BVerfG, 30.05.1961 - 2 BvR 366/60
Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG schreibt zwingend vor, daß jeder Wahlberechtigte seine Stimme bei der Wahl soll abgeben können. Diesem Gebot ist nicht Genüge getan, wenn das Wahlergebnis durch die Aufstellung und Duldung entsprechender Wahlvorschläge vorweggenommen werden kann (sogenannte Friedenswahlen). Die Möglichkeit, die Wahlhandlung selbst, durch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge erzwingen zu können, ist kein Ersatz für die verfassungsrechtlich garantierte Ausübung des Stimmrechts.
Beschluß
des Zweiten Senats vom 30. Mai 1961
- 2 BvR 366/60 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. der Deutschen Partei, Landesverband Schleswig-Holstein, Kiel,..., vertreten durch den Landesvorsitzenden, Landwirt W... M..., 2. des Landwirts W... M..., Koselau über Lensahn (Holstein), 3. des Journalisten M... W..., Kiel-Ellerbek, ..., 4. des Hauptlehrers i.R. E... R..., Krummendiek, Post Kleve über Wilster, gegen Bestimmungen des Wahlgesetzes für die Gemeinde- und Kreisvertretungen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz - GKWG) vom 25. März 1959 (GVBl. S. 13).
Entscheidungsformel:
1. Die Verfassungsbeschwerde der Deutschen Partei, Landesverband Schleswig-Holstein, wird verworfen..
2. § 11, § 17 Absatz 2 Satz 1, § 42 Absatz 1 und 3, § 46, § 48 Absatz 1 und 2, § 50 des Wahlgesetzes für die Gemeinde- und Kreisvertretungen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz - GKWG) vom 25. März 1959 (GVBl. S. 13) verletzen die Grundrechte der Beschwerdeführer zu 2) bis 4) aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes; § 48 Absatz 3 und 4 verstößt gegen Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Sie sind nichtig.
Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 4) zurückgewiesen.
Gründe
A.
I.
Das Wahlgesetz für die Gemeinde- und Kreisvertretungen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz - GKWG) vom 25. März 1959 (GVBl. S. 13) verbindet die relative Mehrheitswahl im Wahlbezirk mit dem vollständigen Verhältnisausgleich im Wahlgebiet für die an der Listenwahl beteiligten politischen Parteien.
Wahlgebiete und für die Gemeindewahl des Gemeindegebiet und für die Kreiswahl das Kreisgebiet (§ 2). Die Wahl der Wahlbezirke und der in den Wahlbezirken zu wählenden "unmittelbaren Vertreter" richtet sich nach der Einwohnerzahl des Wahlgebiets (§ 10 Abs. 1 bis 3 i.V.m. §§ 9, 8). Neben den aus den Wahlbezirken nach den Grundsätzen der relativen Mehrheitswahl zu vergebenden Sitzen werden nach § 9 weitere Sitze auf Listenwahlvorschläge verteilt ("Listenvertreter").
Wahlvorschläge für die Wahl der unmittelbaren Vertreter können Parteien im Sinne des Art. 21 des Grundgesetzes (politische Parteien) und Wahlberechtigte, Listenwahlvorschläge dagegen nur politische Parteien einreichen (§ 17 Abs. 1 und 2).
Die Stimmzettel werden für jeden Wahlbezirk unter der Verantwortung des Wahlleiters hergestellt (§ 27 Abs. 1). Sie enthalten die Namen der Bewerber in folgender Anordnung: An erster Stelle stehen die Bewerber, die für eine im Landtag vertretene politische Partei auftreten, in der Reihenfolge der von diesen Parteien bei der letzten Landtagswahl erreichten Stimmenzahl unter der entsprechenden, vom Innenminister bekanntzugebenden Nummer. Im Anschluß daran werden die Bewerber, die für sonstige politische Parteien auftreten, in alphabetischer Reihenfolge des Namens dieser Parteien und sodann die parteilosen Bewerber in alphabetischer Reihenfolge des Familiennamens aufgeführt (§ 27 Abs. 2).
Jeder Wahlberechtigte hat ein bis drei Stimmen, je nachdem wieviele unmittelbare Vertreter im Wahlbezirk zu wählen sind. Für einen Bewerber kann er nur eine Stimme abgeben (§ 10 Abs. 4). In den Wahlbezirken sind diejenigen unmittelbaren Bewerber gewählt die die meisten Stimmen erhalten haben (§ 10 Abs. 5). Für die Verteilung der aus den Listen zu vergebenden Sitze werden für jeden Listenwahlvorschlag die Stimmen zusammengezählt die die unmittelbaren Bewerber der vorschlagenden politischen Partei erhalten haben (§ 11 Abs. 1 Satz 1). Sodann wird von der zu wählenden Gesamtzahl von Vertretern die Zahl der unmittelbar gewählten Vertreter abgezogen, deren Stimmen nicht für einen Listenwahlvorschlag mitgezählt worden sind (§ 11 Abs. 2 Satz 1). Die restlichen Sitze werden auf die Listenwahlvorschläge nach den Grundsätzen des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens unter Anrechnung der von den vorschlagenden politischen Parteien unmittelbar in den Wahlbezirken errungenen Sitze verteilt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 4). Ist die Zahl der in den Wahlbezirken für eine politische Partei gewählten Bewerber größer als ihr verhältnismäßiger Sitzanteil, so verbleiben ihr die darüber hinausgehenden Sitze (§ 11 Abs. 5 Satz 1).
