BGH, 15.06.1978 - II ZR 205/76
Führen die Gründer einer GmbH schon vor deren Eintragung einen Gewerbebetrieb oder ein sonstiges geschäftliches Vorhaben fort, so sind laufende Geschäfte, die der Geschäftsführer namens der "GmbH" im Rahmen dieses Vorhabens abschließt, im Zweifel dahin auszulegen, daß nicht nur die künftige GmbH, sondern auch die Vorgesellschaft verpflichtet sein soll. Es haften daher die Gründer, soweit sie den Geschäftsführer zu solchen Erklärungen ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten ermächtigt haben, persönlich bis zur Höhe ihrer Einlagen.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Dezember 1975 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 21. März 1972 gründete die Beklagte zusammen mit dem Maurermeister K. die "L. Gesellschaft mit beschränkter Haftung Generalunternehmung für Bauausführung". Auf das Stammkapital von 20.000 DM sollten sie selbst 14.000 DM und K. 6.000 DM einlegen. Zum alleinigen Geschäftsführer wurde K. bestellt. Die Gesellschaft ist nicht in das Handelsregister eingetragen worden.
Alsbald nach der Gründung führte K. als Geschäftsführer zwei Bauvorhaben fort, die ein Bruder der Beklagten begonnen hatte. Hierfür kaufte er im Namen der "L. GmbH" bei der Klägerin Baustoffe, die zum größten Teil bezahlt wurden. Einen noch offenen Rechnungsbetrag von insgesamt 1.566,83 DM mit Zinsen und Mahnkosten macht die Klägerin mit ihrer Klage geltend. Sie ist der Ansicht, als Gesellschafterin der schon im Gründungsstadium tätig gewordenen Gesellschaft hafte die Beklagte persönlich für diese Forderung, weil sie mit dem Geschäftsbeginn vor der Eintragung einverstanden gewesen sei und zudem ihre Einlage bisher nicht erbracht habe.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
1.
Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten nach § 11 GmbHG, weil sie weder unmittelbar noch mittelbar für die noch nicht eingetragene GmbH gehandelt habe. Insoweit befindet es sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats. Danach ist das Einverständnis eines Gründers damit, daß bereits vor der Eintragung der GmbH in deren Namen Geschäfte betrieben werden, noch kein Handeln im Sinne des § 11 GmbHG (BGHZ 47, 25). Selbst wenn ein Gründer die vorzeitige Geschäftsaufnahme veranlaßt, gefördert oder erst ermöglicht hat, haftet er nicht als Handelnder gemäß dieser Vorschrift, es sei denn, er wäre selber zum Geschäftsführer bestellt oder wie ein solcher im Namen der GmbH vor deren Eintragung tätig gewesen (BGHZ 65, 378). Daß die Beklagte in solcher Weise bei der Führung der Geschäfte für die künftige GmbH verantwortlich mitgewirkt habe, ist nicht behauptet. Das von der Revision angeführte Vorbringen der Klägerin, die Fortführung der vom Bruder der Beklagten begonnenen Bauvorhaben sei gerade der Zweck der Gesellschaftsgründung und als solcher vom Willen der Beklagten mitgetragen gewesen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
2.
Mit Recht wendet sich die Revision aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Inanspruchnahme der Beklagten unter dem Gesichtspunkt ihrer Haftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft scheide ebenfalls aus, weil der Geschäftsführer Knierim die Verträge mit der Klägerin unstreitig nicht im Namen der Gründer, sondern für die "L. GmbH" abgeschlossen habe und zudem jeder Anhaltspunkt dafür fehle, daß die Beklagte K. habe bevollmächtigen wollen, durch diese Geschäfte auch sie persönlich zu verpflichten.
