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D&O-Versicherung: Abtretung von Freistellungsanspruch hemmt Verjährung des Haftungsanspruchs

Beiten Burkhardt // BLOG - Mo, 15.04.2024 - 13:00

Der durch einen Großbrand verursachte Schaden in einer Bäckerei wurde nur zum Teil von der Feuerversicherung übernommen. Der Betreiber der Bäckerei nahm daraufhin für den Restschaden ihren Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung in Anspruch. Der Geschäftsführer trat seinen Freistellungsanspruch gegenüber der D&O-Versicherung an den Betreiber der Bäckerei ab.

Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 26.02.2024 (Az. 16 U 93/23) entschieden:

Durch eine Abtretung des Freistellungsanspruchs aus der D&O-Versicherung wird konkludent eine "Waffenstillstandsvereinbarung" (sog. "pactum de non petendo") zwischen der versicherten Person und der Versicherungsnehmerin geschlossen. Darüber hinaus bewirkt die Abtretung eine Verjährung der zugrundeliegenden Haftungsansprüche.

Verjährungshemmung neben Waffenstillstand (pactum de non petendo)

Das OLG Schleswig hat zunächst festgestellt, dass mit der Abtretung des Freistellungsanspruchs eines GmbH-Geschäftsführers aus der D&O-Versicherung wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zugleich ein sog. "pactum de non petendo" geschlossen worden ist. Danach ist das geschädigte Unternehmen verpflichtet, solange nicht gegen den Geschäftsführer vorzugehen, wie die Möglichkeit besteht, von dem Versicherer in dem (infolge der Abtretung einheitlichen) Haftungs- und Deckungsprozess Ersatz des Schadens zu erhalten.

Nach Ansicht des OLG Schleswig ergibt sich hieraus, dass ein Haftungsprozess gegen den Geschäftsführer während dieser Zeit unzulässig ist und dementsprechend – durch konkludente Vereinbarung - auch die Verjährung des Haftungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer für die Dauer der Anspruchsverfolgung gegenüber dem Versicherer gehemmt sein muss.

D&O Versicherung: Haftungs- und Deckungsrechtsstreit

Eine D&O-Versicherung schließt in der Regel ein Unternehmen für seine Leitungsorgane ab. Ansprüche aus dieser D&O-Versicherung stehen dann nur diesen Leitungsorganen als versicherte Personen, nicht aber dem Unternehmen als Versicherungsnehmerin zu. Die Versicherungsnehmerin bzw. das geschädigte Unternehmen kann daher im Schadensfall nicht einfach den D&O-Versicherer unmittelbar auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen. Vielmehr muss es die Ansprüche zunächst gegenüber der versicherten Person geltend machen und im Falle des Bestreitens in einem Haftungsprozess gerichtlich durchsetzen. Wird die versicherte Person in einem Haftungsprozess verurteilt, muss die Einstandspflicht des D&O-Versicherers noch in einem anschließenden Deckungsrechtsstreit geklärt werden. Dies bedeutet in der Regel einen hohen Zeit- und Kostenaufwand für sämtliche Beteiligte.

Praxisüblich: Direktprozess

In der Praxis wird daher der Haftungs- und Deckungsrechtstreit häufig in einem Prozess gebündelt. Dafür tritt die versicherte Person (also das in Anspruch genommene Leitungsorgan) seinen Freistellungsanspruch aus der D&O-Versicherung an die Versicherungsnehmerin (also das geschädigte Unternehmen) ab. Mit der Abtretung wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Im Folgenden kann die Versicherungsnehmerin den Haftungs- und Deckungsanspruch in einem einzigen Direktprozess gegenüber dem D&O-Versicherer geltend machen. Diesen Grundstein für die Abtretung des Feststellungsanspruchs legte der BGH schon im Jahre 2016 (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2016, IV ZR 304/13; BGH, Urteil vom 13.04.2016, IV ZR 51/14). Einige Folgefragen aber blieben lange Zeit ungeklärt. Nachdem das OLG Köln mit Urteil vom 21.11.2023 (Az. 9 U 206/22) erst kürzlich Fragen zur Beweislast beantwortete, entschied nun das OLG Schleswig welche weiteren Rechtsfolgen eine Abtretung von D&O-Ansprüchen haben kann.

Zugrundeliegender Fall am OLG Schleswig

Vor dem OLG Schleswig wurde folgender Fall verhandelt: Die Klägerin betreibt eine Bäckerei. Als die Bäckerei im August 2018 bei einem Brand beschädigt wurde, übernahm der Versicherer lediglich 38,5% des Schadens. Die Klägerin warf ihrem Geschäftsführer vor, er habe nicht für eine ausreichende Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung sowie Feuerversicherung gesorgt. Sie nahm den Geschäftsführer für den Restschaden in Anspruch. Im Januar 2020 trat der Geschäftsführer seine Freistellungsansprüche gegen den D&O-Versicherer an die Klägerin ab und die Klägerin machte ihren Schaden hiernach unmittelbar gegenüber dem D&O-Versicherer im Rahmen eines Direktprozesses geltend.

Fazit

Das OLG Schleswig leistet mit seinem Urteil einen wichtigen Beitrag in der Diskussion um die zahlreichen rechtlichen Problemstellungen, die durch die Abtretung von Freistellungsansprüchen aus einer D&O-Versicherung entstehen können. Hinsichtlich der Frage der Verjährung bestätigt das OLG Schleswig die in der Literatur verbreitete Auffassung und sorgt so für etwas mehr Rechtssicherheit.

Dr. Florian Weichselgärtner

D&O-Versicherung: Abtretung von Freistellungsanspruch hemmt Verjährung des Haftungsanspruch

Beiten Burkhardt // BLOG - Mo, 15.04.2024 - 13:00

Der durch einen Großbrand verursachte Schaden in einer Bäckerei wurde nur zum Teil von der Feuerversicherung übernommen. Der Betreiber der Bäckerei nahm daraufhin für den Restschaden ihren Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung in Anspruch. Der Geschäftsführer trat seinen Freistellungsanspruch gegenüber der D&O-Versicherung an den Betreiber der Bäckerei ab.

Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 26.02.2024 (Az. 16 U 93/23) entschieden:

Durch eine Abtretung des Freistellungsanspruchs aus der D&O-Versicherung wird konkludent eine "Waffenstillstandsvereinbarung" (sog. "pactum de non petendo") zwischen der versicherten Person und der Versicherungsnehmerin geschlossen. Darüber hinaus bewirkt die Abtretung eine Verjährung der zugrundeliegenden Haftungsansprüche.

Verjährungshemmung neben Waffenstillstand (pactum de non petendo)

Das OLG Schleswig hat zunächst festgestellt, dass mit der Abtretung des Freistellungsanspruchs eines GmbH-Geschäftsführers aus der D&O-Versicherung wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zugleich ein sog. "pactum de non petendo" geschlossen worden ist. Danach ist das geschädigte Unternehmen verpflichtet, solange nicht gegen den Geschäftsführer vorzugehen, wie die Möglichkeit besteht, von dem Versicherer in dem (infolge der Abtretung einheitlichen) Haftungs- und Deckungsprozess Ersatz des Schadens zu erhalten.