Politische Parteien, auf die weniger als 5 v. H. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen entfallen sind oder für die nicht mindestens ein unmittelbarer Vertreter gewählt worden ist nehmen im Verhältnisausgleich nicht teil (§ 11 Abs. 1 Satz 3).
Wenn ein gewählter Bewerber stirbt oder die Annahme der Wahl ablehnt, oder wenn ein Vertreter stirbt oder seinen Sitz verliert so rückt der nächste Bewerber auf der Liste derjenigen politischen Partei nach, für die der Ausgeschiedene bei der Wahl aufgetreten ist (§ 42 Abs. 1). Ist ein Nachrücken nicht möglich, weil eine Liste nicht vorhanden oder erschöpft ist, so bleibt der Sitz leer (§ 42 Abs. 3).
Für die Wahlen in Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern gelten folgende Besonderheiten:
Gewählt wird nach den Grundsätzen der Persönlichkeitswahl mit Verhältnisausgleich. Die Gemeinde bildet einen Wahlbezirk, in dem sieben Vertreter gewählt werden. Jeder Wahlberechtigte hat drei Stimmen. Für einen Bewerber kann er nur eine Stimme abgeben (§ 45). Politische Parteien können Wahlvorschläge einreichen, die die Namen aller Bewerber enthalten (§ 46 Satz 1). Wahlberechtigte können nur Einzelwahlvorschläge mit jeweils einem Bewerber einreichen (§ 46 Satz 2). Der Stimmzettel enthält die Namen der ersten drei Bewerber der Wahlvorschläge der politischen Parteien und die Namen der Einzelbewerber (§ 47). Die Sitze werden auf die Wahlvorschläge nach den Grundsätzen des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens verteilt. Einem Einzelwahlvorschlag kann nur ein Sitz zugewiesen werden (§ 48 Abs. 1). Die Bewerber der politischen Parteien sind in der Reihenfolge der auf sie entfallenden Stimmenzahl gewählt. Sind solche Bewerber nicht mehr vorhanden, so ist die Reihenfolge des Wahlvorschlages maßgebend (§ 48 Abs. 2).
Für das Nachrücken gilt der § 42 mit der Maßgabe, daß an Stelle der Liste der Wahlvorschlag tritt (§ 50).
Wird nur ein Wahlvorschlag aufgestellt und zugelassen oder werden mehrere Wahlvorschläge mit insgesamt nur sieben Bewerbern aufgestellt und zugelassen, so findet keine Wahl statt. Im ersten Fall werden die ersten sieben Bewerber des einzigen Wahlvorschlages, im zweiten Fall die auf den verschiedenen Wahlvorschlägen benannten sieben Bewerber vom Wahlausschuß für gewählt erklärt (§ 48 Abs. 3 und 4 - sogenannte Friedenswahlen).
II.
Die Deutsche Partei, Landesverband Schleswig-Holstein, sowie der Landwirt W... M..., der Journalist M... W... und der Hauptlehrer i. R. E... R..., die bei den Kommunalwahlen im Jahre 1955 für kommunale Wählervereinigungen kandidiert hatten und über diese in Gemeindevertretungen gewählt worden waren, wenden sich mit ihrer am 26. März 1960 eingegangenen Verfassungsbeschwerde gegen verschiedene Bestimmungen des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes. Sie rügen die Verletzung von Art. 3, 21, 28 GG und tragen dazu vor:
1. Nach § 17 Abs. 2 GKWG könnten Wahlvorschläge für die Wahl der Listenvertreter nur von den politischen Parteien eingereicht werden. Kommunale Wählervereinigungen und sogenannte Rathausparteien seien dagegen vom Listenprivileg ausgeschlossen. Diese Benachteiligung sei mit dem Gleichheitssatz und dem in Art. 28 Abs. 2 GG verbrieften Recht der Selbstverwaltung nicht vereinbar. Die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf die politischen Parteien habe zur Folge, daß die Kommunalpolitik in den Einfluß zentraler Parteigremien gerate und den Vertretern rein kommunaler "unpolitischer" Interessen die Teilnahme an der Verwaltung der Gemeinden erschwert werde.
2. Durch die in § 27 Abs. 2 GKWG vorgeschriebene Reihenfolge der Bewerber auf den amtlichen Stimmzetteln würden die Wahlvorschläge der nicht im Landtag vertretenen Parteien und Wählergruppen auch dann als bedeutungslos hingestellt, wenn diese in der vorhergehenden Kommunalwahl erfolgreich gewesen seien. Hinzu komme, daß die im Landtag vertretenen Parteien bereits Monate vor dem Wahltermin eine für das ganze Land einheitliche Listennummer zugewiesen erhielten, während den übrigen Parteien und Wählervereinigungen ihre Listennummer erst drei Wochen vor der Wahl mitgeteilt werde. Überdies müßten diese damit rechnen, daß ihnen in den einzelnen Wahlbezirken des gleichen Wahlgebiets verschiedene Listennummern zugeteilt würden. Der damit verbundene propagandistische und psychologische Nachteil falle erheblich ins Gewicht.
