EuGH, 06.10.1970 - 9/70
Leitsätze
1 . MIT DER DEN ENTSCHEIDUNGEN DURCH ARTIKEL 189 ZUERKANNTEN VERBINDLICHEN WIRKUNG WÄRE ES UNVEREINBAR, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS BETROFFENE PERSONEN SICH AUF DIE DURCH DIE ENTSCHEIDUNG AUFERLEGTE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN . INSBESONDERE IN DEN FÄLLEN, IN DENEN ETWA DIE GEMEINSCHAFTSBEHÖRDEN EINEN MITGLIEDSTAAT ODER ALLE MITGLIEDSTAATEN DURCH ENTSCHEIDUNG ZU EINEM BESTIMMTEN VERHALTEN VERPFLICHTEN, WÜRDE DIE NÜTZLICHE WIRKUNG ( " EFFET UTILE " ) EINER SOLCHEN MASSNAHME ABGESCHWÄCHT, WENN DIE ANGEHÖRIGEN DIESES STAATES SICH VOR GERICHT HIERAUF NICHT BERUFEN UND DIE STAATLICHEN GERICHTE SIE NICHT ALS BESTANDTEIL DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BERÜCKSICHTIGEN KÖNNTEN . ZWAR KÖNNEN DIE WIRKUNGEN EINER ENTSCHEIDUNG ANDERE SEIN ALS DIEJENIGEN EINER IN EINER VERORDNUNG ENTHALTENEN VORSCHRIFT; DIESER UNTERSCHIED SCHLIESST JEDOCH NICHT AUS, DASS DAS ENDERGEBNIS, NÄMLICH DAS RECHT DES EINZELNEN, SICH AUF DIE MASSNAHME VOR GERICHT ZU BERUFEN, GEGEBENENFALLS DAS GLEICHE SEIN KANN WIE BEI EINER UNMITTELBAR ANWENDBAREN VERORDNUNGSVORSCHRIFT . ES IST DAHER IN JEDEM EINZELNEN FALL ZU PRÜFEN, OB DIE BESTIMMUNG, UM DIE ES GEHT, NACH RECHTSNATUR, SYSTEMATIK UND WORTLAUT GEEIGNET IST, UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEM ADRESSATEN DER HANDLUNG UND DRITTEN ZU BEGRÜNDEN .
2 . ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG DES RATES VOM 13 . MAI 1965, DER DEN MITGLIEDSTAATEN VERBIETET, DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM MIT SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN, DIE STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WERDEN, KANN IN VERBINDUNG MIT DEN VORSCHRIFTEN DER RICHTLINIEN DES RATES VOM 11 . APRIL 1967 UND 9 . DEZEMBER 1969 UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN, AN DIE SICH DIE ENTSCHEIDUNG RICHTET, UND DEN EINZELNEN ERZEUGEN UND FÜR LETZTERE DAS RECHT BEGRÜNDEN, SICH AUF DIESE VORSCHRIFT VOR GERICHT ZU BERUFEN .
3 . DAS VERBOT, DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM MIT SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN, WIRD ZU DEM IN DER DRITTEN RICHTLINIE DES RATES VOM 9 . DEZEMBER 1969 FESTGELEGTEN ZEITPUNKT, DEM 1 . JANUAR 1972, WIRKSAM .
4 . WENN ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 DIE AUFHEBUNG VON " SPEZIFISCHEN STEUERN " VORSIEHT, UM EIN GEMEINSAMES UND GESCHLOSSENES SYSTEM DER UMSATZBESTEUERUNG ZU GEWÄHRLEISTEN, SO VERBIETET DIESE ZIELSETZUNG ES NICHT, AUF BEFÖRDERUNGSLEISTUNGEN SONSTIGE STEUERN ZU ERHEBEN, DIE EINE ANDERE RECHTSNATUR HABEN UND ANDERE ZWECKE VERFOLGEN ALS DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM . EINE STEUER, BEI DER NICHT EIN HANDELSGESCHÄFT, SONDERN DIE BLOSSE TATSACHE DER BEFÖRDERUNG IM STRASSENVERKEHR BESTEUERUNGSMERKMAL IST UND BEI DER ALS BEMESSUNGSGRUNDLAGE NICHT DAS ENTGELT FÜR EINE LEISTUNG DIENT, SONDERN DIE IN TONNENKILOMETERN AUSGEDRÜCKTE BELASTUNG, DER DIE STRASSEN DURCH DIE BESTEUERTE TÄTIGKEIT AUSGESETZT WERDEN, ENTSPRICHT NICHT DER ÜBLICHEN FORM DER UMSATZSTEUER IM SINNE VON ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 .