Nach Ansicht des OLG Schleswig ergibt sich hieraus, dass ein Haftungsprozess gegen den Geschäftsführer während dieser Zeit unzulässig ist und dementsprechend – durch konkludente Vereinbarung - auch die Verjährung des Haftungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer für die Dauer der Anspruchsverfolgung gegenüber dem Versicherer gehemmt sein muss.

D&O Versicherung: Haftungs- und Deckungsrechtsstreit

Eine D&O-Versicherung schließt in der Regel ein Unternehmen für seine Leitungsorgane ab. Ansprüche aus dieser D&O-Versicherung stehen dann nur diesen Leitungsorganen als versicherte Personen, nicht aber dem Unternehmen als Versicherungsnehmerin zu. Die Versicherungsnehmerin bzw. das geschädigte Unternehmen kann daher im Schadensfall nicht einfach den D&O-Versicherer unmittelbar auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen. Vielmehr muss es die Ansprüche zunächst gegenüber der versicherten Person geltend machen und im Falle des Bestreitens in einem Haftungsprozess gerichtlich durchsetzen. Wird die versicherte Person in einem Haftungsprozess verurteilt, muss die Einstandspflicht des D&O-Versicherers noch in einem anschließenden Deckungsrechtsstreit geklärt werden. Dies bedeutet in der Regel einen hohen Zeit- und Kostenaufwand für sämtliche Beteiligte.

Praxisüblich: Direktprozess

In der Praxis wird daher der Haftungs- und Deckungsrechtstreit häufig in einem Prozess gebündelt. Dafür tritt die versicherte Person (also das in Anspruch genommene Leitungsorgan) seinen Freistellungsanspruch aus der D&O-Versicherung an die Versicherungsnehmerin (also das geschädigte Unternehmen) ab. Mit der Abtretung wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Im Folgenden kann die Versicherungsnehmerin den Haftungs- und Deckungsanspruch in einem einzigen Direktprozess gegenüber dem D&O-Versicherer geltend machen. Diesen Grundstein für die Abtretung des Feststellungsanspruchs legte der BGH schon im Jahre 2016 (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2016, IV ZR 304/13; BGH, Urteil vom 13.04.2016, IV ZR 51/14). Einige Folgefragen aber blieben lange Zeit ungeklärt. Nachdem das OLG Köln mit Urteil vom 21.11.2023 (Az. 9 U 206/22) erst kürzlich Fragen zur Beweislast beantwortete, entschied nun das OLG Schleswig welche weiteren Rechtsfolgen eine Abtretung von D&O-Ansprüchen haben kann.

Zugrundeliegender Fall am OLG Schleswig

Vor dem OLG Schleswig wurde folgender Fall verhandelt: Die Klägerin betreibt eine Bäckerei. Als die Bäckerei im August 2018 bei einem Brand beschädigt wurde, übernahm der Versicherer lediglich 38,5% des Schadens. Die Klägerin warf ihrem Geschäftsführer vor, er habe nicht für eine ausreichende Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung sowie Feuerversicherung gesorgt. Sie nahm den Geschäftsführer für den Restschaden in Anspruch. Im Januar 2020 trat der Geschäftsführer seine Freistellungsansprüche gegen den D&O-Versicherer an die Klägerin ab und die Klägerin machte ihren Schaden hiernach unmittelbar gegenüber dem D&O-Versicherer im Rahmen eines Direktprozesses geltend.

Fazit

Das OLG Schleswig leistet mit seinem Urteil einen wichtigen Beitrag in der Diskussion um die zahlreichen rechtlichen Problemstellungen, die durch die Abtretung von Freistellungsansprüchen aus einer D&O-Versicherung entstehen können. Hinsichtlich der Frage der Verjährung bestätigt das OLG Schleswig die in der Literatur verbreitete Auffassung und sorgt so für etwas mehr Rechtssicherheit.

Dr. Florian Weichselgärtner

Die Form des Arbeitsvertrags

Beiten Burkhardt // BLOG - Mo, 15.04.2024 - 13:00

Ja was denn nun? Schriftlich, mündlich, qualifiziert elektronisch, konkludent, Textform oder einfach elektronisch? Welche Form muss für den Abschluss eines Arbeitsvertrags eingehalten werden. Die Regelungen und Änderungen des Nachweisgesetzes haben für weitere Verwirrung gesorgt.

Liebe Leserin, lieber Leser,

für die Bestimmung der zutreffenden Form eines Arbeitsvertrags muss zwischen den Regelungen unterschieden werden, einerseits für den Abschluss des Arbeitsvertrags selbst, andererseits für den Nachweis der Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz. Mein Blog und damit in blog-form soll Klarheit in die Form des Arbeitsvertrags gebracht werden.

Form des Arbeitsvertrags selbst

Es gibt Arbeitnehmer, die seit viele Jahren für einen Arbeitgeber gegen Vergütung Arbeitsleistung erbringen und behaupten, sie hätten keinen Arbeitsvertrag. Damit meinen die Arbeitnehmer, dass sie keinen „schriftlichen“ Arbeitsvertrag abgeschlossen haben.

Arbeitsverträge konnten und können in jeder Form wirksam abgeschlossen werden, also auch mündlich oder konkludent. Um der Darlegungs- und Beweislast – bei Meinungsverschiedenheiten oder bei Streitigkeiten – nachkommen zu können, wird häufig eine dauerhaft wiedergabefähige Form gewählt, z.B. schriftlich oder elektronisch.

Die Schriftform ist hingegen gesetzlich in bestimmten Fällen als Wirksamkeitsvoraussetzung vorgesehen. Beispielsweise bei einer Befristungsabrede oder bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Formerfordernis nach dem Nachweisgesetz

  • Die Umsetzung der europäischen Arbeitsbedingungen-Richtlinie führte zu Änderungen des Nachweisgesetzes 2022. Unter anderem sind nach § 2 Abs. 1 NachwG die Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Verstöße sind bußgeldbewehrt. Damit wurde an sich die Schriftform für Arbeitsverträge in der Praxis durch die Hintertür im Nachweisgesetz eingeführt.
  • Aufgrund erheblicher Proteste gegen die insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung nicht nachvollziehbaren Schriftform wurde im März 2024 ein Regierungsentwurf im Vierten Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) beschlossen. Danach soll auch ein in elektronischer Form nach § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur) geschlossener Arbeitsvertrag nach dem Nachweisgesetz ausreichend sein.
  • Bereits Ende März 2021 wurde dann der Ersatz der Schriftform durch die Textform als geplante Änderung des Nachweisgesetzes wie folgt veröffentlicht: „im Nachweisgesetz [soll] künftig der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden, sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält“. Dadurch wird klargestellt, dass durch die Übermittlung des Nachweises in Textform den Anforderungen des Nachweisgesetzes vollumfänglich Genüge getan wird.

Ich wahre die Form und beende den Blog mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen aus München

Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

 

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Artificial intelligence: what is more important than the AI Act?

Beiten Burkhardt // BLOG - Mi, 10.04.2024 - 13:00

The EU recently passed the EU Artificial Intelligence Act (AI Act) with much fanfare.

The Act is a milestone (see our blog post for more details). It is really relevant for providers and deployers of AI systems, especially those with high risks. However, most of the practical and legal issues associated with the use of AI are not regulated or even addressed in the law. They remain to be negotiated between the parties.

