RG, 23.12.1933 - XII H 42/33

Daten
Fall: 
Reichstagsbrandprozeß
Fundstellen: 
RGSt (-)
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.12.1933
Aktenzeichen: 
XII H 42/33
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Bünger, Coenders, Froelich, Lersch, Rusch
Stichwörter: 
  • Urteil gegen Marinus van der Lubbe - Brand des Reichstagsgebäudes - Todesstrafe - Hochverrat - Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte

Tenor

Die Angeklagten Torgler, Dimitroff, Popoff und Taneff werden freigesprochen.

Der Angeklagte van der Lubbe wird wegen Hochverrats in Tateinheit mit aufrührerischer Brandstiftung und versuchter einfacher Brandstiftung zum Tode und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

Die Kosten des Verfahrens fallen, soweit Verurteilung erfolgt ist, dem verurteilten Angeklagten, im übrigen der Reichskasse zur Last.

Gründe

A. Vorleben und politische Einstellung der Angeklagten.

1.

Der Angeklagte van der Lubbe ist in Leiden (Niederlande) als Sohn eines Händlers geboren. Als die Mutter starb, wurde er damals noch ein Kind, bei Verwandten untergebracht. Seinen ersten Unterricht erhielt er in der Vereinigung "Pro Juventute" in s'Hertogenbosch, später besuchte er die Volksschule in Oegsgeest. Nach der Schulentlassung erlernte er das Maurerhandwerk. Infolge eines Unfalls, bei dem ihm Kalk in die Augen spritzte, wurde er für seinen Beruf untauglich. Er bezog fortan eine Invalidenrente von wöchentlich 7.44 holl. Gulden. Daneben verrichtete er Gelegenheitsarbeiten. Vor allem aber betätigte er sich in der Politik. Schon mit 16 Jahren wurde er, wie er zugibt, Mitglied der Kommunistischen Partei Hollands (CPH.). Er betätigte sich in der Kommunistischen Jugendbewegung, leitete u.a. schon im Jahre 1928 eine Sitzung des Kommunistischen Jugendverbandes in Leiden und mietete sogar auf eigene Faust aus gesammelten Geldern ein Versammlungslokal in Leiden für derartige Versammlungen. Er nahm als Redner an kommunistischen Versammlungen teil und verbreitete kommunistische Druckschriften. Wie sein Schwager Sjardijn in der von seinen Verwandten während der Voruntersuchung herausgegebenen, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Schrift "Wer ist van der Lubbe?" schreibt, bestand er nur aus Politik und Agitation. Aus der CPH. ist er 1931, vielleicht auch schon einmal 1929, ausgetreten. Die Gründe sind nicht bekannt. Möglicherweise handelte es sich nur um einen auch in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD.) wie gerichtsbekannt häufig angewandten Scheinaustritt, der die Partei von der unerwünschten Verantwortlichkeit für die Aktionen van der Lubbes entlasten sollte. Jedenfalls hat dieser Austritt weder auf seine Tätigkeit für die CPH noch auf seine kommunistische Einstellung irgendwelchen Einfluß gehabt, wie nach Aussage des Zeugen Kriminalkommissar Heisig sowohl der Freund van der Lubbes de Vink als auch der mit ihm im politischen Gedankenaustausch stehende kommunistische Student van Albada bekundet haben. Beide bezeichnen besonders seinen Einfluß unter den Erwerbslosen als groß. Der Leidener Polizei und der Gendarmerie war van der Lubbe als rabiater Kommunist bekannt. Noch Ende 1932 hetzte er in einer Versammlung streikender Taxi=Chauffeure zur Tat. Auch der Brief seines Freundes Simon Harteveld vom 1 August 1933 übermittelt dem Angeklagten van der Lubbe namens des Internationalen Proletariats, das mit seinen Ansichten solidarisch, sei brüderliche Grüße. Auf dem Gebiet seiner agitatorischen Betätigung liegen denn auch die Vorstrafen, die der Angeklagte van der Lubbe in seiner Heimat erhalten hat. Dort ist er vom Polizeigericht im Haag im Jahre 1930 und 1931 zu zwei und einer Woche Gefängnis wegen Widerstandes und am 12 Februar 1932 vom Bezirksgericht im Haag zu drei Monaten Gefängnis wegen Sachbeschädigung verurteilt, weil er gelegentlich einer Demonstration die Fenster eines Wohlfahrtsamtes eingeschlagen hatte

In den Jahren 1928 bis 1932 war der Angeklagte van der Lubbe wiederholt auf Wanderschaft. Nach einer Wanderung durch Belgien 1928 oder 1929, die ihn bis Aachen geführt hat begab er sich 1930 nach Calais um sich dort einen für Durchschwimmen des Kanals ausgesetzten Preis zu verdienen, wovon er dann nach seiner Angabe wegen schlechten Wetters Abstand nahm. Im März 1931 ließ er sich einen Auslandspaß ausstellen - denselben den er noch bei seiner Verhaftung im Februar 1933 bei sich führte und den der zuständige niederländische Beamte dem Zeugen Heisig gegenüber als von ihm ausgestellt unzweifelhaft wiedererkannt hat - und trat eine Wanderung durch Deutschland an. Sie nahm jedoch in Berlin ihr Ende, weil er das Visum zur Weiterreise nach Rußland nicht erlangen konnte wie er angibt aus Geldmangel. Auf dieser Reise führte van der Lubbe Postkarten zum Verkauf mit, die ihn und seinen Freund Holverda, der ihn ursprünglich begleiten sollte, im Bilde zeigten und den Sowjetstern trugen. Bereits im September 1931 begab sich van der Lubbe abermals auf Wanderschaft diesmal durch Süddeutschland, Österreich, Jugoslawien und Ungarn bis Budapest, von wo er, vom Niederländischen Konsulat mit Reisegeld versehen, im November 1931 zurückkehrte. Im Jahre 1932 wiederholte er diese Wanderung, versuchte jedoch von Budapest aus abermals, diesmal über Polen, nach Rußland zu gelangen. Der Grenzübertritt mißlang jedoch, und er trat seinen Rückmarsch über Schlesien, Leipzig, Frankfurt a.M. und Wesel nach den Niederlanden an. Ausweislich der Fremdenbucheintragungen hat er in der Nacht zum 2. Juni 1932 in Sörnewitz bei Meißen - also nicht im August 1932, wie ein zeitweise mit ihn verwechselter, später wegen Betrugs verurteilter Mann namens Barge, der sich im Nachbarort zur Verübung von Schwindeleien fälschlich als Nationalsozialist ausgegeben hatte - und in der Nacht zum 4. Juni 1932 in Leipzig übernachtet. Nach seiner Rückkehr nach Leiden wurde van der Lubbe dort am 12. Juni 1932 zwecks Verbüßung seiner dreimonatigen Gefängnisstrafe verhaftet, jedoch am 21. Juni wieder freigelassen. Am 29. Juni nahm er an der Verhandlung teil, in der seine Berufung verworfen wurde. Vom 14. Juli bis 2. Oktober 1932 verbüßte er sodann im Gefängnis Scheveningen seine Strafe. Nach seiner Freilassung hielt er sich zunächst in Leiden auf, wie die von ihm eigenhändig unterschriebenen Quittungen der Reichsversicherungsbank Amsterdam über die von ihm am 4., 11., 19. und 25. Oktober und 1. November 1932 abgehobene Rente ergeben, und war sodann vom 9. bis 14. November 1932 und vom 4. bis 28. Januar 1933 zur Behandlung seiner Augen in der Universitätsklinik in Leiden, wie durch Auskunft der niederländischen Polizei feststeht. In der Zwischenzeit bis Ende 1932 will er sich gleichfalls in Leiden und vorübergehend im Haag aufgehalten haben. Ende Januar oder Anfang Februar 1933 begab er sich erneut auf Wanderschaft nach Deutschland.

2.

Der Angeklagte Torgler, Sohn eines Gasarbeiters in Berlin, war nach Besuch der Volksschule kaufmännischer Lehrling und später Angestellter in einem Berliner Herrenmodengeschäft bis zu seiner Einziehung als Soldat im Dezember 1914. Nach Kriegsende war er dort wieder tätig bis zum 1. Februar 1925. Seitdem war sein Hauptberuf die Politik, der er sich schon früh zugewandt hatte. Schon mit 18 Jahren war er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD.) geworden. Während des Krieges hatte er sich dann innerlich der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zugewandt, zu der er 1919 übertrat und von der aus er 1920 Mitglied der KPD, bei deren Gründung wurde. Im Dezember 1924 wurde er in den Reichstag gewählt und wurde 1927 stellvertretender Vorsitzender und 1929 Vorsitzender der Kommunistischen Reichstagsfraktion, Mitglied des Zentralkomitees der Partei ist er nicht gewesen. Neben seiner politischen Tätigkeit war er von 1921 bis 1930 unbesoldeter Stadtrat in Berlin - Lichtenberg.

3.

Der Angeklagte Dimitroff ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er ist gelernter Schriftsetzer und als solcher bis 1904 in seiner Heimat tätig gewesen. Dann wurde er Sekretär des Allgemeinen Arbeiter-Gewerkschaftsbundes in Bulgarien. 1913 wurde er von der Kommunistischen Partei Bulgariens in das Parlament, den Reichs- und Landtag und den Gemeinderat gewählt. Schon seit 1910 ist er Mitglied des Zentralkomitees dieser Partei. Im September 1923 wurde seitens dieser Partei gegen die Regierung Zankoff, die nach dem Sturz der Bauernregierung Stambulinski im Juni 1923 die Macht übernommen hatte, ein Aufstand organisiert. Nach tagelangen Kämpfen wurden die Aufständischen, darunter ihre Führer Kalaroff und Dimitroff, zum Übertritt auf jugoslawisches Gebiet gezwungen. Der Angeklagte Dimitroff gelangte nach Wien, wo er sich zunächst einige Monate aufhielt und wohin er nach einem Aufenthalt vom Frühjahr 1924 bis Ende 1926 in Moskau, Anfang 1927 zurückkehrte. Seine Tätigkeit dort soll angeblich nur der bulgarischen Kommunistischen Partei und den Interessen der bulgarischen Emigranten gegolten haben. Im Oktober oder November 1929 siedelte der Angeklagte Dimitroff nach Berlin über, wohnte kurze Zeit in Potsdam, fuhr dann nach Moskau und kehrte am l. Mai 1930 endgültig nach Berlin zurück. Bis Ende 1931 wohnte er dort unter dem Namen Dr. Schaafsma bei einem Fräulein Kaspeizer in Adlershof, einer Kommunistin. Nach einem Aufenthalt von Januar bis Juni 1932 in Moskau, angeblich zu Kurzwecken, kehrte er im Juli 1932 nach Berlin zurück und wohnte zunächst unter dem Namen Dr. Schaafsma in Zehlendorf-Mitte, Riemeisterstraße bei Mohr und seit Dezember 1932 unter dam Namen Dr. Hediger in Steglitz, Klingsorstraße bei Mansfeld. Schon während seines Wohnens bei Fräulein Kaspeizer hatte der Angeklagte gleichzeitig an anderer Stelle gleichfalls unter falschem Namen ein Zimmer gemietet, in dem er sich tagsüber zu schriftlichen Arbeiten aufhielt, und zwar seit Herbst 1931 bei Faßbender am Tempelhofer Ufer, später in Wilmersdorf bei Leidert und in Neutempelhof bei Koch. Auf den Namen Hediger führte der Angeklagte bei seiner Verhaftung einen gefälschten Schweizer Paß bei sich, den er in Wien erhalten haben will und der nach den Bekundungen des Zeugen Kriminalkommissar Bauch, wie sich aus den verwandten Stempeln und der genauen Befolgung einer Anweisung für Fälschung Schweizer Pässe ergibt, aus der inzwischen ausgehobenen kommunistischen Paßfälscher-Zentrale in der Kaiserallee 48a in Berlin-Wilmersdorf, möglicherweise auch aus der zum Teil mit dem gleichen Stempelmaterial arbeitenden Fälscherzentrale in Wien stammt. Der Angeklagte Dimitroff ist Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale in Moskau. Er will sich aber auch in Berlin, das er seiner zentralen Lage in Europa wegen zum Aufenthalt gewählt haben will, lediglich mit den Belangen der Bulgarischen Kommunistischen Partei und der bulgarischen politischen Emigranten befaßt haben und als freier Schriftsteller tätig gewesen sein, als solcher insbesondere in Verbindung mit der Inprekorr (Internationalen Pressekorrespondenz). Zur Sicherung seiner Person vor der bulgarischen Polizei will er unter falschem Namen gewohnt haben. Er ist in Bulgarien nach Auskunft des bulgarischen Justizministeriums vom 12, Oktober 1933 verurteilt.

a) durch Urteil des Kreisgerichts in Lom Nr. 199 vom 3. November 1924 gem. Art. 99 Punkt 2 des Strafgesetzbuchs zu 15 Jahren Zuchthaus und 20 Jahren Ehrverlust-Es handelt sich hier um die Vorbereitung und den Befehl zu Gewalttaten im September 1923 in der bulgarischen Stadt Ferdinand und Umgebung;
b) durch Urteil des Kreisgerichts in Wratza Nr. 982 vom 14. März 1925 nach denselben Bestimmungen zur gleichen Strafe wegen des Aufstandes in Berkowitza;
c) durch Urteil des Kreisgerichts in Sofia Nr. 56 vom 7. März 1926 gemäß Art. 13 und 16 des Gesetzes zum Schutze des Staates zum Tode durch den Strang auf einem öffentlichen Platze sowie zu einer Geldstrafe von 200 000 Lewa und dauernden Ehrverlust wegen des Überfalls auf Godetsch.

Die Strafen zu a) und c) sind durch Urteil vom 2. März 1926 und 3. Februar 1933 amnestiert. Die Vorstrafen ergeben, daß der Angeklagte Georgi Dimitroff wegen der Sprengung der Swetja Nedelja-Kathedrale in Sofia im Jahre 1925 nicht verurteilt ist. Als Mittäter dieses Attentats verurteilt ist vielmehr ein gewisser Stefan Dimitroff, der sich zur Zeit in Moskau aufhält und der nach Auskunft der deutschen Gesandtschaft in Sofia vom 6. November 1933, wie auch ein dieser Auskunft beigefügtes Bild des Stefan Dimitroff und die Bilder beider Dimitroffs in der bulgarischen Broschüre "Im Lande der Galgen" bestätigen, mit dem hier angeklagten Georgi Dimitroff nicht personengleich ist.

4.

Der Angeklagte Popoff, Sohn eines bulgarischen Lehrers, wurde schon mit 16 Jahren Mitglied der kommunistischen Jugendbewegung seines Landes, mit 20 Jahren als Student der Rechte in Sofia Mitglied der Kommunistischen Partei Bulgariens. Im Herbst 1924 flüchtete er nach Moskau, um sich polizeilichen Verfolgungen wegen seiner Mitgliedschaft in der verbotenen kommunistischen Partei zu entziehen. Dort blieb er bis 1929. Er lernte dort u.a. auch den Angeklagten Dimitroff kennen und will sich lediglich mit bulgarischen Fragen beschäftigt haben. Ende 1929 wurde er Sekretär der bulgarischen kommunistischen Jugend und kehrte als solcher bis November 1930 nach Bulgarien zurück. Sein abermaliger Aufenthalt in Moskau fand im September 1931 dadurch ein Ende, daß man ihn zum Mitglied des Zentralkomitees der Bulgarischen Kommunistischen Partei wählte, dem er auch noch jetzt angehört. Bereits im November 1931 mußte er jedoch abermals aus der Heimat fliehen, weil er wegen seiner Zugehörigkeit zum Zentralkomitee verhaftet wurde. Er lebte nunmehr unter dem Namen Janko Petkoff in Moskau, von wo er erst Anfang November 1932 nach Berlin gereist sein will, um dort eine geplante politische Amnestie zu erwarten, da er, wie er angibt, bei seiner Rückkehr aus Rußland in die Heimat nach der Amnestie sich neuen Verfolgungen ausgesetzt haben würde.- Bestraft ist er

a) im Jahre 1931 und im Jahre 1932 wegen Heeressteuervergehens zu Geldstrafen,
b) durch Urteil des Kreisgerichts Sofia vom 18. Juni 1932 gemäß Art. 2 des Gesetzes zum Schutze des Staates wegen Gründung und Organisierung des Zentralkomitees der Bulgarischen Kommunistischen Partei und verbotener Organisationen zu 12 1/2 Jahren Zuchthaus, 15 Jahren Ehrverlust und 275 000 Lewa Geldstrafe.

