation verboten, dabey aber keinen gewissen Werth des Grundstücks bestimmt: so kann das Grundstück, aus freyer Hand, nicht unter der Taxe veräußert werden.
§. 573. Steht dergleichen Gebot aus freyer Hand nicht zu erhalten: so muß die Subhastation erfolgen.
§. 574. Die Subhastation ist nicht nothwendig, wenn bey einer Theilung unter mehrere Miterben das Grundstück von dem Pflegebefohlnen selbst, unter richterlicher Approbation, übernommen werden soll.
§. 575. Diese Vorschrift findet aber nicht Anwendung, wenn unter den übrigen Miteigenthümern ebenfalls Pflegebefohlne befindlich sind.
§. 576. Ferner bedarf es keiner Subhastation, wenn ein Miterbe das Grundstück für die Taxe annehmen will; und dabey dem Pflegebefohlnen Vortheile anbietet, die derselbe von einem Fremden nicht zu erwarten hat.
§. 577. Auch ein Gebot unter der Taxe kann in diesem Falle angenommen werden, wenn die dem Pflegebefohlnen angetragnen Vortheile den Unterschied zwischen Gebot und Taxe an Erheblichkeit übersteigen.
§. 578. Der Vereinigung mehrerer majorennen Miterben, wornach das Grundstück einem unter ihnen, oder einem Dritten, aus freyer Hand zugeschlagen werden soll, muß der Vormund der Regel nach beytreten.
§. 579. Er kann und muß aber auf Subhastation dringen, wenn das Gebot die Taxe nicht erreicht, oder besondere Umstände die Besorgniß eines Nachtheils für den Pflegebefohlnen begründen.
§. 580. Der Vormund muß also in einem solchen Falle (§. 578.) die Richtigkeit der aufgenommenen Taxe mit vorzüglicher Sorgfalt prüfen.
§. 581. Sollte sich in der Folge finden, daß der Uebernehmer des Guts den übrigen Interessenten, außer dem gebotenen Preise, noch gewisse Nebenvortheile heimlich zugestanden habe: so muß er den Pflegebefohlnen das Doppelte von dem Betrage desjenigen, was der am meisten begünstigte Mitinteressent an solchen Nebenvortheilen erhalten hat, vergüten.
§. 582. Ist er dazu nicht vermögend: so werden die übrigen Interessenten solcher mit dem Schaden der Pflegebefohlnen sich verschaften Nebenvortheile zu deren Besten verlustig.
§. 583. Hat der Erblasser selbst einen Preis des Grundstücks bestimmt: so darf der Vormund ein minderes Gebot niemals annehmen, so oft die Veräußerung des bloßen Nutzens wegen geschehen soll.
§. 584. Nothwendige Veräußerungen können durch eine von dem Erblasser geschehene Bestimmung des Preises nicht aufgehalten werden.
§. 585. Außer den §. 569-583. bestimmten Fällen, ist die Veräußerung unbeweglicher Güter der Pflegebefohlnen, wenn sie ohne Subhastation geschehen, nichtig.
§. 586. Sollten jedoch außerordentliche Fälle vorkommen, wo den Pflegebefohlnen bey einem Verkaufe aus freyer Hand offenbare Vortheile, die bey einer gerichtlichen Subhastation nicht zu erwarten ständen, verschafft werden könnten: so soll das Justizdepartement, auf den Antrag des vormundschaftlichen Gerichtes, nach gehörig geprüfter Sache, von der Nothwendigkeit einer Subhastation zu dispensiren berechtigt seyn.
§. 587. Der Käufer eines Pupillengutes, bey dessen Subhastation die gesetzlich nothwendigen Förmlichkeiten beobachtet; oder dem das Gut in einem der vorstehend bestimmten Fälle, (§. 569 bis 586.) unter Genehmigung der Behörde aus freyer Hand zugeschlagen worden, erlangt ein unwiderrufliches Eigenthum; wenn gleich bey Beurtheilung der Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Veräußerung, bey Aufnehmung der Taxe, oder sonst, von dem Vormunde oder vorrnundschaftlichen Gerichte gefehlt worden.
§. 588. Vielmehr bleibt alsdann dem Pflegebefohlnen, wegen des durch eine solche Veräußerung erlittenen Schadens, nur der Regreß an den oder diejenigen, welchen, nach Maaßgabe eines von ihnen zu vertretenden Versehens, die Schuld davon zur Last fällt, nach den oben bestimmten Grundsätzen vorbehalten.
§. 589. Ist aber die Veräußerung nach Vorschrift §. 585. nichtig, so ist der gewesene Pflegebefohlne, gegen Zurücknahme des Guts, dem Uebernehmer das von ihm gezahlte Kaufgeld nur so weit, als dasselbe in den Nutzen des Pflegebefohlnen wirklich verwendet worden, zu erstatten verbunden.
§. 590. Wie es wegen der Nutzungen, Verbesserungen und Verschlimmerungen zu halten sey, hängt davon ab: in wie fern derjenige, welcher das Gut an den Pflegebefohlnen zurückgeben muß, nach allgemeinen Grundsätzen für einen redlichen oder unredlichen Besitzer zu achten ist.
§. 591. Wegen des dem Pflegebefohlnen aus der Veräußerung erwachsenen Schadens, den er von dem Besitzer nicht erlangen kann, bleiben demselben seine Rechte gegen den, welcher an der nichtigen Veräußerung schuld ist, vorbehalten.
§. 592. Die Verhältnisse zwischen dem Inhaber der Sache, welcher sie zurückgeben muß, und dem Vormunde, durch welchen die Veräußerung geschehen ist, sind nach den allgemeinen Vorschriften von Schadensersatz und von Gewährsleistungen zu beurtheilen.
§. 593. Das Recht des Pflegebefohlnen, die nichtig geschehene Veräußerung zu widerrufen, geht verloren, wenn er dieselbe, nachdem er der Vormundschaft entlassen worden, ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
§. 594. Für eine stillschweigende Genehmigung ist besonders zu achten, wenn der Pflegebefohlne die Bezahlung der rückständigen Kaufgelder annimmt, oder wenn er die verkaufte Sache von dem Besitzer pachtet;
§. 595. Ferner, wenn er die durch einen lästigen Vertrag veräußerte Sache binnen Zehn Jahren nach aufgehobner Vormundschaft nicht zurück fordert.
§. 596. Daß der Pflegebefohlne des veräußernden Vormundes Erbe geworden, schließt ihn von der Rückforderung nicht aus: sondern verpflichtet ihn nur zur Schadloshaltung gegen den Uebernehmer, so weit, als der Erblasser dazu verbunden war.
wegen des Ankaufes der Grundstücke;
§. 597. Das Vermögen der Pflegebefohlnen kann auch zum Ankaufe unbeweglicher Güter verwendet werden.
§. 598. Doch ist dabey eine vorzügliche sorgfältige Prüfung der durch dergleichen Ankauf dem Pflegebefohlnen zu verschaffenden Vortheile, sowohl von Seiten des Vormundes, als des vormundschaftlichen Gerichtes, erforderlich.
§. 599. Eine sichere zinsbare Unterbringung der Gelder des Pflegebefohlnen ist dem Ankaufe von Grundstücken vorzuziehn, wenn nicht von letzterem besondere Vortheile mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu hoffen sind.
7) wegen Ankaufung von Leibrenten und Pensionen;
§. 600. Wenn der Vormund einer verheiratheten Frauensperson, mit Genehmigung des Vormundschaftsamtes, rathsam findet, derselben eine Pension aus einer öffentlich angeordneten Wittwenverpflegungsanstalt zu versichern: so muß ihr Ehemann sich die Leistung des Beytrages aus den Einkünften ihres Vermögens gefallen lassen.
§. 601. Kann und will er aber der Ehefrau eine gleich gute und sichere Versorgung auf andere Art anweisen: so muß der Vormund von seinem Vorhaben abstehn.
8) wegen zu übernehmender Pachtungen;
§. 602. Pachtungen zu übernehmen, und eine Handlung anzufangen, soll keinem Pflegebefohlnen gestattet werden.
§. 603. Ist der Vater während des Laufes einer Pachtzeit verstorben: so darf der Vormund seiner hinterlassenen Erben die Pacht in der Regel nicht länger fortsetzen, als er dazu nach dem Inhalte des Contracts, oder nach Vorschrift der Gesetze verpflichtet ist. (Th. I. Tit. XXI. §. 366. sqq.)
§. 604. Findet der Vormund eine fortzuführende, oder auch eine neu einzugehende Pachtung vortheilhaft; und hat der zu Geschäften dieser Art erzogene Pflegebefohlne das Zwanzigste Jahr zurückgelegt: so kann dadurch der Antrag auf Majorennitätserklärung begründet werden.
9) wegen einer anzulegenden oder fortzusetzenden Kaufmannshandlung.
§. 605. Das Vermögen der Pflegebefohlnen soll zur Anlegung einer neuen Handlung nicht verwendet werden.
§. 606. Ist eine schon errichtete Handlung von dem Erblasser auf den Pflegebefohlnen gediehen: so muß, zur Besorgung der dahin einschlagenden Angelegenheiten, ein handlungskundiger Vormund bestellt werden.
§. 607. Ob diesem Vormunde noch ein sachkundiger Beystand zuzuordnen sey, bleibt nach der Beschaffenheit und dem Umfange der Handlung, und nach Bewandniß der übrigen Umstände, dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts überlassen.
§. 608. Ist eine Mutter vorhanden, welche selbst dem Handlungsgeschäfte vorzustehen fähig und geneigt ist: so bedarf es, außer dem Sachkundigen Vormunde, keines weitern Beystandes.
§. 609. Zu dergleichen Vormündern und Beyständen darf das Gericht keine solche Personen wählen, von denen ein Mißbrauch der Handlungsgeheimnisse des Pflegebefohlnen zu befürchten wäre.
§. 610. Sind taugliche Subjecte unter den Verwandten des Pflegebefohlnen anzutreffen: so müssen dieselben Fremden vorgezogen werden.
§. 611. Auch die Beystände müssen, zur gewissenhaften Wahrnehmung des Bestens der Pflegebefohlnen in ihren Handlungsangelegenheiten, feyerlich verpflichtet werden.
§. 612. Hat der Erblasser die Fortsetzung der Handlung ausdrücklich verordnet: so muß seinem Willen in allen Stücken so lange nachgelebt werden, als nicht neue Umstände, welche die Fortsetzung für den Pflegebefohlnen bedenklich machen, zum Vorschein kommen.
§. 613. Hat der Erblasser den Pflegebefohlnen nur den ihnen schuldigen Pflichttheil hinterlassen: so sind der Vormund und das Gericht an seine Disposition wegen Fortsetzung der Handlung nicht gebunden.
§. 614. Hat der Erblasser die Aufhebung der Handlung verordnet: so muß seinem Willen in allen Fällen Folge geleistet werden.
§. 615. Hat der Erblasser über die Fortsetzung oder Aufhebung der Handlung nicht verfügt: so muß das Vormundschaftsamt Einen oder Zwey Sachverständige ernennen, und besonders verpflichten, welche mit Zuziehung des Vormundes, und Eines oder Zweyer der nächsten am Orte oder in der Provinz befindlichen Verwandten, die Umstände genau prüfen, und ihr Gutachten: ob die Handlung fortzusetzen, oder aufzuheben sey, abgeben müssen.
§. 616. Bey der Auswahl dieser Sachverständigen muß der Richter die Vorschrift des §. 609. beobachten.
§. 617. Bey der Prüfung muß sowohl auf den Zustand und die Verfassung der Handlung selbst, als auf das Alter und die Fähigkeiten des Pflegebefohlnen, je nachdem vermöge derselben nähere oder entferntere, oder gar keine Aussichten, daß er die Handlung künftig werde übernehmen können, vorhanden sind, Rücksicht genommen werden.
§. 618. Auch die Eigenschaften, Zuverläßigkeit, und übrigen Umstände derjenigen Person, welche im Falle einer Fortsetzung den Geschäften vorstehen würde, sind dabey in Betrachtung zu ziehen.
§. 619. Stimmen die Sachkundigen und der Vormund in ihren Gutachten überein: so dient dieses Gutachten dem Vormundschaftsamte lediglich zur Richtschnur.
§. 620. Sind aber die Meinungen der Sachkundigen und der Verwandten verschieden: so müssen andre Sachkundige ernannt, und es muß, mit deren Zuziehung, die Prüfung von dem Vormunde und den Verwandten wiederholt werden.
§. 621. Treten diese neue Sachkundige dem vorigen bey: so giebt die Meinung des Vormundes den Ausschlag.
§. 622. Stimmen aber die neuen Sachkundigen mit den Verwandten überein: so muß die Sache nach dem Antrage der letztern entschieden werden.
§. 623. Wenn auch hiernach die Fortsetzung der Handlung beschlossen worden: so kann doch dieselbe zu allen Zeiten wieder aufgehoben werden, sobald aus der jährlich einzureichenden Balance sich ergiebt, daß Schaden dabey herauskomme; und nicht etwa, nach dem Gutachten des Vormundes und seines Beystandes, ein derselben überwiegender Vortheil in der Folge mit einem vorzüglichen Grade von Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
§. 624. Die Fortsetzung der Handlung geschieht durch einen Disponenten, unter Aufsicht des Vormundes.
§. 625. Hat der Erblasser einen Disponenten zur Fortsetzung der Handlung ausdrücklich ernannt: so muß derselbe beybehalten, und nicht ohne die erheblichsten Gründe verändert werden.
§. 626. Außer diesem Falle muß der Vormund, wegen Beybehaltung der bisherigen, oder Bestellung eines neuen Disponenten, dem vormundschaftlichen Gerichte pflichtmäßige Vorschläge machen.
§. 627. Der Vormund muß durch fleißige Revision der Bücher, und Nachsehung der Correspondenz, von dem redlichen, ordentlichen, und vorsichtigen Betriebe des Disponenten sich überzeugen.
§. 628. Bey besonders wichtigen und bedenklichen Vorfällen muß der Vormund das Gutachten der Beystände einholen, und die Genehmigung des Gerichts nachsuchen.
§. 629. Dies muß besonders geschehen, wenn die Person des Disponenten oder der Gegenstand des Handels verändert; oder zur Erlangung eines besondern Vortheils, ein sonst bey dieser Art von Handlung nicht gewöhnliches Risico übernommen; oder das Handlungscapital aus dem übrigen Vermögen der Pflegebefohlnen verstärkt werden soll.
§. 630. Credit zu geben und zu nehmen, ist der Disponent in so weit ohne Rückfrage berechtigt, als es zum ordinairen Betriebe der Handlung gehört, und aus dem in der Handlung steckenden Capitale bestritten werden kann.
§. 631. Sollen aber fremde Capitalien zum Behufe des Handlungsverkehrs aufgenommen werden: so muß der Disponent mit dem Vormunde und dessen Beystande Rücksprache nehmen.
§. 632. Ist keine Gefahr im Verzüge: so muß zuvörderst die Approbation des Gerichts eingeholt; sonst aber demselben von dem aufgenommenen Darlehne Anzeige gemacht; und in einem, so wie in dem andern Falle, die Nützlichkeit der Verwendung, nebst der Art und Zeit der Wiederbezahlung nachgewiesen werden.
§. 633. Soll die Handlung nicht fortgesetzt werden: so muß der Vormund sich Mühe geben, jemanden auszumitteln, der dieselbe im Ganzen unter möglichst vortheilhaften Bedingungen für den Pflegebefohlnen übernehme.
§. 634. Die Uebernehmung muß auf den Grund eines vollständigen Handlungsinventarii geschehen; und sowohl die Waaren, als die ausstehenden Schulden, müssen durch die vereideten Sachverständigen gewürdigt werden.
§. 635. Sonst bedarf es zu einer solchen Ueberlassung, außer der obervormundschaftlichen Approbation, keiner Solennitäten.
§. 636. Auch Grundstücke, die mit der Handlung untrennbar verbunden sind, können einem solchen Uebernehmer ohne förmliche Subhastation zugeschlagen werden.
§. 637. Findet sich kein tauglicher Uebernehmer der Handlung im Ganzen: so muß der stückweise Verkauf der Waaren, und die Einziehung der Schulden, durch den Disponenten unter Aufsicht des Vormundes besorgt werden.
§. 638. Dabey ist überall nach kaufmännischer Handlungsweise zu verfahren; und neue Geschäfte dürfen nur in so fern, als ohne selbige die Beendigung der alten entweder gar nicht, oder nur mit erheblichem Schaden des Pflegebefohlnen zu bewirken seyn würde, unternommen werden.
§. 639. Hat der Erblasser der Pflegebefohlnen zur Zeit seines Ablebens mit einem Andern in einer Handlungsgesellschaft gestanden: so bestimmen der Inhalt seiner letzwilligen Verordnung, die Vorschriften des Contracts, und in deren Ermangelung die Gesetze: ob und wie eine solche Compagniehandlung fortgesetzt oder aufgehoben werden müsse.
§. 640. Hängt die Fortsetzung oder Aufhebung von dem freyen Entschlüsse des Vormundes und vormundschaftlichen Gerichts ab: so müssen diese nach den Vorschriften §. 617. sqq. sich achten.
§. 641. So weit durch rechtsbeständige Verabredungen, oder Verordnungen des Erblassers, der Vormund von der Einmischung in die fortzusetzende Societätshandlung nicht ausgeschlossen ist, hat er dabey eben die §. 627. sqq. ihm beygelegten Rechte und Pflichten.
§. 642. Eben so muß der die Handlung fortsetzende Gesellschafter, in Rücksicht auf den Vormund und das Gericht, dasjenige beobachten, was §. 628-632. dem Disponenten vorgeschrieben ist.
10) wegen einer dem Pflegebefohlnen zufallenden Erbschaft.
§. 643. Erbschaften, welche den Pflegebefohlnen während des Laufes der Vormundschaft zufallen, kann der Vormund ohne besondere Approbation, jedoch nur mit dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii, antreten.
§. 644. Soll eine Erbschaft ausdrücklich ohne Vorbehalt angetreten, oder ausdrücklich abgelehnt werden: so ist dazu die Approbation des vormundschaftlichen Gerichts nothwendig.
§. 645. In jedem Falle muß der Vormund dergleichen Anfall dem Gerichte sofort anzeigen, und hiernächst demselben das aufgenommene Inventarium vorlegen.
§. 646. Wegen Ausmittelung, Regulirung, Sicherstellung, und Verwaltung einer solchen Erbschaft, ingleichen wegen Bezahlung der Schulden, finden alle wegen des ursprünglichen Vermögens der Pflegebefohlnen in dem gegenwärtigen Abschnitte ertheilte Vorschriften Anwendung.
Rechnungslegung des Vormundes.
§. 647. Jeder verwaltende Vormund ist von seiner Verwaltung alljährig Rechnung abzulegen, und dieselbe spätestens innerhalb Dreyer Monathe nach dem Ablaufe des Rechnungsjahres, bey dem vormundschaftlichen Gerichte einzureichen verbunden.
§. 648. Wenn mehrere Vormünder gemeinschaftlich administrirt haben: so muß von ihnen gemeinschaftlich Rechnung gelegt werden; wenn sie auch die Verwaltung durch ein Privatabkommen unter sich getheilt hätten.
§. 649. Ist Einem von ihnen nur ein gewisses Fach der Administration von dem Erblasser, oder von dem Richter angewiesen: so ist er auch nur darüber Rechnung zu legen verbunden.
§. 650. Ist zwar die Verwaltung unter mehrere Vormünder getheilt; Einem aber die Hauptdirection übertragen: so muß dieser aus den Specialrechnungen der Nebenvormünder die Hauptrechnung formiren, und einreichen.
§. 651. Bey geringern Vormundschaften kann, wenn die Rechnung des ersten Jahres gelegt und abgenommen ist, der Termin für die folgenden auf Zwey bis Drey Jahre bestimmt werden.
§. 652. Sind die Einkünfte des Vermögens der Mutter, oder einem Dritten, oder auch dem Vormunde selbst, gegen die Erziehungs- und Verpflegungskosten, in Pausch und Bogen überlassen: so vertritt ein alljährig beizubringender Nachweis von der Substanz des Vermögens die Stelle der Rechnung.
§. 653. Bey Handlungen dient die alljährig durch einen vereideten Buchhalter aus den Büchern gezogne, und von dem Vormunde, nach vorhergegangner Revision, als richtig attestirte Balance statt der Rechnung.
§. 654. Dergleichen Balance muß von dem Richter eben so verwahrt werden, wie in Ansehung des Inventarii verordnet ist.
§. 655. Das Inventarium oder Verzeichniß, nach welchem dem Vormunde das Vermögen übergeben worden, ist die Grundlage der Rechnung.
§. 656. Nach Anleitung desselben, und des etwanigen Theilungsrecesses, muß bey jeder Rechnungslegung der Zustand des Vermögens, wie er sich am Anfange, und beym Abschlusse der Rechnung verhalten hat, nachgewiesen werden.
§. 657. Die Rechnung muß ein vollständiges Verzeichniß aller in dem Rechnungsjahre vorgefallenen Einnahmen und Ausgaben enthalten.
§. 658. Auch die auf unmittelbaren Befehl des Gerichts erfolgten, oder durch das Depositum desselben gegangnen Einnahmen und Ausgaben, müssen in der Rechnung mit aufgeführt werden.
§. 659. Das Gericht muß daher dem Vormunde von dergleichen Zahlungen die erforderlichen Nachrichten und Extracte in Zeiten mittheilen.
§. 660. Die Richtigkeit der Einnahme und Ausgabe muß durch Beläge, Quittungen, oder andre Bescheinigungen, nothdürftig nachgewiesen werden.
§. 661. Ueberhaupt hat der administrirende Vormund, bey Führung und Ablegung der Rechnung, alles zu beobachten, was dabey einem Verwalter fremder Güter vorgeschrieben ist. (Th. I. Tit. XIV. Abschn. II.)
§. 662. Das vormundschaftliche Gericht ist schuldig, den Vormund zur Rechnungslegung von Amts wegen anzuhalten, und die gelegte Rechnung sorgfältig zu prüfen.
§. 663. Diese Prüfung muß sowohl auf die Richtigkeit der Rechnung nach den Regeln der Rechenkunst, und der Beläge; als auf den Inhalt, die Beschaffenheit und Nützlichkeit der vorgefallenen Geschäfte, in Einnahme und Ausgabe, gerichtet seyn.
§. 664. Ist ein Ehrenvormund bestellt: so muß demselben von Einlangung der Rechnung, und dem bevorstehenden Termine zu deren Abnahme, von Amts wegen Nachricht gegeben werden.
§. 665. Der Ehrenvormund ist berechtigt, die Rechnung nachzusehen, und Ausstellungen dagegen zu machen.
§. 666. Besonders ist er bey der Abnahme derselben schuldig, das Beste der Pflegebefohlnen zu beobachten.
§. 667. Für die Berichtigung der dem Vormunde gezogenen und von ihm nicht gehobenen Defecte, muß der Richter von Amts wegen sorgen.
§. 668. Was wegen der Einziehung der Ueberschüsse verordnet ist, muß auch wegen der aus der Rechnung sich ergebenden Cassenbestände beobachtet werden. (§. 545. sqq.)
§. 669. In Ansehung des Cassenbestandes, und solcher Defecte, deren Richtigkeit der Vormund anerkennt, kann das vormundschaftliche Gericht nöthigen Falls die Execution verfügen, ohne daß es darüber eines förmlichen Prozesses bedarf.
§. 670. Steht der Vormund unter einer andern Jurisdiction: so muß der gehörige Richter, auf die bloße Requisition des Vormundschaftsarntes, die Execution in dergleichen Fällen unweigerlich vollstrecken.
§. 671. Wie es aber zu halten sey, wenn der Vormund die gezognen Defecte nicht anerkennen will, ist in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 672. Ist eine Vormundschaft über mehrere Pflegebefohlne zugleich, die aber nicht mehr in ungeteilten Gütern leben, angeordnet: so muß über das Vermögen eines jeden derselben besondere Rechnung geführt, und gelegt werden.
§. 673. Sind mehrere Pflegebefohlne vorhanden, welche theils ein gemeinschaftliches, theils jeder für sich ein abgesondertes Vermögen besitzen: so muß, außer der gemeinschaftlichen, auch für jeden eine besondre Rechnung geführt, und abgelegt werden.
§. 674. Gehört zu dem Vermögen ein in einer andern Königlichen Provinz gelegenes Grundstück: so muß die Wirthschaftsrechnung darüber zwar besonders geführt, und bey dem Richter der Sache abgelegt werden;
§. 675. Der Vormund muß aber den, nach Abzug der Wirthschaftsausgaben, sich ergebenden Ueberschuß der Gutseinkünfte in der Vormundschaftsrechnung mit aufführen, und daselbst gehörig nachweisen.
§. 676. Auch muß der Richter der Sache die abgenommene Wirthschaftsrechnung dem vormundschaftlichen Gerichte zuschicken, und demselben von seinem Befunde bey der Revision und Abnahme Nachricht geben.
§. 677. Das vormundschaftliche Gericht ist befugt and schuldig, diese Rechnung nochmals zu prüfen, und mit der bey ihm gelegten Vormundschaftsrechnung zu vergleichen.
§. 678. Wenn die Rechnung richtig befunden, oder die dagegen gemachten Ausstellungen gehoben worden: so muß dem Vormunde eine schriftliche Quittung darüber ertheilt werden.
In wiefern Vormünder von der Obrigkeitlichen Aufsicht entbunden werden können.
§. 679. Der vorstehend verordneten Obsorge des Staats über die Person und das Vermögen der Pflegebefohlnen, können dieselben durch keine Willenserklärungen oder Verfügungen entzogen werden.
§. 680. Eine Verordnung also, das Pflegebefohlne bevormundet bleiben sollen, ist unerlaubt und nichtig.
§. 681. Wohl aber kann der Erblasser der Pflegebefohlnen einen von ihm ernannten Vormund von den §. 422-678. vorgeschriebenen Einschränkungen der vormundschaftlichen Administration ganz oder zum Theil befreyen.
§. 682. Dergleichen Befreyung kann aber nur durch eine gerichtliche Erklärung, oder in einem förmlichen gerichtlich aufgenommenen oder niedergelegten Testamente, verordnet werden.
§. 683. Auch ist nur ein solcher Erblasser, welcher den Pflegebefohlnen mehr, als einen ihnen schuldigen Pflichttheil zuwendet, dazu berechtigt.
§. 684. Aber auch ein solcher Vormund muß zu seinem Amte bey dem vormundschaftlichen Gerichte verpflichtet, und mit einer schriftlichen Bestallung, in welcher die nach dem Willen des Erblassers ihm zukommenden Befreyungen ausgedrückt sind, versehen werden.
§. 685. Der allgemeinen Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts ist auch ein solcher Vormund unterworfen.
§. 686. Wenn unbewegliche Güter der Pflegebefohlnen veräußert werden sollen: so muß der Vormund dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige machen,
§. 687. Dieses ist zwar weder befugt noch schuldig, die Ursache der Veräußerung zu beurtheilen; die Art derselben aber muß, mit seiner Genehmigung, nach den Gesetzen bestimmt werden.
§. 688. Wenn erhebliche Anzeigen eines unordentlichen, offenbar unbesonnenen, oder gar unredlichen Verfahrens gegen den Vormund zur Wissenschaft des vormundschaftlichen Gerichts gelangen: so muß dasselbe diese Anzeigen sofort näher untersuchen, und für die Sicherheit der Pflegebefohlnen sorgen.
§. 689. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Vormund in sichtbaren Vermögensverfall zu gerathen anfängt; oder wenn er, nach angetretener Vormundschaft, eine Königliche Cassenbedienung, Domainenadministration, oder Pachtung übernimmt.
§. 690. Doch darf der Richter, bey der über einen solchen Vormund zu führenden Aufsicht, nur ein grobes Versehen vertreten.
§. 691. Wenn aus vorstehenden Gründen befunden wird, daß der Vormund auch nur bey einem einzelnen Falle oder Geschäfte, durch offenbare Unordnungen, oder gar durch unredliches Verfahren, dem Vertrauen des Erblassers zuwider gehandelt habe: so muß er sich der Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts durchgehends eben so unterwerfen, als wenn keine ihn davon befreyende Verordnung des Erblassers vorhanden wäre.
§. 692. Die einem Testamentsvormunde ertheilten Befreyungen kommen demjenigen, der in seiner Ermangelung, oder bey seinem Abgange, an seiner Stelle ernannt worden, nicht zu statten, wenn sie nicht ausdrücklich auch auf ihn mit gerichtet sind.
§. 693. Aus dem Verbote der Herausgabe eines offenen Privatinventarii folgt die Befreyung des Vormundes von der Rechnungslegung.
§. 694. Aus dem bloßen Verbote der Rechnungsablegung allein, folgt noch nicht die Befreyung des Vormundes von der, über die Substanz des Vermögens, nach §. 652. beyzubringenden Nachweisung.
Achter Abschnitt. Von Aufhebung der Vormundschaften
§. 695. Die Vorsorge des Staats für seine Pflegebefohlnen darf nicht länger fortgesetzt werden, als die Umstände dauern, welche sie nothwendig gemacht haben.
I. Von Seiten der Pflegebefohlnen:
1) durch erreichte Volljährigkeit;
§. 696. Eine wegen Minderjährigkeit angeordnete Vormundschaft hört auf, wenn der Pflegebefohlne das Vier und zwangzigste Jahr zurückgelegt hat.
§. 697. Diesen gesetzlichen Termin der Volljährigkeit kann in der Regel kein Erblasser der Pflegebefohlnen, weder verlängern, noch verkürzen.
§. 698. Hat aber der Vater eine Verlängerung der Vormundschaft zum Besten der Pflegebefohlnen ausdrücklich verordnet: so muß dieselbe, jedoch nicht weiter, als höchstens Sechs Jahre über den gesetzlichen Termin der Volljährigkeit, fortgesetzt werden.
§. 699. Hat nicht der Vater, sondern nur ein anderer Erblasser dergleichen Verlangen geäußert: so ist dennoch das vormundschaftliche Gericht schuldig, von Amts wegen näher zu prüfen: ob gesetzmäßige Ursachen vorhanden sind, welche die Fortsetzung der Vormundschaft nothwendig machen.
§. 700. Für gesetzmäßige Gründe sind in diesem Falle nur solche zu achten, welche hinreichen würden, auch einen Volljährigen, als Verschwender, unter Vormundschaft zu setzen.
§. 701. Eine erhebliche Gemüthsschwäche, wenn gleich selbige noch nicht bis zu einem solchen Grade gestiegen wäre, der die Anordnung einer neuen Vormundschaft nothwendig machen könnte, kann dennoch die auch nur von einem Fremden angeordnete Fortsetzung derjenigen, welche bisher wegen minderjährigen Alters angeordnet war, unter der Bestimmung des §. 698. rechtfertigen.
§. 702. In allen Fällen, wenn eine Verlängerung der Vormundschaft, es sey nach der Anordnung des Vaters, oder nach dem Befinden des Richters, für nöthig erachtet wird, kann dem Pflegebefohlnen das rechtliche Gehör dagegen nicht versagt werden.
§. 703. Doch wird, während des Prozesses, die Vormundschaft fortgesetzt.
§. 704. In allen Fällen, da eine wegen Minderjährigkeit angeordnete Vormundschaft über den gesetzlichen Termin der Volljährigkeit verlängert wird, muß diese Verlängerung eben so, wie bey Prodigalitätserklärungen verordnet ist, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 705. Damit in dem Verkehre des bürgerlichen Lebens jeder im Stande sey, sich vollkommen zu vergewissern: ob derjenige mit dem er einen Vertrag schließen oder ein andres Geschäft verhandeln will, noch unter Vormundschaft stehe, oder nicht: so soll jedem Pflegebefohlnen, welcher nach erlangter Volljährigkeit der Vormundschaft entlassen wird, ein schriftliches Zeugniß darüber von dem vormundschaftlichen Gerichte ertheilt werden.
§. 706. Dergleichen Zeugniß dient aber bloß zur Legitimation des gewesenen Pflegebefohlnen, und der Mangel desselben bewirkt für sich allein keine Ungültigkeit in dem mit ihm verhandelten Geschäfte.
§. 707. Uebrigens bleibt zwar dem Vater sowohl als jedem Andern, welcher einem Pflegebefohlnen mehr, als einen ihm schuldigen Pflichttheil zuwendet, die Befugniß, seine Disposition darüber auch nach erlangter Volljährigkeit einzuschränken.
§. 708. Die Kraft solcher Einschränkungen aber erstreckt sich nur auf die geschehene Zuwendung, und verpflichtet so wenig den Vormund, als das vormundschaftliche Gericht, sich einer ferneren Aufsicht oder Administration zu unterziehn.
§. 709. Doch muß das Gericht, ehe es die Vormundschaft aufhebt, von Amtswegen dafür sorgen, daß dergleichen Einschränkungen, wenn sie Grundstücke betreffen, im Hypothekenbuche eingetragen, und wenn sie Capitalien angehen, den Schuldnern derselben bekannt gemacht werden.
§. 710. Auch muß das vormundschaftliche Gericht solche Einschränkungen in dem nach §. 705. dem gewesenen Pflegebefohlnen zu ertheilenden Zeugnisse mit bemerken.
§. 711. In wie fern über dergleichen solchen Einschränkungen unterworfene Gegenstände gültig verfügt werden könne, oder nicht, ist nach den Vorschriften des Vierten Titels im Ersten Theile, §. 15. sqq. zu beurtheilen.
§. 712. Aus eigner Bewegung darf sich die Obrigkeit der vormundschaftlichen Obsorge für einen Pflegebefohlnen vor erreichtem volljährigen Alter desselben, niemals entziehen.
2) durch Majorennitäts-Erklärung.
§. 713. Der Pflegebefohlne hingegen kann die Majorennitätserklärung suchen, wenn er nachweisen kann, daß er sich selbst vorzustehen vollkommen fähig sey; und daß die Aufhebung der Vormundschaft seinen wahren und dauernden Vortheil mehr, als deren Fortsetzung, befördern werde.
§. 714. Ob dergleichen Umstände vorhanden sind, muß das vormundschaftliche Gericht, mit Zuziehung des bisherigen Vormundes, der anwesenden nächsten Verwandten, und derjenigen Personen, unter deren Aufsicht der Pflegebefohlne bisher gestanden hat, sorgfältig prüfen.
§. 715. Wenn ein Vater für sein Kind die Majorennitätserklärung selbst nachsucht: so muß die §. 714. verordnete Prüfung des vormundschaftlichen Gerichts zwar ebenfalls erfolgen;
§. 716. Doch muß diese Prüfung nur darauf gerichtet werden: ob Umstände vorhanden sind, unter welchen das Interesse des für volljährig zu erklärenden Kindes mit dem des Vaters in Widerspruch kommen, und also das Kind durch die Majorennitätserklärung Schaden leiden könnte.
§. 717. Hat der verstorbene Vater der Pflegebefohlnen die Abkürzung des Termins zur Volljährigkeit gewollt: so bedarf es keiner Untersuchung; in so fern nicht der Vormund erhebliche Gründe anführt, welche die Fortsetzung der Vormundschaft zum eigenen Besten des Pflegebefohlnen rathsam machen.
§. 718. Dagegen ist jedes Gesuch um Majorennitätserklärung unstatthaft, wenn der Vater dasselbe verboten, oder auch nur seinen Willen, daß die Vormundschaft bis zur erlangten Volljährigkeit fortdauern solle, ausdrücklich geäußert hat.
§. 719. Vor zurückgelegtem Achtzehnten Jahre, bey Personen weiblichen, und vor zurückgelegtem Zwanzigsten, bey Personen männlichen Geschlechts, findet keine Majorennitätserklärung statt.
§. 720. In Provinzen, wo Personen des Bürger- oder Bauernstandes, nach bisherigen Rechten, die Volljährigkeit mit zurückgelegtem Ein und zwanzigsten Jahre erreicht haben, ist das vormundschaftliche Gericht, unter welchem sie stehen, die Majorennitätserklärung ohne weitere Rückfrage bey einer höhern Instanz zu ertheilen befugt.
§. 721. In wie fern in Provinzen, wo bisher das Fünf und zwanzigste Jahr der Termin der Volljährigkeit gewesen ist, so wie bey Adlichen überhaupt, die Majorennitätserklärung nur von dem Justizdepartement, oder von einem Landescollegio ertheilt werden könne, soll in den Provinzialgesetzbüchern näher bestimmt werden.
§. 722. Bis dahin hat es bey der bisherigen Verfassung einer jeden Provinz in Ansehung dieser Fälle (§. 721.) sein Bewenden.
§. 723. In allen Fällen, wo der Stand eines Pflegebefohlnen männ- oder weiblichen Geschlechtes auf die Beurtheilung der Frage: von welcher Behörde die Majorennitätserklärung zu ertheilen sey ? Einfluß hat, soll nur auf den Stand, welchen eine solche Person zur Zeit der angeordneten Vormundschaft gehabt hat, gesehen werden.
§. 724. Die Majorennitätserklärung hat mit der wirklich erreichten Volljährigkeit durchgehends gleiche Wirkung.
§. 725. Nur wegen Veräußerung und Verpfändung unbeweglicher Güter können derselben Einschränkungen beygefügt; es müssen aber dieselben alsdann auf das Grundstück selbst eingetragen werden.
§. 726. Dergleichen Einschränkung erstreckt sich niemals auf Grundstücke, welche der gewesene Pflegebefohlne, erst nach erfolgter Majorennitätserklärung, von seinem Capitalsvermögen angeschafft oder sonst erworben hat.
§. 727. So weit der gewesene Pflegebefohlne nach §. 725. wegen Veräußerungen und Verpfändungen eingeschränkt ist, muß er, wenn dergleichen Handlungen dennoch vorgenommen werden sollen, die Genehmigung desjenigen Gerichts, unter dessen Obervormundschaft er gestanden hat, nachsuchen.
3) in Ansehung der Einkünfte, nach zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre.
§. 728. Einem jeden Pflegebefohlnen kann, nach zurückgelegtem Zwanzigsten Jahre, der von den Einkünften seines Vermögens, nach Abzug der Wirthschaftsausgaben, Zinsen, und Administrationskosten, verbleibende Ueberschuß, zur eignen Verwaltung und Verwendung überlassen werden.
§. 729. Auch die Verwaltung der Vermögenssubstanz selbst kann ihm auf sein Begehren übertragen werden; wenn er es aber verlangt: so muß der Vormund dieselbe bis zur erlangten Volljährigkeit fortsetzen.
§. 730. In beyden Fällen bleibt jedoch der Pflegebefohlne der Aufsicht des Vormundes und vormundschaftlichen Gerichts in so weit unterworfen, daß er denselben von der Führung seiner Administration, und von der Verwendung seiner Einkünfte, auf Erfordern Red und Antwort geben muß.
§. 731. In Ansehung seiner Person hingegen, und der Substanz seiner unbeweglichen Güter, so wie der ausstehenden Capitalien, bleibt auch ein solcher Pflegebefohlner, bis nach zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre, eben den Einschränkungen, wie jeder Andere, unterworfen.
§. 732. Er kann also ohne Zuziehung des Vormundes weder unbewegliche Güter, Juwelen und Kostbarkeiten veräußern, verpfänden, oder sonst beschweren, noch Capitalien aufkündigen und einziehen.
§. 733. Auch kann er ohne Approbation des vormundschaftlichen Gerichts keine neue Darlehne aufnehmen.
§. 734. Andere Verträge kann er nur in so fern schließen, als er, ohne diese Befugniß, die ihm überlassene Verwaltung nicht würde führen können.
§. 735. Außerordentliche Holzverkäufe aus den Forsten, welche den gewöhnlichen Etat übersteigen, darf er ohne Einwilligung des Vormundes, und Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts nicht unternehmen.
4) durch Verheirathung einer Pflegebefohlnen.
§. 736. Durch die Verheirathung der Pflegebefohlnen wird die Vormundschaft nicht aufgehoben.
§. 737. Es kann aber dem Ehemanne einer Pflegebefohlnen weiblichen Geschlechts der ihm nach den Gesetzen zukommende Nießbrauch ihres Vermögens nicht vorenthalten werden.
§. 738. Ob ein Theil des Vermögens der Frau vorzubehalten, oder zum Erbschatze zu bestellen sey? muß der Vormund, unter Direction der Obrigkeit, vernünftig beurtheilen, und durch Verträge mit dem Ehemanne, vor Vollziehung der Heirath, festsetzen.
§. 739. Daß kein Vorbehalt gemacht, oder kein Erbschatz bestellt worden, soll weder dem Vormunde, noch der Obrigkeit, zur Vertretung gereichen.
§. 740. Dagegen ist zur Bestellung eines Erbschatzes aus dem Vermögen der Pflegebefohlnen, die eigne Einwilligung derselben erforderlich.
§. 741. Das vorbehaltene Vermögen, und dessen Einkünfte, bleiben unter vormundschaftlicher Verwaltung.
§. 742. Von dem Erbschatze, und von dem nicht vorbehaltenen Vermögen der Pflegebefohlnen, gebühret der Regel nach auch die Verwaltung dem Ehemanne; die Substanz aber bleibt der Aufsicht des Vormundes und vormundschaftlichen Gerichts unterworfen.
§. 743. Der Ehemann kann also die unbeweglichen Güter der Frau selbst bewirthschaften oder verpachten; wegen der Veräußerung und Verpfändung aber, müssen die gesetzlichen Vorschriften eben so beobachtet werden, als wenn keine Heirath geschlossen wäre.
§. 744. Gehört ein Wald zu solchen Grundstücken: so kann ihn der Ehemann forstmäßig nutzen; außerordentliche Holzschläge hingegen darf er, ohne Einwilligung des Vormundes, und Approbation des vormundschaftlichen Gerichts, nicht unternehmen.
§. 745. Die Zinsen der Capitalien kann der Ehemann selbst erheben; hingegen ist er zur Aufkündigung und Einziehung von Capitalien, ohne Zuthun des Vormundes, und ohne Approbation des Gerichts, nicht berechtigt.
§. 746. In allen Fällen muß der Ehemann der Pflegebefohlnen, bey jeder mit der Substanz vorzunehmenden Veränderung, mit seinem Gutachten vernommen werden.
§. 747. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Vormund die Verwaltung auch nach der Heirath fortsetzt, und in der Art der Administration eine Veränderung geschehen soll.
§. 748. Doch sind der Vormund und das Gericht an die Meinung und das Gutachten des Mannes nicht gebunden.
§. 749. Von der eingekommenen Vormundschaftsrechnung, so wie von dem Termine zur Abnahme derselben, muß dem Ehemanne Nachricht gegeben, und ihm frey gelassen werden, die Rechnung einzusehen, Ausstellungen dagegen zu machen, und der Abnahme beyzuwohnen.
§. 750. Verlangt der Ehemann, daß ihm auch die baaren Gelder oder ausstehenden Capitalien seiner noch nicht volljährigen Frau in die Hände gegeben werden: so muß er dafür hinlängliche Sicherheit mit Grundstücken, oder gerichtlich eingetragenen Activforderungen bestellen.
§. 751. Diese Sicherheit muß so beurtheilt und geprüft werden, wie es bey dem Ausleihen der Mündelgelder vorgeschrieben ist. (§. 467. sqq.)
§. 752. Alsdann erstreckt sich die Obsorge des Vormundes und Gerichts nur auf die Conservation dieser Sicherheit.
§. 753. Wenn der Ehemann einer Pflegebefohlnen bey einer über sich habenden Cassenbedienung, nicht anders als dadurch, daß die Caution für ihn aus dem Vermögen der Frau bestellt werde, zu erhalten ist: so kann der Vormund, unter Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, diese Caution aus dem Vermögen der Pflegebefohlnen leisten.
§. 754. Eben das kann geschehen, wenn der Mann auf Cassen- und Rechnungssachen sich gelegt, und keinen andern Weg, sich und seiner Familie standesmäßigen Unterhalt zu erwerben, für sich hat.
§. 755. Doch muß in beyden Fällen der Vormund von den Fähigkeiten, dem Charakter, und der Wirthschaftlichkeit des Ehemannes mit möglichster Sorgfalt Erkundigung einziehen.
§. 756. Auch muß die Caution immer nur auf eine gewisse bestimmte Summe geleistet werden.
§. 757. Der Vormund muß sich und den Pflegebefohlnen einen nach den Umständen möglichst kurzen Termin zur Aufkündigung der Caution vorbehalten.
§. 758. Er muß sich von dem Ehemanne alljährig, längstens binnen Sechs Wochen nach dem Ablaufe des Cassenjahres, die gehörig erfolgte Ablegung der Rechnung nachweisen: so wie hiernächst die darüber erhaltene Quittung vorzeigen lassen.
§. 759. Sobald der Ehemann, es sey unter welchem Vorwande es wolle, den Nachweis oder die Vorzeigung verzögert, muß sich der Vormund nach den vorgeschützten Ursachen dieser Zögerung, und nach der eigentlichen Lage der Sache, bey der demselben vorgesetzten Behörde sofort erkundigen.
§. 760. Dem vormundschaftlichen Gerichte muß er von Zeit zu Zeit, besonders aber, sobald ein irgend bedenklicher Umstand sich äußert, von dem Verhalten und der Wirthschaft des Mannes, von seiner Ordnung in Führung der Casse und Ablegung der Rechnung, und von den sich etwa dabey äußernden Bedenklichkeiten, pflichtmäßig und ohne Rückhalt Anzeige machen.
§. 761. Sobald erhebliche Besorgnisse einer der Pflegebefohlnen drohenden Vertretung sich äußern, muß das Gericht den Vormund ohne Zeitverlust anweisen, die Caution sofort zu kündigen, und in der Zwischenzeit, durch Beygebung eines Aufsehers, oder andre nach den Umständen schickliche und anwendbare Maaßregeln, die drohende Gefahr möglichst abzuwenden.
§. 762. Wenn der Ehemann der Pflegebefohlnen durch unverschuldete Unglücksfälle in Abnahme seiner Nahrung, oder sonst in Verlegenheit gerathen ist: so kann auch die Substanz des Vermögens der Frau zu seiner Unterstützung so weit verwendet werden, als es nothwendig ist, ihn in einem Zustande, worin er sich und seine Familie ernähren könne, zu erhalten, oder darin wieder herzustellen.
§. 763. Gelangt der Mann wieder in bessere Umstände: so müssen der Vormund und das Gericht für die Ergänzung des Capitalsvermögens der Pflegebefohlnen nach Möglichkeit sorgen.
besonders bey der Verheirathung an einen Kaufmann.
§. 764. Ist die Pflegebefohlne an einen Kaufmann verheirathet; und hat dieser den Ruf einer hinlänglichen Handlungskenntniß und ordentlichen Wirthschaft für sich: so kann er die Ausantwortung der baaren Gelder und Capitalien auch ohne besondre Sicherheitsbestellung verlangen.
§. 765. Er muß aber alsdann eine Balance über den Zustand seiner Handlung dem Vormunde zustellen, und deren Richtigkeit durch Vorlegung der Bücher nachweisen.
§. 766. Besitzt der Vormund nicht selbst hinlängliche Handlungskenntniß: so muß ihm zur Prüfung der Balance, und Vergleichung derselben mit den Büchern, ein sachverständiger Assistent von dem Gerichte zugeordnet werden.
§. 767. Bezeugen der Vormund und dessen Assistent, mit Ueberreichung der versiegelten Balance, daß das Vermögen der Pflegebefohlnen in der Handlung des Mannes, nach deren gegenwärtigen Verfassung, nicht gefährdet sey: so kann das Gericht in dessen Verabfolgung willigen.
§. 768. Es muß aber auch der Mann fernerhin, und so lange die Vormundschaft dauert, bey dem jährlichen Abschlusse und Formirung der Balance, den Vormund und dessen Assistenten zuziehen.
§. 769. Diese jährliche Balance muß ebenfalls, versiegelt, bey dem vormundschaftlichen Gerichte niedergelegt werden.
§. 770. Auch außer dieser gewöhnlichen Revision, kann der Vormund, so oft er es nöthig findet, die Vorlegung der Bücher verlangen.
§. 771. Sobald der Vormund, bey einer solchen gewöhnlichen oder außerordentlichen Revision, eine dem Vermögen der Pflegebefohlnen drohende Gefahr inne wird, muß er selbige dem Gerichte ohne Rückhalt anzeigen.
§. 772. Auch muß er, unter Direction des Gerichts, die erforderlichen Vorkehrungen treffen, daß durch Beygebung eines Aufsehers, oder andere nach den Umständen schickliche Mittel, die drohende Gefahr nach Möglichkeit abgewendet werde.
§. 773. Will der Mann mit dem Vermögen der Frau erst eine Handlung anfangen: so kann er dessen Ausantwortung nur gegen vollständige Sicherheitsbestellung fordern.
§. 774. Will der Mann eine der Pflegebefohlnen von ihrem Vater oder sonstigem Erblasser zugefallene Handlung fortsetzen: so muß er dazu, auf beigebrachte glaubwürdige Zeugnisse von seinen Fähigkeiten, Kenntnissen, und Wirtschaftlichkeit, gelassen werden; sobald nicht überwiegende Gründe zur gänzlichen Aufhebung einer solchen Handlung, nach dem Gutachten der Sachverständigen vorhanden sind. (§. 617. sqq.)
§. 775. Wird dem Manne die Fortsetzung der Handlung gestattet: so ist er als Disponent anzusehen, und steht, als solcher, gegen den Vormund und das Gericht, in den §. 627. sqq. bestimmten Verhältnissen.
Von Erbverträgen bey der Verheirathung einer Pflegebefohlnen.
§. 776. Sollen bey Verheirathung eines oder einer Pflegebefohlnen, Verträge wegen der künftigen Erbfolge geschlossen werden: so muß der Vormund das Interesse der Pflegebefohlnen redlich besorgen, und die Approbation des vormundschaftlichen Gerichts einholen.
§. 777. Weder der Vormund, noch das Gericht, machen sich verantwortlich, wenn sie in Ansehung der Erbfolge bey den Verordnungen der Gesetze stehen bleiben.
§. 778. Soll durch dergleichen Verträge gewissen Vortheilen entsagt werden, welche die Gesetze den Pflegebefohlnen in dem künftigen Nachlasse ihres Ehegatten anweisen: so muß der Vormund die dazu vorwaltenden Gründe dem vormundschaftlichen Gerichte zur besondern Prüfung anzeigen.
§. 779. Findet das Gericht, daß der Vortheil, welchem entsagt werden soll, von dem Nutzen, welchen die Pflegebefohlnen aus dieser Entsagung vernünftiger Weise erwarten können, überwogen werde; und genehmigt also dasselbe die Entsagung: so kann weder ihm, noch dem Vormunde, ein widriger Erfolg zur Last gelegt werden.
Besonders wo Gemeinschaft der Güter stattfindet.
§. 780. Wenn an Orten, wo die Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten nach Provinzialgesetzen oder Statuten eingeführt ist, ein Pflegebeföhlner männlichen oder weiblichen Geschlechts noch während der Lebenszeit des Vaters verheirathet; und dabey die Gemeinschaft durch Vertrag gesetzmäßig nicht ausgeschlossen worden: so können der Vormund und das vormundschaftliche Gericht die Fortsetzung derselben nicht hindern.
§. 781. Wohl aber können und müssen sie, wenn gesetzmäßige Gründe der Aufhebung eintreten, davon zum Besten der Pflegebefohlnen Gebrauch machen. (Tit. I. §. 420. 421.)
§. 782. Wird die Ehe erst während der Vormundschaft geschlossen: so bleibt die Gemeinschaft bis nach erfolgter Aufhebung der Vormundschaft ausgesetzt.
§. 783. Doch kann der Vormund, wenn er es dem Besten der Pflegebefohlnen offenbar zuträglich findet, die Aussetzung mit Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts sich begeben.
§. 784. Weder die gesetzmäßige Aussetzung der Gemeinschaft, noch die von dem Vormunde geschehene Entsagung dieser Rechtswohlthat, bedürfen einer öffentlichen Bekanntmachung.
§. 785. Ist die Gemeinschaft ausgesetzt geblieben: so muß das Gericht, gleich nach aufgehobener Vormundschaft, die gewesene Pflegebefohlne vernehmen: ob sie in dergleichen Gemeinschaft mit dem Ehemanne zu treten gesonnen sey?
§. 786. Der Richter muß ihr alsdann ihre Gerechtsame, die Folgen der einzugehenden Gemeinschaft, und die Notwendigkeit einer öffentlichen Bekanntmachung, wen sie ausgeschlossen werden solle, gehörig erklären.
§. 787. Der gewesene Vormund vertritt dabey die Stelle ihres Assistenten; doch kann sie sich auch, statt seiner, einen andern Beystand wählen.
§. 788. Daß der Pflegebefohlnen diese Erklärung angefordert worden; und wohin dieselbe ausgefallen sey? muß in dem nach §. 705. bey der Entlassung aus der Vormundschaft ihr zu ertheilenden Zeugnisse ausgedruckt werden.
§. 789. Trägt die gewesene Pflegebefohlne auf die Ausschließung der Gemeinschaft an: so muß wegen dessen Bekanntmachung das Erforderliche sofort verfügt werden.
§. 790. Willigt sie in die Gemeinschaft: so erstrecken sich die Wirkungen derselben auf den Anfang der Ehe zurück.
§. 791. Eben das findet statt, wenn die gewesene Pflegebefohlne Drey Monathe, nach der von dem Richter ihr ertheilten Belehrung, verstreichen läßt, ohne sich zur Ausschließung der Gemeinschaft zu erklären, und die gehörige Bekanntmachung zu suchen.
§. 792. Gegen diesen Entschluß der Pflegebefohlnen, (§. 785.) er falle aus wie er wolle, hat ihr Ehegatte kein Recht zum Widerspruch.
§. 793. Ist aber gleich bey der Einschreitung der Ehe die Gemeinschaft, mit Beystimmung des Vormundes, und unter Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts, ausgeschlossen worden: so hat es dabey, auch nach erreichter Volljährigkeit der Pflegebefohlnen sein Bewenden.
§. 794. Haben der Vormund, und das vormundschaftliche Gericht, bey Aufhebung der Vormundschaft, die Erklärung der gewesenen Pflegebefohlnen nach §. 785. 786. zu fordern verabsäumt; und hat auch diese innerhalb Dreyer Monathe nach erlangter Volljährigkeit auf die Ausschließung nicht angetragen: so muß angenommen werden, daß die Gemeinschaft mit der §. 790. bestimmten Wirkung vorhanden sey.
§. 795. Leidet die gewesene Pflegebefohlne dadurch in der Folge Schaden: so bleibt ihr der Regreß an den Vormund und das Gericht, welche ihre Pflicht vernachlässigt haben, vorbehalten.
§. 796. Wird die Ehe während der Vormundschaft durch Tod oder richterliches Erkenntniß getrennt: so ist keine Gemeinschaft der Güter vorhanden.
§. 797. Erfolgt aber dergleichen Trennung nach aufgehobener Vormundschaft, und ist keine ausdrückliche Ausschließung geschehen: so wird, selbst wenn die §. 791. bestimmte Frist noch nicht abgelaufen wäre, dennoch angenommen, daß die Gemeinschaft statt gefunden habe.
§. 798. Wo nach Provinzialgesetzen oder Statuten, nur eine Gemeinschaft des Erwerbes durch Heirath entsteht; da hat es, wegen der Ehen der Pflegebefohlnen, bey den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften sein Bewenden. (Tit. I. §. 396. sqq.)
§. 799. Gütergemeinschaft durch Vertrag einzugehn, sind der Vormund und das Gericht nur alsdann berechtigt, wenn davon ein offenbarer Vortheil für die Pflegebefohlnen mit völliger Sicherheit zu erwarten ist.
Von der Verheirathung einer Pflegebefohlnen zur linken Hand.
§. 800. Heirathet eine Pflegebefohlne zur linken Hand, so wird dadurch in der Vormundschaft über sie, in der Verwaltung ihres Vermögens, und ihrer Einkünfte, nichts verändert (Tit. I. §. 874. sqq.)
§. 801. Der Vormund muß aber, bey der Aussetzung und Sicherstellung der ihr zukommenden Abfindung, ihr Bestes gehörig wahrnehmen.
Von der Verheirathung eines Pflegebefohlnen männlichen Geschlechts.
§. 802. Heirathet ein Pflegebefohlner männlichen Geschlechtes: so entsteht dadurch in seinen Verhältnissen wegen der Vormundschaft gar keine Veränderung.
§. 803. In wie fern er für volljährig zu erklären, oder ihm die eigne Administration seines Vermögens zu überlassen sey? muß lediglich nach den obigen Vorschriften beurtheilt werden.
§. 804. Erwerben oder besitzen die von ihm erzeugten Kinder, vor aufgehobner Vormundschaft über ihn, ein eignes Vermögen: so hat sein Vormund in Ansehung desselben alle Rechte und Pflichten, die ihm in Ansehung des eignen Vermögens des Vaters vorgeschrieben sind.
§. 805. Doch können Befreyungen von der Obervormundschaftlichen Aufsicht, die dem Vormunde, wegen des Vermögens des Vaters, auf eine an sich rechtsgültige Weise eingeräumt worden, auf einen solchen nachherigen Vermögensanfall der Kinder nicht ausgedehnt werden.
§. 806. Ueber die Person der Kinder hat der auch unter Vormundschaft stehende Vater alle Rechte der väterlichen Gewalt, die sich auf eine Vermögensverwaltung nicht beziehen.
5) Anstellung bürgerlicher Gewerbe.
§. 807. Zur eignen Betreibung bürgerlicher Gewerbe soll kein Minderjähriger vor erfolgter Majorennitätserklärung zugelassen werden.
§. 808. Ist dieses dennoch geschehen: so wird die Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit seiner Handlungen und Verträge, in Ansehung des Dritten, welcher mit ihm sich eingelassen hat, nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von den Verträgen der Unfähigen beurtheilt. (Th. I. Tit. V. §. 31. sqq.)
§. 809. Dem Pflegebefohlnen selbst aber, welcher dadurch Schaden leidet, bleibt der Regreß an den, welcher ihn zu dem Gewerbe ordnungswidrig zugelassen hat, vorbehalten.
§. 810. Wird jemanden vor erlangter Volljährigkeit ein Amt übertragen: so hat der Mangel des Alters auf die Verbindlichkeit und Rechtskraft seiner Amtshandlungen keinen Einfluß.
§. 811. In seinen eignen Angelegenheiten aber bleibt er den gesetzlichen Einschränkungen der Minderjährigen nach wie vor unterworfen.
§. 812. Wer für einen Verschwender erklärt worden, dem soll der eigne Betrieb bürgerlicher Gewerbe ferner nicht gestattet werden.
§. 813. In wie fern und mit welcher Wirkung einem minderjährigen Gutsbesitzer die eigne Verwaltung des Grundstücks überlassen werden könne, ist §. 728. sqq. bestimmt.
§. 814. Durch die Adoption eines Pflegebefohlnen wird die Vormundschaft über selbigen der Regel nach nicht aufgehoben.
8) Wiederherstellung der Wahn- und Blödsinnigen.
§. 815. Die Vormundschaft über Rasende, Wahnwitzige, und Blödsinnige, muß aufgehoben werden, wenn dieselben zum völlig freyen Gebrauche ihres Verstandes wieder gelangt sind.
§. 816. Ob dieses geschehen sey, muß das vormundschaftliche Gericht sorgfältig untersuchen.
§. 817. Bey dieser Untersuchung muß, außer dem Vormunde, ein von dem Gerichte ernannter Sachverständiger, und die anwesenden nächsten Verwandten, oder in deren Ermangelung, ein dem Pflegebefohlnen besonders zu bestellender Curator, zugezogen werden.
9) Durch Wiederherstellung der Taubstummen.
§. 818. Die Vormundschaft über Taubstumme hört auf, wenn bey angestellter Untersuchung sich findet, daß sie zu der Fähigkeit, ihren Sachen selbst vorzustehen, gelangt sind.
§. 819. Wenn daher auch der Fehler am Gehöre und an der Sprache gehoben worden: so muß dennoch erst untersucht werden: ob nicht etwa Blödsinn oder Schwäche die Fortsetzung der Vormundschaft nothwendig machen?
§. 820. Beyderley Untersuchungen müssen mit Zuziehung der §. 817. benannten Personen angestellt werden.
10) Durch Todeserklärung der Abwesenden.
§. 821. Die Vormundschaft über das Vermögen eines Abwesenden hört auf, wenn derselbe zurückkommt, oder von seinem Leben und Aufenthalte Nachricht giebt.
§. 822. Letztern Falls muß er zur Rückkehr, oder zur Bestellung eines Bevollmächtigten, welcher für die fernere Verwaltung seines Vermögens sorge, von dem vormundschaftlichen Gerichte aufgefordert werden.
§. 823. Sind aber binnen Zehn Jahren von dem Leben oder Tode des Abwesenden keine Nachrichten eingegangen: so kann auf seine Todeserklärung angetragen werden.
§. 824. Die Befugniß, auf die Todeserklärung anzutragen, kommt den nächsten Verwandten des Abwesenden zu.
§. 825. Wenn sich diese nicht aus eigner Bewegung melden: so ist das vormundschaftliche Gericht berechtigt, aber nicht verpflichtet, sie dazu aufzufordern.
§. 826. Sind dem Vormunde und vormundschaftlichen Gerichte keine Verwandten des Abwesenden bekannt: so kann Letzteres den Ersteren anweisen, die Todeserklärung selbst nachzusuchen.
§. 827. In diesem Falle aber muß derjenigen Behörde, welcher, wenn bey der ergehenden Vorladung weder der Abwesende, noch Verwandten oder Erben von ihm sich melden, das Vermögen als herrnloses Gut zufallen würde, von der bevorstehenden Verhandlung Nachricht gegeben werden.
§. 828. Der Zehnjährige Zeitraum ist von dem Tage, da die letzte Nachricht eingegangen, oder wenn gar keine Nachricht eingekommen, von der Zeit an, da der Abwesende sich entfernt hat, oder vermißt worden ist, zu rechnen.
§. 829. Ist der Abwesende vor erreichter Großjährigkeit verschollen: so wird der Zehnjährige Zeitraum erst von dem Tage, wo er majorenn geworden ist, an gerechnet.
§. 830. Ist er erst in oder nach dem Fünf und sechzigsten Jahre seines Alters veschollen: so kann er nach Verlauf von Fünf Jahren für todt erklärt werden.
§. 831. Ist das Alter, in welchem der Abwesende vermißt worden, nicht bekannt; wohl aber eine gegründete Vermuthung, daß er damals noch minderjährig gewesen sey, vorhanden: so muß, ehe mit der Todeserklärung verfahren wird, ein Fünfzehnjähriger Zeitverlauf abgewartet werden.
§. 832. Wird die Abwesenheit eines Verschollenen erst bey Gelegenheit einer ihm zugefallenen Erbschaft bekannt; und es kann alsdann ein früherer Zeitpunkt, wo derselbe vermißt worden, nicht ausgemittelt werden: so ist der Todestag seines Erblassers dafür anzunehmen.
§. 833. Nach Ablauf des gesetzmäßigen Zeitraums, muß mit öffentlicher Vorladung des Verschollenen, nach Vorschrift der Prozeßordnung verfahren werden.
§. 834. Nach erfolgter Todeserklärung hört die Vormundschaft über den Abwesenden auf; und das Vermögen fällt demjenigen zu, welchem es nach der gesetzlichen Erbfolge gebührt.
§. 835. Bey Bestimmung dieser Erbfolge kommt es auf den Tag an, an welchem das auf Todeserklärung ergangene Urtel rechtskräftig wird.
§. 836. Stirbt während des Laufes der Untersuchung, oder der gegen das Erkenntniß zulässigen Rechtsmittel, der nächste Verwandte, welcher die Todeserklärung betrieben hat: so ist derjenige, welcher durch seinen Tod dem Verschollenen der Nächste wird, befugt, die Sache für eigne Rechnung, bis zur Rechtskraft fortzusetzen.
§. 837. Er muß aber alsdann dem Erben des Klägers die bis dahin aufgewendeten Kosten vergüten.
§. 838. Hat das Erkenntniß auf Todeserklärung einmal die Rechtskraft erlangt: so können Restitutionsgesuche, und andere außerordentliche Rechtsmittel, die etwa hernach noch eingewendet werden, einem Dritten, welcher erst nach der Rechtskraft dem Abwesenden der Nächste geworden ist, nicht zum Vortheile gereichen.
§. 839. Hat der Abwesende vor seiner Entfernung ein Testament gerichtlich niedergelegt: so muß dasselbe nach rechtskräftig feststehender Todeserklärung gehörig publicirt werden.
§. 840. Der Testaments-, ingleichen der Vertragserbe, gehen auch hier dem gesetzlichen Erben vor.
§. 841. So lange das auf Todeserklärung ergangene Urtel noch nicht rechtskräftig, oder das nach der Bestimmung §. 834. dem Erben zuerkannte Vermögen noch nicht verabfolgt ist, muß der Nachweis: daß der Abwesende früher oder später gestorben, und also der Anfall an einen andern Erben gediehen sey, zugelassen werden.
§. 842. Ist das Vermögen einmal verabfolgt: so findet der Nachweis, daß der Abwesende früher oder später gestorben, und nach diesem Zeitpunkte seines natürlichen Todes das Vermögen einem Andern angefallen sey, nur mit der Wirkung statt, daß der solchergestalt ausgemittelte wahre Erbe den Nachlaß von dem Besitzer zwar zurückfordern kann; jedoch dabey nicht mehr Recht hat, als der Erblasser selbst, wenn er nach der Todeserklärung zurückgekommen wäre, gehabt haben würde. (§. 847. sqq.)
§. 843. Was hier von Intestaterben verordnet ist, gilt auch von Testaments- oder Vertragserben, die sich erst nach erfolgter Ausantwortung des Vermögens melden.
