BVerfGE 14, 156; BayVBl 1962, 275; DVBl 1962, 836; DÖV 1963, 628; MDR 1962, 715; NJW 1962, 1495
Titel zum Volltext
Daten
- OLG Hamm, 25.04.1961 - 3 Ss 1451/60
Rechtsnormen
Seitennummerierung nach:
Seiten:
BVerfGE 14, 156 (156):
1. Nach Art. 97 Abs. 2 und Art. 92 GG müssen Berufsrichter grundsätzlich hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sein. Richter, bei denen diese Garantien der persönlichen Unabhängigkeit fehlen, dürfen nur aus zwingenden Gründen herangezogen werden; sie müssen möglichst gleichmäßig auf Gerichte, Kammern und Senate verteilt werden.
2. Entscheidungen, bei denen ohne zwingende Gründe Richter mitgewirkt haben, die nicht hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind, verletzen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und die Rechtsgarantie bei Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG).
Urteil
des Zweiten Senats vom 3. Juli 1962 auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 1962
-- 2 BvR 628/60, 247/61 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Diplom-Brennerei-Ing. Kurt E..., Bevollmächtigter: Rechtsanwalt..., gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. Februar 1958 - KMs 2/56 (68/57) -, den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 2. Mai 1960 - GSSt 3/59 - und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. August 1960 - 4 StR 266/58 -, 2. des Kaufmanns Wilhelm P..., Bevollmächtigter: Rechtsanwalt..., gegen die Urteil des Amtsgerichts - Schöffengerichts - Höxter vom 6. Oktober 1959 - 2 Ms 110/59 -, des Landgerichts Detmold vom 1. August 1960 - 4 Ms 43/60 (Ns) - und des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. April 1961 - 3 Ss 1451/60.
Entscheidungsformel:
1. Das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. Februar 1958 -- 6 KMs 2/56 (68/57) -- verstößt gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Dieses Urteil und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. August 1960 -- 4 StR 266/58 -- werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.
BVerfGE 14, 156 (157):
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.
2. Das Urteil des Landgerichts Detmold vom 1. August 1960 -- 4 Ms 43/60 (Ns) -- verstößt gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Dieses Urteil und das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. April 1961 -- 3 Ss 1451/60 -- werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Detmold zurückverwiesen.
Gründe:
A.
1. Der Beschwerdeführer Kurt E ... ist von der Strafkammer I des Landgerichts Osnabrück am 17. Februar 1958 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat er Revision eingelegt und u.a. gerügt, die Strafkammer sei mit einem Landgerichtsrat und zwei Assessoren nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen. Vor der Entscheidung über die Revision hat der zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluß vom 16. Oktober 1959 nach § 137 GVG dem Großen Senat für Strafsachen die Frage vorgelegt, ob eine ordentliche Strafkammer ordnungsmäßig besetzt sei, wenn ihr nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Dauer des Geschäftsjahres nur zwei planmäßige Richter, im übrigen aber nur Assessoren als Hilfsrichter angehörten. Der Große Senat hat diese Frage mit Beschluß vom 2. Mai 1960 dahin beantwortet, daß die Besetzung einer Großen Strafkammer nicht schon deshalb gegen das Gesetz verstoße, weil ihr im Geschäftsverteilungsplan für die Dauer des Geschäftsjahres nur zwei planmäßige Richter, im übrigen aber Hilfsrichter zugeteilt seien. Darauf hat der 4. Strafsenat durch Urteil vom 19. August 1960 das angefochtene landgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung entfiel, die Revision aber im übrigen verworfen. Das Urteil ist dem Beschwerdeführer, der am 3. Septem
BVerfGE 14, 156 (158):
ber 1960 die Erteilung einer Abschrift in vollständiger Form beantragt hatte, am 2. November 1960 zugestellt worden.
Mit einem am 1. Dezember 1960 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. November 1960 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er hat beantragt, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. August 1960, den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen vom 2. Mai 1960 und das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. Februar 1958 aufzuheben und die Sache an ein benachbartes Landgericht zurückzuverweisen. Er macht geltend, das Urteil des Landgerichts Osnabrück und die auf ihm beruhenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 2 und gegen Art. 104 GG. An seiner Verurteilung durch die Strafkammer I des Landgerichts Osnabrück hätten zwei nicht planmäßig endgültig angestellte, also persönlich nicht unabhängige Richter, mitgewirkt. Die Strafkammer sei nicht nur in einem Ausnahmefall in der Besetzung mit zwei persönlich nicht unabhängigen Richtern als Beisitzern zusammengetreten, da ihr nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 1958 außer dem Vorsitzenden nur ein planmäßig endgültig angestellter Richter und zwei, zeitweise sogar drei außerplanmäßige Richter angehört hätten.