1. Internal: Clear rules

Wherever employees have access to the Internet, they use to at least experiment with AI, in particular to see what ChatGPT, Copilot, Claude, Dall-E, Midjourney and others can do. It has also become widely known that there can be risks for the company in using them. This has already cost some people their jobs. It is therefore all the more surprising that many companies still do not have internal guidelines on the correct use of artificial intelligence in the workplace. It is essential to regulate the handling of sensitive information and the use of the results of AI work, but ideally also responsibilities, accountability, and documentation requirements. One thing is certain: these systems will be used. A total ban would be impossible to enforce and would also hamper productivity.

2. Reliable contracts

Many organizations buy AI solutions from third parties or license software that includes AI. This should be governed using contracts that take into account the specific issues associated with the use of AI - not just outdated standard IT terms and conditions that are still silent on the subject of AI. Of course, there is nothing wrong with adapting outdated IT standard terms and conditions to the many new practical and legal requirements.

Some important challenges:

No licensee or user should rely on the legal compliance of generative AI systems (such as Chat GPT, etc.). In particular, it is questionable whether the data used for training has been obtained and used legally, especially with regard to data protection, personal rights and third party copyrights. This does not mean that a company should generally refrain from using such systems. But the distribution of risk must be properly regulated.

Artificial intelligence also sometimes produces undesirable results or exhibits strange behavior. For example, the results of AI generated work can infringe the rights of third parties. Rights clearance can be much more difficult here than with human-generated work, because the AI does not or cannot disclose which authors it has used in the first place (a particular problem: this makes proper disclosure of the use of open source code almost impossible and the use therefore inadmissible). There have also been reports of chatbots used on company websites that have literally fallen flat on their faces - because the chatbot gave customers rights that they would not have had under the contract. Finally, AI also makes mistakes, which can have unexpected consequences: With this in mind, some systems regularly accept a certain level of error tolerance. However, if the settings of an AI system, for example for fraud prevention, are so strict that it only approves a transaction if fraud can be ruled out 100%, it is unlikely to ever approve a transaction. At the same time, however, a more “tolerant” setting means a conscious acceptance of wrong decisions, which can, for example, invalidate the insurance cover that would exist for wrong human decisions.

In general, the point is that AI is effective but often operates in an opaque way and will sooner or later produce errors. It is therefore necessary to regulate contractually how the lack of transparency is dealt with and who bears the risk if it is not possible to determine where the error was made - and also what level of error probability is still acceptable.

The usual standards of intent and gross negligence found in most standard contracts are not useful here: both parties know that errors can occur. It is therefore necessary to regulate which errors are attributable to which party. This can be done, for example, in provisions on data quality, service levels and indemnity clauses. Of course, there is no boilerplate solution for every use of AI. However, it is important that the issue is considered and regulated appropriately.

It is also important to regulate the extent to which the AI can be 'trained' using the licensee's data, and whether other customers can also benefit from what the AI learns in this way. In the worst case, the data used for training could be disclosed to other customers or their end users of the AI, which could constitute a violation of privacy rights, intellectual property rights or trade secrets. If the licensee's dataset includes personal data, it generally must not be used to train the AI for other customers anyway.

In connection with the AI Act, the European Commission has also presented draft standard contractual clauses for the procurement of AI systems by public authorities (AI SCC). The requirements set out in the AI SCCs are intended to ensure that the contract terms comply with the requirements of the AI Act, with one version of the AI SCCs published for high-risk AI systems and one for non-high-risk AI systems.;

The AI SCCs cannot be used as the sole contractual basis for the use of AI, as many issues relevant to contract law (e.g. liability, intellectual property) are not addressed or are inadequately addressed. Nevertheless, the AI SCCs can provide useful points of reference for negotiating contractual terms, even between private companies.

3. HR software

As mentioned above, EU legislation on artificial intelligence will not apply across the board, but will impose specific obligations on providers and deployers of AI systems. However, there is one area of application that deserves special mention: Software in the HR sector is often considered a high-risk system, in particular recruitment tools (for the recruitment and selection of candidates or the placement of targeted job advertisements) and personnel management tools. High risk systems are subject to particularly strict requirements.

Dr Andreas Lober
Lennart Kriebel

Another article on the ten most important questions for useres of AI systems can be found under this link.

BFH zur Pensionsrückstellung beim Formwechsel: Jetzt besteht hoffentlich endlich Klarheit!

Beiten Burkhardt // BLOG - Mo, 08.04.2024 - 13:00

Der Bundesfinanzhof bestätigt mit Urteil vom 12.12.2023 (Az. VIII R 17/20), dass im Falle der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft weder durch einen abweichenden Teilwertansatz ein Übernahmefolgegewinn/-verlust nach § 6 UmwStG entsteht noch eine Besteuerung des Mitunternehmers durch Umqualifizierung der Zuführungen zur Pensionsrückstellung vor dem Umwandlungsstichtag in Sondervergütungen steuerrechtlich angezeigt ist.

Was der Bundesfinanzhof in diesem Fall zu entscheiden hatte, führt auf mehreren Ebenen zu einer Klarstellung.

Übernahme der Pensionsrückstellung zum Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG

Bislang war umstritten, mit welchem Wert die übernehmende Personengesellschaft die Pensionsrückstellung anzusetzen hat. In Teilen der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die übernommene Pensionsrückstellung für einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit dem Teilwert nach § 6a Abs. 3 Nr. 2 EStG anzusetzen ist, da dieser nach der Umwandlung in eine Personengesellschaft ertragsteuerlich als Mitunternehmer und nicht mehr als Arbeitnehmer einzuordnen ist (Höfer/Veit/Verhuven in Höfer, Betriebsrentenrecht, Bd. II: Steuerrecht, Kap. 45 Rz 41; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 42. Aufl., § 6a Rz 30). Damit würde bei jüngeren Gesellschafter-Geschäftsführern ein Übernahmeverlust und bei älteren ein Übernahmegewinn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UwStG entstehen. Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs entscheidet sich aber für die Bewertung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG, da die Dienstverhältnisse nicht beendet wurden, sondern lediglich deren ertragsteuerliche Bewertung sich geändert hat. Eine Korrektur hat daher nicht zu erfolgen. Dementsprechend entsteht auch kein Übernahmefolgegewinn gem. § 6 Abs. 1 und 2 UmwStG.

Keine Umqualifizierung von Zuführungen zur Pensionsrückstellung vor dem Umwandlungsstichtag in Sondervergütungen

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs lehnt auch die Besteuerung der Zuführungen zur Pensionsrückstellung für Gesellschafter-Geschäftsführer in Bezug auf vor der Umwandlung liegende Zeiträume als Sondervergütungen ab.

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs betont, dass ein voller bzw. teilweiser Ansatz von Sondervergütungen in Fällen der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft für vor der Umwandlung erhaltene Versorgungsversprechen einer Rechtsgrundlage entbehrt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Vergütung i.S.d. §§ 18 Abs. 4 Satz 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dazu lässt sich bereits der Wortlaut der Vorschrift heranziehen, der nur "Vergütungen" des Mitunternehmers der Besteuerung unterwirft. Bei den Zuführungsbeträgen zu den Pensionsrückstellungen, die für einen Gesellschafter auf Ebene einer Kapitalgesellschaft gebildet wurden, handelt es sich jedoch nicht um solche Vergütungen. Die Ursache dieser liegt vielmehr allein in dem früheren Beschäftigungsverhältnis des Berechtigten zu der umgewandelten Kapitalgesellschaft. Sie vergüten nicht die Tätigkeit im Dienst der Personengesellschaft nach dem Formwechsel.