§. 844. Kann aber der, welcher auf den Grund der erkannten Todeserklärung das Vermögen in Besitz genommen hat, überführt werden, gewußt zu haben, entweder daß der Verschollene früher gestorben; oder daß er zur Zeit der Todeserklärung noch am Leben gewesen sey; oder daß er ein Testament oder einen Erbschaftsvertrag errichtet habe: so muß ein solcher Besitzer demjenigen, welchem hiernach das Erbrecht wirklich zukommt, das in Besitz genommene Vermögen zu allen Zeiten vollständig herausgeben.
§. 845. Außerdem muß er gegen denselben die Obliegenheiten eines unredlichen Besitzers durchgehends vertreten.
§. 846. Die Kosten der Todeserklärung müssen in allen Fällen aus dem Vermögen des Abwesenden genommen werden.
§. 847. Meldet sich der Abwesende nach der Todeserklärung: so kann er sein Vermögen, so weit dasselbe, oder dessen Werth noch vorhanden sind, zurückfordern.
§. 848. Wegen der Nutzungen, Verbesserungen, und Verschlimmerungen, auch sonst überall, wird der, welcher das Vermögen auf den Grund der gerichtlichen
Todeserklärung in Besitz genommen hat, außer dem Falle des §. 844. als ein redlicher Besitzer angesehn.
§. 849. Verfügungen, welche der Besitzer, auf den Grund der erkannten Todeserklärung, mit einem Dritten getroffen hat, können zum Nachtheile dieses Dritten, wenn er nicht selbst der Unredlichkeit überführt werden kann, in keinem Falle angefochten werden.
§. 850. Nur in dem einzigen Falle, wenn der Besitzer etwas von dem Vermögen, aus einer blossen Freygiebigkeit, und auch nicht durch eine belohnende Schenkung, an einen Andern übertragen hat; und das Geschenkte oder dessen Werth sich noch wirklich in den Händen des Uebernehmers befindet, kann der Zurückgekommene dergleichen Summe oder Sache wieder fordern.
§. 851. Aber auch hier hat der Uebernehmer alle Rechte eines vollständigen redlichen Besitzers.
§. 852. Meldet sich der Verschollene erst nach Dreyßig Jahren, von dem Tage der rechtskräftigen Todeserklärung an gerechnet: so kann er von dem Besitzer des Vermögens, so weit dasselbe dazu hinreicht, nur einen nach seinem Stande nothdürftigen Unterhalt fordern.
§. 853. Nur die zur Erbfolge berechtigten Abkömmlinge des Verschollenen haben hierunter, wenn sie sich erst Dreyßig Jahre nach der Todeserklärung melden, mit ihm gleiche Rechte.
§. 854. Sind seit der Entfernung des Abwesenden, oder seit der letzten von ihm eingegangenen Nachricht, Vierzig Jahre verflossen, ohne daß in der Zwischenzeit Todeserklärung gesucht worden: so kann dieselbe auf den Antrag des alsdann vorhandenen nächsten Verwandten erfolgen, ohne daß es einer Edictalcitation bedarf.
§. 855. War der Verschollene zur Zeit seiner Entfernung noch nicht Vier und zwanzig Jahr alt: so werden diese Vierzig Jahre von dem Tage an, da er das Vier und zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, gerechnet.
11) Durch Besserung des Verschwenders.
§. 856. Die Vormundschaft über einen Verschwender muß aufgehoben werden, sobald derselbe überzeugende Proben seiner gründlich erfolgten Besserung beybringt.
§. 857. Die Gründe des Aufhebungsgesuchs müssen von dem Gerichte, mit Zuziehung des Vormundes und der Verwandten, nach den Vorschriften der Prozeßordnung sorgfältig geprüft werden.
§. 858. Nur eine anhaltende, wenigstens durch Zwey Jahre erprobte Besserung, kann zur Begründung eines solchen Gesuchs zugelassen werden.
§. 859. Einem gewesenen Verschwender muß das Gericht, bey seiner Entlassung, ein Zeugniß darüber zu dem §. 705. angegebenen Behuf ertheilen.
12) durch den natürlichen Tod des Pflegebefohlnen
§. 860. Durch den natürlichen Tod des Pflegebefohlnen wird jede Vormundschaft aufgehoben.
§. 861. Längstens innerhalb Zwey Monathen nach geendigter Vormundschaft, ist der Vormund die Schlußrechnung einzureichen verbunden.
Nach geendigter Vormundschaft muß
§. 862. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Vormundschaft nur in Rücksicht auf die Erhaltung der Substanz des Vermögens fortgesetzt wird; die Verwaltung des Vormundes aber gänzlich aufhört.
§. 863. Die Rechnungslegung geschieht dem gewesenen Pflegebefohlnen, oder dessen Erben.
§. 864. Mit der Schlußrechnung zugleich, müssen dem Rechnungsnehmer das Inventarium, und die vorhin dem vormundschaftlichen Gerichte übergebenen Jahresrechnungen, ingleichen die verhandelten Vormundschaftsacten vorgelegt werden.
§. 865. Dem Pflegebefohlnen steht es frey, bey der Schlußrechnung auch noch Erinnerungen gegen die schon abgelegten Rechnungen nachzubringen.
§. 866. Doch kann er gegen Rechnungen, die weiter als auf Zehn Jahre zurückgehen, und worüber der Vormund von dem Gerichte quittirt worden ist, nur solche Ausstellungen machen, die auf eine durch Vorsatz oder grobes Versehen ihm zugefügte Verkürzung sich gründen.
§. 867. Ob die Abnahme der Rechnung gerichtlich geschehen solle, hängt hauptsächlich von dem Befunde des Rechnungsnehmers ab.
§. 868. Doch können auch der Vormund, ingleichen das vormundschaftliche Gericht, auf der gerichtlichen Abnahme der Rechnung bestehen, so bald der Rechnungsnehmer mit Ertheilung der Verzicht zögert. (§. 894.)
§. 869. Wird nur die Vermögensverwaltung nach §. 729. sqq. dem Pflegebefohlnen überlassen; die Vormundschaft selbst aber noch fortgesetzt: so muß die Schlußrechnung, so wie jede andere, bey dem vormundschaftlichen Gerichte gelegt und abgenommen werden.
|§. 870. Ein Vormund, welcher während der Führung seines Amtes von der Rechnungslegung an das Gericht befreyt gewesen, kann sich dennoch der Pflicht, dem gewesenen Pflegebefohlnen, oder dessen Erben, vollständige Rechnung abzulegen, nicht entziehen.
§. 871. Hat der Erblasser des Pflegebefohlnen den Vormund nur in allgemeinen Ausdrücken von der Rechnungslegung befreyt: so ist anzunehmen, daß derselbe dem Vormunde diese Pflicht nur in Ansehung des vormundschaftlichen Gerichtes habe erlassen wollen. (§. 693. 694.)
§. 872. Ein solcher Vormund kann sich also nicht entbrechen, Rechnungen zu halten, und dieselben, nach geendigter Vormundschaft, dem gewesenen Pflegebefohlnen vorzulegen.
§. 873. Doch kann letzterer gegen diese Rechnungen nur solche Ausstellungen machen, die eine von dem Vormunde aus Vorsatz oder groben Versehen ihm zugefügte Verkürzung betreffen.
§. 874. Erhellet aber aus der an sich rechtsgültigen Verordnung des Erblassers, daß der Vormund von aller Rechnungslegung, auch an den Pflegebefohlnen, befreyt seyn solle: so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 875. Ein solcher Pflegebefohlner muß mit einer allgemeinen Nachweisung der Substanz, so wie dieselbe zur Zeit der angetretenen Vormundschaft sich verhalten hat, und gegenwärtig beschaffen ist, sich begnügen.
§. 876. Kann jedoch der gewesene Pflegebefohlne bestimmte Anzeigen einer bey einem einzelnen Geschäfte von dem Vormunde ihm vorsätzlich zugefügten Verkürzung anführen und einigermaßen bescheinigen: so kann der Vormund ihm über dieses Geschäft nähere Auskunft und Rechenschaft zu geben sich nicht entbrechen.
§. 877. Wird der Vormund auch nur bey einem einzelnen Geschäfte eines unredlichen Verhaltens überführt: so ist er schuldig, dem gewesenen Pflegebefohlnen über seine ganze geführte Verwaltung vollständige Rechnung abzulegen.
§. 878. In allen Fällen, da ein von der Rechnungslegung befreyt gewesener Vormund gleichwohl aus einem oder dem andern rechtlichen Grunde dazu für schuldig erklärt wird, und derselbe eine ordentliche Rechnung nicht ablegen kann oder will, muß er von der in seine Verwaltung übernommenen Vermögenssubstanz Sechs vom Hundert an Zinsen, ohne den mindesten Abzug entrichten.
§. 879. Kann auch die Substanz nicht ausgemittelt werden: so ist der, welchem die Rechnung gelegt werden soll, zur eidlichen Angabe derselben zu verstatten.
b) das Vermögen ausgeantwortet,
§. 880. Wenn nicht bloß die vormundschaftliche Administration, sondern zugleich die ganze Vormundschaft aufhört: so muß dem gewesenen Pflegebefohlnen, oder dessen Erben, sein gesammtes Vermögen von dem Vormunde und dem vormundschaftlichen Gerichte ausgeantwortet werden.
§. 881. Diese Ausantwortung kann der gewesene Pflegebefohlne, gegen Empfangschein, sofort, und noch ehe die Schlußrechnung abgenommen ist, fordern.
§. 882. Dagegen müssen dem Vormunde alle nach der Schlußrechnung zu fordern habende Vorschüsse und Auslagen unverzüglich gut gethan werden.
§. 883. Werden zwar die Vorschüsse von dem Rechnungsnehmer nicht anerkannt; es findet sich aber, daß die sämmtlichen Ausgaben in der Rechnung mit unverdächtigen Belägen bestärkt sind: so steht dem Vormunde frey: ein verhältnißmässiges Quantum von dem auszuantwortenden Vermögen, bis zum Austrage der Sache, mit Arrest zu belegen.
§. 884. Auch kann er wegen solcher Vorschüsse eine Protestation auf die Grundstücke des Pflegebefohlnen eintragen lassen.
c) der Vormund gerichtlich quittirt werden.
§. 885. Nach gelegter Schlußrechnung, und erfolgter Vermögensausantwortung, ist der gewesene Pflegebefohlne, oder dessen Erbe, den gewesenen Vormund und das vormundschaftliche Gericht gerichtlich zu quittiren verbunden.
§. 886. Der Ertheilung dieser Verzicht kann der Pflegebefohlne sich nicht weigern, wenn auch noch ein oder anderer Punkt aus der geführten Administration einer nähern, oder gar gerichtlichen Erörterung bedarf.
§. 887. Vielmehr müssen dergleichen noch unerörterte Punkte in der Quittung ausdrücklich vorbehalten werden.
§. 888. Mit dem Tage der geleisteten Verzicht hört das §. 295. beschriebene Vorzugsrecht des gewesenen Pflegebefohlnen in den Gütern des Vormundes auf, und dieser muß von der etwa besonders bestellten Caution entbunden werden.
§. 889. Die Entbindung von dieser Caution kann jedoch der Vormund schon alsdann fordern, wenn ihm die Vermögensadministration abgenommen wird.
§. 890. Doch muß, in dem Falle des §. 886. die Caution so weit stehen bleiben, als es zur Deckung solcher Ansprüche des Pflegebefohlnen bis zum Austrage der Sache erforderlich ist.
§. 891. Es steht aber dem gewesenen Vormunde frey, den Pflegebefohlnen wegen solcher Ansprüche anderweitig zu decken, und dagegen auf Losgebung der ganzen Caution anzutragen.
§. 892. Das gesetzliche Vorrecht in dem Vermögen des Vormundes dauert auch in dem Falle des §. 889. so lange fort, bis demselben, nach völlig aufgehobener Vormundschaft, förmliche Verzicht geleistet worden.
§. 893. Mit Ertheilung der Verzicht muß der gewesene Pflegebefohlne nicht übereilt werden.
§. 894. Zögert er jedoch damit über Ein Jahr, vom Tage der ihm zugestellten Schlußrechnung: so können ihn der Vormund, und das vormundschaftliche Gericht, zu deren Ertheilung, oder zur gerichtlichen Anbringung seiner Ausstellungen, im ordentlichen Wege Rechtens anhalten.
§. 895. Auch nach ertheilter Generalverzicht, kann der gewesene Pflegebefohlne den Vormund aus solchen Angelegenheiten und Geschäften in Anspruch nehmen, die in den Rechnungen, und den ihm vorgelegten Acten, nicht vorgekommen sind.
§. 896. Außerdem sind alsdann keine weitere Ausstellungen zuläßig, als welche einen von dem Vormunde begangenen Betrug, und vorsätzliche Verkürzung zum Grunde haben.
§. 897. Wegen der Rechnungsfehler finden eben die Vorschriften, wie bey einem Verwalter fremden Eigenthums Anwendung. (Th. I. Tit. XIV. §. 151.)
§. 898. Die Rechnungslegung, Quittung, und Löschung der Caution, geschieht auf Kosten des gewesenen Pflegebefohlnen.
§. 899. Auch ein solcher Vormund, der keine Rechnung zu legen gehabt hat, kann nach erfolgter Ausantwortung des Vermögens, Quittungsleistung über gehörig geführte Vormundschaft fordern.
II. Endigung der Vormundschaft von Seiten des Vormundes,
§. 900. Von Seiten des Vormundes, endigt sich das vormundschaftliche Amt desselben durch sein Absterben.
§. 901. Einen solchen Todesfall müssen die Erben, oder die zurückgelassene Ehegattin des Vormundes, dem vormundschaftlichen Gerichte, ohne Zeitverlust, bey eigener Vertretung anzeigen.
§. 902. Eben diese Anzeige liegt auch einem etwa bestellten Mitvormunde bey gleicher Vertretung ob.
§. 903. Sind die Erben unbekannt, abwesend, oder selbst der Bevormundung bedürftig; und ist auch von einem bestellten Mitvormunde nichts bekannt: so muß die Obrigkeit, welche in einem solchen Falle für die Sicherheit der Verlassenschaft des verstorbenen Vormundes zu sorgen hat, wenn sie nicht selbst das vormundschaftliche Gericht ist, diesem von dem Abgange des bisherigen Vormundes Nachricht geben.
§. 904. Das vormundschaftliche Gericht muß sofort für die Sicherung des bisher unter den Händen des Vormundes gewesenen Vermögens, und für die Bestellung eines andern Vormundes sorgen.
§. 905. Zieht die neue Bevormundung sich in die Länge: so muß dem Pflegebefohlnen ein Interimscurator bestellt werden.
§. 906. Die Erben des verstorbenen Vormundes, oder wenn keine Erben sind, der von der ordentlichen Obrigkeit über dessen Nachlaß bestellte Curator, sind schuldig, dem neuen Vormunde über das Vermögen der Pflegebefohlnen Schlußrechnung abzulegen.
§. 907. Dieses muß, wenn lauter großjährige Erben vorhanden sind, binnen Sechs Wochen nach dem Ablaufe der gesetzlichen Ueberiegungsfrist geschehen.
§. 908. Sind aber Pflegebefohlne unter ihnen, oder hat ein Verlassenschaftscurator bestellt werden müssen: so kann diesen eine dreymonathliche Frist zur Rechnungslegung nicht versagt werden.
§. 909. Die Abnahme der Rechnung muß bey dem vormundschaftlichen Gericht erfolgen.
§. 910. Der neue Vormund hat dabey alle Rechte und Pflichten, welche dem Pflegebefohlnen selbst, bey der nach Endigung der Vormundschaft zu legenden Schlußrechnung zukommen. (§. 863. sqq.)
§. 911. Bey Abforderung der Schlußrechnung, ingleichen bey Prüfung derselben, haftet der neue Vormund für ein mäßiges Versehen.
§. 912. Dagegen trift ihn, wegen unterlaßner Erinnerungen gegen die vorhergehenden von dem vormundschaftlichen Gerichte schon abgenommenen Rechnungen, keine Vertretung, wenn er nur in der Folge, da ihm Verkürzungen des Pflegebefohlnen bekannt werden, die Rechte desselben nach §. 895. 896. 897. zu beobachten, nicht vernachläßigt.
§. 913. Entsteht ein Rechnungsprozeß: so müssen sich die Erben des Vormundes darüber vor eben dem Gerichte einlassen, wo der Erblasser in Angelegenheiten dieser Vormundschaft, Recht zu nehmen schuldig war.
§. 914. Wird über den Nachlaß des gewesenen Vormundes bey einem andern Gerichte Concurs eröfnet: so ist der neue Vormund die demselben gemachten Ausstellungen bey dem Concurs nur zu dem Ende anzuzeigen verbunden, damit ihnen in dem Prioritätsurtel ihr gehöriger Ort angewiesen werde.
§. 915. Alles, was zum Vermögen des Pflegebefohlnen gehört, müssen die Erben sofort, und ohne die Rechnungslegung abzuwarten, nach der Anweisung des Gerichts, dem neuen Vormunde, oder dem Gerichte selbst, gegen Empfangschein verabfolgen.
§. 916. Nach gelegter Schlußrechnung, und ausgeantwortetem Vermögen, müssen die Erben des Vormundes von dem neuen Vormunde gerichtlich quittirt werden.
§. 917. Dergleichen Verzichtleistung hat für die Erben eben die Wirkung, wie diejenige, die nach gänzlich aufgehobener Vormundschaft von dem gewesenen Pflegebefohlnen selbst ertheilt wird.
§. 918. Das vormundschaftliche Gericht kann den von ihm bestellten Vormund wieder entlassen, und einen andern bestellen, sobald es solches dem Besten des Pflegebefohlnen zuträglich findet.
§. 919. Nur alsdann, wenn der zu entlassende Vormund widerspricht, muß ihm über die Ursachen der Entlassung rechtliches Gehör und Erkenntniß verstattet werden.
§. 920. Personen, welche nach den Gesetzen zu Vormündern vorzüglich bestellt werden müssen (§. 172. sqq.), ist das Gericht, wenn sie einmal bestellt worden, nur alsdann wieder zu entlassen berechtigt, wenn nachgewiesen werden kann, daß ihre längere Beybehaltung den Pflegebefohlaen schädlich oder gefährlich seyn würde.
§. 921. Andere Vormünder können auch wegen, eines geringeren Grades von Nachläßigkeit oder Unordnung ihres Amts entlassen werden.
§. 922. Schuldbare Verzögerung in Einbringung der schuldigen Rechnungen, ist ein rechtmäßiger Grund zur Entlassung eines jeden Vormundes.
§. 923. Wenn während der Vormundschaft Prozesse über wichtige Forderungen oder Rechte zwischen dem Vormunde und dem Pflegebefohlnen entstehen (§. 147.): so kann dieses, nach vernünftigem und billigem Ermessen des Gerichts, für einen hinreichenden Grund zur gänzlichen Entlassung des Vormundes angenommen werden.
§. 924. Macht aber der Vormund sich eines unredlichen Betragens gegen den Pflegebefohlnen verdächtig: so muß die Sache von Amts wegen untersucht, und über seine Remotion erkannt werden.
§. 925. Besonders findet diese Remotion statt, wenn der Vormund Gelder und Vermögen des Pflegebefohlnen, ohne Vorwissen des Gerichts, für sich selbst genutzt hat.
§. 926. Neben- und Ehrenvormünder sind schuldig, wenn sie ein unredliches Betragen bey dem administrirenden Vormunde wahrnehmen, dasselbe dem vormundschaftlichen Gerichte, zur nähern Untersuchung, bey eigner Vertretung anzuzeigen.
§. 927. Die Verwandten des Pflegebefohlnen, welche nach §. 97-100. für seine Bevormundung sorgen müssen, sind auch schuldig, ein zu ihrer Wissenschaft gelangendes unredliches Verhalten des Vormundes dem Gerichte, bey gleicher Vertretung, zu eröffnen.
§. 928. Auch gehören dergleichen Anzeigen zu den Amtspflichten der fiskalischen Bedienten.
§. 929. Jeder Bürger des Staats hat das Recht, wenn er wahrnimmt, daß ein Vormund mit der Person, oder den Gütern des Pflegebefohlnen untreu oder sorglos umgehe, die Obrigkeit davon zu benachrichtigen.
§. 930. Der Pflegebefohlne selbst kann die bemerkte Sorglosigkeit oder Untreue seines Vormundes dem Gerichte anzeigen.
§. 931. Auf dergleichen Anzeigen, wenn sie nothdürftig bescheinigt sind, oder bey einer vorläufigen ohne Aufsehen anzustellenden Prüfung nicht ungegründet befunden werden; ingleichen wenn das Gericht selbst ein pflichtwidriges Verhalten an dem Vormunde wahrnimmt, muß die Untersuchung wider ihn verfügt werden.
§. 932. Während der Untersuchung ist das vormundschaftliche Gericht schuldig und befugt, für die Sicherheit des Pflegebefohlnen, durch Bestellung eines Nebenvormundes, oder Aufsehers; durch Inhibitionen an die Pächter, oder Schuldner; durch Erhöhung der Caution; und andere nach den Umständen schickliche Maaßregeln, Sorge zu tragen.
§. 933. Findet sich bey der Untersuchung, daß der Vormund sich der Veruntreuung und Unredlichkeit in Führung seines Amts schuldig gemacht habe: so muß er dessen durch Urtel und Recht entsetzt, und dem Pflegebefohlnen ein anderer Vormund bestellt werden.
§. 934. Dieser muß unverzüglich auf Legung der Schlußrechnung, ingleichen auf Herausgabe des etwa noch in den Händen des entsetzten Vormundes befindlichen Vermögens dringen, und für die Beytreibung alles dessen, was derselbe dem Pflegebefohlnen zu vertreten hat, sorgen.
§. 935. Außerdem muß auf Bestrafung eines solchen wegen Untreue oder Unredlichkeit entsetzten Vormundes, nach Vorschrift des Criminalrechts erkannt werden.
§. 936. Wird der Vormund bey der Untersuchung bloß eines Versehens schuldig befunden: so ist er nur zur Vertretung des dem Pflegebefohlnen daraus entstandenen Schadens gehalten.
§. 937. In einem solchen Falle muß er zwar von der angetragenen Remotion ausdrücklich frey gesprochen werden; doch hängt es bloß von dem Ermessen des Gerichts ab: ob ihm dasselbe die Vormundschaft länger anvertrauen, oder ihn davon entlassen wolle.
§. 938. Hat ein solcher Vormund ein grobes Versehen begangen: so verliert er die von dem Erblasser für die anvertrauete Vormundschaft ihm ausgesetzte Belohnung.
§. 939. Auch wenn der Vormund ganz unschuldig befunden worden, kann er dennoch gegen solche Denuncianten, welche zur Aufsicht über ihn. unter Vertretung verpflichtet sind, keine Injurienklage anstellen.
§. 940. Doch findet die Injurienklage statt, wenn dergleichen Denuncianten den Vormund, wider besseres Wissen Ueberzeugung, entehrender Handlungen beschuldigt haben.
4) durch eintretende Gründe zur Excusation.
§. 941. Wenn jemand, während der Führung einer Vormundschaft, eines von denjenigen Vorrechten erlangt, welche von Uebernehmung eines vormundschaftlichen Amts befreyen: so giebt ihm dieses dennoch kein Recht, die einmal übernommene Vormundschaft wider den Willen der Obrigkeit niederzulegen.
§. 942. Gelangt der Vormund zu einem Amte, oder in ein Verhältniß, welches für ihn, wenn er eine neue Vormundschaft übernehmen sollte, die besondere Erlaubniß einer vorgesetzten Behörde nothwendig machen würde: so muß er diese Veränderung seiner Umstände dem vormundschaftlichen Gerichte anzeigen, und zugleich die Erlaubniß zur Beybehaltung der Vormundschaft bey der Behörde nachsuchen. (§. 158-163.)
§. 943. Wird letztere verweigert, oder kann sie das vormundschaftliche Gericht in dem Falle des §. 158. 159. nicht annehmen: so muß der Vormund entlassen werden.
5) durch eintretende Unfähigkeit;
§. 944. Geräth ein schon bestellter Vormund in Umstände, wo er der Vormundschaft fernerhin gehörig vorzustehen sich nicht getrauet: so ist er befugt und schuldig, dieselben dem vormundschaftlichen Gerichte zur nähern Beurtheilung anzuzeigen.
§. 945. Auch ohne dergleichen Anzeige muß das Gericht einen Vormund, welcher in Umstände kommt, wo er seinem Amte nicht mehr gehörig vorstehen kann, desselben, sobald dergleichen Umstände zu seiner Wissenschaft gelangen, entlassen, und für die Bestellung eines andern Vormundes sorgen.
§. 946. Muß der Vormund wegen Wahn- oder Blödsinns, oder aus andern Ursachen, selbst unter Vormundschaft gesetzt werden: so findet alles statt, was §. 900. sqq. von der Aufhebung der Vormundschaft durch den natürlichen Tod des Vormundes verordnet ist.
6) durch Wiederverheirathung der zur Vormünderin bestellt gewesenen Mutter.
§. 947. Die zur Vormünderin bestellte Mutter des Pflegebefohlnen muß, wenn sie zu einer andern Ehe schreitet, dem vormundschaftlichen Gerichte, noch vor Vollziehung der Heirath, davon Anzeige machen.
§. 948. Unterläßt sie dieses: so muß Untersuchung wider sie verfügt, und sie, nach Befund der Umstände, der Vormundschaft als verdächtig entsetzt, oder doch entlassen werden.
§. 949. Wenn die Mutter, vor regulirter Sache, ohne Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes, sich wieder verheirathet hat: so muß ihr Mann für das, was sie aus der Vormundschaft zu vertreten hat, als Selbstschuldner haften; und die Pflegebefohlnen haben, zu ihrer Sicherheit, in seinem Vermögen eben die Rechte, wie in dem Vermögen eines Vormundes.
Pflichten eines entlassenen Vormundes, bis zur erfolgten Bestellung eines andern.
§. 950. In allen Fällen, wo ein Vormund seines Amtes von dem vormundschaftlichen Gerichte entlassen werden soll, ist er befugt und schuldig, dasselbe so lange noch fortzusetzen, bis dem Pflegebefohlnen ein neuer Vormund wirklich bestellt worden.
§. 951. Alsdann muß ihm, nach gehörig gelegter und abgenommener Schlußrechnung, auch erfolgter Ausantwortung des in Händen gehabten Vermögens, von dem neuen Vormunde Quittung geleistet werden.
§. 952. Wenn einem Pflegebefohlnen mehrere Vormünder bestellt sind, und einer derselben abgeht: so hängt es lediglich von dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichtes ab: ob seine Stelle wieder ersetzt, oder die Vormundschaft von dem oder den übrigen allein verwaltet werden solle.
Neunter Abschnitt. Von den Rechten und Pflichten der Curatoren
§. 953. Curatores, welche den Pflegebefohlnen nur zu gewissen Geschäften und Angelegenheiten bestellt werden, haben, in Ansehung dieser Geschäfte, die Rechte und Pflichten eines Vormundes.
§. 954. Außer dem, was wegen der Militairpersonen §. 77. sqq. verordnet ist, kommt die Bestellung des Curators eben dem Gerichte zu, welchem die Bevormundung, wenn der Fall dazu vorhanden wäre, gebühren würde.
§. 955. Doch kann auswärtigen Pflegebefohlnen, welche in hiesigen Landen einen Prozeß oder ein einzelnes Geschäfte haben, ein Curator dazu von dem hiesigen Richter, bey welchem der Prozeß oder das Geschäfte zu betreiben ist, bestellt werden.
§. 956. Bey Curatoren findet alles statt, was vorstehend von Vormündern verordnet ist; in so fern nicht besondere Vorschriften, oder die Natur ihres nur ein einzelnes Geschäfte betreffenden Amts, Ausnahmen begründen.
§. 957. Das Geschäft oder die Angelegenheit, zu welchen sie verordnet sind, muß in der ihnen ertheilten Bestallung deutlich ausgedrückt werden.
§. 958. Ist mit ihrem Auftrage eine Vermögens-Administration verknüpft: so sind sie, gleich den Vormündern, zur Einreichung eines Inventarii, zur Cautionsbestellung, und zur Rechnungslegung verbunden.
§. 959. So lange dergleichen Administration dauert, haben die Pflegebefohlnen in dem Vermögen ihrer Curatoren eben die Vorrechte, wie in dem Vermögen der Vormünder.
§. 960. Das Amt eines solchen Curators hört auf, sobald das Geschäft, zu welchem er bestellt ist, beendigt und in Richtigkeit gesetzt worden.
§. 961. Sobald das vormundschaftliche Gericht, oder der inzwischen zu der Fähigkeit, sich selbst vorzustehn, gelangte Pflegebefohlne, das Geschäft für berichtigt ausdrücklich oder stillschweigend angenommen haben, erreicht auch das dem Pflegebefohlnen in dem Vermögen des Curators zukommende Vorrecht sein Ende.
I. Von Curatoren einer noch ungebornen Leibesfrucht.
§. 962. Der Curator einer noch ungebornen Leibesfrucht hat darauf zu sehn, daß die Wittwe aus dem Nachlasse gehörig verpflegt, der Nachlaß selbst aber sicher aufbewahrt, und weder verbracht, noch verdunkelt werde.
§. 963. Die Verwaltung des Nachlasses liegt ihm nur alsdann ob, wenn er zugleich zum Verlassenschaftscurator bestellt worden. (Th. I.Tit. IX. §. 371. sqq.)
§. 964. Diese Curatel endigt sich mit Ablauf des Zeitraums, binnen welchem nach den Gesetzen entschieden seyn muß: ob ein rechtmäßiges Kind des Verstorbenen vorhanden sey?
§. 965. Wird binnen dieser Frist die Wittwe von einem lebendigen Kinde entbunden: so muß der der Leibesfrucht bestellt gewesene Curator für dessen ordentliche Bevormundung sorgen.
§. 966. Auch der aus unehelicher Schwängerung erzeugten Leibesfrucht muß ein Curator bestellt werden.
§. 967. Diesem liegt es ob, die Rechte der Leibesfrucht wegen Ernährung der Mutter, und Ausmittelung der Entbindungs- und Verpflegungskosten für dieselbe aus dem Vermögen des Schwängerers, wahrzunehmen.
§. 968. Kommt aus dem unehelichen Beyschlafe ein Kind zur Welt: so muß der Curator demselben auf gesetzmäßigen Wegen die Rechte eines Ehelichen, und wo dieses nicht statt findet, den Aussatz der Erziehungs- und Verpflegungskosten aus dem Vermögen des Schwängerers zu verschaffen bemüht seyn. (Th. II. Tit. I, Abschn. XI. Tit. II. Abschn. IX.)
§. 969. Kommt ein solches Kind nicht unter die Gewalt seines natürlichen Vaters: so muß der Curator für das Beste desselben, bis zur erreichten Volljährigkeit, als Vormund sorgen.
II. Von Curatoren zum Behufe der Auseinandersetzung mit dem Vater.
§. 970. Ein Curator, welcher solchen Pflegebefohlnen, die noch unter väterlicher Gewalt stehn, bloß zur Auseinandersetzung mit dem Vater bestellt worden, ist dafür zu sorgen schuldig, daß das Vermögen des Pflegebefohlnen vollständig ausgemittelt, und gegen Verdunkelungen bewahrt werde.
§. 971. Der Verwaltung sich zu unterziehen, ist er weder befugt noch schuldig; sondern diese verbleibt, unter den gesetzlichen Einschränkungen, dem Vater.
§. 972. In allen Fällen, wo der Vater zur Sicherstellung eines solchen Vermögens nach den Gesetzen verbunden ist, muß der Curator, bey der Auseinandersetzung, auch für die Berichtigung der Sicherheit sorgen. (Th. II. Titel II. §. 179. sqq.)
§. 973. Ereignet sich der Fall, daß der Vater das eigenthümliche Vermögen der Kinder sicher zu stellen verbunden wäre, erst nach beendigter Auseinandersetzung: so ist der Curator zwar schuldig, auf diese Sicherstellung bey dem vormundschaftlichen Gerichte anzutragen.
§. 974. Auch liegt ihm ob, für das Beste der Pflegebefohlnen zu sorgen; wenn die einmal bestellte Sicherheit schlechter wird, oder eine Veränderung damit vorgenommen werden soll, oder wenn der Vater, bey seiner Administration, die in den Gesetzen bestimmten Schranken überschreitet.
§. 975. Hat er jedoch eins oder das andre unterlassen: so darf er den dem Pflegebefohlnen entstandenen Nachtheil nur alsdann vertreten, wenn er den Vorfall, der seine Obsorge erfordert hätte, wirklich gewußt hat; oder wenn ihm derselbe ohne grobe Fahrläßigkeit, nicht hätte unbekannt bleiben können.
Besonders, wenn mit einer solchen Curatel eine Vermögensadministration verbunden ist.
§. 976. Ist der Curator zugleich zur Verwaltung des eigentümlichen Vermögens solcher Pflegebefohlnen bestellt: so findet dabey alles Anwendung, was von der vormundschaftlichen Administration überhaupt im Siebenten Abschnitte verordnet ist.
§. 977. Ist der Vater nicht wegen seines schlechten moralischen Verhaltens, sondern nur aus andern Gründen, von der Verwaltung ausgeschlossen: so steht er mit dem Curator in eben den Verhältnissen, wie ein Ehren- mit dem verwaltenden Vormunde.
§. 978. Insonderheit muß, wenn von der Veräußerung, oder dem Ankaufe unbeweglicher Grundstücke die Rede ist, der Vater mit seinem Gutachten vernommen werden.
§. 979. Ist dem Vater die Verwaltung genommen, der Nießbrauch aber gelassen worden: so muß der Curator, wenn nicht der Erblasser oder Wohlthäter der Kinder ein Andres ausdrücklich verordnet hat, über die in der Art der Verwaltung zu treffenden Hauptveränderungen mit ihm Rücksprache nehmen.
§. 980. Insonderheit muß dieses geschehen, wenn unbewegliche Güter verpachtet, oder aus der Pacht in Administration gesetzt, neue Baue oder Hauptreparaturen vorgenommen, Meliorationen gemacht, Capitalien eingezogen, oder von neuem belegt werden sollen.
§. 981. Doch kommt dem Vater gegen alle dergleichen Veranstaltungen ein Recht zum Widerspruche nur in so fern zu, als dergleichen Recht einem jeden Nutzungsberechtigten, gegen Veranstaltungen, wodurch sein Nießbrauch geschmälert wird, gebühret.
§. 982. Dergleichen verwaltende Curatel wird eben so, wie eine wirkliche Vormundschaft geendigt.
§. 983. Müssen jedoch die Kinder wegen Abgang des Vaters, oder sonst, überhaupt unter Vormundschaft genommen werden: so hängt es von dem Ermessen des Gerichts ab, den bisherigen Curator zum wirklichen Vormunde zu bestellen; oder ihm die besondere Administration ferner zu lassen; oder ihn von der Curatel zu entbinden, und seine bisherige Administration dem Vormunde der Pflegebefohlnen mit aufzutragen.
III. Von dem Vater, als Curator seiner Kinder.
§. 984. Wenn solchen Kindern, die noch unter väterlicher Gewalt, und ihren eignen Angelegenheiten vorzustehen nicht fähig sind, eigenthümliches freyes Vermögen zufällt: so ist der Vater schuldig, davon spätestens in Zwey Monathen, nachdem ihm der Anfall bekannt geworden, dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige zu machen.
§. 985. Unterläßt er die Anzeige: so verliert er sein Recht zur Verwaltung des Anfalls; und hat, außerdem, Fünf bis Hundert Thaler fiskalische Strafe verwirkt.
§. 986. In der Zwischenzeit, bis den Kindern über den Anfall ein besonderer Curator bestellt werden kann, haftet der Vater auch für das geringste Versehen.
§. 987. Den Verwandten, welche nach Vorschrift §. 97.-100. für die Bevormundung der Kinder zu sorgen schuldig seyn würden, liegt bey gleicher Vertretung ob: von einem solchen Vermögensanfalle (§. 984.), welchen der Vater verschwiegen hat, sobald derselbe zu ihrer Wissenschaft gelangt, dem vormundschaftlichen Gerichte Anzeige zu machen.
§. 988. Jedes Gericht, von welchem ein Testament, oder andere letztwillige Disposition, wonach den Kindern dergleichen Anfall zukommt, publicirt wird, ist selbigen dem vormundschaftlichen Gerichte bekannt zu machen verbunden.
§. 989. Hat der Vater den Anfall dem Gerichte gehörig angezeigt: so gebühren ihm, wegen dessen Verwaltung, die Rechte eines Curators, auch ohne besondere Verpflichtung.
§. 990. Er muß aber auch, wegen Vorlegung eines gerichtlichen oder Privatinventarii, bey der Administration selbst, und wegen der Rechnungslegung, alles beobachten, was nach dem Siebenten Abschnitte einem andern Vormunde obliegt.
§. 991. Doch ist er mit einer eidlichen Bestärkung eines von ihm vorgelegten Privatinventarii der Regel nach, und wenn nicht besondere Gründe eines Verdachts wider ihn vorhanden sind, zu verschonen.
§. 992. Will er das Vermögen selbst in Händen behalten: so muß er dafür, ohne Unterschied der Fälle, gehörige Sicherheit bestellen.
§. 993. Erklärt er sich aber zu dessen Herausgabe; und ist selbiges anderwärts untergebracht: so bleibt er von besonderer Cautionsbestellung wegen der Einkünfte, gleich einem testamentarischen Vormunde, der Regel nach frey.
§. 994. Nach dem Absterben des Vaters stehen die Kinder, wegen ihres von demselben verwalteten freyen und nicht freyen Vermögens, gegen ihre Miterben in eben dem Verhältnisse, wie andere Pflegebefohlne gegen die Erben ihres verstorbenen Vormundes.
§. 995. Gegen Fremde müssen sie aber die Handlungen des Vaters, in Ansehung ihres eigenthümlichen Vermögens, so weit vertreten, als sie des Vaters Erben sind, und ihnen die Rechtswohlthat des Inventarii nicht zu statten kommt.
§. 996. Wenn zu dem Vermögen des Pflegebefohlnen ein Lehn gehört: so muß demselben ein Lehnscurator bestellt werden.
§. 997. Von dieser Curatel ist der nächste Agnat, oder Mitbelehnte, wenn er selbige übernehmen will, und dazu fähig ist, niemals auszuschließen.
§. 998. Dieser Curator hat jedoch nur dasjenige zu besorgen, was zur Ausübung der Lehnrechte und Lehnspflichten des Pflegebefohlnen bey dem Lehnshofe, und zur Erhaltung der Substanz des Lehns gehört.
§. 999. Auch die Ausübung des Patronats, und anderer mit dem Lehne verbundener Ehrenrechte, gehört zu dem Amte des Lehnscurators.
§. 1000. Die gewöhnliche Verwaltung des Lehns und der davon fallenden Einkünfte, gebührt dem ordentlichen Vormunde.
§. 1001. Angelegenheiten, welche weder die Administration allein, noch die Substanz allein betreffen, sondern auf beydes zugleich Einfluß haben, müssen von dem Vormunde, und dem Lehnscurator, gemeinschaftlich besorgt und betrieben werden.
§. 1002. Wenn also das Lehn verpfändet; wenn Holzungen in Aecker, Teiche in Wiesen, oder umgekehrt, verwandelt; oder sonst die Gestalt oder Hauptbestimmung einzelner Stücke oder Zubehörungen des Lehns verändert; oder Verbesserungen in der Substanz unter dem Vorbehalte eines künftigen Ersatzes der Kosten vorgenommen werden sollen: so ist die Mitwirkung des Vormundes und des Lehnscurators erforderlich.
V. Von Curatoren entfernter oder unbekannter Interessenten.
§. 1003. Ein für unbekannte oder entfernte Interessenten bestellter Curator muß hauptsächlich dafür sorgen, daß jene ausgeforscht, diesen aber die erforderlichen Nachrichten zugebracht werden.
§. 1004. Außerdem muß er dafür sorgen, daß die Sache erhalten, oder das Geschäft gehörig betrieben werde.
§. 1005. Die Pflichten eines Beystandes bestimmen sich lediglich nach dem Zwecke, zu welchem derselbe dem, der sich seiner bedienen soll, zugeordnet wird.
§. 1006. Ein Beystand haftet, wenn er sich diesem Zwecke nicht gemäß verhält, in der Regel nur für den Vorsatz, und für ein grobes Versehen.
§. 1007. Wozu rechtsverständige Assistenten, in Prozeß- und andern gerichtlichen Angelegenheiten, ihren Parteyen verpflichtet, und wie weit sie denselben, bey Vernachlässigung dieser Pflichten, verhaftet sind, ist in der Prozeßordnung bestimmt.
Neunzehnter Titel. Von Armenanstalten, und andern milden Stiftungen
§. 1. Dem Staate kommt es zu, für die Ernährung und Verpflegung derjenigen Bürger zu sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selbst verschaffen, und denselben auch von andern Privatpersonen, welche nach besondern Gesetzen dazu verpflichtet sind, nicht erhalten können.
§. 2. Denjenigen, welchen es nur an Mitteln und Gelegenheit, ihren und der ihrigen Unterhalt selbst zu verdienen, ermangelt, sollen Arbeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten gemäß sind, angewiesen werden.
§. 3. Diejenigen, die nur aus Trägheit, Liebe zum Müßiggange, oder andern unordentlichen Neigungen, die Mittel, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen, nicht anwenden wollen, sollen durch Zwang und Strafen zu nützlichen Arbeiten unter gehöriger Aufsicht angehalten werden.
§. 4. Fremde Bettler sollen in das Land nicht gelassen, oder darin geduldet, und wenn sie sich gleichwohl einschleichen, sofort über die Gränze zurückgeschafft werden.
§. 5. Auch einheimischen Armen soll das Betteln nicht gestattet, sondern dieselben an den Ort, wohin sie gehören, und wo für sie nach den Vorschriften des gegenwärtigen Titels gesorgt werden muß, zurückgeschafft werden.
§. 6. Der Staat ist berechtigt und verpflichtet, Anstalten zu treffen, wodurch der Nahrlosigkeit seiner Bürger vorgebeugt, und der übertriebenen Verschwendung gesteuert werde.
§. 7. Veranlassungen, wodurch ein schädlicher Müßiggang, besonders unter den niedern Volksclassen, genährt, und der Trieb zur Arbeitsamkeit geschwächt wird, sollen im Staate nicht geduldet werden.
§. 8. Stiftungen, welche auf die Beförderung und Begünstigung solcher schädlichen Neigungen abzielen, ist der Staat aufzuheben, und die Einkünfte derselben zum Besten der Armen zu verwenden berechtigt.
Wem die Versorgung der Armen obliegt.
§. 9. Privilegirte Corporationen, welche einen besondern Armenfonds haben, oder dergleichen, ihrer Verfassung gemäß, durch Beyträge unter sich aufbringen, sind ihre unvermögenden Mitglieder zu ernähren vorzüglich verbunden.
§. 10. Auch Stadt- und Dorfgemeinen müssen für die Ernährung ihrer verarmten Mitglieder und Einwohner sorgen.
§. 11. In Ansehung der ausdrücklich aufgenommenen Mitglieder entsteht die Verbindlichkeit, sobald die Aufnahme wirklich geschehen ist.
§. 12. In Ansehung andrer Einwohner hingegen, ist nur diejenige Stadt- oder Dorfgemeine zur Ernährung eines Verarmten verpflichtet, bey welcher derselbe zu den gemeinen Lasten zuletzt beygetragen hat.
§. 13. Nach eben den Grundsätzen (§. 9.-12.) müssen auch die Ehefrauen, Wittwen, und unversorgte Kinder des Verarmten, von den Corporationen und Gemeinen ernährt werden.
§. 14. Die Vorsteher der Corporationen und Gemeinen sind schuldig, sich nach den Ursachen des Verfalls ihrer Mitglieder zu erkundigen, und dieselben der Obrigkeit, zur Abhelfung, in Zeiten anzuzeigen.
§. 15. Aller Armen und Unvermögenden, denen ihr Unterhalt auf andre Art nicht verschafft werden kann, muß die Polizey-Obrigkeit eines jeden Ortes, ohne Unterschied des Ranges und sonstigen Gerichtsstandes derselben, sich annehmen.
§. 16. Arme, deren Versorgung nach obigen Grundsätzen, einzelnen Privatpersonen, Corporationen, oder Communen nicht obliegt, oder von denselben nicht bestritten werden kann, sollen durch Vermittelung des Staats in öffentlichen Landarmenhäusern untergebracht werden.
§. 17. Dies gilt besonders von fremden Bettlern, wenn deren Zurückschaffung über die Gränze (§. 4.) nicht rathsam gefunden wird, oder der Zweck, das Land von ihnen zu befreyen, dadurch nicht erreicht werden kann.
§. 18. Die Bettler in solchen Landarmenhäusern sollen zu nützlichen Arbeiten, so weit es ihre Gesundheit und Kräfte gestatten, angehalten werden.
§. 19. Sie bleiben in der Anstalt so lange, bis man versichert seyn kann, daß sie sowohl den Willen, als die Gelegenheit haben, ihren Unterhalt auf eine andre erlaubte Weise, ohne fernere Belästigung des Publikums, sich zu verschaffen.
§. 20. Die Strassenbetteley soll nicht geduldet werden.
§. 21. Vielmehr liegt es den Polizeybehörden jeden Orts ob, diesem Uebel mit Nachdruck zu steuern.
§. 22. So bald die §. 16. gedachten Anstalten getroffen sind, darf niemand mehr einem Strassenbettler Almosen geben.
§. 23. Vielmehr müssen die Strassenbettler aufgegriffen, und an diejenigen, denen nach den Grundsätzen §. 7-16. deren Versorgung obliegt, abgeliefert werden.
§. 24. Die Ablieferung geschieht auf Kosten desjenigen, welcher für den Bettler sorgen muß.
§. 25. Die Mittel zur Unterhaltung der Armen sollen, so viel als möglich, aus den Zinsen der dazu bereits vorhandenen Capitalien und Stiftungen genommen werden.
§. 26. Auch hat es bey dem zu solchem Ende theils schon angeordneten, theils nach Bewandniß der Umstände, unter Erlaubniß des Staats, besonders zu veranstaltenden Kirchen- und Haus-Collekten sein Bewenden.
§. 27. Bey der Unzulänglichkeit dieser Beyträge, sind die Communen, unter Genehmigung des Staats, den Luxus, die Ostentation, und die öffentlichen Belustigungen ihrer wohlhabenden Einwohner, mit gemäßigten Taxen zu belegen berechtigt.
§. 28. Alle Strafgelder, welchen nicht in den ergangenen Strafgesetzen selbst besondere Bestimmungen angewiesen sind, sollen zur Verpflegung der Armen angewendet werden.
§. 29. Zur Unterhaltung der öffentlichen Landarmenhäuser ist vorzüglich der Ertrag der Arbeiten der darinn aufgenommenen Personen bestimmt.
§. 30. Bey dessen Unzulänglichkeit kann der Staat von allen denjenigen, welche von der Abstellung der Strassenbetteley Vortheil ziehn, verhältnißmäßige Beyträge fordern.
§. 31. Die nähern Bestimmungen sowohl hierüber, als wegen der Einrichtung solcher Landarmenhäuser überhaupt, bleiben den besondern für jede Provinz abzufassenden Reglements vorbehalten.
Von öffentlichen Armenanstalten:
Verhältniß des Staats gegen dieselben.
§. 32. Armenhäuser, Hospitäler, Waisen- und Findel-, Werk- und Arbeitshäuser, stehen unter dem besondern Schutze des Staats.
§. 33. Werden dergleichen Anstalten von neuem errichtet: so muß das Vorhaben dem Staate zur Prüfung der Grundsätze ihrer Verfassung, angezeigt werden.
§. 34. Doch sollen diejenigen Behörden, denen diese Prüfung nach den verschiedenen Verfassungen in den Provinzen obliegt, nur in Fällen, wo die Ausführung der Verordnungen des Stifters unmöglich oder gar schädlich seyn würde, dieselben zu verwerfen berechtigt seyn.
§. 35. Außerdem kann jeder Stifter die innere Einrichtung solcher Anstalten, die Aufsicht über dieselben, die Bestellung der Verwalter, die Revision und Abnahme der Rechnungen, nach Gutfinden anordnen.
§. 36. So weit der Stifter nichts verordnet hat, gebühren alle diese Befugnisse dem Staate.
§. 37. Auch solche Anstalten, denen in der Stiftungsurkunde, oder sonst, eigne Aufseher vorgesetzt sind, bleiben dennoch der Oberaufsicht des Staats unterworfen.
§. 38. Diese Oberaufsicht schränkt sich aber nur darauf ein, daß nach den vom Staate ausdrücklich oder stillschweigend genehmigten Verordnungen des Stifters verfahren werde, und nichts einschleiche, was dem allgemeinen Endzwecke solcher Stiftungen zuwider sey.
§. 39. Der Staat ist also berechtigt, Visitationen bey dergleichen Anstalten zu veranlassen, und die vorgefundenen Mißbräuche und Mängel, obigen Grundsätzen (§. 38.) gemäß, zu verbessern.
§. 40. Ueberhaupt muß der Staat darauf sehen, daß die Einkünfte der Armen- und andrer Versorgungsanstalten, zweck- und vorschriftsmäßig verwendet werden.
§. 41. Wird wegen veränderter Umstände die in der Stiftungsurkunde vorgeschriebeneVerwendungsart unmöglich, oder gar schädlich: so muß der Staat die Güter und Einkünfte einer solchen Anstalt zu einem andern, der wahrscheinlichen Absicht des Stifters so viel als möglich gemäßen Gebrauche widmen.
Aeußere Rechte solcher Anstalten.
§. 42. Die vom Staate ausdrücklich oder stillschweigend genehmigten Armen- und andere Versorgungsanstalten, haben die Rechte moralischer Personen.
§. 43. Ihr Vermögen hat die Rechte der Kirchengüter. Tit. XI. Abschn. IV.
§. 44. Dagegen sind sie bey den Geschenken und Vermächtnissen solchen Einschränkungen, wie die geistlichen Anstalten, nicht unterworfen.
§. 45. Durch dergleichen Vermächtnisse kann jedoch denjenigen, welchen ein Pflichttheil gebühret, derselbe nicht entzogen oder geschmälert werden.
§. 46. Würden durch ein solches Vermächtniß Personen, welchen der Erblasser Alimente zu geben nach den Gesetzen verpflichtet ist, wegen Unzulänglichkeit des übrigen Nachlasses daran Abbruch erleiden: so sollen die Einkünfte des Vermächtnisses, so weit dieselben dazu hinreichend und erforderlich sind, zur Ergänzung des solchen Personen zukommenden Unterhalts verwendet werden.
§. 47. Sobald aber die Befugniß derselben, Alimente von dem Erblasser zu fordern, aus irgend einem rechtlichen Grunde sich erledigt, sobald tritt auch die Armenanstalt in den vollen Genuß der ihr bestimmten Zuwendung.
§. 48. Was vorstehend §. 45. 46. 47. von Vermächtnissen vorgeschrieben ist, gilt auch von Schenkungen unter Lebendigen, oder von Todeswegen, in so fern überhaupt, wegen verkürzten Pflichttheils, oder geschmälerter Alimente, Schenkungen widerrufen werden können. (Th. I. Tit. XI. §. 1113-1122.)
§. 49. Unvermögenden Verwandten derjenigen, welche milde Stiftungen errichtet haben, kommt auf den Genuß derselben ein vorzügliches Recht zu.
Successionsrecht in den Nachlaß der von ihnen verpflegten Personen,
§. 50. Auf den eigentümlichen freyen Nachlaß solcher Personen, die in eine öffentliche Anstalt zur unentgeltlichen Verpflegung aufgenommen worden, und in dieser Verpflegung gestorben sind, hat die Anstalt ein gesetzliches Erbrecht.
§. 51. Dies Erbrecht erstreckt sich auf den ganzen Nachlaß, wenn die aufgenommene Person nur Verwandten in aufsteigender, oder in der Seitenlinie, oder einen Ehemann verläßt.
§. 52. Hat sie aber eheliche Nachkommen oder eine Ehefrau: so verbleibt denenselben ihr Pflichttheil.
§. 53. Auch geht die Ehefrau in Ansehung desjenigen, was sie nach ihren Ehepacten zu fordern hat, der Armenanstalt vor.
§. 54. Auch die §. 52. benannten Personen verlieren den Pflicht- oder vertragsmäßigen Erbtheil zum Besten der Anstalt, wenn sie, bey hinlänglichem Vermögen, ihren hülflosen Aeltern, oder dem Ehemanne, die gesuchte Unterstützung versagt haben.
§. 55. Hat die aufgenommene Person die Anstalt vor ihrem Tode freywillig wieder verlassen: so kann diese die auf sie verwendeten Kosten aus ihrem Vermögen, oder Nachlasse, als eine Schuld zurückfordern.
§. 56. Wenn aber Kinder, die in einem Waysenhause erzogen worden, nachdem sie aus demselben herausgekommen sind, und entweder auf ein Handwerk gethan, oder ihnen andere Gelegenheit zu ihren weitern Fortkommen angewiesen worden, vor zurückgelegtem Vier und zwanzigsten Jahre verstorben sind: so verbleibt dem Waysenhause, des erfolgten Austritts ungeachtet, sein Erbrecht.
§. 57. Doch erstreckt sich in diesem Falle das Erbrecht nur auf dasjenige Vermögen, welches ein solches Kind mit in das Waysenhaus gebracht hat, oder welches ihm, während seiner Verpflegung durch dasselbe, noch vor seinem Austritte zugefallen ist.
§. 58. Hat eine im Waysenhause erzogene Frauensperson sich verheirathet: so fällt, wenn auch dieselbe vor erlangter Volljährigkeit verstorben wäre, das Erbrecht des Waysenhauses ganz hinweg.
§. 59. In keinem Falle darf die Armencasse, wenn ihr auch nach obigen Vorschriften (§. 50. sqq.) ein wirkliches Erbrecht zukommt, sich des Nachlasses eigenmächtig anmaßen; sondern sie muß vielmehr, bey eintretendem Falle, dies ihr Erbrecht dem Richter gehörig anzeigen, und von diesem den Zuschlag der Verlassenschaft erwarten.
§. 60. Das einer Anstalt nach diesen Vorschriften zustehende Erbrecht, muß jedem, welcher darin aufgenommen werden soll, bekannt gemacht; und daß dieses geschehen, in einem von ihm mit zu unterzeichnenden Protocolle bemerkt werden.
§. 61. Ist der Aufzunehmende seines Verstandes nicht mächtig; oder in der Befugniß über sein Vermögen zu verfügen eingeschränkt: so muß die Bekanntmachung den Aeltern, oder wenn er keine Aeltern mehr hat, den nächsten Verwandten, und den Vormündern geschehen; auch im letzten Falle die obervormundschaftliche Genehmigung beygebracht werden.
§. 62. Erklärt auf diese Bekanntmachung jemand unter den Verwandten, daß er für die Verpflegung des Aufzunehmenden selbst sorgen wolle: so muß ihm dieses gestattet werden; und er erhält sich dadurch das ihm zukommende gesetzliche Erbrecht.
§. 63. Doch muß er alsdann dem Hülfsbedürftigen wenigstens eine gleich gute Verpflegung, als derselbe in der öffentlichen Anstalt gefunden hätte, gewähren.
§. 64. Ist der Aufzunehmende seinen Willen zu erklären fähig; und er zieht die Versorgung in der Anstalt derjenigen, welche ihm von seinen Verwandten angeboten wird, vor: so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 65. Ist die Bekanntmachung nicht gehörig erfolgt: so kann die Anstalt bloß die Vergütung der für den Aufgenommenen verwendeten Kosten, als eine Schuld, aus dessen Nachlasse fordern.
§. 66. Die Anstalt kann jedoch nur die für den Aufgenommenen zu Kleidung, Medicin, und sonst gemachten baaren Auslagen, und für den genossenen Unterhalt ein Kostgeld, welches allenfalls nach pflichtmäßigem Ermessen der Sachverständigen richterlich zu bestimmen ist, fordern.
§. 67. Wenn jemand nicht in die Anstalt selbst zur Verpflegung aufgenommen, sondern ihm nur Beyträge daraus zu seinem Unterhalte bis zu seinem Ableben, gereicht worden: so kann nur der Ersatz dieser Beyträge aus seinem Nachlasse, so weit derselbe dazu hinreicht, gefordert werden.
§. 68. Hat jemand aus mehrern Anstalten nach §. 67. Unterstützung genossen; und ist sein Nachlaß zu ihrer aller Befriedigung nicht hinreichend: so theilen sich die mehrern Anstalten in das Vorhandene, nach Verhältniß ihrer Forderungen.
§. 69. Hat sich jemand in die Anstalt eingekauft: so gebührt dieser auf seinen Nachlaß kein weiterer Anspruch.
§. 70. Die bloße Erlegung eines Eintrittsgeldes, welches mit der zu verwendenden Verpflegung in keinem Verhältnisse steht, schließt das Erbrecht der Anstalt nicht aus.
§. 71. Hat der Aufgenommene sich mit der Anstalt, wegen des derselben auf seinen Nachlaß zukommenden Erbrechtes, auf eine gewisse Summe verglichen: so hat es dabey lediglich sein Bewenden; selbst in dem Falle, wenn das Vermögen des Aufgenommenen erst in der Folge einen Zuwachs erhält.
§. 72. Werk- und Arbeitshäuser, in welchen die Aufgenommenen nur in so fern Unterhalt genießen, als sie sich denselben durch ihre Arbeit verdienen, haben auf den Nachlaß derselben kein Erbrecht.
§. 73. Hingegen wird durch Arbeiten, wozu ein Aufgenommener überhaupt in jeder Armenanstalt nach §. 87. 88. schuldig ist, oder wofür er besondre Vergütung erhalten hat, das Erbrecht der Anstalt nicht ausgeschlossen.
§. 74. Anstalten, die bloß zur Heilung der Kranken bestimmt sind, haben, wenn gleich der Aufgenommene daselbst verstorben ist, dennoch auf seinen Nachlaß kein Erbrecht; sondern können bloß den Ersatz der auf ihn verwendeten Kosten nach §. 66. fordern.
§. 75. In Fällen, wo den Armen- und andern Versorgungsanstalten auf einen Nachlaß ein gesetzliches Erbrecht beygelegt ist, kann ihnen dasselbe, durch Verfügung auf den Todesfall, weder entzogen, noch geschmälert werden.
Innere Verfassung solcher Anstalten.
§. 76. Die innere Einrichtung und Verfassung einer jeden öffentlichen Armen- oder andern Versorgungsanstalt, ist durch die für selbige von dem Staate vorgeschriebene oder genehmigte Ordnung und Instruction bestimmt.
§. 77. Kirchen und Capellen, welche für dergleichen Anstalten besonders errichtet sind, stehen, gleich andern, unter der Aufsicht der geistlichen Obern der Diöces, oder des Districts.
§. 78. Auf die in der Anstalt lebenden Personen und Officianten gebühren dergleichen Kirchen und Capellen wirkliche Parochialrechte.
§. 79. Auf diejenigen aber, welche außerhalb der Anstalt leben, können sie sich solcher Rechte nicht anmaßen.
§. 80. Die Vorsteher und Verwalter solcher Anstalten sind als Diener des Staats anzusehen.
§. 81. Bey Verwaltung der der Anstalt zugehörenden Gelder und Gefälle, finden eben die Vorschriften, und gleiche Vertretung, wie bey Königlichen Cassen, statt.
§. 82. Doch kommt der Anstalt in dem Vermögen ihrer Verwalter nicht das Vorrecht der Zweyten Classe, wie bey Königlichen Cassen, sondern nur das der vierten Classe zu.
§. 83. Uebrigens müssen dergleichen Vorsteher und Administratoren, bey Führung ihres Amtes, hauptsächlich nach der Stiftungsurkunde, und ihren besondern Instructionen; demnächst aber nach den den Vormündern ertheilten gesetzlichen Vorschriften sich achten.
§. 84. Personen, welche in Armen- und andere öffentliche Verpflegungsanstalten aufgenommen worden, können sich der darin eingeführten Zucht und Ordnung unter keinerley Vorwande entziehen.
§. 85. Unruhige und Widerspenstige müssen von denAufsehern, nöthigenfalls durch dienliche Zwangsmittel, in Ordnung gehalten, oder bewandten Umständen nach aus der Anstalt fortgeschafft werden.
§. 86. Die Strafen müssen aber die Gränzen einer bloßen Züchtigung nicht überschreiten; und die Fortschaffung darf niemals ohne Vorwissen und Genehmigung der Obrigkeit geschehen.
§. 87. Unentgeltlich Aufgenommene sind der Anstalt zu häuslichen Diensten, so weit es ihre Kräfte und Gesundheitsumstände zulassen, verpflichtet.
§. 88. In gleichem Maaße können auch andre Arbeiten, die bloß zum Verbrauche in der Anstalt bestimmt sind, so weit sie Fähigkeiten und Kräfte dazu besitzen, von ihnen gefordert werden.
§. 89. Uebrigens werden die den aufgenommenen, vermöge ihres Standes oder sonstigen Verhältnisse, zukommenden Rechte und Pflichten, durch die Aufnahme in dergleichen Anstalt nicht verändert.
Zwanzigster Titel. Von den Verbrechen und deren Strafen
§. 1. Eine jede Obrigkeit, und jeder Vorgesetzte im Volke, muß Laster und Verbrechen bey seinen Untergebenen zu verhüten ernstlich beflissen seyn.
§. 2. Aeltern und Erzieher, Schul- und Volkslehrer, sind besonders verantwortlich, wenn sie die ihnen obliegenden Pflichten, in Ansehung der ihrer Aufsicht anvertraueten Personen vernachläßigen.
§. 3. Oeffentliche Verachtung der Religion, und Verführung der Unschuld sollen gesetzmäßig und nachdrücklich geahndet werden. (Abschn. VI. XII.)
§. 4. Muthwillige Bettler, Landstreicher, und Müßiggänger, müssen zur Arbeit angehalten, und wenn sie dazu unbrauchbar sind, auf eine billige Art versorgt, oder als Fremde aus dem Lande geschafft werden.
§. 5. Diebe und andere Verbrecher, welche ihrer verdorbenen Neigungen wegen dem gemeinen Wesen gefährlich werden könnten, sollen, auch nach ausgestandener Strafe, des Verhafts nicht eher entlassen werden, als bis sie ausgewiesen haben, wie sie sich auf eine ehrliche Art zu ernähren im Stande sind.
§. 6. Obrigkeiten und Vorgesetzte, welche die Obsicht und Vorbeugungsmittel gedachter Art vernachläßigen, machen sich der Verbrechen ihrer Untergebenen, nach Verhältniß der Umstände, mehr oder weniger theilhaftig.
Erster Abschnitt. Von Verbrechen und Strafen überhaupt
§. 7. Wer durch eine freye Handlung jemanden widerrechtlich Schaden zufügt, der begehet ein Verbrechen, und macht sich dadurch nicht nur dem Beleidigten, sondern auch dem Staate, dessen Schutz derselbe genießt, verantwortlich.
§. 8. Auch durch freye Unterlassung dessen, was die Gesetze von jemanden fordern, begehet derselbe ein Verbrechen.
§. 9. Handlungen und Unterlassungen, welche nicht in den Gesetzen verboten sind, können als eigentliche Verbrechen nicht angesehen werden, wenn gleich Einem oder dem Andern daraus ein wirklicher Nachtheil entstanden seyn sollte.
§. 10. Eine absichtliche Verletzung der öffentlichen oder Privatsicherheit kann durch die Unwissenheit der Gesetze nicht entschuldigt werden.
§. 11. Sonst trift die Strenge der Gesetze nur den, welcher das Strafgesetz zu wissen schuldig, und im Stande gewesen ist.
§. 12. Nicht nur Unterthanen, sondern auch Fremde, welche innerhalb der Grenze des Staats sich aufhalten, sind sich um die Gesetze desselben zu erkundigen verpflichtet. (Einleit. §. 33-41.)
§. 13. Dergleichen Fremde, welche innerhalb Landes Verbrechen begehen, werden daher auch nach inländischen Gesetzen bestraft.
§. 14. Fremde aber, wenn sie wegen auswärts begangener Verbrechen zur Strafe gezogen werden sollen, müssen nach den Gesetzen des Ortes, wo sie das Verbrechen begangen haben, beurtheilt werden.
§. 15. Doch kommt es allen denen, welche wegen auswärts begangner Verbrechen innerhalb Landes bestraft werden sollen, zu statten, wenn die hiesigen Gesetze eine gelindere Strafe auf das auswärts begangene Verbrechen bestimmt haben.
§. 16. Wer frey zu handeln unvermögend ist, bey dem findet kein Verbrechen, also auch keine Strafe statt.
§. 17. Unmündige und schwachsinnige Personen können zwar zu Verhütung fernerer Vergehungen gezüchtiget; niemals aber nach der Strenge der Gesetze bestraft werden.
§. 18. Alles, was das Vermögen eines Menschen, mit Freyheit und Ueberlegung zu handeln, mehrt oder mindert, das mehrt oder mindert auch den Grad der Strafbarkeit.
§. 19. Furcht vor Drohungen, deren Gefahr mit Hülfe des Staats oder sonst abgewendet werden konnte, rechtfertigt den Verbrecher nicht.
§. 20. In wie fern der Bedrohete die Furcht zu überwinden, und die Gefahr selbst abzuwenden vermögend gewesen sey? muß nach der Lage der Umstände, besonders aber nach seiner Gemüths- und Leibesbeschaffenheit beurtheilt werden.
§. 21. Furcht vor einem bloßen Schaden am Vermögen, oder vor Uebeln, die in der Folge gehoben werden können, entschuldigt nicht die vorsetzliche Zufügung eines unersetzlichen Schadens.
§. 22. Wer sich selbst vorsätzlich, oder vermittelst eines grobens Versehens, es sey durch Trunk oder auf andere Art, in Umstände versetzt hat, wo das Vermögen, frey zu handeln, aufgehoben oder eingeschränkt ist; dem wird das unter solchen Umständen begangene Verbrechen nach Verhältniß dieser seiner Verschuldung zugerechnet.
§. 23. Je mehr) Bewegungsgründe jemand gehabt hat, die begangene strafbare Handlung zu unterlassen, desto mehr muß sie ihm zugerechnet werden.