3. Die Teilhabe der kleinen Parteien an der Willensbildung in den Kommunen werde weiter durch die Sperrklausel des § 11 Abs. 1 Satz 3 behindert. Die Sperrklausel sei überflüssig, weil in den Kreis- und Gemeindevertretungen keine politischen Grundsatzentscheidungen von staatspolitischer Bedeutung zu fällen seien. Sie wirke überdies in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise der Gründung und Entfaltung neuer Parteien entgegen, die sich zunächst in den Selbstverwaltungskörperschaften bewähren müßten.
4. Die Beschwerdeführer rügen ferner, daß die Wähler nach Maßgabe des § 10 Abs. 4 GKVG je nach der Größe des Wahlgebiets 1, 2 oder 3 Stimmen abgeben können. Sie halten diese Differenzierung mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit für unvereinbar, weil die Wähler in kleineren Gemeinden Bewerber verschiedener Parteien fördern können, während die Wähler in den Großgemeinden und Landkreisen sich jeweils für einen Kandidaten entscheiden müssen.
5. Die im § 42 GKWG für den Fall des Aussteigens eines gewählten Bewerbers getroffene Regelung verletze das Gebot der Chancengleichheit da das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz anders als § 48 des Bundeswahlgesetzes beim Ausscheiden eines unabhängigen Bewerbers keine Ersatzwahl vorsehe. Nur die Wähler eines unabhängigen Bewerbers müßten in Kauf nehmen, daß ihre Stimmen beim Ausscheiden ihres Kandidaten verloren gingen.
6. Bei dem im § 45 GKVG für Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern vorgeschriebenen Wahlverfahren seien die von einer politischen Partei benannten Bewerber dadurch bevorzugt, daß ihnen die Restsummen der erfolglosen Bewerber ihrer Liste zugerechnet würden. Infolgedessen komme ein Einzelbewerber unter Umständen auch dann nicht zum Zuge, wenn er mehr Stimmen erhalte, als ein erfolgreicher Parteibewerber auf sich habe vereinigen können.
7. Schließlich sei es mit Art 28 GG nicht vereinbar, daß gemäß § 48 Abs. 3 und 4 GKWG keine Wahl durchgeführt werde, wenn nur ein Wahlvorschlag oder mehrere Wahlvorschläge mit insgesamt nur sieben Bewerbern aufgestellt und zugelassen seien. Dadurch werde die Entscheidung über die Zusammensetzung der Gemeindevertretung in das Ermessen einer Minderheit gestellt. Die Mehrheit der Wahlberechtigten werde vor vollendete Tatsachen gestellt ohne sich mit Hilfe des Stimmzettels dagegen wehren zu können.
III.
1. a) Der Landtag und die Landesregierung von Schleswig- Holstein halten die Verfassungsbeschwerde des Landesverbandes der Deutschen Partei für unzulässig.
Sie äußern ferner Bedenken, ob die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) selbst und gegenwärtig in ihren Grundrechten verletzt seien. Die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) seien Mitglieder der Deutschen Partei Der Beschwerdeführer zu 4) habe sich auf Vorschlag dieser Partei anläßlich der letzten Kommunalwahlen um einen Sitz im Kreistag des Kreises Steinburg und in der Gemeinde Krummendiek beworben. Die letztere Bewerbung habe Erfolg gehabt. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) hätten sich weder als Kandidaten ihrer Partei noch als freie Bewerber aufstellen lassen.
b) Im übrigen seien die Verfassungsbeschwerden unbegründet.
Die unterschiedliche Behandlung der politischen Parteien und der kommunalen Wählervereinigungen durch das schleswig- holsteinische Gemeinde- und Kreiswahlgesetz sei sachlich gerechtfertigt. Das Grundgesetz habe durch Art. 21 den politischen Parteien wegen ihrer fundamentalen Bedeutung im Verfassungsleben eine Sonderstellung zugewiesen, die es zulasse, die politischen Parteien auch im Kommunalwahlrecht zu privilegieren.
Die Listenwahl setze Personenmehrheiten voraus, die eine gewisse Geschlossenheit aufweisen und die Garantie dafür böten, das die auf einer Liste kandidierenden Bewerber durch eine gemeinsame Zielsetzung miteinander verbunden seien. Das sei nur bei politischen Parteien der Fall. Diese Erwägung rechtfertige die Beschränkung des Listenprivilegs auf die politischen Parteien. Hinzu komme, das dadurch der Verzahnung von kommunal- und staatspolitischen Angelegenheiten im heutigen Verwaltungsgefüge Rechnung getragen, der direkten Einflußnahme von Interessenverbänden auf die politische Willensbildung entgegengewirkt und die Unterwanderung durch illegale Gruppen erschwert werde.
Die Angriffe der Beschwerdeführer gegen die Ausgestaltung des Stimmzettels gingen schon deshalb fehl, weil es sich bei § 27 Abs. 2 GKWG um eine reine Ordnungsvorschrift handle, die nicht die Bevorzugung bestimmter politischer Parteien bezwecke.
Daß eine angemessen begrenzte Sperrklausel verfassungsrechtlich zulässig sei, werde allgemein anerkannt.