5.

Der Angeklagte Taneff, von Beruf Schuhmacher, ist seit 1919 Mitglied der Kommunistischen Partei seines Heimatlandes Bulgarien. Am 21. September 1927 wurde er, da die Partei verboten war, vom Kreisgericht Philippopel in Abwesenheit wegen Gründung illegaler Organisationen zum Zwecke des Verfassungssturzes und Aufnahme von Verbindung mit Personen im Auslande zu diesem Zwecke gemäß Art. 2 und 14 des Gesetzes zum Schutze des Staates zu insgesamt 12 1/2 Jahren Zuchthaus, 15 Jahren Ehrverlust und 275 000 Lewa Geldstrafe verurteilt. Er war bereits 1926 über Wien nach Moskau geflohen, wo er sich bis 1931 aufhielt und nach seinen Angaben zunächst in einer Schuhmacherei tätig war, später politisch geschult wurde in einer Schule, die angeblich von bulgarischen Emigranten in Moskau eingerichtet war. Im Oktober 1931 kam er nach Bulgarien zurück. Bereits im November wurde er mit Rücksicht auf die Verhaftung von Mitgliedern des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Bulgariens, darunter Popoff, seinerseits zum Mitglied dieses Zentralkomitees gewählt, dem er noch jetzt angehört. Im Oktober 1932 fuhr er über das Schwarze Meer nach Moskau und passierte von dort aus am 23. Februar 1933 die deutsche Grenze bei Tilsit, wie sein auf den Namen Teneff lautender, gefälschter und bei dieser Einreise benutzter Paß ausweist. Er traf am 24. Februar 1933 in Berlin ein und wurde dort von Popoff in Empfang genommen. Auch er will Berlin aufgesucht haben, um von dort gemeinsam mit Popoff für die bulgarische politische Amnestie zu wirken und gegebenenfalls von dort in die Heimat zurückzukehren.

B. Die Gespräche in Neukölln.

I.

Am Nachmittage des 18. Februar 1933 traf der Angeklagte van der Lubbe auf seiner erneuten Wanderung durch Deutschland in Berlin ein und übernachtete, wie schon im Frühjahr 1931, im Männerheim in der Alexandrinenstraße. An den folgenden drei Tagen will er sich ein SPD.- Konzert auf dem Bülow-Platz angehört und einen Reichsbanner-Aufmarsch im Lustgarten angesehen haben. Über sein sonstiges Tun in diesen Tagen ist nichts Näheres festgestellt. Nachts schlief er im Asyl für Obdachlose in der Fröbelstraße.

II.

a)

Am Mittwoch, dem 22. Februar 1933, ging van der Lubbe früh nach Berlin-Neukölln, einem Stadtteil mit damals besonders zahlreicher kommunistischer Bevölkerung. Er suchte das Wohlfahrtsamt am Mittelweg auf, wo die Unterstützungen an die Erwerbslosen ausgezahlt wurden. Am Eingang warf er ein Geldstück in eine Sammelbüchse der Kommunisten, worauf einer der Umstehenden bemerkte das wäre wohl sein letztes Geld. Er kaufte dann von dem Erwerbslosen Jahnecke, der bis November 1932 eingeschriebenes Mitglied der KPD gewesen war, aber auch jetzt noch für die KPD. Gelder sammelte und Zeitungen verkaufte, die Zeitung "Der Erwerbslose". Vor dem Wohlfahrtsamt kam er ins Gespräch mit einer Gruppe, bestehend aus den Erwerbslosen Zachow und Bienge. Auch Zachow und Bienge waren kommunistisch eingestellt, Bienge war eingeschriebenes Parteimitglied, Zachow Mitglied der Revolutionären Gewerkschaftsopposition. Zu beiden gesellte sich noch der gleichfalls erwerbslose Panknin. Auch Jahnecke trat zeitweise zu der Gruppe und sprach van der Lubbe als er erkannte, daß dieser Niederländer war, auf die Meuterei auf dem Kreuzer " Zeven Provinzien " an. Van der Lubbe erzählte seinerseits, in seiner Heimat wären bei der Machtübernahme Hitlers öffentliche Versammlungen gewesen. Man erwarte etwas von Deutschland Er wäre dann herübergekommen; er wolle die deutschen Verhältnisse studieren. Er wolle im kommunistischen Sinne tätig sein und etwas machen. Bienge und Zachow unterhielten sich dann über Vorgänge in der Sonnenallee, bei der SA.-Leute allen Mitgliedern der Eisernen Front und des Roten Frontkämpferbundes (RFB) ihre Abzeichen abgerissen hätten. Zachow erzählte, er hätte Bienge zurückhalten müssen, damit er nicht dazwischen haue. Bienge seinerseits entgegnete wenn sie alle so wären wie Zachow, könnten sie nichts werden. Van der Lubbe hörte diesem Gespräch sehr interessiert zu und fragte, wie man nach der Sonnenallee kommen könnte. Er wurde jedoch aufgeklärt daß der Vorfall sich schon am Tage vorher ereignet hätte. Zachow brüstete sich dann damit, daß er dem Vorsteher des Wohlfahrtsamtes den Fuß zwischen die Tür gestellt hätte. Bienge äußerte, man müßte Revolution machen. Das griff van der Lubbe auf. Er erzählte er wäre in Rußland gewesen, es müßte Revolution gemacht werden, dazu wäre es noch nicht zu spät. Man müßte mit Gegenaktionen einsetzen, das Volk müßte entfacht werden, so wäre auch die russische Revolution entstanden. Darauf äußerte Zachow man müßte staatliche Gebäude anstecken Bienge meinte: "Was heißt staatliche Gebäude? Das Schloß und den Reichstag brauchen mir sowieso nicht mehr In den Reichstag kommen wir jetzt doch nicht hinein, und wenn wir die Revolution vollendet haben, brauchen wir ihn nicht mehr" Er fuhr dann aufgeregt fort, man müßte Gruppen von 4 bis 6 Mann bilden und SA-Leute mit. Benzin begießen und anstecken. Zachow fügte hinzu man müßte eben alles anstecken, und van der Lubbe, der das Gespräch lebhaft verfolgt und offensichtlich alles verstanden hatte, bekräftigte diese Äußerungen mit den Worten "So musch komme". Er fragte, ob er da nicht mitmachen könnte, worauf Bienge zu Zachow meinte: "Der Junge ist gut, den können wir gebrauchen." Panknin der das alles mitangehört hatte, äußerte darauf: "Euch juckt wohl das Fell." Van der Lubbe zog nun eine Anzahl Papiere aus der Tasche darunter seinen Paß, und erzählte, er wäre Kommunist. Er wäre schon im Ausland gewesen, auch in Rußland und hätte die Kommunistische Partei studiert. Er fragte dann, wo die Kommunistische Zentrale wäre. Man erwiderte ihm, hier wäre keine Zentrale aber am Richard-Platz wären verschiedene Lokale, dorthin sollte er nur mal gehen. Auch am Flughafen-Platz in der Volksküche könnte er etwas erfahren. Van der Lubbe zog eine grüne Eßkarte hervor. Daraufhin ging die Gruppe zunächst mit ihm vom Hof. Van der Lubbe, der mit Panknin und Zachow voraus die Bergstraße hinunterging, wurde jedoch von Bienge zurückgerufen.

b)

Dieser und Jahnecke nahmen ihn mit in das Kommunistenlokal von Schlaffke, in dem auch der sogenannte Erwerbslosenausschuß tagte, eine Beratungsstelle für Erwerbslose, in der der ehrenamtliche Wohlfahrtspfleger Pfeifer Anträge der Erwerbslosen an das Wohlfahrtsamt aufzusetzen pflegte. Sie trafen dort außer Pfeifer noch den mit Jahnecke bekannten Starker, der wie Jahnecke kommunistisch eingestellt war und bis 1932 Parteimitglied gewesen ist. Pfeifer bot dem arg zerlumpten van der Lubbe einen alten Mantel und eine Mütze an, die er noch im Hause hatte. Van der Lubbe holte sie am Nachmittag mit Jahnecke zusammen aus Pfeifers Wohnung. Mit Starker wurde verabredet, van der Lubbe solle die Nacht bei dessen Wirtin schlafen. Der Angeklagte van der Lubbe ging mit in die Starker'sche Wohnung und aß dort zu Mittag. Nachmittags sah er sich einen SA-Aufmarsch an, von dem er sehr erregt zurückkam. Schon im Lokal von Schlaffke, wie auch in der Starker'schen Wohnung wurden die politischen Gespräche fortgesetzt. Im Laufe der Gespräche betonte van der Lubbe fortwährend, besonders nach dem Anblick des SA-Aufmarsches, man müßte etwas machen. Man müßte äußerst radikale Maßnahmen ergreifen, um die Machtentfaltung der Nationalsozialisten zu verhindern. Er erzählte wieder von seinen. Auslandsreisen und schalt auf die Kommunistische Partei, deren Führer zu schlapp wären. Auf die Frage, welcher Partei er denn angehöre erwiderte er, solche Partei gäbe es in Deutschland nicht; am ehesten ließe sie sich mit der AAU. (Allgemeine Arbeiter-Union) vergleichen. Die holländischen Arbeiter wären nicht so feige. Man müßte Revolution machen, Gegendemonstrationen, um die Revolution vorwärtszutreiben. Er wolle noch bis 5. März in Berlin bleiben. Wenn bis dahin nichts geschehen wäre, wolle er nach Holland zurückkehren. Eine Aufforderung, sich abends beim Anmalen kommunistischer Wahlparolen zu beteiligen, lehnte van der Lubbe ab. Er schlief die Nacht in der Starker'schen Wohnung, und entfernte sich am anderen Vormittag.

III.

Über sein Tun am 23. und 24. Februar steht nichts fest. Er selbst behauptet, sich eine Karte zu einer kommunistischen Versammlung im Sportpalast am Abend des 23. Februar besorgt zu haben, auch zu der Versammlung gegangen zu sein, die aber ausgefallen sei und will sich im übrigen auf der Straße aufgehalten haben. Er gibt zu, am Freitag, den 24. Februar nochmals in der Starker'schen Wohnung gewesen zu sein, wie er angibt "aus Interesse".

IV.

Der vorstehende Sachverhalt beruht auf den Aussagen der Zeugen Panknin, Jahnecke, Starker, Pfeifer, Zachow und Bienge in Verbindung mit den eigenen Angaben des Angeklagten van der Lubbe. Der Angeklagte räumt ein, daß von den Vorgängen in der Sonnenallee gesprochen sei, daß er selbst sich als Kommunist bekannt und seine Meinung dahin geäußert habe, daß das Volk entfacht werden müsse, und daß er von Aktionen und Revolution und Selbsthilfe der Arbeiter gesprochen habe. Auch die Äußerung Zachows vom Anzünden staatlicher Gebäude habe er gehört. Nach der Kommunistischen Zentrale will er zwar nicht gefragt haben, das Gegenteil muß aber nach den Bekundungen der Zeugen Panknin und Bienge für erwiesen erachtet werden. Auch der Zeuge Jahnecke glaubt, daß eine solche Äußerung gefallen sei.

C. Die Brandstiftungen in Wohlfahrtsamt, Rathaus und Schloß.

I.

a)

Am 25. Februar 1933 ging der Angeklagte van der Lubbe am späten Vormittag vom Männerheim in der Alexandrinenstraße, wo er übernachtet hatte, am Rathaus und Schloß vorüber wieder nach Neukölln. Unterwegs kaufte er in der Annenstraße eine Schachtel Streichhölzer, in der Neanderstraße 2 Pakete sog. Kohlenanzünder, enthaltend je zwei Tafeln einer aus Sägemehl und Naphtalin bestehenden in Würfel geteilten Masse, die wegen ihrer guten Brennbarkeit zum Feueranzünden verwendet wird. Ebensolche zwei Pakete kaufte er auf seinem weiteren Wege in der Liegnitzerstraße in der Gegend des Görlitzer Bahnhofs. Nachmittags kam er in die Gegend des Hermann-Platzes in Neukölln, wo er sieh noch bis zum Dunkelwerden umhertrieb. Gegen 18 1/2 Uhr begab er sich zu dem ihm bekannten Wohlfahrtsamt am Mittelweg, einer einstöckigen, mit Dachpappe gedeckten Holzbaracke, die Bürozwecken diente und um diese Zeit nach Büroschluß unbenutzt und unbewohnt war. Er überstieg den Holzzaun an der Straße, ging um die Rückseite des Gebäudes herum bis zum letzten Fenster des Querflügels und warf in diese Fenster ein halbes Paket Kohlenanzünder, das er vorher entzündet hatte, hinein, Der Kohlenanzünder fiel an die gegenüberliegende Tür der Damentoilette, zu der das Fenster gehörte, verursachte auf dem betonierten Fußboden nur einige Brandflecke und hinterließ an der Holzwand eine angekohlte und am Fensterrahmen eine kleine geschwärzte Stelle, ohne jedoch zu zünden. Van der Lubbe warf dann die andere Hälfte des Pakets brennend auf das Dach. Auch dieser Kohlenanzünder zündete nicht, wohl infolge der auf dem Dache liegenden Schneereste und wurde später noch brennend dort gefunden. Van dar Lubbe lief nun zurück und warf über einem Fenster an der Ostseite des Querflügels der Barocke wiederum ein halbes Paket Kohlenanzünder brennend auf das Dach. Auch hier wurde um 19 Uhr, als der Brand durch einen Passanten bemerkt und gemeldet wurde, nur eine geschwärzte Stelle am Fensterrahmen und die Spur des verbrannten Kohlenanzünders auf dem Dache gefunden. - Van der Lubbe entfernte sich darauf, ohne sich um den Erfolg seiner Brandstiftung weiter zu kümmern.

b)

Er fuhr mit der Untergrundbahn zum Alexanderplatz, ging von dort zum Rathaus und warf in das Fenster einer Kellerwohnung an der Ecke der Rathaus- und Jüdenstraße, das er schon am Vormittag im Vorübergehen hatte offenstehen sehen, ein brennendes Paket Kohlenanzünder hinein, nachdem er das Fenster vorher bis über die Hälfte aufgestoßen hatte. Bann verließ er eiligst den Tatort. Das Fenster gehörte zu einem Schlafzimmer der Wohnung des Maschinenmeisters Kiekbusch. Als dieser zwischen 21 und 21 1/2 Uhr Brandgeruch bemerkte und das Zimmer betrat, sah er links vom Eingang in der Zimmerecke den Fußboden, der bereits ein zwei Handteller großes Loch aufwies, mit heller Flamme brennen. Auch die Scheuerleiste, die Tapete und der Fuß eines Kleiderständers brannten. Kiekbusch löschte das Feuert das leicht auf die Wohnräume und einen benachbarten Lagerraum mit gut brennbaren Gegenständen, besonders Reinigungsmaterial, Öl und Benzin, hätte übergreifen können. Er unterließ eine Anzeige, weil er als Ursache Fahrlässigkeit seiner Familienmitglieder durch Fortwerfen von Zigarrenresten oder dergl. vermutete. Außer Kiekbusch mit seiner Familie wohnten im Kellergeschoß des Rathauses noch weitere Familien.

c)

Vom Rathaus aus ging van der Lubbe durch die Rathaus-Spandauer- und Königstraße zum nahen Schloß. Es war mittlerweile etwa 20 Uhr geworden. An der Westseite des Schlosses, neben dem sog. Eosander=Portal, war ein bis zum Dach des Schlosses reichendes Baugerüst errichtet. Van der Lubbe kletterte hier hinauf und wandte sich auf dem flachen Dach nach rechts zu dem nach dem Schloßplatz gelegenen Flügel, auf dem sich eine Aufstockung befindet, die dem Institut für ausländisches Recht zu Bürozwecken dient. Vor den nach Norden gehenden Fenstern dieses Aufbaus läuft ein Weg auf dem Dach entlang. In die offenstehende Luftklappe eines dieser Fenster warf der Angeklagte van der Lubbe ein halbes Paket brennende Kohlenanzünder. Dann brach er noch einige Holzlatten von einer in der Nähe stehenden, dem etwa 15 m von dem Aufbau entfernt wohnenden Pensionär Schönfelder gehörigen Laube los, versuchte vergeblich, sie anzuzünden und trat darauf seinen Rückweg auf demselben Wege an, auf dem er gekommen war. Das halbe Paket Kohlenanzünder war zwischen die Doppelfenster gefallen und Tratte bis zur Entdeckung des Brandest kurz nach 22 Uhr abends den Fensterrahmen in Brand gesetzt. Der Dachstuhl des Schlosses besteht aus altem, ausgetrockneten Holz und ist sehr feuergefährlich. Außer Schönfelders Wohnung befanden sich über dem sog. Apothekerflügel noch mehrere bewohnte Wohnungen im Dachgeschoß des Schlosses und im übrigen Schloß außer den Büro- und Museumszwecken dienenden Räumen noch eine ganze Anzahl, zum Teil nahe der Brandstelle liegende bewohnte Wohnungen.