Als Argument für eine Aufteilung der Zuführungen in einen Teil vor der Umwandlung und nach der Umwandlung lässt der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs auch das Argument der Finanzverwaltung, der Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG setze sich bewertungssystematisch teilweise auch aus dem sog. future service zusammen, nicht gelten. Zwar geht in die Bewertung des Teilwerts auch ein Anwartschaftsbarwert mit ein, der zukunftsorientiert den Kapitalbedarf des Versorgungsverpflichteten ermittelt. Von diesem wird aber der sog. Prämienbarwert, d. h. der sich auf denselben Zeitpunkt ergebende Barwert noch zu erdienender Teilwertprämien, abgezogen. Damit wird für den versorgungsberechtigten Arbeitnehmer bewertungstechnisch jedes Jahr nur der Teil zurückgestellt, der erdient wurde. Diese Wirkweise berechtigt bei typisierender Betrachtung die Zuordnung der jährlichen Zuführungen zur jeweiligen jährlichen Arbeitsleistung des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers. Damit sind Zuführungen vor dem Umwandlungsstichtag nicht der Tätigkeit als Mitunternehmer zuzurechnen. Ein Ansatz eines entsprechenden Ausgleichspostens in der Sonderbilanz des versorgungsberechtigten Mitunternehmers kann daher für alle Zuführungen vor dem Umwandlungsstichtag unterbleiben.

Der Formwechsel kann daher bei Beibehaltung der erteilten Versorgungszusage ertragsteuerneutral gestaltet werden. Es gilt aber zu beachten, dass bei einem entsprechenden Verzicht auf die Versorgungszusage ab dem Umwandlungsstichtag automatisch auf § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG umzustellen ist. Dies kann die oben beschriebenen Auswirkungen auf Pensionsrückstellung haben und zu einer Steuerbelastung führen.

Marcus Mische
Laura Wans

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Beihilfen für erneuerbare Energieanlagen auf dem Prüfstand des EuGH

Beiten Burkhardt // BLOG - Do, 04.04.2024 - 13:00

Rechtssache C-11/22 ("Est Wind Power OÜ ./. Elering AS")

Der Ausbau erneuerbarer Energien, der durch entsprechende Beihilfeprogramme gefördert werden soll, spielt spätestens seit dem "Green Deal" der Europäischen Kommission eine herausragende Rolle. In der hier besprochenen Vorabentscheidung vom 12. Oktober 2023 nahm der EuGH ausführlich zu den zwischen 2014 und 2020 wirksamen EU-Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen Stellung. Über die konkrete Leitlinie hinaus trifft der EuGH interessante Aussagen zum Rechtscharakter von Leitlinien sowie zu dem – auch im Zuwendungsrecht regelmäßig relevanten – Zeitpunkt des Beginns einer Maßnahme.

Sachverhalt

Das estnische Energieunternehmen Est Wind Power ("EWP") begann im Jahr 2004 mit Vorbereitungen für die Errichtung eines Windparks, bestehend aus 28 Windkraftanlagen. Zur Verwirklichung des Vorhabens schloss EWP einen Anschlussvertrag mit der betroffenen Gemeinde und zahlte rund EUR 500.000 an den estnischen Übertragungsnetzbetreiber Elering AS ("Elering") für die Bereitstellung eines Netzanschlusses. EWP installierte im Jahr 2008 auf dem erworbenen Gelände Windmessmasten im Wert von ca. EUR 200.000 und erwarb zwei Jahre später Erbbaurechte an allen betroffenen Grundstücken. Im Jahr 2016 veröffentlichte die Gemeinde Planungsbedingungen für den Windpark, woraufhin EWP einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung stellte. Das estnische Verteidigungsministerium verweigerte jedoch seine Zustimmung zum Vorhaben. Daraufhin versagte auch die Gemeindeverwaltung die beantragten Baugenehmigungen. Gegen beide Entscheidungen erhob EWP Klagen, die bei den nationalen Gerichten noch anhängig sind.

Trotzdem beantragte EWP im Jahr 2020 bei Elering einen Bescheid darüber, ob das Investitionsvorhaben die estnischen beihilferechtlichen Vorgaben für Erzeuger erneuerbarer Energien erfülle. Elering versagte den Bescheid mit der Begründung, dass EWP bis zum Stichtag (31. Dezember 2016) – unabhängig von den errichteten Windmessmasten und den erworbenen Grundstücken – nicht mit dem Projekt begonnen habe und daher nicht als "bestehender Erzeuger" im Sinne des estnischen Strommarktgesetzes gelte. Dagegen erhob EWP vor dem zuständigen estnischen Verwaltungsgericht Tallinn Klage, welches wiederum den EuGH im Wege der Vorabentscheidung zur Auslegung der europarechtlichen Regelungen aufrief.

Entscheidung des EuGH

Der Bau von Windmessmasten und Stromanschlüssen erfüllt nach Ansicht des EuGH die Voraussetzungen eines Maßnahmebeginns nicht.

Im Rahmen der Zulässigkeit entschied der EuGH zunächst, dass die Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien 2014-2020 zwar kein unmittelbar verbindliches Recht darstellen, jedoch über die unionsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung mittelbare Außenwirkung entfalten. Der die Energiebeihilfen genehmigende Beschluss der Kommission nahm auf die Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien Bezug, sodass deren Regelungen für Estland gemäß Art 288 Abs. 4 AEUV verbindliches Unionsrecht wurden. Folglich wurden die Leitlinien in den Beschluss inkorporiert und entfalten unmittelbare Außenwirkung gegenüber Estland.

Der für die Gewährung einer Beihilfe erforderliche Anreizeffekt gemäß Art. 6 Abs. 1 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) gilt nach Abs. 2 dann als erfüllt, wenn der Beihilfenempfänger vor "Beginn der Arbeiten" einen schriftlichen Antrag auf Förderung gestellt hat. Eine zentrale Vorlagefrage in der Sache betraf daher die Auslegung des Begriffs "Beginn der Arbeiten", wie er in Rn. 19 Abs. 44 der Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien 2014-2020 definiert ist. Der EuGH stellte fest, dass der Begriff dahingehend auszulegen ist, dass er (1.) den Beginn der Bauarbeiten für die Anlage eines Investitionsvorhabens, das die Erzeugung erneuerbarer Energie ermöglicht, umfasst und (2.) auch eine andere Verpflichtung erfasst, die nach ihrer Art und ihren Kosten das betreffende Investitionsvorhaben in ein solches Entwicklungsstadium geführt hat, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit fertig gestellt werden kann.

Zweitens ist der Begriff so zu verstehen, dass die zuständige nationale Behörde bei der Feststellung des Beginns der Arbeiten verpflichtet ist, eine Analyse des Entwicklungsstadiums des betreffenden Investitionsvorhabens und der Wahrscheinlichkeit seiner Fertigstellung im Einzelfall vorzunehmen, die sich nicht auf eine rein tatsächliche oder formale Beurteilung beschränken darf und je nach Fall eine eingehende wirtschaftliche Analyse erfordern kann.