Der § 10 Abs. 4 GKWG, wonach jeder Wahlberechtigte, gestuft nach der Größe des jeweiligen Wahlgebiets, jeweils so viele Stimmen hat, wie unmittelbare Vertreter im Wahlbezirk zu wählen sind, verstoße ebenfalls nicht gegen den Grundsatz der gleichen Wahl. Um arbeitsfähige Vertretungen in der erforderlichen zahlenmäßigen Besetzung zu erhalten, müsse nach Gemeindegrößen klassifiziert werden. Dem Grundsatz der Wahlgleichheit sei Rechnung getragen, da für die Gemeinden gleicher Größe jeweils dasselbe Wahlverfahren gelte.
Die Beschränkung des im § 42 GKWG vorgesehenen Nachrückens des nächsten Bewerbers als Ersatz für einen ausgeschiedenen Vertreter auf die Listennachfolger sei eine legitime Konsequenz des Listenprivilegs der politischen Parteien. Es liege in der Natur der Sache, daß der Einzelbewerber, der als Einzelpersönlichkeit gewählt werde, weder durch Nachrücken eines anderen Bewerbers noch durch eine Ersatzwahl ersetzt werden könne. Im Gegensatz hierzu seien die von einer politischen Partei benannten Bewerber durch eine gemeinsame Zielsetzung verbunden und daher auswechselbar.
Die Sondernormen für Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern fänden ihren rechtfertigenden Grund in der Überschaubarkeit der Verhältnisse in kleinen Wahlgebieten. Es sei zwar möglich, Grenzsituationen zu konstruieren, in denen die Sonderregelung zu abnormen Ergebnissen führe. Derartige Konstruktionen seien jedoch nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Sonderregelung darzutun.
Schließlich bestünden auch gegen die sogenannten Friedenswahlen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar finde wahltechnisch gesehen keine unmittelbare Wahl statt. Diese sei aber auch überflüssig, weil sie kein anderes Ergebnis als das nach § 48 Abs. 3 und 4 GKWG zu unterstellende Wahlergebnis haben könne. Da für jeden Wahlvorschlag nur fünf oder zehn Unterschriften erforderlich seien (§ 20 Abs. 1 GKWG), sei hinreichend gewährleistet, daß jeder potentielle Wähler seine Auffassung durch die Aufstellung eines entsprechenden Wahlvorschlags zur Geltung bringen könne.
2. Die bayerische Staatsregierung hält die Verfassungsbeschwerden, soweit sie sich gegen § 10 Abs. 4 und § 27 Abs. 2 GKWG wenden, für unbegründet.
3. Die Beschwerdeführer haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde der Deutschen Partei, Landesverband Schleswig-Holstein, ist unzulässig.
Soweit er mit der Verfassungsbeschwerde die Wahrung der Rechte seiner Mitglieder und der "jedem Staatsbürger in der Bundesrepublik zustehenden Grundrechte" erstrebt, ist er nicht aktiv legitimiert. Die Verfassungsbeschwerde kann nur von dem erhoben werden, der selbst durch den angegriffenen staatlichen Hoheitsakt betroffen ist (BVerfGE 1, 97 [102]; 2, 292 [294]; 10, 134 [136]). Dadurch unterscheidet sich die Verfassungsbeschwerde von der Popularklage und der abstrakten Normenkontrolle.
Der Weg der Verfassungsbeschwerde ist dem Landesverband der Deutschen Partei aber auch insoweit verschlossen, als er die Verletzung seines eigenen Rechts auf Chancengleichheit rügt. Politische Parteien können die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nur im Wege des Organstreits geltend machen (BVerfGE 4, 27 ff.). Auch eine politische Partei, die um die Gleichheit der Wettbewerbschancen bei den Gemeindewahlen streitet, steht noch im inneren Bereich des Verfassungslebens und kämpft um ihren verfassungsrechtlichen Status (BVerfGE 6, 367 [372]).
Selbst wenn man die Verfassungsbeschwerde des Landesverbandes ungeachtet der Tatsache, daß sie ausdrücklich als solche bezeichnet ist und einen Antragsgegner nicht benennt, in einen Antrag im Rahmen eines Organstreits umdeuten würde (Art. 99 GG, Art. 37 Nr. 1 LS, §§ 73 ff. BVerfGG), wäre dieser als unzulässig zu verwerfen, da er nicht innerhalb der von §§ 73 Abs. 2, 64 Abs. 3 BVerfGG vorgesehenen Frist von sechs Monaten gestellt worden ist. Das angegriffene Gesetz ist dem Beschwerdeführer spätestens mit seiner Verkündung am 31. März 1959 bekannt geworden. Der Antrag ist am 26. März 1960 bei Gericht eingegangen.
Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Beschwerdeführers zu 1) überdies möglicherweise auch deshalb unzulässig geworden ist, weil der Landesverband der Deutschen Partei nicht mehr besteht.
II.
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) bis 4) sind zulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen das schleswig-holsteinische Gemeinde- und Kreiswahlgesetz. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, da die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Bestimmungen unmittelbar in ihrem Wahlrecht betroffen sind. Die angegriffenen Vorschriften erfordern zu ihrem Wirksamwerden keine Vollziehungsakte der Verwaltung.