II.

Der vorstehende Sachverhalt beruht auf den glaubwürdigen Angaben des Angeklagten van der Lubbe, die durch die Befunde an Ort und Stelle bestätigt sind und auf den ergänzenden Aussagen der Zeugen Albert, Kiekbusch, Hermann Schulz, Maß, Schönfelder und Ernst Schulz.

D. Die Brandstiftung im Reichstagsgebäude.

I. Der festgestellte Sachverhalt.

a)

Am Sonntag, dem 26. Februar 1933, will der Angeklagte van der Lubbe zu Fuß über Charlottenburg nach Spandau gewandert sein, sich dort eine nationalsozialistische Kundgebung angesehen haben und alsdann zu Fuß nach dem von Spandau etwa 2 Wegstunden entfernten, im Norden Berlins gelegenen Hennigsdorf, einem damals zu etwa 2/3 von Kommunisten bewohnten Industrieort, gegangen sein. Tatsächlich hat er dort ausweislich der dienstlichen Aufzeichnungen in dem Obdachlosenasyl, das die örtliche Polizei verwaltete, übernachtet. In dem Asyl hat er sich am Sonntag um 18,20 Uhr gemeldet und ist am Montag Morgen um 7,45 Uhr entlassen. Über die Zeit seines Eintreffens in Hennigsdorf und sein sonstiges Tun dort steht nur fest, daß er am Montag Morgen gegen 9 Uhr von dem Friseurmeister Grave in dessen Hausflur im Gespräch gesehen wurde mit drei Männern und einer Frau Krapf, Schwester des Technikers Schmidt, der in Hennigsdorf als führender Kommunist bekannt war. Das ist trotz des Bestreitens der Frau Krapf auf Grund des Zeugnisses von Grave festzustellen, da Grave die Frau Krapf genau kannte und, weil ihm der Vorfall auffiel, wiederholt vorbeigegangen ist. Auf Graves Frage wurde erklärt, man warte auf den jungen Mann da oben, d.h. auf den Schwager der Frau Krapf oder den anderen Untermieter des Grave namens Bartsch, beide ebenfalls Kommunisten. Der Angeklagte van der Lubbe gibt auch diesen Vorfall zu, will aber nicht wissen, wer die Leute waren und will nur um Essen gebeten haben. Sr ging alsdann nach seiner Angabe zu Fuß über Tegel nach Berlin zurück. In der Müllerstraße kaufte er 4 Pakete Kohlenanzünder. Gegen 14 Uhr wurde er von dem Reichstagsangestellten Schmal am Reichstagsgebäude gesehen, wo er sich, anscheinend mit einem Plan in der Hand, das Gebäude ansah. Schmal fiel das "schreckliche Aussehen" van der Lubbes auf, der unrasiert war, starke Backenknochen hatte und Kleider trug, die ihm nicht paßten. Besonders fielen die zu kurzen Hosen und zu kurzen Ärmel auf. Van der Lubbe, der zunächst sein Eintreffen am Reichstagsgebäude auf gegen 17 Uhr angegeben hatte, gibt zu, sich mit Rücksicht auf die für den Abend geplante Brandstiftung um die von Schmal angegebene Zeit das Reichstagsgebäude auf Einstiegmöglichkeiten angesehen zu haben. Er will dann bis zum Abend in der Gegend des Alexanderplatzes gewesen sein. Über sein Tun an diesem Tage steht jedoch außer seinem Weg nach Berlin und dem Aufenthalt am Reichstagsgebäude um 14 Uhr gleichfalls nichts fest.

b)

Am Abend des 27. Februar 1933 pünktlich um 21 Uhr kletterte der Angeklagte van der Lubbe, wie die vorgefundenen Kletterspuren bestätigen, an der mit breiten Fugen versehenen Mauer des Erdgeschosses an der Westseite des Reichstagsgebäudes in der Nische am Südende der Säulenvorhalle zu dem ersten Fenster des Hauptgeschosses, das zum Restaurationsraum des Reichstags gehört hinauf. Er überstieg die etwa halbmannshohe Steinbrüstung des vor diesem Fenster gelegenen Balkons, trat mit den Stiefeln die 8 mm dicken Spiegelglasscheiben im unteren Teil des Fensters ein, entzündete dann einen der mitgebrachten Kohlenanzünder und stieg, nachdem er nochmals in die Scheiben getreten hatte, mit dem leuchtenden Feuerbrand in der Hand durch die entstandene Öffnung über einen hinter dem Fenster im Innern stehenden Tisch in den Restaurationsraum ein. Die Scherben der eingetretenen Scheibe fanden sich später auf diesem Tisch und am Boden des Restaurationsraums. Den bereits heruntergebrannten Kohlenanzünder warf er auf einen Tisch hinter dem seitlich unmittelbar an die Einstiegstelle stoßenden Schenktisch, wie die später vorgefundenen Brandspuren bestätigt haben. Alsdann setzte er mit weiteren Kohlenanzündern und einem Brandmittel, über das unten noch zu sprechen sein wird, die Plüschvorhänge an der dem zweiten Fenster des Restaurationsraums gegenüberliegenden, zur Wandelhalle H 44 führenden großen zweiflügligen Tür von unten in Brand. Die Vorhänge standen sofort in Flammen und fielen nach einiger Zeit brennend zu Boden. Vom Boden stieg ein deutlich sichtbarer Qualm auf. Die dahinterliegenden Türpfosten fingen Feuer und sind teilweise verbrannt. Die Türflügel selbst wurden angekohlt. Der Angeklagte van der Lubbe war inzwischen zu dem gegenüberliegenden zweiten Fenster gelaufen. Hier suchte er die Fenstervorhänge gleichfalls zu entzünden. Da sie imprägniert waren, brannten sie nicht. Van der Lubbe legte darauf das herabhängende Ende des linken Vorhangs auf einen danebenstehenden Tisch und legte brennende Kohlenanzünder darunter. Der Tisch wies später Brandspuren auf, ebenso der Vorhang über die ganze Breite verteilte verbrannte Stellen. Van der Lubbe lief nun - wie eine angebrannte Scheuerleiste zwischen der ersten und zweiten Tür zur Wandelhalle und Reste von Kohlenanzündern beweisen - zunächst noch in den hinteren Teil des Restaurationsraums und wandte sich dann zu der hinter dem Schenktisch liegenden in das Erdgeschoß führenden Treppe H 26. Am Fuß der Treppe zertrümmerte er die Seitenscheibe der verschlossenen Kellertür und stieg durch die entstandene Öffnung in die Küchenräume im Erdgeschoß ein. Hier lief er, einen brennenden Feuerbrand in der Hand, von Raum zu Raum an den mit undurchsichtigem, gewelltem Glas versehenen vergitterten Fenstern des Erdgeschosses entlang durch den Anrichteraum und die Küche bis zum Vorraum E 24 des Beamtenspeiseraums, von außen gesehen dem fünften Fenster der Erdgeschoßfront. Dort wandte er sich nach links zu dem Garderoberaum E 43, der in das Innere des Gebäudes führt. Brandspuren fanden sich später am Fliesenbalg neben der eingetretenen Kellertür, auf einem in der Küche stehenden Hackklotz, an der Speisendurchgabe, deren Scheibe van der Lubbe ebenfalls zwecks Durchkletterns zertrümmert hatte, auf dem Boden des Vorraums E 24 und dem Läufer des Garderoberaums E 43. Von E 43 aus lief van der Lubbe in den hinter der Kleiderablage gelegenen Raum E 21 a, in dem sich eine Waschtoilette mit zwei an der Wand hängenden Handtüchern und zwei Stapeln Servietten befand. Er steckte eine Anzahl der Servietten in Brand, warf sie unter einen dort stehenden Papierkorb, den er umstürzte und mit den brennenden Servietten unter die vor der Holztäfelung hängenden Handtücher stellte. Der Papierkorb, die Holztäfelung und der Waschtisch fingen Feuer. Der Papierkorb brannte bis auf die Metall zwingen der Füße auf. Van der Lubbe lief nun die benachbarte Treppe E 22, die von der Kleiderablage am Südportal zu den oberen Geschossen führt, hinauf, verlor unterwegs, wie vorgefundene Spuren im Teppich beweisen, wieder Teile seines Feuerbrandes und gelangte in die Wandelhalle H 44 und von dort in die große Kuppelhalle H 46. Hier wandte er sich an dem dort stehenden Kaiser-Wilhelm-Denkmal nach rechts durch den Baum H 68 in den Umgang, der rings um den Plenarsaal läuft und an dieser Stelle der Westseite des Plenarsaals die Bezeichnung H 69 führt. Schon vorher, am Eingang der Wandelhalle und in der Kuppelhalle mußte er sich seiner Oberkleider entledigen, da diese offenbar infolge eines mitgeführten selbstenzündlichen Brandmittels, von dem sich Spuren in seinem Mantel haben nachweisen lassen, in Brand geraten waren. Kleine Teile, wie Mütze, Schlips und ein Stück Seife fand man später im Raum 43 am Ende der Treppe 22 vor der Wandelhalle. In der Kuppelhalle fanden sich bei einer Brandstelle im Rücken des Denkmals Reste der verbrannten Weste und des verbrannten Jacketts, Hosenschnalle und Knöpfe und im Durchgang H 68 der wie ein Kissen von etwa 50 x 75 cm Größe fest zusammengelegte Mantel, der noch brennend vorgefunden wurde und aus dem seitlich kleine Flämmchen schlugen. In dem Durchgangsraum H 68 nahm van der Lubbe eine dort hängende Holztafel herunter, lehnte sie an die Wand und legte einen Feuerbrand zwischen Tafel und Wand. Die Wandtäfelung und der Boden fingen Feuer und wurden später brennend vorgefunden. Rechts und links vom Eingang in den Westumgang (H 69) standen mit Fries bekleidete Fernsprechzellen. Die Friesbekleidung der linken Zelle steckte van der Lubbe ebenfalls in Brand. Sie brannte vollständig ab, die Holzteile der Fernsprechzelle verkohlten, Van der Lubbe lief nun links in den Nordumgang, ergriff an der sogenannten Ja-Tür zum Plenarsaal einige Druckschriften, die dort auf einem Pult lagen, und setzte sie in Brand. Die Türfüllung der einen in den Plenarsaal führenden Tür fing Feuer und verkohlte vollständig. Der Angeklagte lief durch den Ostumgang des Plenarsaals in den Bismarck-Saal (H 40) und war im Begriff, vom Raum H 56 aus das Ostende des Südumganges (H 57) in Richtung auf den Ostumgang und den Plenarsaal zu überqueren, wobei er in der Eile seines Laufs einen Teil der Türfüllung der offenbar wider Erwarten nach innen schlagenden Tür zu H 57 eindrückte, als er dort auf den Hausinspektor Scranowitz und den Polizeiwachtmeister Poeschel stieß, die ihm sofort "Hände hoch" zuriefen und ihn festnahmen.

c)

Inzwischen hatte sich im Plenarsaal, von anderer Hand vorbereitet, ein Brand entwickelt, der auf der Grundlage größerer Mengen eingebrachter Brennstoffe in Gestalt von Petroleum oder Schwerbenzin (Benzol oder dergl.) durch Anwendung einer selbstentzündlichen Flüssigkeit, bestehend aus einer Phosphor- und Schwefelkohlenstoffmischung zur Entstehung gelangt war und einen rapiden Verlauf genommen hat. Während um 21,21 Uhr der Saal noch völlig rauch- und zugfrei im Dunkel dalag und nur auf dem Präsidium die auf dem Tische ausgegossenen oder angebrachten Brennstoffe und die dahinter befindlichen Vorhänge mit einer mehrere Meter breiten und noch höheren ruhigen und zusammenhängenden Flamme brannten, waren schon ein bis zwei Minuten später auf der Regierungs- und Reichsratsestrade links und rechts vom Präsidium etwa 15 und in der zweiten und dritten Sitzreihe der Abgeordneten etwa 10 weitere getrennte kleine Flackerfeuer von etwa 50 x 50 cm Größe aufgeflammt und schlug aus dem Stenographenraum unterhalb des Präsidiums von der Stelle der dort hängenden Vorhänge eine fauchende hohe Flamme heraus. Nach weiteren 2 bis 3 Minuten war der ganze Saal mit einem dichten Nebel erfüllt und 2 Minuten darauf um 21,27/28 Uhr erfolgte unter der Staubdecke des Saales plötzlich eine Verpuffung (Explosion). Die gläserne Staubdecke und das darüber befindliche schräge Glasdach wurden zerstört, im weiteren Verlauf zersprang auch die Verglasung der Kuppel. Die Pendeltüren nach dem Westumgang schlugen infolge des Drucks von innen von selbst auf. Es entstand ein überaus starker Zug in den Saal hinein und zum Kuppelraum hinauf, die den unteren Teil des Saales erfüllenden Gase entzündeten sich und im Augenblick stand der ganze Saal in Flammen. Als der Brand um Mitternacht nahezu gelöscht war, bot der Saal das Bild einer vollkommenen Verwüstung. Die T - und U-Eisen der Rabitzwände, die den Saal nach dem Umgang im ersten Obergeschoß abschlossen, waren auf eine Höhe von ca. 900 mm erheblich nach außen durchgebogen, die Holzbekleidung in den Umgängen größtenteils von den Wänden abgedrückt, Die Ostwand drohte in den Saal zu stürzen. Die Tribünen und der Saal waren vollkommen ausgebrannt.

d)

An der Vorbereitung und Anlegung dieses Brandes im Plenarsaal sind mindestens ein, wahrscheinlich mehrere Mittäter van der Lubbes beteiligt gewesen. Einer dieser Täter hat das Reichstagsgebäude kurz vor oder nach 21 Uhr durch das Südportal II, das von anderer Hand aufgeschlossen und aufgeriegelt und hinter ihm wieder ordnungsmäßig verschlossen wurde, verlassen und sich eiligen Laufs in Richtung Königsplatz entfernt.