§. 24. Je mehr) Pflichten jemand gegen den Andern, oder gegen den Staat hat; desto größer ist das Verbrechen, wenn er dieselben beleidigt.
§. 25. Je größer und unvermeidlicher der Schade oder die Gefahr ist, welche aus dem Verbrechen entstehen; desto schärfer muß dasselbe geahndet werden.
§. 26. Wer absichtlich etwas thut oder unterläßt, wodurch jemand gegen die Vorschrift eines Strafgesetzes beleidigt wird, der begeht ein vorsätzliches Verbrechen.
§. 27. Ist die Handlung so beschaffen, daß der gesetzwidrige Erfolg, nach der allgemein oder dem Handelnden besonders bekannten natürlichen Ordnung der Dinge, nothwendig daraus entstehen mußte: so wird vermuthet, daß das Verbrechen vorsätzlich sey unternommen worden.
§. 28. Wer bey Uebertretung des Strafgesetzes zwar die gesetzwidrige Folge seiner Handlung nicht wirklich vorausgesehen hat; doch aber bey gehöriger Aufmerksamkeit und Ueberlegung hätte voraussehen können; der hat sich eines Verbrechens aus Fahrläßigkeit schuldig gemacht. (Th. I. Tit. III. §. 25.)
§. 29. Je natürlicher und gewöhnlicher der gesetzwidrige Erfolg aus der Handlung entsteht; je leichter der Handelnde diesen Zusammenhang hat voraus sehen können; und je gefährlicher und unerlaubter die Handlung an sich ist, aus welcher der Schade, obschon wider seinen Willen, entsteht; desto mehr muß die dabey begangene Fahrläßigkeit bestraft werden.
§. 30. Die verschiedenen Grade der gesetzlichen Strafen werden von dem Richter in jedem besondern Falle nach Vorschrift §. 23. 24. 25. bestimmt.
§. 31. Die im Gesetze bestimmte Strafe eines Verbrechens heißt die ordentliche; und trifft in der Regel nur den, welcher das Verbrechen vorsätzlich begangen hat.
§. 32. Die nächste Strafe nach der ordentlichen wird dem zuerkannt, welcher zwar des bösen Vorsatzes nicht überführt ist, dem aber, vor oder bey der That, die gesetzwidrige Wirkung als eine unmittelbare Folge seiner Handlung nicht unbekannt seyn konnte.
§. 33. Hat das Gesetz die Strafe eines aus Fahrläßigkeit begangenen Verbrechens nicht ausdrücklich bestimmt: so wird von dem Richter eine außerordentliche Strafe nach den Grundsätzen des §. 29. festgesetzt.
§. 34. Findet nur eine außerordentliche Strafe statt; so kann dieselbe niemals bis zum Tode oder zur Ehrlosigkeit ausgedehnt werden.
§. 35. Wenn die Gesetze eine willkührliche Strafe verordnen: so darf dieselbe nicht über Gefängniß von Sechs Wochen, oder Fünfzig Thaler Geldbuße, ausgedehnt werden.
§. 36. Ist der schädliche Erfolg aus einer an sich erlaubten Handlung durch bloßen Zufall entstanden: so kann er dem Handelnden nicht als ein Verbrechen zugerechnet werden. (Th. I. Tit. III. §. 6.)
§. 37. Ist die Handlung, welche den zufälligen Erfolg wider die Absicht des Handelnden gehabt hat, an sich unerlaubt, so ist zwar dieser Erfolg selbst für kein Verbrechen zu achten.
§. 38. Je leichter aber dessen Möglichkeit von dem Verbrecher vorausgesehen werden konnte, desto mehr muß, in Rücksicht auf den daraus entstandenen Schaden, die Strafe der unerlaubten Handlung selbst geschärfft werden.
Von unternommenen und ausgeführten Verbrechen.
§. 39. Die ordentliche Strafe eines vorsätzlichen Verbrechens trifft denjenigen, welcher dasselbe wirklich vollbracht hat.
§. 40. Hat der Thäter zu Vollziehung des Verbrechens von seiner Seite alles gethan; die zum Wesen der strafbaren Handlung erforderliche Wirkung aber ist durch einen bloßen Zufall verhindert worden; so hat er diejenige Strafe, welche der ordentlichen am nächsten kommt, verwirkt.
§. 41. Die nächste Strafe nach dieser trifft den, welcher durch einen bloßen Zufall an der letzten, zur Ausführung des Verbrechens erforderlichen Handlung gehindert wurde.
§. 42. Hat ein solcher Zufall schon die vorläufigen Anstalten zu der strafbaren Handlung unterbrochen: so wird die böse Absicht nach Verhältniß des Fortschrittes zur wirklichen Vollziehung geahndet.
§. 43. Wer aus eigner Bewegung von der Ausführung des Verbrechens absteht, und dabey solche Anstalten trifft, daß die gesetzwidrige Wirkung gar nicht erfolgen kann; ingleichen der, welcher durch zeitige Entdeckung der Mitschuldigen, und ihres Vorhabens, die Ausführung desselben hintertreibt, kann auf Begnadigung Anspruch machen.
§. 44. Auch bloße Drohungen, ein gewisses Verbrechen begehen zu wollen, sind strafbar; und verpflichten den Staat zu Maaßregeln, wodurch der Bedrohete in Sicherheit gesetzt wird.
§. 45. In der Regel kann die Strafe in einem vorkommenden Falle nicht über das höchste Maaß der gesetzlichen Strafe verschärft werden.
§. 46. Wenn auch eine Verschärfung der ordentlichen Strafe dem Richter zur Pflicht gemacht worden: so darf doch die im Gesetze bestimmte Gattung der Strafe nicht geändert, und es muß dabey allemal auf die Vorschrift des §. 50. Rücksicht genommen werden.
§. 47. Die im Gesetze bestimmten Arten der Todesstrafen werden durch Schleifung zur Richtstätte, oder durch öffentliche Ausstellung des Leichnams geschärft.
§. 48. Die Verschärfung der Festungs- und Zuchthausstrafe geschieht durch längere Dauer, oder durch körperliche Züchtigung.
§. 49. Die Gefängnißstrafe soll durch längere Dauer, oder durch Beraubung gewohnter Bequemlichkeiten, aber nicht durch solche Mittel geschärft werden, durch welche das Leben und die Gesundheit des Gefangenen in Gefahr gesetzt wird.
§. 50. Bey Schärfung der Leibesstrafe muß allemal auf die körperliche Beschaffenheit des zu Bestrafenden Rücksicht genommen werden.
§. 51. Gegen den, welcher durch Erdichtung falscher Umstände den Richter hintergehen will, wird die übrigens verwirkte Strafe allemal geschärft.
§. 52. Die Wiederholung gleicher Verbrechen wirkt allemal Schärfung der auf das einfache Verbrechen im Gesetze bestimmten Strafe.
§. 53. Bey dieser Verschärfung der Strafe ist besonders auf den Hang des Verbrechers zu dieser Art von Vergehungen, und auf die dem Staate daraus bevorstehende Gefahr Rücksicht zu nehmen.
Von der Collision mehrerer Verbrechen.
§. 54. Sind mehrere Geldstrafen verwirkt worden: so wird eine jede aus dem Vermögen des Verbrechers beygetrieben.
§. 55. Eben diese Beytreibung findet statt, wenn derselbe Verbrecher auch noch außerdem eine Lebens- Leibes-, oder Ehrenstrafe verwirkt hat.
§. 56. Auch bloße Ehrenstrafen sollen zugleich, neben der Leibes- oder Geldstrafe vollzogen werden, so weit sie nicht in der körperlichen begriffen, oder dadurch unnütz gemacht werden.
§. 57. Wenn mehrere Leibesstrafen zusammentreffen: so muß die Strafe des schwersten Verbrechens verschärft oder verlängert; doch muß die Summe aller Strafen der verschiedenen Verbrechen nicht überschritten werden.
§. 58. Wer die noch unentdeckten Mitschuldigen anzeigt, soll mit einer gelindern als der gesetzlichen Strafe belegt werden.
§. 59. Wer die That, noch ehe er derselben überführt ist, freywillig gestellt, gegen den soll die sonst verwirkte Schärfung der Strafe gemildert, oder wenn keine Schärfung statt findet, die gelindere gesetzliche Strafe erkannt werden.
§. 60. Reue vor vollführter That, ist nach den Regeln der unternommenen Verbrechen zu beurtheilen.
§. 61. Wenn der Verbrecher nach vollbrachter That die schädliche Wirkung derselben, ganz oder zum Theil, sogleich aus eigenem Antriebe verhindert hat: so findet nur eine außerordentliche Strafe statt.
§. 62. Ist der Schade schon geschehen, aber von dem Thäter ersetzt worden: so findet eine Milderung der sonst verwirkten Strafe statt.
§. 63. Ist der Verbrecher verborgen geblieben; hat aber seit mehreren Jahren überzeugende Beweise einer gründlichen Besserung gegeben; und den Schaden vollständig ersetzt: so kann er auf Begnadigung Anspruch machen.
Theilnehmung an den Verbrechen Anderer.
§. 64. Haben mehrere an Ausführung eines Verbrechens unmittelbar Theil genommen: so trifft jeden von ihnen, als Urheber, die im Gesetze bestimmte Strafe.
§. 65. Hat Einer sich als Haupturheber ausgezeichnet, und die Uebrigen zum Verbrechen verleitet: so wird die ordentliche Strafe gegen ihn geschärft.
§. 66. Verbrechen, zu deren Begehung sich Mehrere verbunden haben, müssen schärfer bestraft werden, als eben diese Verbrechen, wenn sie nur von einzelnen Personen begangen worden.
§. 67. Wer sich eines Andern zu Ausführung eines Verbrechens bedient, wird eben so bestraft, wie derjenige, welcher ein solches Verbrechen selbst und unmittelbar begangen hat.
§. 68. Steht er gegen den Thäter im Verhältnisse eines Vorgesetzten, oder einer Respectsperson: so wird er als der Rädelsführer des veranstalteten Verbrechens angesehen. (§. 65.)
§. 69. Wegen dieses Verhältnisses des Thäters gegen seinen Obern kann die Strafe des erstern zwar gemindert, aber nicht erlassen werden.
§. 70. Ist der, welcher den Auftrag gemacht, oder der, welcher ihn übernommen hat, dem Staate oder dem Beleidigten vorzüglich verpflichtet: so muß bey der Strafe auch auf dieses besondere Verhältniß Rücksicht genommen werden.
§. 71. Hat jemand zwar an der Ausführung eines Verbrechens nicht unmittelbar Theil genommen; aber doch dabey eine solche thätige Hülfe geleistet, daß ohne dieselbe das Verbrechen nicht hätte begangen werden können: so findet gegen ihn die ordentliche Strafe statt.
§. 72. Ist der geleistete Beystand zur Ausführung des Verbrechens nicht nothwendig gewesen: so wird dieser Beystand dennoch nach dem Verhältnisse, wie er das Verbrechen erleichtert oder befördert hat, und nach Maaßgabe der Schwere des Verbrechens selbst, an den Hülfeleistenden geahndet.
§. 73. Wenn sich Mehrere zu einem gemeinschaftlich auszuführenden Verbrechen verbunden haben: so muß jeder von ihnen für sämmtliche verabredete Handlungen haften, wenn er auch nur zu Einer behülflich gewesen ist.
§. 74. Wenn jemand, auch ohne vorgängige Verabredung, zu der Zeit, da die That ausgeführt wird, durch Handreichung, Wache halten, oder sonst, Hülfe leistet: so wird er in Ansehung der That, bey welcher er wissentlich und freywillig hilft, als Miturheber angesehen.
§. 75. Hat der Hülfsleistende das Verbrechen, welches begangen werden sollte, nicht gewußt: so wird seine Strafbarkeit nach seiner dabey gehabten Absicht beurtheilt.
§. 76. Wer zu einem Verbrechen bestimmten Rath und Anleitung giebt, wird eben so bestraft, wie der, welcher dazu thätigen Beystand geleistet hat. (§. 72.)
§. 77. Ist der Rathgeber bey der Vollziehung der That gegenwärtig gewesen: so wird er zugleich als Urheber angesehen.
§. 78. Wer einen Andern durch Trunk, oder sonst mit Vorsatz, in Umstände setzt, daß derselbe das Vermögen mit Freyheit und Ueberlegung zu handeln verliert, der ist wegen des dadurch veranlaßten Verbrechens verantwortlich.
§. 79. Die Absicht, welche der Verführer bey seinem Vornehmen gehabt hat, und die mehrere oder mindere Wahrscheinlichkeit des daraus zu besorgenden schädlichen Erfolgs, bestimmen die Art und den Grad der Strafe.
§. 80. Wer von einem Verbrechen, wodurch die Sicherheit des Staats, oder Leben, Gesundheit, Ehre oder Vermögen eines Menschen einer erheblichen Gefahr ausgesetzt werden, vor dessen Ausführung Wissenschaft erhält, ist schuldig, dasselbe durch Anzeige bey der Obrigkeit, oder durch Benachrichtigung dessen, gegen welchen das Unternehmen gerichtet ist, zu verhindern.
§. 81. Fehlt es ihm an Zeit und Gelegenheit, das Verbrechen durch obrigkeitliche Hülfe, oder durch Benachrichtigung dessen, welcher dabey Gefahr läuft, zu hintertreiben: so muß er selbst, so weit es ohne seine eigene oder eines Dritten beträchtliche Gefahr geschehen kann, dasselbe zu hintertreiben bemüht seyn.
§. 82. Wer das Verbrechen auf die §. 80. 81. vorgeschriebene Art zu hindern unterläßt, ist, wenn er einer zuverläßigen Wissenschaft des vorhabenden Verbrechens überführt werden kann, nicht nur zum Schadensersatze verbunden; sondern er muß auch, nach Verhältniß seiner Bosheit oder Fahrläßigkeit, bestraft werden.
§. 83. Hat jemand an den Vortheilen eines Verbrechens, nach dessen Ausführung, wissentlich und freywillig, jedoch ohne vorgängige Abrede, Theil genommen: so trifft ihn eine solche Ahndung, die der ordentlichen Strafe desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächsten kommt.
§. 84. Wer Verbrecher, oder deren unrechtmäßigen Gewinn, zu verheimlichen sich zum Gewerbe macht, wird nach der Regel eben so, wie die Verbrecher selbst, bestraft.
Bestimmung der Strafen und ihres Verhältnissen gegen einander.
§. 85. Geldstrafen sollen gegen unbemittelte Personen der niedern Volksklasse nicht erkannt, und wo sie gesetzlich bestimmt sind, in eine verhältnißmäßige Strafarbeit, oder Gefängnißstrafe verwandelt werden.
§. 86. Wenn das Gesetz dem Richter die Wahl überläßt: ob Geld- oder Leibesstrafe verhängt werden soll: so muß das Nöthige im Erkenntnisse festgesetzt; niemals aber dem Verbrecher selbst die Wahl überlassen werden.
§. 87. Zeitige Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe wird in verhältnißmäßige Geldbuße verwandelt, wenn die Leibesstrafe an der Person des Verbrechers nicht vollzogen werden kann.
§. 88. Fünf Thaler Geldbuße werden einer Gefängnißstrafe von Acht Tagen, der Regel nach, gleich geachtet.
§. 89. Doch kann der Richter dieses Verhältniß, nach der bekannten Beschaffenheit der Vermögensumstände des Verbrechers, auf Zehn bis Vierzig Thaler, für Acht Tage Gefängniß erhöhen.
§. 90. Wenn die gesetzliche oder erkannte Verschärfung der Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe nicht anwendbar ist: so muß die Dauer derselben verlängert werden.
Zweyter Abschnitt. Von Staatsverbrechen überhaupt und vom Hochverrathe insbesondere
§. 91. Die freywillige Handlung eines Unterthans, durch welche der Staat oder dessen Oberhaupt unmittelbar beleidigt werden, heißt ein Staatsverbrechen.
§. 92. Ein Unternehmen, welches auf eine gewaltsame Umwälzung der Verfassung des Staats, oder gegen das Leben oder die Freyheit seines Oberhaupts abzielt, ist Hochverrath.
§. 93. Wer sich dessen schuldig macht, soll nach Verhältniß seiner Bosheit, und des angerichteten Schadens, mit der härtesten und schreckhaftesten Leibes- und Lebensstrafe hingerichtet werden.
§. 94. Diese Strafe trifft sowohl den Rädelsführer, als diejenigen, welche an dem Verbrechen als Miturheber Theil genommen haben, (§. 64. 67. 71. 73.)
§. 95. Dergleichen Hochverräther werden nicht nur ihres sämmtlichen Vermögens und aller bürgerlichen Ehre verlustig; sondern tragen auch die Schuld des Unglücks ihrer Kinder, wenn der Staat, zur Abwendung künftiger Gefahren, dieselben in beständiger Gefangenschaft zu behalten, oder zu verbannen nöthig finden sollte.
§. 96. Auch diejenigen, welche bey einem Hochverrathe auf entferntere Art, es sey durch Rath oder That, behülflich gewesen sind, sollen mit dem Schwerdte hingerichtet werden. (§. 72. 76.) des entwichenen oder gestorbenen Verbrechers, (§. 99.) treffen auch einen Landesverräther der Ersten Classe.
§. 104. Auch in Ansehung der Miturheber und Theilnehmer dieses Verbrechens, ingleichen derjenigen, die ihre Wissenschaft von einem solchen Vornehmen zu entdecken unterlassen haben, finden die Vorschriften §. 94. 96. 97. 98. wie bey dem Hochverrathe Anwendung.
§. 105. Ist eine Landesverrätherey der Ersten Classe vor deren wirklichem Ausbruche entdeckt, oder doch gänzlich verhindert worden: so sollen die Urheber mit dem Schwerdte hingerichtet; die Theilnehmer aber mit lebenswieriger, und die Mitwisser mit Acht- bis Zehnjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 97. Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths Nachricht erhält, und der Obrigkeit baldmöglichst Anzeige davon zu machen unterläßt, hat Zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe verwirkt. (§. 80. 81. 82.)
§. 98. Selbst Aeltern, Kinder und Ehegatten sind, bey gleicher Strafe, die Ausführung eines solchen Verbrechens, so viel an ihnen ist, auch durch zeitige Entdeckung ihrer davon erlangten Wissenschaft, zu hindern verpflichtet.
Strafe entwichener und gestorbener Hochverräther.
§. 99. Wenn jemand, der des Hochverraths schuldig befunden wird, sich der körperlichen Strafe durch die Flucht entzogen hat, oder vor Vollstreckung des Urtels gestorben ist: so soll, außer der übrigen die Ehre und das Vermögen betreffenden Ahndung, auch die Execution der verwirkten Leibesstrafe an seinem Bildnisse vollzogen werden.
Dritter Abschnitt. Von Verbrechen gegen die äußere Sicherheit des Staats
§. 100. Ein Unternehmen, wodurch der Staat gegen fremde Mächte in äußere Gefahr und Unsicherheit gesetzt wird, heißt Landesverrätherey.
§. 101. Wer ganze dem Staate gehörige Lande, Kriegesheere, oder Hauptfestungen, in feindliche Gewalt zu bringen unternimmt, der ist ein Landesverräther der Ersten Classe.
§. 102. Ein solcher Landesverräther soll zum Richtplatze geschleift, mit dem Rade von unten herauf getödtet, und der Körper auf das Rad geflochten werden.
§. 103. Die gegen einen Hochverräther in Ansehung der Ehre, des Vermögens, und in Beziehung auf seine Familie, nach §. 95. verordnete Ahndung, ingleichen die Vollstreckung der Leibestrafe an dem Bildnisse
Zweyte Classe der Landesverrätherey.
§. 106. Unternehmungen von minderer Wichtigkeit, die zur Begünstigung der Feinde des Staats abzielen, sind als Landesverrätherey der Zweyten Classe anzusehen.
§. 107. Wer dem Feinde zur Ausführung seiner Anschläge beförderlich ist, oder den Kriegesvölkern des Staats in ihren Unternehmungen gegen den Feind vorsätzlich Hindernisse in den Weg legt, soll durch den Strang hingerichtet werden.
§. 108. Wer zur Begünstigung des Feindes, Aufruhr in Festungen erregt, oder Magazine und Vorrathshäuser verderbt, ist der Strafe des Rades von oben herab schuldig.
§. 109. Wer in gedachter Absicht Städte, Dörfer, Vorrathshäuser, oder offene Magazine in Brand steckt, soll durch das Feuer vom Leben zum Tode gebracht werden.
§. 110. Wer die feindlichen Truppen, durch freywillig übernommene Lieferungen, mit Kriegsbedürfnissen und Lebensmitteln in beträchtlicher Menge unterstützt, hat die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 111. Wer sich als Kundschafter von dem Feinde brauchen läßt, oder demselben Operationsplane, Festungsrisse, oder andre dergleichen Nachrichten und Urkunden mittheilt, durch welche derselbe in Stand gesetzt wird, dem Staate zu schaden, wird mit dem Galgen bestraft.
§. 112. Wer, ohne weitere Theilnehmung, feindliche Kundschafter, oder einzelne zum Auskundschaften abgeordnete feindliche Truppen oder Soldaten bey sich verbirgt, soll mit Vier- bis Sechsjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 113. Fremde Kundschafter, die sich auf verdächtigen Wegen betreten lassen, sind nach den Regeln des Kriegsrechts zu behandeln.
§. 114. Feindliche Kriegsgefangene, welche die ihnen gestattete Befreyung von einer engem Gefangenschaft gegen ihr gegebenes Wort mißbrauchen, und Aufruhr anrichten, sollen mit dem Schwerdte, oder nach Bewandniß der Umstände, der Größe der Gefahr, oder des wirklich entstandenen Schadens, mit dem Rade von oben hingerichtet werden.
Strafe des noch nicht ausgeführten Unternehmens;
§. 115. In Fällen, wo eine Landesverrätherey der Zweyten Classe noch nicht ausgeführt, oder dem Staate dadurch noch kein Schade zugefügt worden, soll die Lebensstrafe, nach Bewandniß der Umstände, in Sechs- bis Zehnjährige Gefangenschaft verwandelt werden.
der Theilnehmer und Mitwisser.
§. 116. Eine gleiche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe trifft diejenigen, welche an einer solchen Landesverrätherey zwar nicht unmittelbar, aber doch durch Rathschläge oder entfernte Hülfsleistung Theil genommen haben.
§. 117. Gegen diejenigen, welche ihre Pflicht, zur Entdeckung der von einer solchen vorhabenden Landesverrätherey, ihnen beywohnenden Wissenschaft, unterlassen haben, finden die allgemeinen Vorschriften des §. 80. 81. 82., jedoch nach der Wichtigkeit des Gegenstandes, der Gefahr, oder des Schadens, in geschärfterem Grade Anwendung.
§. 118. Jeder Mitschuldige an einer Hoch- oder Landesverrätherey, welcher das böse Vorhaben aus eigner Bewegung noch in Zeiten entdeckt, und dadurch aller Beschädigung des Staats vorbeugt, kann auf Milderung der Strafe, oder, nach bewandten Umständen, auf völlige Begnadigung Anspruch machen.
§. 119. Wer sich wissentlich in Verbindungen einläßt, wodurch der Staat auf irgend eine Art in äußere Unsicherheit, oder gefährliche Verwickelungen gerathen könnte, soll, wenn er auch einer bösen Absicht nicht überführt, und dem Staate kein Schade geschehen ist, mit Gefängniß- oder Festungstrafe auf Sechs Monathe bis Zwey Jahre belegt werden.
§. 120. Ohne besondere Erlaubniß der Obrigkeit darf kein Einwohner des Staats sich, zu Kriegszeiten, mit irgend jemanden von feindlicher Seite in heimliches Vernehmen einlassen.
§. 121. Wer seiner Privatgeschäfte wegen, zu Kriegszeiten Reisen in feindliche Lande vornehmen muß, ist die schriftliche Erlaubniß seiner Obrigkeit nachzusuchen verbunden.
§. 122. Briefwechsel in feindliche Lande darf ohne dergleichen besondre Erlaubniß nicht anders, als durch den Weg der öffentlichen Posten, auch nie in Ziffern, oder andern geheimen Zeichen geführt werden.
§. 123. Niemand soll fremde Personen bey sich aufnehmen, oder deren heimlichen Aufenthalt begünstigen; sondern er ist schuldig, der Obrigkeit seines Orts davon sofort Nachricht zu geben.
§. 124. Wer diesen Vorschriften (§. 121. 122. 123.) zuwider handelt, soll, wenn er auch bey näherer Untersuchung einer Verrätherey; oder der Theilnehmung und Mitwissenschaft davon nicht schuldig befunden wird, dennoch in eine seinem Vergehen angemessene empfindliche Leibes- oder verhältnißmäßige Geldstrafe verurtheilt werden.
§. 125. Ohne ausdrückliche Bewilligung des Landesherrn soll niemand im Lande Befestigungen anlegen, welche den Feinden des Staats zum Aufenthalte dienen könnten.
§. 126. Niemand soll schweres Geschütz, Waffen, oder Kriegsvorräthe, heimlich aufsammeln.
§. 127. Niemand soll, ohne Zwang, dem Feinde Lebensmittel oder Kriegsbedürfnisse zuführen.
§. 128. Niemand soll bewaffnete Leute zusammenbringen, oder in Sold nehmen, der nicht von dem Staate dazu ausdrücklich bevollmächtigt worden.
§. 129. Niemand, der nicht vermöge seines Amts dazu berechtigt ist, soll Risse von Festungen, Operationsplane, und andre geheime Nachrichten, deren Bekanntwerdung, besonders in Kriegszeiten, dem Staate gefährlich seyn könnte, sammeln und besitzen; vielmehr dieselben, wenn sie ihm zukommen, an die Behörde sofort abliefern.
§. 130. Wer wider diese Vorschriften (§. 125. bis 129.) handelt, der soll, nach Verhältniß seiner Uebertretung, der für den Staat zu besorgenden Gefahr, und des seine Absicht dabey treffenden Verdachts, mit nachdrücklicher Geld- oder Leibestrafe, nach Beschaffenheit der Person, und ihres Vermögens, belegt werden.
§. 131. Jeder Bürger des Staats ist schuldig, die seinem Vaterlande drohende Gefahr, so viel in seinen Kräften steht, abzuwenden; und alle ihm bekannt gewordenen verdächtigen oder gefährlich scheinendes Unternehmungen, welchen er nicht selbst vorbeugen kann, der Obrigkeit anzuzeigen.
§. 132. Vornehmlich aber liegt allen Obrigkeiten und fiskalischen Bedienten die genaueste Aufmerksamkeit auf dergleichen Vorfälle und Begebenheiten ob: also daß, wenn sie dabey etwas pflichtwidrig verabsäumen, nicht nur mit Cassation, sondern auch, nach Beschaffenheit der Umstände, des Grades ihrer Nachlässigkeit, und des dem Staate daraus entstandenen Schadens, mit Gefängniß- oder zeitiger Festungsstrafe wider sie verfahren werden soll.
Dritte Classe der Landesverrätherey.
§. 133. Auch derjenige, welcher den Staat in Unvernehmen und Zwietracht mit fremden nicht feindlichen Mächten zu verwickeln sucht; ingleichen der, welcher solche fremde Mächte, zum Nachtheile der Gerechtsame und des Interesse des eignen Staats begünstigt, verletzt die äußere Sicherheit desselben, und begeht eine Landesverrätherey der Dritten Classe.
§. 134. Wer fremde Mächte gegen den Staat aufwiegelt, und zum Kriege wider denselben reizt, soll mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 135. Wer das Völkerrecht gegen fremde Staaten, deren Oberhaupt und Gesandten verletzt, oder dieselben sonst beleidigt, gegen den soll die durch die That selbst verwirkte Strafe jedesmal geschärft werden.
§. 136. Wer Beleidigungen fremder Unterthanen auch außerhalb Landes begeht, welche die hiesigen Unterthanen der Gefahr, daß von dem fremden Staate Repressalien wider sie gebraucht werden möchten, aussetzen, soll eben so, als wenn er das Verbrechen innerhalb Landes begangen hätte, gestraft werden.
§. 137. Wer in der Absicht, dem Staate zu schaden, oder ihn in Streitigkeiten mit seinen Nachbarn zu verwickeln, die Landesgränzen verrückt, oder verdunkelt, der soll vier- bis achtjährige Gefängniß- oder Zuchthausstrafe leiden.
§. 138. Wer sich um den Beystand fremder Mächte, zur Unterstützung seiner Ansprüche gegen den Staat oder einen Mitunterthanen bewirbt, und dadurch zu unangenehmen Verhandlungen zwischen beyderley Staaten Anlaß giebt, der hat sechsmonatliche bis zweyjährige Gefängniß- oder verhältnißmäßige Geldstrafe verwirkt.
§. 139. Diese Strafe soll geschärft werden, wenn der Staat selbst die vermeintlichen Rechte schon untersucht, und für ungegründet erklärt hat.
§. 140. Wer die Rechte des Staats gegen fremde Mächte durch Vernichtung der darüber sprechenden Urkunden, oder auf andre Art, vorsätzlich verdunkelt, soll mit sechsjähriger bis lebenswieriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 141. Wer fremden nicht feindlichen Mächten Staatsgeheimnisse offenbaret, oder ihnen Festungs- oder Operationsplane, oder Urkunden, und andere dergleichen Nachrichten, an deren Geheimhaltung der Wohlfahrt des Staats gelegen ist, mittheilt, der soll zehnjährigebis lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 142. Wer die ihm anvertraueten Staatsgeheimnisse aus Unvorsichtigkeit, Nachläßigkeit, oder Prahlerey bekannt werden läßt, und dadurch den Staat in Gefahr setzt, der soll zu fernern Diensten desselben auf immer für unfähig erklärt, und überdies, nach Verhältniß des Grades seiner Fahrläßigkeit, der Wichtigkeit des Gegenstandes, und des dem Staate wirklich zugefügten Schadens, mit zeitiger Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 143. Wer für fremde nicht feindliche Mächte in hiesigen Landen Werbungen anstellt, oder fremden Werbern aus hiesigen Landen Rekruten zubringt, der soll, wenn er sich auch gegen die angeworbenen selbst des Menschenraubs nicht schuldig gemacht hätte, dennoch zwey- bis vierjährige Festungsstrafe leiden.
§. 144. Wer Personen, die einen besondern Schutz des Staats genießen, in die Gewalt fremder Mächte verräth, der soll bis zu deren Wiederbefreyung in Verhaft genommen werden.
§. 145. Verliert der Ausgelieferte vor seiner Befreyung das Leben: so hat der Verräther zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 146. Ist der Verrath an fremde feindliche Mächte geschehen, so soll der Verräther mit der Strafe des Galgens belegt werden.
§. 147. Wie derjenige zu bestrafen sey, welcher Kriegsleuten des Staats, die ihre Fahne meineidig verlassen, durchhilft, ist im Achten Abschnitt §. 474. sqq. verordnet.
§. 148. Wer Fabrikenvorsteher, Bediente und Arbeiter, zum Auswandern verleitetund ihnen dabey behülflich ist; oder sonst Fabriken- und Handlungsgeheimnisse Fremden verräth; ingleichen wer seinem Vaterlande andre Vortheile dieser Art zu Gunsten fremder Staaten vorsätzlich entzieht, der hat vier bis achtjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
Vierter Abschnitt. Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats
§. 149. Die durch ein Verbrechen verwirkte Strafe wird allemal geschärft, wenn dasselbe unter Umständen, die an sich die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung stöhren, verübt worden.
1) Verhinderte Publication der Gesetze.
§. 150. Wer die Bekanntmachung eines Gesetzes, oder einer Landesherrlichen Polizeyverordnung, durch Abreißung oder Verdunkelung derselben, oder auf andre Art, geflissentlich zu verhindern trachtet, der soll Gefängniß- oder Zuchthaus-Strafe auf drey bis achtzehn Monathe leiden.
2) Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung,
§. 151. Wer durch frechen unehrerbietigen Tadel, oder Verspottung der Landesgesetze und Anordnungen im Staate, Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Bürger gegen die Regierung veranlaßt, der hat Gefängniß oder Festungsstrafe auf sechs Monathe bis zwey Jahre verwirkt.
§. 152. In je größerm Ansehen derjenige steht, welcher dergleichen Unfug vornimmt, desto strenger muß derselbe bestraft werden.
§. 153. Verkauf und Verbreitung solcher Schandschriften muß, unter nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe, verboten, und der ganze Vorrath der vorgefundenen Exemplare vernichtet, oder nach Beschaffenheit der Umstände öffentlich verbrennt werden.
§. 154. Drucker, Verleger, Abschreiber und Austheiler solcher aufrührerischer Schriften, trifft, außer dem Verluste ihres Bürgerrechts und Gewerbes, eine ihrer Verschuldung und der Größe des Hauptverbrechens angemessene Strafe.
§. 155. Was von Schriften verordnet ist, gilt auch von Gemählden, Kupferstichen, und andern sinnlichen Darstellungen, welche in einer solchen unerlaubten Absicht erfunden und bekannt gemacht worden.
§. 156. Dagegen steht einem jeden frey, seine Zweifel, Einwendungen, und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andre Anordnungen im Staate, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und Verbesserungen, sowohl dem Oberhaupte des Staats, als den Vorgesetzten der Departements anzuzeigen; und letztere sind dergleichen Anzeigen mit erforderlicher Aufmerksamkeit zu prüfen verpflichtet.
§. 157. Wer, mit Vorbeygehung der Obrigkeit, sich selbst, ohne besondere Zulassung der Gesetze, Recht zu verschaffen sucht, soll, wenn es ohne Gewalt an Personen oder Sachen geschieht, mit Geldbuße oder bürgerlichem Arreste gestraft; sonst aber, nach Verhältniß der ausgeübten Gewalt, mit zwey- bis sechsmonatlicher Gefängniß- Festungs- oder Zuchthaus-Strafe belegt werden.
§. 158. Wer dergleichen Selbsthülfe der schon erfolgten obrigkeitlichen Entscheidung zuwider verübt, ist, wenn es ohne Gewalt geschieht, mit sechswöchentlicher bis sechsmonatlicher, bey gebrauchter Gewalt hingegen, mit sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 159. Ist bey Ausübung der Selbsthülfe ein andres Verbrechen, welches schwerere Strafe nach sich zieht, begangen worden: so wird diese wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staats allemal geschärft.
§. 160. a) Wer Personen, zu deren Anzeigung die Unterthanen des Staats von der Obrigkeit öffentlich besonders aufgefordert werden, wissentlich verheimlicht, oder ihre Flucht befördert, hat Gefängnißstrafe auf vierzehn Tage bis drey Monathe verwirkt.
4) Erbrechung der Gefängnisse.
§. 160. b) Wer gefanglich eingezogne Personen der Obrigkeit mit List entzieht, oder ihnen zur Flucht beförderlich ist, soll mit vierwöchentlichem bis sechsmonatlichem Gefängnisse bestraft werden.
§. 161. Wer einen Gefangenen mit Gewalt in Freyheit setzt, hat nach Verhältniß der Schwere des von dem Entledigten begangenen Verbrechens, und der angewendeten Gewalt, außer der wegen des angerichteten Schadens verdienten Ahndung, eine ein- bis sechsjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 162. Diese Strafe findet statt, sobald das Gefängniß erbrochen worden, wenn auch der Gefangene nicht wirklich zur Freyheit gelangt wäre.
§. 163. Wer die Befreyung eines Gefangenen Hoch- oder eines Landesverräthers der Ersten Classe solchergestalt (§. 160. b. §. 161.) unternimmt, der hat die Strafe des Schwerdts; und in dem Falle des §. 160. a. sechs- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 164. Lag bey der unternommenen Befreyung oder Durchhelfung, eine hoch- oder landesverrätherische Absicht zum Grunde: so wird der Thäter selbst als ein Theilnehmer an dem Hoch- oder Landesverrathe bestraft.
§. 165. Ist die gewaltsame Befreyung eines Gefangenen durch Zusammenrottung mehrerer Menschen geschehen: so findet, außer der durch die That selbst verwirkten, auch noch die Strafe des Aufruhrs statt.
5) Widerstand gegen die Obrigkeit.
§. 166. Wer sich seiner Obrigkeit in ihrer Amtsführung, oder deren Abgeordneten in Vollziehung ihrer Befehle, thätlich widersetzt, der soll, nach Beschaffenheit des Widerstandes, und der dabey gebrauchten Gewalt, mit Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe auf Zwey Monathe bis Zwey Jahre belegt werden.
§. 167. Wer eine Classe des Volks, oder die Mitglieder einer Stadt- oder Dorfgemeine, ganz oder zum Theil zusammenbringt, um sich der Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen mit vereinigter Gewalt zu widersetzen, oder etwas von der Obrigkeit zu erzwingen; der macht sich eines Aufruhrs schuldig.
§. 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch keine wirkliche Gewalt verübt worden, und noch kein Schade geschehen ist, dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 169. Ist bey einem solchen Tumulte Gewalt verübt, und jemand an seinem Leibe oder Gütern beschädigt worden: so soll der Thäter nach Bewandniß seines Verbrechens gestraft; der Rädelsführer aber auf drey bis sechs Jahre zur Festung oder ins Zuchthaus gebracht, und sowohl bey seiner Aufnahme, als Entlassung, mit einer von dem Richter zu bestimmenden Anzahl von Peitschenschlägen (Willkommen und Abschied,) gezüchtigt werden.
§. 170. Ist bey einem solchen Tumulte ein Todschlag geschehen: so wird der Thäter selbst als ein Todschläger oder Mörder bestraft; der Rädelsführer aber mit zehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe, und gleicher körperlicher Züchtigung belegt.
§. 171. Kann bey einem im Tumulte erfolgten Todschlage der eigentliche Thäter nicht ausgemittelt werden: so soll gegen die Theilnehmer des Tumults, welche sich in dem Zeitpunkte des geschehenen Mordes in der Nähe des Orts, wo derselbe verübt worden, befunden haben, und mit Instrumenten, wodurch ein solcher Mord hat begangen werden können, versehen gewesen sind, nach Verhältniß des gegen sie obwaltenden Verdachts, vier- bis zehnjährige, gegen den Rädelsführer aber zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 172. Haben die Aufrührer den Tumult in der Absicht, einen Mord zu begehen, erregt: so treffen sie die unten §. 839. sqq. bestimmten härtern Strafen.
§. 173. Wenn obrigkeitliche Personen oder Wachens welche zur Stillung eines Tumult, herbeyeilen, thätlich behandelt oder gar ums Leben gebracht werden: so soll der Rädelsführer, so wie der Thäter, nach Bewandniß des Erfolgs, mit geschärfter Leibes- oder Lebensstrafe belegt werden.
§. 174. Leute, die sich, ohne Beruf, mit tödlichem Gewehre oder gleich schädlichen Instrumenten in einen solchen Tumult mischen, haben, wenn sie auch keine Gewalt gebraucht hätten, dennoch auf sechs Monathe, bis ein Jahr, Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 175. Wer die Aufrührer mit Gewehr oder andern Werkzeugen ihres Unfugs versieht; oder die schädlichen Absichten derselben, mit Worten, in Schriften, oder sonst befördert; der wird mit ein- bis zweyjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt.
§. 176. Heimliche Consulenten und unbefugte Schriftsteller, welche hartnäckige Querulanten in ihren gesetzwidrigen Gesuchen oder Beschwerden mit Rath und That unterstützen und bestärken, sollen, nach fruchtlos erhaltener Warnung, zu drey- bis sechsmonathlicher Zuchthausstrafe verurtheilt werden.
§. 177. Haben Justizcommissarien, oder andere Gerichtspersonen, sich dieses Verbrechens schuldig gemacht: so werden sie, außer der §. 176. bestimmten Strafe ihres Amts entsetzt.
§. 178. Wer der Obrigkeit die gegen Aufruhr oder Widersetzlichkeit erforderte Hülfe versagt, da er selbige doch ohne eigene Gefahr zu leisten im Stande gewesen wäre, hat verhältnißmäßige Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 179. Wer aber zu dergleichen Hülfsleistung durch besondere Amts- oder Berufspflichten verbunden ist; und sich derselben dennoch entzieht; hat, außer dem Verluste seines Amts, Gefängniß- oder Festungsstrafe auf drey Monathe bis zu Einem Jahre verwirkt.
§. 180. Alle obrigkeitliche Personen, besonders aber die vorgesetzten der Magisträte, Gerichte, und anderer Collegien, sind schuldig, einen jeden, welcher sich in Angelegenheiten ihres Amts bey ihnen meldet, persönlich zu hören, und auf schleunige Untersuchung und Abhelfung gegründeter Beschwerden bedacht zu seyn.
§. 181. Allem Zusammenlaufe des Volks an ungewöhnlichen Zeiten und Orten, besonders aber nächtlichen Schwärmereyen, und Beunruhigungen der Einwohner eines Orts, soll von der Obrigkeit durch ernstliche Mittel gesteuert werden.
§. 182. Die Anstifter derselben, so wie die Theilnehmer, welche sich nicht weisen lassen, sind mit Arrest in dem öffentlichen Gefängnisse auf acht Tage bis sechs Wochen, oder verhältnißmäßiger Geld- oder anderer Leibesstrafe zu belegen.
§. 183. Muthwillige Buben, welche auf den Straßen, oder sonst, Unruhe erregen, oder grobe Unsittlichkeiten verüben, sollen mit verhältnißmäßigem Gefängnisse, körperlicher Züchtigung, oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 184. Die Mitglieder aller Gesellschaften im Staate sind verpflichtet, sich über den Gegenstand und die Absicht ihrer Zusammenkünfte gegen die Obrigkeit auf Erfordern auszuweisen.
§. 185. Heimliche Verbindungen mehrerer Mitbürger des Staats müssen, wenn sie auf den Staat selbst, und dessen Sicherheit Einfluß haben könnten, von den Verbundenen, bey Vermeidung nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe, der Obrigkeit zur Prüfung und Genehmigung angezeigt werden.
§. 186. Ohne ausdrückliche Erlaubniß der Polizeyobrigkeit soll keine Redute, öffentliche Maskerade, oder andre dergleichen öffentliche Lustbarkeit angestellt werden.
§. 187. Wenn die Obrigkeit die Erlaubniß ertheilt: so muß sie zugleich die nöthige Aufsicht zu Verhütung aller Unordnungen bey eigner Vertretung veranstalten.
§. 188. Wenn der Unternehmer solcher Lustbarkeiten sich die Erlaubniß und den Schutz der Obrigkeit nicht erbethen hat: so soll er, wegen aller dabey vorgefallner Unordnungen oder Verbrechen, gleich demjenigen, welcher dazu thäthigen Beystand geleistet hat, bestraft werden. (§. 71.)
§. 189. Ein Gleiches findet statt, wenn der Unternehmer, bey wirklich entstandnen Unordnungen, die nöthige Hülfe zu deren Beylegung nicht in Zeiten erfordert; ob er gleich die §. 186. vorgeschriebne Anzeige bey der Obrigkeit nicht unterlassen hat.
§. 190. Auch bey Gelagen in Wirthshäusern, und andern Versammlungsplätzen des gemeinen Volks, muß die Obrigkeit durch die Polizey darauf Acht haben, daß keine Unordnungen vorfallen; und nicht zugeben, daß solche Zusammenkünfte über die in der Polizeyordnung bestimmte Zeit fortdauern.
§. 191. Fremde Landstreicher, welche nirgend einen festen Wohnsitz haben, und wovon sie sich ernähren, nicht glaubhaft nachweisen können, sollen, wenn bey der Untersuchung ihres bisherigen Lebenswandels keine Anzeigen eines begangnen Verbrechens sich hervorthun, über die Gränze gebracht, und ihnen die Rückkehr bey Festungsstrafe verboten werden.
§. 192. Finden sie sich dennoch wieder ein: so müssen sie zweyjährige Festungsstrafe leiden.
§. 193. Nach ausgestandener Strafe werden sie abermals über die Gränze geschaft; und es wird ihnen lebenswierige Festungsstrafe auf den Fall der abermaligen Rückkehr angekündigt.
§. 194. Diese Strafe wird an ihnen wirklich vollstreckt, wenn sie sich als Landstreicher zum Drittenmale in hiesigen Landen betreten lassen.
§. 195. Vorstehende Andeutungen und Strafen (§. 191-194.) finden auch alsdann statt, wenn ein fremder Landstreicher in hiesigen Landen ein Verbrechen begangen, und die erkannte zeitige Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe ausgestanden hat.
Fünfter Abschnitt. Von Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat
Verbrechen der beleidigten Majestät;
§. 196. Wer das Oberhaupt des Staats in seiner Würde persönlich beleidigt, ohne daß dabey eine hoch- oder landesverrätherische Absicht erhellete, der begeht das Verbrechen der beleidigten Majestät.
§. 197. Thätliche Beleidigungen dieser Art, wenn sie auch dem Leben oder der Freyheit des Regenten nicht gefährlich gewesen wären, ziehen dennoch die Strafe des Schwerdts nach sich.
§. 198. Bey dergleichen minder wichtigen Vergehungen, oder bey hinzukommenden mildernden Umständen, kann die Todes- in lebenswierige, oder auch in Sechs- bis Zehnjährige Festungsstrafe verwandelt werden.
§. 199. Wer sich des Verbrechens der beleidigten Majestät durch ehrenrührige Schmähungen des Oberhaupts im Staate, mit Worten, Schriften, oder andern sinnlichen Darstellungen, schuldig macht; der hat Zwey- bis Vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 200. Auch schon andre dergleichen boshafte, die Ehrfurcht gegen den Landesherrn verletzende Aeußerungen, über die Person und Handlungen desselben, sollen mit Gefängniß- oder Festungsstrafe auf Sechs Monathe bis zu Einem Jahre geahndet werden.
§. 201. Alle über dies Verbrechen der beleidigten Majestät (§. 197-.200.) abgefaßte Straferkenntnisse müssen dem Landesherrn besonders vorgelegt, und ihm anheim gestellt werden: in wie fern er dabey von seinem Begnadigungsrechte Gebrauch machen wolle.
§. 202. Wenn bey der Untersuchung sich findet, daß das Verbrechen der beleidigten Majestät aus Wahnsinn und Zerrüttung der Verstandskräfte begangen worden: so soll der Thäter in eine öffentliche Anstalt gebracht, und nicht eher wiederum entlassen werden, als bis man von seiner Wiederherstellung zuverlässig versichert ist.
2) gegen die Familie des Landesherrn;
§. 203. Wer die Person der Königin, des Kronprinzen, oder andrer Mitglieder der Königlichen Familie thätlich beschimpft, hat nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, vier- sechs- bis zehnjährige, oder auch lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 204. Diese Strafe soll, nach Beschaffenheit des sich veroffenbarenden Grades der Bosheit, verschärft werden.
§. 205. Wörtliche Injurien dieser Art ziehen Ein- bis zweyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe nach sich.
§. 206. Auch in diesen Fällen (§. 203. 204. 205.) findet die Vorschrift des §. 202. Anwendung.
3) gegen die Bedienten des Staats in ihrem Amte.
§. 207. Wer einen der ersten Staatsbedienten, in und bey Ausübung seines Amts, mit Worten oder Thätlichkeiten beschimpft, gegen den soll die durch die Injurie selbst verwirkte Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe, in Rücksicht der zugleich verletzten Ehrfurcht gegen den Staat, verdoppelt werden.
§. 208. Ist die Beleidigung Mitgliedern der Landescollegien, oder andern Staatsbedienten und obrigkeitlichen Personen, in oder bey Ausübung ihres Amts widerfahren: so wird die Dauer der durch die Injurie an sich verwirkten Strafe um die Hälfte verlängert.
§. 209. Eine Verlängerung auf den Dritten Theil der Zeit findet statt, wenn Unterbediente des Staats in ihrem Amte behscimpft werden.
Andere Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat oder das Publicum.
§. 210. Wer die von der Obrigkeit angeschlagenen Patente, Verordnungen, und öffentliche Anzeigen, aus Muthwillen abreißt, beschädigt, oder sonst schimpflich behandelt: der soll, nach Beschaffenheit des verübten Muthwillens, seines Alters, Standes, und Vermögens, mit körperlicher Züchtigung, Strafarbeit, Gefängniß auf vier Wochen bis ein Jahr, oder verhältnißmäßiger Geldstrafe belegt werden.
§. 211. Eine gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher öffentliche Denkmäler, Statuen, Stadtthore, Meilenzeiger, Warnungstafeln, Spaziergänge, oder andere zum Gebrauche des Publici bestimmte Werke und Gebäude verunstaltet, oder beschädigt.
§. 212. Die Strafe eines jeden gemeinen Verbrechens wird geschärft, wenn damit zugleich eine Verletzung der dem Staate schuldigen Ehrfurcht verbunden war.
§. 213. Dies findet besonders statt, wenn das Verbrechen in den zur Residenz des Landesherrn bestimmten Schlössern, Gebäuden, und andern Bezirken verübt worden.
Sechster Abschnitt. Von Beleidigungen der Religionsgesellschaften
§. 214. Wer die im Staate aufgenommenen Religionsgesellschaften, durch Lästerungen in öffentlichen Reden oder Schriften, oder durch entehrende Handlungen und Geberden beleidigt, soll mit verhältnismäßiger Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, von vier Wochen bis zu sechs Monathen, belegt werden.
Störung des öffentlichen Gottesdienstes.
§. 215. Wer den öffentlichen Gottesdienst stört, oder die in dessen Feyer begriffene Gemeine, oder deren mit solchen Amtshandlungen beschäftigten Lehrer, mit Worten oder Thätlichkeiten angreift; der soll auf drey bis achtzehn Monath ins Zuchthaus oder auf die Festung gebracht werden.
§. 216. Auch der, welcher sich gegen bloß geduldete Gemeinen eines solchen Unfugs schuldig macht, hat dadurch eine sechswöchentliche bis sechsmonatliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 217. Wer durch öffentlich ausgestoßene grobe Gotteslästerungen zu einem gemeinen Aergernisse Anlaß giebt, soll auf zwey bis sechs Monathe ins Gefängniß gebracht, und daselbst über seine Pflichten, und die Größe seines Verbrechens belehrt werden.
§. 218. Wiederholt der schon bestrafte Verbrecher ein dergleichen Vergehen: so soll die vorher ihm zuerkannte Strafe verdoppelt werden.
§. 219. Nach ausgestandener Strafe soll ihm ein Lehrer seiner Religionspartey, in Gegenwart der Vorsteher der Gemeine, die Größe seines Vergehens nochmals vorhalten, under der Gemeine, in der Person dieser ihrer Vorsteher, wegen des gegebenen Aergernisses Abbitte leisten.
Mißbrauch der Religion zu Gaukeleyen.
§. 220. Wer bey sonst ungestörtem Gebrauche seines Verstandes, gewisse Religionshandlungen, oder zum Gottesdienste bestimmte Sachen, zu vermeintlichen Zaubereyen, Gespensterbannen, Citiren der Verstorbenen, Schätze graben, und andern dergleichen abergläubigen Gaukeleyen mißbraucht, soll zuerst eines bessern belehrt, im Falle der Wiederholung aber mit vier- bis achtwöchentlicher Gefängniß- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 221. Sind dergleichen Gaukeleyen betrüglicher Weise, oder, um damit gewisse Nebenabsichten zu erreichen, vorgenommen worden: so findet gegen den Thäter, außer der durch den Betrug oder Diebstal an sich verwirkten, annoch Festungs- oder Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis zwey Jahre statt.
§. 222. Hat ein Geistlicher, oder anderer Kirchenbedienter, dergleichen abergläubige, oder betrügliche Handlungen unternommen, und dadurch Aergerniß gegeben: so muß derselbe, noch außer der geordneten Strafe, seines Amtes entsetzt werden.
§. 223. Wer sich aus Unwissenheit oder Schwärmerey zum Stifter einer Sekte aufwirft, deren Lehrsätze die Ehrfurcht gegen die Gottheit, den Gehorsam gegen die Gesetze, oder die Treue gegen den Staat offenbar angreifen, oder das Volk zu Lastern gerade zu verleiten: der soll in eine öffentliche Anstalt gebracht; daselbst durch Unterricht und Belehrung, oder auch, nach bewandten Umständen, durch körperliche Heilungsmittel gebessert; und nicht eher, als bis man von seiner Besserung überzeugt seyn kann, wieder entlassen werden.
§. 224. Wer sich zu einem solchen Sektenstifter betrüglicher Weise, und zur Befriedigung seiner Leidenschaften aufwirft, der soll als ein Betrüger an den Pranger gestellt, mit Ein- bis dreijähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt, und nach seiner Entlassung, aus der Gegend oder Provinz, wo er seine Sekte vorhin ausgebreitet hat, verbannt werden.
§. 225. Fällt ein solcher Betrüger dessen ungeachtet in sein voriges Verbrechen zurück: so ist er Lebenslang auf die Festung zu bringen, und daselbst in sicherer Verwahrung zu behalten.
§. 226. Ueberhaupt soll bey jedem unter dem Deckmantel der Religion verübten Verbrechen, die darauf schon an sich in den Gesetzen bestimmte Strafe, wegen des zugleich begangenen Mißbrauchs der Religion, verhältnißmäßig geschärft werden.
Verbitterung der Religionsparteyen gegen einander.
§. 227. Wer in Predigten, oder andern öffentlichen Reden, Haß und Verbitterung unter den verschiedenen im Staate aufgenommenen Religionsparteyen zu erregen sucht, soll seines Amtes entsetzt; und nach Verhältniß des angerichteten Schadens, mit vierwöchentlicher bis sechsmonathlicher Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 228. Wer aus übel verstandnem Religionseifer, zwischen Eheleuten oder Aeltern und Kindern verschiedener Religion Mißtrauen und Uneinigkeiten anrichtet, der soll nach fruchtlos vorhergegangener gerichtlicher Abmahnung, aus dem Orte, wo er sich solchergestalt in die Familien eingeschlichen hat, verwiesen werden.
Siebenter Abschnitt. Von Anmaßungen und Beeinträchtigungen der vorbehaltnen Rechte des Staats
§. 229. Wer sich eines der dem Staate allein vorbehaltenen Hoheits- oder der demselben zukommenden nutzbaren Rechte anmaßt; den soll der Fiskus deswegen zur Verantwortung ziehen.
§. 230. Hat dergleichen Anmaßung nur Irrthum und Mißverständniß zum Grunde: so ist der Anmaßende bloß zum Schadensersatze, und zur Abstellung der im Verfolge seiner Anmaßung etwa gemachten Anstalten verpflichtet.
§. 231. Auch muß ihm die fernere Fortsetzung solcher Eingriffe bey nachdrücklicher fiskalischer Geld- oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe untersagt werden.
§. 232. Handelt er dem Verbote zuwider: so verwirkt er die gedrohete Strafe, welche im Wiederholungsfalle jedesmal verdoppelt wird.
Anmassung der Rechte des Staats.
§. 233. Enthält die Anmaßung des Hoheitsrechtes zugleich ein Vergehen wider die Verfassung des Staats selbst, und dessen Sicherheit: so finden die §. 92. sqq. ingleichen §. 125. sqq. festgesetzten Bestimmungen der Strafe statt.
§. 234. Liegt aber bey einer obschon wider besseres Wissen unternommenen Anmaßung eines Hoheitsrechtes, keine der Ruhe und Sicherheit des Staats unmittelbar nachtheilige Absicht zum Grunde: so findet nur fiskalische Geld- oder zeitige Gefängnißstrafe statt.
§. 235. Diese Strafe soll nach Verhältniß der Wichtigkeit des angemaßten Rechts, und der sonstigen unerlaubten Absicht, welche dabey zum Grunde liegt, auf dreyhundert bis dreytausend Thaler, oder auf Ein- bis dreijährigen Festungsarrest bestimmt werden.
§. 236. Wer sich eines nutzbaren Rechts des Staats wissentlich zur Ungebühr anmaßt, der muß allen dadurch verursachten Schaden doppelt ersetzen.
§. 237. Außerdem hat er, nach Maaßgabe der Wichtigkeit des sich zugeeigneten Rechts, und seiner dabey gehegten unerlaubten Absicht, fünfzig bis tausend Thaler fiskalische Geld- oder verhältnißmäßige Leibesstrafe verwirkt.
Mißbrauch der vom Staate verliehenen Rechte.
§. 238. Wer in Ausübung eines vom Staate verliehenen Rechts, die dabey ihm angewiesenen Gränzen vorsätzlich überschreitet, den trifft die Hälfte der Strafe, welche derjenige verwirkt, der sich eines solchen Rechts selbst zur Ungebühr anmaßt.
§. 239. Wer bey dieser Ausübung den Polizeygesetzen des Staats zuwider handelt, ist mit der in den besondern Polizeyordnungen vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 240. Ist die Strafe der Uebertretung in der Polizeyordnung nicht bestimmt: so muß der Richter, nach Maaßgabe der Gefahr und Schädlichkeit der Uebertretung, eine die Summe von fünfzig Thalern nicht übersteigende fiskalische Geld-, oder verhältnißmäßige Arreststrafe festsetzen.
§. 241. Wer aber ein vom Staate verliehenes Recht zum Nachtheile des Staats selbst, oder zum Drucke der Einwohner und Schutzverwandten desselben, vorsätzlich mißbraucht, der muß, außer der verwirkten Polizeystrafe, dieses Rechts für seine Person verlustig erklärt werden.
Beeinträchtigung der Rechte des Staats.
§. 242. Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle betrüglicher Weise vorenthält, ist, wenn nicht besondere Gesetze eine andere Strafe bestimmen, den vierfachen Betrag des Vorenthaltenen zu erlegen verbunden.
§. 243. Wer Andern zur Verweigerung oder Unterschlagung ihrer schuldigen Gefälle mit Rath und That beysteht, oder die dahin abzielenden Unterschleife begünstigt, soll mit dem Hauptverbrecher gleiche Strafe leiden.
Eingriffe und Beeinträchtigungen des Besteuerungsrechtes.
§. 244. Wer unter dem Vorwande, Privatcollecten für Communen oder Nothleidende zu sammeln, sich in die Häuser eindrängt, der wird mit zehn bis fünfzig Thaler Geld- oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt.
§. 245. Liegt bey der verbotenen Einsammlung einer Privatcollecte Eigennutz oder sonst Betrug zum Grunde: so wird die Strafe durch Verlängerung des Arrestes bis auf die Hälfte der an sich verwirkten Dauer, und durch Erlegung des vierfachen Betrags von dem Eingesammelten geschärft.
§. 246. Privilegirten Gesellschaften ist die Ausschreibung und Einsammlung von Geldbeyträgen unter sich nur in so fern erlaubt, als es die Natur ihrer Verfassung, und die Erreichung ihres vom Staate gebilligten Endzwecks erfordern.
§. 247. Wenn Gemeinen in den Städten oder auf dem Lande, ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten, Collecten unter sich auf bringen: so sollen die Rädelsführer mit sechswöchentlicher bis sechsmonathlicher Gefängniß- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 248. Wer ohne besondere Erlaubniß des Staats eine öffentliche Lotterie unternimmt, der soll um fünfzig bis hundert Thaler fiskalisch bestraft werden; und außerdem den doppelten Betrag des dadurch gezogenen Vortheils der Armencasse des Orts entrichten.
§. 249. Wer in auswärtige vom Staate nicht besonders genehmigte Lotterien einsetzt, muß den Betrag des Einsatzes, und noch über dieses hundert Thaler, dem Fisco zur Strafe erlegen.
§. 250. Wer öffentliche Aussteuer-, Wittwen- oder Sterbecassen ohne ausdrückliche Genehmigung desStaats errichtet, der soll den Interessenten ihre Einsätze zurückgeben, und den doppelten Betrag des an Besoldung, Provision, oder sonst gezogenen Vortheils, an die Armencasse des Orts bezahlen.
§. 251. Ist dergleichen Anstalt, vorsätzlich zum Nachtheile oder zur Berückung einfältiger Leute, errichtet worden: so soll der Stifter, außer vorstehender Strafe, als ein Betrüger öffentlich ausgestellt, und auf sechs Monathe bis zwey Jahre zur Festung oder ins Zuchthaus gebracht werden.
§. 252. Wer eigenmächtig unter Landesherrlichem Gepräge, Münzen zum Cours im Publico schlägt oder gießt, hat, nach Verhältniß der ausgeprägten Quantität, zwey- bis dreyjährige Festungsstrafe, nebst einer fiskalischen Geldbuße, bis zum zehnfachen Betrage des gezogenen Vortheils verwirkt.
§. 253. Die Hälfte dieser Strafe trifft denjenigen, welcher zu solchem eigenmächtigen Münzen auswärtiges Gepräge mißbraucht.
§. 254. Wer aber unter Landesherrlichem, oder einem andern im Lande gesetzmäßig cursirenden Stempel, nicht nur eigenmächtig Münzen prägt oder gießt, sondern auch zugleich deren innern Gehalt verfälscht, und dadurch das Publicum betrügt, hat vier- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 255. Außerdem muß er eine fiskalische Geldbuße, welche dem zehnfachen Betrage des verursachten Schadens, so weit als selbiger ausgemittelt werden kann, gleich kommt, aus seinem Vermögen entrichten.
§. 256. Sind durch dieses Verbrechen beträchtliche Summen falscher Münzen ins Publicum gebracht, und dadurch dem Handel und Credit der Unterthanen des Staats ein erheblicher Schade zugefügt worden: so soll die Strafe bis zu Staupenschlag und lebenswieriger Festungsarbeit geschärft werden.
§. 257. Münzbediente, welche den Gehalt der von ihnen, oder unter ihrer Aufsicht, geprägten Gelder verringern, und dadurch nicht nur den Landesherrn, sondern auch das Publicum vervortheilen, sollen mit eben der Strafe (§. 256.) belegt werden.
§. 258. Hat jemand unter fremden im Lande nicht cursirenden Stempel falsche geringhaltige Münzen ausgeprägt: so trifft ihn drey- bis sechsjährige Festungsstrafe.
§. 259. Wer falsche Münzen geprägt; aber noch nicht in das Publicum verbreitet hat, den trifft die Hälfte der, nach der übrigen Beschaffenheit seines Verbrechens, verwirkten Strafe.
§. 260. Wer aber dem falschen Münzen zur Verbreitung der von ihm geprägten Gelder ins Publicum, aus Eigennutz, oder sonst vorsätzlich, Hülfe geleistet hat, der soll dem Thäter gleich bestraft werden.
§. 261. Wem falsche Münzsorten zu Händen kommen, oder wer sonst von deren Umlaufe zuverläßige Nachricht erhält, der ist zur unverzüglichen Anzeige davon an die Obrigkeit verbunden.
§. 262. Wer nicht nur diese Anzeige unterläßt; sondern auch die ihm zu Händen gekommene falsche Münzsorten wissentlich weiter ausgiebt, der soll um den vierfachen Betrag derselben, und überdies mit einer Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern; oder mit Gefängniß auf acht Tage bis sechs Wochen bestraft werden.
§. 263. Wer die im Lande gangbaren Münzsorten beschneidet, abfeilt, oder durch andre Künste deren Gehalt schmälert, der soll den zehnfachen Betrag des sich dadurch verschafften unrechtmäßigen Gewinnes zur Strafcasse erlegen; und nach Verhältniß des angerichteten Schadens, zwey- bis vierjährige Zuchthausstrafe leiden.
§. 264. Ist er ein Jude: so wird er, noch außer dieser Strafe, des ihm vom Staate bisher gegönnten Schutzes verlustig.
§. 265. Wer zum Nachtheile und wider ein Verbot des Staats, landesherrliche Münzsorten einschmelzt, wird um den vierfachen Betrag des dabey gesuchten Gewinnes fiskalisch bestraft.
§. 266. Wer verrufene Scheide- oder andre schlechte Münzsorten, aus Gewinnsucht in das Land einführt und verbreitet, der soll mit Confiscation derselben, und dem Ersatze des doppelten Betrages der eingebrachten Summe, bestraft werden.
§. 267. Wer Banknoten, Pfandbriefe, oder Actien, welche unter landesherrlicher Autorität zum öffentlichen Umlaufe bestimmt sind, verfälscht oder nachmacht; oder dergleichen verfälschte Papiere im Publico wissentlich verbreiten hilft, soll gleich demjenigen, welcher falsches Geld unter landesherrlichem Gepräge gemünzt oder verbreitet hat, bestraft werden.
§. 268. Kein Kupferstecher, Drucker, Stempel- oder Wappenschneider, soll ohne schriftlichen Befehl von der Obrigkeit, unter welcher er stehet, Stempel, Siegel, oder Stiche und Platten der Formulare öffentlicher Papiere, in die Arbeit nehmen, noch an jemand andern, als an das Landescollegium, von welchem er den Auftrag erhalten hat, gegen Empfangschein abliefern.
§. 269. Wer diesem Verbote zuwider handelt, soll nach Verhältniß der daraus für den Staat oder das Publicum entstandnen Gefahr, mit dreymonathlicher bis zweyjähriger Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 270. Der unterlassene Gebrauch des vorgeschriebenen Stempelpapiers in Gnadensachen; bey Kauf-, Pacht- und Miethcontracten um Grundstücke; bey letztwilligen Verordnungen und Ehestiftungen, soll, außer dem Ersatze der dem Staate entzogenen Abgabe, mit Verurtheilung in den doppelten Betrag derselben, fiskalisch geahndet werden.
§. 271. Eben diese Strafe trifft Kaufleute und Juden, welche ihre Handlungsbücher nicht stempeln lassen.
§. 272. Desgleichen Juden, die sich verheirathen, ohne den Trauschein mit dem vorgeschriebenen Stempel gelöset zu haben.
§. 273. Wer bey Gesuchen und Verhandlungen vor Gerichten, oder andern Obrigkeiten und öffentlichen Behörden, ingleichen bey allen Contracten, außer dem Kaufe, Pacht und Miethe unbeweglicher Güter (§. 270.), sich des vorgeschriebenen Stempelbogens nicht bedient, muß selbigen noch beybringen, und Einen Thaler Strafe für jeden Uebertretungsfall entrichten.
§. 274. Wer bey solchen Verhandlungen die in den Edicten vorgeschriebene Vollmacht nicht gebraucht, muß die zuletzt gedachte Strafe doppelt entrichten.