2. Die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) sind durch das angegriffene Wahlgesetz selbst und gegenwärtig betroffen.
a) Die Beschwerdeführer sind durch ihre Zugehörigkeit zur Deutschen Partei, Landesverband Schleswig-Holstein, nicht gehindert, das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz mit der Begründung anzugreifen, daß ihnen die Möglichkeit einer chancengleichen Teilnahme an den Kommunalwahlen als freien Wahlbewerbern eröffnet werden müsse. Durch den Eintritt in eine politische Partei begibt sich ein Aktivbürger nicht des Rechts, Handlungen, die nach seiner Ansicht seine Grundrechte als Staatsbürger verletzen, einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen (BVerfGE 11, 266 [270 f.]).
b) Die Beschwerdeführer sind auch insoweit beschwert, als die von ihnen angegriffenen Bestimmungen Belastungen enthalten, die in erster Linie ihre Partei oder Wählervereinigung treffen. Das Gericht hat bereits mehrfach entschieden, daß durch derartige Bestimmungen auch die Wähler in ihrem Grundrecht auf Gleichheit der Wahl und damit in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein können (BVerfGE 1, 208 [235 ff.]; Urteil vom 15. November 1960 - 2 BvR 536/60 - S.17, 23 f.).
c) Das Antragsrecht der Beschwerdeführer läßt sich auch nicht mit dem Hinweis in Zweifel ziehen, daß der Beschwerdeführer zu 4) sich bei den letzten Kommunalwahlen auf Vorschlag der Deutschen Partei mit Erfolg um einen Sitz in einer Gemeindevertretung beworben hat und daß die Beschwerdeführer zu 2) und 3) sich an diesen Wahlen weder als Kandidaten ihrer Partei noch als freie Bewerber beteiligt haben. Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz gilt unbefristet. Es kann gemäß § 93 Abs. 2 BVerfGG nur binnen eines Jahres mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Wollen die Beschwerdeführer sich für künftige Kommunalwahlen die Möglichkeit offenhalten, als freie Wahlbewerber mit den gleichen Erfolgsaussichten wie ein Parteibewerber aufzutreten, so müssen sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die nach ihrer Auffassung die Wahlgleichheit verletzenden Bestimmungen innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG geltend machen. Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführer zu 2) und 3), wie sie vorgetragen haben, in ihren Wahlgebieten für kommunale Wählervereinigungen kandidiert haben würden, wenn sie als solche auch die Chancen der Stimmenverrechnung über einen Listenwahlvorschlag gehabt hätten.
d) Der Beschwerdeführer zu 3) ist zwar zur Zeit durch die Sondervorschriften für die Wahlen in Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern (§§ 44-50 GKWG) nicht betroffen, weil er in einer Großstadt wohnt. Die Frage, ob seine Verfassungsbeschwerde mit Rücksicht darauf insoweit unzulässig ist, als sie sich gegen diese Sondervorschriften wendet, kann jedoch dahingestellt bleiben, da sich die Notwendigkeit der materiellen Prüfung der Vorschriften des VIII. Abschnitts des Gemeinde und Kreiswahlgesetzes jedenfalls aus den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) und 4) ergibt.
3. Die Frist, die § 93 Abs. 2 BVerfGG für die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz festlegt, ist gewahrt.
C.
I.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl durch verschiedene Bestimmungen des schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes. Deshalb enthält jeder Verstoß gegen diesen Wahlrechtsgrundsatz zugleich auch eine Verletzung des in § 90 BVerfGG genannten Art. 3 Abs. 1 GG, auf die die Beschwerdeführer ihre Verfassungsbeschwerden stützen (vgl. BVerfGE 11, 351 [360] mit weiteren Nachweisen).
Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl beläßt der Betätigung des freien Ermessens des Gesetzgebers nur einen eng bemessenen Spielraum. Differenzierungen in diesem Bereich bedürfen stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlangt, daß allen Staatsbürgern das aktive und passive Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise gewährt wird. Diesem Gebot widerspricht das schleswig- holsteinische Gemeinde- und Kreiswahlgesetz in mehrfacher Hinsicht.
II.
1. a) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GKWG können Listenwahlvorschläge nur von den politischen Parteien aufgestellt werden. Infolgedessen nehmen nur die von den politischen Parteien benannten Bewerber nach Maßgabe des § 11 GKWG am Verhältnisausgleich teil. Dadurch werden die Beschwerdeführer in ihrem Wahlvorschlagsrecht wie in ihrem aktiven und passiven Wahlrecht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt.
aa) § 17 GKWG eröffnet den Anhängern einer politischen Partei die Möglichkeit, Wahlvorschläge für die relative Mehrheitswahl im Wahlbezirk und für die letztlich entscheidende Listenwahl im Wahlgebiet (§ 17 Abs. 2 Satz 1) aufzustellen, beschränkt aber das Wahlvorschlagsrecht der übrigen Aktivbürger auf die Nominierung der unmittelbaren Vertreter im Wahlbezirk. Eine solche verschiedene Behandlung der Bürger ist mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der sich auch auf das Wahlvorschlagsrecht bezieht, nicht vereinbar. Diesen Wahlrechtsgrundsatz ist im Rahmen eines Kommunalwahlgesetzes nur Genüge getan, wenn die Bürger auch für nicht parteigebundene Kandidaten Listen aufstellen können (BVerfGE 11, 351 [363f.]). § 17 Abs. 2 Satz 1 GKWG ist daher nichtig.