II. Die Bekundungen der Zeugen und Sachverständigen.

Der vorstehend festgestellte Sachverhalt beruht auf den eigenen Angaben des Angeklagten van der Lubbe in Verbindung mit den bereits erwähnten Befunden der Augenscheinseinnahme und auf den noch zu erörternden Wahrnehmungen der Zeugen und Sachverständigen. Die Angaben van der Lubbes über seine Mitwirkung bei der Brandstiftung hat der Senat nur insoweit als glaubhaft seinen Feststellungen zu Grunde legen können, als sie durch die Befunde an Ort' und Stelle und die Wahrnehmungen der Zeugen und Sachverständigen unterstützt werden.

a)

Die zuletzt getroffene Feststellung über das Entkommen eines der Mittäter beruht auf den Aussagen der Zeugen Bogun und Kuesner in Verbindung mit den Angaben der Zeugen Scranowitz und Woköck. Bogun, der kurz vor oder nach 21 Uhr von einem Vortrag aus dem Haus der Ingenieure gegenüber der Südostecke des Reichstagsgebäudes kam und in Richtung Königsplatz auf dem dem Portal II des Reichstagsgebäudes gegenüberliegenden Fußwege der Simsonstraße am Tiergarten entlang ging, hörte, als er etwa 20 m von diesem Portal entfernt war, von dorther plötzlich ein Rasseln. Sr sah, daß sich der eine Flügel des unbeleuchteten Portals öffnete und ein großer Mann mit blassem Gesicht, Hut, dunklem Mantel und hellerer Hose heraustrat. Der Mann stutzte einen Augenblick, schien ihm zu zwei Frauen hinüberzusehen, die Bogun auf dem Fußweg entgegenkamen und mit der Hand ein Zeichen zu geben schienen, und lief dann eilends in Richtung Königsplatz davon, an dem zweiten Kandelaber an dem Reichstagsgebäude sich nochmals umsehend. Eine ähnliche Wahrnehmung machte auch die Zeugin Frau Kuesner. Sie kam um dieselbe Zeit - ihre Zeitangabe kurz vor 21 Uhr ist nach den gegebenen Unterlagen nur eine Schätzung- die Hermann-Göring-Straße vom Platz am Brandenburger Tor her auf der Tiergartenseite in Richtung auf die Südost-Ecke des Reichstagsgebäudes zu, um den der Ostfront des Reichstagsgebäudes gegenüberliegenden Nationalen Klub aufzusuchen. An der Simsonstraße auf etwa 50 m Entfernung sah sie, daß sich der mit einer weißen Tafel versehene östliche Flügel des ihr wohlbekannten unbeleuchteten Portals II plötzlich nach innen öffnete und eine männliche Person, die sie nicht näher erkennen konnte, schnell die Stufen hinabsprang und sich nach dem Königsplatz zu eiligst entfernte.

b)

Die Wahrnehmungen der übrigen Zeugen setzen bereits unmittelbar nach dem Hinaufklettern van der Lubbes auf den Balkon ein. Schon die Zertrümmerung der Scheibe und der Einstieg waren nicht unbemerkt geblieben. Der Schriftsetzer Thaler, der kurz nach 21 Uhr die Simsonstraße entlang in Richtung Lehrter Bahnhof ging, hörte an der Südwestecke des Reichstagsgebäudes plötzlich ein Klirren aus der Richtung der Rampe, die von hier zur großen Freitreppe der Säulenvorhalle der Westfront emporführt. Er lief die Rampe ein Stück hinauf und beobachtete von dort vor dem ersten Fenster des Hauptgeschosses neben der Säulenvorhalle Schatten, wie ihm schien, von zwei Gestalten, von denen einer ihm durch das zertrümmerte Fenster zu verschwinden schien. Die Beleuchtung war allerdings denkbar schlecht. Der Zeuge hält daher für möglich, daß es sich lediglich um eine Person gehandelt hat, die sich gebückt hat und zeitweise hinter der Steinbrüstung des Balkons verschwunden ist, um dann wieder aufzutauchen. Thaler lief nun die Rampe hinunter und in die Simsonstraße zurück bis fast in Höhe des Portals II und rief, weil er vorher dort einen Schutzpolizeibeamten hatte gehen sehen, in das Dunkel hinein "Schupo, da steigt Jemand ein." - Inzwischen war aus Richtung Friedensallee der Student Flöter auf den Platz vor dem Reichstagsgebäude gekommen, um vor der Westfront des Reichstagsgebäudes her zur Hindersinstraße zu gehen. In Höhe der Rampe hörte er ebenfalls ein Klirren. Er maß aber zunächst dem keine Bedeutung bei. Nach etwa zwei bis drei Schritten wiederholte sich Jedoch das Klirren und Flöter sah nun auf dem Balkon des ersten Hauptgeschoßfensters neben der Säulenvorhalle einen Mann mit einem Feuerbrand in der Hand, der eine Fensterscheibe einschlug oder eintrat. Er lief sofort zu dem an der Nordwestecke des Reichstagsgebäudes stehenden Schutzpolizeibeamten, Polizeiwachtmeister Buwert, rief ihm zu "Da schlägt einer Fenster ein Feuer ist da auch" und setzte ihn in Bewegung in Richtung auf den Tatort. Er selbst ließ Buwert allein weiterlaufen und begab sich in seine in der nahen Hindersinstraße gelegene Wohnung. Die Zeit geben beide Zeugen übereinstimmend auf 21,05 Uhr an. Buwert lief die Freitreppe hinauf auf die Rampe gegenüber dem Fenster. Von dort sah er gegenüber dem zweiten Fenster im Hintergrunde etwas schnell von unten herauf brennen, das er für einen Store hielt. Er rief einem neben ihm stehenden Zivilisten zu, er solle schnell zur Wache am Brandenburger Tor laufen und Feuer melden. Inzwischen hatten auch die Eheleute Kuhl und Freudenberg, die über den Königsplatz am Bismarck-Denkmal vorbei in Richtung Simsonstraße gingen, in den weithin sichtbaren Restaurationsfenstern den Lichtschein bemerkt. Beim Näherkommen sahen sie ebenfalls den Türvorhang im Hintergrund in Flammen aufgehen. Frau Freudenberg sah ihn niederfallen und einen Qualm vom Boden aufsteigen. Sie lief nun mit ihrem Ehemann und dem Ehemann Kuhl zu dem gegenüber der Sudostecke des Reichstagsgebäudes liegenden Haus der Ingenieure und ließ von dort eine Feuermeldung durchgeben. Frau Kuhl blieb bei Buwert auf der Rampe. Zu ihnen gesellte sich der Zeuge Thaler, der von seinem Lauf nach der Simsonstraße zurückkam. Er fand bei seiner Rückkehr bereits alle drei Fenster des Restaurationsraums hell erleuchtet. Nach seiner Uhr war es jetzt 21,10 Uhr. In diesem Augenblick - auch Buwert gibt die seit seinem Eintreffen verstrichene Zeit übereinstimmend mit Thaler auf etwa 4 Minuten an -sahen die drei Zeugen im Erdgeschoß einen Lichtschein auftauchen, der sich hinter den undurchsichtigen gewellten Scheiben von Fenster zu Fenster bewegte und zeitweise - wie der Augenschein ergeben hat infolge der Spiegelung - wie zwei Lichtkreise erschien. Der Träger dieses Feuerbrands lief bis zum fünften Fenster und verhielt dort einen Augenblick. Diesen Augenblick benutzte Buwert, um mit seiner Dienstpistole einen Schuß in das Fenster abzugeben. Er sprang die Rampe hinunter an das Fenster, der Lichtschein war aber bereits im Innern des Gebäudes verschwunden, Buwert schickte nun einen hinzugekommenen Reichswehrsoldaten nochmals zur Wache am Brandenburger Tor und einen Streifenbeamten zum Feuermelder an der Moltkestraße. Er selbst ging über die Freitreppe zurück zur Nordwestecke des Reichstagsgebäudes und traf dort den Polizeiwachtmeister Poeschel, der an der Ost- und Nordfront Dienst hatte. Diesen schickte er mit der Brandmeldung zum Nachtpförtner Wendt im Nordportal V. Poeschel forderte Wendt auf, den Hausfeuermelder zu ziehen und mitzukommen. Wendt will dies nicht gehört haben. Jedenfalls zog er den Feuermelder nicht, sondern lief hinter Poeschel her. Er behauptet, das Portal V abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt zu haben. Er überzeugte sich, wo das Feuer war, lief dann zurück und gab die Meldung an den Maschinenmeister den Hausinspektor und den Botenmeister telefonisch durch.

c)

Inzwischen war - nach der Eintragung im Wachtbuch um 21,15 Uhr - der Brand durch einen Zivilisten auf der Polizeiwache am Brandenburger Tor gemeldet. Der diensthabende Polizeileutnant Lateit bestieg sofort mit einigen Beamten einen zufällig bereitstehenden Kraftwagen und fuhr zum nahen Reichstag. Nach Meldung durch Buwert diktierte er dort an der Südwestecke dem Polizeiwachtmeister Graenig für die Wache folgenden Befehl: "21,17 Uhr im Reichstag Feuer, Verstärkung erforderlich" Er lief dann mit den Polizeiwachtmeistern Losigkeit und Poeschel über Portal II, das nach Poeschels Feststellung verschlossen war, um die Ostseite des Gebäudes herum zum Nordportal V. Dort traf er den Hausinspektor Scranowitz mit den Schlüsseln. Alle vier eilten die Treppe zum Hauptgeschoß hinauf in die Wandelhalle H 48 in Richtung auf die Kuppelhalle und den Restaurationsraum. Auf dem Teppich nahe der Kuppelhalle fand Scranowitz eine Glimmstelle, die er austrat. Er lief dann zunächst durch die Kuppelhalle zur Treppe 26, um mit dem dort befindlichen Schalter den großen Kronleuchter im Kuppelsaal einzuschalten Lateit wandte sich links am Denkmal vorbei zum Durchgang H 68 in den Plenarsaalumgang, von wo er einen flackernden Feuerschein bemerkte. An der Glastür zum Durchgang stieß er auf den schon erwähnten, noch brennenden Mantel van der Lubbes. In dem Durchgang brannte es hinter einer an die Wand gelehnten Tafel. Die Vorhänge am Eingang zum Westumgang des Plenarsaals (H 69) rechts und links brannten lichterloh und zwar beide schräg, der rechte von rechts oben nach links unten und der linke von links oben nach rechts unten. Lateit lief hindurch auf die gegenüberliegende linke Pendeltür zu, die zum Plenarsaal führte und durch deren Milchglasscheiben er einen Feuerschein bemerkte. Er stieß die Tür auf und sah folgendes Bild vor sich. Einen dunklen Saal mit schräg nach unten verlaufenden Sitzreihen. Im Hintergrunde an der gegenüberliegenden Seite auf dem Präsidententisch einen Feuerherd nach seiner Schätzung von etwa 3 m Brette und größerer Höhe, über den noch einzelne Flammenspitzen hinausragten, so daß das Ganze wie eine Flammenorgel wirkte. Die Flammen standen außerordentlich ruhig. Weder links noch rechts davon, auf den Regierungs- und Reichsratsbänken, noch in den Stuhlreihen der Abgeordneten darunter war irgendein Feuer zu sehen. Im Saal war keinerlei Rauch wahrzunehmen, auch keinerlei Zug zu spüren. Auch Poeschel und Losigkeit, die über Lateits Schultern sahen, nahmen das gleiche Bild wahr. Losigkeit glaubt auch bereits am Stenographentisch eine Flamme gesehen zu haben. Lateit wandte sich alsbald wieder um, rief: "Pistolen raus, Brandstiftung", ließ Poeschel zur Begleitung des Hausinspektors zurück und lief selbst zum Nordportal zurück.

Scranowitz hatte inzwischen den Kronleuchter eingeschaltet. Er warf dann zunächst einen Blick durch die Tür des benachbarten Restaurationsraums. Im selben Augenblick schlug am gegenüberliegenden Fenster die Feuerwehr die Scheiben ein. Scranowitz schloß sofort wieder die Tür, aus der ihm Flammen entgegenschlugen, und eilte nun zum Plenarsaal, wo sich ihm Poeschel anschloß. Im Vorraum H 68 stieß er an den Mantel van der Lubbes. Durch die brennenden Vorhänge lief er an die Tür H 69. Auch er sah einen Augenblick durch diese Pendeltür in den ihm wohlbekannten Plenarsaal. Das Bild, das er jetzt vor sich sah, unterschied sich wesentlich von dem, das die Zeugen vor ihm gesehen hatten. Er sah die drei Vorhänge hinter dem Präsidententisch bis zur Oberkante der Holzverkleidung in Flammen stehen. Auf dem Präsidententisch, dem Rednerpult und dem Tisch des Hauses brannten nach seiner Schätzung etwa 1 m breite, nach dem Ausdruck des Zeugen, gemütliche Flackerfeuer. Außerdem aber brannten die Vorhänge an der Treppe des Stenographenraums zum Erdgeschoß lichterloh mit fauchender Flamme und auf den Regierungs- und Reichsratsbänken und in der zweiten und dritten Reihe der Abgeordnetensitze etwa 20 bis 25 kleine Feuer, je etwa 50 cm breit und hoch, gleichfalls ruhige Flackerfeuer, untereinander ohne Verbindung. Die erste Reihe der Sitze, die allein noch mit Pulten versehen war, war frei. Scranowitz eilte nun mit Poeschel in den Südumgang, um die Portal Schlüssel zu holen. Dort brannten am ersten Fenster die Vorhänge bis zur Decke, dahinter ein Ledersofa; am dritten Fenster steckte in einem Ledersessel eine Art Fackel, die Scranowitz mit dem Fuß austrat. Plötzlich standen beide dem von rechts aus H 56 kommenden Angeklagten van der Lubbe gegenüber, der nur mit Hose und Schuhen bekleidet und mit Schweiß bedeckt war. Van der Lubbe ließ sich ohne Widerstand festnehmen und abführen. Im Abführen rief ihm Scranowitz zu: "Warum hast du das getan?" und versetzte ihm dabei ein paar Faustschläge in die Seite. Van der Lubbe rief darauf: "Protest, Protest."

Inzwischen hatte der Zug 6 der Feuerwehr in der Linienstraße - Oberbrandmeister Puhle -, der um 21,14 Uhr alarmiert und bereits 21,18 Uhr an der Nordostecke des Reichstags eingetroffen war, die Bekämpfung des Feuers im Restaurationsraum mittels Steckleitern und Einschiagens des zweiten Fensters um etwa 21,23 Uhr in Angriff genommen. Der Zug 7 in Moabit - Brandmeister Klotz -, der um 21,14 1/2 Uhr vom Feuermelder Moltkestraße aus alarmiert war, war um 21,19/20 Uhr ebenfalls an der Südwestecke des Reichstagsgebäudes eingetroffen und von dort um die Süd- und Ostfront herum zum Nordportal V gefahren, wo er etwa Um 21,20/21 Uhr anlangte. Während dort die Schläuche in das Innere vorgebracht wurden, um von dort aus an den bis dahin allein bekannten Brandherd im Restaurationsraum herangebracht zu werden, lief der Brandmeister Klotz, von dem ihm entgegenkommenden Zeugen Lateit über die Richtung kurz unterrichtet, hinauf in die Kuppelhalle. Er sah schon von weitem den Widerschein des Brandes im Durchgangsraum H 68 auf dem weißen Denkmal. Zwischen Denkmal und Glastür fand er eine Glimmstelle im Teppich. Hier fand er später die erwähnten Reste der verbrannten Jacke und Weste, eine Hosenschnalle und Knöpfe van der Lubbes. Beim weiteren Vordringen sah er den Brand im Durchgang H 68 und sah, daß im Westumgang an den Vorhängen und den Fernsprechzellen alles in hellen Flammen stand. Wandbekleidung und Decke hatten schon Feuer gefangen. Klotz nahm eine mitgebrachte Eimerspritze und löschte den Brand ab. Das nahm etwa 3 Minuten in Anspruch. Dann öffnete er die mit Mattscheiben versehene Pendeltür H 69, durch die vor ihm Lateit und dann Scranowitz in den Plenarsaal gesehen hatten, Aus dem Saal schlug ihm eine auffallend starke Hitze und Qualm entgegen. Der ganze Saal war mit einem Nebel erfüllt, der nichts erkennen ließ als nur im Hintergrunde links oben einen Feuerschein. Klotz schloß die Tür und ließ die Schläuche vorziehen, um auf die Wände des Saales Wasser zu geben. Das dauerte etwa 2 Minuten.

Inzwischen war vom Restaurationsraum her der Oberbrandmeister Puhle hinzugekommen, der im Restaurationsraum den auf dem Tisch vor dem zweiten Fenster liegenden, mit zischendem Laut brennenden Vorhang und die brennende Türverkleidung gegenüber abgelöscht hatte. In diesem Augenblick, noch ehe mit dem Wassergeben auf den Saal begonnen wurde, öffnete sich plötzlich ruckartig die Pendeltür des Plenarsaals. Es gab einen hörbaren Puff, der ganze Saal ging ruckartig in Flammen auf und war im Augenblick ein einziges Flammenmeer. Es entstand jetzt im Gegensatz zu vorher ein so starker Zug in den Saal hinein, daß die Anwesenden sich an der Tür festhalten mußten, damit sie nicht hineingezogen wurden. Der Saal wurde nun von allen Seiten unter Wasser genommen. Es war inzwischen zunächst von Brandmeister Wald, der am Portal V bei dem Zuge 7 das Kommando führte, zehnter Alarm durchgegeben und daraufhin der Oberbrandmeister Gempp an der Brandstelle erschienen. Gempp erhielt auf seine Meldung bei dem in diesem Augenblick gleichfalls eintreffenden Polizeiminister Goering die Weisung, sich in seinen Anordnungen durchaus nicht stören zu lassen, er, Gempp, habe hier die Verantwortung, Gempp befahl darauf sofort die 15. Alarmstufe, so daß die Feuerwehr kurz darauf mit 15 Zügen gleich 60 Fahrzeugen zur Stelle war. Der Saal war jedoch nicht mehr zu retten. Erst um 23,57 Uhr konnte gemeldet werden, daß das Feuer fast gelöscht wäre und zunächst einmal zwei von den 15 Zügen abgerückt wären. Ein Betreten des Plenarsaals war bis dahin und auch jetzt noch vollkommen unmöglich. Weder jetzt noch vorher oder später wurden, wie fälschlich verbreitet ist, von der Feuerwehr Mengen von Brandmaterial gefunden und beseitigt.