5 . DER GERICHTSHOF KANN IN DEM VERFAHREN NACH ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG DIE TATBESTANDSMERKMALE EINER VON EINEM BESTIMMTEN MITGLIEDSTAAT GETROFFENEN MASSNAHME NICHT AM GEMEINSCHAFTSRECHT MESSEN . DAGEGEN FÄLLT ES IN SEINE ZUSTÄNDIGKEIT, DIE EINSCHLAEGIGE GEMEINSCHAFTSVORSCHRIFT AUSZULEGEN, UM DEM STAATLICHEN GERICHT DEREN RICHTIGE ANWENDUNG AUF DIE STREITIGE STEUER ZU ERMÖGLICHEN .
Entscheidungsgründe
1 DAS FINANZGERICHT MÜNCHEN HAT DURCH BESCHLUSS VOM 23 . FEBRUAR 1970, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 16 . MÄRZ 1970, AUFGRUND VON ARTIKEL 177 DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT MEHRERE FRAGEN ZUR AUSLEGUNG VON ARTIKEL 4 DER ENTSCHEIDUNG DES RATES VOM 13 . MAI 1965 ÜBER DIE HARMONISIERUNG BESTIMMTER VORSCHRIFTEN, DIE DEN WETTBEWERB IM EISENBAHN -, STRASSEN - UND BINNENSCHIFFSVERKEHR BEEINFLUSSEN ( AMTSBLATT 1965, S . 1500 FF .), SOWIE VON ARTIKEL 1 DER ERSTEN RICHTLINIE DES RATES VOM 11 . APRIL 1967 ZUR HARMONISIERUNG DER RECHTSVORSCHRIFTEN DER MITGLIEDSTAATEN ÜBER DIE UMSATZSTEUER ( AMTSBLATT 1967, S . 1301 FF .) VORGELEGT . FÜR DEN FALL, DASS DER GERICHTSHOF DIESE FRAGEN VERNEINT, HAT DAS FINANZGERICHT HILFSWEISE WEITERE FRAGEN ZUR AUSLEGUNG INSBESONDERE DER ARTIKEL 80 UND 92 DES EWG-VERTRAGS GESTELLT .
ZUR ERSTEN FRAGE
2 MIT DER ERSTEN FRAGE BITTET DAS FINANZGERICHT DEN GERICHTSHOF UM ENTSCHEIDUNG DARÜBER, OB ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 1 DER RICHTLINIE UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UND EINZELPERSONEN ERZEUGT UND OB DIESE VORSCHRIFTEN RECHTE DER EINZELNEN BEGRÜNDEN, WELCHE AUCH DIE STAATLICHEN GERICHTE ZU BEACHTEN HABEN .
3 DIE FRAGE BETRIFFT DIE GESAMTWIRKUNG VON VORSCHRIFTEN, DIE IN EINER ENTSCHEIDUNG BEZIEHUNGSWEISE EINER RICHTLINIE ENTHALTEN SIND . NACH ARTIKEL 189 EWG-VERTRAG IST EINE ENTSCHEIDUNG IN ALLEN IHREN TEILEN FÜR DIEJENIGEN VERBINDLICH, DIE SIE BEZEICHNET . FERNER IST NACH DIESEM ARTIKEL EINE RICHTLINIE FÜR JEDEN MITGLIEDSTAAT, AN DEN SIE GERICHTET WIRD, HINSICHTLICH DES ZU ERREICHENDEN ZIELS VERBINDLICH, ÜBERLÄSST JEDOCH DEN INNERSTAATLICHEN STELLEN DIE WAHL DER FORM UND DER MITTEL .