Nach der dienstlichen Äußerung des Präsidenten des Landgerichts Osnabrück vom 30. September 1961 waren bei dem Landgericht Osnabrück am 17. Februar 1958, dem Tag der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer, 25 planmäßige Richter beschäftigt. Anstelle von 5 weiteren planmäßigen Richtern, von denen einer verstorben war und 4 an andere Gerichte abgeordnet waren, wurden Hilfsrichter beschäftigt. Neben diesen zur Verwaltung von Planstellen verwendeten Hilfsrichtern gehörten dem Landgericht weitere 7 Hilfsrichter (davon einer mit halber Arbeitskraft) an, so daß den 25 planmäßigen Richtern des Gerichts 12 Hilfsrichter gegenüberstanden. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts in Osnabrück im Geschäftsjahr 1958 vom 18. Dezember 1957, der durch Präsidialbeschlüsse vom
BVerfGE 14, 156 (159):
8. und 15. Januar und vom 6., 10. und 11. Februar 1958 geändert worden war, waren die Hilfsrichter vorwiegend den Strafkammern I und III zugeteilt. Nach der dienstlichen Äußerung des Landgerichtspräsidenten war eine gleichmäßige Verteilung der Hilfsrichter auf die einzelnen Kammern wegen ihrer verschiedenen Belastung nicht möglich.
Der Bundesminister der Justiz hat von einer Stellungnahme zum Einzelfall abgesehen, sich aber allgemein zur Rechtsfrage geäußert. Er ist der Ansicht, die gleichmäßige Verteilung der einem Gericht zugewiesenen Hilfsrichter auf die Kammern oder Senate sei im Hinblick auf Art. 97 Abs. 2 GG und auf die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes zwar grundsätzlich geboten, es sei aber zulässig, bei der Geschäftsverteilung die jeweiligen personellen Bedürfnisse und die Fähigkeiten der einzelnen Richter zu berücksichtigen. Die Mitwirkung zweier Hilfsrichter an einer gerichtlichen Entscheidung sei dann nicht zu beanstanden, wenn die geschäftsplanmäßige Besetzung einer Kammer oder eines Senats dazu nötige, obgleich die Geschäftsverteilung das Ziel möglichst gleichmäßiger Verteilung der planmäßigen Richter berücksichtigt habe. Der Justizminister des Landes Niedersachsen hat von einer Äußerung abgesehen.
2. Der Beschwerdeführer Wilhelm P ... ist vom Amtsgericht -- Schöffengericht -- Höxter am 6. Oktober 1959 wegen Urkundenfälschung zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Landgericht Paderborn hat seine Berufung am 3. Dezember 1959 verworfen; auf die Revision des Beschwerdeführers hat das Oberlandesgericht Hamm am 26. April 1960 die Entscheidung des Landgerichts Paderborn aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers an das Landgericht Detmold verwiesen. In der Sitzung vom 1. August 1960 hat die Ferienstrafkammer I des Landgerichts Detmold die Berufung des Beschwerdeführers ebenfalls verworfen. Auch seine Revision, mit der er u.a. unvorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts gerügt hatte, ist vom Oberlandesgericht Hamm am 25. April 1961 verworfen
BVerfGE 14, 156 (160):
worden. Das in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündete Urteil ist dem Beschwerdeführer am 10. Juni 1961 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 20. Juni 1961 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er hat beantragt, das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. April 1961 und das Urteil des Landgerichts Detmold vom 1. August 1960 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Er macht geltend, die Urteile des Oberlandesgerichts Hamm und des Landgerichts Detmold verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 2 GG. An der Entscheidung über seine Berufung durch die Ferienstrafkammer I des Landgerichts Detmold hätten zwei nicht planmäßig endgültig angestellte, also persönlich nicht unabhängige Richter mitgewirkt. Die Ferienstrafkammer I des Landgerichts Detmold sei nicht nur in einem Ausnahmefall in der Besetzung mit zwei persönlich nicht unabhängigen Richtern zusammengetreten; vielmehr hätten ihr am Tag der Entscheidung nach dem Geschäftsverteilungsplan ausschließlich persönlich abhängige Richter als Beisitzer angehört.
Nach einer dienstlichen Äußerung des Präsidenten des Landgerichts Detmold vom 2. Oktober 1961 waren bei dem Landgericht Detmold am 1. August 1960, dem Tag der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer, 13 planmäßige Richter und 6 Hilfsrichter beschäftigt. 2 Hilfsrichter waren dem Gericht zur Verwaltung von Planrichterstellen zugewiesen, die infolge Versetzung unbesetzt waren, die übrigen 4 Hilfsrichter dagegen zur Befriedigung des durch den Anfall an Entschädigungssachen verursachten Bedarfes an Richtern.