Der Zeuge Lateit hatte nach dem Blick in den Plenarsaal und der Begegnung mit Klotz und kurzer Einteilung seiner Posten durch das Nordportal V den Reichstag wieder verlassen und war an der Westfront vorbei, wo Puhle im Begriff war einzusteigen, zur Brandenburger-Torwache zurückgelaufen. Ausweislich des Meldebuchs gab er von hier um 21,25 Uhr eine Meldung an seine vorgesetzte Dienststelle durch. Dann lief er mit einigen Beamten zurück zum Reichstagsgebäude und durch das von Scranowitz verschlossen vorgefundene und inzwischen geöffnete Südportal II wieder in das Gebäude hinein. In der Waschtoilette E 21 a sahen er und seine Leute die Reste des verbrannten Papierkorbs und das brennende Paneel und den Waschtisch, die vorher von Scranowitz schon zum Teil abgelöscht waren. Lateit durchlief nun mit dem Botenmeister Prodöhl die Räume des Erdgeschosses bis zu der von van der Lubbe zertrümmerten Kellertür und fand auf seinem Wege die zertrümmerte Scheibe der Speisendurchgabe, aus der die Splitter sorgfältig entfernt waren, und die oben erwähnten Brandspuren. Nach Absuchen der südlichen Erdgeschoßräume lief er sodann die Treppe 22 hinauf. Vor der Tür der Wandelhalle fand er Mütze, Schlips und Seife van der Lubbes. Hier erfuhr er von seinem Vorgesetzten, daß der Täter festgenommen sei, und wurde zur Wache zurückgeschickt.

d)

Nach diesen Bekundungen der Zeugen lassen sich zunächst die Zeitpunkte der einzelnen Beobachtungen im Plenarsaal genau festlegen. Eine sichere Grundlage gibt hier die von dem Zeugen Lateit mit Zeitangabe 21,17 Uhr an der Südwestecke des Reichstagsgebäudes diktierte Meldung und die Eintragung seiner Meldung an seine vorgesetzte Dienstbehörde um 21,25 Uhr unter Zeitangabe in das Meldebuch der Wache. In den zwischen beiden Meldungen liegenden 8 Minuten hat Lateit im Laufschritt gleichweite Wege um die Süd- und Ostseite des Reichstagsgebäudes durch das Nordportal bis zur Tür des Plenarsaals und zurück aus dem Nordportal um die West- und Südseite bis zur Südostecke des Reichstagsgebäudes zurückgelegt. Sein Blick in den Plenarsaal kann also ziemlich genau auf 21,21 Uhr, vermindert um die Zeit, die Lateit von der Südostecke des Reichstagsgebäudes zur nahen Wache noch gebraucht hat, also auf etwa 21,20/21 Uhr festgelegt werden. Der Zeuge Scranowitz hat nach ihm um 21,22 Uhr in den Saal gesehen. Unmittelbar vorher hatte er das Einschlagen der Fensterscheiben im Restaurationsraum wahrgenommen, durch die der Zeuge Puhle als erster nach seiner Angabe um etwa 21,23 Uhr eingestiegen ist. Dem Zeugen Klotz, der etwa 21,19/20 Uhr am Nordportal eingetroffen war, begegnete Lateit um 21,21/22 Uhr auf der Treppe. Mit seinem weiteren Weg bis zum Westumgang und den drei Minuten Löscharbeit mit der Eimerspritze war es 21,25 Uhr bis zu seinem Blick in den Plenarsaal geworden. Nach seinen und Puhles übereinstimmenden Angaben ist um 21,27/28 Uhr der Plenarsaal ruckartig in Flammen aufgegangen.

e)

Das hieraus gewonnene lückenlose Bild des Brandablaufs im Plenarsaal im Gegensatz zu dem Verlauf der Brandstiftungen im Restaurationsraum und im Erdgeschoß ergibt nach den übereinstimmenden und überzeugend begründeten Gutachten der über die Frage der Entstehung des Brandes im Plenarsaal vernommenen Sachverständigen Professor Dr. Josse, Dr. Werner, Oberbranddirektor Wagner und Dr. Schatz mit Sicherheit, daß der Brand im Plenarsaal sich nicht in natürlicher Weise entwickelt hat, daß die festgestellte Entwicklung vielmehr auf die Einbringung künstlicher Brennstoffe durch mindestens einen, wahrscheinlich aber mehrere Mittäter van der Lubbes und die Verwendung einer selbstentzündlichen Flüssigkeit zurückzuführen ist. Der Saal mit seiner in der Hauptsache aus Stühlen, Tischen und Abgeordnetensitzen bestehenden Einrichtung enthielt zwar eine Menge brennbaren, aber, wie die vom Sachverständigen Wagner vorgenommenen Brandversuche ergeben haben, durchweg schwer entflammbaren Materials. Irgendwelche Prasselgeräusche, wie sie der Brand von Holz stets hervorruft, sind auch von keinem der Zeugen, die in den Plenarsaal gesehen haben, wahrgenommen. Es muß nach den Darlegungen des Sachverständigen Wagner als ausgeschlossen gelten, daß in der kurzen Zeit von 21,21 Uhr das örtliche beschränkte Feuer, das der Zeuge Lateit beobachtet, bis 21,27 Uhr unter natürlichen Bedingungen eine derartige Ausdehnung annehmen konnte, daß der ganze Saal um diese Zeit bereits ein einziges Flammenmeer bildete. Besondere, einen lebhafteren Brand begünstigende Bedingungen aber fehlten. Insbesondere war die Lüftungsanlage des Saales, wie die Sachverständigen Professor Dr. Josse und Dr. Werner auf Grund eigener Feststellungen und an Hand der Wahrnehmungen der Zeugen Risse und Mutzka überzeugend dargelegt haben, nicht im Betriebe. Die Abluft-Klappe in dem zur Laterne hinaufführenden Abzugsschacht war geschlossen, Zugseil und Kette wurden nach dem Brande in Verschlußstellung vorgefunden, das Seil war durchgeschmort und die Klappe selbst wies wohl unten, nicht aber auf der Oberseite, Rußbildung auf, war dagegen oben mit aus dem Abzugsschacht infolge der Hitze herabgefallenen Korkresten bedeckt, die ihrerseits unter den im Laufe des Brandes herabgefallenen Gipswänden lagen. Die übrigen Abluftöffnungen, die überhaupt nur ausnahmsweise geöffnet wurden,- zwei Eisenblechtüren und vier zweiflügelige Klappfenster, die unmittelbar in die Kuppel führen - waren ebenfalls vor und während des Brandes verschlossen, wie die Überlegung ergibt, daß die andernfalls infolge der Hitze eingetretenen Verwerfungen einen dichten Verschluß, wie er nach dem Brande vorgefunden wurde, unmöglich gemacht hätten. Die Zuluft war gleichfalls nicht in Betrieb. Motorgeräusch, das bei laufendem Motor deutlich zu hören gewesen wäre, ist vom Zeugen Beleuchter Scholz bei seinem Rundgang gegen 20 1/2 Uhr nicht wahrgenommen. Bei Zuführung von Frischluft wäre auch ein Durchschmelzen der Messingbleche der Eintrittsöffnungen, deren Schmelztemperatur bei 900 Grad liegt, wie es tatsächlich stattgefunden hat, nach den Darlegungen des Sachverständigen Professor Dr. Josse nicht möglich gewesen.- Aber nicht nur die Kürze der Zeit, in der sich der Brand entwickelt hat, sondern auch die Art seiner Ausbreitung weist auf künstlich geschaffene Bedingungen hin. Statt einer natürlichen Ausbreitung des Feuers nach den Seiten und nach oben sah schon ein bis zwei Minuten nach Lateit der Zeuge Scranowitz einzelne, abgetrennte und untereinander nicht zusammenhängende Brandherde nicht nur auf den Regierungs- und Reichsratsbänken, sondern jetzt auch unten in den tieferliegenden Sitzreihen der Abgeordneten. Die auffallende Tatsache, daß die erste infolge der Umbauten allein noch mit Pulten versehene Sitzreihe frei war, legt die Annahme nahe, daß das Brandmaterial in den von der zweiten Reihe ab zur Aufnahme von Druckschriften an den Sitzen des Vordermannes befestigten, seit den letzten Sitzungen aber vollkommen ausgeleerten Holzkästen untergebracht war.- Einen klaren Beweis aber für die Verwendung von Petroleum oder Schwerbenzin (Benzol oder dergl.) als Brandmaterial im Plenarsaal bildet nicht nur die auffallend starke Berußung namentlich im Gang vor dem Stenographenraum, sondern vor allem die Tatsache, daß das ruckartige Aufgehen in Flammen um 21,27 Uhr seine Ursache unzweifelhaft in einer unter der Staubschutzdecke des Saales stattgefundenen Verpuffung (Explosion) eines nach oben aufgestiegenen und erhitzten Gemisches von Luft; Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoff gasen gehabt hat, das sich aus der unvollkommenen Verbrennung erheblicher Mengen eingebrachter flüssiger Brennstoffe entwickelt hatte. Der Sachverständige Professor Dr. Josse hat das an Hand der oben dargelegten Folgeerscheinungen des Verpuffungsdrucks an den Trägern der Saalwände im ersten Obergeschoß und den hier verwendeten Rabitzwänden klar nachgewiesen. Es unterliegt danach keinem Zweifel, daß dieses explosive Gasgemisch durch seine Verpuffung die gläserne Staubschutzdecke und das darüber befindliche Glasdach zerstört hat und dadurch den ungeheuren Zug in die Kuppel hinein und später nach Zersprengung der Verglasung der Kuppel durch die Kuppel hindurch hervorgerufen hat. Damit sind die mit brennbaren, aber nicht explosiven Oasen erfüllten unteren Teile des Saales schlagartig in Brand gesetzt mit dem Erfolg, daß der Saal mit seinem Inhalt infolge der erzeugten hohen Hitzegrade sofort ein einziges Flammenmeer bildete und in wenigen Stunden ein Raub der Flammen war.- Dieser Verlauf des Brandes namentlich auch die Entstehung neuer Einzelherde in den unteren Teilen und die vom Zeugen Klotz beobachtete Bildung eines dichten Nebels legte für den chemischen Sachverständigen Dr. Schatz die Vermutung nahe, daß auf der Grundlage einer Ausbreitungsflüssigkeit wie Petroleum oder Schwerbenzin zur Entzündung eine selbstentzündliche Flüssigkeit, bestehend aus einer Mischung von Phosphor und Schwefel-Kohlenstoff, verwandt sein könne. Die von diesem Sachverständigen im Laufe der Hauptverhandlung vorgenommenen chemischen Untersuchungen von Erdproben unter den Vorhängen hinter dem Präsidentensitz, von Niederschlagen auf den Eisenträgern über diesen Vorhängen, von Mörtel an der Wand hinter dem Präsidentensitz, von Erde aus dem Bereich des sog. Tisches des Hauses, von Rußbeschlag an der Decke des Ganges E 63 vor dem Stenographenraum und von Niederschlägen in den Entlüftungsanlagen und Entlüftungsklappen des Erdgeschosses haben durch ihren objektiv einwandfreien Befund diese Annahme voll bestätigt. Alle diese Erdproben und Niederschläge enthielten die Verbrennungsprodukte der Phosphor= Schwefelkohlenstofflösung in den verschiedensten Oxydationsstufen, je nachdem wie weit die Einwirkung des Luftsauerstoffes sich bis zur Untersuchung hatte vollziehen können. Dort, wo gleichzeitig Erdölrückstände festgestellt wurden, fanden sich phosphorige und schwefelige Säure vor, weil hier die Einwirkung des Luftsauerstoffes infolge Einschlusses in die Erdölrückstände verhindert war. Da in dem Ruß der Entlüftungsanlagen und in der Erde am Präsidententisch sowie am Tisch des Hauses gleichzeitig Naphtalin und Erdölrückstände festgestellt werden konnten, ist anzunehmen, daß die Phosphor-Schwefelkohlenstofflösung in Verbindung mit den aus einem Gemisch von Sägemehl und Rohnaphtalin bestehenden Kohlenanzündern verwendet ist derart, daß die Tische und Sitze mit einer zur Ausbreitung des Feuers dienenden Ausbreitungsflüssigkeit wie Petroleum oder Schwerbenzin getränkt oder mit derartig getränkten Lappen oder getränktem Werg belegt und die Kästen an den Abgeordnetensitzen mit derartig getränkten Stoffen gefüllt worden sind. Diese Ausbreitungsflüssigkeit ist dann durch mit der Zündlösung getränkte Kohlenanzünder, die eine auf 20 Minuten bis zu einer Stunde je nach der Mischung einstellbare Zeitzündung ermöglichten, in Brand gesetzt. Nach der vorgesehenen Zeit flammen, wie der Augenschein bestätigt hat, die mit dieser Flüssigkeit versehenen Stoffe wie Kohlenanzünder, Lappen oder dergl. von selbst auf und setzen damit die untergelegte leicht brennbare Ausbreitungsflüssigkeit in Brand.

III. Die weitere Einlassung des Angeklagten van der Lubbe.

Aus den vorstehend erörterten Wahrnehmungen der Zeugen von den Ereignissen am und im Reichstagsgebäude, insbesondere dem Brandablauf, und den aus den Sachverständigengutachten gewonnenen Feststellungen der Grundlage des Brandes im Plenarsaal ergibt sich, daß die Darstellung des Angeklagten van der Lubbe von seiner Betätigung bei der Brandstiftung unrichtig ist, soweit der Senat sie nicht seinen Feststellungen oben zu Grunde gelegt hat.

a)

Das gilt zunächst von der Behauptung van der Lubbes, vor dem Hinablaufen in die Küchenräume aus dem Restaurationsraum in die Wandelhalle und Kuppelhalle gelaufen zu sein und sich dort eines Teils seiner Kleider entledigt zu haben, um sie als Feuerträger zu benutzen. Dieser Darstellung stehen schon die Wahrnehmungen der Zeugen Buwert, Frau Kuhl und Thaler entgegen, die ihn etwa 4 Minuten nach dem Einsteigen bereits im Erdgeschoß haben auftauchen sehen, so daß die Zeit keinesfalls genügt hätte, außer den Brandstiftungen im Restaurationsraum und der Zertrümmerung der Scheibe in der Kellertür und dem Durchsteigen dieser Tür auch noch in die Wandelhalle zu laufen und sich dort der Kleider zu entledigen. Bezeichnenderweise ist van der Lubbe bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter vom 5. Mai 1935 in diesem Punkte seiner Darstellung auch unsicher geworden.

b)

Es kann aber auch nicht angenommen werden, daß van der Lubbe mit Hemden und, wie er sogar behauptet, seiner Weste und Jackett, die, weil größtenteils aus Wolle bestehend, mit heller Flamme nicht brannten, das Feuer weitergetragen hat. Er hat, wie der Senat nicht zweifelt mit Kohlenanzündern ebenfalls unter Zuhilfenahme der Zündflüssigkeit, möglicherweise mit solchen, die mit der Zündflüssigkeit besonders präpariert waren, gearbeitet. Der von den Türvorhängen im Restaurationsraum aufsteigende, von der Zeugin Frau Freudenberg wahrgenommene Qualm sowie das vom Zeugen Puhle bemerkte Zischen der unter den Fenstervorhang gelegten Kohlenanzünder sprechen nach Ansicht des Sachverständigen Dr. Schatz für eine Verwendung der Zündflüssigkeit. Ob van der Lubbe in Verbindung mit den Kohlenanzündern noch vorgefundene Tischtücher, Handtücher oder Servietten verwandt hat, mag dahingestellt bleiben.

c)

Daß der Angeklagte van der Lubbe die Zündflüssigkeit bei sich gehabt hat, ergibt sich im übrigen einwandfrei aus der vom Sachverständigen Dr. Schatz vorgenommenen Untersuchung des brennend aufgefundenen Mantels van der Lubbes. Die Manteltasche wies eine deutliche Brandspur auf, die nach innen verlief. Die chemische Untersuchung ergab auch hier die Verbrennungsprodukte des Phosphors und Schwefelkohlenstoffs in verschiedenen Oxydationsstufen wie auch noch nicht oxydierte Reste in Gestalt von Phosphorsäureanhydrit und Schwefelsäureanhydrit.