4 DIE BUNDESREGIERUNG VERTRITT IN IHREN ERKLÄRUNGEN DIE AUFFASSUNG, ARTIKEL 189 HABE, WENN ER ZWISCHEN DEN WIRKUNGEN VON VERORDNUNGEN EINERSEITS SOWIE VON ENTSCHEIDUNGEN UND RICHTLINIEN ANDERERSEITS UNTERSCHEIDE, DAMIT FÜR ENTSCHEIDUNGEN UND RICHTLINIEN DIE MÖGLICHKEIT AUSGESCHLOSSEN, DIE IN DER FRAGE ANGESPROCHENEN WIRKUNGEN ZU ERZEUGEN; SOLCHE WIRKUNGEN SEIEN VIELMEHR DEN VERORDNUNGEN VORBEHALTEN .
5 ZWAR GELTEN NACH ARTIKEL 189 VERORDNUNGEN UNMITTELBAR UND KÖNNEN INFOLGEDESSEN SCHON WEGEN IHRER RECHTSNATUR UNMITTELBARE WIRKUNGEN ERZEUGEN . HIERAUS FOLGT INDESSEN NICHT, DASS ANDERE IN DIESEM ARTIKEL GENANNTE KATEGORIEN VON RECHTSAKTEN NIEMALS ÄHNLICHE WIRKUNGEN ERZEUGEN KÖNNTEN . NAMENTLICH DIE BESTIMMUNG, DASS ENTSCHEIDUNGEN IN ALLEN IHREN TEILEN FÜR DEN ADRESSATEN VERBINDLICH SIND, ERLAUBT DIE FRAGE, OB SICH AUF DIE DURCH DIE ENTSCHEIDUNG BEGRÜNDETE VERPFLICHTUNG NUR DIE GEMEINSCHAFTSORGANE GEGENÜBER DEM ADRESSATEN BERUFEN KÖNNEN ODER OB EIN SOLCHES RECHT GEGEBENENFALLS ALLEN ZUSTEHT, DIE EIN INTERESSE AN DER ERFÜLLUNG DIESER VERPFLICHTUNG HABEN . MIT DER DEN ENTSCHEIDUNGEN DURCH ARTIKEL 189 ZUERKANNTEN VERBINDLICHEN WIRKUNG WÄRE ES UNVEREINBAR, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS BETROFFENE PERSONEN SICH AUF DIE DURCH DIE ENTSCHEIDUNG AUFERLEGTE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN . INSBESONDERE IN DEN FÄLLEN, IN DENEN ETWA DIE GEMEINSCHAFTSBEHÖRDEN EINEN MITGLIEDSTAAT ODER ALLE MITGLIEDSTAATEN DURCH ENTSCHEIDUNG ZU EINEM BESTIMMTEN VERHALTEN VERPFLICHTEN, WÜRDE DIE NÜTZLICHE WIRKUNG ( " EFFET UTILE " ) EINER SOLCHEN MASSNAHME ABGESCHWÄCHT, WENN DIE ANGEHÖRIGEN DIESES STAATES SICH VOR GERICHT HIERAUF NICHT BERUFEN UND DIE STAATLICHEN GERICHTE SIE NICHT ALS BESTANDTEIL DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BERÜCKSICHTIGEN KÖNNTEN . ZWAR KÖNNEN DIE WIRKUNGEN EINER ENTSCHEIDUNG ANDERE SEIN ALS DIEJENIGEN EINER IN EINER VERORDNUNG ENTHALTENEN VORSCHRIFT; DIESER UNTERSCHIED SCHLIESST JEDOCH NICHT AUS, DASS DAS ENDERGEBNIS, NÄMLICH DAS RECHT DES EINZELNEN, SICH AUF DIE MASSNAHME VOR GERICHT ZU BERUFEN, GEGEBENENFALLS DAS GLEICHE SEIN KANN WIE BEI EINER UNMITTELBAR ANWENDBAREN VERORDNUNGSVORSCHRIFT .
6 ARTIKEL 177, WONACH DIE STAATLICHEN GERICHTE BEFUGT SIND, DEN GERICHTSHOF MIT DER GÜLTIGKEIT UND AUSLEGUNG ALLER HANDLUNGEN DER ORGANE OHNE UNTERSCHIED ZU BEFASSEN, SETZT IM ÜBRIGEN VORAUS, DASS DIE EINZELNEN SICH VOR DIESEN GERICHTEN AUF DIE GENANNTEN HANDLUNGEN BERUFEN KÖNNEN . ES IST DAHER IN JEDEM EINZELNEN FALL ZU PRÜFEN, OB DIE BESTIMMUNG, UM DIE ES GEHT, NACH RECHTSNATUR, SYSTEMATIK UND WORTLAUT GEEIGNET IST, UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEM ADRESSATEN DER HANDLUNG UND DRITTEN ZU BEGRÜNDEN .