Für die Besetzung der Ferienstrafkammer I mit einem Landgerichtsdirektor als Vorsitzendem und drei Hilfsrichtern als Beisitzern werden folgende Gründe angeführt: Am Tag der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer hätten sich sechs planmäßige Richter, davon fünf planmäßige Beisitzer, und zwei Hilfsrichter in Erholungsurlaub befunden. Der Ferienstrafkammer I seien nur solche Richter zugeteilt worden, die während der
BVerfGE 14, 156 (161):
Gerichtsferien voraussehbar im Dienst gewesen seien. Drei der im Dienst befindlichen planmäßigen Richter seien als ordentliche Vorsitzende und ein planmäßiger Richter als stellvertretender Vorsitzender anderer Kammern infolge sonstiger Belastung für eine Verwendung als Beisitzer der Ferienstrafkammer I nicht in Frage gekommen; zwei planmäßige Richter seien als Beisitzer der Entschädigungskammer unabkömmlich gewesen; ein planmäßiger Richter habe den Vorsitz in der Ferienstrafkammer I geführt. Das Präsidium habe der Ferienstrafkammer I als Beisitzer daher nur Hilfsrichter zuweisen können.
Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Art. 97 Abs. 2 GG verbiete die Verwendung von Hilfsrichtern nicht, sondern lasse sie zur Heranbildung des Richternachwuchses und aus anderen zwingenden Gründen zu. Als zwingender Grund für die Mitwirkung zweier Hilfsrichter in einer Kammer müsse auch die Ferienvertretung anerkannt werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Heranziehung der Hilfsrichter im Rahmen der allgemeinen Vertretungsregelung des Geschäftsverteilungsplanes oder durch die Errichtung einer nur mit Hilfsrichtern als Beisitzern besetzten Ferienstrafkammer erfolge, denn auch die Bildung einer Ferienstrafkammer werde durch die Verhinderung von Planrichtern veranlaßt.
3. Durch Beschluß vom 7. März 1962 hat das Bundesverfassungsgericht die anhängigen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig und im wesentlichen begründet. Die Urteile der Landgerichte Osnabrück vom 17. Februar 1958 und Detmold vom 1. August 1960 sowie die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. August 1960 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. April 1961 verstoßen gegen das Grundrecht der Beschwerdeführer nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2
BVerfGE 14, 156 (162):
und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG setzt voraus, daß nur Gerichte bestehen, die in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen (BVerfGE 10, 200 [213]). Die nach den gegebenen Umständen vermeidbare Besetzung der Strafkammer I des Landgerichts Osnabrück und der Ferienstrafkammer I des Landgerichts Detmold mit zwei persönlich nicht unabhängigen Hilfsrichtern ist mit Art. 97 Abs. 2 und Art. 92 GG nicht vereinbar. Daher verletzen die Entscheidungen dieser verfassungswidrig besetzten Gerichte und die sie bestätigenden Urteile der Revisionsgerichte das Recht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und zugleich ihr Recht auf persönliche Freiheit, die nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG nur durch den gesetzlichen Richter entzogen werden kann. Auch die Freiheitsstrafe ist eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 104 GG (vgl. Urteil vom 3. Juli 1962 -- 2 BvR 15/62 -- Abschnitt B II, 2).
I.
Richter müssen sachlich unabhängig sein. Zur Sicherung der sachlichen Unabhängigkeit garantiert Art. 97 Abs. 2 GG den hauptamtlich und planmäßig angestellten Richtern die persönliche Unabhängigkeit. Daraus ergibt sich, daß die Verwendung von Richtern ohne die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit, soweit Art. 97 Abs. 2 GG sie gestattet, nicht die Regel sein darf, sondern Ausnahme bleiben muß. Wie das Bundesverfassungsgericht schon in der Entscheidung vom 9. November 1955 dargelegt hat, geht das Grundgesetz als selbstverständlich davon aus, daß die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind, und daß die Heranziehung von Richtern auf Probe (Gerichtsassessoren) nur in den Grenzen erfolgt, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (BVerfGE 4, 331 [345]; vgl. auch Bettermann in Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III 2, 1959, S. 635 ff.).
BVerfGE 14, 156 (163):
Die gleichen Grundsätze sind aus Art. 92 GG abzuleiten, nach dem die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist und durch die Gerichte ausgeübt wird. Auch Art. 92 GG setzt als Normalfall den Richter voraus, der unversetzbar und unabsetzbar ist. Der nicht auf diese Weise in seiner persönlichen Unabhängigkeit gesicherte Hilfsrichter ist nur als Ausnahme und nur aus zwingenden Gründen zur Mitwirkung an der Rechtsprechung zuzulassen.
Die Notwendigkeiten, die die Verwendung von Hilfsrichtern rechtfertigen, können in den einzelnen Gerichtszweigen, bei den einzelnen Gerichten und bei ihren Kammern oder Senaten örtlich und zeitlich verschieden sein; daher hängt es von den jeweiligen besonderen Umständen ab, ob und in welchem Maß im Einzelfall die Besetzung der erkennenden Gerichte mit Hilfsrichtern zulässig ist.