§. 275. Der, welchem von Ehegatten, Seitenverwandten, oder Fremden, eine Erbschaft, Schenkung aller Güter, oder ein Vermächtniß zufällt, muß binnen drey Monathen, nachdem er von dem Anfalle Wissenschaft erhalten hat, den vorgeschriebenen Stempelsatz erlegen, oder denselben zur Strafe vierfach entrichten.
§. 276. Doch wird bey Erbschaften den Erben die Ueberlegungsfrist zu gute gerechnet; auch sollen diejenigen, welche keine nähere Kenntniß und Uebung in gerichtlichen Geschäften haben, zuvor an ihre Pflicht, den Stempelbogen beyzubringen, erinnert werden.
§. 277. Wer Waaren oder Sachen, deren Ein- oder Ausfuhr der Staat verboten hat, diesem Verbote zuwider ins Land bringt, oder herauszuschaffen unternimmt, der macht sich des Verbrechens der Contrebande schuldig.
§. 278. Wer bey der Ein- und Ausfuhr an sich erlaubter Waaren, die dem Staate davon zukommenden Zoll- oder Accisegefälle demselben zu entziehen unternimmt, der begeht eine Defraudation.
§. 279. Kaufleute, die ihre zum Handel aus- oder einzuführende Waaren bey den Zöllen und der Accise entweder gar nicht, oder in Ansehung der Qualität, Quantität, oder des Werths, vorsätzlich unrichtig angeben, werden als Defraudanten angesehn.
§. 280. Ein gleiches Verbrechen begehen Schiffer und Frachtfuhrleute, welche den Zoll- und Acciseämtern vorsätzlich ausweichen: unrichtige oder unvollständige Frachtbriefe wissentlich vorzeigen; oder die auf den Frachtbriefen nicht befindlichen, von ihnen zugeladenen Waaren anzugeben unterlassen.
§. 281. Auch andere Reisende, welche accisbare Waaren bey sich führen, und diese auf der Gränze noch nicht versteuert haben, müssen bey Strafe der Defraudation in der Zollstraße bleiben.
§. 282 Brauer, Branntweinbrenner, und Andre, welche ein Gewerbe treiben, von dessen Ausübung in jedem einzelnen Falle dem Staate eine Abgabe zu entrichten ist, begehen eine Defraudation, wenn sie dergleichen Fälle der Ausübung entweder gar nicht, oder unrichtig anzeigen.
§. 283. Alle andere Privatpersonen begehen eine Defraudation, sobald sie die den Gefällen unterworfene Sachen bey der Visitation verheimlichen.
§. 284. Auch schon alsdann, wenn sie der vorgeschriebenen Visitation auszuweichen suchen, werden sie als Defraudanten angesehn.
§. 285. Von. jeder Contrebande oder Defraudation ist die Confiscation der Waaren oder Sachen, woran selbige verübt worden, die unmittelbare Folge.
§. 286. Wird die zur Ein- oder Ausfuhre verbotene Waare gleich bey dem Gränz-Zollamte angezeigt: so muß selbige auf Kosten des Eigenthümers zurück- geschafft werden.
§. 287. Hat jemand, der kein Kaufmann, Schiffer, oder Fuhrmann ist, contrebande Waaren oder Sachen bey dem Gränz- Zoll- oder Acciseamte zwar nicht ausdrücklich angegeben, aber sich doch zur Visitation gehörig gemeldet: so findet ebenfalls nur die Zurückschaffung auf seine Kosten statt.
§. 288. Eben diese ist zu beobachten, wenn zur Einführe verbotene Waaren mit der Post ankommen; und der, an welchen sie gesendet sind, einer beabsichtigten Contrebande nicht überführt werden kann.
§. 289. Finden sich bey der Visitation erlaubter und auswärts verschriebener Waaren am Orte der Bestimmung, verbotene mit eingepackt: so sind selbige verfallen.
§. 290. Der inländische Empfänger bleibt aber von aller Strafe frey, wenn er durch Vorlegung seiner Correspondenz, oder auf andre Art nachweisen kann, daß die Beypackung ohne sein Vorwissen geschehen sey.
§. 291. Der aus einer Contravention entstehende Verlust der Waare oder Sache trift jedesmal den Eigenthümer.
§. 292. Es macht dabey keinen Unterschied: ob derselbe die Uebertretung unmittelbar begangen hat; oder ob selbige durch seine Angehörigen, Handlungs- bedienten, oder andre in seinen Diensten stehende Personen verübt worden.
§. 293. Kaufleute, Juden, Schiffer und Frachtfuhrleute, Müller, Brauer, Branntweinbrenner und Fleischer müssen für ihr Gesinde, und ihre im Hause befindliche Ehegatten und Anverwandten ohne Unterschied, haften.
§. 294. Andere Personen haften nur für die Contrebande und Defraudation ihrer Ehegatten und Kinder, in so fern diese Verbrechen bey Gelegenheit solcher Geschäfte, wozu sie dieselben zu brauchen pflegen, von ihnen verübt worden.
§. 295. Haben bloß Schiffer und Frachtfuhrleute, denen der Transport der Waaren allein anvertrauet worden, die Contravention ohne Theilnehmung und Mitwissen des Eigenthümers begangen: so geht das Eigenthum der Waaren nicht verloren.
§. 296. Vielmehr muß alsdann der Schiffer oder Fuhrmann, außer der sonst verwirkten Strafe, den Werth der Waare statt der Confiscation entrichten.
§. 297. Das Eigenthum der verfallnen Waaren geht auf den Staat, oder den von diesem Berechtigten, sogleich, und ohne Rücksicht auf die Zeit der Publication des Straferkenntnisses, über.
§. 298. Dergleichen Waare oder Sache kann daher, auch wenn sie schon von dem Accise- oder Zollamte weggebracht worden, gegen den bisherigen Eigenthümer, so lange er selbige noch besitzt, vindicirt werden.
§. 299. Gegen einen dritten redlichen Besitzer hingegen ist die Vindication nur in so weit, als sie überhaupt nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften gegen einen solchen Besitzer statt finden kann, zuläßig; und der Uebertreter haftet hauptsächlich für den Werth. (Th. I. Tit. XV. §. 24. sqq.)
Strafen der Contrebanden und Defraudationen.
§. 300. Außer der Confiscation hat derjenige, welcher eine Contrebande oder Defraudation begeht, auch noch verhältnißmäßige Geld- oder Leibesstrafe verwirkt.
§. 301. Kaufleute, Juden, Schiffer und Frachtfuhrleute, die sich einer solchen Uebertretung schuldig machen, sollen allemal härter, als andre Privatpersonen, bestraft werden.
§. 302. Unter letztern richtet sich das Verhältniß der Strafe nach der mehrern oder mindern bey ihnen vorauszusetzenden Kenntniß der Landesverfassung.
§. 303. Nähere Bestimmungen der in jedem Contraventionsfalle statt findenden Strafen, werden in den besondern Accise- und Zollverordnungen festgesetzt.
§. 304, Fremde Kaufleute, Juden, Schiffer und
Frachtfuhrleute, die bey ihrem Eintritte in hiesige Lande um die Accise- und Zollverfassungen sich gehörig zu erkundigen unterlassen, sind in Ansehung der Contrebande und Defraudationen, nach eben den Gesetzen, wie die Einheimischen, zu beurtheilen.
§. 305. In Ansehung anderer Fremden ist es genug, wenn sie sich bey dem Zoll- oder Acciseamte gemeldet, und der erforderlichen Visitation unterworfen haben.
§. 306. Haben aber dergleichen Fremde das Zoll- oder Acciseamt vorsätzlich vermieden, oder Waaren oder Sachen bey der Visitation versteckt, oder sonst verheimlicht: so trifft sie die Strafe der Confiscation.
§. 307. Ist ein solcher Fremder wegen Contrebande oder Defraudation schon einmal in Untersuchung gewesen: so wird er im Wiederholungsfalle gleich den Einheimischen bestraft.
§. 308. Niemand darf sich der Visitation der dazu bestellten und vereideten Officianten, bey Vermeidung der deshalb durch besondere Verordnungen bestimmten Strafen, entziehen oder widersetzen.
§. 309. Ein jeder ohne Unterschied, er sey Einhei-mischer oder Fremder, welcher bey Verübung einer Contrebande oder Defraudation, geladenes Gewehr, oder andere gleich schädliche Werkzeuge, zum Widerstande gegen die Beamten des Staats bey sich führt, soll, außer der verwirkten ordentlichen Strafe, mit dreijährigem Festungsarreste belegt werden.
§. 310. Wer keine bestimmte Nahrung oder Handthierung nachweisen kann, und wenigstens schon zweymal auf Contrebande betroffen worden, wird für einen solchen, der aus Treibung der Contrebande ein Gewerbe macht, angesehn.
§. 311. Dergleichen Leute werden, wenn sie Contrebande bey sich haben, und sich den Officianten des Staats widersetzen (§. 308.), nach Vorschrift des §. 309. bestraft; wenn auch der Umstand, daß sie sich des Gewehrs zum Widerstände gegen die Officianten bedienen wollen, nicht erwiesen ist.
§. 312. Wer sich des Gewehrs gegen die Officianten oder Soldaten, welche ihn anhalten wollen, wirklich bedient, hat eine zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 313. Ist bey einem solchen bewaffneten Widerstande ein Beamter des Staats verwundet, oder sonst erheblich beschädigt worden: so soll der Thäter mit Iebenswieriger Festungsstrafe belegt, bey wirklich erfolgter Tödtung aber als ein Mörder nach §. 877. gestraft werden.
§. 314. Wer gegen die Vorschriften Tit. XV. Abschn. IV. den Staat in Ausübung und Benutzung des Postregals beeinträchtigt, hat die in den besondern Postordnungen festgesetzten Strafen verwirkt.
§. 315. Wer auf Königlichen, oder andern Jagdrevieren, des Jagens, Hetzens, oder Schiessens unbefugter Weise sich unterfängt, der soll nach der Anzahl des gefangenen oder geschossenen Wildes, mit der in den besondern Jagdordnungen bestimmten Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 316. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn dergleichen unbefugtes Jagen in verbotenen und geschlossenen Zeiten unternommen worden.
§. 317. Wer vom heimlichen Jagen, Schießen, oder Fangen, ein Gewerbe macht, der hat, als ein Wilddieb, die geschärfte Strafe des Diebstahls verwirkt. (§. 1145.)
§. 318. Niemand soll sich auf fremden Grund- und Boden, außerhalb der ordentlichen Landstraße, in Königlichen oder andern Gehegen und Jagdrevieren, wo ihm die Jagdgerechtigkeit nicht zusteht, mit Gewehr oder andern Werkzeugen zur Jagd, wodurch Wild eingefangen zu werden pflegt, finden lassen.
§. 319. Wer dennoch solchergestalt betroffen wird, soll schon um deswillen, auch wenn er einer wirklich verübten Contravention nicht überführt werden kann, des bey sich habenden Gewehrs oder Jagdgeräthes verlustig seyn; und außerdem, nach Verhältniß des gegen ihn streitenden Verdachts, mit Geld- oder Gelängnißstrafe belegt werden.
§. 320. Wer sich dergleichen Pfändungen widersetzt, soll nach Vorschrift des Ersten Theils Tit. XIV. §. 459. sqq. bestraft werden.
§. 321. Was von Jagdcontraventionen verordnet ist, gilt auch von Beeinträchtigungen der Fischereygerechtigkeit.
§. 322. Wer den Staat in der Ausübung und Benutzung des ihm vorbehaltenen Bergwerksregals (Tit. XVI. Abschn. IV.) beeinträchtigt, hat die in den besondern Bergordnungen festgesetzten Strafen zu erwarten.
Achter Abschnitt. Von den Verbrechen der Diener des Staats
1) Vergehungen bey Erlangung eines Amts.
§. 323. Wer sich eines öffentlichen Amts anmaßt, ohne von der Behörde dazu bestellt und verpflichtet zu seyn, der haftet für allen durch ein solches Unternehmen dem Staate oder einem Dritten verursachten Schaden; auch wenn derselbe nur durch das geringste Versehen veranlaßt worden.
§. 324. In so fern dabey ein Betrug beabsichtigt worden, treten die §. 1377. sqq. enthaltenen Strafgesetze ein.
§. 325. Wer sich durchGeschenkeoderVersprechungen, es sey an Gelde, Geldeswerth, oder andern Vortheilen, in ein öffentliches Amt einschleicht, der soll sofort und ohne weitere Rücksicht cassirt werden.
§. 326. Wer sein Recht zur Ernennung öffentlicher Staats- oder Kirchenbedienten, gegen die Vorschrift der Landesgesetze, vorsätzlich mißbraucht, der wird desselben für seine Person auf immer verlustig.
§. 327. Wenn dergleichen Mißbrauch von Collegien und Corporationen begangen worden: so verlieren die gegenwärtigen Mitglieder, welche daran Theil genommen haben, ihr Stimmrecht bey solchen Wahlen auf Lebenszeit.
§. 328. Es kann daher das Wahlrecht von einem solchen Collegio nicht eher wiederum ausgeübt werden, als bis wenigstens drey Mitglieder, die an dem vorigen Mißbrauche nicht Theil genommen haben vorhanden sind.
§. 329. Vorgesetzte, welche jemanden, ohne die vorgeschriebene Prüfung seiner Fähigkeiten, und seines sittlichen Verhaltens, zu einem öffentlichen Amte befördern, sind bey entstandenem Schaden nicht nur dem Staate, sondern auch einem Jeden, der dadurch Nachtheil erlitten hat, verantwortlich.
§. 330. In den Fällen des §. 325-329. wird die ernannte oder gewählte Person von dem Amte ausgeschlossen, und dasselbe von der vorgesetzten Instanz einer andern dazu tüchtigen Person nach Gutfinden übertragen.
§. 331. Vorgesetzte, welche jemanden gegen Geschenke, Vortheile, oder Versprechungen, zu einem Amte befördern, vorschlagen, oder ihn sonst dazu verhelfen, sollen nicht nur für allen von einem solchen Officianten verursachten Schaden selbst haften, sondern haben auch Cassation verwirkt.
§. 332. Außerdem müssen sie in den vierfachen Betrag des erhaltnen Geschenks oder Vortheils; oder wenn dieser keiner gewissen Schätzung fähig ist, in eine willkührliche Geldstrafe, nach Höhe ihres Jahrgehalts, verurtheilt werden.
§. 333. Wer den Vorschriften seines Amts vorsätzlich zuwider handelt, der soll sofort cassirt; außerdem, nach Beschaffenheit des Vergehens, und des verursach- ten Schadens, mit verhältnißmäßiger Geld- Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt; und zu allen fernern öffentlichen Aemtern unfähig erklärt werden.
§. 334. Wer aus grober Fahrläßigkeit oder Unwissenheit seine Amtspflichten verletzt, hat verhältnißmäßige Geldstrafe, Degradation, oder Cassation verwirkt.
§. 335. Wer sich geringer Versehen in seinen Amtspflichten schuldig gemacht hat, soll durch Warnung, Verweise, und geringe Geldstrafen, zur bessern Be- obachtung seiner Pflichten angehalten werden.
§. 336. Bewirken aber diese Strafen keine Besserung bey ihm: so ist er für einen Menschen anzusehen, der aus grober Fahrläßigkeit seinen Amtspflichten zuwider handelt.
§. 337. Wer sein Amt zum Nachtheile der gemeinen Sicherheit, zu Erpressungen, oder sonst zum Drucke der Unterthanen des Staats mißbraucht, soll desselben entsetzt werden, und außerdem verhältnißmäßige Gefängniß- oder Festungsstrafe leiden.
§. 338. Betrug, Verfälschung, Dieberey, Contrebande, Defraudation, und andre gemeine Verbrechen, sollen an Beamten, die ihr Amtsansehen zu deren Begehung oder Verdeckung gemißbraucht haben, außer der wider sie zu verhängenden Cassation, durch Schärfung der ordentlichen Strafe des Verbrechens geahndet werden.
§. 339. Auch wenn Beamte ein Verbrechen begehn, welches mit ihrem Amte in keiner Beziehung steht; wofür aber, nach Vorschrift der Gesetze, Zuchthaus oder Festungsstrafe gegen sie erkannt werden muß, soll allemal, noch außer dieser Strafe, ihre Cassation erfolgen.
§. 340. So oft ein Beamter zu Uebertretung seiner Amtspflichten durch erhaltenen oder versprochenen Gewinn und Vortheil verleitet worden, soll er, außer der übrigen Strafe seines Verbrechens, wenn nicht besondre Gesetze ein Andres bestimmen, den vierfachen Betrag dieses Gewinnes der Strafcasse zu entrichten schuldig seyn.
§. 341. So oft ein Beamter den durch vorsätzliche Pflichtwidrigkeit dem Staate oder einem Dritten verursachten Schaden nicht erstatten kann, soll derselbe, nach ausgestandener Strafe, so lange in einer öffentlichen Anstalt zur Arbeit angehalten werden, bis der Ersatz des Schadens auf eine oder die andre Art geleistet worden.
3) Strafe der pflichtwidrigen Vorgesetzten.
§. 342. Gegen Vorgesetzte, welche ihre Untergebenen zu unerlaubten Handlungen in ihren Diensten verleiten, sollen die Strafen, welche der Verbrecher selbst verwirkt hat, allenfalls bis zur Verdoppelung geschärft werden.
§. 343. Gleichwohl soll den Unterbedienten der Vorwand, daß er zu pflichtwidrigen Handlungen von seinen Obern verleitet worden, von der Strafe nicht befreyen.
§. 344. Vorgesetzte, welche in der Aufsicht über ihre Untergebenen sich nachläßig erweisen, und pflichtwidrige Handlungen derselben nicht bestrafen, oder zur Bestrafung anzeigen, haften für allen aus dergleichen Amtsvergehungen solcher Untergebenen dem Staate, oder Privatpersonen, entstandenen Schaden.
§. 345. Rührt die Vernachläßigung der Aufsicht aus Trägheit oder Leichtsinn her: so ist ein solcher Vorgesetzter mit verhältnißmäßiger Geldstrafe, oder nach Maaßgabe des von den Untergebenen begangenen Verbrechens, mit Degradation zu belegen.
§. 346. Hat ein Vorgesetzter pflichtwidrige Vergehungen seiner Untergebenen wissentlich und vorsätzlich geduldet: so soll ihn eben die Strafe, wie die pflichtvergessenen Untergebenen selbst, treffen.
§. 347. Ist dergleichen Nachsicht um Geschenke oder andrer Vortheile willen gestattet worden: so soll die im Gesetze bestimmte Strafe des Vorgesetzten mit einer Geldbuße auf den vierfachen Betrag des Empfangenen, oder mit verhältnißmäßiger Festungsstrafe geschärft werden.
§. 348. Vorgesetzte sollen sich mit ihren Untergebenen in kein Darlehns-, Bürgschafts-, oder andre Geldesverbindungen, ohne Genehmigung ihrer Obern einlassen.
§. 349. Geschieht es dennoch: so soll derVorgesetzte schon allein wegen der unterlassenen Anzeige, in eine nach dessen Umständen empfindliche Geldstrafe verurtheilt, oder an einen andern Ort, wo er dergleichen Verbindungen nicht hat, versetzt werden.
§. 350. Auch enge Familienverbindungen sollen Beamte, deren einer zur Aufsicht über den andern verpflichtet ist, ohne Vorwissen und Genehmigung ihrer Obern nicht eingehen.
§. 351. Entstehen aber dergleichen Verbindungen dennoch: so muß der Vorgesetzte solcher Beamten der obern Behörde, bey zehn bis zwanzig Thaler Strafe, davon ungesäumt Nachricht geben.
4) Vergehungen wider die Subordination.
§. 352. Ein Untergebener, der sich in seinen Amtsverrichtungen gegen seinen Vorgesetzten ungehorsam und widerspenstig bezeigt, soll das erstemal mit einer verhältnißmäßigen Geldbuße belegt, und wenn diese Strafe nichts fruchtet, im Wiederholungsfalle cassirt werden.
§. 353. Ist der Ungehorsam mit groben Anzüglichkeiten, Injurien, oder gar Thätlichkeiten verknüpft:
so zieht derselbe schon auf das erstemal die Cassation nach sich.
§. 354. Vorgesetzte, welche ihre Untergebenen mit Worten oder Thätlichkeiten mißhandeln, sollen mit richterlichem Verweise, und nach Beschaffenheit der Beschimpfung oder Mißhandlung mit verhältnißmäßiger Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 355. Ein Beamter, der sich ohne Genehmigung seiner Vorgesetzten von seinem Posten entfernt, soll nicht nur allen durch seine Abwesenheit entstandenen Schaden vertreten; sondern hat auch verhältnißmäßige Geld- oder Leibesstrafe zu gewärtigen.
§. 356. Ein Gleiches findet gegen denjenigen statt, welcher ohne erhebliche Ursache über seinen erhaltenen Urlaub ausbleibt.
5) Gebrochene Amtsverschwiegenheit.
§. 357. Wer außer dem Falle einer Staatsverrätherey (§. 111. 141. 142. 148.) die ihm anvertraueten Amtsgeheimnisse Andern, die sie zu wissen nicht berechtigt sind, gefährlicher Weise eröffnet, macht sich seines Amtes verlustig, und soll nach Befinden der Umstände mit zeitiger Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 358. Ist die Entdeckung solcher Amtsgeheimnisse bloß aus Leichtsinn und Unbedachtsamkeit geschehen: so findet, nach Verhältniß des dadurch angerichteten Schadens, Geld- oder Gefängnißstrafe statt.
§. 359. Nach fruchtlos angewandter Geld- oder Gefängnißstrafe soll, im Wiederholungsfalle, die §. 357. vorgeschriebene Ahndung eintreten.
§. 360. Diener des Staats, welche für die Ausrichtung ihres Amts Geschenke oder Gaben, wozu die Gesetze sie nicht ausdrücklich berechtigen, annehmen, oder durch Andere für ihre Rechnung nehmen lassen, sollen, wenn auch kein Verdacht einer Pflichtwidrigkeit vorhanden ist, um den vierfachen Betrag des Empfangenen bestraft werden.
§. 361. Waltet aber zugleich ein erheblicher Verdacht einer begangenen, oder vorgehabten Pflichtwidrigkeit ob: so hat der Beamte, außer der Geldstrafe, auch die Cassation, und im Falle einer klar erwiesenen Verletzung der Amtspflicht, überdies noch drey- bis sechsjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 362. Gegen Beamte, welche Personen, mit denen sie im Amte zu thun haben, bey der Ausübung desselben mit groben Anzüglichkeiten, Injurien, oder gar Thätlichkeiten beleidigen, soll, außer der dem Beleidigten gebührenden Privatgenugthuung, die ordentliche Strafe der Injurien, allenfalls bis zur Degradation, oder gar Cassation, geschärft werden.
§. 363. Beamte, die sich durch unregelmäßige Lebensart, Spiel, oder Verschwendung in Schulden stürzen; oder sich durch niederträchtige Aufführung verächtlich machen, sollen ihres Amts entsetzt werden.
§. 364. Können sie solche Schulden nicht bezahlen:
so bleiben sie auf immer zu den Diensten des Staats unfähig.
§. 365. Alles, was vorstehend §. 323-364. von den Vergehungen der Officianten des Staats verordnet ist, gilt sowohl von den mittelbaren als unmittelbaren Beamten desselben. (Tit. X. §. 69.)
I. Strafe pflichtwidriger Justizbedienten:
1) bey verübten Ungerechtigkeiten aus Eigennutz;
§. 366. Ein Richter, welcher von Parteyen, die vor ihm Prozesse führen, Geschenke nimmt, oder sich versprechen läßt, soll schon deswegen, wenn er auch sonst keiner Pflichtwidrigkeit überführt werden könnte, seines Amts entsetzt, und wenn Verdacht oder Ueberführung einer solchen Pflichtwidrigkeit vorhanden ist, noch außerdem nach Vorschrift des §. 361. bestraft werden.
§. 367. Wenn eine Gerichtsperson in Amtsangelegenheiten, welche keinen Prozeß betreffen, Geschenke von den Parteyen annimmt, und es seinen Vorgesetzten nicht anzeigt: so soll dergleichen Vergehen nach Vorschrift des §. 360. geahndet werden; im Wiederholungsfalle aber, wenn auch noch keine andere Strafe vorhergegangen wäre, dennoch die Cassation eintreten.
§. 368. Wer einer Gerichtsperson Geschenke oder Vortheile anbietet, um sich dieselbe in seinen Rechtsangelegenheiten überhaupt geneigt zu machen, der wird um den vierfachen Betrag des Angebotenen fiskalisch bestraft.
§. 369. Geschieht das Anmuthen zur Durchsetzung einer gewissen bestimmten Angelegenheit: so muß der Anbietende eben so viel an Strafe erlegen, als der Vortheil beträgt, den er dadurch hat erlangen können, oder wollen.
§. 370. Läßt sich der angebotene oder beabsichtigte Vortheil nicht in Gelde schätzen: so findet in den Fällen des §. 368. 369. verhältnißmäßige Gefängnißstrafe statt.
§. 371. Justizbediente, die sich aus Animosität, Privatleidenschaften, oder andern Nebenabsichten, zu pflichtwidrigen Handlungen in ihrem Amte hinreißen lassen, sollen cassirt, und außerdem mit zwey- bis fünfjährigem Festungsarreste bestraft werden.
§. 372. Diejenigen hingegen, die aus grober Fahrläßigkeit, oder Unwissenheit, ihren Pflichten zuwider handeln, und dadurch dem Staate, oder den Parteyen, erheblichen Schaden zufügen, sollen ihres Amts verlustig, und zu allen fernern Justizbedienungen unfähig erklärt werden.
§. 373. Justizbediente, welche durch Ueberschreitung der vorgeschriebenen Taxen, oder sonst durch geflissentliche Anhäufung unnöthiger Kosten, die Parteyen bedrücken, werden, wenn ihnen der Selbstgenuß der Sportuln zukommt, um den zehnfachen Betrag der zu viel genommenen Gebühren bestraft.
§. 374. Haben sie sich des übermäßigen Sportulirens in mehr als Einem Falle, aus Eigennutz und Gewinnsucht schuldig gemacht: so trifft sie die Cassation, noch außer der verordneten Geldbuße.
§. 375. Dagegen werden sie nur um den doppelten Betrag der zu viel genommenen Sportein bestraft, wenn sie dergleichen Gebühren nicht für eigne Rechnung eingezogen haben.
§. 376. Diese Strafe trifft alsdann denjenigen, welcher die Gebühren angesetzt hat.
§. 377. Vorgesetzte, Mitglieder, oder Subalternen der Gerichte, welche aus dem Deposito des Gerichts Darlehne aufnehmen, müssen zur baldigen Zurückzahlung durch persönlichen Arrest angehalten werden.
§. 378. Ist das Darlehn gegen vorschriftmäßige Sicherheit genommen worden: so muß sowohl von dem Schuldner, als denjenigen, welche darein gewilligt haben, der zwanzigste Theil der geliehenen Summe zur Strafe erlegt werden.
§. 379. Mangelt es an der vorschriftmäßigen Sicherheit: so wird die im §. 378. bestimmte Strafe verdoppelt.
§. 380. Kann die Rückzahlung nicht geleistet werden: so treten sowohl in Ansehung des Schuldners, als desjenigen, welcher das Darlehn bewilligt hatte, die §. 418. sqq. vorgeschriebenen Strafen ein.
§. 381. Läßt ein Richter eben Arrestanten über zweymal vier und zwanzig Stunden, von der Zeit an, da dessen Verhaftung zu seiner Kenntniß gelangt ist, ohne die Untersuchung durch seine oder der Zeugen Vernehmung zu eröffnen, im Arreste sitzen: so soll derselbe für jeden Tag mit einer Geldstrafe von Fünf Thalern belegt werden.
§. 382. Ist die Eröffnung der Untersuchung gegen den Arrestanten über einen Monath verzögert worden: so soll der Richter, welchem diese Verzögerung zur Last fällt, seines Amts entsetzt werden.
§. 383. Nur äußerst dringende Abhaltungen, oder ganz unüberwindliche Hindernisse, welche jedoch dem Vorgesetzten jedesmal angezeigt werden müssen, können den Richter wegen eines solchen Verzugs entschuldigen.
§. 384. Wer durch pflichtwidrige Verzögerungen seiner Amtshandlungen den Arrest verlängert, ist im Falle einer Fahrlässigkeit mit einer Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern; bey eintretender böser Absicht aber nach Vorschrift des folgenden §. 385. zu bestrafen.
§. 385. Ein Richter, welcher einen Unschuldigen vorsätzlich und in der Absicht, denselben an seiner Ehre, seinem Vermögen, oder sonst zu kränken, zur Criminaluntersuchung zieht, soll cassirt; und ausserdem, nach Verhältniß des Grades der Bosheit, auf Ein bis vier Jahre zur Festung, oder ins Zuchthaus gebracht werden.
§. 386. Ein Richter, welcher Criminalstrafen ohne vorgängiges Erkenntniß der Behörde zur Vollziehung bringt, soll seines Amts entsetzt; und wenn die eigenmächtige Strafe einen unschuldigen getroffen hätte, mit einer damit in Verhältniß stehenden Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 387. Hat die Strafe des Unschuldigen dessen Tod zur Folge gehabt: so hat ein solcher Richter, nach Beschaffenheit seiner Verschuldung, die Strafe eines Todschlägers oder Mörders verwirkt.
§. 388. Vorsätzliche Ueberschreitung der durch Gesetze oder Urtheile bestimmten Strafe ist gleich einer eigenmächtigen Bestrafung (§. 386.), jedoch nur nach Verhältniß des Uebermaaßes, und des dadurch verursachten Nachtheils, zu ahnden.
§. 389. Ein Gleiches findet in Ansehung derjenigen statt, welchen die Vollziehung der Strafe von dem Richter aufgetragen worden.
§. 390. Auch grobe Versehen bey Vollstreckung der Strafe sind mit Entsetzung vom Amte, und überdies mit der Hälfte der §. 386. vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 391. Mäßige und geringe Versehen sollen willkührlich, nach Verhältniß der Verschuldung, und des dadurch veranlaßten Nachtheils, bestraft werden.
§. 392. Was §. 388. sqq. verordnet ist, findet auch bey eigenmächtiger Verwandlung der gelindern Strafen in härtere statt.
§. 393. Hat der Richter eigenmächtig eine gelindere Strafe statt der erkannten härtern vollzogen: so soll nach Verhältniß des geschehenen Nachlasses, und des dazu gehabten Bewegungsgrundes, eine willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe eintreten.
§. 394. Liegt dabey Eigennutz oder sonst eine unerlaubte Absicht zum Grunde: so findet die §. 371. bestimmte Strafe statt.
§. 395. Ein Richter, welcher ein ihm angezeigtes Verbrechen verschweigt, oder unterdrückt, oder dem Verbrecher vorsätzlich Zeit und Raum läßt, sich der Untersuchung und Strafe zu entziehn, hat nach Bewandniß der dabey zum Grunde liegenden bösen Absicht, und des unterdrückten oder unbestraft gelassenen Verbrechens selbst, die §. 366 bis 371. verordneten Strafen verwirkt.
§. 396. Lag dabey ein unzeitiges Mitleiden zum Grunde: so soll er, nach Beschaffenheit des aus der gleichen Verbrechen zu besorgenden Nachtheils, mit Gefängniß oder Degradation bestraft werden.
§. 397. Außerdem haftet er für allen Schaden, welchen der straflos gebliebene Verbrecher durch Wiederholung seiner Uebelthaten nachher anrichtet.
§. 398. Hat der Richter bey der Untersuchung, in der Absicht, einen Verbrecher durchzuhelfen, Verfälschung oder andere Unrichtigkeiten begangen, so findet die Vorschrift §. 338. wider ihn Anwendung.
§. 399. Hat außerdem ein Justizbedienter sich einer wissentlichen Verfälschung gerichtlicher Verhandlungen oder Vermerke schuldig gemacht: so soll er seines Amts entsetzt, und die sonst nach §. 1384. eintretende Strafe der Verfälschung, gegen ihn verdoppelt werden. (§. 1385.)
§. 400. Ist die Unrichtigkeit durch Leichtsinn oder Nachläßigkeit veranlasset, und dadurch ein Schade verursacht worden: so muß die schuldige Justizperson nicht nur den Schaden ersetzen, sondern auch in eine mit diesem Schaden in Verhältniß stehende Geld- oder Gefängnißstrafe verurtheilt werden.
§. 401. Unschädliche Unrichtigkeiten sind nach Vorschrift der Prozeßordnung zu ahnden.
§. 402. Justizbediente, welche in streitigen Sachen, die zu ihrer Entscheidung gelangen können, zum Schaden einer oder der andern Parthey Rath ertheilen, sollen zehn bis einhundert Thaler Geldstrafe erlegen; und wenn sie nach schon einmal erlittener Bestrafung sich eines gleichen Verbrechens schuldig machen, ihres Amts entsetzt werden.
§. 403. Alle Justizpersonen müssen, bey Strafe der Suspension, oder gar der Dienstentsetzung, in Sachen, wobey sie oder die Ihrigen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, für interessirt zu achten sind, sich ihrer Stimme, so wie aller Amtshandlungen enthalten, welche zum Nachtheile eines andern gereichen, oder zu einem Mißbrauche Anlaß geben könnten.
§. 404. Justjzbediente sollen Forderungen, welche vor dem Gerichte, bey dem sie stehen, in Prozessen, oder in der Execution befangen sind, durch Kauf, Tausch, Cession, oder sonst, weder als Gläubiger, noch als Schuldner übernehmen.
§. 405. Soll durch dergleichen Uebernahme eine dem Justizbedienten an den Cedenten vorhin schon zugestandene rechtmäßige Forderung, oder Passivschuld, ganz oder zum Theil getilgt werden: so muß derselbe seinem unmittelbaren Vorgesetzten davon Anzeige machen, und dessen Genehmigung abwarten.
§. 406. Justizbedienten, welche ohne dergleichen Anzeige oder Genehmigung, streitige Activ- oder Passivschulden von der im §. 404. beschriebenen Art übernehmen, sollen, wenn sie nach Anleitung des §. 405. höhere Genehmigung zu hoffen gehabt hätten, den zwanzigsten, außer diesem Falle aber den vierten Theil des Betrags dieser Schulden zur Strafe erlegen.
§. 407. Ist aber die Uebernahme fremder Activ- oder Passivschulden in böser Absicht verheimlicht worden; oder hat der Vorgesetzte selbst dergleichen Schulden übernommen, ohne dem Collegio davon Anzeige zu machen: so tritt die Strafe der Amtsentsetzung ein.
Wegen Mitbietung bey öffentlichen Verkäufen, welche sie dirigiren.
§. 408. Wie gegen Justizbedienten, welche bey öffentlichen Verkäufen, denen sie von Amtswegen beywohnen, mitbieten, zu verfahren sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. I. Tit. XL §. 22. bis 25.)
H. Strafe pflichtwidrig handelnder Finanzbedienten, welchen der Staat, oder
§. 409. Pflichtwidrig handelnde Finanzbediente sind nach Maaßgabe §. 323-365., und wenn sie Personen in Verhaft nehmen, ohne sie vorschriftmäßig zu verhören, oder an die Justizbehörde abzuliefern, nach Vorschrift des §. 381-401. zu bestrafen.
§. 410. Beamte, welche zur Ausmittelung oder Einziehung öffentlicher Abgaben und Gefälle bestellt sind, und dabey den Staat vorsätzlich verkürzen, sollen um den vierfachen Betrag des verursachten Schadens fiskalisch bestraft, und ihres Amts entsetzt werden.
§. 411. Hat sich ein solcher Beamter zur Verkürzung der Staatseinkünfte, aus eigennützigen Absichten, um Gewinns oder Vortheils willen verleiten lassen: so hat er außer der Cassation und Geldstrafe Ein- bis anderthalbjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 412. Kann der Betrag der dem Staate entzogenen Gefälle nicht mehr ausgemittelt werden: so wird die Cassation mit Gefängniß geschärft, oder die Dauer der sonst verwirkten Festungsstrafe, nach bewandten Umständen verlängert. (Cf. §. 241.)
§. 413. Beamte, welche bey Ausmittelung, Bestimmung, oder Einziehung der, Abgaben, das Publicum vorsätzlich drücken, sollen das zu viel Genommene, oder sonst zur Ungebühr Erhobene, dem Beschädigten vierfach ersetzen.
§. 414. Haben sie das zu viel Erhobene noch dazu untergeschlagen, und zur Casse nicht abgeliefert: so sind sie denjenigen, die sich an Cassengeldern ver- greifen, gleich zu achten. (§. 418. sqq.)
§. 415. Ist die Verkürzung des Staats, oder des Publici, bloß aus Irrthum, Versehen, Nachläßigkeit, oder durch einen Rechnungsfehler entstanden: so findet nur der einfache Ersatz des Schadens statt.
§. 416. Außerdem muß ein solcher Officiant durch ernstliche Verweise, und nach Befinden durch verhältnißmäßige Geldstrafe, zu mehrerer Aufmerksamkeit und Genauigkeit in seinem Dienste angehalten werden.
§. 417. Derjenige, der sich solcher Verkürzungen aus grober Fahrläßigkeit, nach schon erhaltener Warnung, wiederholt schuldig macht, ist seines Amts, als dessen unfähig, zu entsetzen.
§. 418. Wenn ein Beamter das ihm eingezahlte Cassengeld nicht sofort in die Casse bringt, sondern in seiner Privatverwahrung behält: so muß er der Casse dafür Sechs vom Hundert vergüten.
§. 419. Hat er diese Gelder in seinen Privatgebrauch verwendet; oder die bereits zur Casse gebrachten Gelder, oder Geldwerthen Papiere, wieder herausgenommen: so hat er die Cassation verwirkt.
§. 420. Wer der ihm anvertraueten Casse, durch Entziehung der dazu gehörigen Gelder und Verschreibungen, wissentlich Schaden zufügt, der macht sich einer Veruntreuung der Casse schuldig.
§. 421. Beträgt die veruntreuete Summe nur fünfzig Thaler, oder weniger: so wird der treulose Beamte cassirt, und zu allen fernern Diensten des Staats unfähig erklärt.
§. 422. Ist aber der Defect über fünfzig Thaler: so findet außer der Cassation, zwey- bis vierjährige geschärfte Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt.
§. 423. Hat der Cassenbediente, um den gemachten Defect zu verbergen, Unrichtigkeiten und Verfälschungen in den Rechnungen oder Extracten vorgenommen; eingegangene Gelder nicht zu Buche getragen;bereits erhobene Posten als Reste aufgeführt; oder die Einnahme eines folgenden Jahres zu der des vorhergehenden gezogen: so soll die Festungsstrafe wider ihn um den halben Betrag der an sich schon verwirkten Dauer verlängert werden.
§. 424. Kann der gemachte Defect nicht sofort ersetzt werden: so ist der Verbrecher, nach Vorschrift §. 341., bis zum Erfolge dieses Ersatzes, oder allenfalls auf Lebenszeit, zur öffentlichen Arbeit anzuhalten,
§. 425. Hat der untreue Cassenbediente zu fliehen, und die Casse ganz oder zum Theil mit zu nehmen versucht: so hat er Lebenswierige Festungstrafe, nebst Staupenschlag, und bey besonders erschwerenden Umständen, Todesstrafe verwirkt.
§. 426. Cassenbediente, welche bessere Münzsorten in geringere umsetzen, und jene der Casse nicht völlig berechnen, sind denjenigen, welche Cassengelder veruntreuet haben, gleich zu achten. (§. 420. sqq.)
§. 427. Eben dasselbe gilt von denjenigen, welche Zahlungen, die aus der Casse zu entrichten sind, nicht
leisten; und gleichwohl zum Nachtheile derselben, solche Posten als gezahlt in Ausgabe bringen.
§. 428. Haben sie den Empfängern unbefugte Abzüge gemacht, und dennoch die Zahlung, als für voll geleistet, in Ausgabe gestellt: so sollen sie, wenn auch dieCasse dabey nicht gelitten hat, dennoch ihres Amts entsetzt werden.
§. 429. Ist die Casse den Empfängern dergleichen Abzüge zu vergüten verbunden; oder ist dabey zugleich das Landesherrliche Interesse verkürzt worden: so tritt die §. 421. bestimmte Strafe ein.
§. 430. Cassenbediente, welche die in Verwahrung habenden Bestände, obgleich mit vollkommener Sicherheit der Casse, eigenmächtig ausleihen oder benutzen, sollen schon um deswillen um den doppelten Betrag des dadurch sich verschaften Vortheils bestraft werden.
§. 431. Haben sie aber dergleichen Versur mit Unrichtigkeiten oder Verfälschungen in den Rechnungsbüchern verdecken wollen; oder sind erhebliche Vermuthungen einer vorgehabten Veruntreuung der Cassengelder vorhanden: so haben sie, außer der Geldstrafe, die Dienstentsetzung verwirkt.
§. 432. Gegen Cassenbedienten, die durch Irrthum, Versehen, oder durch einen Rechnungsfehler die Casse verkürzen, ist die Vorschrift §. 415. bis 417. anzuwenden.
§. 433. Ein Gleiches soll statt finden, wenn ein Cassenbedienter durch nachläßige Verwahrung der Cassengelder einen Verlust daran verursacht; eigenmächtige Nachsichten und Zahlungsfristen gestattet; Reste zur Ungebühr anschwellen läßt; in deren Anzeigung und Herbeyschaffung saumselig ist; oder sonst durch seine Schuld und Versehen die Casse in Schaden versetzt.
§. 434. Selbst einen durch Brand, Diebstahl, oder andern Zufall, der Casse verursachten Schaden muß der Rendant vertreten, wenn er die Gelder nicht in dem zur Aufbewahrung der Casse bestimmten Orte, sondern, ohne Noth, in seiner Privatgewahrsam gehalten hat.
§. 435. Sind Gelder aus der Casse selbst gestohlen worden: so muß der Rendant jede begangene Fahrläßigkeit vertreten, die er nach seinem Amte, und den ihm dabey obliegenden Pflichten, zu vermeiden schuldig war.
§. 436. Auch wird er wegen eines solchen Diebstahls verantwortlich, wenn er denselben nicht sogleich, wie er dessen inne wird, seinen Vorgesetzten und der Obrigkeit des Orts meldet; oder sonst zur Entdeckung und Festmachung des Thäters, nicht allen Fleiß und Mühe pflichtmäßig anwendet.
Bey Cassen-Curatoren und Aufsehern.
§. 437. Cassen-Curatores, ControIleurs,und Andere denen eine besondere und unmittelbare Aufsicht über die Casse anvertrauet ist, haften bey dem Unvermögen eines pflichtwidrig handelnden Rendanten für allen Schaden, wenn sie die ihnen obliegende Aufsicht vernachläßigt haben.
§. 438. Haben sie das untreue, oder sonst unrichtige Verfahren des Rendanten wahrgenommen; und gleichwohl der Behörde nicht angezeigt: so sollen sie, wenn ein Schade aus der unterlassenen Anzeige entstanden ist, nicht nur für diesen Schaden haften, sondern auch mit verhältnißmäßiger Geld- oder Gefängnißstrafe belegt, oder nach Bewandniß der Umstände cassirt werden.
§. 439. Vorgesetzte und Collegia, welche die ihnen obliegenden Cassenvisitationen verabsäumen; oder nachläßig dabey zu Werke gehen; oder die dabey bemerkten Unrichtigkeiten nicht gehörig rügen, haften bey dem Unvermögen des Rendanten, und der unmittelbaren Aufseher, für allen entstandenen Schaden, und sollen außerdem mit verhältnißmäßiger Strafe belegt werden.
§. 440. Gegen Cassenaufseher und Vorgesetzte, welche aus den ihrer unmittelbaren, oder ihrer Oberaufsicht anvertrauten Cassen Darlehne nehmen, finden die Vorschriften §. 377. sqq. Anwendung.
§. 441. Wenn dergleichen Personen sich, ohne Genehmigung der obern Behörde, Besoldungen, oder andere ihnen zukommende Emolumente, für einen noch nicht eingetretenen Zeitraum aus der Casse vorausbezahlen lassen: so sollen sie den doppelten Betrag davon zur Strafe entrichten.
§. 442. Wenn Cassenaufseher oder Vorgesetzte an den Betrügereyen des Rendanten wirklich Theil nehmen; oder denselben um Gewinns oder Vortheils willen nachsehn: so sollen dieselben eben so, wie der treulose Rendant selbst, bestraft werden.
Bey Oßcianten, die nicht eigentlich Cassenbediente sind.
§. 443. Wenn ein Officiant, welcher zwar nicht als Rendant oder Cassencurator angestellt ist, aber für das Beste der Casse zu sorgen, oder vermöge seines Amts Gelder zur Casse zu liefern hat, die zu einer solchen Casse gehörigen Gelder unterschlägt; Sachen, deren Werth zur Casse fließen sollen, in seinem Privatnutzen verwendet; oder durch Umtauschung oder Umwechselung solcher Gelder und Sachen die Casse verkürzt, oder dazu behülflich ist: so hat er, nebst dem Schadensersatze, die Cassation verwirkt.
§. 444. Außerdem soll er den vierfachen Betrag des der Casse Entzogenen zur Strafe entrichten; oder im Unvermögensfalle, mit sechsmonatlicher bis zweyjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 445. Vorgesetzte, oder andere Officianten, welche die zu einer Casse gehörenden Gelder, anstatt die Zahlenden damit an die Casse zu verweisen, selbst erheben, und die Ablieferung an die Casse ohne Noth verzögern, sollen, wenn auch die Ablieferung demnächst geschehen ist, dennoch, dieses Verzugs wegen, mit proportionirlicher Geldstrafe, allenfalls bis zum vollen Betrage der zurückgehaltenen Summe, belegt werden.
§. 446. Ist ein dringender Verdacht, daß sie die zurückgehaltenen Gelder in der Zwischenzeit für sich genutzt haben, vorhanden: so soll die Geldstrafe bis auf den dreyfachen Betrag erhöht; oder anstatt derselben, nach Bewandniß der Umstände, mit Degradation oder Cassation verfahren werden.
§. 447. Wer eine Casse übernimmt, ohne daß ihm selbige von der Behörde ordnungsmäßig übergeben worden, haftet für die etwanigen Unrichtigkeiten seines Vorgängers.
§. 448. Vorgesetzte, die einen auf Caution und Rechnung sitzenden Bedienten, ohne vorhergegangene Berichtigung der Caution, wirklich anstellen, oder ihm die Casse nicht gehörig übergeben, haften für allen von demselben etwa verursachten Schaden, so weit selbiger aus dem Mangel der Caution entstanden ist.
§. 449. Wenn kein Schade entstanden ist: so haben sie zwanzig bis fünfzig Thaler Geldstrafe verwirkt.
§. 450. Auf einstweilige Cassenverwaltung, welche bey entstehenden Vacanzen, bis zu deren Wiederbesetzung, angeordnet werden müssen, sind diese Vorschriften (§. 448. 449.) nicht zu ziehen.
§. 451. Auch können dieselben auf Cassenverwaltungen, die wegen einer bloß zeitigen Verhinderung der ordentlichen Rendanten, bis zu deren Hebung veranlaßt werden müssen, nicht gezogen werden.
§. 452. Die in beyden Fällen zur interimistischen Cassenverwaltung angesetzten Personen sind den Pflichten der ordentlichen Rendanten, und bey deren Verletzung, auch den Strafen derselben unterworfen.
Strafe des gemißbrauchten Cassenvorrechts.
§. 453. Jeder Cassenbediente soll, bey Verlust seines Amts, nicht nur die Grundstücke, welche er bey dessen Uebernehmung besitzt, sondern auch diejenigen, welche nachher an ihn gelangen, der in seiner Amtsverwaltung ihm vorgesetzten Behörde, zum Behufe der Eintragung des Cassenvorrechts, unverzüglich anzeigen.
§. 454. Ein Gleiches liegt, bey fünfzig Dukaten Strafe, denjenigen ob, welche Königliche Domainengüter, oder Gefälle, in Pacht oder Verwaltung übernommen haben.
§. 455. Ist durch die unterlassene Eintragung einem Dritten, welcher sich, in Unwissenheit des Cassenvorrechts, mit einem solchen Beamten in Geschäfte eingelassen hat, ein Schade entstanden: so müssen die Behörden, welche ihre Schuldigkeit verabsäumt haben, die Hälfte desselben ersetzen.
§. 456. Accise- und Zollbediente sollen mit Kaufleuten, Brauern, oder andern Personen, welche ihrer Aufsicht und Revision in ihrer Handlung, oder sonstigem Nahrungsbetriebe, unterworfen sind, sich ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten, bey Strafe einer nachtheiligen Versetzung, in keine Geld- oder genaue Familienverbindungen einlassen.
§. 457. Auch sollen dergleichen Beamte, bey eben der Strafe, keine Handlung oder sonst bürgerliche Nahrung treiben, wodurch sie zur Verabsäumung oder Uebertretung ihrer Amtspflichten verleitet werden könnten.
III. Strafen pflichtwidriger Polizey-,
§. 458. Polizeybediente, welche die Uebertretung der Polizeygesetze wissentlich dulden, und sie nicht zur gehörigen Ahndung anzeigen, sollen mit eben der Strafe, welche der Uebertreter verwirkt hätte, belegt, und im Wiederholungsfalle cassirt werden.
§. 459. Ist eine solche pflichtwidrige Nachsicht durch Geschenke oder andere Vortheile erkauft worden: so ist, außer der übrigen Strafe, auch der vierfache Betrag dieser Vortheile zur Strafcasse zu entrichten.
§. 460. Polizeybediente, welche ihr Amt zu Erpressungen und Befriedigung ihrer Privatleidenschaften mißbrauchen; ohne hinlänglichen Grund zur Verhaftnehmung schreiten; oder dabey die den Justizbedienten §. 381. sqq. gegebenen Vorschriften verletzen, haben die §. 360. 361. 371., ingleichen die §. 381. sqq., und im Falle einer bloßen Fahrläßigkeit, die §. 372. festgesetzte Strafe verwirkt.
§. 461. Magazin- und ähnliche Staatsbediente, welche durch unrichtiges oder ungleiches Maaß, oder durch andere Betrügereyen, den Staat oder das Publi cum vervortheilen, sollen cassirt, und mit ein- bis zweijähriger Festungsstrafe belegt; auch zum doppelten Ersatze des unrechtmäßiger Weise gezogenen Vortheils angehalten werden.
§. 462. Bey Registratur- und Archivbedienten, welche die in ihrer Verwahrung befindlichen Acten und Urkunden, Andern, welche dazu nicht berechtigt sind, vorlegen oder mittheilen, oder dieselben pflichtwidriger Weise vernichten, tritt die Vorschrift des §. 357. 359. ein.
§. 463. Die Amtsvergehungen der Militairpersonen sollen nach den Kriegsartikeln beurtheilt und geahndet werden.
§. 464. Militairpersonen, welche meineidig den Kriegsdienst verlassen, sind als Deserteurs anzusehn, und nach Vorschrift der Kriegsartikel zu bestrafen.
§. 465. Wenn sie aber in die Dienste des Staats wieder aufgenommen, oder sonst begnadigt werden: so werden auch dadurch alle rechtliche Folgen des bey der Desertion begangenen Meineides gehoben.
§. 466. Doch wird durch ihre Begnadigung die Gültigkeit der vor der Desertion errichteten militairischen Testamente nicht wieder hergestellt. (Th. I. Tit. XII. §. 197.)
§. 467. Das Vermögen der Deserteurs soll durch ein Erkenntniß der Kriegesgerichte confiscirt werden.
§. 468. Enrollirte, welche bereits zum Kriegesdienste ausgehoben, obgleich noch nicht vereidet waren, sind, wenn sie austreten, als Deserteurs anzusehen.
§. 469. Wenn Cantonisten, welche noch nicht als Recruten ausgehoben worden, die Königlichen Lande verlassen, um sich den Kriegsdiensten zu entziehn: so soll ihr zurückgelassenes Vermögen durch das Provinzial-Justizcollegium dem Fisco zuerkannt werden.
§. 470. Zu dem Vermögen eines Deserteurs oder ausgetretenen Cantonisten, gehört auch dasjenige, was ihm nach seinem Austritte, an Erbschaften, Vermächtnissen, Geschenken, oder sonst zufällt.
§. 471. Wer ausgetretenen Militairpersonen oder Cantonisten Schulden bezahlt, Gelder oder andere Sachen zuschickt, oder ihnen sonst etwas zuwendet, wird dadurch von seiner etwanigen Verbindlichkeit gegen den Fiscum nicht befreyt, und muß auch den Betrag des Zugewendeten, zur Strafe erlegen.
§. 472. Gegen ausgetretene Cantonisten, welche noch nicht zum Kriegesdienste ausgehoben worden, findet nach deren Tode der Confiscationsprozeß nicht mehr statt.
§. 473. a) Eine bloße Todeserklärung kann jedoch, in dieser Rücksicht, dem wirklichen Tode nicht gleich geachtet werden.
§. 473. b) Der Abschied, welchen ein Cantonist, unter der Bedingung, sich im Lande zu etabliren, erhalten hat, befreyt denselben nicht von der Strafe, wenn er, ohne diese Bedingung zu erfüllen, austritt.
§. 473. c) Auch verliert der Fiskus sein Recht nicht, wenn ein Regiment den Cantonisten, nachdem er bereits ausgetreten ist, verabschiedet.
§. 474. Jeder Bürger des Staats und Einwohner des Landes ist schuldig, das Verbrechen der Desertion, so viel an ihm liegt, zu verhindern.
§. 475. Wie die Deserteurs anzuhalten sind, ist in den Landespolizeygesetzen vorgeschrieben.
§. 476. Wer von dem Vorhaben einer Militairperson, den Kriegsdienst meineidig zu verlassen, Wissenschaft erlangt, und dies Vorhaben nicht sofort verhindert, oder selbiges, wenn er es nicht verhindern kann, anzuzeigen unterläßt; der soll das erstemal mit sechswöchentlicher bis sechsmonathlicher Festungsstrafe belegt; im Wiederholungsfalle aber als ein Beförderer der Desertion bestraft werden.
§. 477. Wer sich des Verbrechens, den Austritt oder die Flucht eines Deserteurs, durch thätige Beyhülfe befördert zu haben, zum erstenmale schuldig macht, soll nach Bewandniß der Bewegungsgründe, wodurch er zu dem Verbrechen veranlaßt worden; der übrigen vorkommenden erschwerenden oder mildernden Umstände; und der aus der begünstigten Desertion entstandenen oder zu besorgen gewesenen gefährlichen Folgen, mit Festungsarrest, oder Zuchthausstrafe, auf acht Monathe bis zwey Jahre, belegt werden.
§. 478. Wer dieses Verbrechen zum zweytenmale begeht, ungeachtet er das erstemal dafür bestraft worden, soll eben dergleichen Festungs- oder Zucht hausstrafe auf zwey bis vier Jahre leiden.
§. 479. Wer sich ein solches Verbrechen zum drittenmale zu Schulden kommen läßt, soll, wenn die Desertion wirklich ihren Fortgang gehabt hat, mit dem Strange hingerichtet werden.
§. 480. Wenn die Desertion entweder nicht zu Stande gekommen; oder der Verbrecher, wegen seiner vorigen Vergehungen dieser Art, noch durch gar keine Strafe gewarnet worden ist; oder sonst besondre mildernde Umstände für ihn eintreten: so soll eine zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder Zuchthaus strafe, an die Stelle der Todestrafe treten.
§. 481. Auf die Festsetzung dieser Strafe soll es weiter keinen hauptsächlichen Einfluß haben: ob der Deserteur selbst, welchem durchgeholfen worden, sich des Verbrechens der Desertion zum ersten, oder schon zu wiederholtenmalen schuldig gemacht hat.
§. 482. Wenn Civilpersonen an einem Desertionscomplotte Antheil nehmen: so soll die Strafe, welche sie bey einer einzelnen Durchhelfung nach obigen Grundsätzen verwirkt haben würden, in so fern selbige nicht schon an sich Lebensstrafe wäre, nach Verhältniß der Anzahl der complottirenden Militairpersonen, in der Dauer erhöht, und allenfalls bis zu lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe ausgedehnt werden.
Ehefrauen der Deserteurs: 1) Mitschuldige, a) Zurückbleibende;
§. 483. a) Hat eine Frau die Desertion ihres Mannes thätig befördert: so finden nicht nur die §. 477. verordneten Strafen, sondern auch die Confiscation ihres Vermögens, gegen sie statt.
§. 483. b) Ist aber die Entweichung des Mannes von ihr bloß auf die §. 476. beschriebene Art begünstigt worden: so fällt, statt der in der angeführten Stelle bestimmten Strafe, ihr zur Zeit der Desertion im Besitze habendes Vermögen dem Fisco anheim.
§. 484. Das Vermögen aber, welches ihr nach der Desertion durch Erbschaft, Vermächtniß, oder sonst zufällt, soll so lange in gerichtliche Verwahrung und Verwaltung genommen werden, bis die Frau den Tod des desertirten Mannes nachweiset; oder sich von ihm scheiden läßt, und anderweitig verheirathet; oder sich im Lande ansäßig macht.
§. 485. Stirbt die Frau, ehe sie auf die §. 484. bestimmte Art zur Empfangnehmung ihres Vermögens und ihrer Erbanfälle die Befugniß erhalten hat; und es kann nicht nachgewiesen werden, daß der Mann schon vor ihr mit Tode abgegangen sey: so erhält die Invalidencasse aus ihrem Nachlaß alles dasjenige, was dem Manne, wenn er nicht entwichen wäre, den Rechten nach daraus zukommen würde.
§. 486. Doch gebührt auch in diesem Falle der Ueberrest ihres Nachlasses den Erben der Frau, so weit diese zur Erhebung einer Erbschaft, in hiesigen Landen fähig sind.
§. 487. Ist der entwichene Mann vor der Frau verstorben: so verbleibet der gesammte Nachlaß ihren rechtmäßigen Erben.
§. 488. Ist die für unschuldig erklärte Frau, nach erhaltener Auslieferung ihres Vermögens, dem desertirten Manne dennoch nachgefolgt: so hat zwar die Invalidencasse an ihr zurückgelassenes Vermögen weiter keinen Anspruch;
§. 489. Es bleiben aber dem Fisco überhaupt seine Rechte daran in so fern vorbehalten, als nach allgemeinen oder Provinzialgesetzen, das Vermögen ausgetretener Landesunterthanen überhaupt der Confiscation unterworfen ist.
§. 490. Folgt die Frau dem desertirten Manne nach, noch ehe ihr das Vermögen verabfolgt worden: so wird die Administration desselben so lange fortgesetzt, bis sie entweder zurückkehrt, und sich nach §. 484. zu dessen Empfangnehmung qualificirt hat; oder nach ihrem Tode ihre Erben sich melden.
§. 491. Je nachdem in diesem letztern Falle ausgemittelt wird, daß sie vor oder nach dem Manne verstorben sey, finden die Vorschriften des §. 485 bis 487. Anwendung; doch bleiben auch hier, wegen des den rechtmäßigen Erben zukommenden Vermögensantheils, dem Fisco überhaupt seine Rechte nach §. 489. vorbehalten.
§. 492. Wird die Ehefrau für unschuldig erklärt: so muß ihr dasjenige, was sie ihrem Ehemanne erweislich eingebracht hat, oder sonst ihr Eigenthum ist, oder was ihr nach den Statuten des Orts, oder der Provinz, aus dem gemeinschaftlichen Vermögen zukommt, gelassen werden.
§. 493. Es muß aber das Vermögen der auch unschuldigen Frau so lange unter gerichtlicher Verwaltung verbleiben, bis sie entweder den Tod des desertirten Mannes nachweist; oder sich von demselben scheiden läßt, und wieder im Lande verheirathet; oder bis sie sich innerhalb Landes ansäßig macht.
§. 494. Je nachdem einer oder der andre dieser Fälle sich ereignet, treten die oben §. 485-487. gegebenen Vorschriften ein.
3) Wenn die Frau dem Manne gefolgt, und ihre Schuld oder Unschuld zweifelhaft ist.
§. 495. Ist die Frau mit dem Manne zugleich entwichen; und das Kriegsgericht findet keinen hinreichenden Grund, sie für schuldig oder unschuldig zu erklären: so kann dasselbe sein Erkenntniß darüber aussetzen, bis entweder sie selbst, oder ihre Erben sich melden, und das Vermögen zurückfordern.
§. 496. Bis dahin bleibt dies Vermögen, so wie alle nachherige Erbanfälle, unter gerichtlicher Verwaltung.
Einkünfte des in Verwaltung genommenen Vermögens der Ehefrau des Deserteurs.
§. 497. In allen Fällen, wo die Frau entweder für schuldig erklärt worden, oder wo sie dem desertirten Manne gefolgt ist, fallen die Einkünfte ihres in gerichtlichen Beschlag genommenen Vermögens, so lange die Verwaltung dauert, dem Fisco anheim.
§. 498. Muß aber die Verwaltung bloß um des- willen fortgesetzt werden, weil die zurückgelassene Frau des Deserteurs noch nicht Gelegenheit gefunden hat, sich wieder zu verheirathen, oder sonst im Lande seßhaft zu machen: so müssen die Einkünfte des in Beschlag genommenen Vermögens zur Substanz geschlagen; auch der Ehefrau, wenn sie sich ihren Unterhalt nicht selbst verdienen kann, nothdürftige Verpflegungsgelder davon gereicht werden.
VII. Kirchen- und Schulbediente.
§. 499. Kirchen- und Schulbediente, die ihrer Gemeine, oder ihren Untergebenen durch grobe Laster und Ausschweifungen ein öffentliches Aergerniß geben, sind, außer der durch das Verbrechen selbst verwirkten Strafe, ihres Amts, als dessen unwürdig, zu entsetzen.
§. 500. Geistliche, welche, außer den in den Gesetzen bestimmten Fällen (Tit. XI. §. 82.), Geheimnisse, die ihnen unter dem Siegel der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertrauet worden, offenbaren, sollen, nach Bewandniß der Umstände, mit willkührlicher Geldbuße, mit Suspension von ihren Amtsverrichtungen und Einkünften, oder mit Dienstentsetzunung bestraft werden.
§. 501. Geistliche, die sich in öffentlichen Vorträgen persönliche Anzüglichkeiten erlauben, oder die vorgeschriebenen Grenzen der Kirchenzucht überschreiten, sind als grobe Injurianten anzusehen und zu bestrafen.
§. 502. Ueberschreiten sie bey Einforderung der Gebühren die Vorschrift der Taxe: so findet die Tit. XI. §. 426. bestimmte Strafe statt.
§. 503. Ein Pfarrer, welcher der ihm bekannten Ehehindernisse ungeachtet, die Trauung vollzieht, wird mit der Cassation bestraft. (Tit. I. §. 149.)
§. 504. Ueberhaupt sollen alle Geistliche und Schullehrer, welche wegen irgend eines andern schweren Verbrechens zur Criminaluntersuchung gezogen, und schuldig befunden worden, außer der Strafe dieses Verbrechens, auch ihres geistlichen Amts entsetzt werden.
Von den Verbrechen derer, welche ohne Officianten zu seyn, dem gemeinen Wesen besonders verpflichtet sind; Aerzte, Wundärzte und Hebammen.
§. 505. Aerzte, Wundärzte, und Hebammen, sollen die ihnen bekannt gewordenen Gebrechen und Familiengeheimnisse, in so fern es nicht Verbrechen sind, bey Vermeidung einer nach den Umständen zu bestimmenden Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern, niemanden offenbaren.
§. 506. Verschweigen sie ein noch zu begehendes Verbrechen, welches sie ohne Beyhülfe der Obrigkeit nicht verhindern können: so sind sie als Theilnehmer daran verantwortlich. (§. 80. 81. 82.)
§. 507. Wie Geburtshelfer und Hebammen, welche den §. 924. sqq. vorgeschriebenen Pflichten zuwider handeln, bestraft werden sollen, ist eben daselbst verordnet.
§. 508. Alle Uebrigen, welche, ob sie gleich nicht in unmittelbaren Diensten des Staats stehen, dennoch demselben, vermöge ihres Standes, besonders verpflichtet sind, werden bey Uebertretung dieser Pflichten nach den darüber ergangenen besonderen Verordnungen bestraft.
Neunter Abschnitt. Von Privatverbrechen
§. 509. Niemand soll den andern ohne Recht an seiner Ehre, Gesundheit, Leib, Leben, Freyheit oder Vermögen beschädigen, oder kränken. (Th. I. Tit. VI.)
§. 510. Vorsätzliche Beschädigungen sind alle mal strafbar.
§. 511. Auch grobe Fahrläßigkeit, wodurch jemand an Leib, oder Leben beschädigt worden, zieht Strafe nach sich.
§. 512. Die Uebertretung eines Polizeygesetzes, welches der Staat zur Verhütung der Beschädigungen seiner Bürger gegeben hat, ist strafbar, auch wenn dadurch noch kein wirklicher Schade entstanden wäre.
§. 513. Doch findet in beyden Fällen §. 511. 512. förmliche Untersuchung und Erkenntniß auf Leibes- Ehren- oder Geldstrafen nur in so fern statt, als auf die Beleidigung oder Uebertretung, eine solche Strafe in den Gesetzen ausdrücklich verordnet ist.
§. 514. In Fällen, wo der Schadensersatz unter mehrere vertheilt wird, muß dennoch jeder die auf die unerlaubte Handlung verordnete ganze Strafe leiden.
Vom Schaden, der durch den Gebrauch des Rechts, oder
§. 515. Wer sich seines Rechts innerhalb der durch die Gesetze bestimmten Schranken desselben bedient, wird wegen eines dem Andern daraus entstehenden Schadens nicht strafbar.