Drittens stellte der Gerichtshof fest, dass der Begriff "Beginn der Arbeiten" es notwendigerweise erfordert, dass der Vorhabenträger des Projekts über einen Rechtsanspruch auf die Nutzung des Grundstücks, auf dem das betreffende Investitionsvorhaben verwirklicht werden soll, verfügt. Außerdem muss er eine staatliche Genehmigung für die Durchführung dieses Vorhabens besitzen.

Praxishinweise

Die Entscheidung gibt hilfreiche Hinweise, wie der Begriff "Beginn der Arbeiten" im Sinne der Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien auszulegen ist. Diese Grundsätze dürften auch auf die aktuell geltenden Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 übertragbar sein, da sich die Begriffsbestimmung in Rn. 19 Abs. 82 im Vergleich zu den Leitlinien 2014-2020 inhaltlich nicht geändert hat. Übergreifende Bedeutung haben darüber hinaus die Ausführungen des EuGH zur Rechtswirkung von Leitlinien der Kommission: Diese haben in der Auslegung von Art. 107 AEUV grundsätzlich zwar nur eine ermessenslenkende Innenwirkung, es kann jedoch im Einzelfall eine mittelbare Außenwirkung für den Beihilfeempfänger durch den Gleichbehandlungs- sowie Vertrauensgrundsatz entstehen.

Christopher Theis
Sascha Opheys

Ordnungsgemäße Preisaufklärung auch ohne Beteiligung des Bieters möglich

Beiten Burkhardt // BLOG - Do, 04.04.2024 - 13:00

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat sich in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 26. Oktober 2022,Verg 18/22) mit den vergaberechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung im Falle eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots befasst. Trotz des eindeutigen Wortlauts des § 60 Abs. 1 Satz 1 VgV, wonach der Auftraggeber im Falle eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes Aufklärung "verlangt", besteht nach Ansicht des OLG Düsseldorf keine Pflicht zur Einbeziehung des Bieters, wenn der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderweitig gesicherter Erkenntnisse zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich nicht um ein ungewöhnlich niedriges Angebot handelt. Die anderweitig gesicherten Erkenntnisse konnte der öffentliche Auftraggeber im gegenständlichen Vergabeverfahren aus der zu eigen gemachten Auswertung der Angebote und Bewertung der Preise durch ein externes sachverständiges Unternehmen ziehen.

Der Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb IT-Dienstleistungen zum Betrieb und Hosting eines Messengers mit Videokonferenztool aus. Gemäß der Wertungsmatrix waren als Zuschlagskriterien mit 40 Prozent der Preis und mit 60 Prozent die Qualität des Gesamtkonzepts vorgesehen. Für das Zuschlagskriterium Preis wurde darüber hinaus festgelegt, dass die Ermittlung der Wertungspunkte mittels linearer Interpolation unter Heranziehung des Wertungspreises nach Preisblatt erfolgen sollte. Hierbei sollte das günstigste Angebot 40 Punkte erhalten und jedes Angebot, das größer als das 1,5-fache des günstigsten Angebotes ist, 0 Punkte.

In dem Bewertungsmodell zum Wertungspreis hieß es:

"1. Messenger: Zur Ermittlung des Wertungspreises wird von 700.000 Nutzern ausgegangen. Es wird der durch den Anbieter genannte Monatspreis je 100 Nutzer herangezogen und ein Grundpreis Messenger ermittelt. Auf diesen wird der Mittelwert der Nachlassstaffel Messenger angewendet.

2. Videokonferenz-Plugin: Zur Ermittlung des Wertungspreises wird eine Nutzung von 700.000 Nutzern zu 2 vollen Stunden bei 20 Tagen im Monat betrachtet. Es wird der durch den Anbieter genannte Monatspreis je 100 Nutzer pro Stunde herangezogen und ein fiktiver Monatspreis für das Videokonferenz-Plugin ermittelt. Auf diesen wird der Mittelwert der Nachlassstaffel Videokonferenz angewendet."

Zu den tatsächlichen und erwarteten Nutzungszahlen erläuterte die Leistungsbeschreibung, dass aktuell ca. 700.000 Nutzer an ca. 1.800 Schulen den Messenger und zusätzlich ca. 600 Schulen das Videokonferenz-Plugin nutzen würden. Da sich das Videokonferenz-Plugin in der Einführung befände, existiere ein belastbares Mengengerüst derzeit noch nicht. Eine Annäherung der Nutzerzahlen an die des Messengers werde erwartet. Die maximale Nutzerzahl läge bei ca. 2.650.000.

Die Abrechnung im Laufe der Vertragsdurchführung sollte im Falle des Messengers anhand der registrierten Nutzer, im Falle des Videokonferenz-Plugins anhand der tatsächlichen Nutzer erfolgen.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden sollte, da dieses sowohl in dem Wertungskriterium des Preises als auch dem der Qualität unterlegen sei.

Die Antragstellerin erhob hiergegen Rüge – welcher der Auftraggeber nicht abhalf – und stellte parallel einen Antrag auf Nachprüfung.

Unter anderem rügte die Antragstellerin, dass das Angebot der Beigeladenen wegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises von der Vergabestelle auf seine Auskömmlichkeit überprüft und sodann von dem Vergabeverfahren nach § 60 VgV ausgeschlossen hätte werden müssen. Zur Begründung führte die Antragstellerein an, dass es sich bei dem Angebot des Zuschlagsprätendenten entweder um ein Unterkostenangebot handeln müsse, die Vergabeunterlagen intransparent seien oder das Angebot die in den Vergabeunterlagen gesetzten Mindestanforderungen nicht erfülle. Anders sei die mehr als 50-prozentige Unterschreitung ihres eigenen bereits sehr wettbewerblich kalkulierten Angebotes nicht zu erklären.

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurück. Hiergegen legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein.

Die Entscheidung

Der Senat stellte fest, dass die sofortige Beschwerde zulässig, aber nicht begründet sei.

Das Angebot der Beigeladenen sei nicht als unauskömmlich auszuschließen gewesen. Denn die Preisprüfung sei ordnungsgemäß erfolgt und die Auftraggeberin in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der geringe Angebotspreis der Beigeladenen zufriedenstellend aufgeklärt sei.

Zwar sei bei einer Preisaufklärung im Grundsatz eine eindeutig formulierte Anforderung an den Bieter zu richten, mit der Erläuterungen zu den angebotenen Preisen verlangt werde. Diese Vorgabe gelte jedoch nicht absolut. Sofern anderweitige gesicherte Erkenntnisse, die die Feststellung rechtfertigten, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, dürfe auf eine Aufklärung durch den betroffenen Bieter verzichtet werden. In diesen Fällen eine Aufklärung unter Einbeziehung des Bieters rein aus formalen Gründen zu fordern, überzeuge nicht und widerspräche dem Beschleunigungsgebot, dem Vergabeverfahren im Allgemeinen unterliegen. Zudem sei dies auch kein ressourcenschonender Umgang mit den zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Mitteln.