Das Grundgesetz verbietet nicht, unumgänglichen Bedürfnissen der Rechtspflege durch Verwendung von Hilfsrichtern Rechnung zu tragen; es beschränkt aber ihre Verwendung auf das zwingend gebotene Maß. Aus dem Grundgesetz ist weder abzuleiten, daß jedenfalls ein Hilfsrichter beigezogen werden, noch, daß niemals mehr als ein Hilfsrichter an einer gerichtlichen Entscheidung mitwirken darf. Eine derart starre Begrenzung würde weder die Zuweisung von Hilfsrichtern an die Gerichtszweige, Gerichte, Kammern und Senate im gebotenen Maß beschränken, noch würde sie die Verschiedenheit und den Wechsel des Bedürfnisses zur Verwendung von Hilfsrichtern hinreichend berücksichtigen. Nach dem Gehalt der einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes ist vielmehr die Zahl der Hilfsrichter auf das unumgänglich gebotene Maß beschränkt, ihre möglichst gleichmäßige Verteilung auf Gerichte, Kammern und Senate und ihre gleichmäßige Beiziehung zur Mitwirkung an richterlichen Entscheidungen gefordert und schließlich dem Ermessen der Justizverwaltung bei Maßnahmen, die die Verteilung der Hilfsrichter mittelbar beeinflussen, eine Grenze gezogen. Weitere Folgerungen können aus dem Grundgesetz jedoch nicht abgeleitet werden. Die Mitwirkung
BVerfGE 14, 156 (164):
eines oder mehrerer Hilfsrichter an der Entscheidung eines erkennenden Gerichts ist daher nur verfassungswidrig, wenn sie auf der Nichtbeachtung der genannten Schranken für die Verwendung von Hilfsrichtern beruht.
Es genügt daher für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht, ausschließlich und allein auf die Zahl der an einer gerichtlichen Entscheidung mitwirkenden Hilfsrichter abzustellen. Immerhin wird die Mitwirkung nur eines Hilfsrichters an einer richterlichen Entscheidung im allgemeinen nicht zu beanstanden sein, da sie in den angegebenen Grenzen durch unabweisliche Bedürfnisse der Rechtspflege des öfteren geboten sein dürfte; dagegen wird die Beteiligung mehrerer Hilfsrichter in aller Regel die verfassungsrechtlichen Schranken überschreiten und nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen zwingend notwendig sein. Dem trägt übrigens auch § 29 des am 1. Juli 1962 in Kraft getretenen Deutschen Richtergesetzes vom 8. September 1961 (BGBl. I S. 1665) Rechnung, der bestimmt, daß "bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken" darf.
1. Das Verfassungsprinzip der persönlichen Unabhängigkeit der Richter und der Rechtsprechungsorgane gebietet zunächst, die Zahl der persönlich nicht unabhängigen Hilfsrichter so klein wie möglich zu halten und ihren Anteil an der Zahl aller Richter eines Gerichtszweiges nicht über das dringend gebotene Maß hinaus anwachsen zu lassen. Solche zwingenden Gründe sind zum Beispiel gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist. Aber auch in solchen Fällen wäre die Verwendung von Hilfsrichtern nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeits
BVerfGE 14, 156 (165):
last des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen.
2. Um die vom Grundgesetz gewollte persönliche Unabhängigkeit der Richter nach Möglichkeit zu verwirklichen, genügt es nicht, den Anteil der Hilfsrichter an der Gesamtzahl der Richter eines Gerichtszweigs auf den notwendigen Bedarf zu begrenzen. Als Organisationsprinzip der Gerichtsverfassung bezieht sich die persönliche Unabhängigkeit zuerst auf die rechtsprechenden Organe, d.h. auf die Kammern und Senate und auf die als Einzelrichter entscheidenden Richter. Daher muß der Anteil der Hilfsrichter nicht nur innerhalb der Gerichtszweige und Gerichte, sondern auch innerhalb der einzelnen Kammern und Senate so gering wie möglich gehalten werden. Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn die in einem Gerichtszweig beschäftigten Hilfsrichter möglichst gleichmäßig auf Gerichte, Kammern und Senate verteilt werden. Diese Forderung bindet nicht nur das Ermessen der Justizverwaltung bei der Besetzung der Gerichte, sondern auch -- in Kollegialgerichten -- das Ermessen der Präsidien bei der Bestimmung der Mitglieder der Kammern und Senate und der Vorsitzenden bei der Bestimmung der Beisitzer; sie gilt nicht nur für die Besetzung der Kammern und Senate mit ordentlichen Mitgliedern, sondern auch für die Bestimmung ihrer Vertreter.