§. 516. Er wird aber strafbar, wenn er unter mehrern gleich möglichen Arten oder Zeiten sein Recht auszu
üben, aus Bosheit oder Schadenfreude, eine Art oder Zeit wählt, wo der Gebrauch des Rechts einem Andern an dessen Person oder Vermögen einen unmittelbaren Schaden verursacht.
durch Nothwehr zugefügt worden,
§. 517. Jeder hat die Befugniß, die ihm, oder den Seinigen, oder seinen Mitbürgern drohende Gefahr einer unrechtmäßigen Beschädigung, durch der Sache angemessene HüJfsmittel abzuwenden.
§. 518. Die Nothwehr findet aber nur gegen eigenmächtige Gewalt, und auch gegen diese nur alsdann statt, wenn die obrigkeitliche Hülfe die Beleidigung weder abwenden, noch den vorigen Zustand wieder herstellen kann.
§. 519. Die Ausübung der Nothwehr darf nicht weiter getrieben werden, als die Nothdurft zur Abwendung des drohenden Uebels erfordert.
§. 520. Auch muß das zur Abwendung des Schadens gewählte Mittel mit dem Schaden selbst, welcher durch die Nothwehr abgewendet werden soll, in Verhältniß stehen.
§. 521. Lebensgefährliche Beschädigungen des Angreifenden sind nur erlaubt, wenn gegen dessen Beleidigung die Person des Angegriffenen anders nicht geschützt werden kann.
§. 522. Dies findet auch zu Vertheidigung des Besitzes statt, wenn sonst der Schade unersetzlich seyn würde.
§. 523. So lange der Angegriffene sich ohne seine Gefahr dem Angriffe des Andern zu entziehen vermag, ist er zu dessen lebensgefährlicher Beschädigung nicht berechtigt.
§. 524. Wer zwar im Stande der Nothwehr, jedoch mit Ueberschreitung der vorgeschriebenen Gränzen, einen Andern beschädigt, hat eine verhältnißmäßige Ahndung seines Excesses verwirkt.
§. 525. Niemand darf in eines Andern Haus, Wohnung, oder sonstigen Aufenthaltsort, wider dessen Willen, ohne besondere Befugniß eindringen.
§. 526. Wer dieses thut, oder wider Willen des Besitzers innerhalb seines Bezirks Handlungen vornimmt, zu denen er nicht berechtigt ist, der verletzt das Hausrecht.
§. 527. Der Einwohner ist befugt, den, welcher das Hausrecht verletzt, nach vorgängiger Warnung zu nöthigen, daß er von dergleichen zudringlichem oder eigenmächtigem Verfahren abstehe.
§. 528. Doch muß bey dem Gebrauche des Hausrechts, Leib und Ehre des Eindringenden möglichst geschont werden.
§. 529. Wenn auch ein dergleichen zudringliches oder eigenmächtiges Verfahren, mit der Absicht zu beleidigen, oder ein Verbrechen zu begehen, nicht verbunden gewesen: so soll doch der Thäter, wenn er es auf den Gebrauch der Gewalt hat ankommen lassen, mit einer willkührlichen Geld- oder Gefangnißstrafe belegt werden.
§. 530. Sind Zudringlichkeiten dieser Art (§. 525. 526.) mit einem andern Verbrechen, welches nicht schon seiner Natur nach eine Verletzung des Hausrechts in sich schließt, verbunden gewesen: so soll die ordentliche Strafe des Verbrechens nach Verhältniß dieser Zudringlichkeit geschärft werden.
§. 531. Was vorstehend §. 525-530. verordnet ist, soll auch statt finden, wenn dergleichen Handlungen zwar nicht innerhalb eines Hauses, aber doch innerhalb der Gränze eines mit Mauern, Planken, oder Zäunen umgebnen Platzes, vorgefallen sind.
§. 532. Eben dieses findet auch auf freyem Felde statt, so weit der Eigenthümer, durch Anbau oder besondre Merkmale, Andere davon ausgeschlossen hat. (Th. I. Tit. XXII. §. 64.)
Sicherheitsbestellung wegen künftiger Beleidigung.
§. 533. Wenn gefährliche Drohungen oder Anstalten noch durch obrigkeitliche Hülfe abgewendet werden können: so muß jede Obrigkeit, wenn sie auch übrigens nicht die gehörige wäre, die zu Abwendung einer dringenden Gefahr erforderlichen Anstalten unverzüglich treffen.
§. 534. Der Bedrohete ist befugt, Sicherstellung durch Pfand oder Bürgen zu fordern, so lange die nach den Umständen wahrscheinliche Gefahr fortdauert.
§. 535. Die Caution muß auf eine bestimmte Geldsumme gerichtet, und diese, im Falle der dennoch erfolgten Beleidigung, zu etwaniger Entschädigung derer, welche dadurch gelitten haben, angewendet werden.
§. 536. Was von der Cautionssumme zu diesem Zwecke nicht erforderlich ist, soll als eine Geldstrafe der Armencasse zufallen.
§. 537. Hat die Caution auf eine unbestimmte Zeit bestellt werden müssen: so kann sie nicht eher aufgehoben werden, als nachdem der, zu dessen Sicherheit sie geleistet worden, über die Gründe der fortdauernden oder gehobnen Gefahr rechtlich gehört ist.
Zehnter Abschnitt. Von Beleidigungen der Ehre
§. 538. Wer durch geringschätzige Geberden, Worte, oder Handlungen, jemanden zu kränken, oder ihn widerrechtlich zu beschimpfen sucht, der begeht eine Injurie.
Von dem Vorsatze der Ehrenkränkung.
§. 539. Wer keine Absicht hat, den andern durch Verachtung zu kränken, oder ihn zu beschimpfen der macht sich auch keiner Injurie schuldig.
§. 540. Dagegen ist eine Injurie vorhanden, sobald die Absicht, die Ehre des Andern zu kränken, klar ist, wenn gleich die Handlung, oder Aeußerung, an sich, und unter andern Umständen betrachtet, nicht beschimpfend wäre.
§. 541. Der Vorsatz der Ehrenkränkung wird der Regel nach nicht vermuthet.
§. 542. Ob dieser Vorsatz vorhanden sey oder nicht, muß nach gesetzlichen Bestimmungen, und in deren Ermangelung, nach den vorhergehenden, begleitenden, und nachfolgenden Umständen beurtheilt werden.
§. 543. Wer einem Andern Verbrechen Schuld giebt, die ihm, wenn die Beschuldigung gegründet wäre, die Ahndung der Gesetze zuziehen würden, der hat die Vermuthung wider sich, daß er die Ehre desselben habe kränken wollen.
§. 544. Ein Gleiches gilt von demjenigen, welcher von dem Andern solche Handlungen behauptet, die denselben, wenn er sie wirklich begangen hätte, der Verachtung seiner Mitbürger überhaupt, oder der- jenigen Classe derselben, zu welcher der Beleidigte gehört, aussetzen würde.
§. 545. Wer sich gegen den Andern solcher Ausdrücke oder Handlungen bedient, die als Zeichen der Geringschätzung und Verachtung im gemeinen Leben anerkannt sind, wider den streitet eben diese Vermuthung.
Umstände, die ihn nicht ausschließen.
§. 546. Die einer an sich beschimpfenden Handlung oder Aeußerung beygefügte Protestation, schließt den Vorsatz der Ehrenkränkung noch nicht aus.
§. 547. Eben so wenig ist die einer beschimpfenden Aeußerung beygefügte Bedingung für sich allein hinreichend, diesen Vorsatz auszuschließen.
§. 548. Auch die Wahrheit des Vorwurfs, oder der Beschuldigung, hebt die gesetzliche Vermuthung des Vorsatzes der Ehrenkränkung nicht auf.
§. 549. Wer einem Andern ein durch Strafe gebüßtes, oder sonst gesetzmäßig aufgehobenes Verbrechen vorrückt, hat die Vermuthung der Absicht zu beleidigen wider sich.
§. 550. Wer aber außerdem seinem Mitbürger dergleichen Verbrechen vorwirft, muß nicht nur die Wahrheit desselben so weit, als es zur Veranlassung einer förmlichen Untersuchung darüber erforderlich ist, bescheinigen; sondern auch die Abwesenheit des Vorsatzes zu beleidigen nachweisen.
§. 551. Wenn der Richter, bey der von Amts wegen verfügten Untersuchung seiner Angabe, dieselbe gegründet befindet: so bleibt der Injuriant, wenn er auch wegen der vorsätzlichen Injurie straffällig befunden wird, dennoch von der Pflicht der Privatgenugthuung frey.
Umstände und Verhältnisse, die ihn ausschließen.
§. 552. Wer in gerichtlichen Verhandlungen, bloß zur Ausführung oder Vertheidigung seiner Rechte, seinem Gegner kränkende Vorhaltungen zu machen genöthigt ist, der begeht keine Injurie.
§. 553. Wohl aber soll derjenige als Injuriant angesehen und bestraft werden, der seinem Gegner, bey dergleichen Gegenheit, ehrenrührige Vorwürfe macht, die zu der gegenwärtigen Verhandlung nicht gehören.
§. 554. Eben dieses findet statt, wenn dergleichen gerichtliche Vorwürfe ungegründet sind, und der, welcher sie machte, sie nicht ohne sein grobes oder mäßiges Versehen für wahr halten konnte.
§. 555. Richter und fiskalische Bediente, welche vermöge ihres Amts den Stand oder das moralische Verhalten eines Menschen untersuchen, und beurtheilen, begehen durch diese Ausübung ihres Amts keine Injurie.
§. 556. Sie sind aber derselben schuldig, wenn sie, mit Mißbrauch ihres Amtes, jemanden ohne hinlänglichen Grund eines Verbrechens wegen anklagen.
§. 557. Vorhaltungen und Verweise der Aeltern gegen ihre Kinder, der Vormünder gegen ihre Pflegebefohlne, der Lehrer gegen ihre Schüler und Lehr
linge, der Dienstherrschaften gegen ihr Gesinde, und der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, sind als Injurien nicht anzusehen.
§. 558. Eben das gilt von mäßigen Züchtigungen, die jemand einem Andern, über welchen ihm das Recht der Zucht beygelegt ist, zufügt.
§. 559. Wird das Maaß in solchen Vorhaltungen oder Behandlungen überschritten: so muß die Obrigkeit, auf den Antrag des Beleidigten, den Beleidiger in seine Schranken zurückweisen, und die Ausschweifungen nach Befinden der Umstände von Amts wegen ahnden. (Th. II. Tit. II. §. 86-91. Tit. V. §. 76. sqq. §. 97. 132. sqq. §. 145. 185. Tit. VII. §. 227. sqq. Tit. VIII. §. 298. sqq. §. 356. sqq.)
§. 560. In so fern die bürgerliche Ehre des Beleidigten bey der Ueberschreitung des Züchtigungsrechts gelitten haben sollte, muß die Obrigkeit auch für die demselben gebührende Genugthuung sorgen.
§. 561. Prediger machen sich in ihren Amtsgeschäften einer Injurie nur alsdann schuldig, wenn sie bey Privatermahnungen, oder in öffentlichen Vorträgen, die in den Gesetzen bestimmten Gränzen überschreiten. (Tit. XI. §. 76. sqq.)
§. 562. Bey öffentlichen Urtheilen über Werke oder Handlungen der Kunst, des Geistes, oder des Fleißes, wird der Vorsatz der Ehrenkränkung nicht vermuthet; in so fern sie bloß auf den Werth oder Unwerth des beurtheilten Gegenstandes eingeschränkt worden.
§. 563. Doch ist der Urtheilende die Gründe seines Urtheils, auf Verlangen des Beurtheilten, anzugeben verpflichtet.
Von unmittelbaren und mittelbaren Injurien.
§. 564. Beleidigungen, welche einer ganzen Gemeine, Corporation, oder Familie zugefügt worden, können von deren einzelnen Mitgliedern, so weit auch sie die Injurie trifft, gerügt werden.
§. 565. Ein Ehemann, Vater, und Vormund, kann, wenn er auch selbst nicht beleidigt worden, die der Ehefrau, den Kindern, oder Pflegebefohlnen zugefügte Injurie an ihrer Stelle gerichtlich ahnden.
§. 566. Beleidigungen des Hausgenossen und des Gesindes, welche denselben in Beziehung auf den Hausvater oder die Dienstherrschaft angethan worden, sind zugleich als Beleidigungen dieser letztern anzusehen.
§. 567. Vorgesetzte werden in ihren Untergebenen beleidigt, wenn letztere wegen Ausrichtung der Aufträge der erstern beschimpft werden.
§. 568. Der mittelbar Beleidigte kann auf Genugthuung und Strafe antragen, auch wenn derjenige, welcher unmittelbar beschimpft worden, die Injurie nicht rügen kann, oder will.
Von symbolischen Verbal-, und Realinjurien.
§. 569. Verbalinjurien sind solche, welche durch mündlich ausgesprochene, geschriebene, oder gedruckte Worte geschehen.
§. 570. Beschimpfungen, die in Thätlichkeiten bestehen, wodurch dem Andern an seinem Körper Gewalt oder Verletzung zugefügt worden, heißen Realinjurien.
§. 571. Andere Zeichen der Geringschätzung, sie mögen in Handlungen oder Unterlassungen, in Tönen oder Gebehrden, in Gemälden, Kupferstichen, oder in andern sinnlichen Darstellungen bestehen, sind unter der Benennung der symbolischen Injurien begriffen.
§. 572. Injurien, die durch schriftliche Aufsätze, durch Druckschriften, durch Gemälde, Kupferstiche, oder andre sinnliche Darstellungen geäußert worden, sind Pasquille, wenn sie der Urheber selbst, oder durch andre, öffentlich aufgestellt, oder verbreitet hat.
§. 573. Ob der Verfasser sich genannt oder seinen Namen verschwiegen habe, macht an sich keinen Unterschied.
§. 574. Eben so wenig verändert es die Natur der strafbaren Handlung, daß der Beleidigte nicht genannt, sondern nur durch individuelle Nebenumstände kennbar gemacht worden.
§. 575. Wenn Schriften, welche den Wissenschaften, Künsten, oder sonst der Belehrung oder dem Vergnügen des Publici gewidmet sind, nebenbey Injurien enthalten: so sind deren Verfasser eben so zu beurtheilen, wie die Parteyen, welche in gerichtlichen Unterhandlungen ihren Gegnern zur Sache nicht gehörige Vorwürfe machen. (§. 553.)
Von schweren und geringen Injurien.
§. 576. Realinjurien und Pasquille sind für grobe oder schwere Injurien zu achten.
§. 577. Bloße symbolische und Verbalinjurien werden, der Regel nach, als leichte oder geringe Injurien angesehen.
§. 578. Sie arten aber in schwere Injurien aus, wenn die boshafte Absicht, die bürgerliche Ehre des Andern zu kränken, klar ist.
§. 579. Desgleichen alsdann, wenn sie in Beschuldigungen solcher Verbrechen bestehen, die, wenn sie gegründet wären, dem Andern die Ahndung der Gesetze, oder die besondere Verachtung seiner Standesgenossen zuziehen würden.
§. 580. Ferner alsdann, wenn sie von Unterthanen gegen ihre Obrigkeit; von Untergebenen gegen ihre Vorgesetzten; von Kindern gegen ihre Aeltern; von Schülern und Lehrlingen gegen ihre Lehrmeister; oder von Dienstboten gegen ihre Herrschaften verübt worden.
§. 581. Auch alsdann, wenn sie in einer öffentlichen Versammlung, oder bey einer feyerlichen Gelegenheit zugefügt sind.
§. 582. Ueberhaupt alsdann, wenn durch die an sich leichte Beleidigung, die Ehre des Beleidigten, wegen gewisser besonderer Umstände, oder individueller Verhältnisse desselben, die dem Beleidiger bekannt gewesen, empfindlich gekränket wird.
§. 583. Auch bloße Unterlassungen können in schwere Injurien ausarten, wenn sich dabey die boshafte Absicht, die Ehre des Andern zu verletzen, unter besonders erschwerenden Umständen geäußert hat.
§. 584. Wer die Ehre eines andern gekränkt hat, ist demselben dafür Genugthuung zu leisten verbunden.
§. 585. Der Ersatz des durch die Beleidigung an seinem Körper, oder äußern Glücksumständen verursachten Schadens, wird nach den im Sachenrechte enthaltenen Grundsätzen bestimmt. (Th. I. Tit. VI. §. 79. sqq.)
Wenn der Vorsatz nicht ausgemittelt ist.
§. 586. Wer der Absicht der Ehrenkränkung nicht überführt ist; aber doch Anlaß gegeben hat, eine dergleichen boshafte Absicht bey ihm vorauszusetzen, ist schuldig, diesen Verdacht durch eine deutliche und förmliche Erklärung zu heben.
§. 587. Wenn auch die Handlung oder Aeußerung an sich nicht beschimpfend, und sogar die Abwesenheit des Vorsatzes, zu beleidigen, klar erwiesen war: so kann dennoch derjenige, dessen Ehre nach der Meinung Andrer dadurch gelitten haben soll, eine ausdrückliche Erklärung, daß seine Ehre durch dergleichen Handlung oder Aeußerung nicht habe gekränkt werden sollen, verlangen.
§. 588. Ob derjenige, welchem eine dergleichen Verletzung der Ehre zugeschrieben wird, auch zur Uebernahme der Prozeßkosten verpflichtet sey, muß darnach beurtheilt werden: in wie fern ihm dabey ein Versehen zur Last falle.
§. 589. Von Personen höhern Standes gegen Niedere können die Ehrenerklärungen schriftlich geschehen.
§. 590. Zwischen Personen gleichen Standes muß die Ehrenerklärung mündlich, in Gegenwart zweyer oder dreyer von dem Kläger dazu ausgewählter Personen, geleistet werden.
§. 591. Auf gerichtliche Leistung ist zu erkennen, wenn der Vorfall, welcher zu dem Streite Anlaß gegeben hatte, sich öffentlich zugetragen hat.
§. 592. Personen niedern Standes müssen gegen Höhere die Erklärung, auf Erfordern, allemal gerichtlich leisten.
§. 593. Die Art und die Ausdrücke, wie die Erklärung geleistet werden solle, muß der Richter in dem Urtel jedesmal bestimmen.
§. 594. Wer die rechtskräftig feststehende Erklärung erkanntermaßen zu leisten sich weigert, muß als ein solcher, der eine wirkliche Injurie vorsätzlich verübt hat, angesehen und behandelt werden.
§. 595. Wer die Ehre eines Andern vorsätzlich angegriffen hat, dem soll sein verübter Unfug von dem Richter, in Gegenwart des Beleidigten oder dessen Bevollmächtigten, feyerlich und nachdrücklich verwiesen; die Ehre des Beleidigten für ungekränkt öffentlich erklärt; und demselben über die Verhandlung, auf Kosten des Beleidigers, eine gerichtliche Ausfertigung ertheilt werden.
§. 596. Ist die Beleidigung öffentlich verübt worden: so muß die Verhandlung bey offenen Thüren der Gerichtsstube erfolgen.
§. 597. Dem Beleidigten steht alsdann frey, zwey oder drey Personen seines Standes als Zeugen mitzubringen.
§. 598. Unterthanen, Dienstboten, Kinder, Lehrlinge, und Untergebene, müssen wegen der ihren Vorgesetzten zugefügten Beleidigungen, nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, den richterlichen Verweis kniend empfangen.
§. 599. Bey Injurien, die durch Pasquille zugefügt worden, muß der richterliche Verweis, auf Verlangen des Beleidigten, und auf Kosten des Beleidigers, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 600. Wenn der Beleidiger zu einer freywilligen Abbitte bereit ist, und sich die darüber zu ertheilende Ausfertigung gefallen läßt: so bedarf es keines richterlichen Verweises.
§. 601. Können die Parteyen über die Art, wie die Abbitte geleistet werden soll, sich nicht vereinigen: so muß der Richter selbige nach eben den Grundsätzen, die bey der Ehrenerklärung vorgeschrieben sind, bestimmen. (§. 589. sqq.)
§. 602. Auch ist in dem Falle des §. 599. dem Beleidigten zu verstatten, daß er die geleistete Abbitte auf gleiche Art, wie wegen des richterlichen Verweises geordnet ist, bekannt mache.
§. 603. Ist der Beleidiger vor geleisteter Privatgenugthuung verstorben: so sind seine Erben nur zum eigentlichen Schadensersatze verpflichtet.
§. 604. Doch muß die Ehre des Beleidigten durch den Richter für ungekränkt erklärt; und dieses, nach Beschaffenheit der Umstände, auf Kosten des Nachlasses des Beleidigers, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 605. Dagegen können die Erben des Beleidigten, wenn dieser vor erhaltener Genugthuung, jedoch nach Insinuation der Klage gestorben ist, verlangen, daß die Genugthuung dem Andenken ihres Erblassers geleistet werde.
§. 606. In so fern die Beleidigung zugleich die Erben trifft, treten die im §. 564-568. enthaltnen Verordnungen ein.
a) der leichten Verbalinjurien;
§. 607. Leichte Injurien unter Personen gleichen Standes (§. 577.) sollen, wenn beyde Theile zum Bauer- oder gemeinen Bürgerstande gehören, mit Strafarbeit oder Gefängniß, auf vier und zwanzig Stunden, bis drey Tage, geahndet werden.
§. 608. Leichte Injurien unter Personen des hohem Bürgerstandes, werden mit Gefängnißstrafe auf acht bis vierzehn Tage belegt.
§. 609. Gehören beyde Theile zum Adel oder Officierstande, oder ist beyden der Charakter Königlicher Räthe beygelegt: so findet auf leichte Injurien Gefängnißstrafe von vierzehn Tagen bis vier Wochen, oder nach Bewandniß der Umstände, Festungsarrest bis auf drey Monathe statt.
§. 610. Leichte Injurien von Personen höhern Standes gegen geringere, müssen mit Geldstrafe von zehn bis dreyßig Thalern, oder verhältnißmäßigem Arreste gebüßt werden.
§. 611. Personen niedern Standes gegen höhere haben, bey zugefügten leichten Injurien, vierzehn Tage bis vier Wochen Strafarbeit, oder Gefängniß verwirkt.
§. 612. Schwere Beleidigungen, die jedoch keine Realinjurien sind, werden unter Leuten gemeinen Standes, mit vier- bis achttägiger Strafarbeit oder Gefängniß geahndet.
§. 613. Eben dergleichen Injurien unter Personen höhern Bürgerstandes, sollen mit Gefängniß auf vierzehn Tage bis vier Wochen bestraft werden.
§. 614. Unter Personen vom Adel- oder Militairstande, oder die den Charakter Königlicher Räthe führen, ziehen dergleichen schwerere Injurien Gefängnißstrafe auf vier bis acht Wochen, und nach Bewand
niß der Umstände Festungsarrest bis auf sechs Monathe nach sich.
§. 615. Sind dergleichen Injurien von Personen nie
dern Standes gegen höhere verübt worden: so findet Gefängnißstrafe auf vier Wochen bis drey Monathe statt.
§. 616. Nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, kann diese Strafe durch Einschränkungen der Kost im Gefängnisse geschärft; oder bis zur Zuchthausstrafe, bis auf sechs Monathe, ausgedehnt werden.
§. 617. Auf eben dergleichen Injurien, die von Personen höhern Standes Geringeren zugefügt worden, folgt Geldstrafe von vierzig bis hundert Thalern: oder nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Beleidigung, Gefängniß- oder Festungsarrest auf Einen bis drey Monathe.
§. 618. Pasquille, welche zwar nicht öffentlich verbreitet, aber doch durch Schuld des Verfassers im Publico bekannt geworden sind, sind als schwere Injurien anzusehen.
§. 619. Pasquille, welche auf Veranstaltung des Pasquillanten schon öffentlich angeschlagen oder verbreitet worden, sollen als der höchste Grad symbolischer Injurien an dem Verfasser bestraft werden.
§. 620. Die Schmähschrift selbst soll der Gerichtsdiener, in Gegenwart des Verfassers, und dreyer von dem Beleidigten gewählten Zeugen, vor dem versammelten Gerichte zerreißen, und mit Füßen treten.
§. 621. Hat der Verfasser sich nicht genannt: so soll das Pasquill, auf Verlangen des Beleidigten, durch den Henker auf öffentlichem Platze verbrannt werden.
§. 622. Drucker und Verleger solcher Schandschriften werden, wenn selbige ohne Censur gedruckt worden, dem Verfasser gleich bestraft.
§. 623. Eben diese Strafe trifft den schuldigen Drucker oder Verleger, wenn die Schrift zwar die Censur passirt ist, die ausgestrichenen Stellen aber wieder aufgenommen, oder neue Injurien eingerückt worden.
§. 624. Kann der Urheber des Pasquills nicht ausgemittelt werden: so wird die Strafe gegen den Drucker und Verleger verdoppelt.
§. 625. Der Censor, welcher den Druck einer Schmähschrift wissentlich gestattet hat, soll mit dem Verfasser gleiche Strafe leiden, und seines Censoramts entsetzt werden.
§. 626. Hat der Censor aus Nachläßigkeit dergleichen Injurien übersehen: so ist diese Verletzung seiner Amtspflicht nach Vorschrift des §. 334. sqq. zu ahnden.
§. 627. Ehrenrührige Zeichnungen, Gemälde und Kupferstiche, welche öffentlich ausgestellt und verbreitet werden, sind als Pasquille anzusehen; und der Besteller wie der Schriftsteller, die Zeichner, Kupferstecher, und Maler aber, nach Beschaffenheit der Umstände, als Mitverbrecher oder Gehülfen zu bestrafen.
§. 628. Jede schimpfliche Behandlung eines Menschen, durch Schlagen, Werfen, Stoßen u. s. w. wird, wenn sie ohne merkliche Beschädigung des Körpers abgelaufen ist, der Regel nach noch einmal so hart, als eine schwere symbolische Injurie, bestraft.
§. 629. Schlägereyen unter gemeinen Leuten, bey welchen niemand erheblich verletzt worden, sind mit Strafarbeit, oder Arrest, auf acht Tage bis vier Wochen, allenfalls halb bey Wasser und Brod, zu ahnden.
§. 630. Bey Realinjurien, welche Unterthanen gegen ihre Obrigkeit, Dienstboten gegen ihre Herrschaft,
Untergebene gegen ihre Vorgesetzten, Kinder gegen ihre Aeltern, und Lehrlinge gegen ihre Lehrmeister verübt haben, tritt auf eben so lange Zeit, als bey Andern, nach obigem Grundsatze (§. 628. 629.), Gefängnißstrafe statt finden würde, Zuchthausstrafe an deren Stelle.
§. 631. Diese Strafe kann nach Bewandniß der Umstände, und Schwere der Injurie, durch körperliche Züchtigung geschärft werden.
§. 632. Realinjurien zwischen Personen vom Adel- und Officierstande werden, wenn sie nur in Stoßen, Werfen, und andern geringern Thätlichkeiten bestehen, mit sechsmonatlicher bis zweijähriger; im Falle der Schläge und anderen groben thätlichen Beschimpfungen aber, mit zwey- bis vierjährigem Festungsarreste bestraft.
§. 633. Ein Edelmann, der sich so weit vergißt, daß er einem Andern von gleichem Stande und Geburt aufpaßt, oder ihm aufpassen läßt, und ihn mit Stock- oder Peitschenschlägen, oder ähnlichen Mißhandlungen beschimpft, soll als einer, der sich schon durch die That selbst aller Standesrechte und Würden verlustig gemacht hat, angesehen, und zu acht- bis zehnjährigem Festungsarreste verurtheilt werden.
§. 634. Von einem solchen Verbrecher kann also der Beleidigte, ohne Verletzung seiner eigenen Ehre, keine Privatgenugthuung fordern; vielmehr ist ersterer sofort zu arretiren, und in das Criminalgefängniß abzuliefern.
§. 635. Hat der Gemißhandelte seinen Gegner durch grobe Verbalinjurien zu der Beleidigung gereizt: so hebt dieses zwar die Strafe des letzern nicht auf;
§. 636. Doch soll auch der, welcher den Andern zu dergleichen Mißhandlungen gereizt hat, nach Vorschrift der Gesetze (§. 609. 614. 618. sqq.) bestraft werden.
§. 637. Sind die bey Realinjurien vorgefallenen Thätlichkeiten so beschaffen, daß sie für lebensgefährlich angesehen werden können: so muß der Thäter, ohne Unterschied des Standes, sofort in Verhaft genommen, und darin so lange behalten werden, bis die Gefahr des Beschädigten vorüber ist.
§. 638. Wird der Beschädigte völlig wieder hergestellt: so hat der Thäter Festungs- oder Zuchthausstrafe auf zwey bis drey Jahre verwirkt.
§. 639. Erfolgt eine Verstümmelung oder Verunstaltung des Beschädigten: so muß der Thäter vier- bis sechsjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe leiden.
§. 640. Stirbt der Beschädige an der empfangenen Verletzung: so wird der Thäter als ein Todtschläger bestraft.
§. 641. Wenn der Injuriant nach erlittner Strafe sich der angethanen Beschimpfung rühmt: so findet Wiederholung eben dieser Strafe statt.
§. 642. Wegen Wiederholung derselben Injurie soll die vorher erlittene Strafe verdoppelt werden.
Von Injurien zwischen Militair- und Civilpersonen.
§. 643. Wenn Injurien zwischen Militair- und Civilpersonen vorfallen: so wird die Strafe gegen den Schuldigen verdoppelt.
§. 644. Sind solchenfalls Real- oder schwere Verbal- und symbolische Injurien verübt worden: so soll an die Stelle des Gefängnisses Festungs- oder Zuchthausstrafe treten.
§. 645. Gehört der Beleidiger zum Militairstande: so soll, nach Beschaffenheit der Umstände, und der beleidigten Personen, und mit Rücksicht auf den Rang des zu Bestrafenden, auf Gefängniß, Degradation, Gassenlaufen, Festungsarbeit, oder Festungsarrest erkannt werden.
§. 646. Die nach §. 643. 644. verwirkte Strafe der Injurien wird verdoppelt, wenn sie einer im Dienste begriffenen Militairperson zugefügt worden.
§. 647. Ist damit eine thätliche Widersetzung gegen die Wache verbunden gewesen: so soll wider den Verbrecher, außer der nach §. 646. verwirkten, auch nach Beschaffenheit der Umstände die §. 158. oder §. 167- 173. verordnete Strafe verhängt werden.
§. 648. Wenn Militairpersonen sich den Wachen widersetzen: so werden sie nach näherer Bestimmung der Kriegsartikel bestraft.
Wann der Richter von Amts wegen zu verfahren habe,
§. 649. Leichte Verbal- und symbolische Injurien ist der Richter von Amts wegen zu rügen, nicht schuldig.
§. 650. Auch schwere Injurien dieser Art dürfen nur alsdann von Amts wegen gerügt und bestraft werden, wenn sie an einem öffentlichen Orte, oder bey einer feyerlichen Gelegenheit vorgefallen sind.
§. 651. Ein Gleiches gilt von geringen Realinjurien §. 649. 650. welche unter Leuten vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande verübt worden.
§. 652. Auch bedarf es des richterlichen Amtes nicht, wenn dergleichen geringe Realinjurien zwischen Eheleuten, Aeltern und Kindern, Lehrern und Schülern, Dienstherrschaften und Gesinde vorgefallen sind.
§. 653. Andre Realinjurien hingegen muß der Richter von Amtswegen untersuchen und bestrafen.
§. 654. Einem jeden, der zum höhern Bürger- oder zum Adel- oder Militairstande gehört, steht frey, wenn er keine Injurienklage anstellen will, die ihm von einem andern widerfahrne Ehrenkränkung nebst den Beweismitteln über die Thatsache, dem Richter bloß zur Untersuchung anzuzeigen.
§. 655. Der Richter muß alsdann, wenn er die Sache dazu angethan findet, die Untersuchung von Amts wegen verfügen, und über die Strafe des Beleidigers erkennen.
§. 656. Der Beleidigte hingegen, welcher nicht selbst hat klagen wollen, kann keine Privatgenugthuung fordern.
§. 657. In allen Fällen, wo der Richter von Amts wegen verfahren muß, wird die Strafe des Beleidigers dadurch, daß der Beleidigte sich der Privatgenugthuung begeben hat, nicht aufgehoben.
§. 658. Hingegen kann für die einmal ausdrücklich oder stillschweigend erlassene Beleidigung, keine Privatgenugthuung mehr gefordert werden.
§. 659. Die Privatgenugthuung ist nur alsdann für stillschweigend erlassen anzusehen, wenn der Beleidigte die Injurie, ungeachtet sie und deren Urheber ihm bekannt gewesen, innerhalb dreyer Monathe nicht gerügt hat.
§. 660. Dochist auch alsdann das Recht des Beleidigten zum eigentlichen Schadensersatze noch nicht erloschen.
Von Compensation und Retorsion der Injurien.
§. 661. Wenn Injurien, die noch nicht erloschen waren, erwiedert worden: so kann keiner von beyden Theilen Privatgenugthuung fordern.
§. 662. Wenn jedoch Realinjurien durch bloße Verbal- oder symbolische Injurien auf der Stelle erwiedert werden: so geht durch diese Erwiederung das Recht, Privatgenugthuung zu fordern, nicht verloren.
§. 663. Die Strafe gegenseitiger Injurien wird durch die Erwiederung niemals aufgehoben.
§. 664. Doch soll für den, welcher durch eine ihm zugefügte Injurie selbige sogleich zu erwiedern gereizt worden, eine Minderung der an sich nach den Gesetzen verwirkten Strafe statt finden.
§. 665. Jede Erwiederung, die erst nach einem Zeitverlaufe geschehen ist, wirkt für den Erwiedernden keine Entschuldigung.
§. 666. Ueberhaupt darf niemand sich für vermeintlich erlittene Beleidigungen eigenmächtig Genugthuung nehmen.
Von Duellen überhaupt. Strafen.
§. 667. Insonderheit sollen diejenigen, welche dergleichen Genugthuung durch Privatzweykampf selbst zu suchen sich unterfangen, dafür mit der schärfsten Strafe belegt werden.
§. 668. Wer also einen Andern zum Zweykampfe fordert, hat nach Verhältniß des dazu erhaltenen größern oder geringern Reizes, eine drey- bis sechsjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 669. Wer die Ausforderung annimmt, und durch sein Betragen seine Bereitwilligkeit zum Zweykampfe zu erkennen giebt, soll nach Verhältniß der ihm zu statten kommenden größern oder geringern Entschuldigungsgründen, ein- bis dreyjährige Festungsstrafe leiden.
§. 670. Durch die Ausforderung, oder die Annahme derselben, gehen zwar die Parteyen des Rechts, Privatgenugthuung zu fordern, verlustig; sie haben aber, außer der durch den unternommenen Zweykampf verwirkten Ahndung, auch noch die Strafe der Injurien zu erwarten.
§. 671. Ist der Zweykampf vor sich gegangen, und ein Theil dabey getödtet worden: so soll der UeberIebende nach Beschaffenheit seines Vorsatzes, mit der Todesstrafe der Mörder oder Todschläger belegt werden.
§. 672. Ist niemand getödtet worden, so werden beyde Theile ihres Adels, und der Ehrenstellen, welche sie bekleiden, verlustig; und noch außerdem, nach Bewandniß der Umstände, mit zehnjähriger bis lebenswieriger Festungsstrafe belegt.
§. 673. Wer sich der Strafe des Privatduells durch die Flucht entzieht, dessen Vermögen soll, in so fern er dergleichen innerhalb Landes besitzt, so lange er lebt, in Beschlag genommen, ihm selbst davon nicht das geringste verabfolgt; allemal aber sein Bildniß an einen öffentlichen Schandpfahl geschlagen werden.
§. 674. Wer bey einem vorfallenden Wortwechsel zum tödtlichen Gewehre greift, soll, wenn auch noch kein Schade geschehen ist, Festungsarrest von sechs Monathen bis zu Einem Jahre leiden.
§. 675. Auch schon derjenige, welcher bloß drohet, einen Andern zum Duelle nöthigen, oder auf eine schimpfliche Art beleidigen zu wollen, soll, als ein Friedenstöhrer, mit ein- bis zweijähriger Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 676. Wer einen Andern anreizt, seine vermeintliche Genugthuung durch einen Zweykampf zu suchen; so wie derjenige, welcher sich zur Begünstigung eines Duells, als Secundant oder Cartellträger, wissentlich brauchen läßt, hat, wenn jemand getödtet worden, zehnjährige; sonst aber fünfjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 677. Wer wegen einer durch Vergleich oder Erkenntniß beygelegten Ehrensache, den Parteyen Vorwürfe macht, oder Verachtung zu erkennen giebt, wird als ein Verhetzer mit ein- bis fünfjähriger Festungsstrafe belegt; und außerdem seiner etwanigen Ehrenstellen verlustig.
Verordnungen, welche sich auf den Ort des Duells und die Qualität der Duellanten beziehen.
§. 678. Wenn Inländer sich zu einem außer Landes zu haltenden Zweykampfe bestellen: so wird derselbe, ob er schon auswärts vorgefallen ist, dennoch gleich einem innerhalb Landes vollzogenen Duelle geahndet.
§. 679. Hat eine in den Königlichen Landen sich aufhaltende Person einem Ausländer eine Ausforderung zum Zweykampfe zugeschickt, oder eine dergleichen Ausforderung von ihm innerhalb Landes angenommen: so wird er wegen der Ausforderung, oder deren Annahme, nach den Landesgesetzen §. 668. sqq. bestraft.
§. 680. Hat der Inländer, zufolge einer solchen Bestellung, (§. 679.) mit einem fremden auswärts wohnenden Unterthanen den Zweykampf außerhalb Landes vollzogen: so findet zwar die Strafe der Duelle, jedoch nur unter der Einschränkung des §. 15. statt.
§. 681. Mit gleicher Einschränkung soll die Strafe der Duelle eintreten, wenn ein Inländer, wegen eines auswärts verabredeten und gehaltenen Duells, auf Ansuchen der Obrigkeit des Orts, wo selbiges vorgefallen ist, bestraft werden soll.
§. 682. Auch Ausländer, welche innerhalb Landes sich zu einem Zweykampfe herausfordern, verfallen in die durch die Landesgesetze auf den Zweykampf verordneten Strafen.
§. 683. Ist von Ausländern ein auswärts verabredeter Zweykampf innerhalb Landes gehalten worden: so sollen sie in Verhaft genommen, und ihrer Landesobrigkeit, auf deren Verlangen, ausgeliefert werden.
§. 684. Haben sich Inländer bey einem solchen Zweykampfe als Secundanten oder Cartelträger brauchen lassen: so haben sie die in den Landesgesetzen §. 676. verordnete Strafe verwirkt.
§. 685. In allen Fällen, danach obigen Vorschriften, die Landesgesetze gegen die Duelle auf einen von Inländern außerhalb Landes, oder von Ausländern im Lande gehaltenen Zweykampf nicht Anwendung finden, sollen dennoch, wenn dabey jemand verwundet, oder gar getödtet worden, der Thäter nach den Vorschriften des Eilften Abschnitts von körperlichen Verletzungen, so wie die Secundanten der Cartelträger als Theilnehmer an diesem Verbrechen, bestraft werden.
§. 686. Wenn Militairpersonen einander beleidigen, oder zum Zweykampfe fordern: so finden die darüber ergangenen besondern Verordnungen statt.
§. 687. Wenn eine Civilperson von einer Militairperson zum Zweykampfe genöthigt worden: so soll über das Vergehen, der letzern zuerst erkannt, und nach Maaßgabe dieses Straferkenntnisses, auch die Strafe der Civilperson verhältnißmäßig bestimmt werden.
§. 688. Dagegen finden die obigen über den Zweykampf überhaupt ergangenen Verordnungen wider eine Civilperson, welche eine Militairperson herausfordert, oder sonst zum Duelle nöthigt, nach ihrem ganzen Umfange Anwendung.
§. 689. Wenn Personen, die weder zum Adel- noch Officierstande gehören, jemanden mit Seiten- oder Schießgewehr angreifen; oder ihren Gegner zum Zweykampfe fordern: oder Ausforderungen annehmen: so soll dergleichen Unternehmen als ein Versuch zum Morde angesehen und bestraft werden.
§. 690. Wenn sich dergleichen Leute auf den Stock, oder andere minder gefährliche Instrumente herausfordern, oder schlagen: so sollen dieselben mit der doppelten Strafe der Realinjurien belegt werden.
Eilfter Abschnitt. Von körperlichen Verletzungen
§. 691. Ein jeder ist schuldig, sein Betragen so einzurichten, daß er weder durch Handlungen, noch Unterlassungen, Andrer Leben oder Gesundheit in Gefahr setze.
§. 692. Alles dasjenige, woraus dergleichen erhebliche Gefahr entstehen kann, soll durch ernstliche Polizeyverbothe, und verhältnißmäßige Strafen, möglichst verhütet werden.
1) bey dem Verkaufe des Pulvers der Gifte und Medicamente;
§. 693. Niemand soll Schießpulver, Gifte, Arzeneyen, und andre Materialien, deren Bearbeitung, Aufbewahrung, und rechter Gebrauch, besondre Kentnisse voraussetzt, ohne ausdrückliche Erlaubniß des Staats zubereiten, verkaufen, oder sonst an Andre überlassen.
§. 694. Wer dieses dennoch thut, dem soll, wenn auch kein Schade dadurch veranlaßt worden, sein Vorrath confiscirt; und er, nach Verhältniß der entstandenen Gefahr, und des gesuchten oder wirklich gezognen Gewinns, in eine Geldstrafe von zwanzig bis hundert Thalern verurtheilt werden.
§. 695. Apotheker, und alle diejenigen, denen die Zubereitung und der Verkauf der Gifte oder Arzeneyen erlaubt ist, sollen dabey mit Vorsicht und Sorgfalt zu Werke gehn; damit durch einen unrechten oder unmäßigen Gebrauch, niemand an seinem Leben oder seiner Gesundheit beschädigt werde.
§. 696. Sie sollen keine Arzeneymittel, (die in der Medicinalordnung benannten Arten allein ausgenommen,) ohne die Vorschrift eines vom Staate genehmigten Arztes zubereiten, oder verabfolgen.
§. 697. Insonderheit sollen sie gefährliche Arzeneymittel und Gifte nur denjenigen Personen einhändigen, welche zu deren Empfang durch den Schein eines solchen Arztes (§. 696.) die Befugniß erhalten haben.
§. 698. An hinlänglich bekannte und unverdächtige Personen, kann zwar zu einem von ihne (=ihnen) angezeigten rechtmäßigen Gebrauche Gift, auch ohne solchen Schein, verabfolgt werden.
§. 699. Es müssen aber dergleichen Personen das Gift entweder selbst abholen; oder der Apotheker muß ihnen dasselbe durch seine Leute, wohl verschlossen und verwahrt, in ihre Hände überliefern.
§. 700. a) Wer nicht am Orte gegenwärtig ist, muß, bey eigner Verantwortung, sichere Personen zur Abholung solcher gefährlichen Sachen wählen, und schriftlich dazu bevollmächtigen; diese aber müssen von dem Apotheker, wegen deren unschädlichen Fortbringung, die nöthige Anweisung erhalten.
§. 700. b) Schießpulver muß ebenfalls nur an unverdächtige Personen, denen man es zutrauen kann, daß sie damit umzugehen wissen, überlassen, und es muß dabey von denjenigen, welche damit handeln, die Vorschrift §. 699. 700. a) ebenfalls beobachtet werden.
§. 701. Wer den obstehenden Vorschriften (§. 695. sqq.) zuwiderhandelt, soll nach Maaßgabe des Grades seiner Fahrläßigkeit, und der daraus entstandenen Gefahr, mit Geldstrafe von zehn bis fünfzig Thalern belegt; und nach Bewandniß der Umstände, besonders im Wiederholungsfalle, seines Privilegii verlustig erklärt werden.
2) bey innern und äußerlichen Curen.
§. 702. Niemand soll, ohne vorher erhaltene Erlaubniß des Staats, aus der Cur der Wunden oder innerlichen Krankheiten, bey willkührlicher Geld- oder Gefängnißstrafe, ein Gewerbe machen.
§. 703. Bey gleicher Strafe sollen Apotheker und Wundärzte sich aller innern Curen enthalten, in so fern ihnen selbige nicht ausdrücklich verstattet worden.
§. 704. Augen- und Zahnärzte, Stein- und Bruchschneider sollen sich nicht unterfangen, ihr Gewerbe zu treiben, ehe sie die Erlaubniß der Behörde dazu, nach vorhergegangener Prüfung ihrer Geschicklichkeit, und ihres Verfahrens, erhalten haben.
§. 705. Geschieht es dennoch: so haben sie, bloß dadurch, fünf bis zehn Thaler Geld- oder acht- bis vierzehntägige Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 706. Zahn- und Augenärzte, Bruch- und Steinschneider, Quacksalber, Wurzel- und Olitätenkrämer, Hebammen, Hirten, Schäfer, Scharfrichter, und alle andere, die aus innern oder äußern Curen, ohne Erlaubniß der Obrigkeit, oder ohne Zuziehung und Genehmigung eines approbirten Arztes, ein Gewerbe machen, sollen, nach Bewandniß der Umstände, und nach der mehrern oder mindern Gefährlichkeit der gebrauchten Mittel, mit Gef ängniß auf Vierzehn Tage bis sechs Wochen bestraft werden.
§. 707. Haben sie dergleichen unerlaubtes Gewerbe aus Gewinnsucht getrieben: so sind sie, als Betrüger, mit Zuchthausstrafe auf drey bis sechs Monathe zu belegen.
§. 708. Wenn solche Winkelärzte Ausländer sind: so sollen sie, nach ausgestandener Strafe, über die Gränze gebracht; und wenn sie gleichwohl zur Treibung ihres verbotenen Handwerks zurückkehren, ohne weitere Umstände als Landstreicher behandelt werden (§. 191. sqq.)
§. 709. Gegen Inländer ist, im Wiederholungsfalle, die Strafe zu verdoppeln; und sie sind sodann, nach Bewandniß der Umstände, aus dem Orte, oder der Provinz, wo sie ihr verbotenes Handwerk ausgeübt haben, zu verweisen.
§. 710. Niemand soll, ohne vorhergegangene Prüfung und Genehmigung des Staats, die Geburtshülfe als ein Gewerbe zu treiben sich unterfangen.
§. 711. Die es thun, sollen mit achttägiger bis vierwöchentlicher Gefängnißstrafe belegt, und wenn sie sich dadurch nicht warnen lassen, aus ihrem bisherigen Aufenthaltsorte verwiesen werden.
§. 712. Wenn bey einer Geburt schwere oder ungewöhnliche Umstände sich ereignen: so ist die Hebamme schuldig, einen approbirten Arzt, in so fern ein solcher erlangt werden kann, herbeyrufen zu lassen.
§. 713. Ein Gleiches muß geschehen, wenn in der Geburt die Mutter oder das Kind das Leben einbüßen.
§. 714. In solchem Falle müssen die Prediger und Küster, wenn sie von dem sträflichen Betragen der Hebamme Nachricht erhalten, der Obrigkeit davon Anzeige machen.
§. 715. Die bloße Unterlassung der Anzeige in vorstehenden Fällen (§. 712-714.) soll mit willkürlicher Geld- oder Gefängnißstrafe geahndet werden.
§. 716. Wenn Leibesfrüchte, die gar keine menschliche Gestalt zu haben scheinen, lebendig zur Welt kommen: so sollen dennoch weder die Aeltern, noch die Hebamme, dergleichen Geburt eigenmächtig fortzuschaffen sich unterfangen. (Th. I. Tit. I. §. 17. 18.)
§. 717. Vielmehr muß letztere den Vorfall sofort der Obrigkeit anzeigen; welche denselben mit Z ziehung sachverständiger Personen genau untersuchen, und an die obere Instanz, zur weitern Verfügung, berichten muß.
§. 718. Aeltern und Hebammen, welche, diesem zuwider, dergleichen Mißgeburt eigenmächtig fortschaffen, sollen, nach Beschaffenheit der Umstände, mit Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von vierzehn Tagen bis zu drey Monathen belegt werden.
§. 719. Wer eine Leibesfrucht vorsätzlich tödtet, hat, wenn es eine offenbare Mißgeburt war, Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von sechs Wochen bis zu sechs Monathen, sonst aber die Strafe der Mörder verwirkt.
§. 720. Eine Hebamme, die ohne dringende Abhaltung jemanden ihre Hülfe versagt, soll, auch wenn kein Schade erfolgt ist, willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe leiden.
§. 721. Hat sie sich dergleichen Undienstfertigheiten zur Gewohnheit gemacht: so soll ihr die Treibung ihres Gewerbes gänzlich untersagt und eine andere an ihrer Statt bestellt werden.
4) bey Nahrungsmitteln und Getränken;
§. 722. Niemand soll Nahrungsmittel oder Getränke, die nach ihrer Beschaffenheit der Gesundheit nachtheilig sind, bey Vermeidung nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe, wissentlieh verkaufen, oder Andern zu ihrem Gebrauche mittheilen.
§. 723. Wer dergleichen Lebensmittel auf eine der Gesundheit nachtheilige Weise verfälscht; mit schädlichen Materialien vermischt; besonders aber sich der Bleymittel bey Getränken bedient, soll nach Bewandniß der Umstände, und der daraus für die Gesundheit entstandenen Gefahr, mit ein- bis dreyjähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 724. Außer der Strafe werden diejenigen, welche sich des wissentlichen Verkaufs verdorbener oder mit schädlichen Zusätzen vermischter Nahrungsmittel schuldig machen, des Rechts, das gemißbrauchte Gewerbe ferner zu treiben, auf immer verlustig.
§. 725. Der befundene Vorrath solcher Nahrungsmittel soll, wenn er keiner Verbesserung fähig ist, sofort vernichtet; sonst aber eingezogen, auf Kosten des Uebertreters in tauglichen Stand gesetzt, und zum Besten der Armen verwendet werden.
5) bey den Kleidungen, Federn und Betten;
§. 726. Betten, Kleider, und andere Sachen, welche Personen, die an pestartigen Krankheiten gestorben sind, an ihrem Leibe oder sonst zu ihrem gewöhnlichen Gebrauche gehabt haben, müssen bey willkührlicher Leibes- oder Geldstrafe, sofort verbrannt werden.
§. 727. a) Ist der Kranke an einer andern ansteckenden Krankheit gestorben: so ist der Gebrauch oder Verkauf solcher Kleider und Sachen nur alsdann erlaubt, wenn ein approbirter Arzt auf seine Pflicht bezeugt, daß denselben, durch Anwendung der erforderlichen Mittel, die Gefahr der Ansteckung benommen worden.
§. 727. b) Wer das Gewicht der Bettfedern durch Bleyweis vermehrt, hat die §. 723-725. bestimmte Strafe verwirkt.
§. 728. Niemand soll sich kupferner nicht überzinnter Gefäße zur Zubereitung der Speisen bedienen.
§. 729. Kupferschmiede und alle Andere, welche dergleichen nicht tüchtig überzinntes Geschirr verkaufen, sollen mit Confiscation ihres Vorraths, und einer Geldbuße von zehn bis zwanzig Thalern bestraft; im Wiederholungsfalle aber ihres Meisterrechts verlustig erklärt werden.
§. 730. Gleiche Strafe trifft diejenigen Professionisten, welche zum Ueberzinnen kupferner Küchengeschirre einen Zusatz von Bley gebrauchen.
§. 731. Der unvorsichtige Gebrauch der Kohlen in verschlossenen Gemächern, wo der Dampf den darin befindlichen Personen gefährlich werden könnte, ist, wenn auch noch kein Schade geschehen wäre, mit drey bis zehn Thaler Geld- oder willkührlicher Gefängnißstrafe zu ahnden.
7) wegen der öffentlichen Reinlichkeit.
§. 732. Die Obrigkeit jedes Ortes muß bey eigener Vertretung darauf sehen, daß die zu Unterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit an den Häusern, und auf den Straßen, gegebenen Polizeyverordnungen,
von einem jeden, ohne Unterschied des Standes, bey willkührlicher Geld- oder Gefängnißstrafe genau befolgt werden.
8) wegen des Betragens gegen Schwangere, und ungeborne Kinder;
§. 733. Niemand soll gegen eine Person, deren Schwangerschaft sichtbar, oder ihm bekannt ist, oder auch wissentlich in deren Gegenwart, Handlungen vornehmen, wodurch heftige Gemüthsbewegungen erregt zu werden pflegen.
§. 734. Ist dergleichen Handlung an sich schon strafbar: so findet in einem solchen Falle Schärfung der Strafe statt.
§. 735. Ist auf die Handlung an sich keine Strafe verordnet: so soll, je nachdem sie aus Vorsatz, Muthwillen, oder grober Unvorsichtigkeit begangen worden, willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe, oder körperliche Züchtigung verhängt werden.
§. 736. Auch diejenigen, denen sonst das Recht der mäßigen Züchtigung zukommt, dürfen sich dessen gegen dergleichen schwangere Personen, bey willkührlicher Gefängniß- oder Geldstrafe, so lange die Schwangerschaft dauert, nicht bedienen.
§. 737. Personen, die während ihrer Schwangerschaft und vor der Entbindung gestorben sind, dürfen nicht eher beerdigt werden, als bis wegen Rettung des in Mutterleibe befindlichen Kindes, die erforderlichen Anstalten mit der nöthigen Vorsicht getroffen worden.
§. 738. Mütter und Ammen sollen Kinder unter zwey Jahren bey Nachtzeit nicht in ihre Betten nehmen, und bey sich oder andern schlafen lassen.
§. 739. Die solches thun, haben nach Bewandniß der Umstände, und der dabey obwaltenden Gefahr, Gefängnißstrafe, oder körperliche Züchtigung verwirkt.
§. 740. Niemand soll, ohne wahrscheinliche Gefahr eines nächtlichen Ueberfalls, geladenes Gewehr in seinem Hause verwahren; noch weniger selbiges an Orte hinstellen, oder aufhängen, wo Kinder oder andre unerfahrne Leute dazu kommen können.
§. 741. Auch Reisende, oder Jäger, welche geladenes Gewehr bey sich führen, müssen, wenn sie in ein Haus treten, oder irgendwo unter Leuten sich aufhalten, dasselbe beständig in ihrer unmittelbaren Obsicht haben, oder es des Schusses entledigen.
§. 742. Gastwirthe, bey welchen dergleichen Personen einkehren, müssen darauf sehen, daß entweder eins oder das andre geschehe; oder sie müssen das Gewehr dergestalt in eigne sichere Verwahrung nehmen, daß dadurch kein Schade entstehen kann.
§. 743. Wer diesen Vorschriften (§. 740-742.) zuwider handelt, soll allemal mit Arrest auf acht bis vierzehn Tage, oder mit fünf bis zehn Thaler Geldstrafe belegt werden.
§. 744. Wird mit solchem Gewehre, und durch den unvorsichtigen Gebrauch desselben, jemand am Leben, Leibe, oder Vermögen beschädigt: so hat nicht nur der, welcher es führt, sondern auch der Haus- oder Gastwirth, welcher seine Pflicht nicht beobachtet hat, Gefängniß- oder Festungsstrafe, auf vier Wochen bis zu sechs Monathen verwirkt.
§. 745. Wer in bewohnten, oder gewöhnlich von Menschen besuchten Orten, sich des Schießgewehrs, der Windbüchsen, oder Armbrüste bedient, oder Feuerwerke ohne besondere Erlaubniß der Obrigkeit abbrennt, soll, wenn auch kein Schade geschehen ist, in eine Strafe von fünf bis fünfzig Thalern genommen werden.
11) Wegen des Tragens heimlicher Waffen;
§. 746. Niemand soll Stilets und dreykantige, oder sogenannte Schilfklingen führen.
§. 747. Gemeinen Leuten ist, in Stöcken oder auf andre Art verborgenes Gewehr zu führen, nicht erlaubt.
§. 748. Die bloße Führung solcher verbotenen Waffen soll mit Confiscation derselben, und fünf bis zwanzig Thaler Geldstrafe geahndet werden.
12) Wegen des Haltens wilder Thiere;
§. 749. Ohne besondre Erlaubniß der Obrigkeit darf niemand wilde, oder andre von Natur schädliche Thiere halten.
§. 750. Die Obrigkeit muß die Erlaubniß bey eigner Vertretung nicht ertheilen, wenn sie sich nicht zuvor überzeugt hat, daß hinlänglich sichere Maaßregeln zur Verhütung alles besorglichen Schadens genommen worden.
§. 751. Wer ohne Erlaubniß der Obrigkeit schädliche Thiere hält, muß selbige sofort wegschaffen, und außerdem zwanzig bis fünfzig Thaler Geldstrafe entrichten.
§. 752. Eine gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher die obrigkeitliche Erlaubniß zwar erhalten, nachher aber die gehörigen Maaßregeln zur Verhütung alles Schadens vernachläßigt hat.
§. 753. Eben so wird der Eigenthümer eines sonst zahmen Thieres bestraft, wenn dasselbe besondre schädliche Eigenschaften hat, und er, sobald dieses zu seiner Kenntniß gelangt, zur Verhütung des zu besorgenden Schadens nicht hinlängliche Maaßregeln trifft.
§. 754. Auch die wegen Vorbeugung der Tollheit bey den Hunden vorgeschriebene Polizeygesetze, ist ein jeder, bey Vermeidung der darin bestimmten Geld- oder Leibesstrafen, genau zu beobachten verpflichtet.
§. 755. Das Aufhetzen der Hunde gegen Menschen soll, wenn auch kein Schade daraus entstanden ist, mit willkührlicher Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
13) wegen des Reitens und Fahrern;
§. 756. Auf Straßen, Brücken, und öffentlichen Plätzen; so wie in allen bewohnten von Menschen zahlreich besuchten Gegenden, muß ein jeder des schnellen Reitens und Fahrens sich enthalten.
§. 757. Die Uebertretung dessen soll mit fünf bis zehn Thalern Geldbuße, oder mit verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe geahndet werden.
§. 758. Sind Fehler des Pferdes an der Uebertretung Schuld: so bleibt der Reiter oder Fahrende von der Strafe nur alsdann frey, wenn er den Fehler vorher nicht gewußt hat.
§. 759. Dagegen trifft die Strafe den Eigenthümer des Pferdes, welcher den andern wegen des Fehlers nicht in Zeiten gewarnt hat.
§. 760. Die §. 757. verordnete Strafe hat auch derjenige verwirkt, welcher Pferde, ohne die gehörige Aufsicht, auf öffentlichen Plätzen, Straßen, oder sonst im Freyen, wo sie durch ihr Ausreißen, Beißen, Stoßen, oder Schlagen, Schaden anrichten können, stehen läßt.
§. 761. Bey gleicher Strafe soll sich niemand unterfangen, innerhalb der Stadt Pferde einzufahren, oder sich zu Nachtzeit der Schlitten ohne Schellengeläute zu bedienen.
14) wegen aufgehängter oder aufgestellter Sachen;
§. 762. Niemand soll in Gegenden, die zum Ab- und Zugange des Publici bestimmt sind, vor seinen Fenstern, oder an seinem Hause, etwas ohne gehörige Befestigung aufstellen, oder aufhängen, durch dessen Herabsturz jemand beschädigt werden könnte.
§. 763. Der Uebertreter muß das Aufgestellte oder Aufgehängte sofort wegzuschaffen angehalten, und außerden um fünf Thaler bestraft werden. (Th. I. Tit. Vm. §. 74. sqq.)
§. 764. Gleiche Strafe hat derjenige verwirkt, welcher Sachen, die den Vorübergehenden schädlich werden könnten, aus dem Hause oder aus den Fenstern wirft.
15) bey Bauen und Reparaturen;
§. 765. Jeder Eigenthümer ist schuldig, seine Gebäude dergestalt in baulichem Stande zu unterhalten, daß durch deren Einsturz oder Abfall, den Einwohnern, oder Vorübergehenden kein Schade widerfahre.
§. 766. Wer dies unterläßt, den soll die Obrigkeit durch Zwangsmittel dazu anhalten, und seine Nachläßigkeit mit zehn bis dreyßig Thaler Geld- oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe ahnden.
§. 767. Ist der Eigenthümer zu solchen Reparaturen unvermögend: so muß die Obrigkeit dafür, bey eigner Vertretung, von Amts wegen so weit sorgen, als es nöthig ist, um die dem Publico drohende Gefahr abzuwenden. (Th. I. Tit. VIII. §. 40. sqq.)
§. 768. Baumeister, die bey einem Baue oder einer Reparatur, oder bey der Auswahl der Materialien dazu, wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt gehandelt haben, daß daraus eine Gefahr für die Einwohner oder das Publicum entsteht, sollen den Fehler auf eigne Kosten zu verbessern angehalten werden.
§. 769. Verfallen sie zum zweytenmale in dergleichen Fehler: so ist ihnen außerdem die fernere Treibung ihres Gewerbes, bey ein- bis zweyjähriger Gefängnißstrafe, zu untersagen.
§. 770. Der Vorwand, daß der Bauherr die fehlerhafte Führung des Baues, oder den Gebrauch der untauglichen Materialien selbst verlangt, oder genehmigt habe, soll dem Baumeister niemals zu statten kommen.
§. 771. Wenn jemand die ihm obliegende Unterhaltung öffentlicher Gebäude, Wege, Brücken u. s. w. vernachläßigt, und die an ihn ergangene Aufforderung fruchtlos gewesen ist: so soll die Obrigkeit die nöthigen Reparaturen von Amts wegen veranstalten; die Kosten aber von ihm durch Execution bey treiben lassen.
§. 772. Außerdem hat derselbe eine Geldbuße von fünf bis dreyßig Thalern, oder verhältnißmäßige Leibesstrafe verwirkt.
§. 773. Bey allen Bauen und Reparaturen müssen die unmittelbaren Aufseher die erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit nicht durch das Herabfallen der Materialien, den Einsturz der Gerüste, oder auf andere Art, jemand beschädigt werde.
§. 774. Dergleichen Bauplätze sind mit Stangen dergestalt einzufassen, daß besonders Kinder und Thiere, von Betretung solcher gefährlichen Stellen zurückgehalten werden.
§. 775. Die Unterlassung dieser Vorschrift ist an den nachläßigen Aufsehern mit nachdrücklicher Gefängniß- oder Geldstrafe zu ahnden.
§. 776. Die Uebertretungen der Polizeygesetze ziehen die dabey verordneten Strafen auch alsdann nach sich, wenn dadurch noch kein wirklicher Schade entstanden ist.
Von Verletzungen aus Fahrläßigkeit.
§. 777. Ist aber durch die Uebertretung jemand an seiner Gesundheit oder an seinem Leben wirklich verletzt worden: so wird der Uebertreter noch ausserdem als einer, der den Schaden aus grober Fahrläßigkeit zugefügt hat, angesehen.
§. 778. Nach dem Grade dieser Fahrläßigkeit; nach Bewandniß des mehr oder minder erheblichen Schadens; und je nachdem der Beschädigte völlig in den vorigen Stand wieder hergestellt werden kann, oder nicht, soll gegen den Beschädiger Gefängniß- oder Festungsstrafe auf Einen Monath bis zwey Jahre statt finden.
§. 779. Ist die schwere Beschädigung eines Menschen durch grobe Vernachläßigung gewisser besonderer Amts- oder Berufspflichten veranlaßt worden: so soll der Uebertreter, noch außer der nach vorstehender Verordnung ihn treffenden Strafe, zu einem solchen Amte oder Gewerbe auf immer für unfähig erklärt werden.
§. 780. Auch derjenige, welcher zwar ohne Uebertretung ausdrücklicher Gesetze oder besonderer Vorschriften, aber doch durch grobe Vernachläßigung der allgemeinen nach §. 691. einem jeden obliegenden Vorsicht, jemanden am Leibe oder Leben beschädigt, hat allemal verhältnißmäßige Leibesstrafe verwirkt.
§. 781. Diese Strafe soll nach dem Stande und Alter des Uebertreters; nach Verhältniß des Grades der Fahrläßigkeit selbst; der Erheblichkeit des Schadens; und der erfolgenden oder nicht erfolgenden Wiederherstellung des Beschädigten, auf körperliche Züchtigung, oder auf Gefängnißstrafe von vierzehn Tagen bis zu Einem Jahre bestimmt werden.
§. 782. Wer ohne eigne erhebliche Gefahr, einen Menschen aus der Hand der Räuber oder Mörder, aus Wasser- und Feuersnoth, oder aus einer andern drohenden Lebensgefahr retten könnte; und es unterläßt: soll, wenn der andre wirklich das Leben einbüßt, vierzehntägige Gefängnißstrafe leiden.
§. 783. Außerdem soll seine Lieblosigkeit, und deren erfolgte Bestrafung, zu seiner Beschämung und andern zur Warnung, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 784. Dagegen soll der Edelmuth desjenigen, welcher einem seiner Nebenmenschen das Leben gerettet hat, namentlich und öffentlich bekannt gemacht, auch sonst nach Befinden belohnt werden.
§. 785. Wer einen Scheintodten antrifft, muß, bey Vermeidung der §. 782. angedroheten Strafe, ihm schleunige Hülfe leisten, und hat dafür vom Staate Vergütung der Auslagen, und die in den Polizeygesetzen bestimmte Belohnung zu erwarten.
§. 786. Begehrt er diese Belohnung nicht: so soll die dazu bestimmte Geldsumme, uach seiner Anweisung, unter die Armen vertheilt, und ihm für seine edle Bemühung nach Vorschrift des §. 784. öffentlich gedankt werden.
§. 787. Wenn auch die angewendete Mühe vergeblich gewesen: so muß dennoch dafür, nebst Vergütung der Auslagen, die Hälfte der im §. 785. gedachten Belohnung gegeben werden.
§. 788. Entrunkene müssen sogleich aus dem Wasser gezogen; an schädlichen Dämpfen Erstickte an die freye Luft gebracht; Gehängte abgelöst; auch dergleichen Scheintodte in jeglichem Falle von pressenden Kleidungsstücken befreyet werden.
§. 789. Die zuletzt gedachte Vorsicht muß auch bey denen, welche in schädlichen Dämpfen erstickt sind, beobachtet, und diese müssen sogleich in die frische Luft gebracht werden.
§. 790. Es muß sobald als möglich ein Arzt oder Wundarzt herbeygeholt; der nächsten Obrigkeit Nachricht gegeben; und übrigens mit den Scheintodten nach näheren Vorschriften der Polizeygesetze verfahren werden.