a)
Zwar kann nach Lage der Sache mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, daß K. gegenüber der Klägerin im Namen der noch nicht eingetragenen GmbH gehandelt und hierdurch den Tatbestand des § 11 Abs. 2 GmbHG erfüllt hat (vgl. Urt. d. Sen. v. 2.5.74 - II ZR 111/71, NJW 1974, 1284 zu II 1 m.w.N.). Das schließt aber nicht die Möglichkeit aus, die beiderseitigen Erklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, daß auch die Vorgesellschaft verpflichtet sein sollte (BGHZ 65, 378, 382). Hierfür kommt es wesentlich auf die Umstände, vor allem auf Art und wirtschaftlichen Zusammenhang des betreffenden Geschäfts an. Eine vertragliche Verpflichtung sowohl der künftigen GmbH als auch der Vorgesellschaft wird namentlich dort infrage kommen, wo die Gesellschaft einen lebenden Gewerbebetrieb weiterführen soll und in diesem Rahmen schon vor der Eintragung laufend Geschäfte anfallen, die der Betriebserhaltung und damit auch dem Gründerinteresse dienen. Werden diese Geschäfte namens der "GmbH" abgeschlossen, so wird der Geschäftsgegner damit selbst bei Kenntnis der Tatsache, daß die Eintragung der Gesellschaft noch aussteht, schwerlich die Vorstellung verbinden, er solle für seine materiell bereits fällig werdenden Ansprüche nicht sogleich, sondern erst mit der Eintragung der GmbH einen vertragsmäßigen Schuldner erhalten und bis dahin auf den gesetzlichen Anspruch gegen den Handelnden nach § 11 Abs. 2 GmbHG angewiesen sein. Vielmehr darf er nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte im allgemeinen davon ausgehen, für seine Ansprüche hafte ihm der jeweilige Träger des Geschäftsbetriebs, für den seine Leistungen bestimmt und angefordert worden sind; das sind bis zur Eintragung die zu einer Vorgesellschaft verbundenen Gründer. Bei einer derartigen Gestaltung ist daher mit der Verpflichtung der noch nicht eingetragenen GmbH im Zweifel zugleich eine solche der Vorgesellschaft als gewollt anzusehen.
b)
Ein vergleichbarer Sachverhalt ist hier für die Revisionsinstanz zu unterstellen. Zwar handelt es sich nach dem Gesellschaftsvertrag der Leinebau GmbH um eine Bargründung. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin soll aber der Zweck dieser Gründung darin gelegen haben, zwei Bauvorhaben alsbald fortzuführen, die der Bruder der Beklagten begonnen hatte und mit denen er in Schwierigkeiten geraten war, weil ihm die Befähigung zum Betrieb eines Bauunternehmens fehlte. Für diese zunächst von der Vorgesellschaft weiterbetriebenen Bauvorhaben waren auch die Lieferungen bestimmt, deren Bezahlung die Klägerin fordert. Der Klageanspruch rührt also unmittelbar aus einer für Rechnung der Vorgesellschaft entfalteten Geschäftstätigkeit her. In Ermangelung einer gegenteiligen Willensäußerung konnte daher die Klägerin mindestens bis zur Eintragung der GmbH die Vorgesellschaft als ihre Schuldnerin betrachten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie genau gewußt hat, welches rechtliche Gebilde sich hinter der Bezeichnung "L. GmbH" zur Zeit des Geschäftsabschlusses verbarg. Wesentlich ist nur, daß sie aufgrund der ihr gegenüber abgegebenen Vertragserklärungen berechtigterweise die Vorstellung und den Willen hatte, (auch) mit dem derzeitigen (wirklichen) Träger der Bauvorhaben abzuschließen, auf die sich ihre Lieferungen offensichtlich bezogen (vgl. BGHZ 62, 216, 221/222).