7 DIE AN ALLE MITGLIEDSTAATEN GERICHTETE ENTSCHEIDUNG DES RATES VOM 13 . MAI 1965 IST INSBESONDERE AUF ARTIKEL 75 DES VERTRAGES GESTÜTZT, DER DEN RAT ERMÄCHTIGT, ZUR DURCHFÜHRUNG EINER GEMEINSAMEN VERKEHRSPOLITIK " GEMEINSAME REGELN ", " ZULASSUNGSBEDINGUNGEN " UND " ALLE SONSTIGEN ZWECKDIENLICHEN VORSCHRIFTEN " ZU ERLASSEN . DER RAT VERFÜGT DAHER IN DER AUSWAHL DER ZU TREFFENDEN MASSNAHMEN ÜBER EINEN SEHR GROSSEN SPIELRAUM . DIE FRAGLICHE ENTSCHEIDUNG LEGT, INSGESAMT GESEHEN, DIE IM RAHMEN EINER POLITIK ZUR HARMONISIERUNG DER STAATLICHEN VORSCHRIFTEN ANGESTREBTEN ZIELE SOWIE DIE ZEITFOLGE IHRER VERWIRKLICHUNG FEST . IM HINBLICK AUF DIESE ZIELE SIEHT ARTIKEL 4 DER ENTSCHEIDUNG IN ABSATZ 1 VOR, DASS DIE MITGLIEDSTAATEN, SOBALD EIN GEMEINSAMES UMSATZSTEUERSYSTEM VOM RAT BESCHLOSSEN UND IN DEN MITGLIEDSTAATEN IN KRAFT GESETZT WORDEN IST, VERPFLICHTET SIND, ES NACH NOCH ZU BESTIMMENDEN MODALITÄTEN AUF DIE GÜTERBEFÖRDERUNG IM EISENBAHN -, STRASSEN - UND BINNENSCHIFFSVERKEHR ANZUWENDEN . ABSATZ 2 DIESES ARTIKELS BESTIMMT, DASS DIESES GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM SPÄTESTENS MIT SEINEM INKRAFTTRETEN AN DIE STELLE DER SPEZIFISCHEN STEUERN TRITT, DIE STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WERDEN, SOWEIT DIE GÜTERBEFÖRDERUNG DURCH DIE GENANNTEN VERKEHRSTRAEGER SOLCHEN STEUERN UNTERLIEGT .
8 DIESE VORSCHRIFT LEGT DEN MITGLIEDSTAATEN SOMIT ZWEI VERPFLICHTUNGEN AUF : EINMAL, SPÄTESTENS VON EINEM BESTIMMTEN ZEITPUNKT AN DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM AUF DIE GÜTERBEFÖRDERUNG IM EISENBAHN -, STRASSEN - UND BINNENSCHIFFSVERKEHR ANZUWENDEN, UND SODANN, DIESES SYSTEM SPÄTESTENS MIT SEINEM INKRAFTTRETEN AN DIE STELLE DER SPEZIFISCHEN STEUERN IM SINNE VON ABSATZ 2 TRETEN ZU LASSEN . DIESE ZWEITE VERPFLICHTUNG UMFASST OFFENSICHTLICH DAS VERBOT, SOLCHE STEUERN EINZUFÜHREN ODER WIEDEREINZUFÜHREN, WODURCH VERMIEDEN WERDEN SOLL, DASS DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM IM VERKEHRSWESEN MIT ÄHNLICHEN, ZUSÄTZLICHEN STEUERREGELUNGEN ZUSAMMENTRIFFT .