Das Gebot möglichst gleichmäßiger Verteilung der Hilfsrichter läßt freilich eine Reihe rechtlich oder tatsächlich bedingter Ausnahmen zu. Es kann nicht erfüllt werden, soweit die Unversetzbarkeit der planmäßig endgültig angestellten Richter (Art. 97 Abs. 2 GG) die Verwendung von Hilfsrichtern und planmäßigen Richtern bei allen Gerichten im gleichen zahlenmäßigen Verhältnis verhindert; es muß aber auch in den Fällen zurücktreten, in denen die Verwendung von Hilfsrichtern infolge besonderer Bedürfnisse einzelner Gerichte oder einzelner Kammern und Senate erforderlich wird. Bei Kollegialgerichten ist die gleichmäßige Verteilung der Hilfsrichter auf die Kammern und Senate des Gerichts
BVerfGE 14, 156 (166):
zwar grundsätzlich möglich und geboten; allerdings läßt sich nicht vermeiden, daß das Zahlenverhältnis zwischen Hilfsrichtern und Planrichtern bei einem Gericht ungünstiger ist als bei einem anderen Gericht, bei dem ein besonderes Bedürfnis nach vorübergehender Hilfeleistung nicht besteht.
Aber auch auf die einzelnen Kammern oder Senate eines Gerichts können die Hilfsrichter nicht immer ganz gleichmäßig verteilt werden. Die Zuteilung einer überdurchschnittlichen Zahl von Hilfsrichtern an einzelne Kammern oder Senate ist freilich angesichts des Verfassungsgebots nach bestmöglicher Verwirklichung der persönlichen Unabhängigkeit aller Rechtsprechungsorgane nur dann zulässig, wenn sie unumgänglich ist, um eine geordnete Rechtsprechung des Gerichts zu sichern. Unter diesem Gesichtspunkt ist namentlich zu beurteilen, wieweit das Präsidium bei der Geschäftsverteilung den Spezialkenntnissen, Erfahrungen und Interessen der einzelnen Richter und ihrer verschiedenen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen kann.
3. Schließlich können Ermessensakte der Justizverwaltung bei einzelnen Gerichten, Kammern oder Senaten ein besonderes Bedürfnis zur Heranziehung von Hilfsrichtern herbeiführen und eine ungleichmäßige Verteilung der Hilfsrichter zur Folge haben, so namentlich bei der Abordnung planmäßiger Richter an ein anderes Gericht oder an eine Behörde oder bei der Beurlaubung planmäßiger Richter. Nicht anders als bei der Zuweisung von Richtern an die einzelnen Gerichte oder bei der innergerichtlichen Geschäftsverteilung unterliegt auch hier das Ermessen der Justizverwaltung den Beschränkungen, die sich aus dem Verfassungsgebot der persönlichen Unabhängigkeit der Richter ergeben. Abordnungen oder Beurlaubungen, die ein besonderes Bedürfnis zur Verwendung von Hilfsrichtern verursachen oder das Zahlenverhältnis zwischen planmäßigen Richtern und Hilfsrichtern bei einzelnen Gerichten, Kammern oder Senaten nachteilig beeinflussen, müssen aus zwingenden Gründen geboten sein.
II.
Diese Schranken sind bei der Besetzung der Strafkammer I
BVerfGE 14, 156 (167):
des Landgerichts Osnabrück und der Ferienstrafkammer I des Landgerichts Detmold nicht beachtet worden.
1. Beim Landgericht Osnabrück waren die dort neben 25 planmäßigen Richtern beschäftigten 12 Hilfsrichter (davon einer mit halber Arbeitskraft) im Geschäftsjahr 1958 auf die Kammern des Gerichts ungleichmäßig verteilt, und zwar derart, daß nahezu die Hälfte aller beim Gericht beschäftigten Hilfsrichter bei den Strafkammern I und III verwendet wurde. Der Strafkammer I, die das gegen den Beschwerdeführer E... ergangene Urteil erlassen hat, gehörten neben 2 planmäßigen Richtern 2 Hilfsrichter mit voller Arbeitskraft und ein Hilfsrichter mit halber Arbeitskraft an. Bei der Strafkammer III, die zugleich in anderer Zusammensetzung als Jugendkammer fungierte, waren ebenfalls 2 Hilfsrichter mit voller und ein Hilfsrichter mit halber Arbeitskraft beschäftigt. Der Strafkammer II, der Wiedergutmachungskammer und den acht Zivilkammern gehörten dagegen zum Teil gar keine, zum Teil wesentlich weniger Hilfsrichter an. Die 5. und die 7. Zivilkammer war nur mit planmäßigen Richtern besetzt; den übrigen genannten Kammern gehörten zwar bis zu 2 Hilfsrichter an; ihre Arbeitskraft konnte jedoch nach dem Geschäftsverteilungsplan nur soweit in Anspruch genommen werden, daß sie in den einzelnen Kammern im Höchstfall eine, in drei Kammern sogar nur eine halbe Richterstelle auszufüllen hatten.