bb) § 11 GKWG mißt der Stimme des Wählers, der sich für die von einer politischen Partei aufgestellten Bewerber entscheidet, einen größeren Erfolgswert zu, als der eines Wählers, der seine Stimme dem von einer Wählergruppe benannten Kandidaten gibt. Während die Stimme des ersten sowohl bei der relativen Mehrheitswahl im Wahlbezirk wie beim Verhältnisausgleich berücksichtigt wird, hat der Wähler des von einer Wählergruppe benannten Bewerbers nicht die Möglichkeit, seine Stimme auch bei der Mandatsverteilung im gesamten Wahlgebiet nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zur Geltung zu bringen. Erringt sein Kandidat nicht die relative Mehrheit im Wahlbezirk, so ist seine Stimme verloren. Ist sein Kandidat im Wahlbezirk erfolgreich, so muß er in Kauf nehmen, daß ein etwaiger Stimmenüberschuß nicht zum Zuge kommt. Diese Verschiedenheit des Erfolgswertes der Wählerstimmen ist ebenfalls mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl unvereinbar (BVerfGE 11, 351 [361 f.]). § 11 GKWG beeinträchtigt die Beschwerdeführer in ihrem aktiven Wahlrecht. Er ist daher insoweit nichtig, als er die Teilnahme am Verhältnisausgleich auf die politischen Parteien beschränkt.
cc) § 17 Abs. 2 Satz 1 und § 11 GKWG verstoßen auch deshalb gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie das passive Wahlrecht der Beschwerdeführer verkürzen. Sie beschneiden die Erfolgsaussichten eines nicht von einer politischen Partei aufgestellten Bewerbers von vornherein dadurch, daß er nicht auf einer Liste kandidieren kann (BVerfGE 11, 351 [364]).
b) Diese unterschiedliche Behandlung wird weiter durch die im § 42 Abs. 1 und 3 GKWG getroffene Regelung des Ersatzes für einen ausscheidenden Bewerber oder Vertreter verschärft.
Wenn ein gewählter Bewerber ausscheidet, so rückt der nächste Bewerber auf der Liste derjenigen politischen Partei nach, für die der Ausgeschiedene bei der Wahl aufgetreten war. Ist eine Liste nicht vorhanden, so bleibt der Sitz leer (§ 42 Abs. 1 und 3 GKWG). Da nur politische Parteien Listenwahlvorschläge einreichen dürfen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GKWG), können also nur die Wähler eines Parteikandidaten davon ausgehen, daß ihre Stimme unabhängig davon, ob ihr Kandidat aus irgendeinem Grunde ausscheidet, ihr Gewicht behalten wird. Dagegen muß der Wähler des von einer Wählergruppe benannten Bewerbers nicht nur in Kauf nehmen, daß seine Stimme bei der Zuteilung der Sitze im Rahmen des Verhältnisausgleichs nicht zum Zuge kommt, sondern überdies damit rechnen, daß sie verloren geht, wenn der von ihm Gewählte stirbt, die Annahme der Wahl ablehnt oder aus einem anderen Grunde seinen Sitz verliert, da das schleswig- holsteinische Gemeinde- und Kreiswahlgesetz außer im Falle eines Parteiverbots durch das Bundesverfassungsgericht (§ 43 Abs. 2 Satz 1) eine Nachwahl beim Ausscheiden eines unmittelbaren Vertreters nicht vorsieht. Auch das ist mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht vereinbar (BVerfGE 11, 351 [362]). § 42 Abs. 1 und 3 GKWG sind nichtig.
c) Für die Wahlen in den Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern treffen die §§ 45 bis 50 GKWG einige Sonderbestimmungen.
aa) Nach § 46 GKWG findet der § 17 GKWG mit der Maßgabe Anwendung, daß die politischen Parteien Wahlvorschläge einreichen, die die Namen aller Bewerber enthalten, während die Wählergruppen nur Einzelwahlvorschläge mit jeweils einem Bewerber einreichen dürfen. Die Sitze werden auf die Wahlvorschläge nach den Grundsätzen des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens verteilt, wobei jedem Einzelwahlvorschlag nur ein Sitz zugewiesen werden kann (§ 48 Abs. 1). Diese Regelung wirkt sich durch die Beschränkung des Listenwahlvorschlagsrechts auf die politischen Parteien und den sich daraus ergebenden Ausschluß der Wählergruppen von der Möglichkeit, einen etwaigen Stimmenüberhang der von ihnen präsentierten Wahlbewerber zu verwerten, für die letzteren nahezu ebenso nachteilig aus wie das Listenprivileg in den größeren Gemeinden und Landkreisen. Die §§ 46 und 48 Abs. 1 und 2 GKWG verstoßen gegen den Grundsatz der gleichen Wahl, weil sie den Erfolgswert der Wählerstimmen danach differenzieren, ob sie dem Kandidaten einer politischen Partei oder einer kommunalen Wählervereinigung gelten und damit zugleich die Erfolgsaussichten der von örtlichen Wählergruppen aufgestellten Bewerber in verfassungswidriger Weise verkürzen. Sie sind nichtig.
bb) Nach § 50 GKWG gilt für das Nachrücken beim Ausscheiden eines gewählten Bewerbers der § 42 GKWG mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Liste der Wahlvorschlag tritt. Der § 50 GKWG unterliegt den gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie der § 42 GKWG. Er verstößt ebenfalls gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und ist nichtig.
d) Hiergegen läßt sich nicht einwenden, daß das Grundgesetz die zentrale Stellung der politischen Parteien im staatlichen Willensbildungsprozeß ausdrücklich anerkennt. Dieser Hinweis vermag eine Privilegierung der Parteien im Kommunalwahlrecht nicht zu rechtfertigen. Denn aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) folgt, daß allen im örtlichen Bereich wirkenden Gruppen die Möglichkeit offenstehen soll, in grundsätzlich gleicher Weise an der öffentlichen Verwaltung der Gemeinden und Kreise teilzunehmen (BVerfGE 11, 266 [276]; 11, 351 [361]; Beschluß vom 15. November 1960 - 2 BvR 536/60 - S. 22).