9 NACH DEN VOM FINANZGERICHT VORGELEGTEN AKTEN BEZIEHT SICH DIE FRAGE VOR ALLEM AUF DIE ZWEITE VERPFLICHTUNG . DIESE VERPFLICHTUNG IST IHREM WESEN NACH ZWINGEND UND ALLGEMEIN, AUCH WENN DIE VORSCHRIFT DIE BESTIMMUNG DES ZEITPUNKTS, ZU DEM SIE WIRKSAM WIRD, OFFENLÄSST . SIE UNTERSAGT DEN MITGLIEDSTAATEN AUSDRÜCKLICH, DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM MIT SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN, DIE STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WERDEN . DIESE VERPFLICHTUNG IST UNBEDINGT UND HINREICHEND KLAR UND GENAU, UM UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UND DEN EINZELNEN BEGRÜNDEN ZU KÖNNEN .
10 DAS DATUM, AN DEM DIESE VERPFLICHTUNG WIRKSAM WIRD, WURDE DURCH DIE RICHTLINIEN DES RATES ZUR HARMONISIERUNG DER RECHTSVORSCHRIFTEN ÜBER DIE UMSATZSTEUER BESTIMMT; DORT IST FESTGELEGT, BIS ZU WELCHEM ZEITPUNKT DIE MITGLIEDSTAATEN DAS GEMEINSAME MEHRWERTSTEUERSYSTEM SPÄTESTENS EINFÜHREN MÜSSEN . DER UMSTAND, DASS DIESER ZEITPUNKT DURCH EINE RICHTLINIE FESTGESETZT WURDE, NIMMT DIESER BESTIMMUNG NICHTS VON IHRER BINDENDEN WIRKUNG . DAMIT IST AUFGRUND DER ERSTEN RICHTLINIE DIE DURCH ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 BEGRÜNDETE VERPFLICHTUNG VOLLSTÄNDIG GEWORDEN . DIESE VORSCHRIFT LEGT DEN MITGLIEDSTAATEN MITHIN VERPFLICHTUNGEN AUF - NAMENTLICH DIEJENIGE, VON EINEM BESTIMMTEN ZEITPUNKT AN DAS GEMEINSAME MEHRWERTSTEUERSYSTEM NICHT MEHR MIT DEN GENANNTEN SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN -, DIE GEEIGNET SIND, UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UND DEN EINZELNEN ZU ERZEUGEN UND FÜR LETZTERE DAS RECHT ZU BEGRÜNDEN, SICH VOR GERICHT AUF DIESE VERPFLICHTUNGEN ZU BERUFEN .
ZUR ZWEITEN FRAGE
11 DIE ZWEITE FRAGE DES FINANZGERICHTS GEHT DAHIN, OB ARTIKEL 4 DER ENTSCHEIDUNG IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 1 DER RICHTLINIE EINEM MITGLIEDSTAAT BEREITS VOR DEM 1 . JANUAR 1970 DIE WIEDEREINFÜHRUNG VON SPEZIFISCHEN STEUERN, DIE FÜR DIE GÜTERBEFÖRDERUNG STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WERDEN, VERBIETET, WENN DIESER MITGLIEDSTAAT DAS GEMEINSAME MEHRWERTSTEUERSYSTEM BEREITS IN KRAFT GESETZT UND DIE SPEZIFISCHEN STEUERN FÜR DIE GÜTERBEFÖRDERUNG AUFGEHOBEN HAT . DIESE FRAGE ZIELT OFFENSICHTLICH AUF ARTIKEL 1 DER ERSTEN RICHTLINIE IN DER FASSUNG DER DRITTEN RICHTLINIE DES RATES VOM 9 . DEZEMBER 1969 ZUM GLEICHEN GEGENSTAND ( AMTSBLATT L 320, 1969, S . 34 F .) AB, WONACH DER ZEITPUNKT DES 1 . JANUAR 1970 DURCH DENJENIGEN DES 1 . JANUAR 1972 ERSETZT WURDE .
12 ZWAR KÖNNTE EINE WÖRTLICHE AUSLEGUNG VON ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG ZU DER AUFFASSUNG FÜHREN, DASS DIESE VORSCHRIFT AUF DEN ZEITPUNKT ABSTELLE, IN DEM DER MITGLIEDSTAAT AUF SEINEM HOHEITSGEBIET DAS GEMEINSAME SYSTEM IN KRAFT GESETZT HAT .