Vorliegend sei Teil der eingeholten fachtechnischen Bewertung ein Vergleich der einzelnen Angebotspositionen der Antragstellerin und der Beigeladenen gewesen. Hieraus sei der Angebotspreis der Beigeladenen als auskömmlich hervorgegangen.

Zugleich hielt der Senat auch nochmal fest, dass die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, in eine Preisprüfung einzutreten, sich nicht nur aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben könne, sondern auch aus Erfahrungswerten, insbesondere aus Erkenntnissen aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen oder aus einem Vergleich mit der eigenen Auftragswertschätzung des
Auftraggebers.

Praxistipp

Im hiesigen Fall setzt sich das OLG Düsseldorf mit den Anforderungen des § 60 Abs. 1 S. 1 VgV auseinander, welchen sich jeder öffentliche Auftraggeber regelmäßig zu stellen hat. Die Entscheidung des Senats spricht klare Worte, wenn sie auch den besonderen Fall der Einbeziehung sachverständiger Unterstützung bei der Angebotsauswertung betrifft. Sie unterstreicht jedoch zugleich, dass die Vorgabe des § 60 Abs. 1 S. 1 VgV keinen Selbstzweck erfüllt.

Wichtig ist, dass, wenn fachtechnische Bewertungen durch sachverständige Externe erfolgen, diese auch ausdrücklich einen Preisvergleich umfassen. Neben der Forderung einer Vornahme eines solchen Preisvergleiches, ist nachgelagert erforderlich, dass die Vergabestelle die fachtechnische Bewertung prüft und sich vor allem zu eigen macht. Vor dem Hintergrund, dass es für eine positive Preisaufklärung darauf ankommt, dass die Auskömmlichkeit der angebotenen Preise im Ergebnis der Preisaufklärung zur Überzeugung des Auftraggebers feststeht, ist der Entscheidung auch aus Sicht der Vergabepraxis zuzustimmen. Denn was sollten die Ausführungen des betreffenden Bieters zu den von ihm angebotenen Preisen noch zusätzlich bewirken, wenn der Auftraggeber bereits aus eigener bzw. der zu eigen gemachten Erkenntnis seines Fachberaters von der Auskömmlichkeit des Preisangebots überzeugt ist?

Die vom OLG Düsseldorf nunmehr akzeptierte Vorgehensweise dürfte allerdings nur für den Fall gelten, dass die Preisprüfung zu einem für den betreffenden Bieter positiven Ergebnis, also der Feststellung der Auskömmlichkeit, führt. Endet die Aufklärung durch Nutzung von Feststellungen und Informationen Dritter hingegen damit, dass Zweifel an der Auskömmlichkeit verbleiben, so wird der Auftraggeber in jedem Falle auch noch die Anhörung des Bieters selbst durchführen müssen, bevor er einen Ausschluss aufgrund Unauskömmlichkeit vornimmt. Dies gebietet zum einen bereits das vergaberechtliche Anhörungsgebot im Vorfeld negativer Entscheidungen, wie sie die Rechtsprechung z.B. auch im Vorfeld von Ausschlüssen nach den §§ 123 und 124 GWB verlangt. Zum anderen wird der Auftraggeber bei der Preisaufklärung die zunächst naheliegendste Möglichkeit, bestehende Zweifel an den ungewöhnlich niedrigen Preisen auszuräumen, nämlich die Anhörung des Bieters als deren "Urheber", nicht außer Acht lassen, wenn es darum geht, das Ergebnis belastbar abzurunden.

Julia Beckmann

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Umsatzsteuerpflicht für Aufsichtsräte? Die Finanzverwaltung gibt nicht auf…

Beiten Burkhardt // BLOG - Mi, 03.04.2024 - 13:00
Immer wieder versucht die Finanzverwaltung die Einkünfte von Aufsichtsräten der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Wenn es nach einem neueren Urteil des 9. Senats des Finanzgerichts Köln vom 15. November 2023 (Az. 9 K 1068/22) geht, aber ohne Erfolg.

Die Umsatzsteuer auf Aufsichtsratsvergütungen ist immer wieder Thema der deutschen Finanzgerichte und des Europäischen Gerichtshofs.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Köln stellt klar, dass die Finanzgerichtsbarkeit hinsichtlich der Einordnung der Aufsichtsratstätigkeiten als umsatzsteuerpflichtige Umsätze eine andere Grenzziehung vornimmt wie die Finanzverwaltung. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob variable Vergütungen wie z. B. Sitzungsgelder eine Selbständigkeit des Aufsichtsratsmitglieds begründen können. Denn die Finanzverwaltung nimmt bisher noch immer an, dass variable Vergütungen ab einem Anteil von 10% der Gesamtvergütung ein wirtschaftliches Risiko des tätigen Aufsichtsrats begründen und er deshalb als selbständig i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG zu qualifizieren ist (Abschnitt 2.2 Abs. 3a UStAE). Der 9. Senat des Finanzgerichts Köln qualifiziert diese Sitzungsgelder aber als Teil der Festvergütung, so dass eine Selbständigkeit nach den Maßgaben der Finanzverwaltungsauffassung nicht vorliegt. Eine unternehmerische Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds liegt daher in diesen Fällen nicht vor. Zweifelhaft ist dagegen die Argumentation des 9. Senats des Finanzgerichts Köln ein Handeln in fremdem Namen schließt eine Unternehmerstellung per se aus. Der EuGH hat eine Organstellung allein bisher nicht für die Ablehnung einer unternehmerischen Tätigkeit ausreichen lassen ((EuGH, Urteil vom 12.Juli 2001, Az. C-102/00 - Welthgrove BV, UR 2001, 533; Urteil vom 27. September 2001, Az. C-16/00 - Cibo, UR 2001, 500).

Diese Rechtsprechung des Finanzgerichts Köln, d. h. die Abgrenzung zwischen Festvergütung und variabler Vergütung, ist aber m. E. vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 21. Dezember 2023 in der Rechtssache „TP“ (Az. C-288/22, UR 2024, 55) obsolet. Denn der EuGH hat entschieden, dass eine variable Vergütung an ein Mitglied eines Kontrollorgans einer Gesellschaft niemals zu einem wirtschaftlichen Risiko dieses Mitglieds i. S. e. unternehmerischen Betätigung führen kann. Vielmehr setzt ein derartiges wirtschaftliches Risiko auch eine Beteiligung am Verlust der Gesellschaft voraus.

Interessant ist das Urteil des 9. Senat des Finanzgerichts Köln aber auch vor dem Hintergrund, dass dort die Auffassung vertreten wird, eine Berichtigung der geschuldeten Steuer kann infolge telelogischer Reduktion des § 14c Abs. 2 UStG auch dann ohne vorherige Rechnungskorrektur nach § 17 Abs. 1 UStG und Rückerstattung der vereinnahmten Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger erfolgen, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug aus den gestellten Rechnungen berechtigt war. In diesem Fall fehlt es – genau wie bei Leistungen an Endverbraucher – an einer Gefährdung des Steueraufkommens. Dies bedeutet, dass der Kläger die Umsatzsteuern in den jeweiligen Veranlagungsjahren – also rückwirkend (ex tunc) – mit entsprechenden Zinsauswirkungen zurückfordern kann. Diese Rechtsfolge soll nach Überzeugung des Senats aber nur dann eintreten können, wenn die in der Vergangenheit gestellten Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis auf einer gefestigten Rechtsprechung und Finanzverwaltungsauffassung beruhen, d. h. eine Rechtsprechungsänderung erfolgt ist. Nur dann soll es unzumutbar sein, den betroffenen Steuerpflichtigen am strengen Berichtigungsverfahren festzuhalten. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs wird entscheiden müssen, ob er sich dieser Argumentation anschließt.