d)

Diese Feststellungen lassen deshalb auch die Annahme begründet erscheinen, daß van der Lubbe sich seiner Kleider vor dem Betreten des Plenarsaalumgangs in der Kuppelhalle entledigt hat, nicht um sie als Feuerträger zu benutzen, sondern weil sie infolge der selbst entzündlichen Flüssigkeit in Brand geraten waren. Jacke und Weste sind in der Kuppelhalle verbrannt. Ihre Reste sind noch vorgefunden. Der Mantel lag wenige Schritte weiter und brannte noch in ganz typischer Weise trotz Zusammenlegens in nicht erstickten einzelnen Flämmchen.

e)

Eine ganz auffallende Form des Brandes haben auch, wie aus den Bekundungen des Zeugen Lateit hervorgeht, die Vorhänge zwischen H 68 und H 69 gezeigt. Beide brannten schräg von außen oben nach innen unten. Das weist nach der zutreffenden Ansicht des Sachverständigen Dr. Schatz ebenfalls auf Bespritzen mit der Brandflüssigkeit hin. Der Senat nimmt an, daß diese Vorhänge nicht durch van der Lubbe in Brand gesetzt sind. Denn auch an diesem Punkte setzt eine auf dem Hintergrund der sonst sehr sicher und gleichmäßig gemachten Schilderungen seines Brandweges doppelt auffallende Unsicherheit in van der Lubbes Angaben ein. Er hat in der Voruntersuchung erklärt, er wisse nicht, ob er diese Vorhänge angezündet habe und ob dies Jetzt oder später geschehen sei.

f)

Das Inbrandsetzen dieser Vorhänge durch Bespritzen mit der Zündflüssigkeit ist vielmehr nach Ansicht des Senats ebenso, wie wahrscheinlich, wenn auch nicht mit Sicherheit feststellbar, die Brandlegungen im Südumgang auf die Tätigkeit des oder der Mittäter van der Lubbes zurückzuführen. Dafür spricht für den Südumgang der Umstand, daß das vom Zeugen Scranowitz in dem Ledersessel gefundene fackelartige Gebilde, wie auch der Sachverständige Dr. Schatz meint, offenbar eine zu diesem Zweck hergestellte, aus ebenfalls mit Brandflüssigkeit getränktem Vorhangstoff gedrehte Fackel gewesen ist. Möglicherweise ist hierzu der vom Stenographenraum stammende imprägnierte und ohne Zündmittel nicht brennbare Vorhang benutzt, dessen Beste im Westumgang gefunden sind. Die Annahme liegt danach nahe, daß der oder die Mittäter nach Erfüllung ihrer Aufgabe im Plenarsaal die Reste ihrer Zündflüssigkeit an den Vorhängen im Westumgang, im Südumgang und im Bismarck-Saal verwandt haben, wo auf dem Teppich eine deutliche Gießspur gefunden ist, die nach der chemischen Untersuchung des Sachverständigen Dr. Schatz außer von Mineralöl ebenfalls von der Zündflüssigkeit herrührt. Die Darstellung van der Lubbes, der aus dem Ostumgang zunächst in den Südumgang gelangt sein will, dort die Brandstiftungen vorgenommen haben will, dann zurück in den Ostumgang und von dort durch den Bismarck-Saal und H 56 wiederum in den Südumgang bis zu dem Ort seiner Festnahme gelaufen sein will, erscheint dem Senat nicht glaubhaft.

g)

Unzweifelhaft widerlegt ist aber die Angabe van der Lubbes, er habe den Brand im Plenarsaal ebenfalls allein, lediglich mit Hilfe einer brennenden Gardine oder dergleichen hervorgerufen, die er von einem von ihm am Präsidium in Brand gesetzten Vorhang abgerissen und quer durch den Saal bis zum Westumgang hinter sich hergeschleift habe. Daß eine derartige Inbrandsetzung des Saales bei dem im Saal vorhandenen schwer entflammbaren Material schon an sich nicht möglich ist, ist bereits aus den obigen Erörterungen zu den Gutachten der Sachverständigen zu entnehmen. Dazu reichte auch die van der Lubbe zur Verfügung stehende Zeit gar nicht aus. Darüber hinaus steht auf Grund dieser Gutachten im wesentlichen fest, in welcher Weise der Brand vorbereitet und entfacht ist. Auch diese Vorbereitungen können mit Rücksicht auf die erforderliche Bereitstellung des Materials und die dazu erforderliche Ortskenntnis durch van der Lubbe allein nicht bewerkstelligt sein, wenn er daran überhaupt beteiligt gewesen ist. Eine Mitwirkung van der Lubbes in dem Plenarsaal durch Durchtragen einer Brandfackel oder dergleichen wäre angesichts der angewandten Selbstentzündung völlig überflüssig gewesen. Auch ein Betreten des Saales durch van der Lubbe ist dem Senat daher nicht glaubhaft.

IV. Die Verabredung van der Lubbes und seiner Mittäter.

a)

Eine solche Tätigkeit im Plenarsaal würde auch gar nicht im Rahmen der Aufgabe gelegen haben, die van der Lubbe im Zusammenwirken mit dem oder den Mittätern offenbar zugewiesen war. Es kann nach Ansicht des Senats keinem Zweifel unterliegen, daß die Tätigkeit van der Lubbes im Reichstag im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem oder den Mittätern erfolgt ist, die im Plenarsaal den Brand vorbereitet und die Selbstzündung angelegt haben. Daß das seitliche Zusammentreffen des Brandes im Plenarsaal und der Brandlegung van der Lubbes kein zufälliges war, bedarf keiner Erörterung. Die Tatsache, daß van der Lubbe Punkt 21 Uhr einstieg, beweist, daß eine auf Uhrzeit festgelegte, dem planmäßigen Ineinandergreifen der Brandstiftungen dienende Verabredung zwischen van der Lubbe und den. Mittätern stattgefunden hatte. Diesen Mittätern oder ihren Hintermännern waren offenbar die im Reichstagsgebäude herrschenden Gewohnheiten, von denen andererseits van der Lubbe ohne sie nichts wissen konnte, genau vertraut. Denn um 20 Uhr werden alle Portale außer dem Nachtportal V geschlossen. Nach dem Rundgang des Beleuchters, der eine halbe Stunde nach Schluß des Portals beendet ist, und nach Abholung der Post um 21 Uhr findet im Gebäude bis zum Dienstantritt des Nachtwächters um 22 Uhr und der nächsten Postabholung um dieselbe Zeit kein Rundgang statt. Das war allen mit den Gepflogenheiten im Gebäude vertrauten Personen bekannt. Am Brandabend war Portal II um 20,10 Uhr geschlossen. Um 20,25 Uhr hatte der Beleuchter Scholz seinen Blick in den Plenarsaal geworfen und festgestellt, daß kein Licht brannte. Offensichtlich ist diese Zeit, in der es ruhig im Hause war und Kontrollen außer den erwähnten nicht zu erwarten waren, zur letzten Vorbereitung benutzt und für die ungestörte Entwicklung des Brandes von den Mittätern oder Hintermännern gewählt. Die Wahrnehmungen der Zeugen Bogun und Kuesner lassen nur die Deutung zu, daß es einer dieser Mittäter war, der von einem Beteiligten nach beendeter Vorbereitung kurz vor oder nach 21 Uhr aus dem Portal II hinaus gelassen wurde. Daß es sich um den Zeugen Thaler gehandelt hat, ist ausgeschlossen, da dieser nach seiner bestimmten Bekundung gar nicht bis zum Portal II zurück= oder gar die Treppe zum Portal hinauf gelaufen ist. Wie dieser Zweite, der offenbar von innen ordnungsmäßig wieder abgeschlossen hat, zu dem Portal Schlüssel gekommen ist, ist nicht festgestellt. Die Abnahme eines Wachsabdruckes von dem am Tage in der Pförtnerloge des Portals II hängenden Schlüssel und die Anfertigung eines Nachschlüssels danach hätten aber keinesfalls besondere Schwierigkeiten gemacht, wie der Zeuge Scranowitz bestätigt. Über den Verbleib desjenigen, der das Portal II von innen wieder verschlossen hat, und etwaiger sonstiger Mittäter ist gleichfalls nichts bekannt. Daß es solchen Personen, - ebenso wie sie Jederzeit in Begleitung von Abgeordneten oder Personen, die im Besitz ständiger Einlaßkarten oder sonst bekannt waren, wie beispielsweise der Zeuge Oehme, der auch ohne Ausweis ungehindert ein und aus ging, in das Reichstagsgebäude hineingelangen konnten,- mit Leichtigkeit möglich war, bei der infolge des Brandes entstehenden allgemeinen Verwirrung durch eines der für die Feuerwehr geöffneten Portale unbemerkt zu entkommen, ist dem Senat nicht zweifelhaft. Es steht auch nicht sicher fest, daß das Portal V während der Abwesenheit des Pförtners Wendt, als ihm Poeschel die Brandstelle zeigte, verschlossen gewesen ist. Möglicherweise findet auch die vom Zeugen Weberstedt am Morgen des 28. Februar vorgefundene zertrümmerte Oberlichtscheibe im II. Obergeschoß dadurch ihre Erklärung, daß sich dort einer dieser Beteiligten verborgen gehalten und in der Brandnacht beim Herannahen der Streife, die das Haus absuchte, sich mittels der dort vorgefundenen Leiter in das I. Obergeschoß und von da ins Freie in Sicherheit gebracht hat.- Daß der vom Reichstagsgebäude zum Kesselhaus unter der Hermann Göring-Straße hindurchführende unterirdische Gang von den Tätern zum Kommen und Gehen nicht benutzt ist, hat die Beweisaufnahme mit Sicherheit ergeben. Der Gang ist vom Reichstagsgebäude aus über verwickelte Gänge und Treppen durch den im Keller untergebrachten Maschinenraum hindurch zu erreichen und dort wie an seinem anderen Ende nach dem Kesselhaus zu durch eiserne Türen verschlossen, Er hat unter der Dienstwohnung des Reichstagspräsidenten eine Abzweigung, deren Zugang in der Einfahrt dieses Gebäudes gegenüber der Pförtnerloge liegt und die ebenfalls durch eine eiserne Tür abgeschlossen ist. Alle diese Türen wurden von dem Zeugen Weber und den ihn begleitenden Schutzpolizeibeamten unmittelbar nach Entdeckung des Brandes ordnungsmäßig verschlossen vorgefunden. Der Gang besteht aus einem engen Röhrentunnel von knapp Mannshöhe, durch den auf der einen Seite die dicken Rohre der Luftheizung laufen, während auf der anderen Seite sich ein schmaler Fußweg befindet. Dieser Weg ist mit Eisenplatten belegt, die bei Benutzung des Ganges, auch wenn das noch so vorsichtig geschieht, hörbar klappern. In der ständig besetzten Pförtnerloge des Präsidentenhauses ist dieses Klappern, wie sich beim Ortstermin ergeben hat, deutlich zu hören. Die Zeugen Wutstrack und Adermann, die am Brandtage vor und nach 20 Uhr Dienst in der Pförtnerloge des Präsidentengebäudes gehabt und ihren Platz nicht verlassen haben, bekunden, daß an diesem Tage der Zugang vom Präsidentenhause überhaupt nicht benutzt ist. Solange das Maschinenpersonal Dienst hatte, war eine unbemerkte Benutzung des Ganges zum Betreten des Reichstagsgebäudes durch Fremde ausgeschlossen. Nach Dienstschluß des Maschinen= und Kesselpersonals sind nach Angabe der Zeugen keinerlei Geräusche von Schritten in dem Gange gewesen. Es ist deshalb völlig ausgeschlossen, daß irgendeiner der Täter diesen Gang benutzt haben könnte, um in das Reichstagsgebäude hineinoder aus ihm herauszugelangen. Insbesondere ist auf Grund der Bekundungen der Zeugen auch die gänzliche Haltlosigkeit der Unterstellung dargetan, es seien SA-Stoßtrupps zum Zwecke der Brandlegung von der Dienstwohnung des Reichstagspräsidenten aus durch diesen Gang in das Reichstagsgebäude und wieder zurückgelangt. Es ist dies eine Jener ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt aus der Luft gegriffenen Behauptungen, deren Erfinder sich schon durch ihre Annahme, der Gang diene der Verbindung von Reichstagspräsidentenwohnung und Reichstagsgebäude, mit den örtlichen Verhältnissen in Widerspruch setzen. Diese Erfinder übersehen aber vor allem, daß die Abzweigung zur Präsidentenwohnung dort unmittelbar gegenüber der Pförtnerloge mündet, Diese ist stets besetzt, eine unbemerkte Benutzung des Nebenganges daher überhaupt unmöglich. Daß eine Benutzung nicht stattgefunden hat, haben sämtliche diensthabenden Pförtner unter Eid bekundet.

Die erwähnten Mittäter und Hintermänner sind es offenbar auch gewesen, die van der Lubbe die nötige Ortskenntnis vermittelt haben.

Daß er diese in hohem Maße besessen hat, beweist die Sicherheit, mit der er sich in der Brandnacht in dem dunklen Gebäude zurechtgefunden hat und mit der er insbesondere auch nach den übereinstimmenden, Bekundungen der vernehmenden Beamten bei seinen späteren Vernehmungen und Wiederholungen des Brandwegs an Ort und Stelle sich im Reichstagsgebäude bewegt hat. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, daß van der Lubbe entgegen seinem Leugnen, das er übrigens unter einem bezeichnenden Lachen in die Worte, das kann ich nicht sagen" kleidete, in der Woche vor dem Reichstagsbrand an einer der allgemein zugänglichen Besichtigungen des Gebäudes unter Führung des Zeugen Gericke teilgenommen hat. Nicht nur dieser erinnerte sich sogleich bei Veröffentlichung der Bilder van der Lubbes in den Zeitungen, diesen Mann gesehen zu haben und nimmt als sicher an. daß dies bei einer der Besichtigungen gewesen ist, sondern auch den Reichstagsangestellten Wenig und Holdack ist van der Lubbe bei dem Warten vor der Besichtigung durch sein vernachlässigtes Äußere, sein Gesicht, seine vornübergebeugte Haltung und seine Kleidung, insbesondere die zu kurzen Hosen, sofort aufgefallen.- Auch van der Lubbes Erklärung auf die Frage, wann er den Entschluß zur Brandstiftung gefaßt habe, deutet darauf hin, daß er in diesem Punkte etwas verbergen will. Denn seine Einlassung, er habe sich erst am 25. und 27. morgens entschlossen, Wohlfahrtsamt, Rathaus und Schloß und das Reichstagsgebäude in Brand zu stecken, und diese Entschlüsse alsdann in beiden Fällen am selben Abend ausgeführt, ist dem Gericht völlig unglaubhaft.

b)