13 EINE SOLCHE AUSLEGUNG ENTSPRÄCHE JEDOCH NICHT DEM ZIEL DER GENANNTEN RICHTLINIEN, NÄMLICH SICHERZUSTELLEN, DASS VON EINEM BESTIMMTEN ZEITPUNKT AN DAS MEHRWERTSTEUERSYSTEM IM GESAMTEN GEMEINSAMEN MARKT ANGEWANDT WIRD . SOLANGE DIESER ZEITPUNKT NOCH NICHT ERREICHT IST, BEHALTEN DIE MITGLIEDSTAATEN AUF DIESEM GEBIET IHRE HANDLUNGSFREIHEIT .
14 DAS ZIEL DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 LÄSST SICH AUSSERDEM NUR AUF GEMEINSCHAFTSEBENE ERREICHEN UND KONNTE DAHER NICHT SCHON DADURCH VERWIRKLICHT WERDEN, DASS EINZELNE MITGLIEDSTAATEN - ÜBRIGENS ZU VERSCHIEDENEN ZEITPUNKTEN UND MIT UNTERSCHIEDLICHER ZEITFOLGE - HARMONISIERUNGSMASSNAHMEN GETROFFEN HABEN .
15 DIE GESTELLTE FRAGE IST SOMIT DAHIN ZU BEANTWORTEN, DASS DAS VERBOT DES ARTIKELS 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG ERST VOM 1 . JANUAR 1972 AN WIRKSAM WERDEN KANN .
ZUR DRITTEN FRAGE
16 MIT SEINER DRITTEN FRAGE ERSUCHT DAS FINANZGERICHT DEN GERICHTSHOF UM ENTSCHEIDUNG DARÜBER, OB DIE STRASSENGÜTERVERKEHRSTEUER ALS SPEZIFISCHE STEUER ANZUSEHEN IST, DIE FÜR DIE GÜTERBEFÖRDERUNG STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WIRD, UND OB SIE DAHER UNTER DAS VERBOT VON ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 FÄLLT .
17 DER GERICHTSHOF KANN IM VORABENTSCHEIDUNGSVERFAHREN NICHT DIE TATBESTANDSMERKMALE EINER VON EINEM BESTIMMTEN MITGLIEDSTAAT EINGEFÜHRTEN STEUER AM GEMEINSCHAFTSRECHT MESSEN . DAGEGEN FÄLLT ES IN SEINE ZUSTÄNDIGKEIT, DIE EINSCHLAEGIGE GEMEINSCHAFTSVORSCHRIFT AUSZULEGEN, UM DEM STAATLICHEN GERICHT DEREN RICHTIGE ANWENDUNG AUF DIE STREITIGE STEUER ZU ERMÖGLICHEN .
18 ARTIKEL 4 SIEHT DIE AUFHEBUNG VON " SPEZIFISCHEN STEUERN " VOR, UM EIN GEMEINSAMES UND GESCHLOSSENES SYSTEM DER UMSATZBESTEUERUNG ZU GEWÄHRLEISTEN . INDEM DIE VORSCHRIFT DERGESTALT DIE MARKTTRANSPARENZ AUF DEM VERKEHRSSEKTOR BEGÜNSTIGT, TRAEGT SIE ZUR ANGLEICHUNG DER WETTBEWERBSBEDINGUNGEN BEI UND IST ALS EINE WESENTLICHE MASSNAHME ZUR HARMONISIERUNG DES STEUERRECHTS DER MITGLIEDSTAATEN AUF DEM VERKEHRSSEKTOR ANZUSEHEN . DIESE ZIELSETZUNG VERBIETET ES NICHT, AUF BEFÖRDERUNGSLEISTUNGEN SONSTIGE STEUERN ZU ERHEBEN, DIE EINE ANDERE RECHTSNATUR HABEN UND ANDERE ZWECKE VERFOLGEN ALS DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM .
19 EINE STEUER MIT DEN VOM FINANZGERICHT AUFGEFÜHRTEN TATBESTANDSMERKMALEN, BEI DER NICHT EIN HANDELSGESCHÄFT, SONDERN EINE BESONDERE TÄTIGKEIT BESTEUERUNGSMERKMAL IST, OHNE DASS IM ÜBRIGEN ZWISCHEN TÄTIGKEITEN FÜR EIGENE UND FÜR FREMDE RECHNUNG UNTERSCHIEDEN WIRD, UND BEI DER BEMESSUNGSGRUNDLAGE NICHT DAS ENTGELT FÜR EINE LEISTUNG, SONDERN DIE IN TONNENKILOMETERN AUSGEDRÜCKTE BELASTUNG IST, DER DIE STRASSEN DURCH DIE BESTEUERTE TÄTIGKEIT AUSGESETZT WERDEN, ENTSPRICHT NICHT DER ÜBLICHEN FORM DER UMSATZSTEUER . AUCH DER UMSTAND, DASS SIE EINE VERKEHRSLENKUNG BEZWECKT, IST GEEIGNET, SIE VON SPEZIFISCHEN STEUERN IM SINNE VON ARTIKEL 4 ABSATZ 2 ZU UNTERSCHEIDEN . DIE GESTELLTE FRAGE IST DAHER IN DIESEM SINNE ZU BEANTWORTEN .
ZU DEN FRAGEN 4 BIS 11
20 DAS FINANZGERICHT HAT DIESE FRAGEN NUR HILFSWEISE GESTELLT, NÄMLICH FÜR DEN FALL, DASS DIE DREI ERSTEN FRAGEN VERNEINT WERDEN . DA DIES NAMENTLICH FÜR DIE ERSTE FRAGE NICHT ZUTRIFFT, BESTEHT ZU EINER BEANTWORTUNG DER FRAGEN 4 BIS 11 KEINE VERANLASSUNG .
Kostenentscheidung
21 DIE AUSLAGEN DER REGIERUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, DIE BEIM GERICHTSHOF ERKLÄRUNGEN EINGEREICHT HABEN, SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG . FÜR DIE PARTEIEN DES AUSGANGSVERFAHRENS IST DAS VERFAHREN VOR DEM GERICHTSHOF EIN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM FINANZGERICHT MÜNCHEN ANHÄNGIGEN RECHTSSTREIT . DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT .
Tenor
HAT
DER GERICHTSHOF
AUF DIE IHM VOM FINANZGERICHT MÜNCHEN DURCH BESCHLUSS VOM 23 . FEBRUAR 1970 VORGELEGTEN FRAGEN FÜR RECHT ERKANNT :
1 . ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG DES RATES VOM 13 . MAI 1965, DER DEN MITGLIEDSTAATEN VERBIETET, DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM MIT SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN, DIE STATT DER UMSATZSTEUER ERHOBEN WERDEN, KANN IN VERBINDUNG MIT DEN VORSCHRIFTEN DER RICHTLINIEN DES RATES VOM 11 . APRIL 1967 UND 9 . DEZEMBER 1969 UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN, AN DIE SICH DIE ENTSCHEIDUNG RICHTET, UND DEN EINZELNEN ERZEUGEN UND FÜR LETZTERE DAS RECHT BEGRÜNDEN, SICH AUF DIESE VORSCHRIFT VOR GERICHT ZU BERUFEN .
2 . DAS VERBOT, DAS GEMEINSAME UMSATZSTEUERSYSTEM MIT SPEZIFISCHEN STEUERN ZU KUMULIEREN, WIRD ZU DEM IN DER DRITTEN RICHTLINIE DES RATES VOM 9 . DEZEMBER 1969 FESTGELEGTEN ZEITPUNKT, DEM 1 . JANUAR 1972, WIRKSAM .
3 . EINE STEUER MIT DEN VOM FINANZGERICHT AUFGEFÜHRTEN TATBESTANDSMERKMALEN, BEI DER NICHT EIN HANDELSGESCHÄFT, SONDERN DIE BLOSSE TATSACHE DER BEFÖRDERUNG IM STRASSENVERKEHR BESTEUERUNGSMERKMAL IST UND BEI DER ALS BEMESSUNGSGRUNDLAGE NICHT DAS ENTGELT FÜR EINE LEISTUNG DIENT, SONDERN DIE IN TONNENKILOMETERN AUSGEDRÜCKTE BELASTUNG, DER DIE STRASSEN DURCH DIE BESTEUERTE TÄTIGKEIT AUSGESETZT WERDEN, ENTSPRICHT NICHT DER ÜBLICHEN FORM DER UMSATZSTEUER IM SINNE VON ARTIKEL 4 ABSATZ 2 DER ENTSCHEIDUNG VOM 13 . MAI 1965 .