§. 791. Diejenige Obrigkeit, welcher diese Anzeige geschieht, muß, wenn sie auch nicht die gehörige ist, für die Rettung der Scheintodten ohne Zeitverlust sorgen.
§. 792. Gerichtsobrigkeiten und Aerzte, welche die vorgeschriebene Hülfe vernachläßigen, oder nicht anhaltend leisten, sollen zur Untersuchung gezogen werden, und außer den Kosten der Untersuchung auch diejenigen tragen, welche sonst, nach Vorschrift des §. 785., aus der öffentlichen Casse bestritten werden müssen.
§. 793. Ueber dieses soll ihr liebloses Betragen zu ihrer Beschämung öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 794. Bey allen durch Fahrläßigkeit zugefügten leichtern Beschädigungen kann, nach Bewandniß der Umstände, statt der§. 778. und 780. geordneten Leibes- auf verhältnißmäßige Geldstrafe erkannt werden.
§. 795. Daß und wie der Beschädiger den Beschädigten, oder dessen Familie, wegen des Nachtheils entschädigen müsse, welchen derselbe an seinen Gliedmaaßen, seiner Gesundheit, oder durch seine Verunstaltung erlitten hat, ist am gehörigen Orte vor- geschrieben. (Th. I. Tit. VI. §. 98. sqq.)
§. 796. Vorsätzlich zugefügte bloße Schläge, oder andere geringe Verletzungen, die für den Beschädigten von keinen weitem nachtheiligen Folgen sind, sollen den Realinjurien gleich bestraft werden. (§. 628. sqq.)
§. 797. Hat aber jemand dem Andern schwere Beschädigungen, woraus für desselben Gesundheit oder Gliedmaaßen ein erheblicher Nachtheil entstehen können, vorsätzlich zugefügt: so soll allemal verhältnißmäßige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 798. Nach Beschaffenheit der Verletzung selbst, der Erheblichkeit des zugefügten Schadens, und der erfolgenden Wiederherstellung des Beschädigten, solldie Dauer dieser Strafe auf zwey Monathe bis drey Jahre bestimmt werden.
§. 799. Hat jemand bey einer zugefügten Verletzung, die wirklich erfolgte Verstümmelung oder Verunstaltung des Beschädigten zur Absicht gehabt: so kann die Strafe bis auf sechs Jahre verlängert werden.
§. 800. Ist der Beschädigte durch diese Verletzung zu Verrichtung seiner Geschäfte unbrauchbar geworden: so soll sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe eintreten.
§. 801. Vorsätzlich verursachter Wahnsinn wird dem Todschlage gleich geachtet (§. 863.), außer diesem Falle aber wird der, welcher einen anhaltenden Wahnsinn durch seine Schuld veranlaßt, mit derjenigen Strafe belegt, welche der im Falle des erfolgten Todes verwirkten am nächsten kommt.
§. 802. Wer sich selbst, durch vorsätzliche Verstümmelung seines Körpers, zu seinen Bürgerpflichten, oder zu gewissen nach seinem Berufe ihm obliegenden Geschäften untüchtig macht, der soll öffentliche körper-liche Züchtigung, und ein- bis dreyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 803. Selbsmörder sollen zwar nach ihrem Tode nicht beschimpft werden; aber doch alles dessen, womit sonst das Absterben und Andenken andrer Leute von ihrem Stande oder Range geehrt zu werden pflegt, verlustig seyn.
§. 804. Leute, die sich selbst das Leben nehmen, um einer durch grobe Verbrechen verwirkten infamirenden Strafe sich zu entziehen, sollen nach Befinden des den Prozeß dirigirenden Gerichts, auf dem Richtplatze verscharrt werden.
§. 805. Ist bereits ein Strafurtel wider sie ergangen: so soll dasselbe an dem todten Körper, so weit es möglich, anständig, und zur Abschreckung Andrer dienlich ist, vollzogen werden.
§. 806. Wer in der feindseligen Absicht, einen Andern zu beschädigen, solche Handlungen unternimmt, woraus, nach dem gewöhnlichen allgemein, oder ihm besonders bekannten Laufe der Dinge, der Tod desselben erfolgen mußte, und ihn dadurch wirklich tödtet; der hat als ein Todschläger die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 807. Beweis eines Irrthums in der Person des Getödteten kann in der Regel nur Verschärfung; aber nicht eine Minderung der nach §. 806. verwirkten Strafe nach sich ziehen. (§. 873. sqq.)
§. 808. Nur so weit ein solcher Irrthum die Sträflichkeit des bösen Vorsatzes, oder die Gefährlichkeit der Handlung mindert, kann deshalb eine Minderung der nach den Gesetzen eintretenden schwereren Strafe statt finden.
§. 809. Alle Verletzungen, auf welche der Tod unmittelbar erfolgt, sind, wenn das Gegentheil nicht wahrscheinlich ist, als die Ursache des Todes anzusehn.
§. 810. Außerdem muß die Tödlichkeit der Verletzung nach der individuellen körperlichen Beschaffenheit des Getödteten beurtheilt werden.
§. 811. Hat der Thäter die aus seiner Handlung entstehende Lebensgefahr auch nur wahrscheinlich vorausgesehen: so hat er dennoch die §. 806. bestimmte Todesstrafe verwirkt.
§. 812. Es wird vermuthet, daß der Thäter diejenige Gefahr wirklich vorausgesehen habe, die ihm unter den vorhandenen Umständen nicht verborgen seyn konnte.
§. 813. Wer sich eines zum Tödten bestimmten Instruments auf eine tödliche Weise bedient, hat die rechtliche Vermuthung, daß er die Lebensgefahr vorausgesehen habe, wider sich.
§. 814. Eben dieses findet statt, wenn er sich eines andern Instruments auf eine Art bedient, wie es nur in der Absicht, zu tödten, gebraucht zu werden pflegt.
§. 815. Ist es jedoch in den Fällen des §. 811. bis 814. nach den vorwaltenden besonderen Umständen wahrscheinlich, daß der Thäter dennoch die Absicht zu tödten nicht gehabt habe: so soll zehnjährige bis lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe an die Stelle der Todesstrafe treten.
§. 816. Ist auf eine vorsätzlich zugefügte, aber weder an sich, noch in Beziehung auf den Beschädigten, tödliche Verletzung, der Tod dennoch, als mittelbare Wirkung dieser Verletzung, erfolgt: so soll der Thäter sechs- bis zehnjährige Festungsstrafe leiden.
§. 817. War die vorsätzlich zugefügte Verletzung an sich tödlich; das Leben des Beschädigten aber ist durch besondre Umstände oder Zufälle noch erhalten worden: so hat der Thäter zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 818. Hätte der Getödtete durch rechtzeitige Hülfe gerettet werden können; der Thäter aber hat denselben hülflos gelassen: so ist er, wenn er die daraus ent stehende Gefahr voraussehen mußte, als ein Todschläger mit dem Schwerdte zu bestrafen.
§. 819. Ist die vorsätzlich zugefügte an sich nicht tödtliche Wunde ohne Schuld des Thäters tödtlich geworden: so tritt die §. 816. verordnete sechs- bis zehnjährige Festungsstrafe ein.
§. 820. Hat jemand, der an sich im Stande der Nothwehr sich befindet, mit Überschreitung der Gränzen derselben, seinen Gegner getödtet: so soll wider ihn zwey- bis vierjährige Festungsstrafe statt finden.
§. 821. Wer bey Ausübung des ihm zukommenden Rechts der mäßigen Züchtigung, einen Theil des Körpers, aus dessen Beschädigung der Tod leicht erfolgen könnte, vorsätzlich verletzt, der soll, wenn der Gezüchtigte wirklich an der Verletzung stirbt, mit sechs- bis zehnjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 822. Ein Gleiches soll statt finden, wenn in dem Maaße, oder in der Dauer der Züchtigung; dieGränzen so weit überschritten worden, daß der Tod des Gezüchtigten daraus erfolgt ist.
§. 823. Sind die vorsätzlich zugefügten Mißhandlungen so beschaffen gewesen, daß der Tod daraus erfolgen mußte: so ist der Thäter als ein Todtschläger zu bestrafen.
§. 824. Ist aber klar, daß die Ausübung des Rechts zur Züchtigung ein bloßer Vorwand, und hingegen der Vorsatz zu tödten wirklich vorhanden gewesen: so findet die ordinaire Strafe des Mordes statt. (§. 826. sqq.)
§. 825. Wachen und andere Staatsbeamte, welche das Recht, Gewalt anzuwenden, mißbrauchen, sind ebenfalls nach Vorschrift des §. 821-824. zu beurtheilen.
§. 826. Derjenige, welcher mit vorher überlegtem Vorsatze zu tödten einen Todschlag wirklich verübt, soll als ein Mörder mit der Strafe des Rades von oben herab belegt werden.
§. 827. Wenn jemand, mit dem Vorsatze zu tödten, einem andern eine Verletzung zufügt, welche zwar an sich nicht tödtlich ist, aber in der Folge durch einen Zufall tödtlich wird: so soll er mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 828. Wenn die mit dem Vorsatze, zu tödten, zugefügte Verletzung an sich tödtlich war, das Leben des Beschädigten aber durch besondere Umständeoder Zufälle noch gerettet worden: so findet gegen den Thäter Staupenschlag, nebst lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe statt.
§. 829. Grausamkeiten und Mißhandlungen, welche vor, bey, oder nach Verübung des Mordes an dem Getödteten begangen worden, wirken allemal Schärfung der verwirkten Todesstrafe.(§. 47.)
§. 830. Die Todesstrafe wird allein dadurch, daß die boshafte Absicht des Mörders mit Geringschätzung des eignen Lebens verbunden gewesen, noch nicht ausgeschlossen.
§. 831. Ist aber ausgemittelt, daß jemand, bey sonst ungestörtem Gebrauche seines Verstandes, aus Schwärmerey, oder sonst in der Absicht, hingerichtet zu werden, einen Todschlag begangen hat: so soll derselbe zwar seinen Endzweck nicht erreichen;
§. 832. Er soll aber lebenslang im engsten Gefängnisse unter besonderer Aufsicht bewahrt, und zu gewissen bestimmten Zeiten öffentlich gezüchtigt werden.
§. 833. Wer tödtlich Verwundeten, oder sonst Todkranken, in vermeintlich guter Absicht das Leben abkürzt, ist gleich einem fahrläßigen Todschläger nach §. 778.779. zu bestrafen.
§. 834. Wer einen Andern auf dessen Verlangen tödtet, oder ihm zum Selbstmorde behülflich ist, hat sechs- bis zehnjährige, und bey einem überwiegenden Verdachte, den Wunsch nach dem Tode bey dem Getödteten selbst veranlaßt zu haben, lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 835. Vorsätzliche Mörder werden allein durch den Umstand, daß der Entleibte ohne dies dem Tode nahe gewesen sey, von der übrigens verwirkten Strafe nicht befreyet.
§. 836. Wenn die Absicht zu tödten, die in dieser Absicht zugefügte Beschädigung, und der darauf erfolgte Tod des Entleibten außer allen Zweifel gesetzt sind; der Umstand aber, daß der Tod die Wirkung der That gewesen sey, aus andern Gründen, als der bloßen eigenen Angabe des Verbrechers, auch nur wahrscheinlich erhellet: so tritt die ordentliche Strafe des Mordes ein.
§. 837. Wer, in der Absicht zu tödten, jemanden eine unheilbare Verletzung zufügt, ist, je nachdem der Verwundete dadurch mehr oder weniger unbrauchbar oder unglücklich gemacht worden, mit zehn-, zwanzigjähriger, oder lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 838. a) Ist die Absicht zu tödten schon in äußerliche Handlungen ausgebrochen; dadurch aber noch kein Schade verursacht worden: so hat der Thäter vier- bis sechsjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 838. b) Ist er aber von Vollendung der That aus eigener Bewegung abgestanden: so kann er auf Begna- digung Anspruch machen.
§. 839. Haben mehrere sich zu Ausführung eines Mordes verbunden: so hat der Rädelsführer, wenn er zugleich der unmittelbare Thäter gewesen, die Strafe des Rades von. unten herauf verwirkt.
§. 840. Hat der Rädelsführer den Mord nicht unmittelbar verübt: so trifft ihn dennoch allemal die Strafe des Rades von oben herunter.
§. 841. Gegen denjenigen unter den übrigen Mitverbundenen, welcher den Mord wirklich ausgeführt hat, findet die Strafe des Rades von oben herab; gegen die Andern aber, welche nach Vorschrift des §. 71. 74. als Miturheber anzusehen sind, lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt.
§. 842. Kann der eigentliche Thäter nicht ausgemittelt werden: so sind die sämmtlichen Mitverbundenen, welche bey dem Morde selbst Hand angelegt haben, mit der Strafe des Schwerdtes zu belegen; den Rädelsführer aber trifft, auch in diesem Falle, die §. 840. bestimmte Strafe des Rades von oben.
§. 843. Ist der Thäter ausgemittelt: so soll gegen die übrigen Mitverbundenen, welche bey der That nicht Hand angelegt haben, nach Beschaffenheit ihrer sonstigen Mitwirkung, eine zehn- bis zwanzigjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 844. Ist bey einer unter Mehrern vorgefallenen Schlägerey ein Todschlag begangen worden: so finden in Ansehung des überführten Thäters die Vorschriften des §. 806. sqq. vom Todschlage statt.
§. 845. Haben mehrere dem Entleibten tödtliche Wunden beygebracht: so ist von diesen derjenige, welcher zuerst von den tödtlichen Werkzeugen gegen denselben Gebrauch gemacht hat, als Todschläger zu bestrafen.
§. 846. Gegen die Uebrigen, welche gleichfalls überführt sind, dem Entleibten tödtliche Wunden beygebracht zu haben, soll, nach Verhältniß ihres bösen Vorsatzes, zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe erkannt werden.
§. 847. Diejenigen, welche sich keines an sich oder durch den gewählten Gebrauch tödtlichen (§. 814.) Gewehrs bedient haben, sind, wenn sie dennoch einer tödlichen Verwundung überführt worden, mit sechs- bis zehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 848. Wie ein im Tumulte, ohne vorhergegangene Conspiration, verübter Todschlag bestraft werden solle, ist im Vierten Abschnitte §. 169. sqq. verordnet.
§. 849. Wer einem Andern, die Verübung einer Mordthat befohlen, aufgetragen, oder ihn dazu gedungen hat, ist als der Rädelsführer des begangenen Mordes zu bestrafen.
§. 850. Mit der Strafe des Schwerdtes wird er belegt, wenn der Auftrag nicht ausdrücklich auf den wirklich erfolgten Todschlag, aber doch auf eine solche Beschädigung gerichtet gewesen, woraus, nach dem natürlichen und bekannten Laufe der Dinge, (§. 806.) der Tod des Beschädigten leicht erfolgen konnte.
§. 851. Erhellet hingegen aus den Umständen, daß in dem Falle des §. 850. die Tödtung nicht bloß ohne, sondern auch wider seinen Willen erfolgt sey: so hat er dennoch zehnjährige Festungstrafe verwirkt.
§. 852. Wer die Ausführung des aufgetragenen Mordes übernimmt, ist, wenn keine erschwerende Umstände eintreten, dennoch als ein vorsätzlicher Mörder, nach Vorschrift des §. 826., mit dem Rade von oben zu bestrafen.
§. 853. Umstände, welche die Strafe des Mordes überhaupt erschweren, oder vermindern, müssen auch bey einem solchen Mörder in Betrachtung gezogen werden.
§. 854. Hat sich jemand mehr als einmal zu Ermordung Anderer brauchen lassen: so soll er zum Richtplatze geschleift, und daselbst mit der Strafe des Rades von unten belegt werden.
§. 855. Wie derjenige, welcher, um zu rauben, einen Mord begeht, gestraft werden solle, ist im Vierzehnten Abschnitte bestimmt.
§. 856. Auf jede Mordthat, welche unter Umständen, oder durch Mittel verübt worden, die ihrer Natur nach, vorzüglich schwer zu vermeiden oder zu entdecken sind, soll die durch die That an sich verwirkte Art der Todesstrafe durch Schleifung auf den Richtplatz geschärft werden.
§. 857. Dergleichen geschärfte Strafe trifft also denjenigen, der einen Mord durch Gift begangen hat.
§. 858. Das Verbrechen der Vergiftung ist für vollzogen zu achten, wenn es gewiß ist, daß der Entleibte nach beygebrachtem Gifte gestorben ist, und es wenigstens mit Wahrscheinlichkeit ausgemittelt worden, daß der Tod eine wirkliche Folge des empfangenen Gifts gewesen sey.
§. 859. Hat der Leichnam nicht besichtigt werden können: so ist der Tod für eine Wirkung des Gifts zu halten, wenn der Vergiftete binnen acht Tagen nach dem ihm zuletzt erweislich beygebrachten Gifte gestorben ist, und keine andre Ursache des Todes erhellet.
§. 860. Wer zur Vergiftung durch Zubereitung oder Herbeyschaffung des Gifts absichtlich hilft, soll mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 861. Im Wiederholungsfalle tritt die §. 854. bestimmte verschärfte Strafe des Rades ein.
§. 862. Wenn das, in der Absicht zu tödten, beygebrachte Gift, den Vergifteten wahnsinnig gemacht hat, und die Wiederherstellung des verlornen Vernunftsgebrauchs zweifelhaft ist: so hat der Thäter die Strafe des Rades von oben verwirkt.
§. 863. Hatte der Thäter die Absicht, den Vergifteten wahnsinnig zu machen, und ist daraus ein Wahnsinn, dessen Heilung zweifelhaft ist, entstanden: so soll die Strafe des Schwerdtes statt finden.
§. 864. Eben diese Strafe muß erkannt werden, wenn das mit der Absicht zu tödten beygebrachte Gift eine Krankheit verursacht hat, welche den Vergifteten auf Zeitlebens unbrauchbar oder unglücklich macht.
§. 865. Hat das in böser Absicht beygebrachte Gift, nur eine heilbare Krankheit verursacht: so soll nach Beschaffenheit der Dauer und Gefahr dieser Krankheit, eine zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 866. Sind jemanden unschädliche Sachen mit der Absicht zu tödten beygebracht worden: so soll auf eine sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 867. Wer durch Liebestränke tödtet, hat eine zehn- bis fünfzehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 868. Im Falle eines dadurch veranlaßten unheilbaren Wahnsinnes, soll acht- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 869. Ist durch einen solchen Liebestrank eine andre Krankheit verursacht worden: so soll nach Beschaffenheit ihrer Gefahr und Dauer, eine vier- bis achtjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 870. Sind durch Vergiftung der Brunnen, Gewässer, Speisen, Getränke, Kleidungsstücke, oder anderer zum Gebrauch für Mehrere bestimmten Sachen, Menschen ums Leben gekommen: so soll der Vergifter zum Richtplatze geschleift, und von unten herauf gerädert werden.
§. 871. Ist durch dergleichen Vergiftung zwar niemand getödtet; wohl aber mehreren Menschen ein bleibender Nachtheil an ihrer Gesundheit zugefügt worden: so wird der Vergifter mit dem Schwerdte gerichtet, und der Körper aufs Rad gelegt.
§. 872. Hat durch eine dergleichen Vergiftung noch kein Mensch an seiner Gesundheit Schaden genommen: so hat der Thäter Staupenschlag und lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 873. Kinder, die ihre Aeltern ermorden, sollen öffentlich gestäupt, sodann zum Richtplatze geschleift, und daselbst mit dem Rade von unten herauf hin- gerichtet werden.
§. 874. Mord der Kinder oder Ehegatten wird mit dem Rade von unten herauf, und mit Schleifung des Verbrechers zum Richtplatze gestraft.
§. 875. Wer Geschwister oder solche Seitenverwandten, denen er Respect schuldig ist, oder mit welchen er in häuslicher Verbindung lebt, ermordet, der soll ebenfalls zum Richtplatze geschleift, und mit dem Rade von oben herab hingerichtet werden.
§. 876. Eine gleiche Strafe findet statt, wenn ein Mord an angenommenen oder Pflege Aeltern, oder Kindern, oder Vormündern, oder Pflegebefohlnen verübt worden.
§. 877. a) Ingleichen, wenn Gesinde seine Herrschaft; Unterthanen ihre Obrigkeit; Untergebne ihren Vorgesetzten ermorden.
§. 877. b) Auch wird jeder an Beamten des Staats in oder wegen der Ausrichtung ihres Amts verübte Mord, wenn nicht besondre Gesetze nähere Bestimmungen enthalten, nach Vorschrift des §. 875. bestraft.
§. 878. Todschlag an Aeltern zieht öffentliche Geißelung, Schleifung zum Richtplatze, und Hinrichtung durchs Schwerdt nach sich.
§. 879. Bey einem an Kindern oder Ehegatten begangenen Todschlage, wird die Strafe des Schwerdtes durch Schleifung des Verbrechers zum Richtplatze geschärft.
§. 880. Wenn aber der Fall des Uebermaaßes in der Züchtigung eintritt, finden die §. 821-824. gegebenen Vorschriften statt.
§. 881. Wer an Geschwistern oder andern nach
§. 875-877. a. b) besonders zu schonenden Personen einen Todschlag begeht, soll an einem Schandpfahle öffentlich ausgestellt, und sodann mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 882. In Fällen, wo gegen gemeine Mörder nur die Strafe des Schwerdtes statt findet, trifft die Mörder der Aeltern die Strafe des Rades von oben herunter, mit der §. 878. verordneten Schärfung.
§. 883. In eben diesen Fällen werden die Mörder der Kinder und Ehegatten zur Richtstätte geschleift, und daselbst mit dem Schwerdte hingerichtet.
§. 884. In Fällen, wo ein gemeiner Todschläger lebenswierige Festungsstrafe verwirkt haben würde, wird ein an Aeltern verübter Todschlag mit dem Schwerdte gestraft.
§. 885. In der Bestrafung eines an Aeltern oder andern Verwandten begangnen Todschlags oder Mordes, macht es keinen Unterschied: ob die Verwandschaft aus einer Ehe, oder durch unehelichen Beyschlaf entstanden sey.
§. 886. Doch muß in allen Fällen, wo die Strafe der Verwandschaft wegen erhöht oder geschärft werden soll, der Thäter das zwischen ihm und dem Getödteten obwaltende Band gewußt haben.
§. 887. Die Tödtung neugebohrner Kinder wird hier mit dem Namen des Kindermordes belegt.
Vorbeugungsmittel: 1) überhaupt;
§. 888. Um den Kindermord möglichst zu verhüten, haben die Gesetze unbescholtnen ledigen Weibspersonen, wenn sie unter dem Versprechen der Ehe geschwängert worden, die Rechte und Würden einer Ehefrau, oder wo die Ehe nicht statt finden kann, einer Hausfrau beygelegt. (Tit. I. §. 1047. sqq.)
§. 889. In jeglichem Falle haben Weibspersonen, welche außer der Ehe geschwängert worden, die Tit. I. §. 1044. sqq. oder doch die §. 1028. sqq. bestimmte Entschädigung von dem Schwängerer zu erwarten.
§. 890. Auch für das Beste der aus einem unehelichen Beyschlafe erzeugten Kinder ist durch die Vorschriften des Neunten Abschnitts im zweyten Titel gesorgt.
§. 891. Sobald die Schwangerschaft angezeigt ist, muß der Leibesfrucht ein Vormund bestellt werden, welcher deren Rechte wahrnehmen, und für des Kindes Verpflegung und Erziehung sorgen muß. (Tit. II. §. 614. sqq.)
§. 892. In welchen Fällen die Verwandten der Mutter und des Schwängerers, und zuletzt der Staat, bey Verpflegung des unehelichen Kindes zu Hülfe kommen müssen, ist ebenfalls am angeführten Orte verordnet.
§. 893. Besonders ist jedes Orts Obrigkeit die Vorsorge für dergleichen Kinder zu übernehmen schuldig.
§. 894. Wo keine öffentliche Gebährhäuser vorhanden sind, muß die an jedem Orte zur Hülfe der unehelich Geschwängerten bestellte Hebamme, schwangere und der Entbindung nahe Personen, die sich bey ihr melden, ohne Widerrede aufnehmen, und mit der erforderlichen Pflege versorgen.
§. 895. Die Obrigkeit jedes Orts muß dafür sorgen, daß den Hebammen, welche zu dieser Verpflegung bestimmt sind, eine hinlänglich geraume Wohnung
verschafft, und sie mit dem nöthigen Vorschusse, zu Bestreitung der Niederkunfts- und Verpflegungskosten, versehen werden.
§. 896. Kann dergleichen Vorschuß von dem Schwängerer, oder denen, welche bey dessen Ermangelung oder Unvermögen dazu verpflichtet sind, nicht sofort beygetrieben werden: so muß die Obrigkeit selbigen aus einer dazu angewiesenen öffentlichen Casse nehmen.
§. 897. Ist die Geschwängerte den Vorschuß aus eigenen Mitteln zu leisten im Stande: so soll ihr dazu durch die bereiteste Execution gegen den Schwängerer wieder verholfen werden.
§. 898. Auch ist jeder Anverwandter, und überhaupt jeder wohlgesinnte Bürger des Staats berechtigt, sich der Geschwängerten anzunehmen, sie zu verpflegen, und die Auslagen von demjenigen, welcher eigentlich dazu verpflichtet wäre, zurückzufordern.
§. 899. Zur Festsetzung solcher Forderungen §. 897. 898. soll kein förmlicher Prozeß verstattet; sondern die obrigkeitlich ermäßigte Summe von dem ei- gentlichen Schuldner, sobald derselbe ausgemittelt ist, unverzüglich beygetrieben werden.
§. 900. An Orten, wo zur Geburtshülfe der unehelich Geschwängerten keine eigenen Hebammen bestellt sind, muß diejenige, bey welcher sich die Schwangere meldet, mit deren Anverwandten, Herrschaft, oder Hausgenossen, den Ort der Niederkunft, und die Verpflegung während der Wochen verabreden; wenn dies aber nicht geschehen kann, der Obrigkeit den Fall zur weitem Verfügung anzeigen.
2) Entdeckung der Schwangerschaft, a) von Seiten der Schwangern;
§. 901. Jede Frauensperson, die eines unehelichen Beyschlafs sich bewußt ist, muß auf ihre körperliche Beschaffenheit, und die bey ihr sich ereignenden ungewöhnlichen Umstände sorgfältig Acht haben.
§. 902. Mütter, Pflegerinnen, und Andere, die in Ermangelung der Mutter an deren Stelle treten, müssen daher ihre Töchter oder Pflegebefohlnen, nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre, von den Kennzeichen der Schwangerschaft, und den Vorsichtsregeln bey Schwangerschaften und Niederkünften, besonders von der Nothwendigkeit der Verbindung der Nabelschnur, jedoch mit Vorsicht, unterrichten.
§. 903. Sobald eine Geschwächte aus solchen ungewöhnlichen Umständen eine Schwangerschaft vermuthen kann, muß sie davon ihrem Schwängerer Nachricht geben; auch sich den Aeltern, Vormündern, oder bey deren Ermangelung einer Hebamme, oder einer andern ehrbaren Frau, welche selbst schon Kinder gehabt hat, entdecken, und sich deren Unterrichts bedienen.
§. 904. Frauenspersonen, welche sich nicht unter Aufsicht ihrer Anverwandten oder Vormünder befinden; oder sich diesen sogleich zu entdecken Anstand nehmen; müssen, sobald sie ihrer Schwangerschaft gewiß sind, nothwendig einer Hebamme, oder einem Geburtshelfer, sich anvertrauen, und mit denselben, wegen ihrer künftigen Niederkunft, die vorläufigen Anstalten verabreden.
§. 905. Nähert sich die Zeit der Niederkunft: so muß sich die Geschwächte zu der von ihrer Schwangerschaft unterrichteten Hebamme begeben, und ihr den Ort ihres Aufenthalts, und die zu ihrer Niederkunft wirklich getroffenen Anstalten näher anzeigen.
§. 906. Jede Person, der eine außer der Ehe Geschwängerte ihr Geheimniß anvertrauet hat, muß selbiges, bey willkührlicher, doch nachdrücklicher Strafe (§. 34. 35.) so lange verschweigen, als keine Gefahr eines wirklichen Verbrechens von Seiten der Geschwächten zu besorgen ist.
§. 907. Die öffentlich bestellten Hebammen und Geburtshelfer sollen daher zur Verschwiegenheit in dergleichen Fällen besonders mit verpflichtet werden.
§. 908. Hebammen, welche den unehelich Geschwängerten Vorwürfe machen, oder sie hart behandeln, sollen, nach Beschaffenheit der Umstände, als Injurianten bestraft, und ihres Amts entsetzt werden.
§. 909. Eine Geschwächte, die ihre Schwangerschaft gehörig entdeckt; und den Anweisungen der Personen, welchen sie sich anvertrauet hatte, treulich nachkommt; auch bey herannahender Niederkunft ihre Pflicht erfüllt, bleibt von aller Verantwortung frey; selbst wenn ein todtes Kind zur Welt kommen sollte.
§. 910. Geschieht die Entbindung in Beyseyn zweyer Frauen, unter welche auch die Mutter zu rechnen ist: so kann die Geburt, außer dem Falle- einer richterlichen Nachfrage, gegen jedermann verschwiegen werden.
§. 911. Wenn der Geburtshelfer oder die Hebamme gegenwärtig ist: so ist die Anwesenheit einer einzigen ehrbaren Frau hinreichend.
§. 912. War aber nur die Geburtshelferin, oder eine andere Person, ganz allein bey der Niederkunft zugegen: so muß diese, wenn das Kind todt zur Welt gekommen, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt gestorben ist, einen solchen Vorfall, bey Vermeidung drey- bis sechsmonathlicher Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, dem Richter ohne Zeitverlust zur nähern Untersuchung anzeigen.
§. 913. Ueberhaupt muß außer dem Falle des §. 910. 911. die todtgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt verstorbene uneheliche Leibesfrucht, dem Richter allemal binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt, oder dem Tode des Kindes, vorgezeigt werden.
b) von Seiten des Schwängerers;
§. 914. Jede Mannsperson, die sich eines außer der Ehe gepflogenen Beyschlafs bewußt ist, muß auf die Folgen, welche diese Handlung bey der Geschwächten hervorbringen kann, aufmerksam seyn.
§. 915. Sobald er durch die Entdeckung der Geschwächten, oder sonst, die vorhandene Schwangerschaft vermuthen kann, muß er darauf dringen, daß die Geschwächte den gesetzlichen Vorschriften §. 901-913. gehörig nachkomme.
§. 916. Verabsäumt er diese Pflicht (§. 915.) so macht er sich in allen Fällen, wo die Geschwächte zur Strafe gezogen werden muß, einer zwey- bis vier- monathlichen Gefängnißstrafe schuldig.
c) der Aeltern, Dienstherrschaften und Hauswirthinnen
§. 917. Auf die einer Schwangerschaft verdächtigen Weibspersonen müssen die Aeltern derselben, besonders die Mutter, oder die an deren Stelle tritt, genaue Obsicht nehmen.
§. 918. Eine gleiche Pflicht liegt den Dienstherrschaften, oder denjenigen Hausbedienten ob, denen die Aufsicht über das weibliche Gesinde aufgetragen ist.
§. 919. Auch Haus- oder Stubenwirthinnen, bey welchen ledige Weibspersonen gemeinen Standes ohne ihre Aeltern sich eingemiethet haben, können sich dieser Obliegenheit nicht entziehen.
§. 920. Alle vorstehend benannte Personen müssen, sobald sie zum Verdachte einer Schwangerschaft Anlaß finden, die Verdächtige zur Rede stellen; und nach erfolgtem Eingeständnisse, das, was zur Verhütung eines besorglichen Verbrechens dienen kann, veranstalten.
§. 921. Wollen sie dergleichen Vorhaltung nicht selbst übernehmen; oder läugnet die Verdächtige eine vorhandne Schwangerschaft beharrlich, ohne die Gründe des Verdachts durch wahrscheinliche Gegengründe zu heben: so müssen sie ihren Verdacht, nebst den Gründen desselben, der Obrigkeit zur weitern Untersuchung anzeigen.
§. 922. Jede der Schwangerschaft Verdächtige muß sich, bey beharrlichem Läugnen, auf Verlangen der Aeltern, Dienstherrschaft, oder Obrigkeit, und nach dem Befinden zweyer ehrbaren Frauen, der Untersuchung einer vereideten Hebamme unterwerfen.
§. 923. Findet diese keinen Grund zum Verdacht: so müssen Aeltern, Dienstherrschaften, und Obrigkeit, bey ihrem Zeugnisse sich beruhigen.
§. 924. Die Hebamme selbst aber muß noch ferner auf dergleichen verdächtig gewesene Person ein wachsames Auge richten, und, bey sich ereignendem vermehrten Verdachte, die Untersuchung wiederholen.
§. 925. Wird die Verdächtige bey der Untersuchung wirklich schwanger befunden: so muß die Hebamme entweder mit den Aeltern, oder sonstigen Vorgesetzten der Schwangern, wegen der Art ihrer Niederkunft das nöthige verabreden; oder den Fall der Obrigkeit anzeigen.
§. 926. Im letztern Falle muß die Obrigkeit die Schwangere einer genauen Aufsicht unterordnen, und zur Verhütung eines Kindermords zweckmäßige Ver- fügungen treffen.
§. 927. Wenn die §. 917-919. und 924. benannten Personen ihre Pflichten vernachläßigen, und dadurch zu einem Kindermorde auch nur entfernten Anlaß geben: so haben sie dadurch zwey-, vier- bis sechsmonathliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 928. Mütter und Pflegerinnen, die sich einer solchen Verabsäumung ihrer Pflichten schuldig machen, sollen mit der härtesten im §. 627. bestimmten Strafe belegt; saumselige Obrigkeiten aber, nach Verhältniß ihrer Verschuldung, mit Suspension oder Cassation bestraft werden.
d) Pflichten derjenigen, denen eine Schwangere sich entdeckt.
§. 929. Auch solchen Personen, welche mit der Geschwängerten in keiner besondern Verbindung stehen, liegt dennoch ob, dieselbe, wenn sie ihnen ihre Schwangerschaft anvertrauet, oder eingesteht, zu Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften (§. 901. sqq.) anzumahnen.
§. 930. Nehmen sie wahr, daß sie ihre Schwangerschaft auf eine gesetzwidrige Weise zu verheimlichen Willens sey: so müssen sie solches ihren Aeltern, Vor- mündern, oder andern Personen, unter deren nähern Aufsicht sie sich befindet, oder auch der Obrigkeit ungesäumt anzeigen.
§. 931. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschriften soll, wenn die Leibesfrucht durch Schuld der Geschwächten verunglückt, mit einer vierwöchentlichen Gefängniß-, oder fünfzig Thalern Geldstrafe geahndet werden.
§. 932. Ueber dieses sollen alle diejenigen, welche ihre Pflicht, die Scfiwangerschaft zu entdecken, vernachläßigt haben, wegen der sämmtlichen Untersuchungskosten für das Ganze haften.
Verheimlichung der Schwangerschaft.
§. 933. Eine Geschwächte, welche die Entdeckung der Schwangerschaft an die Aeltern, Vormünder, Dienstherrschaften, Hebammen oder Obrigkeit, länger als vierzehn Tage, nachdem sie dieselbe zuerst wahrgenommen hatte, verschiebt, macht sich einer strafbaren Verheimlichung der Schwangerschaft schuldig: und wegen aller daraus entstehenden nachtheiligen Folgen verantwortlich.
§. 934. Sobald die Leibesfrucht das Alter von dreyßig Wochen erfüllt hat, kann der Vorwand, daß die Geschwächte ihre Schwangerschaft noch nicht wahrgenommen habe, oder die zu deren Anzeige bestimmte Frist noch nicht abgelaufen sey, ferner nicht statt finden.
§. 935. Wird eine Geschwächte, die ihre Schwangerschaft nicht vorschriftsmäßig angezeigt hat, von einer unzeitigen Leibesfrucht entbunden: so begründet dieses wider sie eine Anzeige (Indicium), daß sie die Frucht vorsätzlich abgetrieben habe (§. 986. sqq.)
§. 936. Wird dieser Verdacht durch die darauf gerichtete Untersuchung nicht bestätigt: so wird sie wegen verheimlichter Schwangerschaft nach den folgenden Vorschriften bestraft.
§. 937. Wenn sie jedoch die unzeitige Leibesfrucht binnen vier und zwanzig Stunden nach ihrer Entbindung den Gerichten vorzeigt; und weder bey der Obduktion, noch bey der vorläufigen Vernehmung der Gebährerin selbst, so wie derjenigen, welche zur Zeit der Entbindung um sie waren, einige weitere verdächtige Umstände wegen etwaniger Abtreibung oder Vernachläßigung der Frucht sich hervorthun; so soll die Gebährerin mit der förmlichen Criminalinquisition und aller Strafe verschont, und nur mit den Kosten der vorläufigen Untersuchung belegt werden.
§. 938. Fällt ihr nur eine Vernachläßigung der Leibesfrucht zur Last: so hat sie eine vier- bis achtwöchentliche Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 939. Hat sie die Leibesfrucht vorzuzeigen unterlassen; es findet sich aber, daß selbige noch nicht dreyßig Wochen alt gewesen sey: so hat die Geschwächte, wenn sie einer im §. 933. beschriebenen Verheimlichung der Schwangerschaft schuldig befunden wird, je nachdem die Leibesfrucht sich diesem Alter mehr oder weniger genähert hatte, eine sechsmonatliche bis zweyjährige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 940. Ist die nicht vorgezeigte Leibesfrucht wahrscheinlicher Weise tod zur Welt gekommen; es kann aber nicht ausgemittelt werden: daß selbige unter dreyßig Wochen alt gewesensey: so hat die Gebährerin eine zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe zu gewärtigen.
§. 941. Ist es gewiß, daß das Kind bey der Geburt gelebt habe; oder daß es zwar tod geboren, aber schon dreyßig Wochen oder darüber alt gewesen sey: so finden die in Ansehung der vollständigen Kinder §. 957. sqq. gegebenen Vorschriften Anwendung.
§. 942. Ist das Alter der Leibesfrucht ungewiß; und ist der Umstand, daß sie tod zur Welt gekommen sey, nicht auszumitteln: so soll das Straferkenntniß auf eine drey- bis vierjährige Zuchthausstrafe gerichtet werden.
§. 943. a) Ist es ungewiß: ob die Geschwängerte ihre Schwangerschaft gewußt habe; dagegen aber ausgemittelt, daß die Frucht noch nicht das Alter von drey Monathen erreicht hatte; und sind sonst keine Anzeigen des geflissentlichen Mißgebährens, vorhanden: so soll mit weiterer Untersuchung gegen die Gebährerin nicht verfahren werden.
§. 943. b) Ist ausgemittelt, daß die Frucht schon über drey Monathe, aber noch nicht dreyßig Wochen alt gewesen; und kann die Gebährerin nicht überführt werden, ihre Schwangerschaft schon vierzehn Tage vor der Entbindung gewußt zu haben (§. 933.): so hat die Gebährerin dennoch, bloß weil sie die Frucht nicht vorgezeigt, Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf drey bis sechs Monathe verwirkt.
Verheimlichung der Niederkunft.
§. 944. Die Niederkunft ist für verheimlicht zu achten, wenn zur Zeit der Geburt keine Hebamme um Beystand ersucht, und auch keine andre ehrbare Weibsperson dabey zugezogen worden.
§. 945. Doch soll die Niederkunft niemals für verheimlicht geachtet werden, wenn die Gebährerin, noch bey eintretenden Geburtswehen, um Hülfe gerufen, und dieselbe wirklich erhalten hat.
§. 946. Dagegen soll aber auch einer Weibsperson, welche ihre Schwangerschaft bis zur Niederkunft verheimlicht hat, die Entschuldigung, daß sie von der Geburt übereilt worden, niemals zu statten kommen.
§. 947. Wenn wider die Verordnung des §. 912. 913. das todtgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt verstorbene Kind, nicht binnen der daselbst bestimmten Frist dem Gerichte vorgezeigt worden: so ist, wenn auch die Schwangerschaft angezeigt, die Vorschrift des §. 944. aber nicht beobachtet worden, dennoch die Niederkunft für verheimlicht zu achten.
. §. 948. Ist das Kind am Leben erhalten worden: so soll die Verheimlichung der Geburt nicht gerügt werden.
a) Ohne Verheimlichung der Schwangerschaft,
§. 949. Hat die Geschwächte ihre Schwangerschaft zwar entdeckt; aber dennoch ihre Niederkunft wider die Vorschrift des §. 944. verheimlicht, und das todgeborne, oder binnen vier und zwanzig Stunden nach der Geburt verstorbene Kind, ist ohne kirchliches Begräbniß heimlich weggeschaftworden: so hat sie schon dafür eine sechsmonatliche Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 950. Eben diese Strafe findet statt, wenn das todte Kind durch Zufall, oder sonst ohne ihr Zuthun, dem ordentlichen Begräbnisse oder der richterlichen Untersuchung entzogen, und dem Richter ein solcher Vorfall nicht binnen vier und zwanzig Stunden angezeigt worden.
§. 951. Ein solcher Zufall wird nicht vermuthet; sondern muß klar nachgewiesen werden, oder doch aus den Umständen wahrscheinlich erhellen.
§. 952. Die §. 949. bestimmte Strafe findet statt, wenn auch kein weiterer Grund vorhanden ist, anzunehmen, daß die Gebährerin an dem Tode der Leibesfrucht Schuld habe.
§. 953. Kann die Art und Ursach des Todes (§. 952.) durch Besichtigung des Kindes nicht mehr ausgemittelt werden: so hat die Gebährerin eine zweyjährige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 954. Ist der Zufall, wodurch das Kind dem Begräbnisse, oder der richterlichen Untersuchung entzogen wird, durch die Schuld der Gebährerin veranlaßt worden: so hat sie, wenn ihre Unschuld an dem Tode des Kindes ausgemittelt ist, eine Einjährige; bey dem Mangel dieses Beweises aber eine zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe zu gewärtigen.
§. 955. Hat die Gebährerin die Leibesfrucht vorsätzlich in den Zustand versetzt, daß ihre Verschuldung oder Unschuld an dem Tode des Kindes nicht mehr ausgemittelt werden kann: so hat sie, der angezeigten Schwangerschaft ungeachtet, nach Verhältniß der wider sie streitenden Vermuthung einer bösen Absicht, eine vier- bis sechsjährige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 956. Ist sie einer vorsätzlichen unnatürlichen Behandlung des Kindes verdächtig: so soll sie, je nachdem dieser Verdacht mehr oder weniger dringend ist, mit einer sechs- bis zehnjährigen Zuchthausstrafe belegt werden.
b) mit verheimlichter Schwangerschaft verbunden.
§. 957. Hat die Geschwächte Schwangerschaft und Niederkunft verheimlicht: so soll sie, wenn sie ein vollständiges Kind todt zur Welt gebracht hat, mit vier- bis sechsjähriger Zuchthausarbeit gestraft wer- den.
§. 958. Einem vollständigen Kinde wird eine Leibesfrucht, welche schon über dreyßig Wochen alt ist, gleich geachtet; doch soll, wenn das Kind nicht völlig ausgetragen gewesen, nur der niedrigste Grad der gesetzlichen Strafe statt finden.
§. 959. Hat das Kind, nach dem Befunde der Sachverständigen, in der Geburt noch gelebt: so wird die §. 957. bestimmte Strafe auf acht bis zehn Jahre er- höht.
§. 960. a) Zeigen sich aber an dem Körper des Kindes tödtliche Verletzungen, ohne daß ein von der Mutter verübter Mord vollständig ausgemittelt ist: so soll dieselbe dennoch mit öffentlichem Staupenschlage und lebenswieriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 960. b) Ist zwar keine Spur tödtlicher Verletzung; wohl aber der Verdacht einer sonstigen unnatürlichen und lebensgefährlichen Behandlung gegen die Gebährerin, welche Schwangerschaft und Geburt verheimlicht hat, vorhanden: so findet gegen sie zwölf- bis fünfzehnjährige Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied statt.
§. 961. Ist ein Kind, welches nach §. 958. für vollständig zu achten, von einer Geschwächten, welche die Schwangerschaft nicht entdeckt hatte, heimlich geboren; dessen Körper aber von ihr dergestalt behandelt, oder weggeschafft worden, daß die ordnungsmäßige Untersuchung der Sachverständigen: ob das Kind bey der Geburt gelebt habe ? nicht mehr erfolgen kann: so hat die Gebährerin gleiche Strafe (§. 960. b) verwirkt.
§. 962. Ist sonst ausgemittelt, daß das Kind in der Geburt gelebt habe; die Mutter läugnet aber den Vorsatz, zu tödten, und kann dessen auch sonst nicht überführt werden: so soll die §. 960. a) bestimmte ordentliche Strafe wider sie statt finden.
§. 963. Der Beweis des Umstandes, daß das, erweislich ohne Schuld der Gebährerin, in oder nach der Geburt gestorbene Kind, ,der richterlichen Untersuchung durch einen von ihrer Seite unverschuldeten Zufall entzogen worden, kann dieselbe, wenn sie die Schwangerschaft nicht angezeigt, und heimlich geboren hat, von der §. 959. bestimmten acht- bis zehnjährigen Zuchthausstrafe nicht befreyen.
§. 964. Wenn es auch noch ungewiß ist: ob die Gebährerin das todte Kind vorsätzlich der richterlichen Untersuchung entzogen habe: so hat sie dennoch eine zehn- bis zwölfjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied verwirkt, wenn sie sowohl die Schwangerschaft als Geburt verheimlicht hat.
§. 965. Eine Mutter, die ihr neugebohrnes Kind bey oder nach der Geburt vorsätzlich tödtet (§. 806. und 826.), soll mit der Todesstrafe des Sehwerdts belegt werden.
§. 966. Jede vorsätzliche Unternehmung oder Veranstaltung der Mutter, welche den Tod ihres neugebornen Kindes, dem gewöhnlichen und ihr bekannten Laufe der Dinge gemäß, nach sich gezogen hat, ist mit dieser Strafe zu ahnden.
§. 967. Wenn eine Wöchnerin ihr Kind durch unterlassene Verbindung der Nabelschnur vorsätzlich verbluten läßt; oder demselben die nöthige Pflege und Wartung vorsätzlich entzieht: so wird sie als die Mörderin desselben angesehn. §. 968. Wenn zwar die gefährliche Behandlung des Kindes (§. 966.) erwiesen; aber nicht genugsam ausgemittelt ist, daß das Kind lebendig zur Welt gekommen sey, oder in der Geburt noch gelebt habe: so soll Staupenschlag und lebenswierige Festungsstrafe statt finden.
§. 969. Hat die Mutter ein lebendiges Kind an einem Orte, wo es nicht leicht gefunden werden kann, ausgesetzt, oder aussetzen lassen: so hat sie, wenn der Tod des Kindes dadurch verursacht worden, die Strafe des Schwerdts verwirkt.
§. 970. Bleibt das solchergestalt ausgesetzte Kind dennoch am Leben: so soll die Mutter sechs- bis zehnjährige Zuchthausstrafe leiden.
§. 971. Ist die Aussetzung an einem von Menschen gewöhnlich besuchten Orte, und mit solchen Anstalten geschehen, woraus der Vorsatz, das Leben des Kindes erhalten zu wollen, erhellet: so findet, je nachdem das Kind leben bleibt, oder umkommt, sechsmonatliche bis dreijährige Zuchthausstrafe statt.
§. 972. Ist die Gebährerin von ihren Aeltern zum Kindesmorde verleitet worden: so soll sie zwar mit der Todesstrafe verschont, aber nach vorgängigem Staupenschlag, mit lebenswieriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 973. Der Sohwängerer und die Aeltern, welche zur Verübung eines Kindermords angereizt haben, oder dazu behülflich gewesen sind, werden, wenn die That wirklich ausgeführt worden, mit dem Schwerdte hingerichtet.
§. 974. Hat aber jemand von ihnen ohne Zuthun der Mutter den Mord selbst verübt: so trifft ihn allemal die §. 826. bestimmte Strafe des Mordes.
§. 975. Sobald der Schwängerer wahrnimmt, daß die Geschwächte ihre Schwangerschaft oder Niederkunft zu verheimlichen vorhabe, muß er den Aeltern, Dienstherrschaften, oder andern Personen, bey denen die Geschwängerte sich aufhält, oder der öffentlichen Hebamme des Orts, oder der Obrigkeit selbst, davon Nachricht geben.
§. 976. Unterläßt er dieses und das Kind verunglückt: so hat ein solcher Schwängerer die Hälfte der Strafe, welche nach Unterschied der Fälle die Geschwängerte leiden muß, verwirkt.
§. 977. Wird aber die Mutter mit Todes-, lebenswieriger, oder zehnjähriger Zuchthausstrafe belegt: so soll gegen einen solchen Schwängerer fünf- bis acht- jährige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
§. 978. Hat der Schwängerer die Geschwächte zur Verheimlichung der Schwangerschaft und Niederkunft selbst aufgemuntert, verleitet, oder ihr dabey thätigen Beystand geleistet, so soll er mit der Geschwächten gleiche Strafe leiden.
§. 979. Doch soll, wenn gegen die Geschwächte Todes- oder lebenswierige Zuchthausstrafe erkannt wird, der Schwängerer in diesem Falle (§. 978.) mit zehnjähriger Festungsstrafe belegt, und der Vollstreckung des Todesurtels an der Geschwächten beyzuwohnen genöthigt werden.
§. 980. Hat ein Andrer die Geschwängerte in gesetzwidriger Verheimlichung der Schwangerschaft, oder Niederkunft, durch bestimmten Rath, oder thätigen Beystand begünstiget: so soll dergleichen Person die Hälfte der von der Hauptverbrecherin verwirkten Strafe leiden.
§. 981. Wird die Kindermörderin zum Tode, oder zu lebenswierigem Gefängnisse verurtheilt: so soll gegen diejenigen, welche die Verheimlichung der Geburt begünstigt haben, fünf- bis sechsjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden.
Bestimmung der Geschwängerten, welche nach diesen Vorschriften zu beurtheilen sind.
§. 980. Alles, was vorstehend gegen den Kindermord, und gegen die Verheimlichung der Schwangerschaft und Geburt verordnet ist, gilt in Ansehung aller Weibspersonen, die entweder niemals verheirathet gewesen, oder Wittwen, oder von ihren Männern geschieden sind.
§ 983. Auch verheirathete Weibspersonen sind nach diesen Gesetzen zu beurtheilen, wenn sie wenigstens Ein Jahr lang von ihren Männern entfernt gelebt haben; oder wenn sie sonst, aus Bewußtseyn eines unehelichen Beyschlafs, ihre Schwangerschaft und Geburt verheimlichen.
§. 984. Wenn Ehefrauen ihre eheliche Kinder ermorden, so tritt die §. 874. bestimmte Strafe ein.
§. 985. Weibspersonen, welche sich eines Mittels bedienen, die Leibesfrucht abzutreiben, haben schon dadurch Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis Ein Jahr verwirkt.
§. 986. Ist durch solche Mittel eine Leibesfrucht innerhalb der ersten dreyßig Wochen der Schwangerschaft wirklich abgetrieben worden: so soll die Thäterin mit Zuchthausstrafe auf zwey bis sechs Jahre belegt werden.
§. 987. Hat aber eine Weibsperson, durch der- gleichen oder andere gewaltsame Mittel, den Tod der Leibesfrucht nach der dreyßigsten Woche ihrer Schwangerschaft befördert: so soll dieselbe acht- bis zehnjährige Zuchthausstrafe leiden.
§. 988. Wer durch schädliche Medicin, oder auf andre Art, zur Abtreibung eines Kindes vorsätzlich Hülfe leistet, wird mit gleicher Strafe, wie die Mutter selbst, belegt.
§. 989. Personen, welche sich schon mehrerer solcher Verbrechen schuldig gemacht haben, sollen, wenn sie auch dafür noch nicht bestraft worden, zur Staupe geschlagen, und lebenslang auf die Festung gebracht werden.
§. 990. Ist die Abtreibung von einem Dritten ohne Wissen und Willen der Mutter veranstaltet worden: so hat der Thäter zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 991. Sind in der Absicht, eine Weibsperson unfruchtbar zu machen, schädliche Arzeney- oder andre Mittel gebraucht, oder gegeben worden: so findet gegen den Thäter Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf zwey bis vier Jahre statt.
Zwölfter Abschnitt. Von fleischlichen Verbrechen
§. 992. Aeltern und Erzieher müssen ihre Kinder und Zöglinge gegen das verderbliche Laster der Unzucht durch wiederholte lebhafte Vorstellungen der unglücklichen Folgen desselben warnen, und sie zu einem ehrbaren sittsamen Lebenswandel ernstlich anweisen.
§. 993. Solchen Aeltern, Vormündern, und Erziehern, welche ihre Untergebenen durch ärgerliche Reden und Handlungen zur Wollust reizen, oder ihren Hang zu Ausschweifungen begünstigen, sollen die Rechte der Erziehung, und die damit verknüpften Vortheile genommen werden.
§. 994. Die Aeltern sollen alsdann das Recht des Nießbrauchs von dem Vermögen ihrer Kinder; die Vormünder die ihnen sonst zukommende Belohnung; und die Erzieher ihr Amt oder ihren Gehalt verlieren.
§. 995. Gesinde und Hausgenossen, welche unschuldige Kinder durch unzüchtige Reden, Erzählungen, oder Handlungen, zu Ausschweifungen der Wollust reizen, sollen mit willkürlicher körperlicher Züchtigung, Gefängniß-, oder Zuchthausstrafe, bis zu sechs Monathen, belegt werden.
§. 996. Kuppler und Kupplerinnen, welche junge Leute, oder auch verheirathete Personen, zu Ausschweifungen verführen, ihnen dazu Gelegenheit verschaffen, oder sonst beförderlich sind, haben Zuchthaus- oder andere Strafarbeit, auf sechs Monathe bis zwey Jahre verwirkt.
§. 997. Haben sie aus dergleichen Kuppeleyen ein Gewerbe gemacht: so soll zwey- bis dreyjährige Zuchthausstrafe eintreten; diese mit Willkommen und Abschied geschärft; und ein dergleichen Verbrecher, nach deren Erduldung, aus seinem bisherigen Aufenthaltsorte für immer verbannt werden.
§. 998. Haben Eltern, Erzieher oder Erzieherinnen, oder Andere, deren Aufsicht junge Personen anvertrauet sind, sich einer solchen schändlichen Verkuppelung ihrer Kinder, Zöglinge, oder Untergebenen schuldig gemacht: so wird die Dauer der an sich verwirkten Zuchthausstrafe gegen sie verdoppelt.
§. 999. Liederliche Weibespersonen, welche mit ihrem Körper ein Gewerbe treiben wollen; müssen sich in die unter der Aufsicht des Staats geduldten Hurenhäuser begeben.
§. 1000. Dergleichen öffentliche Häuser sind nur in großen volkreichen Städten, und nicht anders als in abgelegenen, und von öffentlichen Wegen und Straßen entfernten Orten zu dulden.
§. 1001. Aber auch in diesen soll sich niemand, bey ein- bis zweyjähriger Zuchthausstrafe, unterfangen, eine dergleichen Hurenwirthschaft ohne ausdrück liche Zulassung der Polizeyobrigkeit des Orts anzu legen.
§. 1002. Die Polizey muß dergleichen Häuser unter beständiger ganz genauer Aufsicht halten; und öftere Visitationen mit Zuziehung eines Arztes darinn vor- nehmen; auch alles anwenden, was zu Vermeidung der weitern Verbreitung venerischer Krankheiten dienlich ist.
§. 1003. Auch muß die Polizey den Verkauf berauschender Getränke in dergleichen Häusern nicht gestatten.
§. 1004. Ohne Vorwissen und Erlaubniß der Polizey, muß kein Hurenwirth oder Hurenwirthin, bey fünfzig Thaler Strafe für jeden Uebertretungsfall, eine Weibsperson aufnehmen.
§. 1005. Ist eine unschuldige Person, durch List oder Gewalt, in ein solches Haus mit Vorwissen oder Genehmigung des Wirths gebracht worden: so hat letzterer öffentliche Ausstellung, und sechs- bis zehnjährige Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied verwirkt.
§. 1006. Auch ist dergleichen Verbrechern unter keinerley Vorwande die weitere Betreibung einer solchen Wirthschaft zu verstatten.
§. 1007. Minderjährige Weibspersonen sollen in solche Häuser nicht aufgenommen, und wenn es dennoch ohne Meldung, oder gar wider das Verbot der Polizey geschehen ist, der Wirth oder die Wirthin mit Ein bis zweyjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1008. Befindet sich ein Weibsbild in einem solchen Hause schwanger: so muß die Hurenwirthin der Polizeyobrigkeit davon sofort, als solches zu ihrer Wissenschaft gelangt, Anzeige thun.
§. 1009. Unterläßt sie dieses; und es erfolgt eine heimliche Geburt, oder gar ein Kindermord: so hat die Hurenwirthin, bloß der unterlassenen Anzeige wegen, die §. 928. bestimmte Strafe verwirkt.
§. 1010. Die Verpflegung einer solchen Person während der Wochen muß die Hurenwirthin besorgen, wenn, keine öffentliche Anstalt zur Verpflegung der Wöchnerin vorhanden ist.
§. 1011. Es bleibt aber derselben vorbehalten, deren Ersatz von dem Schwängerer, oder, wenn dieser nicht auszumitteln ist, von der Mutter selbst, oder aus der Armencasse zu fordern.
§. 1012. Sobald das Kind entwöhnt worden, muß selbiges der Mutter weggenommen, und auf Kosten derjenigen, welche nach Vorschrift des Zweyten Titels §. 612-632. dazu verbunden, und des Vermögens sind, sonst aber auf öffentliche Kosten, verpflegt und erzogen werden.
§. 1013. Wird eine Weibsperson in einem der- gleichen Hause mit einer venerischen Krankheit befallen: so muß es die Wirthin der Polizey sofort anzeigen, und nach deren Anordnung, für die Cur und Verhütung des weitern Ansteckens sorgen.
§. 1014. Unterläßt sie dieses: so hat sie das erstemal Gefängnißstrafe auf drey Monathe; im Wiederholungsfalle aber sechsmonatliche Zuchthausstrafe, mit Willkommen und Abschied verwirkt.
§. 1015. Hat die angesteckte Weibsperson ihre Krankheit verschwiegen, und dadurch zur weitern Ausbreitung des Uebels Anlaß gegeben: so soll sie mit Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis Ein Jahr, nebst Willkommen und Abschied, belegt werden.
§. 1016. Ueberhaupt muß die Polizey die Verbreitung der venerischen Krankheit durch schickliche Anstalten zu verhüten suchen.
§. 1017. Sind in einem solchen Hause Diebstähle, Schlägereyen, oder andere Verbrechen vorgefallen: so ist der Wirth dem Beschädigten, der auf andere Weise zu seiner Schadloshaltung nicht gelangen kann, dafür allemal verhaftet.
§. 1018. Auch ist derselbe der Theilnehmung an dem Verbrechen selbst so lange verdächtig, als das Gegentheil nicht ausgemittelt werden kann.
§. 1019. Haben die Hurenwirthe, zur Verhütung solcher Verbrechen, nicht alle mögliche Mittel und Sorgfalt angewendet: so sollen sie, nach Verhältniß der begangenen Fahrläßigkeit, mit Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 1020. Der Austritt aus dem Hurenhause darf keiner darin bisher befindlich gewesenen Weibsperson, die ihre Lebensart ändern, und sich auf eine ehrbare Weise nähren will, verschränkt oder erschwert werden.
§. 1021. Selbst wegen gegebener Vorschüsse, oder sonst gemachter Schulden, darf der Wirth eine solche Person, bey Verlust der Forderung, wider ihren Willen nicht zurückhalten.
§. 1022. Alles, was bisher §. 1000-1021. verordnet worden, findet sowohl wegen der Hurenwirthe, als Wirthinnen statt.
§. 1023. Weibspersonen, die von der Hurerey ein Gewerbe machen, ohne sich ausdrücklich unter die besondere Aufsicht der Polizey zu begeben, sollen aufgegriffen, und zu dreymonatlicher Zuchthausarbeit verurtheilt werden.
§. 1024. Nach ausgestandener Strafe sind sie in Arbeitshäuser abzuliefern, und daselbst so lange zu verwahren, bis sie zu einem ehrlichen Unterkommen Lust und Gelegenheit erhalten.
§. 1025. Doch sollen Personen, welche sonst die §. 1023. 1024. bestimmte Strafe verwirkt haben, mit selbiger verschont werden, wenn sie ihre Schwangerschaft gehörig anzeigen, und sich bey ihrer Niederkunft vorschriftsmäßig verhalten.
§. 1026. Alle nicht in Hurenhäusern lebende Personen, welche wissen, daß sie mit einer venerischen Krankheit behaftet sind, aber dennoch sich mit Andern fleischlich vermischen, und wieder damit anstecken, haben eine dreymonatliche Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1027. Die übrigen Folgen des unehelichen Beyschlafs sind im eilften Abschnitte des zweyten Titels bestimmt.
§. 1028. Hausbediente, welche die Tochter oder andre Verwandtin ihrer Herrschaft, mit welcher, wegen Ungleichheit des Standes, eine Heirath nicht statt finden kann, verführen und schwächen, sollen mit Zuchthausstrafe, auf Ein bis drey Jahr, nebst Willkommen und Abschied belegt werden.
§. 1029. Ist keine solche Ungleichheit des Standes vorhanden: so soll nur auf sechsmonatliche bis einjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt wer- den.
§. 1030. Wenn Aufseher eines Gefängnisses, Arbeits-, Armen- oder Waysenhauses, die unter ihrer Verwahrung oder Aufsicht stehenden Personen zur Befriedigung ihrer Geilheit mißbrauchen: so sollen sie ihres Amtes verlustig erklärt, und über dieses mit sechsmonatlicher, bis zweyjähriger Gefängniß- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1031. Erzieher, Prediger, und andre Lehrer, welche die ihrer Erziehung oder ihrem besondern Unterrichte anvertraute Personen schänden, werden zu allen öffentlichen Aemtern, Würden und Ehrenstellen für immer unfähig.
§. 1032. Außerdem haben sie Festungs- oder Zuchthausstrafe, auf zwey bis vier Jahre verwirkt.
§. 1033. Stiefältern, welche ihre Stiefkinder, noch während des Lebens des andern Ehegatten, zur Unzucht verführen, sollen gleiche Strafe leiden.
§. 1034. Ist dieses (§. 1033.) nach dem Tode des andern Ehegatten geschehen: so findet nur die Hälfte der §. 1032. bestimmten Strafe statt.
§. 1035. Wenn Stiefkinder mit Stiefältern Unzucht treiben: so wird in der Regel angenommen, daß erstere von letztern dazu verführt worden; und die Stiefkinder sind sodann mit aller Strafe zu verschonen.
§. 1036. Ist aber das Gegentheil klar: so sollen sowohl die Stiefältern, als die Stiefkinder, im Falle des §. 1033. mit ein- bis zweyjähriger, im Falle des §. 1034. aber mit sechs- bis zwölfmonathlicher Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1037. Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlnen Unzucht treiben, werden im zweifelhaften Falle als Verführer angesehn, und mit ein- bis zweyjähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt.
§. 1038. Ist das Gegentheil klar: so findet gegen sie nur eine willkührliche Strafe statt.
§. 1039. Aeltern und Großältern, welche ihre eheliche Kinder oder Enkel zur Unzucht mißbrauchen, sollen mit Festungsstrafe, auf drey bis fünf Jahre, belegt werden.
§. 1040. In solchem Falle soll gegen die Kinder, welche das achtzehnte Jahr zurückgelegt haben, eine sechsmonathliche bis einjährige Zuchthausstrafe erkannt; jüngere Kinder aber sollen mit der Strafe verschont werden.
§. 1041. Unzucht unter schon mannbaren ehelichen Geschwistern, voller oder halber Geburt, wird mit Festungs- oder Zuchthausstrafe, auf ein bis zwey Jahre geahndet.
§. 1042. Blutschande unter unehelichen Verwandten dieser Art, (§. 1039-1041.) soll an demjenigen, welcher die Verwandschaft gewußt hat, willkührlich (§. 35.) bestraft werden.
§. 1043. In allen vorstehend bestimmten Fällen (§. 1039-1042.) müssen die Personen, welche Blutschande getrieben haben, von einander gänzlich entfernt werden.
§. 1044. Um aber dergleichen Unheil mit desto mehrerer Sicherheit zu verhüten, sollen Aeltern mit ihren Kindern verschiedenen Geschlechts, die schon zehn Jahr oder darüber alt sind, nicht in Einem Bette schlafen.
§. 1045. Auch Geschwistern verschiedenen Geschlechts, soll dergleichen Zusammenschlafen, sobald das jüngere das zehnte Jahr vollendet hat, nicht gestattet werden.
§. 1046. Die Uebertretung dieser Vorschrift ist, so lange noch kein Verbrechen begangen worden, an den Aeltern durch gerichtlichen Verweis, und im Wiederholungsfalle, mit verhaltnißmäßiger willkührlicher Gefängnißstrafe zu ahnden.
§. 1047. Ist aber zwischen Geschwistern, durch Nachsicht der Aeltern, wirkliche Unzucht veranlaßt worden: so haben letztere, nach Beschaffenheit der Umstände, die den Kindern §. 1040. bestimmte Strafe ganz oder zur Hälfte verwirkt.
§. 1048. Wer eine unschuldige Frauensperson durch Getränke oder andre Mittel ihrer Sinne beraubt, um sie zur Wollust zu mißbrauchen, soll, wenn er auch seinen Zweck nicht erreicht, mit drey- bis sechsmonatlicher, wenn aber die Schandthat wirklich verübt worden, mit vier- bis sechsjähriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1049. In so fern dadurch der Gesundheit geschadet, oder ein Wahnsinn verursacht worden: treten die wegen der Liebestränke oben §. 867. bis 869. bestimmten Strafen hinzu.