In dieser Verfahrensweise des 9. Senats des Finanzgerichts Köln die Öffnung eines Tores zu unkontrollierbaren, rückwirkenden Umsatzsteuerrückforderungen zu erblicken, scheint vor dem Hintergrund der Argumentation in Bezug auf den konkreten Einzelfall übertrieben.

Marcus Mische

Der bekiffte Blog

Beiten Burkhardt // BLOG - Mi, 03.04.2024 - 13:00

Ich bin kein Kiffer. Ich bin Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fußballfan, Familienvater, Blogger, Biertrinker, Organspender, Brillenträger, gelegentlicher Falschparker, aber kein Kiffer. Bei mir persönlich wird sich auch mit der Legalisierung von Cannabis nichts ändern. Die Legalisierung von Cannabis hat immerhin zu diesem Blog geführt, denn im Arbeitsverhältnis kann die Legalisierung von Cannabis zu Änderungen und Änderungsbedarf führen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 22. März 2024 hat das vom Bundestag am 23. Februar 2024 verabschiedete Cannabisgesetz (CanG) den Bundesrat passiert. Das CanG trat damit zum 1. April 2024 in Kraft. Seit dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene in bestimmten Mengen Cannabis besitzen. Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis selbst enthält keine Regelung, dass Cannabis am Arbeitsplatz verboten ist. Arbeitgebern ist zu raten, eindeutige Vorschriften festzulegen, damit das Verbot bzw. der Umfang eines etwaig zulässigen Konsums für alle Mitarbeiter klar geregelt ist.

Änderungen durch das CanG

Bisher war der Anbau und der Konsum von Cannabis und sein Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) verboten. Mit dem Cannabisgesetz (CanG) wird der kontrollierte Anbau und Konsum von Cannabis legalisiert.

Das CanG legalisiert zunächst den privaten Cannabiskonsum und -anbau, später den gemeinschaftlichen Cannabisanbau und nicht-gewerblichen Handel. Die Neu-Regelungen des CanG treten in zwei Stufen in Kraft. Seit dem 1. April 2024 ist der private Cannabiskonsum und -handel wie folgt erlaubt:

  • Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen und in der Wohnung aufbewahren.
  • Sie dürfen bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis in der Öffentlichkeit mit sich tragen.
  • Sie dürfen bis zu drei Cannabispflanzen privat anbauen.

Ab dem 1. Juli 2024 wird der gemeinschaftliche Cannabisanbau und -handel wie folgt erlaubt sein:

  • Wer mindestens 18 Jahre alt ist und seit mindestens sechs Monaten in Deutschland lebt, darf sich mit anderen Personen in sogenannten Anbauvereinigungen zusammentun, um Cannabispflanzen zu ziehen und Cannabis zu erwerben.
  • Diese Einrichtungen dürfen nicht gewerblich und gewinnorientiert sein.
  • Jede Anbauvereinigung darf maximal 500 Mitglieder haben.
  • Jede Person darf nur in einer Vereinigung Mitglied sein.
  • Vereinigungen dürfen an jedes Mitglied maximal 25 Gramm am Tag und 50 Gramm pro Monat ausgeben. Für Mitglieder unter 21 Jahren liegt die maximale monatliche Agabemenge bei 30 Gramm.
Ist „Kiffen“ am Arbeitsplatz erlaubt?

Das CanG selbst enthält keine Regelung, dass Cannabis am Arbeitsplatz verboten ist. Der Konsum von Cannabis ist grundsätzlich legalisiert. Arbeitnehmer dürfen theoretisch – soweit die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird und Kollegen oder Kunden nicht gestört werden – auch am Arbeitsplatz oder zumindest in der Pause kiffen.

Dringende Empfehlung einer Regelung durch den Arbeitgeber

Arbeitgebern ist dringend zu raten, den Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsgelände und außerhalb des Betriebsgeländes, z.B. im Außendienst oder bei der Nutzung von Dienstfahrzeugen eindeutig zu regeln. In den meisten Betrieben gibt es bisher keine Regelungen zum Cannabis-Konsum.

Der Arbeitnehmer schuldet die vollständige und einschränkungslose Arbeitsleistung. Die Arbeitsleistung darf nicht durch Cannabis-Konsum beeinträchtigt werden. Drogenkonsum muss damit auch in der Freizeit so erfolgen, dass die Arbeitsfähigkeit ab Beginn der Arbeitszeit nicht beeinträchtigt ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Betriebsgeländes ein Bezug zwischen Cannabis-Konsum und Arbeitgeber hergestellt werden kann, z.B. durch Bilder/Videos auf einer Business-Plattform oder in Arbeitskleidung.

Der Arbeitgeber ist kraft arbeitgeberseitigem Weisungsrecht berechtigt, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach „billigem Ermessen“ zu regeln. Nach dem Weisungsrecht ist der Arbeitgeber – wie auch beim Alkohol – berechtigt, den Konsum von Cannabis und sonstiger Rauschmittel zu verbieten. Der Arbeitgeber ist kraft seiner Fürsorgepflicht insbesondere bei gefahrgeneigten Tätigkeiten zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Arbeitnehmer, Kunden etc. verpflichtet, den Cannabis-Konsum zu verbieten.

Das war der bekiffte Blog. Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München
Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen. Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Vorsicht bei der Teilaufhebung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen

Beiten Burkhardt // BLOG - Di, 02.04.2024 - 13:00

OLG Jena, Beschluss vom 17.02.2021 – 2 W 31/21

Ein einheitlicher Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag lässt sich später im Regelfall nicht mehr in einen alleinstehenden Gewinnabführungsvertrag ändern. Entsprechende Änderungsvereinbarungen werden als Aufhebung und Neuabschluss interpretiert, was zum rückwirkenden Verlust der steuerlichen Organschaft führen kann.

Hintergrund

Zur Begründung einer steuerlichen Organschaft wird häufig ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Dies kann jedoch unerwünschte Nebenfolgen haben. Denn ein Beherrschungsvertrag führt dazu, dass die Arbeitnehmer des abhängigen Unternehmens dem herrschenden Unternehmen für die Berechnung der Schwellenwerte nach dem Drittelbeteiligungsgesetz zugerechnet werden. Führt die Zurechnung zu einer Gesamtzahl von mehr als 500 Arbeitnehmern, so muss das herrschende Unternehmen einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden. Der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages hat dann nicht nur eine steuerliche Organschaft begründet, sondern auch die Arbeitnehmerbeteiligung ausgelöst.