Diese Verteilung der bei dem Landgericht verwendeten Hilfsrichter führte dazu, daß der Strafkammer I außer dem Vorsitzenden nur ein planmäßiger Richter mit halber Arbeitskraft, im übrigen aber 3 Hilfsrichter, davon einer mit halber Arbeitskraft, als Beisitzer angehörten. Der Anteil der Hilfsrichter in dieser Kammer betrug der Personenzahl nach 60 v.H., nach dem Maß ihrer Arbeitskraft sogar 62,5 v.H. Dieser hohe Hilfsrichteranteil hat zwangsläufig dazu geführt, daß die Mehrzahl der der Kammer zugefallenen Strafsachen mit 2 Hilfsrichtern als Beisitzern entschieden werden mußte. Ebenso lagen die Dinge auch in der Strafkammer III. In den anderen Kammern des Landgerichts war das Zahlenverhältnis zwischen planmäßigen Richtern und Hilfsrich
BVerfGE 14, 156 (168):
tern dagegen ungleich günstiger. Zwar gehörten auch der 1. und der 8. Zivilkammer je 2 Hilfsrichter an, jedoch durchschnittlich nur mit einem Viertel ihrer Arbeitskraft; außerdem standen ihnen in der 1. Zivilkammer 6 und in der 8. Zivilkammer 5 planmäßige Richter gegenüber, so daß die Besetzung dieser Kammern es in jedem Fall ermöglichte, von der Mitwirkung zweier Hilfsrichter an einer Entscheidung abzusehen. In den übrigen Kammern war die Mitwirkung zweier Hilfsrichter an einer Entscheidung auf Grund der Geschäftsverteilung sogar ausgeschlossen.
Gründe, die eine derart ungleichmäßige Verteilung von planmäßigen Richtern und Hilfsrichtern auf die einzelnen Kammern des Landgerichts zwingend geboten hätten, sind nicht ersichtlich. Zwar war -- worauf der Präsident des Landgerichts Osnabrück in seiner dienstlichen Äußerung mit Recht abgehoben hat -- eine Verteilung der Hilfsrichter in der Weise, daß jeder der in Betracht kommenden 12 Kammern ein Hilfsrichter (mit voller Arbeitskraft) zugewiesen worden wäre, infolge der verschiedenen Geschäftslast der einzelnen Kammern undurchführbar. In einzelnen Kammern (so in der 5., in der 6., in der 7. und in der 8. Zivilkammer und in der Wiedergutmachungskammer) war der Geschäftsanfall so gering, daß er die Arbeitskraft der für die gesetzliche Mindestbesetzung erforderlichen Mitglieder nicht voll, sondern nur zu einem Bruchteil (im Durchschnitt zur Hälfte bis zu zwei Dritteln) in Anspruch nahm, so daß die Richter dieser Kammern mit dem verbleibenden Teil ihrer Arbeitskraft auch anderen Kammern zugewiesen werden mußten, in denen die gesetzliche Mindestzahl von 3 Richtern zur Bewältigung der Geschäfte nicht ausreichte (so in der 1. Zivilkammer und in den drei Strafkammern). Diese Notwendigkeit bezog sich auf die Hilfsrichter ebenso wie auf die planmäßigen Richter des Gerichts, so daß infolge der verschiedenen Geschäftslast bei einem Teil der Kammern des Gerichts ein Hilfsrichter nur mit einem Bruchteil seiner Arbeitskraft Verwendung finden konnte, während anderen Kammern außer einem voll beschäftigten Hilfsrichter noch ein weiterer Hilfsrich
BVerfGE 14, 156 (169):
ter mit einem Bruchteil seiner Arbeitskraft zugeteilt werden mußte.
Dagegen stand die verschiedene Arbeitslast einer verhältnismäßigen Verteilung der Hilfsrichter entsprechend der Arbeitslast und der dadurch bedingten Größe der Kammern grundsätzlich nicht im Wege. Der Umstand, daß der nicht benötigte Bruchteil der Arbeitskraft solcher Hilfsrichter, die einer weniger belasteten Kammer angehörten, in der Regel nicht genau dem Bruchteil der Arbeitskraft entsprach, mit der ein zweiter Hilfsrichter einer Kammer mit zusätzlichem Richterbedarf hätte zugeteilt werden müssen, um eine genau verhältnismäßige Verteilung der Hilfsrichter auf die einzelnen Kammern zu erreichen, hätte allenfalls zu geringfügigeren Unterschieden in der Verteilung von Hilfsrichtern geführt. Besondere, mit der Leistungsfähigkeit, dem fachlichen Können und der persönlichen Eignung der planmäßigen Richter und Hilfsrichter zusammenhängende Gründe, die eine abweichende Regelung erforderlich gemacht hätten, sind nicht bekannt.
Beim Landgericht Osnabrück wäre daher am Tag der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer E...eine Geschäftsverteilung möglich gewesen, nach der die dem Landgericht angehörenden Hilfsrichter den Kammern des Gerichts annähernd entsprechend ihrer Größe und Geschäftslast hätten zugeteilt werden können. Dabei wäre auf die Strafkammer I ein Hilfsrichter mit voller und ein weiterer Hilfsrichter mit halber, allenfalls mit zwei Dritteln seiner Arbeitskraft entfallen. Da die Geschäftslast der Strafkammer I vier Richter in Anspruch nahm, hätten ihr bei solcher Verteilung außer dem Vorsitzenden ein planmäßiger Richter mit voller Arbeitskraft und ein weiterer planmäßiger Richter mit einem Drittel seiner Arbeitskraft, möglicherweise auch mit halber Arbeitskraft, als Beisitzer angehört. Dadurch hätte erreicht werden können, daß die überwiegende Mehrzahl der der Strafkammer zugefallenen Strafsachen unter Mitwirkung nur eines Hilfsrichters entschieden wurde.