§. 1050. Wer dergleichen Person durch Arglist und betrügliche Kunstgriffe zur Wollust verführt, soll, außer der ihr schuldigen Privatgenugthuung, sechs- monatliche bis einjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe leiden.
§. 1051. Wer durch gefährliche Bedrohungen des Lebens, oder der Gesundheit, unter Umständen, wo deren Erfüllung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, eine Frauensperson zu seinem Willen nöthigt, gegen den soll Festungsstrafe auf drey bis fünf Jahre statt finden.
§. 1052. Wer mit unwiderstehlicher Gewalt eine Person, die über zwölf Jahre alt ist, nothzüchtigt, soll sechs- bis achtjährige Festungstrafe leiden.
§. 1053. Ist die Geschändete unter zwölf Jahren: so hat der Thäter acht- bis zehnjährige Festungsstrafe verwirkt.
§. 1054. Jede an einer solchen unerwachsenen Person verübte Unzucht wird als Nothzüchtigung angesehen; und, wenn ein eigentlicher Zwang zur Gestattung des Beyschlafs nicht ausgemittelt ist, mit drey bis fünf Jahren Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe belegt.
§. 1055. In allen Fällen wird die Dauer der Strafe, verhältnißmäßig, bis zu zehn und zwölf Jahren verlängert, wenn die Geschändete, durch die an ihr verübte Gewalt, an ihrer Gesundheit erheblich und dauernd gelitten hat.
§. 1056. Ist der Tod durch die gewaltsame Mißhandlung verursacht worden: so tritt die Strafe des Schwerdtes ein.
§. 1057. Es macht in Ansehung der Strafe keinen Unterschied: ob das Verbrechen gegen eine verheirathete oder unverheirathete Person verübt worden sey.
§. 1058. Doch findet verhältnißmäßige Minderung der Strafe statt, wenn die genothzüchtigte Person schon vorher in dem Rufe einer schlechten liederlichen Lebensart gestanden hat.
§. 1059. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß außer der durch die Gesetze bestimmten Strafe, der Verbrecher der Beleidigten zur Privatgenugthuung verpflichtet sey.
§. 1060. Wenn die Beleidigten dergleichen Verbrechen nicht rügen, und wenn dadurch auch kein öffentliches Aergerniß gegeben worden: so findet keine richterliche Untersuchung von Amts weger statt.
§. 1061. Ein jeder Ehebruch wird, jedoch nur auf Antrag des beleidigten Ehegatten, mit den im Ersten Titel §. 766. sqq. geordneten Strafen geahndet.
§. 1062. Wird durch dergleichen Verbrechen eine Ehe wirklich getrennt: so soll der Ehemann, welcher sich dessen mit einer ledigen Weibsperson schuldig gemacht hat, willkührliche Gefängnißstrafe leiden.
§. 1063. Hat aber eine Ehefrau, durch den mit einer ledigen Mannsperson getriebenen Ehebruch, zur Trennung der Ehe Anlaß gegeben: so soll gegen sie Gefängniß- oder Zuchthausstrafe auf drey bis sechs Monathe statt finden.
§. 1064. Sind in gleichem Falle beyde den Ehebruch begehende Theile verheirathet gewesen: so haben beyde sechsmonathliche bis einjährige Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1065. In allen Fällen, wo auf gewisse Arten der Unzucht Criminalstrafen verordnet sind, müssen selbige geschärft werden, wenn das Verbrechen von einer verheiratheten Person begangen worden.
§. 1066. Wer vor Trennung einer Ehe wissentlich und vorsätzlich eine andre vollzieht, soll mit ein- bis zweijähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt werden.
§. 1067. Auch wer selbst noch unverheirathet ist, aber wissentlich eine bereits verehelichte Person hei rathet, hat eine sechsmonatliche bis einjährige Zucht hausstrafe verwirkt.
§. 1068. Wer sich fälschlich für unverheirathet ausgiebt, und dadurch einen Andern zu einer solchen nichtigen Ehe verleitet, soll mit dreyjähriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1069. Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.
§. 1070. Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.
§. 1071. Wer jemanden zu dergleichen unnatürlichen Lastern verführt und mißbraucht, der ist doppelter Strafe schuldig.
§. 1072. Machen sich Aeltern, Vormünder, Lehrer oder Erzieher dieses Verbrechens schuldig: so soll gegen dieselben vier- bis achtjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied statt finden.
Dreyzehnter Abschnitt. Von Beleidigungen der Freyheit
§. 1073. Niemand soll ohne Recht die persönliche Freyheit eines Andern beeinträchtigen.
§. 1074. Auch im Falle des Züchtigungsrechtes ist keine längere als acht und vierzigstündige Einsperrung erlaubt.
§. 1075. Landstreicher, Bettler, versteckte Schuldner, flüchtige Verbrecher, ingleichen Personen, welche mit gefährlichen Unternehmungen umgehen, können so lange, bis die obrigkeitliche Hülfe haben ist, auch von Privatpersonen mit Gewalt angehalten und festgenommen werden.
§. 1076. Es muß aber die Anzeige oder Ablieferung an die Obrigkeit sofort, und längstens binnen vier und zwanzig Stunden erfolgen.
§. 1077. Wer außer diesen Fällen (§. 1075. und 1076.) und außer seinem Amte, einen Menschen, der seines Verstandes mächtig ist, mit Gewalt festhält, einsperret, oder Wider seinen Willen zu etwas nöthiget, oder die Vorschriften des §. 1076. übertritt, hat, wenn auch keine in den folgenden Gesetzen bestimmte erschwerende Umstände eintreten, dennoch eine Gefängniß-, Zuchthaus- oder Festungsstrafe von vierzehn Tagen bis zu sechs Monathen verwirkt.
§. 1078. Hat eine dergleichen Beraubung der Freyheit über drey Tage gedauert: so treten die in Ansehung der Privatgefängnisse ertheilten Vorschriften ein.
§. 1079. Niemand soll, ohne Vorwissen des Staats, Privatgefängnisse, Zucht- oder Irrenhäuser anlegen.
§. 1080. Wer sich dessen unterfängt, hat bloß dadurch einhundert bis dreyhundert Thaler Geld- oder verhältnißmäßige Gefängnjßstrafe verwirkt.
§. 1081. Wer jemanden in einem dergleichen Gefängnisse hält, oder dahin abliefert, soll, wenn auch keine erschwerenden Umstände eintreten, und noch kein Schade entstanden ist, ein- bis zweyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe leiden.
§. 1082. Hat jemand dadurch Leben, Verstand, oder Gesundheit verloren: so sollen die §. 797-801. bestimmten Strafen eintreten.
§. 1083. Wer Kinder ihren Aeltern raubt, oder vorenthält, um sie in einer andern Religion zu erziehen, soll so lange zu gefänglicher Haft gebracht werden, bis er dieselben wieder herbeyschafft.
§. 1084. Diese Strafe kann bey hartnäckiger Weigerung, den Aufenthalt des geraubten Kindes anzugeben, durch Einsperrung bey Wasser und Brod, und durch körperliche Züchtigung geschärft werden.
§. 1085. Auch wenn die Kinder wieder herbeygeschafft worden, und keinen Schaden erlitten haben, soll er dennoch mit willkührlicher doch empfindlicher Leibesstrafe belegt werden.
§. 1086. Diese Strafe kann bis zu zweyjähriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe erstreckt; und muß, wenn die geraubten Kinder Schaden genommen haben, nach Vorschrift des §. 1082. verschärft werden.
§. 1087. Wer sich der Person eines andern bemächtigt, um durch die Entfernung desselben sich gewisse Vortheile zu verschaffen, oder ihm, oder seinen Ange
hörigen, wegen vermeintlich erlittner Beleidigung, Unannehmlichkeitenzu verursachen, der begeht einen Menschenraub.
§. 1088. Unbefugte gewaltsame Werber; Bettler und Bettlerinnen, welche Kinder, stehlen, um sich deren zum Betteln zu bedienen; ingleichen diejenigen, welche sich der Kinder bemächtigen, am sie zu berauben, machen sich dieses Verbrechens schuldig.
§. 1089, Wer einen Menschenraub begeht, soll so lange mit Gefängniß- oder Festungsarrest belegt wer- den, bis der Geraubte seine Freyheit wieder erlangt hat.
§. 1090. Wird der Geraubte wieder frey: so findet gegen den Räuber, nach Verhältniß der Zeit, während welcher der andere seiner Freyheit beraubt gewesen, und der übrigen demselben wiederfahrnen bessern oder schlechtem Behandlung, drey- bis zehnjährige Festungsstrafe statt.
§. 1091. Ist keine Hofnung, daß der Geraubte wieder in Freyheit kommen werde: so muß der Räuber lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 1092. Diese Strafe wird bis auf zehn Jahre vermindert, wenn der Geraubte dennoch wieder frey, oder wenn zuverläßig bekannt wird, daß sich derselbe in keiner unglücklichen Lage befinde.
§. 1093. Dagegen hat der Räuber die Strafe des Schwerdts verwirkt, wenn durch den Raub der Tod des Geraubten veranlaßt worden, und der Räuber die Todesgefahr vermuthen können.
§. 1094. Uebrigens finden auch bey diesen Verbrechen die Vorschriften des §. 1082. Anwendung.
§. 1095. Wer ein Frauenzimmer wider ihren und ihres Vaters, Vormundes, oder Ehegatten Willen, in der Absicht sie um ihre Ehre zu bringen,, entführt, und die Entehrung wirklich vollzieht: der soll mit achtjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1096. Ist die Entehrung noch mcht erfolgt, und die Entführte nicht gemißhandelt worden: so findet eine zwey- bis dreyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt.
§. 1097. Ist die Entführte gemißhandelt worden: so soll, nach Beschaffenheit dieser Mißhandlungen, und je nachdem die Entehrung hinzugekommen ist, oder nicht, eine vier- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe erkannt werden.
§. 1098. Ist zu der Entführung wirkliche Nothzucht hinzugekommen; oder der Verlust der Gesundheit bey der Entführten dadurch veranlaßt worden: so soll der Thäter lebenswierige Festungsstrafe leiden.
§. 1099. Ist dureh die Entführung der Tod des Geraubten veranlaßt worden: so hat der Entführer die Strafe des Schwerdtes verwirkt.
§. 1100. Hat jemand eine Person zwar in der Absicht, sie zu heirathen, und mit ihrer eigenen Einwilligung, aber doch gegen den Willen dererjenigen, deren Consens zur Gültigkeit einer Ehe nach den Gesetzen nothwendig ist, entführt: so soll er, je nach- dem letztere, ihre Einwilligung in die Heirath zu versagen, an sich mehr oder weniger Grund gehabt, mit Gefängniß- oder Festungsstrafe auf sechs Monathe bis zu zwey Jahren belegt werden.
§» 1101. Erfolgt die Einwilligung obgedachter Personen nach vollbrachter That: so findet nur eine willkührliche (§. 35.) Gefängnißstrafe statt.
§. 1102. Verweigern dieselben ihre Einwilligung: so wird, auf den Fall, daß die Entführte zugleich entehrt worden, die nach §. 1100. verwirkte Strafe verdoppelt.
§. 1103. a) Auch soll auf den Antrag dieser Personen (§. 1100.) gegen diejenige Person, welche sich gutwillig hat entführen lassen, eine willkührliche (§. 35.) Gefängniß- oder Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1103. b) In allen Fällen, da mehrgedachte Personen die gerichtliche Untersuchung eines solchen Vorfalls verbitten, um den größern Nachtheil, welchen das damit verbundene Aufsehen der Familie zuziehen möchte, zu vermeiden, soll der Richter diesem Gesuche willfahren.
§. 1104. Ist die Entführung einer Person, die nicht unter Aeltern, Vormündern, u. s. w. steht, wider den eignen Willen derselben, aber in der Absicht, sie zu ehelichen, geschehen: so soll, wenn auch sonst keine erschwerende Umstände eintreten, die §. 1100. verordnete Strafe verdoppelt; und wenn andre Gewaltthätigkeiten hinzugekommen sind, auch in einem solchen Falle die Vorschrift §. 1097. 1098. 1099. beobachtet werden.
Vierzehnter Abschnitt. Von Beschädigung des Vermögens überhaupt und von Entwendung insonderheit
§. 1105. Niemand soll, ohne Recht, den Andern an seinem Eigenthume oder Vermögen beschädigen.
§. 1106. Wer dieses thut, der soll, außer dem Schadensersatze, je nachdem die Beschädigung aus Fahrlässigkeit; oder vorsätzlich, in der Absicht sich zu bereichern; oder aus Bosheit, Rache, oder Muthwillen zugefügt worden, verhältnißmäßige Strafe leiden.
§. 1107. Beschädigungen aus Fahrlässigkeit ziehen, außer dem Schadensersatze, zugleich Strafe nach sich, wenn der Beschädiger dabey gegen ein ausdrückliches Polizeygesetz gehandelt hat.
§. 1108. Wer um seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses willen, eine bewegliche Sache aus dem Besitze eines Andern ohne dessen Vorbewußt oder Einwilligung entwendet, der macht sich eines Diebstahls schuldig.
§. 1109. In der Natur und Bestrafung des Diebstahls macht es keinen Unterschied: ob die Sache dem wahren Eigenthümer, oder einem bloßen Besitzer entwendet worden.
§. 1110. Auch derjenige, welcher seine eigne Sache einem Andern, welchem auf deren Besitz, Genuß, oder Verwahrung ein Recht zukommt, in der Absicht, mit dem Schaden desselben sich Vortheile zu verschaffen, entwendet, begeht einen Diebstahl.
§. 1111. Auch an Sachen, die noch nicht in dem Besitze einer gewissen bestimmten Person sich befinden, wird ein Diebstahl begangen, wenn die Entwendung ohne Vorwissen oder Einwilligung desjenigen geschieht, welchem das Recht zukommt, Andre von der Besitznehmung auszuschließen.
§. 1112. Die Absicht, sich mit dem Schaden eines Andern Vortheil zu verschaffen, wird bey einer jeden Entwendung vermuthet.
§. 1113. Doch kann diese Vermuthung schon durch das Verhältniß der Personen gegen einander, oder durch die besondern Umstände, welche bey der Handlung vorkommen, ausgeschlossen werden.
§. 1114. Ob der gesuchte Vortheil erreicht worden sey, oder nicht, macht in der Bestrafung keinen Unterschied, sobald nur der Dieb die entwendete Sache in seine Gewahrsam genommen hat.
§. 1115. Wenn jemand etwas entwendet, um sich oder Andere aus dringender Leibes- oder Lebensgefahr zu retten: so soll der Fall von dem Richter höhern Orts zur Begnadigung des Thäters angezeigt werden.
§. 1116. Die Wiederherbeyschaffung oder Erstattung des Entwendeten wirkt nur in so weit, als sie freywillig, ohne Zuthun des Richters, und ohne Schaden eines Dritten geschieht, eine Minderung der Strafe.
§. 1117. Kann die Erstattung, oder der Ersatz, auf andre Weise nicht geleistet werden: so ist der Entwender, auf den Antrag des Beschädigten, in einer öffentlichen Anstalt, oder sonst, so lange zu arbeiten schuldig, bis von seinem Erwerbe die Schadloshaltung erfolgen kann.
§. 1118. Ist das, was der Verbrecher durch seine Arbeit erwirbt, zu dessen nothdürftiger Unterhaltung nicht hinreichend: so muß der Beschädigte, welcher, seines Privatinteresse wegen, auf Verlängerung des Verhafts anträgt, das Fehlende zuschießen.
§. 1119. Ist die Entwendung nicht aus Gewinnsucht geschehen: so findet zwar nicht die Strafe des Diebstahls, wohl aber diejenige statt, welche der Thäter nach seiner anderweitigen unerlaubten Absicht verwirkt hat. (Abschn. XVI.)
§. 1120. Wenn jemand, um sich zu seinem vermeintlichen Rechte zu verhelfen, unbefugter Weise Sachen in Besitz nimmt: so treten die Strafen der unbefugten Selbsthülfe ein. (§. 157. sqq.)
Gemeiner Diebstahl ohne erschwerende Umstände.
§. 1121. Ein Diebstahl, welcher ohne Anwendung einiger Gewalt, und ohne besonders erschwerende Umstände verübt worden, wird gemeiner Diebstahl genannt.
§. 1122. Gemeiner Diebstahl an Eßwaaren oder Getränken, blos zu eignem Gebrauch des Entwenders, soll nur polizeymäßig untersucht werden.
§. 1123. Je nachdem bloße Lüsternheit, oder wirkliches Bedürfniß, die Veranlassung des Diebstahls gewesen ist, soll körperliche Züchtigung, Strafarbeit auf vier und zwanzig Stunden bis acht Tage, oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe stattfinden.
§. 1124. Andrer gemeiner Diebstahl ist, wenn der Werth des wirklich Entwendeten fünf Thaler oder weniger beträgt, nur eben so polizeymäßig zu untersuchen, und mit Gefängniß auf acht Tage bis vier Wochen zu ahnden.
§. 1125. Beläuft sich der Werth oder Betrag des durch bloßen gemeinen Diebstahl Entwendeten über fünf Thaler: so soll der Dieb mit Strafarbeit, oder Zuchthausstrafe, von vier Wochen bis zu zwey Jahren belegt werden.
§. 1126. Je nachdem der Werth oder Betrag des Entwendeten höher, oder niedriger; die Verheelung des Diebstahls, nach Beschaffenheit der Sache, leichter, oder schwerer; und die innere Moralität der Handlung selbst größer oder geringer gewesen ist, muß die Dauer der Strafe, in jedem Falle, von dem Richter nach obiger Anweisung §. 1125. bestimmt werden.
§. 1127. Wenn ein Erbe aus einer liegenden oder noch ungeteilten Erbschaft etwas entwendet, um sich dadurch, mit dem Schaden seiner Miterben, oder der Erbschaftsgläubiger, einen Vortheil zu verschaffen: so muß er nicht nur vollkommnen Ersatz leisten, sondern auch den doppelten Werth der entwendeten Sache der Armencasse als Strafe erlegen.
§. 1128. Kann er diese Geldstrafe nicht aufbringen: so muß er als ein gemeiner Dieb bestraft; und dabey auf die Quantität dessen, was durch den Diebstahl den Miterben und Gläubigern entzogen werden sollen, Rücksicht genommen werden.
§. 1129. Entwendet der Erbe eine zum Vermächtniß bestimmte Sache: so ist er deshalb einem andern Diebe gleich zu achten.
§. 1130. Uebrigens ist der, welcher gemeinschaftliche Sachen entwendet, in Ansehung dessen, was ihm nicht gebührt, als Dieb anzusehen.
§. 1131. Wenn ein Handlungsgesellschafter den andern bestiehlt: so ist die That einem Hausdiebstahle (§. 1137. sqq.) gleich zu achten.
§. 1132. Wie einer, welcher sich gefundene Sachen widerrechtlich zueignet, zu bestrafen sey: ist am gehörigen Orte bestimmt. (Th. I. Tit. IX. §. 70-73.)
§. 1133. Entwendungen, welche unter Aeltern und Kindern, unter Ehegatten, oder unter Geschwistern vorgefallen sind, sollen als Diebstahl nicht angesehen, noch von Amts wegen untersucht oder bestraft werden.
§. 1134. Ein Gleiches gilt von andern Anverwandten, welche sich in einer gemeinschaftlichen Hauswirthschaft befinden.
§. 1135. Nicht minder von Diebstählen, welche von Pflegebefohlnen und Zöglingen an ihren Vormündern, Pflegevätern, und andern Erziehern, oder an deren Hausgenossen begangen worden.
§. 1136. Wird aber die Entwendung von demjenigen gerügt, unter dessen Hauszucht der Verbrecher steht: so muß dieselbe an dem Thäter, gleich jedem andern gemeinen Diebstahle bestraft werden.
§. 1137. Kleine Hausdiebstähle, welche von Gesinde und Hausgenossen, an demjenigen, in dessen Lohn oder Brod sie stehen, oder an dessen Hausgenossen verübt worden, ist der Richter von Amts wegen zu untersuchen, und zu bestrafen nicht schuldig.
§. 1138. Es stehet dem Hausvater frey, den Entwender seines Dienstes sofort zu entlassen. (Tit. V. §. 120.)
§. 1139. Wird aber der Diebstahl von ihm gerügt: so soll auf Strafarbeit oder Gefängnißstrafe nach Vorschrift des §. 1122. 1124. erkannt; und diese Strafe durch eine mäßige körperliche Züchtigung, am Anfange und Ende derselben, geschärft werden.
§. 1140. Bey größern Hausdiebstählen, wird die an sich verwirkte Strafe des gemeinen Diebstahls nicht nur um die Hälfte der Dauer, nämlich von sechs Wochen bis auf drey Jahre, verlängert; sondern auch mit Willkommen und Abschied geschärft.
§. 1141. Eine gleiche Verlängerung und Schärfung der Strafe soll erkannt werden, wenn Sachen die nicht unter genauer Aufsicht und Verwahrung gehalten werden können, entwendet worden.
§. 1142. Diese Strafe findet also statt, wenn in Feuers-, Wassers- oder Kriegesnoth, an den geretteten, oder vor dem Feinde geflüchteten Sachen ein gemeiner Diebstahl begangen worden.
§. 1143. Ferner alsdann, wenn ein solcher Diebstahl an Thieren auf der Weide; an Ackergeräthschaften, die auf dem Felde stehen zu bleiben pflegen; an Bienenstöcken; oder an Feld- und Gartenfrüchten, die noch nicht gesammelt sind, verübt wird.
§. 1144. Ein Gleiches findet statt, bey Entwendungen des im Walde oder an der Ablage stehenden, so wie des Schwemm- und Flößholzes.
§. 1145. Wilddiebereyen, die ohne Schießgewehr, Netze, öder Schlingen verübt sind, werden als gemeiner; wenn sie aber mit dergleichen Werkzeugen verübt worden, als ein schwerer; und an Personen, welche ein Gewerbe daraus machen, als ein gewaltsamer Diebstahl gestraft.
§. 1146. Eben das gilt von Entwendungen der Fische aus Hälten, Privatseen, oder Teichen.
§. 1147. Auf Entwendungen der Fische aus fliessenden Wässern, in welchen jemanden die Fischereygerechtigkeit zusteht, oder aus großen Landseen, findet die Strafe des bloßen gemeinen Diebstahls statt.
§. 1148. Ein Diebstahl, der bey Nachtzeit verübt worden, muß schärfer bestraft werden, als derjenige, welcher am Tage begangen ist.
§. 1149. Ist den Kirchen, milden Stiftungen, Staats- oder andern öffentlichen Cassen, oder Magazinen, oder auch den Posten, durch gemeinen Diebstahl etwas entwendet worden: so muß die Dauer der Zuchthausstrafe auf acht Wochen bis vier Jahre bestimmt, und dieselbe durch Willkommen und Abschied geschärft werden.
§. 1150. Gleiche Verdoppelung und Schärfung findet statt, wenn ein Diebstahl zwar ohne Gewalt, und ohne besonders erschwerende Umstände, aber mit außerordentlicher List, Schlauigkeit, oder Verwegenheit verübt worden.
§. 1151. Diebstahl, der an öffentlichen Denkmälern, oder andern Zierrathen öffentlicher Gebäude und Plätze begangen worden, soll als gemeiner, doch unter erschwerenden Umständen verübter Diebstahl bestraft werden. (§. 1140. sqq.)
§. 1152. Schärfung der Strafe des gemeinen Diebstahls durch körperliche Züchtigung, aber ohne Verlängerung der Dauer, soll erkannt werden, wenn Gräber oder Leichname bestohlen worden.
§. 1153. Ein Todtengräber, welcher selbst Leichen entwendet, hat gleiche Strafe und Entsetzung von seinem Amte verwirkt.
§. 1154. Wenn andere Personen Leichen entwenden: so sollen sie, auf Antrag der Verwandten des Verstorbenen, als Injurianten bestraft werden.
§. 1155. Auch wenn kein Verwandter auf die Bestrafung des Leichendiebstahls anträgt, findet den- noch eine achttägige bis vierwöchentliche Gefängnißstrafe statt.
§. 1156. Diebstähle, welche an einem dem Gottesdienste gewidmeten, oder andern öffentlichen privilegirten Orte begangen worden, sind mit der §. 1152. vorgeschriebenen Strafe zu belegen.
§. 1157. In allen Fällen, wo bey Verübung eines gemeinen Diebstahls, der Verbrecher Gewehr, oder andere gefährliche Werkzeuge, welche Leute seines Standes sonst nicht zu tragen pflegen, bey sich geführt hat, ohne jedoch davon Gebrauch zu machen, wird die an sich verwirkte Strafe um drey Monathe bis Ein Jahr verlängert. (§. 1175.)
Wiederholter gemeiner Diebstahl.
§. 1158. Hat jemand mehrere gemeine Diebstähle begangen, und ist er deswegen noch niemals gestraft worden: so soll er diejenige Strafe leiden, welche, nach Verhältniß der durch alle Diebstähle zusammen entwendeten Summe, und der dabey mit eintretenden erschwerenden Umstände verwirkt ist.
§. 1159. Hat aber jemand, welcher wegen eines gemeinen Diebstahls schon einmal zur Strafe verurtheilt worden, dieses Verbrechest zum zweytenmale begangen: so soll die Strafe, welche durch die noch unbestraften Diebstähle verwirkt ist, der Dauer nach verdoppelt werden.
§. 1160. Macht er sich dieses Verbrechens, nach zweymaliger Verurtheilung, zum drittenmale schuldig: so soll er, nach ausgestandener Strafe, in einem Arbeitshause so lange verwahrt, und zur Arbeit angehalten werden, bis er sich bessert, und hinlänglich nachweiset, wie er künftig seinen ehrlichen Unterhalt werde verdienen können.
§. 1161. Fällt er nach seiner Entlassung dennoch in sein voriges Laster wieder zurück: so hat er lebenswierige Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1162. Eben dieses findet statt, wenn er entweicht, ehe er die zum drittenmale erkannte Strafe völlig ausgestanden hat.
§. 1163. Ein Diebstahl, welcher durch gefährliches Einsteigen oder Erbrechen verübt worden, wird ein gewaltsamer Diebstahl genannt.
§. 1164. Unter gefährlichem Einsteigen wird ein solches verstanden, welches durch Leitern und andere dergleichen Hülfsmittel, durch mühsame oder schwer abzuwendende Anstalten; oder durch besonders verwegene Unternehmungen bewerkstelligt wird.
§. 1165. Das Oeffnen verschlossener Behältnisse durch Nachschlüssel, Dietriche, oder andere Werkzeuge, wird dem gewaltsamen Erbrechen gleich geachtet.
§. 1166. Diebe, welche sich des Nachts in die Häuser schleichen, oder sich über Nacht in denselben verschließen lassen, haben die Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt.
§. 1167. Gewaltsame Diebstähle sollen mit Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis drey Jahre, nebst Willkommen und Abschied bestraft werden.
§. 1168. Die Dauer der Strafzeit eines gewaltsamen Diebstahls muß von dem Richter, nach Beschaffenheit der angewendeten Gewalt; nach der Zeit, wann selbiger verübt; nach der Größe der Gefahr, welcher das gemeine Wesen, oder einzelne Mitglieder desselben, dadurch ausgesetzt worden; und nach der Wichtigkeit der entwendeten Sache oder Summe, bestimmt werden.
§. 1169. Gewaltsamer Diebstahl in unbewohnten Gebäuden, Behältnissen, Gärten, Scheunen, oder Fischhältem, wird als ein gemeiner Diebstahl unter erschwerenden Umständen bestraft, (§. 1137. sqq.)
§. 1170. Wer in der Absicht, Eßwaaren, Feld- oder Gartenfrüchte zu stehlen, einsteigt, oder mit Gewalt einbricht; gegen den wird die Strafe eines gemeinen Diebstahls gleicher Art, durch körperliche Züchtigung geschärft.
§. 1171. Die Strafe des gewaltsamen Diebstahls ist verwirkt, sobald das gefährliche Einsteigen oder Erbrechen, mit der Absicht zu stehlen, wirklich geschehen ist.
§. 1172. Doch findet, wenn die Besitznehmung der gestohlnen Sachen nicht vollendet worden, nur der geringere Grad der gesetzlichen Strafe statt.
§. 1173. Auch diese wird, wenn das Einsteigen oder Erbrechen nicht vollendet worden, der Dauer nach verkürzt, je nachdem die unternommene Gewalt der wirklichen Ausführung mehr oder weniger nahe gewesen.
§. 1174. Wenn bey einem gewaltsamem Diebstahle annoch erschwerende Umstände hinzukommen: so wird die Dauer der durch die That selbst verwirkten Strafe verlängert.
§. 1175. Ist ein Dieb, bey einem gewaltsamen Diebstahle, mit Gewehr oder andern gefährlichen Werkzeugen versehen gewesen, ohne jedoch davon gegen jemanden Gebrauch gemacht zu haben: so soll gegen ihn die durch den gewaltsamen Diebstahl selbst verwirkte Strafe (§. 1167.) um sechs Monathe bis zwey Jahre verlängert werden.
§. 1176. Die Beschaffenheit der Waffen, und die nach den Umständen vorwaltende mehrere oder mindere Gewißheit, daß der Dieb, bey vorgefundnem Widerstände, davon Gebrauch gemacht haben würde, bestimmen diese Verlängerung der Strafzeit.
§. 1177. Eine gleiche Schärfung der Strafe des gewaltsamen Diebstahls findet statt, wenn Kirchen Staats- oder andre öffentliche Cassen, oder Magazine, durch gewaltsames Einstelgen oder Erbrechen bestohlen worden.
§. 1178. Werden Reisenden auf öffentlicher Straße, oder in den Gasthöfen, Kasten, Kisten, Felleisen, oder andre Behältnisse abschneidet, oder erbricht, hat die gewöhnliche Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt.
§. 1179. Wer aber öffentliche Posten auf dergleichen Art bestiehlt, gegen den soll die gewöhnliche Strafe des gewaltsamen Diebstahls auf die Hälfte der Dauer verlängert werden.
§. 1180. Ist in vorerwähnten Fällen (§. 1177. 1178. 1179.) der Dieb, bey Unternehmung des gewaltsamen Diebstahls, mit gefährlichen Waffen versehen gewesen: so soll die gewöhnliche Strafe, allenfalls bis zu acht Jahren, verdoppelt werden.
Wiederholter gewaltsamer Diebstalil.
§. 1181. Hat jemand mehrere gewaltsame Diebstähle, jedoch ohne erschwerende Umstände begangen: so soll er mit ein- bis vierjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe nebst Willkommen und Abschied belegt werden.
§. 1182. Ist die widerholte Ausübung des gewaltsamen Diebstahls mit erschwerenden Umständen verknüpft gewesen: so findet gegen den Verbrecher vier- bis zehnjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe, mit gleicher Züchtigung, statt.
§. 1183. Ist aber jemand wegen gewaltsamen Diebstahls bereits einmal verurtheilt worden: so soll er, bey dessen Wiederholung, je nachdem erschwerende Umstände vorwalten, oder nicht, mit zehnjähriger bis lebenswieriger Zuchthaus- oder Festungsstrafe belegt, und am Anfange der Strafzeit, wie auch am Ende, wo letzteres statt findet, gezüchtiget werden.
II. Gewaltthätige Besitznehmung fremden Eigen thums.
§. 1184. Wer um seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses willen, unbewegliche Sachen, ohne Recht, gewaltsamer Weise in Besitz nimmt, hat schon deswegen zwey- bis dreyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1185. Diese Strafe soll statt finden, so bald die Gewalt verübt worden; wenn auch die Besitznehmung selbst nicht hat vollzogen werden können.
§. 1186. Ist jemand; dadurch beschädigt, oder ein Tumult erregt worden: so finden die Vorschriften des §. 167. sqq. 796. sqq. 844. sqq. Anwendung.
§. 1187. Wer durch Gewalt an Menschen, bewegliche Sachen, wozu er kein Recht hat, seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses wegen in Besitz nimmt, macht sich eines Raubes schuldig.
§. 1188. Auch schon derjenige, welcher einen Diebstahl ohne wirkliche Gewalt, jedoch unter Androhung gefährlicher Behandlung ausübt, hat als Räuber eine acht- bis zehnjährige Festungsstrafe, nebst Züchtigung am Anfange und Ende der Strafzeit, verwirkt.
§. 1189. Sind Menschen durch Binden, Knebeln, Schläge, oder sonst, aber ohne Schaden an Gesundheit und Leben, gemißhandelt worden: so findet gegen den Räuber eine zehn- bis fünfzehnjährige Festungsstrafe, mit gleicher Züchtigung, statt.
§. 1190. Ist dem Beraubten durch die erlittenen Mißhandlungen eine erhebliche Verstümmelung, oder bleibender Nachtheil an seiner Gesundheit zugefügt worden: so hat der Räuber, nach Beschaffenheit dieses Schadens, fünfzehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe, nebst Willkommen und Abschied verwirkt.
§. 1191. Ist durch die nach §. 1189 zugefügten Mißhandlungen der Tod des Beraubten wirklich befördert worden: so soll der Räuber mit dem Schwerdte gerichtet, und der Körper auf das Rad geflochten werden.
§. 1192. Gleiche Todesstrafe soll statt finden, wenn die verübte Mißhandlung an sich tödtlich war: das Leben des Beraubten aber durch besondre Umstände, oder Zufälle noch erhalten worden.
§. 1193. Wer einen Andern vorsätzlich mordet, um sich durch den Tod desselben Gewinn oder Vortheil zu verschaffen, oder zu versichern, der hat die Strafe des Rades von unten verwirkt.
§. 1194. Hat der Räuber, erst bey wirklich vorgefundenem Widerstände, den Andern getödtet: so ist er mit dem Rade von oben herab zu bestrafen.
§. 1195. Hat der Räuber den Raub selbst ohne Verübung eines Mordes vollzogen, und erst nachher den ihn verfolgenden Beraubten, bloß zur Vertheidigung seines eignen Lebens getödtet: so soll er mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 1196. Ist aber in diesem Falle, (§. 1195.) die Tödtung von dem Räuber nicht bloß zur Verteidigung seines Lebens, sondern auch des Raubes geschehen: so trifft ihn dennoch die Strafe des Rades von oben herab.
§. 1197. Straßenraub, d. i. ein solcher, der auf öffentlichen zum gemeinen Gebrauche bestimmten Fahr- und Fußwegen, ingleichen auf öffentlichen Plätzen, Straßen, und Gassen verübt worden, soll, wenn er auch nur durch gefährliche Drohungen geschehen ist, mit zehn- bis fünfzehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied, belegt werden.
§. 1198. Sind von dem Räuber wirkliche Gewalttätigkeiten, aber ohne Nachtheil an Gesundheit und Leben ausgeübt worden: so findet eine durch gleiche Züchtigung verschärfte fünfzehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt.
§. 1199. Ist der Beraubte von dem Räuber an seiner Gesundheit, oder an seinen Gliedmaßen (§. 1190.) beschädigt worden: so soll der Räuber mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 1200. In den Fällen, wo der bloße Raub mit dem Schwerdte geahndet wird, (§. 1191. 1192. 1195.) soll, im Falle des Straßenraubes, die Strafe des Rades von oben eintreten.
§. 1201. Der Straßenräuber hat die Strafe des Rades von unten unter eben den Umständen verwirkt, weswegen,,den gemeinen Räuber ,die Strafe des Rades von oben treffen würde (§. 1194. 1196.)
§. 1202. Wo aber die Strafe des Rades von unten gegen den bloßen Räuber erkannt werden müßte (§. 1193.), da soll diese Todesstrafe gegen den Strassenräuber durch Schleifung zur Richtstätte verschärft werden.
§. 1203. Im Falle des ohne vorgängige Bestrafung wiederholten Raubes, soll die sonst verwirkte Festungs- oder Zuchthausstrafe der Dauer nach verlängert, die lebenswierige aber durch Staupenschlag verschärft werden.
§. 1204. Ist der Räuber schon einmal zur Strafe des Raubes verurtheilt worden, oder hat er mehr als zwey Räubereyen ausgeübt: so soll er gleich denen, welche in Banden rauben, gestraft werden. (§. 1212. sqq.)
§. 1205. Der Räuber soll mit der durch die That verwirkten Strafe belegt werden, wenn er gleich den gesuchten Vortheil noch nicht erhalten, oder wieder verloren hat.
§. 1206. Jeder gewaltsame Angriff eines Menschen, der auf öffentlicher Straße verübt wird, soll, wenn das Gegetheil nicht klar erhellet, als ein Raub ange- sehen und bestraft werden.
§. 1207. Wer einem Andern, auch ohne die Absicht zu rauben, auf öffentlicher Straße auflauert, ihn insultirt und beleidigt, der soll, nach Bewandniß der Unistände, mit zwey- bis zehnjähriger Festungsstrafe belegt werden.
III. Diebstahl und Raub in Banden.
f. 1208. Wenn Mehrere die Ausübung eines Diebstahls mit einander verabredet haben: so finden die §. 68. und 73. enthaltenen Grundsätze Anwendung.
§. 1209. Haben Mehrere sich verbunden, den Diebstahl als ein gemeinschaftliches Gewerbe zu betreiben: so hat der Rädelsführer zehnjährige bis lebenswierige, die andern Mitverbundenen aber eine sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe, welche durch Willkommen und Abschied geschärft wird, verwirkt.
§. 1210. Sind von einer zusammengerotteten Bande gewaltsame Diebstähle verübt worden: so soll der Anführer mit der Todesstrafe des Galgens belegt werden.
§. 1211. DieübrigenMitgenossen sollen, wenn durch die That an sich fünf- oder mehrjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt wäre, mit lebenswieriger; sonst aber mit zehnjähriger Festungsstrafe, nebst Willkommen und Abschied, belegt werden.
§. 1212. Hat eine solche Bande wirkliche Räubereyen verübt: so hat der Anführer wenigstens die Strafe des Rades von oben herab verwirkt.
§. 1213. In Ansehung derjenigen Handlungen der Raubgenossen, welche der Rädelsführer befohlen, genehmiget, oder auch nur geduldet hat, ist er als ein Haupturheber zu bestrafen.
§. 1214. Die übrigen Genossen sollen, wenn nicht schon durch den Raub an sich die Todesstrafe verwirkt ist, ohne Unterschied, mit Staupenschlag, Brandmarkung, und lebenswieriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1215. Uebrigens sind die Mitgenossen einer Räuberbande, wenn dieselben auch keinen Straßenraub begangen haben sollten, mit der Strafe der Straßenräuber zu belegen.
§. 1216. Räuber, welche zu den von ihren Mitgenossen verübten Mordthaten, wenn auch nur durch Wache halten, wissentlich behülflich sind, haben dennoch die Strafe des Rades von unten verwirkt.
§. 121.7. Räuber, welche die Mordthaten ihrer Mitgenossen, die sie zwar nicht voraus gewußt, wobey sie aber gegenwärtig gewesen .sind,. hätten hindern können; und dieses zu thun unterlassen haben, sollen mit dem Rade von oben herab hingerichtet werden.
IV. Theilnehmung an Raub und Diebstahl.'
§. 1218. Wer an den Vortheilen eines Diebstahls Theil nimmt, ist, in Ansehung der mit dem Thäter vorher verabredeten Handlungen, als Miturheber anzusehn.
§. 1219. Auch bey gewaltsamen Diebstählen ist derjenige als Miturheber zu betrachten, welcher die ausgeübte Gewalt durch Lieferung der Werkzeuge, Wache halten, oder andre Hülfsleistung, wissentlich unterstützt hat.
§. 1220. Diese Strafe trifft ihn selbst alsdann, wenn er den verabredeten Vortheil wirklich nicht empfängt.
§. 1221. Hat er aber den Vortheil ausgeschlagen oder ausgeliefert, und die noch unentdeckten Mitverbrecher angezeigt: so kann er auf Begnadigung Anspruch machen.
§. 1222. Wächter und Wachen, welche wissentlich, aus gewinnsüchtigen Absichten, einen Diebstahl geschehen lassen, haben die Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt; auch wenn die That selbst ohne Gewalt verübt worden.
§. 1223. Wer Diebesgesindel seines Nutzens wegen hegt; oder Dieben zu Verheimlichung, Fortschaffung, oder Veräußerung der gestohlnen Sachen Hülfe
zusagt und leistet, hat sechsmonatliche bis zweyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe, nebst Züchtigung am Anfang und Ende der Strafzeit, verwirkt.
§. 1224. Weiß er, daß die von ihm verhehlten Sachen geraubt worden, oder daß das Diebsgesindel sich mit Rauben abgiebt: so soll gegen ihn auf drey- bis vierjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe, nebst gleicher Züchtigung (§. 1223.) erkannt werden.
§. 1225. Wer einem Räuber, von dem er weiß, daß er zugleich morden will, oder sonst schon gemordet hat, zu Verhehlung oder Fortschaffung der geraubten Sache Hülfe zusagt, und in der Folge wirklich leistet, der hat Staupenschlag und lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 1226. Eben diese Strafe findet statt, wenn jemand einem dergleichen Mordräuber zu Begünstigung künftiger Räubereyen einen Zufluchtsort verstattet.
§. 1227. Wer Räuber gegen die Nachforschung der Obrigkeit verbirgt, oder ihnen Gelegenheit und Gegenstände zu Verübung ihrer Räubereyen nachweiset, soll, wenn er auch der §. 1223-1225. beschriebnen Theilnehmung nicht überführt werden könnte, dennoch eine zweyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied leiden.
§. 1228. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn ihm bekannt war, daß die von ihm begünstigten Räuber sich mit Morden abgeben.
§. 1229. Wer Räubereyen, oder gar Ermordungen, in seiner Behausung, mit seinem Vorwissen begehen läßt, der soll .dem Thäter gleich bestraft werden.
§. 1230. Wer Diebe oder Räuber wissentlich beherbergt, oder gestohlne Sachen verhehlt, muß nicht nur die §. 1223. bestimmte Strafe dulden, sondern geht auch des gemißbrauchten Gewerbes verlustig.
a) verbotener Kauf gestohlner Sachen.
.§. 1231. Ein jeder, dem von Verdächtigen (Th. I. Tit. XV. §. 19.) oder Unbekannten, welche nicht mit dem Verkaufe solcher Sachen ein öffentliches Gewerbe treiben, (Ebendas. §. 43. 44.) Sachen zum Kauf oder Pfande angetragen werden, ist schuldig, zu prüfen: ob der Antragende wahrscheinlich über die angebote nen Sachen zu verfügen, berechtigt sey.
§. 1232. Besonders muß diese Vorsicht alsdann beobachtet werden, wenn der Verkäufer oder Verpfänder ein Dienstbote, oder Hausgenosse, und die Sache so beschaffen ist, daß sie wahrscheinlicher Weise der Dienstherrschaft, oder dem Hausvater gehören könnte.
§. 1233. In einem solchen Falle muß der Käufer, oder Pfandnehmer, sich bey der bloßen Angabe des Antragenden nicht beruhigen; sondern bey der Herrschaft oder dem Hausvater selbst nachfragen: ob etwa eine Untreue des Gesindes oder der Hausgenossen mit unterlaufe?
§. 1234. Mit ganz unbekannten Leuten, welche Sachen von Werthe, z. B. Gold, Silber, Juwelen, und andre Kostbarkeiten, zum Kauf oder Pfand anbiethen, soll sich niemand darüber einlassen.
§. 1235. Eben so wenig darf dieses geschehen, wenn die angetragne Sache von der Beschaffenheit ist, daß Leute von dem Stande und Gewerbe des Antragenden dergleichen Sachen nicht zu haben pflegen.
§. 1236. Erwächst aus Vergleichung der Beschaffenheit der Sache, und der Person des Antragenden, oder aus dem die Forderung des Verkäufers beträchtlich übersteigenden Werthe der Sache, ein wahrscheinlicher Verdacht, daß sie entwendet sey: so ist ein jeder, welcher aus dem Handel oder Pfänderleihen ein Gewerbe macht, bey willkührlicher doch nachdrücklicher Geld- oder Gefängnißstrafe (§. 35.) schuldig, eine solche verdächtige Sache anzuhalten, und an die Polizey-Obrigkeit des Orts zur weitern Untersuchung abzuliefern.
§. 1237. Eben diese Strafe findet statt, wenn ein solcher Handelsmann oder Pfandverleiher, durch öffentliche Bekanntmachungen, obrigkeitliche Warnungen, oder auch nur durch glaubwürdige Privatanzeigen benachrichtiget ist, daß Sachen von dieser Art, und mit solchen Kennzeichen versehen, gestohlen oder verlohren worden.
§. 1238. Hat jemand wissentlich gestohlne Sachen gekauft, oder zum Pfand angenommen: so soll er, wenn er auch an dem Diebstahle auf die §. 64. bis 84. beschriebene Art keinen Theil genommen hat, dennoch als ein gemeiner Dieb bestraft werden.
§. 1239. Wenn Leute, die aus dem Handel oder Pfänderleihen ein Gewerbe machen, gestohlne Sachen, wegen welcher sie auf die §. 1237. gedachte Art gewarnt worden, dennoch kaufen, oder als Pfand annehmen: so sind sie als gemeine Diebe zu bestrafen; ob sie gleich der Wissenschaft selbst nicht völlig überführt werden können.
§. 1240. Hat außerdem jemand gestohlne Sachen, zwar nicht wissentlich, aber doch mit Verabsäumung der gesetzlichen Vorsicht, gekauft oder angenommen; so soll er, nach Verhältniß der begangenen Nachläßigkeit, willkührliche doch nachdrückliche Geld- oder Gefängnißstrafe (§. 35.) leiden.
§. 1241. Diese Strafe wird verdoppelt, wenn er sich eines solchen Vergehens nach vorgängiger Bestrafung zum zweytenmale schuldig macht.
§. 1242. Demjenigen, welcher den Handel oder Pfandverkehr bisher als ein Gewerbe getrieben hat, soll, wenn er sich des §. 1239. beschriebenen Vergehens mehr als einmal schuldig macht, außer der an sich verwirkten Strafe, die fernere Ausübung seines Gewerbes, bey mehrjähriger Gefängniß- oder Zuchthausstrafe, gänzlich untersagt werden.
§. 1243. Hat ein Jude wissentlich gestohlne Sachen gekauft, oder zum Pfande angenommen; so verliert er den Schutz des Staats, und soll aus dem Lande geschafft werden.
§. 1244. Kann die gestohlne Sache oder der volle Werth derselben dem rechtmäßigen Inhaber nicht erstattet werden: so ist gegen den Verbrecher, noch vor seiner Wegschaffung aus dem Lande, mit ein- bis zweyjähriger Zuchthausstrafe, nebst Willkommen und Abschied, zu verfahren.
§. 1245. Hat ein Jude zwar weder wissentlich, noch gegen erhaltene Warnung, aber doch mit Verabsäumung der gesetzlichen Vorsicht, eine gestohlne Sache gekauft, oder zum Pfand angenommen: so findet gegen ihn die §. 35. vorgeschriebne willkührliche Strafe statt.
§. 1246. Wird er aber zum zweytenmale auf einer solchen Uebertretung betroffen: so soll, wenn er auch der Wissenschaft nicht vollständig überführt werden könnte, dennoch mit der §. 1243.1244. vorgeschriebenen ordentlichen Strafe wider ihn verfahren werden.
§. 1247. Esverstehtsichabervonselbst,daß dadurch dem Beschädigten das Recht, auf Abarbeitung des Schadens nach Vorschrift des §. 1117. anzutragen, nicht benommen werde.
§. 1248. Die Schlosser sollen, bey zehn Thaler Strafe, ohne Genehmigung des Eigentümers oder der Herrschaft, welche die Wohnung inne hat, kein Schloß Öfnen, oder einen neuen Schlüssel dazu machen.
§. 1249. Bey gleicher Strafe sollen sie keinen Hauptschlüssel ohne Einwilligung des Hauswirths verfertigen.
§. 1250. Auch müssen sie demselben das Modell, oder die Patrone davon, treulich ausliefern.
§. 1251. Wenn ein Schlosser diesen Verbothen (§. 1248-1250.) entgegen handelt: so verfällt er nicht nur in zehn Thaler Strafe; sondern er ist auch schuldig, den aus seiner Unvorsichtigkeit entstandnen Schaden zu vertreten.
§. 1252. Eben dieses findet statt, wenn Schlosser ihre Dietriche nicht sorgfältig verwahren, oder unsichern Personen verabfolgen.
§. 1253. Schlosser, welche sich des Diebstahls oder einer Theilnehmung an demselben schuldig gemacht haben, sollen nicht nur mit geschärfter Strafe des Diebstahls belegt; sondern es soll ihnen auch die fernere Ausübung ihres Handwerks bey sechsmonatlicher Zuchthausstrafe untersagt werden.
§. 1254. Wer durch Concussionen einen Andern zu einem nachtheiligen Vertrage nöthiget, hat eine willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1255. Ist jemand durch Concussion genöthiget worden, Gelder oder Sachen ohne Vergeltung zu geben: so ist eine dergleichen Erpressung, nach Maaßgabe der dazu gebrauchten Mittel, gleich einem Diebstahle oder Raube zu bestrafen.
Fünfzehnter Abschnitt. Von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz und Betrug
§. 1256. Jede vorsätzliche Veranlassung eines Irrthums, wodurch jemand an seinem Rechte gekränkt werden soll, ist ein strafbarer Betrug.
§. 1257. Bloßer Eigennutz ist nur in so fern strafbar, als er in den Gesetzen ausdrücklich verboten worden.
§. 1258. Öffentliche Ahndung findet in allen Fällen statt, wo mit dem Bigennutze ein wirklicher Betrug verbunden ist.
§. 1259. Verbotener Eigennutz und Betrug sollen mit einer dem gesuchten unerlaubten Gewinne angemessenen Geldstrafe belegt werden.
§. 1260. Wenn in den Gesetzen keine besondre Strafe bestimmt ist: so soll der, welcher sich eines strafbaren Betruges, oder ausdrücklich verbotenen Eigennutzes schuldig gemacht hat, um den doppelten Betrag des gesuchten Gewinnes fiscalisch bestraft werden.
§. 1261. Kann dieser Gewinn nicht ausgemittelt werden: so muß der Richter die Geldstrafe nach dem Betrage des dem Andern zugefügten Schadens festsetzen.
§. 1262. Kann die Geldstrafe nicht erlegt werden, so muß der Betrüger in einer öffentlichen Anstalt so lange arbeiten, bis selbige herbeygeschafft worden.
§. 1263. Ergiebt sich, aus den Umständen, daß der Betrüger die verwirkte Geldstrafe nicht werde verdienen können: so tritt verhältnißmäßigeGefängniß-oder Zuchthausstrafe an deren Stelle.
§. 1264. Ist die betrügerische Handlung noch nicht vollendet; oder läßt sich die Summe des beabsichtigten Vortheils, oder verursachten Schadens nicht ausmitteln: so soll eine dem Grade der Boßheit, und der Gefährlichkeit der Absicht angemessene willkührliche (§. 35.) Geld- oder Gefängnißstrafe eintreten.
§. 1265. Sobald aus einer, wider das Verbot der Gesetze, oder mit Verstellung oder Verfälschung der Wahrheit unternommenen Handlung, nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, Nutzen für den Handelnden, und Schaden für einen Andern entsteht, wird bey ersterem die Absicht, letzteren zu seinem Vortheile zu verkürzen, vorausgesetzt.
§. 1266. Ist das Gegentheil dieses Vorsatzes klar, oder wahrscheinlich: so muß nach der sonst zum Grunde liegenden Absicht bestimmt werden: ob und welche Strafe statt finde.
§. 1267. Der Ersatz des durch Betrug zugefügten Schadens, macht den Betrüger nicht straflos.
§. 1268. Doch wird die Strafe gemindert, wenn der Betrüger freywillig von der Ausführung des Betruges wieder abgestanden, oder nach bestem Vermögen den Schaden abzuwenden bemüht gewesen ist (§. 61. sqq.)
1) Unbefugter Handel und Wandel.
§. 1269. Wer aus Eigennutz eines Gewerbes oder Handels sich anmaaßt, wozu nur gewisse Classen, oder einzelne Einwohner des Staats, nach ihren ausschließenden Privilegien berechtigt sind, muß, außer der Vergütung des zugefügten Schadens, und entzogenen Gewinnes, eine Geldstrafe von zehn bis fünfzig Thalern entrichten.
§. 1270. Sind auf gewisse Arten des unbefugten Gewerbes andre Strafen in den besondern Verordnungen bestimmt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 1271. Höhere Zinsen, als die Gesetze verstatten (Th. I. Tit. XI. §. 803. sqq.) können rechtsgültiger Weise weder versprochen noch gegeben werden.
§. 1272. Was über die gesetzmäßigen Zinsen gezahlt ist, kann binnen sechs Jahren nach völlig abgetragener Schuld annoch zurückgefordert werden.
§. 1273. Wer, um diesen Verordnungen (§. 1271. 1272.) auszuweichen, den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder Geschäfte zu verbergen sucht, ist als Wucherer zu bestrafen.
§. 1274. Der Wucherer muß dem Fisco den ganzen verschriebenen Betrag an Capital und Zinsen zur Strafe erlegen,
§. 1275. Bey fortlaufenden Zahlungen oder Leistungen, deren Ende gar nicht bestimmt ist, oder erst künftig durch die Aufkündigung bestimmt werden soll, wird die Geldstrafe nach der Summe des ausbedungenen Capitals, und der wirklich statt der Zinsen erhobenen Vortheile berechnet.
§. 1276. Wenn auch der Schuldner die ihm wirklich obliegende Zahlung zu leisten außer Stande ist: so muß der Wucherer doch die §. 1274.1275. bestimmte Summe aus eignen Mitteln zur Strafe entrichten.
§. 1277. Jede lästige Bedingung, hinter welche der Gläubiger die übermäßigen Zinsen versteckt, ist als Wucher anzusehen.
§. 1278. Auch der macht sich des Wuchers schuldig, welcher dem Schuldner, außer dem Th. I. Tit. XI. §. 817. bestimmten Falle, nicht die volle Summe des Kapitals zahlt.
§. 1279. Sobald der Vortheil, welchen der Gläubiger aus der an sich erlaubten Vorauszahlung der Zinsen zieht, ein Mehreres beträgt, als der Unterschied zwischen den angerechneten geringern, und den höhern gesetzmäßigen Zinsen ausmacht, muß der Gläubiger als Wucherer angesehn werden. (Th. I. Tit. XI. §. 817.)
§. 1280. Wenn Waaren statt Geldes gegeben; oder die Valuta eines Wechsels oder Schuldscheines, worauf ganz oder zum Theil Waaren geliefert sind, baar verschrieben worden: so finden die Vorschriften Th. I. Tit. XI. §. 715-726. Anwendung.
§. 1281. Doch ist der Fiscus nicht verbunden, sich an dem, was der Schuldner nach Th. I. Tit. XI. §. 717. 719. 724.726. zu leisten hat, zu begnügen; sondern er kann sich, wegen des verschriebenen Betrags, nach Maaßgabe des §. 1276. an den Gläubiger halten.
§. 1282. Wenn statt der Zinsen des Darlehns, gewisse Naturalien oder andere Sachen, oder auch die Leistung gewisser Arbeiten oder Dienste vorbedungen worden: so findet die Vorschrift Th. I. Tit. XI. §. 812-814. Anwendung.
§. 1283. Uebersteigt der Werth der bedungenen Lieferung oder Leistung, nach dem niedrigsten Preise der nächstvorhergehenden sechs Jahre, den gesetzmäßig erlaubten Zinsfuß um mehr als Eins vom Hundert: so ist ein Wucher vorhanden; und der Gläubiger hat die §. 1274. bestimmte Strafe verwirkt.
§. 1284. In Ansehung der Conventionalstrafen findet dasjenige statt, was Th. I. Tit. XI. §. 825. und 826. verordnet ist.
§. 1285. Die Ausbedingung des Einlagers ist sowohl bey dem Darlehns-, als bey andern Verträgen, als unerlaubte Selbsthülfe verboten.
§. 1286. Wer bey einem Darlehne, oder anderem Geschäfte, sich mehr als die gesetzmäßigen Mäklergebühren versprechen oder bezahlen läßt, hat eine Strafe von fünfzig bis fünfhundert Thalern verwirkt.
§. 1287. Ist er als öffentlicher Mäkler angestellt und verpflichtet: so wird er noch außerdem seines Amtes entsetzt.
§. 1288. Alles, was vom Wucher bey Darlehnen verordnet ist, findet auch bey andern Geschäften statt; in so fern nicht die höheren Zinsen eine Bedingung des ursprünglichen Contrakts gewesen sind.
§. 1289. Was vorstehend vom Geldwucher verordnet ist, gilt unter den Th. I. Tit. XI. §. 856. bis 860. enthaltenen Bestimmungen auch vom Wucher mit Getreyde, und andern Dingen, welche den Gegenstand eines Dahrlehnscontracts ausmachen können.
§. 1290. Wer wider ein ausdrückliches Verbot des Staats, sein Getreyde verheimlicht und zurückhält, wird mit der Confiscation des übermäßigen Vorraths bestraft.
§. 1291. Für einen übermäßigen Vorrath ist derjenige zu halten, welcher den doppelten Betrag der eignen Nothdurft bis zur Aerndte übersteigt.
§. 1292. Wer durch Auf- und Vorkäuferey Lebensmittel und andre gemeine Bedürfnisse vertheuert, oder die Zufuhre derselben zu den öffentlichen Märkten zu hindern oder zu schwächen unternimmt, soll nach Bestimmung der Polizeygesetze eines jeden Orts, nachdrücklich bestraft werden.
§. 1293. Eben dieses findet statt, wenn der Verkaufspreis die festgesetzte Taxe übersteigt.
§. 1294. Bücher, auf welche ein Königlicher Unterthan das Verlagsrecht hat, soll niemand nachdrucken.
§. 1295. Hat der rechtmäßige Verleger ein ausdrückliches Privilegium erhalten: so hat der Nachdrucker eines Buchs, welchem ein solches Privilegium vorgedruckt, oder dessen Inhalt auf oder hinter dem Titelblatte bemerkt ist, die in dem Privilegio angedrohete Strafe verwirkt.
§. 1296. a) Findet die Strafe aus einem besondern Privilegio nicht statt: so soll dennoch der Nachdruck auf den Antrag des rechtmäßigen Verlegers confiscirt, und zum Verkauf unbrauchbar gemacht; oder dem Verleger, wenn er es verlangt, überlassen werden.
§. 1296. b) Es muß aber, in diesem letztern Falle, der rechtmäßige Verleger, wenn er den Nachdruck übernehmen will, die von dem Nachdrucker darauf verwendeten Auslagen demselben auf die zu leistende Entschädigung anrechnen, oder so weit sie dazu nicht erforderlich sind, an die Strafcasse herausgeben.
§. 1297. a) So weit der Nachdruck selbst verboten ist, darf auch niemand, bey gleicher Strafe, mit auswärts nachgedruckten Büchern Handel treiben.
§. 1297. b) Buchbinder dürfen des Handels mit ungebundenen Büchern, und bloß gehefteten Schriften, bey Strafe der Confiscation des Werks, und des für schon verkaufte Exemplare gelöseten Werths, sich nicht anmaßen.
§. 1297. c) Ein Verfasser kann seine für eigne Rechnung gedruckten Schriften zwar durch sich selbst, oder auch durch Andere verkaufen; es darf aber dergleichen Verkauf nicht in einem öffentlichen Laden, und an Orten, wo Buchhändler sind, nicht durch Buchbinder geschehen.
§. 1297. d) Uebertretungen dieser Vorschrift werden ebenfalls mit der Strafe der Confiscation nach §. 1297. b) geahndet.
§. 1298. Hazardspiele sind unerlaubt, sobald aus der Beschaffenheit der spielenden Personen, des Einsatzes, und der übrigen Umstände erhellet, daß selbige aus Gewinnsucht gespielt werden.
§. 1299. Unter den Hazardspielen wird besonders, Bassette, Lansquenet, Faraon, Cinq et Neuf, Quinze, Passe ä dix, Lotto, Trischacken, Würfeln, und ähnliche Spiele verstanden.
§. 1300. Wer bey dergleichen Spielen die sogenannte Bank macht, hat, nach Beschaffenheit des Spiels, der Höhe des Einsatzes, und der Größe des gesuchten unerlaubten Gewinns, fiscalische Strafe von hundert bis tausend Ducaten verwirkt.
§. 1301. Jeder Mitspieler sowohl bey dem Faraon, als allen übrigen Hazardspielen, wie solche Namen haben mögen, soll, nach gleichem Verhältnisse, um fünfzig bis dreyhundert Ducaten fiscalisch bestraft werden.
§. 1302. Das Wetten, oder sogenannte Pariren, ist, wenn es auch bey erlaubten Spielen geschieht, dennoch dem Hazardspiele gleich zu achten.
§. 1303. Leute, die von Spielen Gewerbe machen, und zu solchem Ende Brunnen, Bäder, und andre öffentliche Oerter und Versammlungen besuchen, sol len über die Gränze geschafft; wenn sie aber dennoch zu Treibung ihres verbothnen Gewerbes zurückkeh ren, auf Ein Jahr zur Festung abgeliefert werden.
§. 1304. Gast- und Caffeewirthe, und überhaupt alle Unternehmer öffentlicher Zusammenkünfte, welche verbotene Spiele bey sich dulden, sollen dreyhundert Thaler Strafe entrichten.
§. 1305. Haben sie zu solchen Spielen verschlossene Zimmer hergegeben, oder sonst zu deren Verheimlichung mit gewirkt, so wird die Strafe verdoppelt.
§. 1306. Werden sie zum zweytenmale wegen einer solchen Uebertretung zur Verantwortung gezogen, und schuldig befunden: so sollen sie, außer der Geldbuße, mit dem Verluste ihres Gewerbes bestraft werden.
§. 1307. Officianten, welche von Hazardspielen ein Gewerbe machen, sollen ihres Amts entsetzt werden.
8) Stiftung von Uneinigkeiten in Familien.
§. 1308. Wer aus eigennützigen Absichten, durch Verläumdung, Uneinigkeiten unter nahen Verwandten oder Ehegatten stiftet, soll nach Verhältniß der zum Grunde liegenden boshaften Absicht, und des daraus, entstandnen Schadens, mit nachdrücklicher Geld- oder Leibesstrafe belegt werden.
§. 1309. Wer dergleichen Uneinigkeit in der Absicht stiftet, Erbschaften oder Vermächtnisse den natürlichen Erben zu entziehen, und selbige sich oder andern zuzueignen, der ist als ein Betrüger zu bestrafen.
§. 1310. Wer einem Minderjährigen Darlehn oder sonst unerlaubten Credit giebt, der soll, außer der von selbst folgenden Nichtigkeit des Vertrags, eben so viel, als die geliehene oder geborgte Summe oder Waare beträgt, zur Strafe entrichten.
§. 1311. Eben so wird der bestraft, welcher einer zwar großjährigen, aber wegen Verschwendung oder sonst unter Vormundschaft stehenden Person unerlaubten Credit giebt.
§. 1312. Ferner derjenige, welcher wissentlich Kindern, die zwar großjährig, aber noch unter väterlicher Gewalt sind, Gelder oder Sachen zur Schwelgerey, Ueppigkeit, oder Verschwendung borgt, oder leihet.
§. 1313. Wer von dergleichen Personen (§. 1310- 1312.) Kostbarkeiten, Kleidungsstücke u. s. w. ohne Einwilligung ihrer Vorgesetzten kauft, zu Pfande oder an Zahlungsstatt annimmt, und ihnen dadurch die Mittel zu ihren Ausschweifungen verschafft; der ist gleicher Strafe schuldig.
§. 1314. Wer einer Person vom Militairstande gegen das Verbot der Gesetze (Th. I. Tit. XI. §. 700.) Credit giebt, wird um so viel, als die Forderung beträgt, fiskalisch bestraft.
§. 1315. Ist der Vorschuß absichtlich zu Schwelgereyen und Ausschweifungen gegeben worden: so hat der Uebertreter, noch außerdem, eine der Hälfte des Vorschusses gleich kommende Geldstrafe verwirkt.
§. 1316. Wer von einer Militairperson brauchbare Mondirungsstücke, oder andre zum Kriegsdienste gehörige Sachen kauft, oder sonst an sich bringt, muß, außer dem an das Regiment zu ersetzenden Schaden, den dreyfachen Werth eines solchen Stücks zur Strafe entrichten.
§. 1317. Wegen des strafbaren Leihens und Borgens an Studirende, hat es bey den Vorschriften des zwölften Titels §. 104. sqq. sein Bewenden.
§. 1318. Wer sich mit vorstehend benannten Personen (§. 1310-1317.) in dergleichen unerlaubte Verträge einläßt, hat die gesetzmäßige Strafe verwirkt, wenn auch nicht erhellet, daß es aus Eigennutz geschehen sey.
§. 1319. Aber auch derjenige, welcher andern Personen von bekannter unordentlicher Lebensart, wissentlich und vorsätzlich, zu einer vorhabenden liederlichen Verschwendung Gelder oder Sachen giebt, verliert, wenn es aus eigennützigen Absichten geschehen ist, seine Forderung zum Besten der Armencasse.
§. 1320. Hat jemand aus dergleichen eigennütziger Absicht, die ihm bekannte Verschwendung und Ausschweifungen einer verheiratheten Frau, ohne Vorwissen ihres Mannes, mit Vorschüssen unterstützt: so soll er, außer dem Verluste der Forderung, um den Betrag des Vorschusses fiskalisch bestraft werden.
§. 1321. Sind dergleichen Vorschüsse solchen Per- sonen (§. 1319. 1320.) nicht aus Eigennutz, sondern aus andern unerlaubten Absichten geleistet worden: so soll, nach Verhältniß des für den Verschwender oder dessen Familie daraus entstandenen Schadens, willkührliche (§. 35.) doch nachdrückliche Geld- oder Leibesstrafe statt finden.
§. 1322. Was §. 1310-1321. von Vorschüssen vorgeschrieben worden, ist auch vom Creditiren der zur Verschwendung oder liederlichen Ausschweifung dienlichen Sachen zu verstehen.