Art. 28 Abs. 2 GG verwehrt den politischen Parteien zwar nicht das Vordringen in den kommunalen Bereich. Er fordert Jedoch, daß die im allgemeinen bestehende Vorherrschaft der politischen Parteien in den Kommunen nicht durch Wahlrechtsprivilegien verfestigt oder erweitert wird. Er gebietet, daß diese Vorherrschaft nur in fairem Wettbewerb gegen örtliche Wählergruppen errungen und stets aufs neue behauptet wird. Insoweit setzt der Art. 28 Abs. 2 GG dem Parteienstaat eine Schranke.
Ebensowenig verfängt der Einwand, örtlichen Wählergruppen fehle stets die für die Einräumung des Listenwahlvorschlagsrechts notwendige gemeinsame Zielsetzung. Die Erfahrung bestätigt, daß diese Voraussetzung auch von örtlichen Wählergemeinschaften und Rathausparteien erfüllt werden kann (BVerfGE 11, 351 [366]).
Auch die von der Landesregierung geäußerte Befürchtung, daß durch die gleichberechtigte Mitwirkung örtlicher Wählergruppen und Rathausparteien die notwendige Zusammenarbeit der Gemeinden und Kreise bei der Erfüllung überörtlicher Aufgaben ernsthaft gefährdet werden würde, vermag die verschiedene Behandlung der Parteien und Wählergruppen nicht zu rechtfertigen. Soweit diese Gefahr in der kommunalen Praxis nicht schon durch den Zwang der Gegebenheiten gebannt wird, kann ihr im Wege der Gesetzgebung und mit den Mitteln der Kommunalaufsicht begegnet werden.
Der weitere Einwand, daß nur bei den Wählergruppen und Rathausparteien die Gefahr einer einseitigen Interessenpolitik bestehe, greift ebenfalls nicht durch. Auch die politischen Parteien sind nicht von vornherein dagegen gefeit, daß in ihren Ortsgruppen und Kreisverbänden gewisse Interessentengruppen eine maßgebliche Rolle spielen. Das letzte Urteil darüber, von wem die Verwaltung der örtlichen Gemeinschaften im Einzelfall am besten wahrgenommen wird, muß in einer freiheitlichen Demokratie dem Bürger überlassen bleiben.
Die wahlrechtliche Gleichstellung der örtlichen Wählergruppen mit den politischen Parteien eröffnet schließlich verfassungsfeindlichen Gruppen nicht die legale Chance einer politischen Betätigung. Dieser Gefahr kann durch Auflösung, Verbot und Nichtzulassung des Wahlvorschlags wirksam entgegengetreten werden (BVerfGE 11, 351 [366]).
e) Auch § 48 Abs. 3 und 4 GKWG halten einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach diesen Bestimmungen werden in Gemeinden mit mehr als 70 bis zu 750 Einwohnern, in denen entweder nur ein Wahlvorschlag aufgestellt oder zugelassen oder mehrere Wahlvorschläge mit insgesamt nur sieben Bewerbern aufgestellt und zugelassen werden, die ersten sieben Bewerber des einzigen Wahlvorschlages bzw. die auf den verschiedenen Wahlvorschlägen benannten sieben Bewerber für gewählt erklärt, ohne daß eine Wahl im technischen Sinne stattfindet.
Diese Vorschriften verletzen zwar nicht den Grundsatz der gleichen Wahl und damit das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch im Rahmen einer zulässigen Verfassungsbeschwerde von Amtswegen auch prüfen, ob landesrechtliche Bestimmungen über das Wahlverfahren in anderer Hinsicht gegen das objektive Recht des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen (vgl. BVerfGE 3, 383 [390 f.]; 6,376 [384]). Das ist hier der Fall.
Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muß in den Kreisen und Gemeinden "das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist". Eine solche Wahl ist nicht deshalb entbehrlich, weil in den von § 48 Abs. 3 und 4 GKWG geregelten Fällen in aller Regel das Wahlergebnis schon von vornherein feststeht und die Wahlberechtigten im übrigen die Durchführung einer regulären Wahl durch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge herbeiführen können. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG schreibt zwingend vor, daß das Wahlverfahren so geregelt ist, daß jeder Wahlberechtigte seine Stimme bei der Wahl abgeben kann. Diesem Gebot ist nicht Genüge getan, wenn das Wahlergebnis durch die Aufstellung und Duldung entsprechender Wahlvorschläge vorweggenommen werden kann. Die Möglichkeit, die Wahlhandlung selbst durch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge erzwingen zu können, ist kein Ersatz für die verfassungsrechtlich garantierte Ausübung des Stimmrechts. § 48 Abs. 3 und 4 GKWG sind daher ebenfalls nichtig.