Da nach dem Grundgesetz eine möglichst gleichmäßige Vertei
BVerfGE 14, 156 (170):
lung der Hilfsrichter des Landgerichts auf die einzelnen Kammern geboten war, entsprach die Zusammensetzung der Strafkammer I am 17. Februar 1958 nicht den Erfordernissen der persönlichen Unabhängigkeit der Gerichte. Die auf dieser fehlerhaften Zusammensetzung der Strafkammer I beruhende Besetzung des erkennenden Gerichts war daher verfassungswidrig; die gegen den Beschwerdeführer E... erkannte Verurteilung zu Freiheitsstrafe hat daher sein Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und aus Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
2. Auch den Kammern des Landgerichts Detmold , bei dem neben 13 planmäßigen Richtern 6 Hilfsrichter beschäftigt waren, gehörten im Geschäftsjahr 1960 verschieden viele Hilfsrichter an (von einem Hilfsrichter der Zivilkammern II und III und der Strafkammern I und III bis zu 3 Hilfsrichtern der Zivilkammer I, während der Kammer für Baulandsachen kein Hilfsrichter zugeteilt war); alle Hilfsrichter waren zugleich mehreren Kammern zugeteilt, wobei aus dem Geschäftsverteilungsplan jedoch nicht hervorgeht, mit welchem Teil ihrer Arbeitskraft die Hilfsrichter bei den einzelnen Kammern beschäftigt wurden. Bei der Strafkammer I, an deren Stelle während der Gerichtsferien die gegen den Beschwerdeführer P... erkennende Ferienstrafkammer I trat, entsprach das Verhältnis zwischen planmäßigen Richtern und Hilfsrichtern dem Anteil der beim Landgericht Detmold beschäftigten Hilfsrichter an der Gesamtzahl aller Richter. Der Kammer gehörten außer dem Vorsitzenden als Beisitzer ein planmäßiger Richter, der im Verhinderungsfall durch einen anderen planmäßigen Richter vertreten wurde, und ein Hilfsrichter an. Auf Grund dieser Besetzung war es ausgeschlossen, daß an Entscheidungen der Strafkammer I mehr als ein Hilfsrichter mitwirken konnte.
Die im voraus zugesagte Beurlaubung von 2 Hilfsrichtern und von 6 planmäßigen Richtern, darunter den planmäßigen ordentlichen und stellvertretenden Beisitzern aller Strafkammern und -- bis auf einen Richter -- den planmäßigen Beisitzern aller drei Zivilkammern hätte dazu geführt, daß am 1. August 1960, dem Tag
BVerfGE 14, 156 (171):
der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer P ..., die Strafkammern I und III und die Zivilkammern II und III völlig und die Strafkammer II (Kleine Strafkammer) für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung beschlußunfähig geworden wären, während die Zivilkammer I nur in der Besetzung mit 2 Hilfsrichtern hätte zusammentreten können. Während das Präsidium gegen die zeitweilige Beschlußunfähigkeit der Zivilkammer III nichts unternommen hat, hat es der zu erwartenden Beschlußunfähigkeit der Zivilkammer II durch die Zuweisung von weiteren 4 Hilfsrichtern mit maximal 1/5 ihrer Arbeitskraft und der Beschlußunfähigkeit der Strafkammern durch die Bildung zweier Ferienstrafkammern vorgebeugt, von denen die Ferienstrafkammer I die Geschäfte der Strafkammern I und II und die Ferienstrafkammer II die Geschäfte der Strafkammer II (Kleine Strafkammer) für die Dauer der Gerichtsferien fortführte (Präsidialbeschlüsse vom 15. Juli 1960 -- 32 E III LG -- 1.170 und 1.171).
Dabei wurde so verfahren, daß der Ferienstrafkammer I unter wöchentlichem Wechsel bis zu 4 Richter als Beisitzer zugeteilt wurden. Während der einzelnen Wochen des Monats August gehörten der Kammer jeweils 3 Hilfsrichter, dagegen kein planmäßiger Richter als Beisitzer an. Die Beisitzer der Ferienstrafkammer I waren für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung zugleich auch Mitglieder der Ferienstrafkammer II.