Die Rolle, die dem Angeklagten van der Lubbe bei der Inbrandsetzung des Reichstags zugedacht war, war offenbar die, den Verdacht der Täterschaft, und zwar einer Alleintäterschaft auf sich zu lenken, wie es seiner bis zum letzten Augenblick unbeirrbar festgehaltenen Verteidigung entspricht, die er getrau den Anweisungen des Kommunismus für die Verteidigung vor Gericht und in Übereinstimmung mit dem Bilde eingehalten hat, das sowohl der ihm befreundete Student van Albada nach den Bekundungen des Zeugen Heisig als auch in der oben erwähnten Verwandten-Broschüre "Wer ist van der Lubbe?" sein Stiefbruder Peute von ihm hatte und das dahin ging, daß van der Lubbe etwaige Mittäter niemals verraten, sondern alle Schuld allein auf sich nehmen würde. Auf diese Rolle läßt nach Ansicht des Senats sein auffälliges und für eine heimliche Brandstiftung gänzlich unsachgemäßes Verhalten schließen, mit der er an weithin sichtbarer Stelle vor dem Einsteigen einen Feuerbrand entzündet hat, mit ihm in der Hand unter weithin hörbarem Eintreten der Fensterscheiben eingestiegen ist und dann den Brand zunächst an der Straßenfront des Hauptgeschoss es und sodann des Erdgeschosses entlang so angelegt und weitergetragen hat, daß er unbedingt bemerkt werden mußte, wie das denn auch sofort der Fall gewesen ist. Seine Erklärungen auf den Vorhalt, wie er zu diesem auffälligen Verhalten komme, sind offensichtlich Ausreden. Er gibt an, er habe gefürchtet, in dem Hause könnten Menschen sein und er habe deshalb schnell fertig sein wollen. Der Kohlenanzünder war jedoch bereits verbrannt und mußte weggeworfen werden, als er eben eingestiegen war. Das Anzünden im Innern hätte sicherlich weniger Zeit in Anspruch genommen als auf dem zugigen Balkon.- Das Interesse der Mittäter oder Hintermänner an einer derartigen Ablenkung des Verdachts der Täterschaft auf van der Lubbe war offensichtlich und ihre Berechnung von ihrem Standpunkt aus nicht unrichtig. In der Tat bestand bei den vernehmenden Kriminalbeamten zunächst die Vorstellung einer Alleintäterschaft van der Lubbes. Wären Schutzpolizei und Feuerwehr nur wenige Minuten später eingetroffen, so wären wichtige Feststellungen, insbesondere über den Brandverlauf, nicht mehr möglich gewesen. Dabei wurde der unerwünschte Nebenerfolg einer vielleicht frühzeitigeren Entdeckung des Brandes zum Teil wieder ausgeschaltet durch die Ablenkung der Feuerwehr vom eigentlichen Brandherd, die, wie der Verlauf bewiesen hat, durch die Beschäftigung des Zuges Puhle in dem Restaurationsraum und dis bei der Ablöschung des Brandes im Westumgang mit der Eimerspritze durch den Brandmeister Klotz verlorengegangenen kostbaren 3 Minuten zum Teil erreicht ist. Auf diese Abziehung der Feuerwehr vom eigentlichen Brandherd war denn auch offensichtlich der Brandweg van der Lubbes sowohl an der Front wie auch in den Umgängen des Plenarsaales abgestellt. Zu dieser Rolle van der Lubbes paßt schließlich auch seine noch in der Brandnacht dem vernehmenden Kriminalkommissar Heisig wie später dem Kriminalsekretär Bunge gegenüber gemachte Angabe, er sei von vornherein entschlossen gewesen, sich festnehmen zu lassen.

c)

Bei dieser Sachlage nimmt der Senat auch an, daß auch die in ganz gleichartiger Weise von van der Lubbe durchgeführten Brandt Stiftungen im Wohlfahrt samt. Rathaus und Schloß am Sonnabend bereits einen Teil einer einheitlichen Verabredung mit den gleichen Mittäter oder Hintermännern gebildet haben, auch wenn, wogegen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hervorgetreten sind, van der Lubbe diese Brandstiftungen allein ausgeführt hat. Möglich, daß man mit ihnen den Verdacht der Täterschaft van der Lubbes verstärken wollte, wofür die Beflissenheit spricht, mit der van der Lubbe noch in seiner Vernehmung in der Brandnacht diese Brandstiftungen, die dem vernehmenden Beamten, zum Teil auch der Behörde bis dahin überhaupt nicht bekannt waren, von sich aus mitgeteilt hat. Möglich auch, daß man im Falle des Gelingens die Zwecke, die man mit der Reichstagsbrandstiftung verfolgte und über die weiter unten noch zu sprechen sein wird, bereits mit diesen Bränden zu erreichen oder doch vorzubereiten hoffte.

E. Der Angeklagte Torgler.

Dem Angeklagten Torgler ist zur Last gelegt, einer der Mittäter van der Lubbes zu sein.

a)

Die Anklage vertritt den Standpunkt, daß die Urheber des Reichstagsbrandes in den Kreisen der KPD. zu suchen seien und diese Brandstiftung dem hochverräterischen Ziel der KPD. habe dienen sollen. Sie entnimmt hieraus ein allgemeines Verdachtsmoment gegen den Angeklagten Torgler als Führer der Kommunistischen Reichstagsfraktion weil er bis kurz vor der Tat sich im Reichstagsgebäude aufgehalten hat. Der Senat hat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung keinen Zweifel, daß in der Tat die Mittäter des Angeklagten van der Lubbe und deren Hintermänner in den Kreisen der KPD. zu suchen sind. Hierüber und über die Frage welche Kreise für diese Täterschaft in Betracht kommen, und welche Rolle der Partei und insbesondere ihrem parlamentarischen Flügel und dessen Vorsitzenden hierbei zufällt, wird weiter unten zu sprechen sein. Die Tatsache, daß der Angeklagte Torgler das Reichstagsgebäude am Brandtage überhaupt so spät, nämlich erst gegen 20.40 Uhr in Begleitung des Reichstagsabgeordneten Koenen und der Fraktionssekretärin Fräulein Rehme verlassen hat, bedeutet an sich nichts Außergewöhnliches. Torgler war wie von allen in Betracht kommenden Reichstagsangestellten bezeugt ist, fast immer einer der Letzten, die das Reichstagsgebäude abends verließen. Er war am Brandtage seit etwa 11 Uhr im Gebäude und will dieses bis zum Abend nicht verlassen haben. Das Gegenteil ist nicht festgestellt, würde auch Bedeutung nur hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Angaben des Angeklagten Torgler haben. Der Zeuge Amtsgehilfe Schmal hat den Angeklagten Torgler eines Mittags gegen 14 Uhr beim Verlassen der Straßenbahn mit einem Paket unter dem Arm getroffen, über dessen Verpackung - weißes oder braunes Papierder Zeuge im Gegensatz zu seiner früheren Aussage keine Angabe machen kann. Der Zeuge kann auch abgesehen hiervon gegenüber der Darstellung des Angeklagten Torgler, daß dies am Sonnabend, den 25. Februar gewesen sei, an welchem Tag er vom Potsdamer Platz mit einem Bücherpaket unterm Arm zum Reichstagsgebäude gegangen sei, nicht bekunden, daß der Vorfall am 27. Februar gewesen sei im Gegensatz zur Begegnung mit van der Lubbe am 27. Februar, deren er sich auch der Zeit nach bestimmt erinnert. Er hält bezüglich Torglers den 25. Februar für ebenso möglich wie den 27. Februar, weil er daran keine Erinnerung habe.- Der Zeuge Gutsche, der sich zu erinnern glaubt, daß er den Angeklagten Torgler am 27. Februar gegen 15 Uhr in Hut und Mantel das Reichstagsgebäude habe betreten sehen, irrt sich im Tage. Sein Anhaltspunkt für den Tag dieser Begegnung' ist eine Kraftwagen fahrt mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Hertz zum Anhalter Bahnhof, dem Abgangsbahnhof für die Züge von Berlin nach Thüringen und Sachsen, von dem Hertz eine Reise nach Halle unternommen hat. Auskünfte der Polizeiverwaltungen in Halle und Waldenburg bestätigen jedoch die Ermittelungen der Verteidigung des Angeklagten Torgler, daß Dr. Hertz am 27. Februar nicht in Halle, sondern in Waldenburg in Schlesien gesprochen hat.- Der Landtagsabgeordnete Koenen hat Torgler um 18 1/2 Uhr im Reichstagsgebäude aufgesucht. Daß er mit hochgeschlagenem Kragen das Portal V betrat, ist angesichts der Außentemperatur (unter Null bei östlichen Winden nach Auskunft des meteorologischen Instituts) nicht auffällig. Die sonstigen Bekundungen des Zeugen Hornemann, der am 27. Februar nachmittags den Pförtnerdienst in Portal V versah, Koenen "habe sich verdächtig gemacht und nach der anderen Seite gesehen" und erst auf Anruf Guten Abend gesagt sind als möglicherweise nachträgliche Annahme des Zeugen ohne Wert, zumal der Zeuge sich in solchen Annahmen unbewußt zu gefallen scheint wie die Art zeigte, wie er während seiner Aussage in der Hauptverhandlung plötzlich auch den Angeklagten Dimitroff am Brandnachmittag in Portal V gesehen zu haben glaubte, obwohl, wie unten darzutun sein wird, feststeht, daß Dimitroff zu der angegebenen Zeit in München war.

Der Angeklagte Torgler will am 27, Februar nicht nur, wie häufig, nach Portalschluß noch in den Zimmern 9 und 9 b der Kommunistischen Reichstagsfraktion tätig gewesen sein, sondern will diese Zimmer auch in den Stunden vorher nur für einige Minuten zum Zwecke eines Telefongesprächs in der Pförtnerloge des Portals V, das nach Bekundung des Zeugen Wendt um etwa 20,20 Uhr stattfand, verlassen haben. Der aus seiner Anwesenheit im Reichstagsgebäude hergeleitete allgemeine Verdacht spitzt sich danach dahin zu, ob Torgler in der für die letzte Vorbereitung des Verbrechens in Frage kommenden Zeit diese Zimmer entgegen seiner Angabe nachweisbar verlassen hat und ob er deshalb möglicherweise während dieser Abwesenheit bei den Vorbereitungen im Plenarsaal beteiligt gewesen ist. Wie aus den früheren Erörterungen hervorgeht, kommt für die Bereitlegung des Zündmittels in dem vorbereiteten Plenarsaal mit Rücksicht auf die Zünddauer von 20 Minuten bis zu einer Stunde die Zeit von etwa 20,15 Uhr bis kurz vor 21 Uhr in Betracht, da der Zeuge Lateit um 21,21 Uhr schon einen erheblichen Brand auf dem Präsidium sah. Mit Rücksicht auf das von den Zeugen Bogun und Kuesner beobachtete Entkommen eines Mittäters aus dem Reichstagsgebäude um etwa 21 Uhr war die Vorbereitung wahrscheinlich kurz vor dieser Zeit beendet. Begonnen hat sie annehmbarerweise frühestens nach der Kontrolle des Beleuchters Scholz im Plenarsaal, der dort um 20, 25 Uhr hineinsah. Für die Herrichtung des Plenarsaals durch die Mittäter kommt danach die Zeit von kurz vor 20 1/2 Uhr bis kurz vor 21 Uhr in Frage. In diese Zeit fällt nach der zuverlässigen Feststellung, die die übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen Wendt, Scholz, Rehme und Krause zulassen, der Weggang Torglers aus dem Reichstagsgebäude. Nach dem Gespräch um 20,20 Uhr hat sich Torgler, wie die Zeugin Rehme bekundet und wie mit Rücksicht auf seine Garderobe, die ihm vom Zeugen Duesterhoeft nach dessen Bekundung kurz nach 20 Uhr nach oben gebracht war, zu glauben ist, wieder auf Zimmer 9 und 9 b begeben. Nach einem Augenblick, in dem Fräulein Rehme eine Zeitung aus dem nahen Zimmer 53 a besorgte sind dann Torgler, Koenen und Fräulein Rehme zum Portal V hinuntergegangen und haben durch dieses das Haus um etwa 20,40 Uhr verlassen. Im Portal V trafen sie mit dem Beleuchter Scholz zusammen, der seinen Rundgang gegen 20,38 Uhr beendet hatte und Torgler die Schlüssel abnahm. Ihr Weg von dort zu der Aschinger-Filiale am Bahnhof Friedrichstraße kann sehr wohl bis etwa 20,50 bis 20,55 Uhr gedauert haben. Der Zeuge Koch Krause, der sie dort noch gesehen hat, hatte zwar nur bis 20,30 Uhr Dienst, gibt aber zu, daß es häufiger vorgekommen sei, daß sich seine Abrechnung noch bis nach Dienstschluß hinausgezogen habe. Ein Aufenthalt Torglers im Plenarsaal in der Zeit von kurz vor 20,30 bis kurz vor 21 Uhr ist danach sehr wenig wahrscheinlich und nicht bewiesen.- Andererseits ist auch seine weitere Angabe, daß er auch in den Stunden vorher die Zimmer 9 und 9 b nicht verlassen habe, in keiner Weise widerlegt. Die Annahme des Zeugen Kohls, daß diese Zimmer kurz vor 20 Uhr offenbar leer gewesen seien, weil sich auf seinen telefonischen Anruf wegen des Hinaufbringens der Garderobe des Angeklagten Torgler um diese Zeit niemand gemeldet habe, beruht auf ganz unsicherer Grundlage. Die Darstellung des Zeugen über die Art, wie er seinen zweimaligen Anruf sowohl auf Apparat 320 im Zimmer 9 wie auf Apparat 321 in Zimmer 9 b vorgenommen haben will, ist höchst unklar. Folgt man seiner Angabe, daß er bei Abheben des Hörers nach Wahl der Nummer in allen vier Fällen keinerlei Summerzeichen gehört hat, so ist daraus lediglich zu schließen, daß eine Verbindung nicht zustande gekommen ist. Es kann sich um einen unbemerkten Fehler des Zeugen bei der Herstellung der Verbindung gehandelt haben. Denn andernfalls - bei hergestellter Verbindung, ohne daß sich die Teilnehmer meldeten - würde der helle Summerton nach hergestellter Verbindung bis zur Abnahme des Hörers durch den Teilnehmer zu hören gewesen sein. Wie wenig wahrscheinlich die Annahme Kohls ist, daß niemand im Zimmer gewesen sei, beweist auch der Umstand, daß wenige Minuten später auf einen Anruf von oben auf dem Apparat des Zeugen Duesterhoeft dieser die Garderobe selbst hinaufgebracht und dabei Torgler im Zimmer getroffen hat.- Schließlich ist auch irgendein Beweis nicht erbracht, daß Torgler um 19 Uhr von Fräulein Rehme auf einen telefonischen Anruf des Abgeordneten Birkenhauer verleugnet wäre mit der unwahren Angabe, er sei in einer Sitzung. Ob ein solcher Anruf um 19 Uhr überhaupt erfolgt ist, steht nicht fest. Birkenhauer ist flüchtig und als Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen, die Verlesung seiner Aussage aus dem Vorverfahren als unzulässig nicht erfolgt. Die Zeugin Rehme aber erinnert sich eines solchen Anrufs nicht und hält eine solche Antwort für ausgeschlossen, da Torgler den Anruf Birkenhäuers erwartete und sie Torgler unbedingt gerufen haben würde.

b)

Eine denkbare Teilnahme des Angeklagten Torgler, auch in der von der Anklage angenommenen Form der Mittäterschaft in ihrer nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts lediglich auf den Täterwillen des Teilnehmers, nicht die äußere Form der Mitwirkung abgestellten Unterscheidung von der bloßen Beihilfe (RGSt. Bd. 54 S. 312 und die dort angezogenen Stellen, sowie insbesondere RGSt. Bd. 64 S. 274) ist aber nicht auf die physische Mitwirkung bei der unmittelbaren Herrichtung der Brandherde im Plenarsaal beschränkt, sondern konnte auch in mannigfacher anderer Weise den mit der letzten Ausführung betrauten Mittätern schon vorher zugute kommen. Sie konnte geschehen in Form der Mitwirkung durch Rat und Tat, der Betreuung der Täter und dergleichen und war in dieser Beziehung keineswegs auf die letzten Abendstunden beschränkt. Es kann nicht wohl bezweifelt werden, daß ein Zusammensein Torglers entgegen seinen Angaben mit der Mitwirkung bei der Tat überführten Personen insbesondere dem Angeklagten van der Lubbe, am Brandtage im Reichstagsgebäude nicht als außer Zusammenhang mit der Brandstiftung stehend gewertet werden könnte, wie die Verteidigung meint. Ein solches Zusammensein müßte zu Feststellungen führen die eine strafbare Teilnahme des Angeklagten Torgler an der ihm zur Last gelegten Tat bedeuten würden. In dieser Richtung sind die Aussagen der Zeugen Karwahne, Frey und Kroyer von Bedeutung. Diese drei Zeugen, von denen Karwahne und Frey nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete waren, kamen am Brandtage etwa zwischen 15 und 15,30 Uhr in das Reichstagsgebäude um Kroyer der Österreicher ist den Bau zu zeigen. Auf ihrem Rundgang, der sie zunächst in die Räume des Hauptgeschosses führte, kamen sie dann im I. Obergeschoß aus dem Oberlichtumgang 0 36 an dem die bereits erwähnten Fraktionszimmer 9 und 9 b der Kommunistischen Reichstagsfraktion lagen, durch den Durchgangsraum 0 37 in den Vorraum 0 38 des großen Sitzungssaals 12 des Hauptaussschusses. Die drei Zeugen bekunden nun übereinstimmend, daß ihnen in diesem Vorraum der Angeklagte Torgler aus Richtung 0 39 entgegengekommen sei und etwas hinter ihm, halb rechts gestaffelt, nach der Fensterseite zu ein Mann gegangen sei den Karwahne und Kroyer bestimmt als den Angeklagten van der Lubbe wiederzuerkennen glauben. Auf eine Frage Freys bei der Begegnung sagte Karwahne, das wäre Torgler, den anderen kenne er nicht. Den Zeugen fiel das schlechte Aussehen Torglers auf. Karwahne meinte; "Denen geht es jetzt schlecht, die haben jetzt Kummer." Die Zeugen traten dann in den Hauptsitzungssaal 12 und nur Frey sah sich nach den beiden um und bemerkte, daß sie nach 0 37 hineingingen. Nach Besichtigung des Saals - nur der Zeuge Karwahne meint, im Gegensatz zu den beiden anderen Zeugen, der Saal sei erst später von ihnen besichtigt und jetzt nur zum Hineintreten benutzt - gingen die drei Zeugen in Richtung 0 39 weiter und kamen auf der Suche nach dem Reichsratssaal infolge Verlaufens nach etwa 10 Minuten aufs Neue aus Richtung 0 36 wieder in den Vorraum 0 38. Jetzt saß, wie alle drei bekunden, Torgler in einem Sofa oder auf einer Lederbank mit einem Fremden in Hut und Mantel im Gespräch, wie Karwahne

und Kroyer meinen, auf dem zweiten Sofa rechts von der Tür, wie Frey meint, aber in der Mitte gegenüber Saal 12 oder gar noch weiter nach 0 39 zu. Der Zeuge Frey will in dem Angeklagten Popoff diesen Fremden wiedererkennen, die beiden anderen Zeugen können Angaben über dessen Aussehen nicht machen, weil sie ihn nicht besonders angesehen haben. Der Zeuge Karwahne meint, wiederum im Gegensatz zu den beiden Mitzeugen, daß sie bei dieser Begegnung nochmals in den Saal 12 getreten seien und ihn nunmehr erst eingehend besichtigt hätten.