c)
Da die Vorgesellschaft keine juristische Person ist, sondern eine, wenn auch besonderen Rechtsgrundsätzen unterliegende, gesamtschuldnerische Personenvereinigung, haften für die zu ihren Lasten eingegangenen Verbindlichkeiten die Gesellschafter persönlich (Ulmer in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 11 Rdn. 49, 60). Das gilt zwar nur insoweit, als der Geschäftsführer Vertretungsmacht hat, die Gesellschafter zu verpflichten (BGHZ 65, 378, 382). Diese Voraussetzung ist aber nach dem Vortrag der Klägerin hinsichtlich der ihrem Klageanspruch zugrundeliegenden Verträge erfüllt. Danach war für die Beklagte klar ersichtlich und mit ihr auch abgesprochen, daß die beiden von ihrem Bruder in Angriff genommenen Bauvorhaben sofort nach Abschluß des Gesellschaftsvertrags weitergeführt werden sollten; im Hinblick hierauf hat sie gemeinsam mit K. beschlossen, diesen zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer zu bestellen. Darin lag bei objektiver Würdigung die Ermächtigung, auch schon vor der Eintragung der GmbH alle zur Fortführung der Bauvorhaben notwendigen Geschäfte vorzunehmen. Das schloß nach Lage der Sache die Abgabe solcher rechtsgeschäftlicher Erklärungen ein, bei denen die Umstände eindeutig auf einen Zusammenhang mit einem von der Vorgesellschaft getragenen Geschäftsbetrieb hinwiesen, so daß ein Geschäftsgegner darin den Ausdruck des Willens sehen durfte, nicht erst die noch einzutragende GmbH, sondern auch schon die Vorgesellschaft zu verpflichten.
Hierbei spielt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Rolle, ob die Beklagte für die Übergangszeit bis zur Eintragung der GmbH persönlich haften wollte oder nicht. Es kommt allein darauf an, wie das rechtsgeschäftliche Handeln des Geschäftsführers Knierim und das Einverständnis der Beklagten damit vom Standpunkt des redlichen Rechtsverkehrs aus vernünftigerweise zu beurteilen waren. Diese Würdigung ergibt, geht man vom Klagevortrag aus, daß Knierim im Rahmen der beiden Bauvorhaben zum Handeln schon für die Vorgesellschaft ermächtigt war und für diese bei seinen Geschäftsabschlüssen mit der Klägerin gehandelt hat.
d)
Allerdings haftet die Beklagte, soweit sich nach dem bisher vorliegenden Sachverhalt beurteilen läßt, für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft nicht, wie die Revision meint, unbeschränkt, sondern nur beschränkt auf ihre im Gesellschaftsvertrag versprochene Einlage. Denn dadurch, daß der Geschäftsführer die Verträge mit der Klägerin im Namen einer "GmbH" abgeschlossen hat, ist deutlich der Wille der Gründer zum Ausdruck gekommen, nur bis zur Höhe ihrer Einlagen zu haften und die Vollmacht des Geschäftsführers entsprechend zu begrenzen (BGHZ 65, 378, 382). Diese Begrenzung spielt hier jedoch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine Rolle, da die Beklagte selbst vorgetragen hat, von ihrer im Gesellschaftsvertrag übernommenen Bareinlage von 14.000 DM erst 10.000 DM eingezahlt zu haben. Der noch offene Restbetrag von 4.000 DM übersteigt die Klageforderung. Die Beklagte kann die Klägerin auch nicht darauf verweisen, daß sie nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH vor deren Eintragung lediglich das gesetzlich vorgeschriebene Viertel ihrer Bareinlage (§ 7 Abs. 2 GmbHG) in die Gesellschaftskasse zu leisten hat. Denn ihre persönliche Haftung als Gesellschafterin der Gründervereinigung besteht unabhängig von ihrer Einlageverpflichtung als Mitglied der künftigen GmbH. Der Entschluß, bereits vor deren Eintragung einen Geschäftsbetrieb zu entfalten, birgt für die Gesellschafter das Risiko in sich, unter Umständen in Höhe der versprochenen Einlagen doppelt leisten zu müssen, wenn nur so die schutzwürdigen Interessen der Gläubiger gewahrt sind (BGHZ 65, 378, 384).
3.
Die Beklagte hat bestritten, mit der Aufnahme einer werbenden Tätigkeit vor der Eintragung der GmbH einverstanden gewesen zu sein; sie will dieser sogar ausdrücklich widersprochen haben. Da dies für die Frage ihrer Haftung als Mitglied der Vorgesellschaft erheblich ist, bedarf es einer weiteren tatsächlichen Klärung, zumal auch über die Höhe der Klageforderung Streit besteht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.