III.
Was die von den Beschwerdeführern gegen die im § 27 Abs. 2 GKWG vorgeschriebene Anordnung der Namen der Bewerber auf dem Stimmzettel erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken anlangt, so kann davon ausgegangen werden, daß die Wähler sich im allgemeinen bei der Stimmabgabe nicht von der Listennummer, sondern von den Zielen der an der Wahl beteiligten politischen Parteien und Wählergruppen sowie - besonders in kleineren Gemeinden - von der Zugkraft der präsentierten Wahlbewerber leiten lassen. Trotzdem läßt sich der mit einer früheren und für das ganze Land einheitlichen Zuteilung der Listennummern für die bereits parlamentarisch vertretenen Parteien verbundene propagandistische Vorteil nicht verkennen. Während die privilegierten Parteien schon geraume Zeit vor der Wahl ihre Listennummer erfahren und beim Druck ihres Werbematerials berücksichtigen können, wird den übrigen Parteien und Wählergruppen die ihnen zugeteilte Listennummer erst kurz vor der Wahl bekannt. Sie müssen überdies damit rechnen, daß sie in den einzelnen Wahlbezirken verschiedene Listennummern erhalten. Ob diese Bevorzugung der politischen Parteien so sehr ins Gewicht fällt, daß sie als eine Verletzung des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit qualifiziert werden muß, braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da der § 27 Abs. 2 GKWG im Zuge der verfassungsrechtlich gebotenen Änderung des Kommunalwahlgesetzes ohnehin wird neu gefaßt werden müssen. Bei dieser Neufassung mag erwogen werden, ob nicht eine Regelung den Vorzug verdient, die den Anschein einer sachfremden Differenzierung vermeidet und so dem Grundsatz der Chancengleichheit besser gerecht wird, wie dies z. B. bei den in § 27 Abs. 3 und 4 des niedersächsischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes i. d. F. vom 20. Januar 1961 (GVBl. S. 5) und § 21 des nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetzes vom 24. Dezember 1960 (GVBl. S. 449) vorgesehenen Regelungen der Fall ist, die an das Ergebnis der letzten Kommunalwahl in dem jeweiligen Wahlgebiet anknüpfen.
IV.
Die weiteren Angriffe der Beschwerdeführer gegen das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz können keinen Erfolg haben.
1. Daß eine angemessene Sperrklausel gegen Splittergruppen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines störungsfreien Funktionierens der Selbstverwaltung im Kommunalwahlrecht zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden (BVerfGE 6, 104 [113 ff.], 121 [130]; 11, 266 [277]). Die Sperrklausel des schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 3) hält sich in den vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung für zulässig erachteten Grenzen.
2. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 GKWG hat jeder Wahlberechtigte so viele Stimmen, wie unmittelbare Vertreter zu wählen sind. Für jeden Bewerber kann er in jedem Fall aber nur eine Stimme abgeben (§ 10 Abs. 4 Satz 2 GKWG). Die Wähler haben also je nach der Größe des Wahlgebiets, in dem sie wahlberechtigt sind, entweder die Möglichkeit, eine Stimme einem Bewerber zu geben oder mehrere Stimmen verschiedenen Bewerbern zugute kommen zu lassen. Diese Regelung enthält für die freien Wählervereinigungen keine über die Verweigerung des Listenprivilegs hinausgehende selbständige Beschwer.
Die Beschwerdeführer weisen zwar zu Recht darauf hin, daß nach der jetzigen Fassung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes der von einer freien Wählervereinigung benannte Einzelbewerber unter Umständen auch dann nicht zum Zuge kommt, wenn er mehr Stimmen erhält als ein erfolgreicher Parteibewerber. Dies ist aber nur möglich, weil die freien Wählervereinigungen keine Listenwahlvorschläge einreichen dürfen und ihren Kandidaten damit die Möglichkeit der Reststimmenverwertung vorenthalten wird. Da - wie bereits dargelegt - das Listenprivileg der politischen Parteien jedoch mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht vereinbar und daher nichtig ist, entfällt mit dem Listenprivileg auch diese Beschwer.
Die weiteren von den Beschwerdeführern gegen die Verfassungsmäßigkeit der in § 10 Abs. 4 GKWG getroffenen Regelung geäußerten Bedenken greifen ebenfalls nicht durch. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß die Wähler - und zwar die Wähler von Parteikandidaten wie die Wähler freier Wahlbewerber gleichermaßen - gestuft nach der Größe des Wahlgebiets in dem sie wahlberechtigt und, jeweils eine, zwei oder drei Stimmen abgeben können. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlangt in diesem Zusammenhang lediglich, daß in jedem Wahlgebiet allen Wahlberechtigten das gleiche Stimmrecht eingeräumt wird. Entscheidet sich der Gesetzgeber aus sachlichen Erwägungen dafür, das Wahlverfahren in Wahlgebieten verschiedener Größe unterschiedlich zu gestalten, so werden dadurch allein weder der Gleichheitssatz noch der Grundsatz der gleichen Wahl berührt (ebenso Entscheidung des Bayer. VerfGH vom 8. Februar 1960 - Vf. 25 - VII - 59 S. 6 f.).