Diese Folge ließe sich durch eine Aufhebung des Beherrschungsvertrages oftmals leicht korrigieren. Denn bei unmittelbarer oder mittelbarer Stimmmehrheit des herrschenden Unternehmens erfordert die steuerliche Organschaft nur die Existenz eines Gewinnabführungsvertrages, ein Beherrschungsvertrag ist hierfür nicht notwendig. Der Gewinnabführungsvertrag muss aber auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer fortgeführt werden. Wird der Gewinnabführungsvertrag vorher aufgehoben, so tritt ein rückwirkender Verlust der steuerlichen Organschaft ein. Die zentrale Frage ist daher in diesem Zusammenhang, ob eine isolierte Aufhebung des Beherrschungselements eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages rechtlich zulässig ist.

Entscheidung des OLG Jena

Nach Auffassung des OLG Jena ist eine solche Korrektur im Regelfall nicht zulässig. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei zunächst die Frage, ob überhaupt ein einheitlicher Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorliegt. Möglich wäre nämlich auch, dass zwei selbstständig nebeneinanderstehende Unternehmensverträge lediglich in einer gemeinsamen Urkunde festgehalten wurden. Zur Beurteilung stellt das OLG Jena auf den Parteiwillen ab: Dieser sei bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag darauf gerichtet, einen einheitlichen Unternehmensvertrag abzuschließen. Dieser sog. Organschaftsvertrag fasse den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu einer rechtlichen Einheit zusammen. Es lägen also nicht etwa zwei getrennte, sondern nur ein einheitlicher Vertrag vor.

Auf dieser Grundlage äußerte sich das OLG Jena dann dazu, wie sich die Teilaufhebung des Beherrschungsvertrages auf den Gesamtvertrag rechtstechnisch auswirkt. Dabei stellt es einleitend fest, dass die rechtliche Beurteilung der gewählten tatsächlichen Gestaltung nicht zur Disposition der Vertragsparteien stehe. Selbst wenn eine Vertragsänderung gewollt und vereinbart sei, könne eine Vertragsaufhebung mit gleichzeitigem Neuabschluss vorliegen. So liege der Fall bei Aufhebung des Beherrschungselements in einem einheitlichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Zur Begründung verweist das OLG Jena auf die eigenständige Bedeutung der nunmehr entfallenden Beherrschungsvereinbarung. Der Beherrschungsvertrag gewährleiste von Rechts wegen den Vorrang des Konzerninteresses vor dem Interesse der abhängigen Gesellschaft. Mit der Legalisierung der Konzernleitung ebenso wie mit ihrer Aufhebung sei daher eine Veränderung im Organisationsgefüge der abhängigen Gesellschaft verbunden, die offengelegt werden müsse. Die erforderliche Publizität lasse sich nur gewährleisten, wenn die tatsächliche Gestaltung rechtlich als Beendigung des Unternehmensvertrages qualifiziert werde. Denn lediglich die Beendigung, nicht aber die Änderung eines Unternehmensvertrages sei zum Handelsregister anzumelden.

Anmerkungen und Praxistipp

Die Entscheidung ist für die Praxis von erheblicher Relevanz. Das zeigt sich schon darin, dass das Gericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen hat. Da die Parteien von diesem Rechtsmittel aber – soweit bekannt – keinen Gebrauch gemacht haben, bleibt die Entscheidung des OLG Jena richtungweisend. Danach ist sowohl bei Abschluss als auch bei Änderung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen erhebliche Vorsicht geboten. Beim Abschluss sollten die Notwendigkeit eines Beherrschungselements für die steuerliche Organschaft und seine Auswirkungen auf die Arbeitnehmerbeteiligung stets im Blick behalten werden. Es kann sich auch anbieten, Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als zwei getrennte Verträge abzuschließen. So ist jedenfalls die Möglichkeit einer isolierten Aufhebung des Beherrschungsvertrages zu einem späteren Zeitpunkt gewährleistet. Änderungen eines bereits abgeschlossenen Vertrages sollten nur unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die steuerliche Organschaft vorgenommen werden.

Dr. Moritz Jenne
Dr. Philipp Pordzik

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

6 U 233/21, Entscheidung vom 13.12.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Sa, 23.12.2023 - 06:30
1. Zur Darlegung einer vom Fahrzeughersteller begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) bei der Verwendung eines Emissionskontrollsystems, dessen Steuerung ein sog. „Thermofenster“ zur temperaturabhängigen Re-duktion der Abgasrückführung und eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung umfasst.2. Im vorliegenden Fall besteht ein Anspruch auf Ersatz eines nach Maßgabe der Differenzhypothese entstandenen Vermögensschadens nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO 715/200...
Kategorien: OLG Entscheidungen

6 U 198/20, Entscheidung vom 13.12.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Fr, 22.12.2023 - 06:30
1. Zur Darlegung einer vom Fahrzeughersteller begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) bei der Verwendung eines Emissionskontrollsystems, dessen Steuerung ein sog. „Thermofenster“ zur temperaturabhängigen Reduktion der Abgasrückführung und eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung umfasst.2. Im vorliegenden Fall besteht ein Anspruch auf Ersatz eines nach Maßgabe der Differenzhypothese entstandenen Vermögensschadens nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO 715/2007...
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17 U 415/21, Entscheidung vom 28.11.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Fr, 22.12.2023 - 06:30
1. Das zeitlich nach Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung durch den Hersteller bei einem Fahrzeug mit dem Motor EA 189 aufgespielte Softwareupdate kommt als Anknüpfungspunkt für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 – VIa ZR 1119/22 –, Rn. 25, juris).2. Ein Käufer, der ein Fahrzeug mit dem Motor EA 189 erwirbt, kann sich zur Begründung eines Anspruchs auf Ersatz des Differen...
Kategorien: OLG Entscheidungen

6 W 43/23, Entscheidung vom 06.12.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Sa, 16.12.2023 - 06:30
Die gerichtliche Entscheidung, eine nach § 145a PatG i.V.m. § 16 Abs. 1, § 19 Abs. 1 GeschGehG angeordnete Maßnahme nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG aufzuheben oder (durch Abänderung) zu erleichtern, ist ebenso wenig isoliert anfechtbar wie die (ursprüngliche) Einstufung als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und die Anordnung der Beschränkung nach § 19 Abs. 1 GeschGehG selbst.
Kategorien: OLG Entscheidungen

19 W 75/23 (Wx), Entscheidung vom 23.11.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Sa, 02.12.2023 - 06:30
Der Geschäftswert eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs bestimmt sich nach § 36 GNotKG; hierbei ist ein Bruchteil des Nennwerts der Grundschuld anzusetzen.
Kategorien: OLG Entscheidungen

8 U 351/21, Entscheidung vom 11.11.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Fr, 17.11.2023 - 06:30
Auf die sich aus dem Erfahrungssatz ergebende Vermutung, wonach ein Käufer ein Fahrzeug nicht erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann, kann sich ein solcher Käufer nicht berufen, wenn nur eine kurze Zeitspanne von wenigen Wochen zwischen dem Erwerb des Fahrzeugs und dem außergerichtlichen Schadensersatzverlangen liegt.
Kategorien: OLG Entscheidungen

16 UF 27/23, Entscheidung vom 04.07.2023

OLG Karlsruhe Nachrichten - Fr, 17.11.2023 - 06:30
Zur Übertragung des Sorgerechts auf eine alkoholkranke Mutter, die der Fremdunterbringung des Kindes zustimmt.
Kategorien: OLG Entscheidungen