Diese, einen vollen Monat währende Besetzung der Ferienstrafkammer I mit einem Hilfsrichteranteil von 75 v.H., die in allen Fällen dazu führen mußte, daß an den Kammerentscheidungen 2 Hilfsrichter mitwirkten, war vermeidbar, obwohl -- worauf der Landgerichtspräsident in seiner dienstlichen Äußerung abgehoben hat -- dem Landgericht damals nur 7 planmäßige Richter, davon 3 Landgerichtsräte, zur Verfügung standen. In der Entschädigungskammer waren außer dem Vorsitzenden 2 planmäßige Richter und 2 Hilfsrichter verfügbar. Beide Hilfsrichter der Entschädigungskammer waren der Ferienstrafkammer I für je 2 Wochen als Beisitzer zugeteilt. Selbst wenn der Geschäftsanfall der Ent
BVerfGE 14, 156 (172):
schädigungskammer auch während der Gerichtsferien die volle Arbeitskraft von 2 beisitzenden Richtern in Anspruch nahm, hätte es möglich sein müssen, der Ferienstrafkammer I statt eines Hilfsrichters einen planmäßigen Richter der Entschädigungskammer als zeitweiliges ordentliches Mitglied zuzuweisen. Dadurch wäre für beide Kammern sichergestellt worden, daß 2 Hilfsrichter bei der Erledigung höchstens eines Drittels der Geschäfte zugleich hätten mitwirken müssen. -- Im übrigen hätte sich dem Mißverhältnis zwischen der Zahl der verfügbaren planmäßigen Richter und der Hilfsrichter bei den Zivilkammern durch die Errichtung einer oder zweier Ferienzivilkammern unter gegenseitiger Einsetzung der Vorsitzenden und Beisitzer als Vertreter ebenso abhelfen lassen wie der zeitweiligen Beschlußunfähigkeit der Zivilkammer III. -- Besondere Gründe, die einer derartigen Geschäftsverteilung entgegengestanden hätten, sind nicht dargetan worden.
Die Zusammensetzung der Ferienstrafkammer I im August 1960 war danach in doppelter Hinsicht fehlerhaft.
Zunächst beruhte sie auf der gleichzeitigen Beurlaubung von 6 (also nahezu der Hälfte) der dem Gericht angehörenden planmäßigen Richter, durch die das ohnehin schon kritische Zahlenverhältnis zwischen den planmäßigen Richtern und den Hilfsrichtern des Gerichts und seiner Kammern weiterhin nachteilig beeinflußt wurde. Der Landgerichtspräsident hätte sowohl dem planmäßigen ordentlichen Beisitzer der Strafkammer I (und III) als auch seinem geschäftsplanmäßigen Vertreter Erholungsurlaub für die gleiche Zeit ohne zwingenden Grund nur dann bewilligen dürfen, wenn eine entsprechende Vertretung unbeschadet der Verhältnisse in den übrigen Kammern sichergestellt worden wäre. Das ist nicht geschehen. Dem Gebot, den Anteil der Hilfsrichter innerhalb eines Gerichts und seiner Kammern möglichst zu beschränken, das auch bei der Beurlaubung von Richtern zu beachten ist, ist offensichtlich nicht Rechnung getragen worden.
Fehlerhaft war außerdem die vermeidbare Verwendung dreier Hilfsrichter als Beisitzer der Ferienstrafkammer I. Durch die Zu
BVerfGE 14, 156 (173):
teilung eines planmäßigen Richters an Stelle eines Hilfsrichters hätte die Mitwirkung zweier Hilfsrichter an den Kammerentscheidungen zwar nicht völlig vermieden, aber auf ein erträglicheres Maß herabgesetzt werden können. Diese vermeidbare Häufung von Hilfsrichtern in einer Kammer verstieß gegen Art. 97 Abs. 2 GG; denn auch bei der Vertretungsregelung -- als solche ist die Errichtung einer Ferienstrafkammer zu bewerten -- können Hilfsrichter nur im Rahmen des zwingend Gebotenen beigezogen werden.
Die Besetzung der Ferienstrafkammer I mit 2 Hilfsrichtern war daher verfassungswidrig. Die gegen den Beschwerdeführer ergangene Entscheidung verletzt also sein Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und aus Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, weil das Gericht in fehlerhafter Besetzung auf Freiheitsstrafe erkannt hat.
3. Auf die Verfassungsbeschwerden waren die Urteile der Landgerichte Osnabrück und Detmold und die sie bestätigenden Revisionsentscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Hamm gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben.
Dagegen ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers E... gegen den Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 2. Mai 1960 unbegründet, weil dieser weder Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt noch eine Grundrechtsverletzung bestätigt hat.
Beide Verfahren waren nach § 95 Abs. 2 BVerfGG an die zuständigen Landgerichte zurückzuverweisen. Zu der vom Beschwerdeführer E... beantragten Verweisung an ein anderes Landgericht bestand kein Anlaß.
Dem Antrag des Beschwerdeführers P... auf Erstattung der ihm durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen wurde nicht entsprochen. § 34 Abs. 3 BVerfGG ist eine Ausnahmevorschrift, nach der die Erstattung der Auslagen nur in Betracht kommt, wenn besondere Billigkeitsgründe dies erfordern (BVerfGE 8, 195 [196]). Solche Gründe sind weder dargetan noch ersichtlich.