§. 1323. Eben dieses findet auch statt, wenn unter den §. 1320. bestimmten Umständen, der Ehefrau, ohne Vorwissen ihres Mannes, Sachen abgekauft, oder von ihr zum Pfände angenommen werden.
§. 1324. Mit der §. 1321. festgesetzten Strafe sind auch diejenigen zu belegen, welche ein Gewerbe daraus machen, junge Leute zu Ausschweifungen zu verführen, und ihnen dazu Gelegenheit machen.
§. 1325. Wegen der Folgen des gemeinen Betrugs, der in Contracten, oder sonst im Handel und Wandel verübt worden, hat es bey den Vorschriften der bürgerlichen Gesetze sein Bewenden.
§. 1326. Wird bey einem über dergleichen Geschäfte entstandenen Rechtsstreite ein grober Betrug vollständig ausgemittelt: so soll in dem Urtel über die Hauptsache, zugleich auf verhältnißmäßige Geld- oder Gefängnißstrafe gegen den Betrüger erkannt werden. <§. 35.)
§. 1327. Gesetzwidrige Handlungen, welche in der Absicht unternommen worden, um einen Andern wider sein Wissen und Willen um das Seinige zu bringen, werden dem Betruge gleich geachtet.
§. 1328. Ein unter erschwerenden Umständen verübter Betrug soll von Amts wegen untersucht, und der Regel nach mit einer dem doppelten Betrage des gesuchten Gewinns gleichkommenden Geldstrafe belegt werden. (§. 85.)
§. 1329. Diese Strafe (§. 1328.) trifft also denjenigen, welcher, außer der allgemeinen Verbindlichkeit, noch besondere Verpflichtungen, einen Andern mit Treue und Redlichkeit zu behandeln, auf sich hat, und denselben gleichwohl hintergeht.
§. 1330. Die Strafe ungetreuer Beamten ist im Siebenten Abschnitte bestimmt.
§. 1331. Vormünder und Curatores, die durch untreue und unredliche Verwaltung des Vermögens ihres Pflegebefohlnen die Remotion verwirkt haben (Tit. XVIII. §. 924. sqq.), sollen, außer der ordinairen Strafe des qualificirten Betrugs, (§. 1328.) für unfähig erklärt werden, ein öffentliches Amt zu bekleiden; irgend eine Art des Erfüllungseides wider den Willen des andern Theils zu leisten; und in Andrer Rechtsangelegenheiten ein glaubwürdiges Zeugniß abzulegen.
§. 1332. Hat ein solcher Vormund einen wirklichen Diebstahl an seinem Pflegebefohlnen begangen: so soll er mit der Leibesstrafe eines unter erschwerenden Umständen begangnen Diebstahls belegt werden.
§. 1333. Oeffentlich bestellte Mäkler, welche Betrügereyen begehen, oder begünstigen, sollen außer der verwirkten ordinairen Strafe des Betrugs, ihres Amts entsetzt, und daß dieses geschehen sey, an der Börse, so wie durch die öffentlichen Anzeigen, bekannt gemacht werden.
4) von Justizcommissarien und Consulenten.
§. 1334. Justizcommissarien und Consulenten, welche aus eigennützigen Absichten schädliche Rathschläge wissentlich geben, haben, außer der §. 1328. bestimmten Strafe, auch die Cassation verwirkt.
§. 1335. Wenn sie die Rechtsangelegenheiten der Parteyen aus eigennützigen Absichten verschleppen, oder vernachläßigen: so sollen sie nicht nur die §. 1328. bestimmte Strafe leiden, sondern auch, wenn dievorgängige Warnung fruchtlos gewesen ist, ihres Amtes entsetzt werden.
§. 1336. Haben dergleichen Personen sich sogar in ein Verständniß mit dem Gegentheile, zum Schaden ihrer Partey, eingelassen: so soll die Strafe gegen sie, durch öffentliche Bekanntmachung, und Zuchthaus- arbeit auf sechs Monathe, bis zu Einem Jahre geschärft werden.
§. 1337. Auch haben sie in diesem Falle, gleich den treulosen Vormündern (§. 1331.) den Verlust des gerichtlichen Glaubens verwirkt.
§. 1338. Justizcommissarii und Consulenten, welche zur Verdunkelung der Wahrheit, und Verzögerung der Prozesse, ihren Parteyen mit Rath und That an die Hand gehen, sollen allemal ihres Amtes entsetzt, und zu fernern Diensten des Staats für unfähig erklärt werden.
§. 1339. Justizcommissarii können streitige Forderungen, welche vor das Gericht gehören, bey welchem sie stehen, ohne vorgängige Anzeige und Genehmigung der vorgesetzten Behörde, durch Kauf, Tausch, Cession, oder sonst, weder als Gläubiger, noch als Schuldner übernehmen. (Th. I. Tit. XL §. 385-387.)
§. 1340. Besonders sollen sie sich keinen bestimmten Antheil an der durch sie beyzutreibenden Forderung versprechen lassen.
§. 1341. Wenn sie diesen Vorschriften (§. 1339. und 1340.) zuwider handeln: so sollen sie den doppelten Betrag des gesuchten Vortheils dem Fisco zur Strafe erlegen.
§. 1342. Sollten aber Gründe vorkommen,weswegen die Parteyen einen dergleichen Vertrag für zuträglich halten: so muß selbiger dem Richter zur Genehmigung vorgelegt werden.
§. 1343. In den Fällen, wo die Genehmigung des Richters erforderlich ist, muß derselbe prüfen: ob dabey eine Concussion, oder hinterlistige Bevortheilung der Partey zum Grunde liege.
§. 1344. Ist ein gegründeter Verdacht einer Hinterlist oder Erpressung nicht vorhanden, oder ist derselbe durch die von dem Richter geschehene Belehrung der Partey gehoben worden: so kann die Genehmigung eines solchen Vertrages nicht versagt werden.
§. 1345. Privatverwalter und Rechnungsführer, welche vorsätzliche Betrügereyen in ihrem Amte begehen, sollen um den doppelten Betrag des gesuchten Vortheils oder verursachten Schadens bestraft werden. (§. 1261.)
§. 1346. Privatverwalter, welche die Rechte, oder das Interesse ihrer Herrschaft in ihren Amtsobliegenheiten muthwillig vernachläßigen, sollen, außer dem Schadensersatze, zur Gefängnißstrafe auf vier bis acht Wochen verurtheilt werden.
§. 1347. Haben sie Gelder oder Naturalien, welche von ihnen, vermöge ihres Amts, schon empfangen und eingehoben worden, unterschlagen: so sollen sie, außer der durch den Betrug verwirkten Geldbuße, auch noch die körperliche Strafe gemeiner Diebe leiden.
§. 1348. Jeden Verwalter, der sich eines Betrugs, einer groben Fahrläßigkeit, oder eines feindseligen Betragens gegen seine Herrschaft schuldig macht, ist diese seines Amts sofort zu entsetzen berechtigt.
§. 1349. Betrügereyen der Privatverwalter gegen ihre Prinzipale sollen nur auf Antrag der letzten untersucht und bestraft werden.
§. 1350. Veruntreuungen des gemeinen Gesindes und der Hausgenossen, durch Unterschlagung der ihnen anvertrauten Gelder oder Sachen, sollen niemals mit Gelde gebüßt, sondern als Hausdiebstahl angesehen, und bestraft werden.
§. 1351. Dienstboten und Hausgenossen, die auf den Namen der Herrschaft, oder des Hausvaters, ohne deren Vorwissen Schulden machen; oder in Ausrichtung ihrer Geschäfte und Aufträge, zur Bevortheilung der Herrschaft, mit andern in Verständniß treten, sind als gemeine Diebe zu bestrafen.
§. 1352. Es findet aber auch hier die Vorschrift des §. 1349. Anwendung.
§. 1353. Wie die Veruntreuung gerichtlich niedergelegter Gelder oder Sachen zu ahnden sey, ist §. 377. sqq. und §. 418. sqq. verordnet.
§. 1354. Privatpersonen, welche ein ihnen zur Verwahrung anvertrautes Gut angegriffen, oder verzehrt haben, sind mit der auf den qualificirten Betrug gesetzen Strafe (§. 1328.) zu belegen.
§. 1355. Wer das ihm anvertraute Gut vorsätzlich abläugnet soll, noch außer dieser Strafe, für unfähig erklärt werden, irgend eine Art des Erfüllungseides zu leisten, und ein glaubwürdiges Zeugniß abzulegen.
§. 1356. Ist ein zur Zeit einer Feuers-, Wassers- oder Kriegsnoth anvertrautes Gut abgeläugnet worden: so soll, außer der vorbestimmten Unfähigkeit zu Eidesleistungen, auf die Strafe eines unter erschwerenden Umständen begangnen Diebstahls erkannt, und selbige öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1357. Wer ein dergleichen anvertrauetes Gut (§. 1354-1356.) verzehrt, oder abhanden bringt, soll, wenn er dem Niederleger den dadurch verursachten Schaden nicht ersetzen kann, nach Verhältniß desselben statt der §. 1354; bestimmten Geld- zu drey- bis achtzehnmonathlicher Festungs- oder Zuchthausstrafe verurtheilt werden.
§. 1358. Wer von Sachen, die bey ihm in Verwahrung oder als Pfand niedergelegt worden, ohne ausdrückliche Einwilligung des Eigenthümers Gebrauch macht; der hat dadurch Gefängnißstrafe auf drey bis vierzehn Tage, oder verhältnißmäßige Geldstrafe verwirkt.
§. 1359. Ist mit dem Gebrauche der Sache eine beträchtliche Gefahr für den Eigenthümer verbunden gewesen; oder ist daraus für denselben ein wirklicher Schade entstanden: so soll der Verwahrer, nach Verhältniß der Gefahr oder des Schadens, eine vierzehntägige bis sechswöchentliche Gefängnißstrafe leiden.
§. 1360. Ist dadurch ein Schade an der Gesundheit veranlaßt worden: so findet Festungs- oder Zuchthausstrafe von sechs Wochen bis zu achtzehn Monathen statt.
§. 1361. Ist der Tod eines Menschen die Folge einer Solchen unerlaubten Handlung gewesen: so treten die Vorschriften vom Todschlage aus Fahrläßigkeit ein. (§. 691. 777. sqq.)
§. 1362. Werden an den zur Verwahrung übergebenen Sachen Schlösser oder Siegel geöffnet: so finden die Vorschriften Th. I. Tit. XTV. §. 26-40. Anwendung.
§. 1363. Wer überführt wird, das Schloß oder Siegel, unter welchem ihm die Sache zur Verwahrung übergeben worden, eigenmächtig eröffnet zu haben, soll schon deswegen mit acht- bis vierzehntägigem Gefängnisse bestraft werden.
§. 1364. Ist dies in der Absicht geschehen, von der zur Verwahrung erhaltenen Sache einen widerrechtlichen Gebrauch zu machen: so wird die im §. 1358. sqq. auf den widerrechtlichen Gebrauch gesetzte ordentliche Strafe bis zur Hälfte verschärft.
§. 1365. Eben diese Strafe wird verdoppelt, wenn mit der eigenmächtigen Eröffnung die Absicht zu entwenden verbunden war.
§. 1366. Wer Sachen, welche ihm bloß zu seiner Sicherheit eingeräumt worden, widerrechtlich gebraucht, abläugnet,oderunterschlägt,ist mit derjenigen Strafe zu belegen, welche in gleichem Falle (§. 1354. 1355. 1357.) in Ansehung des Verwahrers verordnet ist.
§. 1367. Wissentliche und widerrechtliche Verpfändung fremder Sachen ist, wenn sie von Seiten des Inhabers geschieht, als eine Veruntreuung nach Vorschrift des §. 1328. 1329. zu bestrafen.
§. 1368. Wer fremde Sachen, um sie zu verpfänden, entwendet, hat die Strafe des Diebstahls verwirkt.
§. 1369. Die im §. 1367. verordnete Strafe trifft auch den, welcher wissentlich fremde Sachen kauft, eintauscht, zu Pfande, oder sonst widerrechtlich in Gebrauch nimmt; wofern nicht die härtern Strafen des §. 1358. sqq. eintreten.
8) durch Erbrechung fremder Briefe;
§. 1370. Wer die Briefe eines Andern, ohne dessen Willen, und ohne besondre Befugniß öffnet, hat schon dafür drey- bis vierzehntägige Gefängnißstrafe verwirkt.
§. 1371. Ist dergleichen widerrechtliche Erbrechung fremder Briefe zugleich als Mittel zu Ausübung eines andern Verbrechens gebraucht worden: so wird die Strafe des letzten um ein Viertheil verschärft.
§. 1372. Wer bey Ausrichtung eines übernommenen Auftrags seinen Machtgeber hintergeht, und dadurch vorsätzlich in Schaden bringt, soll eben so viel, als der Schade beträgt, zur Strafe entrichten.
§. 1373. Hat jemand Gelder oder Sachen, die er vermöge erhaltenen Auftrags für einen Andern in Empfang genommen, veruntreuet, und den Empfang dem Machtgeber verschwiegen, oder abgeläugnet: so soll er, außer obiger Ahndung, mit der Leibesstrafe des gemeinen Diebstahls belegt werden.
§. 1374. Ist der Bevollmächtigte ein Justizcommissarius: so hat er, außer der §. 1373. bestimmten Strafe, auch die Cassation verwirkt.
10) Von Handlungsgesellschaftern;
§. 1375. Gegen Handlungsgesellschafter, die einander betrügen, soll die ordinaire Strafe der Untreue (§. 1328.1329.) stattfinden.
§. 1376. Eben so sollen Versicherer und Versicherte, die sich solcher Betrügereyen gegen einander schuldig gemacht haben, bestraft werden.
§. 1377. Gegen Betrügereyen, welche auf eine vorzüglich listige und schwer zu entdeckende Weise verübt worden, soll die ordinaire Strafe jedesmal geschärft werden.
§. 1378. Betrügereyen, wodurch gewissen Personen oder Sachen Merkmale von Eigenschaften, welche
ihnen nicht zukommen, zu Bevortheilung Anderer beygelegt, oder wodurch wirklich vorhandene Eigenschaften in gleicher Absicht verheimlicht worden, sind als Verfälschungen mit geschärfter Strafe zu ahnden.
§. 1379. Auch der macht sich dieses Verbrechens schuldig, der sich der von Andern gemachten Verfälschungen, wissentlich, zum Nachtheile eines Dritten bedient.
§. 1380. Wer zur Ausübung eines Betrugs falsche schriftliche Urkunden verfertigt, oder richtige verfälscht, der soll, außer der ordinairen Ahndung des qualificirten Betrugs (§. 1328.) zugleich verhältnißmäßige Leibes- oder Ehrenstrafen leiden.
§. 1381. Wie diejenigen zu bestrafen sind, welche Banknoten, Pfandbriefe, und andre zum allgemeinen Umlaufe im Publico öffentlich bestimmte Papiere verfälschen, oder nachahmen, ist §. 267. sqq. verordnet.
§. 1382. Wer auswärtige Banknoten, Pfandbriefe, oder andre dergleichen zum allgemeinen Umlaufe bestimmte Papiere verfälscht, oder nachmacht, soll drey- bis sechsjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 1383. Haben jedoch dergleichen Papiere innerhalb Landes keinen Umlauf: so findet nur die Hälfte dieser Strafe (§. 1382.) statt.
§. 1384. Wer aus eigennützigen Absichten eine Verfälschung oder Nachmachung gerichtlicher oder andrer öffentlicher Urkunden begeht, soll, außer der ordinairen Ahndung (§. 1328.) mit der Strafe eines unter erschwerenden Umständen begangenen Diebstahls belegt werden.
§. 1385. Ist er selbst eine zur Verfertigung, Aufnehmung, oder Verwahrung solcher Urkunden öffentlich bestellte Person: so soll diese Strafe in der Dauer verdoppelt, und durch Cassation und öffentliche Bekanntmachung geschärft werden.
§. 1386. Wer in der Absicht, Andere zu bevortheilen falsche Wechsel oder andere Privatschriften macht, oder darin etwas verfälscht, gegen den soll auf sechsmonatliche bis zweyjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1387. Ist die Verfälschung durch Nachmalung der Hand, oder Nachbildung des Siegels eines Andern verübt worden: so wird der Betrüger, außer der ordinairen Ahndung (§. 1380.), mit zwey- bis vierjähriger Zuchthausstrafe belegt.
§. 1388. Eben diese Strafe soll auch wegen Unterschiebung falscher Testamente statt finden.
§. 1389. Ist durch die falsche Urkunde noch niemand wirklich betrogen worden: so findet die halbe Strafe der Verfälschung (§. 1380 bis 1387.) statt.
§. 1390. Im Wiederholungsfalle soll der Verfälscher, der Betrug mag ausgeführt seyn, oder nicht, wenn er ein Jude ist, den Schutz des Staats, so wie ein Kaufmann seine kaufmännische Rechte verlieren; gegen andere aber die durch die Verfälschung an sich verwirkte Strafe um die Hälfte der Zeit verlängert werden.
§. 1391. Hat jemand falsche Urkunden, nicht bloß zur Hintergehung einer gewissen bestimmten Person, sondern zu Ausübung mehrerer und wiederholter Betrügereyen verfertigt: so soll die verwirkte Strafe durch öffentliche schimpfliche Ausstellung geschärft werden.
§. 1392. Diese Schärfung trifft besonders denjenigen, der unter dem Schutze solcher falschen Zeugnisse, zu seinem eignen Vortheile, Collecten auf den Namen einer Commune, Kirche, Schule, oder andern öffentlichen Anstalt einsammelt.
§. 1393. Hat der Betrüger nicht für andre, sondern für sich selbst, obschon unter einem falschen Namen, dergleichen Einsammlungen gemacht: so hat er ein- bis zweijährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1394. Marktschreyer und Charlatans, welche falsche Zeugnisse von ihren angeblichen Curen aufzeigen, sollen mit sechswöchentlicher bis einjähriger Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1395. Die im §. 1393. verordnete Strafe soll auch gegen den erkannt werden, welcher durch falsche Adels- oder Doctorsdiplome, oder andre dergleichen falsche Zeugnisse und Urkunden, das Publicum in Ansehung seines Standes, seiner Herkunft, oder andrer persönlichen Verhältnisse, aus eigennützigen Absichten zu hintergehen sucht.
§. 1396. Wer, auch ohne falsche Urkunden zu machen, des Adels oder höherer Stufen desselben, ingleichen solcher Würden oder Ehrenzeichen, deren Verleihung nur dem Staate zukommt, in der Absicht Andre zu bevortheilen, zur Ungebühr sich anmaßt, der soll als ein Betrüger (§. 1328.) bestraft, und dieses öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1397. Ist die ungebührliche Anmaßung nur aus Eitelkeit geschehen: so findet fiskalische Geldstrafe von zwanzig bis hundert Thalern statt.
§. 1398. Wer Urkunden entwendet, oder unterschlägt; ist gleich dem, welcher sie verfälscht, zu bestrafen.
§. 1399. Betrug im Spiele, der nur ein oder andresmal begangen worden, wird als ordinairer Betrug geahndet. (§. 1325.)
§. 1400. Wer aber von falschen Spielen ein Gewerbe macht, soll als ein listiger Dieb gestraft, und nach aus- gestandener Strafe über die Gränze verwiesen werden. (§. 1303.)
§. 1401. Wer sich mit einem Trunkenen in hohe, obschon sonst erlaubte Geldspiele einläßt, soll den gezogenen Gewinn zurückgeben, und eben so viel an Geldstrafe entrichten.
§. 1402. Leute, die durch bezügliche Gaukeleyen, als Goldmacher, Geisterbanner, Wahrsager, Schatzgräber u. s. w. das Publicum hintergehen, haben, außer der ordinairen Strafe des Betruges, Zuchthausstrafe auf sechs Monathe bis Ein Jahr, und öffentliche Ausstellung verwirkt.
§. 1403,. Wer aus Eigennutz, und um seines Vortheils willen, Gränzsteine, oder andre zur Bestimmung der Privatgränzen gesetzte Zeichen wegreißt, verrückt, oder sonst verändert, der soll um den doppelten Betrag des dadurch gesuchten Vortheils bestraft werden.
C. Betrug mit Verletzung andrer Pflichten. 1) Meineid und Lügen vor Gericht.
§. 1404. Wenn mit einem Betruge, außer der Beleidigung des Betrogenen, zugleich die Verletzung andrer Pflichten verbunden ist: so findet allemal Schärfung der ordinairen Strafe statt.
§. 1405. Wer im Prozesse, als Partey oder Zeuge, einen falschen Eid wissentlich leistet: der wird aller Aemter, Würden, bürgerlichen Ehre und Gewerbe, für immer verlustig; soll als ein meineidiger Betrüger schimpflich ausgestellt, oder öffentlich bekannt gemacht; und außerdem, nach Verhältniß des angerichteten Schadens, mit ein- bis dreijähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1406. Ist der Meineid um Gewinns oder Vortheils willen begangen worden: so wird der Verbrecher, noch über alles dieses, um den vierfachen Betrag des gesuchten Vortheils bestraft.
§. 1407. Diese Strafen des Meineides treffen also denjenigen, welcher durch einen von dem Gegentheile zugeschobenen, oder von dem Richter abgeforderten Eid, eine Unwahrheit wissentlich bekräftigt.
§. 1408. Es macht in dieser Strafe keinen Unterschied: ob der geforderte Eid von einer Partey oder einem Zeugen abgeleistet worden.
§. 1409. Mit eben dieser Strafe soll auch der belegt werden, welcher die ihm beywohnende Wissenschaft von einer Sache, oder Begebenheit, zu deren Angabe er solchergestalt gerichtlich aufgefordert worden, eidlich ableugnet.
§. 1410. Wer die Sorgfalt, zu welcher ihn der Eid verpflichtet, nicht angewendet, oder sonst etwas eidlich als wahr bekräftiget, oder als unwahr abgeleugnet hat, was er schon zur Zeit des geleisteten Eides anders hätte wissen können, und sollen, der hat eine sechsmonathliche bis zweyjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1411. a) Hat er aber von selbst seinen Irrthum angezeigt, oder die Folgen desselben gehoben: so soll nur eine willkührliche Gefängnißstrafe gegen ihn erkannt werden.
§. 1411. b) Auch diese Strafe fällt weg, wenn der Irrthum noch innerhalb acht Tagen nach Ableistung des Eides angezeigt wird, und sonst keine Spuren einer vorsätzlichen Verstellung der Wahrheit vorhanden sind.
§. 1412. Wer in einer Criminalsache durch ein falsches eidliches Zeugniß dazu beygetragen hat, daß ein Unschuldiger gestraft worden, gegen den wird die ordinaire Strafe des Meineides verhältnißmäßig, allenfalls bis zur Todesstrafe, geschärft.
§. 1413. Wenn mehrere ein falsches Zeugniß unter sich verabreden: so soll die sonst verwirkte Strafe verschärft; und wenn dadurch ein Mensch ums Leben gekommen ist, die Strafe des Rades von unten an dem Urheber vollzogen werden.
§. 1414. Wer durch Bestechungen, oder andere versprochene, oder wirklich verschafte Vortheile, einen Andern zu einem vorsätzlichen falschen Eide verleitet, soll mit dem Meineidigen gleiche körperliche Strafe leiden; und außerdem, um den vierfachen Betrag des gesuchten Vortheils, an Gelde gestraft werden.
§. 1415. Wenn jemand, durch versprochne oder gegebene Belohnung, Zeugen zur Aussage der Wahr- heit zu bewegen sucht: so soll auf ihr Zeugniß zu seinem Vortheile keine Rücksicht genommen werden.
§. 1416. Zeugen, welche dergleichen Belohnung fordern oder annehmen, haben sechswöchentliche bis einjährige Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe verwirkt.
§. 1417. Haben sie dergleichen Belohnung unter Androhung eines falschen Zeugnisses zu erpressen gesucht: so soll ihnen eine ein- bis zweyjährige Zuchthausstrafe zuerkannt werden.
§. 1418. Hat der Zeuge, auf Befragen des Richters, das Versprochne oder den Empfang der Belohnung eidlich abgeläugnet: so tritt die Strafe des Meineides ein. (§. 1405. sqq.)
§. 1419. Bey der Bestrafung eines falschen Eides macht es keinen Unterschied: ob selbiger mündlich oder schriftlich, persönlich oder durch einen Bevollmächtigten, vor versammeltem Gerichte, oder vor einem Abgeordneten desselben geleistet worden.
§. 1420. Wer in Angelegenheiten seines Amts etwas Falsches oder Unwahres, wider besseres Wissen, als wahr und richtig, auf seinen geleisteten Amtseid bezeugt oder versichert: der soll als ein Meineidiger bestraft werden.
§. 1421. Mitglieder solcher Religionsparteyen, die mit dem Vorrechte, nicht schwören zu dürfen, im Staate aufgenommen worden, sind als Meineidige zu bestrafen, wenn sie die feyerliche Bekräftigungsformel, welche bey ihnen die Stelle des Eides vertritt, zur Bestätigung einer Unwahrheit mißbrauchen.
§. 1422. Wie diejenigen bestraft werden sollen, welche in Prozessen Unwahrheiten gerichtlich, obschon nicht eidlich, behaupten, oder die Wahrheit dem Richter vorsätzlich verheelen, ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
§. 1423. Wenn einer Partey, oder einem Zeugen, gegen ihre gewissenhafte Versicherung, die förmliche Eidesleistung erlassen worden, und diese Versicherung wissentlich unrichtig gewesen ist: so soll der Lügner zu allen nothwendigen und Zeugeneiden für unfähig erklärt, und mit Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe auf sechs Monathe bis zu Einem Jahre belegt werden.
§. 1424. Wenn aber jemand in Fällen, da die Gesetze, statt des Zeugeneides, nur eine Versicherung auf Ehre fordern, eine Unwahrheit solchergestalt wissentlich und vorsätzlich bekräftigt: so findet gegen ihn die ordinaire Strafe des Meineides statt.
§. 1425. Da Schuldverschreibungen und Verzichtsleistungen durch den Eid keine größere Kraft erhalten: so soll, wegen eines solchen Mißbrauchs der Eide, sowohl derjenige, welcher den Eid gefordert, als der, welcher selbigen geleistet hat, mit Geldstrafe von fünf bis zehn Thalern belegt werden.
§. 1426. Aus eben den Gründen sind alle außergerichtliche Versprechungseide bey gleicher Strafe verboten.
§. 1427. Wer einen andern zu einer nach den Gesetzen ungültigen Handlung durch den Eid hat verpflichten wollen, soll diese Strafe doppelt entrichten.
§. 1428. Werden andern zu einer verbotenen Handlung durch den Eid verpflichten will, gegen den wird die Strafe des durch dergleichen Verführung begangenen Verbrechens nachdrücklich geschärft.
§. 1429. Wer durch einen außer gerichtlichen Eid jemanden hintergeht, gegen den wird die Strafe des qualificirten Betrugs (§. 1328.) um die Hälfte erhöht. §. 1430. Wer nach vorgängiger Bestrafung sich zum zweytenmale eines Meineides schuldig macht, soll, nach Beschaffenheit des dadurch verursachten Schadens, mit sechs- bis zehnjähriger, auch bey besonders erschwerenden Umständen, mit lebenswieriger Festungsarbeit bestraft werden.
Falsche Anschuldigung und Anklage.
§. 1431. Wer jemanden wissentlich ohne Grund eines Verbrechens beschuldiget, soll in der Regel die Hälfte der Strafe erdulden, welche den Denunciaten getroffen haben würde, wenn die Beschuldigung wäre wahr befunden worden.
§. 1432. Ist der Denunciat zufolge der falschen Denunciation unschuldig bestraft worden: so soll den Denuncianten diejenige Strafe treffen, welche der Denunciat schon wirklich erlitten hat; in so fern nicht nach §. 1431. eine härtere Strafe eintreten würde.
§. 1433. Ist der eines todeswürdigen Verbrechens Angeschuldigte im Arrest an einer dadurch veranlaßten oder tödtlich gewordenen Krankheit gestorben: so hat der falsche Denunciant lebenswierige; im Falle der erfolgten Hinrichtung aber, eine gleiche Todesstrafe verwirkt.
§. 1434. Ist der Angeklagte, gegen welchen Todes- oder lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe erkannt worden, oder unter vorausgesetzter Wahrheit der Denunciation hätte erkannt werden müssen, noch am Leben: so hat der Denunciant zehnjährige bis lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe ver wirkt.
§. 1435. Wer um Gewinns und Vortheils willen, mit Verschweigung der schon empfangenen Taufe, sich oder die Seinigen abermals taufen läßt, gegen den wird die ordinaire Strafe des qualificirten Betruges durch körperliche Züchtigung geschärft.
3) Unterschiebung fremder Geburt;
§. 1436. Wer durch Unterschiebung eines fremden Kindes die Familienrechte betrüglicher Weise kränkt, hat Zuchthaus- oder Festungsstrafe auf Ein bis vier Jahre verwirkt.
§. 1437. Diese Strafe trifft hauptsächlich diejenigen, welche für eine gar nicht vorhandene, oder verunglückte Geburt ein fremdes Kind unterlegen;
§. 1438. Aber auch diejenigen, welche Kinder, die ihrer Pflege und Wartung anvertrauet sind, vorsätzlich, und um Betrugs willen, mit andern verwechseln.
§. 1439. Hat ein Mitglied der Familie selbst sich eines solchen Verbrechens theilhaftig gemacht: so wird dasselbe, noch außer dieser Strafe, aller ihm als einem solchen Mitgliede zukommenden Rechte und Vortheile verlustig.
4) Mißbrauch fremden Namens und Wappens.
§. 1440. a) Wer zur Ausführung eines Betruges, sich eines fremden Familiennamens oder Wappens bedient, der soll mit der ordinairen Strafe des qualificirten Betrugs belegt, und dieses, zur Genugthuung für die beleidigte Familie, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1440. b) Wer, auch ohne unerlaubte Absicht, eines fremden Familiennamens oder Wappens unbefugter Weise sich bedient, dem soll dergleichen Anmaßung bey willkührlicher doch nachdrücklicher Geldstrafe untersagt, und diese Strafe, im Uebertretungsfalle, gegen ihn wirklich verhängt werden.
§. 1441. Auf Betrügereien, welche nicht bloß zur Vervortheilung gewisser bestimmter Personen, sondern des Publici überhaupt abzielen, muß die ordinaire Strafe des qualificirten Betruges allemal geschärft werden. (§. 1328).
1) Verfälschung von Waaren, Maaß und Gewicht;
§. 1442. Wer die zum Verkaufe bestimmten Lebensmittel, oder andre Waaren, mit fremden Materialien vermengt oder versetzt, um dadurch ihr Maaß und Gewicht, oder ihre scheinbare Güte, betrüglicher Weise zu vermehren, gegen den wird die Strafe des qualificirten Betruges (§. 1328.) um die Hälfte geschärft.
§. 1443. Ist durch dergleichen Verfälschung zugleich das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet, oder wirklich beschädigt worden: so hat es bey den Vorschriften des Eilften Abschnitts sein Bewenden.
§. 1444. Die §. 1442. bestimmte Strafe findet auch gegen diejenigen statt, welche falsches Maaß oder Gewicht führen.
§. 1445. Desgleichen gegen diejenigen, welche mit Zeichen oder Proben, die nur für Waaren von gewisser Art oder Güte bestimmt sind, Waaren von schlechterer Art oder Güte betrüglicher Weise bezeichnen.
§. 1446. Außer der Strafe solcher Betrügereyen, soll auch allemal der Vorrath von Waaren oder Sachen, an welchen der gleichen Verfälschung begangen wor- den, confiscirt werden.
§. 1447. So weit es nothwendig ist, die fernern schädlichen Folgen des Betrugs zu verhüten, sind solche Vorräthe zu vernichten; sonst aber zum Besten der Armen zu verwenden.
§. 1448. Hat jemand, der wegen eines solchen Betrugs schon bestraft worden, sich desselben abermals schuldig gemacht: so soll er. außer der an sich verwirkten Strafe, Handel und Gewerbe zu treiben für unfähig erklärt, und dieses öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1449. Ein Gleiches soll statt finden, wenn ein solcher Betrüger zwar noch niemals bestraft worden; aber doch diese Art des Betrugs schon seit Einem Jahre getrieben, und die frühere Entdeckung desselben durch besondere List und Verschlagenheit zu verhindern gewußt hat.
§. 1450. Hat, durch dergleichen Betrug, der Credit und Absatz der Landeserzeugnisse und Fabrikwaaren in auswärtigen Landen Schaden erlitten: so soll der Betrüger, außer der an sich verwirkten Ahndung des Betrugs, selbst (§. 1442.), noch mit geschärfter Zuchthausstrafe, auf sechs Monathe bis drey Jahre, belegt werden.
§. 1451. Wer Waaren von an sich untadelhafter Güte, mit dem Namen oder Merkmale inländischer Fabrikanten oder Kaufleute fälschlich bezeichnet, hat eine willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt. (§. 35.)
§. 1452. Ein betrüglicher Bankerutier ist derjenige, welcher sein Vermögen verheimlicht, um seine Gläubiger zu hintergehen.
§. 1453. Wer in der Absicht, sich mit dem Schaden seiner Gläubiger zu bereichern, ein Unvermögen zu zahlen fälschlich vorgiebt, soll öffentlich ausgestellt, für ehrlos erklärt, und mit lebenswieriger Festungsarbeit bestraft werden.
§. 1454. Wer durch Aufstellung erdichteter Gläubiger, oder durch betrügliche Begünstigung solcher, deren Forderungen ungegründet, oder übertrieben sind, oder sonst, die zur Bezahlung richtiger Schulden vorhandene obgleich unzureichende Masse schmälert, wird des gerichtlichen Glaubens und aller bürgerlichen Ehre verlustig, und soll fünf- bis zehnjährige Zuchthaustrafe leiden.
§. 1455. Auch diese Strafe soll nach der Größe der vorgehabten Verkürzung, und nach Beschaffenheit der zur Verheelung des Betrugs, durch Verfälschung der Handlungsbücher und andrer Urkunden, oder sonst angewendeten Mittel, noch ferner, und allenfalls bis zu lebenswieriger Festungsarbeit geschärft werden.
§. 1456. Ein solcher betrüglicher Bankerutirer wird, wenn er vor Vollziehung der Strafe gestorben, oder entwichen ist, für ehrlos erklärt, und sein Bildniß an den Galgen geheftet.
§. 1457. In allen Fällen eines betrüglichen Bankeruts, soll die Festungs- oder Zuchthausstrafe, am Anfange und Ende der Strafzeit, durch Züchtigung verschärft werden.
§. 1458. Wer durch übertriebenen oder liederlichen Aufwand sich außer Zahlungsstand gesetzt hat, ist ein muthwilliger Bankerutirer.
§. 1459. Für übertrieben ist jeder Aufwand zu achten, der die Nothdurften und gemeinen Bequemlichkeiten des Lebens übersteigt, und mit den jedesmaligen wirklichen Einkünften des Schuldners nicht im Verhältnisse steht.
§. 1460. Insonderheit ist ein Aufwand, welcher durch Spiel, Wetten, Schwelgerey, und unzüchtige Lebensart verursacht worden, unter allen Umständen, und ohne weitere Untersuchung, als übertrieben, anzusehen.
§. 1461. Ein muthwilliger Bankerutirer soll aller Ehren und Würden im Staate für unfähig erklärt, zu drey- bis sechsjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt, und diese Bestrafung, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 1462. Ist er ein Kaufmann, so verliert er noch außerdem, für immer, alle kaufmännische Rechte; so wie ein Jude für sich und seine Familie den Schutz des Staats.
§. 1463. Entzieht sich ein solcher muthwilliger Bankerutirer der Strafe durch die Flucht: so soll sein Bildniß an einen Schandpfahl geheftet werden.
§. 1464. Wer zu einer Zeit, da er keine wahrscheinliche Aussicht hat, seine Gläubiger jemals befriedigen zu können, dennoch zu Unterstützung seiner Verschwendung Schulden macht, ist als ein muthwilliger Bankerutirer anzusehen, und mit fünf- bis sechsjähriger Zuchthausstrafe zu belegen.
§. 1465. Werden die unter solchen Umständen (§. 1464.) gemachten Schulden zu Vergrößerung der Masse verwendet: so soll ein solcher Bankerutirer mit drey- bis vierjähriger Zuchthausarbeit belegt werden.
§. 1466. Wer zu einer Zeit, da er weiß, daß sein Vermögen zur Bezahlung seiner Schulden nicht mehr hinreiche, aber noch Hoffnung hat, daß selbiges sich im Kurzen verbessern werde, mit Verheimlichung seiner Vermögensumstände neue Schulden macht, und dadurch den Verlust seiner Gläubiger vergrößert, soll als ein fahrlässiger Bankerutirer angesehen werden.
§. 1467. Eben dafür ist derjenige zu achten, der bey der Unzulänglichkeit seines Vermögens, den Rest desselben zu seinen eignen oder der Seinigen Bedürfnissen, obschon ohne Verschwendung, verzehrt, und dadurch seinen Gläubigern entzieht.
§. 1468. Ein Kaufmann, welcher entweder gar keine ordentlichen Bücher führt, oder die Balance seines Vermögens, wenigstens alljährlich einmal, zu ziehen unterläßt, und sich dadurch in Unwissenheit über die Lage seiner Umstände erhält, wird bey ausbrechendem Zahlungsunvermögen als ein fahrlässiger Bankerutirer bestraft.
§. 1469. Ein solcher fahrlässiger Bankerutirer (§. 1466-1468.) wird, wenn er in einem öffentlichen Amte steht, dieses Amtes, und wenn er ein Jude ist, seines Schutzprivilegii, so wie ein anderer Kaufmann aller kaufmännischen Rechte, verlustig: also daß er ohne besondere Erlaubniß keinen Handel weiter treiben darf.
§. 1470. Außerdem hat derselbe, je nachdem der Verlust der Gläubiger größer oder geringer, und das Unvermögen durch längere oder kürzere Zeit verheimlicht worden ist, Zuchthaus- oder Festungsstrafe von Einem bis zu drey Jahren verwirkt.
§. 1471. Die Hoffnung, durch weit aussehende Handlungsspeculationen eine schon vorhandene Vermögensunzulänglichkeit zu decken, kann einen fahrlässigen Bankerutirer nicht entschuldigen.
§. 1472. Eben so wenig ist die Erwartung künftiger Erbschaften, oder anderer Anfälle, auf welche der Schuldner noch kein unwiderrufliches Recht erlangt hat, dazu hinreichend.
§. 1473. Wer mit fremdem Gelde, ohne Genehmigung des Gläubigers, verwegene und unsichere Unternehmungen wagt, durch deren Fehlschlagung seine Gläubiger in Schaden und Verlust gesetzt werden, wird als ein unbesonnener Bankerutirer bestraft.
§. 1474. Ob ein dergleichen Unternehmen für unbesonnen zu achten sey, muß durch Sachverständige untersucht und beurtheilt werden.
§. 1475. Außer dem Verluste der Handlungsgerichtigkeit, oder des Schutzprivilegii, hat ein solcher Bankerutirer Gefängnißstrafe, auf sechs Monathe bis zu zwey Jahren, verwirkt.
e) was bey dem Bankerute überhaupt zu beobachten sey.
§. 1476. Jeden erfolgenden Bankerut ist der Richter von Amts wegen zu untersuchen, und nach Befund der Umstände zu bestrafen schuldig.
§. 1477. Ein zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern getroffenes Abkommen kann denselben zwar von der Abarbeitung des Ausfalls, nicht aber von der Untersuchung und Strafe des Bankeruts befreyen.
§. 1478. Wer bey Behandlung der Gläubiger einen derselben, welcher kein vorzügliches Recht hat, vor den übrigen begünstigt, hat schon dafür eine sechs- wöchentliche bis dreimonatliche Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1479. Kaufleute, welche durch Unglücksfälle zu zahlen unvermögend geworden, sind nicht als Bankerutirer anzusehen.
§. 1480. Die Vorsteher und Aeltesten der Kaufmannschaft jedes Orts sind schuldig, die ihnen bekannt werdenden Fälle eines strafbaren Bankeruts, dem Richter bey hundert Ducaten fiscalischer Strafe anzuzeigen.
§. 1481. Nach den von ihnen an die Hand zu gebenden, oder sonst eingezogenen Nachrichten, muß der Richter hauptsächlich beurtheilen: in wie fern es einer förmlichen Criminaluntersuchung wegen vorgefallenen Bankeruts bedürfe.
§. 1482. Einen unvermögenden Schuldner, welcher, um sich der richterlichen Untersuchung zu entziehen, austritt, oder seinen Aufenthalt verbirgt, trifft die Verrauthung eines muthwilligen Bankeruts.
§. 1483. Hat ein ausgetretener Kaufmann seine Bücher bey Seite gebracht; oder dieselben in solcher Unvollständigkeit oder Verwirrung zurückgelassen, daß daraus die Lage seines Vermögens und seiner Geschäfte nicht übersehen werden kann: so ist er für einen betrüglichen Bankerutirer zu achten.
§. 1484. Wenn der ausgetretene Schuldner auf ergangene öffentliche Vorladung sich nicht gestellt: so soll das wider ihn gefällte Urtel in den öffentlichen Anzeigen bekannt gemacht werden.
§. 1485. Die Ehefrau eines Bankerutirers, welche an dem Verbrechen des Mannes wissentlich und unmittelbar Theil genommen hat, verliert ihr eigenthümliches Vermögen zum Besten der Gläubiger, und hat die Hälfte der den Mann treffenden Gefängniß- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1486. So oft ein Bankerut durch Verschwendung oder übermäßigen Aufwand verursacht worden, soll die Ehefrau mit ihrem Eingebrachten den Gläubigern der sechsten Classe nachstehen.
§. 1487. Kann sie aber ausweisen, daß sie an dem übermäßigen Aufwande des Mannes keinen Theil genommen, oder daß sie denselben wegen dieses Aufwandes gewarnt habe: so behält sie das in der Concursordnung angewiesene Vorzugsrecht.
Sechszehnter Abschnitt. Von Beschädigungen des Vermögens aus Rache, Bosheit und Muthwillen
§. 1488. Wer aus Rache, Bosheit, oder Muthwillen, einen Andern an seinem Eigenthume oder Vermögen beschädigt, der soll nicht nur den Schaden ersetzen, sondern auch verhältnißmäßige Leibesstrafe leiden.
§. 1489. Der Grad der strafbaren Leidenschaft, welche aus einer solchen unerlaubten Handlung hervorleuchtet; die Größe des verursachten Schadens, und der für den Beschädigten daraus entstandenen Gefahr, bestimmen die Art und das Maaß der verwirkten Strafe.
Beschädigungen aus Muthwillen.
§. 1490. Geringe Beschädigungen, die aus bloßem Muthwillen verübt sind, sollen polizeymäßig, durch körperliche Züchtigung, Strafarbeit, oder Gefängniß, nach dem Alter und Stande des Beleidigers, geahndet werden.
§. 1491. Ist durch solchen Muthwillen ein erheblicher Schade entstanden: so soll Gefängniß- oder Zuchthausstrafe von vier Wochen bis zu zwey Jahren statt finden.
§. 1492. Beschädigungen aus Bosheit oder Rache, wodurch nur einzelne Bürger des Staats an ihrem Eigenthume oder Vermögen gekränkt worden, sollen, wenn damit keine Gefahr für das Publicum verbunden gewesen, und in den Gesetzen keine besondre Strafe auf den Fall bestimmt ist, mit Festungs- oder Zuchthausstrafe von drey Monathen bis zu drey Jahren geahndet werden.
§. 1493. Wenn bey Beschädigungen des Vermögens zugleich das Hausrecht verletzt oder die persönliche Sicherheit des Beleidigten, oder der Seinen, in Gefahr gesetzt worden: so soll die sonst verwirkte Strafe um ein Drittel geschärft werden.
§. 1494. Liegt bey der Schadenszufügung eine unversöhnliche Feindschaft gegen den Beschädigten zum Grunde: so soll der Beschädiger, nach ausgestandener Strafe, bewandten Umständen nach, aus dem Wohnorte des Beleidigten verwiesen werden.
Siebzehnter Abschnitt. Von Beschädigungen mit gemeiner Gefahr
§. 1495. Gegen Landesbeschädiger, welche mehrere Bürger des Staats, oder gar das Publicum überhaupt, in Schaden oder Gefahr setzen, soll allemal geschärfte mehrjährige Festungsstrafe statt finden.
§. 1496. Wenn bey unerlaubten Handlungen, außer dem zunächst Beleidigten, zugleich das Publicum, oder andere Bürger des Staats in Gefahr gesetzt wor- den: so muß die sonst verwirkte Strafe nach Verhältniß dieser Gefahr jedesmal geschärft werden.
§. 1497. Wer durch vorsätzliche Beschädigungen von Gebäuden, Wegen und Brücken, Vieh und Gut der Einwohner, oder Reisenden, in Gefahr versetzt, soll mit Festungsstrafe von sechs Monathen bis zu drey Jahren belegt werden.
§. 1498. Ist die Absicht, jemanden an seinem Leibe zu beschädigen klar: so hat der Thäter sechs- bis zehnjährige, und wenn die Absicht zu tödten damit verbunden gewesen, lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1499. Ist ein solcher Schade (§. 1498.) wirklich geschehen: so soll die dadurch verwirkte gesetzliche Strafe wegen der gemeinen Gefahr geschärft werden.
§. 1500. Wer, um einen Mangel an Lebensmitteln oder andern Bedürfnissen im Publico zu veranlassen, dergleichen Sachen verderbt, hat eine sechs- bis zehn- jährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1501. Ist dadurch ein Mangel an solchen Lebensmitteln wirklich verursacht worden: so soll der Thäter gestäupt, und mit lebenswieriger Festungsarbeit bestraft werden.
§. 1502. Sind durch einen solchen Mangel, oder vermittelst eines dadurch veranlaßten Tumults, Menschen ums Leben gekommen: so soll der Thäter, wenn ihm auch die Absicht zu tödten nicht
beygemessen werden kann, dennoch mit dem Schwerdte hingerichtet werden.
§. 1503. Ist die Absicht zu tödten mit einem solchen Unternehmen verbunden gewesen: so hat er, wenn die Absicht erreicht worden, die Strafe des Rades von unten; bey unerreichter Absicht aber, die Strafe des Schwerdtes, nebst Schleifung zur Richtstätte, und Flechtung des Körpers aufs Rad verwirkt.
§. 1504. Wer dergleichen zum gemeinen Gebrauche bestimmte Sachen, in der Absicht, Verdruß, Schmerzen, Eckel, oder Vermögensverlust zu veranlassen, verfälscht oder verderbt, soll mit ein- bis vierjähriger Zuchthausoder Festungsstrafe belegt werden.
§. 1505. Wird diese Absicht wirklich erreicht: so kann diese Strafe bis auf sechs Jahre Festungs- oder Zuchthausstrafe verschärft werden.
§. 1506. Wer ansteckende Seuchen unter das Vieh verbreitet, hat, wenn es vorsätzlich geschehen ist, eine drey- bis sechsjährige; im Falle einer groben Fahrläßigkeit aber, oder bey übertretenem Polizeygesetze, eine sechsmonathliche bis dreyjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verwirkt.
§. 1507. Ist es um Gewinns und Vortheils willen geschehen: so soll sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe statt finden.
§. 1508. Eben so soll derjenige bestraft werden, welcher Gemeinweiden, Wiesen, Hütungen, oder Teiche vergiftet.
§. 1509. Wer unter Androhung eines gemein schädlichen Unternehmens etwas zu erpressen sucht, hat nach Verhältniß des angedroheten Uebels, der Größe seiner Bosheit, und der von ihm zu besorgenden Gefahr, sechsjährige, zehnjährige, oder auch lebenswierige Festungsstrafe verwirkt.
§. 1510. Wer in Wohnhäusern, Schiffen, oder andern Gebäuden, vorsätzlich Feuer anlegt, um dadurch jemanden zu beschädigen, wird als ein Brandstifter angesehn.
§. 1511. Jede vorsätzliche Brandstiftung, wodurch das Leben eines oder mehrerer Menschen, oder ganze Städte, Flecken, Dörfer, und sonst bey einander liegende Wohngebäude, oder Schiffe in Gefahr gesetzt worden, zieht in der Regel Todesstrafe nach sich.
§. 1512. Wer eine solche gefährliche Feuersbrunst in der Absicht, unter Begünstigung derselben Mord, Raub, oder ein andres Verbrechen, worauf die Todesstrafe steht, zu begehen, veranlaßt hat, der soll, ohne Rücksicht auf den Erfolg, als ein Mordbrenner mit der Strafe des Feuers belegt werden.
§. 1513. Sind bey dergleichen Mordbrennerey Menschen ums Leben gekommen: so soll die Todesstrafe des Feuers, nach Verhältniß der begangnen Grausamkeiten, geschärft werden.
§. 1514. Sind dergleichen Grausamkeiten zwar nicht begangen; es ist aber die Feuersbrunst an einem bewohnten Orte, und zu einer Zeit angelegt worden, da die Einwohner gewöhnlich schon im Schlafe liegen: so hat der Thäter die Strafe des Feuers verwirkt, wofern Menschen in einem solchen Brande, oder bey Gelegenheit desselben, ihr Leben verloren, oder einen bleibnden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben; wenn auch der Thäter die §. 1512. gedachte mordbrennerische Absicht nicht gehabt hätte.
§. 1515. Ist bey einem solchen zur Nachtzeit angelegten Brande weder die §. 1512. bemerkte mordbrennerische Absicht vorhanden gewesen; noch ein Mensch an Leben oder Gesundheit auf vorstehende Art beschädigt; gleichwohl aber durch Einäscherung von Häusern und Gebäuden ein Schade von Fünf- hundert Thalern oder mehr verursacht worden: so findet die Strafe des Schwerdts nebst der Verbrennung des Körpers Statt.
§. 1516. Eben diese Todesstrafe wird, jedoch ohne Verschärfung, erkannt, wenn zwar Menschen das Leben verloren, oder einen bleibenden Nachtheil an ihrer Gesundheit erlitten haben, der Brand aber am Tage, und ohne die im §. 1512. gedachte Absicht angelegt worden.
§. 1517. Ist durch eine in bewohnten Gegenden vorsätzlich, jedoch ohne mordbrennerische Absicht, (§. 1512.) am Tage erregte Feuersbrunst zwar kein Mensch an Leben oder Gesundheit verletzt worden; dennoch aber an Häusern, Gebäuden, Gütern und Vermögen der Einwohner ein Verlust von Fünfhundert Thalern oder mehr entstanden: so wird der Thäter mit lebenswieriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt.
§. 1518. Ist kein dergleichen beträchtlicher Schade verursacht; die Brandstiftung aber bey nächtlicher Weile verübt worden: so hat der Thäter zehn- bis fünfzehnjährige Festung- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1519. Ist das ohne beträchtlichen Schaden gedämpfte Feuer am Tage angelegt, und dadurch die Rettung erleichtert worden: so soll der Thäter sechs- bis zehnjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe leiden.
§. 1520. Wer durch Ansteckung seines Eigenthums das Feuer weiter zu verbreiten, oder Andere zu betrügen sucht, wird gleich dem, welcher fremdes Eigenthum in Brand steckt, bestraft.
§. 1521. Wer Wälder vorsätzlich in Brand steckt, soll zu einer sechs- bis zehnjährigen, oder auch, wenn dadurch ein sehr erheblicher Schade verursacht worden, in lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verurtheilt werden.
§. 1522. Wer einzeln stehende unbewohnte Gebäude, oder andre Behältnisse, Holzvorräthe, Feld- oder Gartenfrüchte, dergestalt anzündet, daß die Flammen, nach dem natürlichen Laufe der Dinge, bewohnte Gegenden nicht ergreifen können, der soll, nach Verhältniß des angerichteten Schadens, mit drey- bis sechsjähriger Festungsstrafe belegt werden.
§. 1523. Gegen einen Verbrecher, welcher sich mehrerer Brandstiftungen schuldig gemacht hat, soll, wenn er auch wegen einer jeden insbesondere nur zeitigen Verlust der Freyheit verwirkt hätte, den- noch lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe erkannt werden.
§. 1524. Würde ihn ohne dies schon wegen Einer Brandstiftung lebenswierige Festungs- oder Zuchthausstrafe treffen: so soll, wegen Wiederholung des Verbrechens, der Staupenschlag hinzukommen.
§. 1525. Die durch einzelne Brandstiftungen verwirkte Todesstrafe soll, im Falle der Wiederholung des Verbrechens, verschärft worden.
§. 1526. Was vorstehend (§. 1523-1525.) verordnet worden, findet statt, wenn der Verbrecher wegen der vorhergehenden Brandstiftungen noch nicht bestraft worden.
§. 1527. Ist er aber schon einmal wegen versuchter oder unternommener Brandstiftung bestraft worden: so hat er im Wiederholungsfalle die Strafe des Schwerdts verwirkt, wenn gleich die That an sich eine gelindere Strafe nach sich gezogen hätte.
§. 1528. Wegen einer solchen Wiederholung (§. 1527.) wird die sonst verwirkte gelindere Todesstrafe in die härtere verwandelt.
§. 1529. Auch auf bloß versuchte Brandstiftung, wenn gleich der Ausbruch des Feuers ohne Zuthun des Thäters unterblieben ist, soll nach Verhältniß der bevorgestandenen Gefahr, mehrjährige Festungsstrafe folgen.
§. 1530. Hat der angelegte Brand gar nicht gezündet: so hat der Thäter drey- bis fünfjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt.
§. 1531. Hat er die That bereut, und den Zunder wieder weggenommen, oder das Feuer, ehe es zum Ausbruche gekommen ist, wieder gelöscht: so soll sechsmonathliche bis zweyjährige Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe eintreten.
§. 1532. Hat der Thäter um Hülfe gerufen, und dadurch allen Schaden verhütet: so findet gleichfalls die Vorschrift des vorhergehenden §. 1531. Anwendung.
§. 1533. Ist durch des Thäters Rufen um Hülfe zwar nicht aller Schade, aber doch die Vergrößerung desselben verhütet worden: so soll er mit der übrigens verwirkten Todesstrafe verschont, und die sonst etwa eintretende ordinaire Strafe gemildert werden.
§. 1534. Ist der Thäter durch persönliche Rache oder Feindschaft zu der versuchten Brandstiftung bewogen worden: so soll er, nach ausgestandener Strafe, aus dem Orte oder der Provinz, wo er das Feuer angelegt hat, auf immer verbannt werden.
§. 1535. Wer aus Bosheit oder Muthwillen, durch gefährliche Drohungen von Feueranlegen und Brandstiftungen, seine Mitbürger beunruhigt; der hat Zuchthausstrafe von sechs Monathen bis zu zwey Jahren verwirkt.
§. 1536. Wer durch dergleichen Drohungen Geld oder andere Vortheile von einzelnen Privatpersonen zu erpressen sucht, der soll mit Zuchthausstrafe von drey bis sechs Jahren belegt werden.
§. 1537. Wer durch solche gefährliche Brandbriefe, oder Aufsteckung von Brandzeichen, Erpressungen über ganze Oerter oder Gegenden zu verüben sich unterfängt; der soll, nach Verhältniß der daraus wirklich bevorgestandenen Gefahr, zehnjährige bis lebenswierige Festungsstrafe leiden.
Polizeygesetze zu Verhütung der Feuersbrünste.
§. 1538. Jeder Einwohner des Staats ist schuldig, Vorsicht anzuwenden, damit durch sein Zuthun oder Veranlassung kein Feuerschade entstehe.
§. 1539. Wer einen Bau führen, oder Hauptreparaturen unternehmen will, muß sich dazu vereideter Werkmeister bedienen; und nach den zur Abwendung der Feuersgefahr abzielenden Anweisungen derselben sich achten. (Th. I. Tit. VIII. §. 66. sqq.)
§. 1540. Handwerker und Professionisten, welche in Feuer arbeiten, müssen die Polizeyordnungen jedes Orts, wegen der Anlage und Verwahrung ihrer Werkstätte, ingleichen wegen ,der Art und Zeit, sich des Feuers zu bedienen, genau beobachten.
§. 1541. Alle sich von selbst entzündende oder leicht feuerfangende Waaren, Materialien, und andre Vorräthe, müssen an Oertern, und in Behältnissen, wo ihre Entzündung nicht gefährlich werden kann, vorsichtig aufbewahrt werden.
§. 1542. Auch müssen Waaren, welche, wie Hanf und Pech, nicht ohne Gefahr bey einander aufbewahrt werden können, von einander abgesondert gehalten werden.
§. 1543. Gewerbe und Verrichtungen, deren Betrieb mit besondrer Feuersgefahr verbunden ist, sollen in Städten, Flecken, Dörfern, und überhaupt in der Nähe von andern einer leichten Entzündung ausgesetzten Gebäuden, nicht geduldet werden.
§. 1544. Jeder Hauswirth ist schuldig, dafür zu sorgen, daß die Feuerstellen in seinem Hause beständig in baulichem brandsicherem Stande unterhalten, und besonders die Schornsteine zur gesetzten Zeit ordentlich gefegt werden.
§. 1545. Besonders müssen die Schornsteinfeger, sowohl auf dem Lande, als in den Städten, dafür haften, daß die Reinigung der Schornsteine gehörig erfolge.
§. 1546. Wenn der Eigenthümer oder Einwohner auf die Erinnerung des Schornsteinfegers nicht achtet: so ist dieser zur Anzeige bey der Polizeyobrigkeit gehalten.
§. 1547. Ein jeder überhaupt ist schuldig, in Ansehung des Feuers und Lichts die genaueste Vorsicht zu beobachten.
§. 1548. In Scheuern und Ställen, Böden, und andern Behältnissen, wo feuerfangende Sachen zu seyn pflegen, soll sich niemand mit bloßem Feuer oder Lichte, brennenden Kienspänen, oder Fackeln betreten lassen.
§. 1549. Vielmehr soll sich ein jeder dazu der Oellampen in gehörig verwahrten blechernen Laternen bedienen.
§. 1550. Niemand soll an einem solchen Orte, oder auch in oder bey den Betten und Lagerstellen, in Wäldern, in den Dörfern bey Häusern, in den Ställen, auf den Höfen, oder in den Dorfstraßen, und solchen Gegenden, wo leicht Feuer entstehen könnte, Taback rauchen.
§. 1551. In Wäldern und Heiden soll niemand bey trockener Jahreszeit, oder an gefährlichen Stellen, Feuer anmachen.
§. 1552. Auch auf freyen Plätzen darf, in einer gefährlichen Nähe von Gebäuden, oder andern feuerfangenden Sachen, kein Feuer angemacht werden.
§. 1553. Niemand soll Kohlenbecken, oder andre Feuerbehältnisse, an Orten, wo dadurch Brand veranlaßt, oder Menschen durch den Dampferstickt werden könnten, über Nacht stehen lassen.
§. 1554. Des Schießens mit Feuergewehr, des Raketenwerfens und andrer Feuerwerke, in der Nähe von Häusern, Gebäuden, oder andern leicht entzündbaren Sachen, soll sich ein jeder enthalten.
§. 1555. Wer den §. 1538-1554. vorgeschriebenen Vorsichtsregeln zuwider handelt, macht sich der in den besondern Verordnungen festgesetzten Polizeystrafen schuldig.
§. 1556. Die gewöhnliche Polizeystrafe soll, nach Verhältniß der Unvorsichtigkeit, der Größe der Gefahr, und der Qualität der Person, in den Polizeygesetzen näher bestimmt werden.
§. 1557. Wer durch Uebertretung solcher Polizeygesetze eine wirkliche Feuersbrunst veranlaßt, der soll, nach Verhältniß des entstandenen Schadens, mit Gefängniß- oder Arbeitshausstrafe, von sechs Monathen bis zwey Jahren, oder auch, nach Beschaffenheit der Umstände und Person, mit fünfzig bis tausend Thaler Geldstrafe belegt werden.
§. 1558. Wer außerdem durch Unvorsichtigkeit, oder Verabsäumung der gewöhnlichen Sorgfalt, zum Entstehen einer Feuersbrunst Anlaß giebt, der soll nach gleichem Verhältnisse, Arrest oder Arbeitshausstrafe auf vier Wochen bis zu Einem Jahre leiden, oder zwanzig bis fünfhundert Thaler Geldstrafe erlegen.
§. 1559. Hausväter und Dienstherrschaften sind schuldig, auf ihre Familie und Gesinde, wegen behutsamen Verhaltens mit Feuer und Licht, sorgfältige Aufsicht zu führen.
§. 1560. Ein Gleiches liegt, in Ansehung der Fremden und Reisenden, denjenigen ob, welche dieselben aufnehmen und beherbergen.
§. 1561. Sobald vorgedachte Personen wahrnehmen, daß diejenigen, welche in diesem Betrachte unter ihrer Aufsicht stehen, mit Feuer und Licht fahrläßig umgehen, müssen sie solchem sofort nachdrücklich steuern, oder der Obrigkeit davon Anzeige machen.
§. 1562. Auch Hauswirthe, welche dergleichen unvorsichtige Behandlung an ihren Miethsleuten wahrnehmen, sind, wenn sie derselben nicht selbst hinlänglich steuern können, der Obrigkeit Anzeige zu thun verbunden.
§. 1563. Wenn durch die Schuld und Fahrläßigkeit der Familie, des Gesindes, oder der Fremden, Feuer entsteht: so soll der einer vernachläßigten Aufsicht überführte Hausvater, Dienstherr, oder Gastwirth, die Hälfte der von dem unvorsichtigen Brandstifter selbst verwirkten Strafe leiden.
§. 1564. Hat jemand die Gewohnheit der seiner Aufsicht anvertraueten Personen, mit Feuer und Licht unvorsichtig umzugehen, gewußt; und gleichwohl selbiger vorschriftsmäßig zu steuern unterlassen: so soll er eben so, wie der schuldbare Brandstifter bestraft werden.
§. 1565. Jeder, in dessen Wohnung oder Behausung ein Feuer ausbricht, welches leicht gefährlich werden könnte, ist den Vorfall sofort kund zu machen, und die öffentliche Hülfe ohne Zeitverlust herbeyzurufen schuldig.
§. 1566. Wer das ausgebrochne Feuer zu verheimlichen, und mit den Seinigen in der Stille dämpfen zu wollen unternimmt, soll, wenn es wirklich ohne weitern Schaden gelöscht worden, dennoch mit fünf bis zwanzig Thalern Geld-, oder verhältnißmäßiger Leibesstrafe belegt werden.
§. 1567. Ist aber durch solche Verheimlichung die öffentliche Beyhülfe verabsäumt, und dadurch ein erheblicher Schade angerichtet worden: so soll die Strafe der unvorsichtigen Brandstiftung statt finden. (§. 1557.)
§. 1568. In Ansehung derjenigen, welche vermöge ihres Amtes, oder zufolge ihrer Bürgerpflicht, ausbrechende Feuersbrünste kund zu machen, oder bey deren Dämpfung mit zu wirken schuldig sind, hat es bey den Vorschriften ihrer Amtsinstructionen, und den besondern Feuerordnungen sein Bewenden.
§. 1569. Wer die nach diesen Ordnungen zu haltenden Löschgeräthschaften nicht vorräthig, oder nicht im Stande hat; der soll zu seiner Pflicht sofort durch Execution angehalten werden.
§. 1570. Ist die Anschaffung, oder Instandhaltung, aus Nachläßigkeit oder unzeitiger Sparsamkeit unterblieben.: so soll der Uebertreter den doppelten Werth des fehlenden oder untauglichen Geräthes zur Strafe entrichten.
Von vorsätzlich verursachten Ueberschwemmungen.
§. 1571. Wer Dämme, Deiche, Schleusen, oder andre Wasserbaue, wodurch ganze Gegenden und Feldmarken wider die Gewalt des Wassers geschützt werden sollen, vorsätzlich durchsticht, wegreißt, oder sonst dergestalt beschädigt, daß dadurch ein gewaltsamer Durchbruch oder Ueberströmung des Wassers verursacht wird; der hat die Todesstrafe verwirkt.
§. 1572. Ist durch eine boshaft verursachte Ueberschwemmung nur in Wäldern, oder an Aeckern und Wiesen ein Schade geschehen: so soll der Thäter dennoch mehrjährige bis lebenswierige geschärfte Festungsstrafe leiden.
§. 1573. Wer Dämme oder Schleusen an Privatgewässern, Graben, oder Teichen, durchsticht, oder sonst beschädigt, und dadurch ein gefährliches Uebertreten solcher Wässer vorsätzlich verursacht; der soll, nach Verhältniß des entstandenen Schadens, mit Zwey- bis zehnjähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden.
§. 1574. Ist die boshafte Ueberschwemmung in der Absicht, Menschen zu tödten, verursacht, und diese Absicht wirklich erreicht worden: so soll die geschärfte Strafe des Rades statt finden.
§. 1575. Wenn auch noch kein Schade geschehen ist: so hat doch der, welcher in der Absicht zu tödten, ein dergleichen Verbrechen unternommen hat, lebenswierige Zuchthausstrafe nebst Staupenschlag verwirkt.
§. 1576. Auch derjenige, welcher eigenmächtig, ohne vorhergegangne Untersuchung oder Warnung der unterhalb Liegenden, Dämme durchsticht, oder Schleusen beschädigt, um sich von dem andringenden Wasser zu befreyen, soll, wenn nicht die äußerste Noth vorhanden gewesen, mit Gefängnißstrafe von sechs Monathen, bis zu drey Jahren belegt werden.
§. 1577. Wie diejenigen, welchen die Unterhaltung der Dämme, Teiche und Schleusen, und die Aufsicht darüber obliegt, bey Vernachläßigung ihrer Pflichten und daraus entstandenen Schaden gestraft werden sollen, ist in den besondern Strohm-, Teich- und Uferordnungen festgesetzt.
- *. Die ursprünglich im Allgemeinen Gesetzbuch vorgesehenen §§ 860-869, 922, 926 sind im Allgemeinen Landrecht gestrichen worden. In den Ausgaben von 1794, 1796 und 1804 wurde aber die Zählung des Allgemeinen Gesetzbuchs beibehalten. Die so entstandene Lücke wurde erst 1806 beseitigt.