Der Angeklagte Torgler erinnert sich nicht, am Brandnachmittage überhaupt, von 0 39 kommend, durch den Vorraum 0 38 in Richtung 0 37 gegangen zu sein. Mit dem Angeklagten van der Lubbe zusammen gegangen zu sein oder ihn überhaupt zu kennen, bestreitet er durchaus und weist darauf hin, daß ihm eine solche Unklugheit, sich mit van der Lubbe dort zu zeigen, doch wohl nicht zuzutrauen sei. Er erinnert sich der ersten Begegnung mit den drei vorerwähnten Zeugen deshalb, weil ihm aufgefallen sei, daß er fixiert wurde und er deshalb auch eine Bemerkung zu seinem Gesprächspartner gemacht habe. Er habe aber seiner Erinnerung nach dabei auf dem Ledersofa gesessen, und zwar mit dem - flüchtigen und daher als Zeugen nicht vernommenen - Abgeordneten Florin. Der zweiten Begegnung erinnert er sich nicht mit Deutlichkeit, hält aber für möglich, daß er hierbei mit dem Abgeordneten Neubauer zusammengestanden oder =gesessen hat.

Der Senat hält hiernach zwar für erwiesen, daß Torgler den drei Zeugen in der geschilderten Weise in 0 38 begegnet ist. Ob der halbrechts hinter Torgler gehende Mann wirklich zu ihm gehörte, mag immerhin schon zweifelhaft sein. Die Zeugen haben diesen Eindruck ohne weitere Überlegung nur daraus gewonnen, daß beide Personen ihnen gleichzeitig entgegenkamen. Irgendwelche Zeichen der Zusammengehörigkeit haben beide nicht gegeben, insbesondere haben sie nicht miteinander gesprochen. Da es sich bei 0 38 um einen viel benutzten Durchgang vom Süd- und Südostflügel zum Nord- und Nordostflügel handelt, besteht die Möglichkeit, daß es sich nicht um einen Begleiter Torglers, sondern um eine Person gehandelt hat, die ihn in diesem Durchgang zufällig überholte. Diese Möglichkeit fällt natürlich weg, wenn, und das ist die entscheidende Frage, es sich hier um van der Lubbe tatsächlich gehandelt haben sollte. Die Zuverlässigkeit der Beobachtungen der Zeugen Karwahne und Kroyer in diesem Punkte unterliegt jedoch, trotz der unzweifelhaft ehrlichen Überzeugung der Zeugen von der Richtigkeit ihrer Wahrnehmung und dem offensichtlichen Bemühen, nach bestem Wissen und Können zur Findung der Wahrheit in einer Sache beizutragen, bei der sie mit dem Herzen dabei sind, begründetem Zweifel. Der Vorraum 0 38 hat ungewöhnlich schlechte Beleuchtungsverhältnisse. Die dem Saaleingang gegenüberliegenden Fenster gehen auf einen schmalen Hof mit hohen Mauern und sind mit undurchsichtigen Scheiben verglast. Es herrscht dort, namentlich an trüben Wintertagen, eine beständige Dämmerung, so daß häufig, aber keineswegs immer, auch tagsüber dort Licht brennt. Die erste Begegnung selbst kann, da beide Parteien in Bewegung aufeinander zu waren und die ganze Länge des Raumes von 0 37 bis 0 39 nur knapp 25 m beträgt, nur wenige Augenblicke gedauert haben. Die Aufmerksamkeit der drei Zeugen war, wie sich aus ihrem Gespräch ergibt, zunächst und naturgemäß auf den Angeklagten Torgler gerichtet. Die Vorbedingungen für eine zuverlässige Erfassung des Aussehens des vermeintlichen Begleiters waren also denkbar ungünstig. Die Möglichkeit eines Irrtums der beiden Zeugen aber ist um so näherliegend, als solche der innersten Überzeugung eines Zeugen entsprechende, aber dennoch mit den objektiven Tatsachen in Widerspruch stehende Bekundungen nach alter kriminalistischer Erfahrung nirgends so häufig sind wie gerade bei dem Wiedererkennen von Personen. Gerade das vorliegende Verfahren gibt in dieser Beziehung krasse Beispiele nachweisbarer Fehlerkennungen und mahnt zur Vorsicht. Es mag an dieser Stelle nur erinnert werden an die im Vorverfahren vernommenen Zeugen Theel und Meyer, die ebenso wie der obenerwähnte Zeuge Hornemann den Angeklagten Dimitroff zu einer Zeit in Berlin bestimmt gesehen haben wollen, zu der er nachweislich in München war. Wiedererkennungszeugen unterliegen besonders leicht ihnen unbewußten suggestiven Einflüssen von außen oder aus sich selbst, nicht zuletzt bei der Gegenüberstellung mit der angeblich wiedererkannten Person. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist es daher, bei der ersten Vernehmung solcher Zeugen diese suggestiven Einflüsse möglichst auszuschalten und objektive Anhaltspunkte zur Nachprüfung der Zuverlässigkeit ihrer Beobachtung und ihres Personengedächtnisses zu gewinnen. Durch protokollarische Festlegung ihres Erinnerungsbildes vor Gegenüberstellung mit dem Täter, unbeeinflußtes Heraussuchen des Täters aus einer Mehrzahl von Personen und dergleichen, ist dies zu erreichen. An solchen objektiven Unterlagen fehlt es hier leider völlig. Die Zeugen sind gegen 1/2 1 Uhr in der Brandnacht durch Zeitungsmeldungen auf den Brand aufmerksam geworden. Der Vater der Idee, daß der von ihnen an Nachmittag gesehene Mann der Brandstifter sein müsse, war der Zeuge Karwahne, der, wie er selbst sich ausdrückt, "vermessen genug war, um zu sagen, die Kerle, die sie im Reichstag gesehen hätten hätten den Reichstag angesteckt; sie müßten sofort hin, um zu verhindern, daß die Täter entwischten." Mit dieser vorgefaßten Meinung sind die Zeugen dann schließlich zum Polizeipräsidium gelangt, wo der Täter van der Lubbe, den Oberkörper in eine Wolldecke gehüllt, in einem kleinen Zimmer saß und durch den Kriminalkommissar Heisig in Gegenwart von etwa 40 - 50 Personen, großenteils dienstlichen Vorgesetzten Heisigs, vernommen wurde, die auch ihrerseits Fragen stellten. In diesem Trubel wurde den 3 Zeugen Gelegenheit gegeben, van der Lubbe eine Zeitlang zu beobachten mit dem Bemerken, dort sitze der Täter. Dann wurden sie vernommen und gaben ihr Wissen zur Sache zu Protokoll, wie der Zeuge Frey und zunächst auch Karwahne - Kroyer erinnert sich nicht - geschildert haben und wie die Fassung der Protokolle bestätigt. Sie gaben insbesondere auch an, daß sie van der Lubbe namentlich nach Haltung, Haarwuchs und Nase (Karwahne), Lippenbildung, Backenknochen und Haarwuchs (Kroyer) wiedererkannten. Das sind zweifellos charakteristische Merkmale des Angeklagten van der Lubbe. Es liegt jedoch auf der Hand, daß ihre Angabe unter solchen Umständen ohne Wert ist, da weder dem Richter nachprüfbar noch auch dem Zeugen selbst wirklich klar ist, wie weit er nicht diese Merkmale erst bei der Gegenüberstellung unbewußt in sich aufgenommen und sie als charakteristisch empfunden hat. Auffallend genug ist, daß keiner der drei Zeugen charakteristische Merkmale wie van der Lubbes auffallende Kleidung, seine zu kurzen Hosen, sein verwahrlostes Aussehen, das 1 1/2 Stunden vorher noch dem Zeugen Schmal aufgefallen war, angeben kann, alles Merkmale, die bei der Gegenüberstellung, bei der van der Lubbe saß und in eine Decke gehüllt war, auf die Zeugen nicht wirken konnten. Es fehlt auch jede Möglichkeit, nachzuprüfen, wie weit die suggestive Kraft der aus anderen Erwägungen sogleich gewonnenen Überzeugung des Zeugen Karwahne von der Täterschaft des Angeklagten van der Lubbe und der suggestive Einfluß der Art, wie den Zeugen dieser Mann als der Brandstifter vorgeführt wurde, ihre Überzeugung von der Identität mit dem am Nachmittag gesehenen Mann beeinflußt hat. Der Zeuge Karwahne hat dann zu einer Nachprüfung seiner Überzeugung von der Identität van der Lubbes, den er nur in dieser in äußerer Haltung und Kleidung von dem Zusammentreffen am Nachmittag sehr verschiedenen Lage in der Brandnacht gesehen hatte, bis zur Hauptverhandlung keine Gelegenheit mehr gehabt, da eine nochmalige Gegenüberstellung mit van der Lubbe im Vorverfahren nicht erfolgt ist. Kroyer ist van der Lubbe nochmals gegenübergestellt, er hat ihn auch damals bestimmt wiederzuerkennen geglaubt. Er stand und steht aber innerlich dabei unter dem Einfluß seiner ersten Angaben insofern, als er selbst angibt: "Eine Änderung meiner damaligen - polizeilichen - Aussage dürfte kaum möglich sein, weil ich, ich weiß nicht, ob das gut oder nicht gut war, 3 Tage nach meiner Zurückkunft nach Österreich einen Artikel darüber geschrieben habe." Er fühlte und fühlt sich also innerlich auf seine erste Meinung festgelegt. Dem Zeugen Frey aber, und das verdient besondere Beachtung, weil Frey in der Hauptverhandlung den Eindruck eines besonders ruhigen Beobachters machte, sind bei der erneuten Gegenüberstellung mit van der Lubbe im Vorverfahren bereits Bedenken gegen die Zuverlässigkeit seiner damaligen Wiedererkennung gekommen. Er ist auch in der Hauptverhandlung dabei geblieben, nicht mit Bestimmtheit sagen zu können, ob van der Lubbe der vermeintliche Begleiter Torglers gewesen sei, sondern nur die

Möglichkeit nicht ausschließen zu wollen. Bei dieser Sachlage kann sich der Senat begründeten Zweifeln an der objektiven Zuverlässigkeit der Beobachtung des Zeugen Karwahne um so weniger verschließen, als seine Aussage auch sonst nicht frei von Widersprüchen ist. In einem so grundlegenden Punkt wie der Frage, ob die drei Zeugen einmal oder zweimal im Saal 12 gewesen, insbesondere ob sie auch nach der zweiten Begegnung mit Torgler in diesen Saal getreten sind, stehen die Bekundungen Karwahnes im Gegensatz zu denen seiner Mitzeugen, Zu denken gibt auch die Tatsache, daß bei der Persönlichkeit des Angeklagten Torgler der angebliche Vorgang mit van der Lubbe an sich wenig innere Wahrscheinlichkeit für sich hat. Es ist kaum anzunehmen, daß der Angeklagte Torgler, wenn er bei dem Plan, am Abend das Reichstagsgebäude mit Hilfe van der Lubbes in Brand zu setzen, beteiligt gewesen wäre, die Unvorsichtigkeit gehabt hätte, sich mit einem so auffallend aussehenden und angezogenen Menschen, wie es van der Lubbe war, ausgerechnet in dem Vorraum zu Saal 12 zu zeigen, der mit seinen zahlreichen, viel benutzten Fernsprechzellen ein häufig aufgesuchter Baum und als Verbindungsgang, wie oben erwähnt, und Weg zur Bibliothek ein viel benutzter Durchgang war. Es kann danach nicht als erwiesen angesehen werden. daß der Angeklagte van der Lubbe am Brandnachmittag zusammen mit dem Angeklagten Torgler durch den Raum 0 38 gegangen ist.

Noch weniger aber kann der Beweis hinsichtlich eines Zusammenseins Torglers mit Popoff als erbracht gelten. Der Zeuge Frey glaubt hier als einziger der drei Zeugen, Popoff als den Gesprächspartner Torglers im Sofa bei der zweiten Begegnung bestimmt wiederzuerkennen. Namentlich seien ihm die stechenden dunklen Augen, der Haaransatz, der Anflug von Schnurrbart und das blasse, nach dem Kinn spitz zulaufende Gesicht des Fremden aufgefallen. Dem steht zunächst entgegen, daß die Bedingungen für ein Wiedererkennen im Hinblick darauf, daß der Fremde im Mantel und dunklen Hut mit Torgler zusammensaß und nur einen Augenblick aufsah, hier noch ungünstiger waren als bei der ersten Begegnung und daß auch hier die Erwägung der inneren Unwahrscheinlichkeit des Vorganges zutrifft. Vor allem aber hat der Augenschein an Ort und Stelle zur Überzeugung des Gerichts ergeben, daß der Zeuge Neubauer, den der Angeklagte Torgler als denjenigen bezeichnet, mit dem ihn die drei Zeugen bei der zweiten Begegnung gegen 16 Uhr offenbar zusammen gesehen hätten, mit dem Angeklagten Popoff im Sitzen in Hut und Mantel und unter den Beleuchtungsverhältnissen in 0 38 in der Tat eine geradezu überraschende Ähnlichkeit hat, so daß eine Verwechslung mit ihm außerordentlich naheliegt. Insbesondere hat auch er auffallend stechende Augen, die blasse Gesichtsfarbe und das spitze Kinn und die sonstigen von Frey wahrgenommenen Besonderheiten. Ausschlaggebend aber ist, daß hier die Nachprüfung der Angaben des Angeklagten Torgler ergeben hat, daß er in der Tat um die angegebene Zeit mit Neubauer zusammen in 0 38 gesessen hat, zugleich ein Beweis dafür, daß die ursprünglich nach Zeit und Namen der Personen mit denen er in O 38 zusammengesessen ist, schwankenden Angaben Torglers in der Tat auf Unsicherheit seiner Erinnerung beruht haben und der Wahrheit gemäß von ihm richtiggestellt sind. Das Zusammensein mit Neubauer hat die völlig unbeteiligte Reichstagsangestellte Frau Baumgart als Zeugin glaubwürdig bekundet. Sie hat während der Benutzung einer der Fernsprechzellen in O 38 kurz vor 16 Uhr durch die Glasscheibe der Tür Torgler im Gespräch mit einer Dame und neben ihm Neubauer beobachtet. Daß beide dann, wie sie bekundet, in einem Sofa im Südteil des Baumes 0 38 gesessen haben, spricht nicht gegen die Identität des Vorganges. Die Möglichkeit eines späteren Platzwechsels ist ebenso gegeben wie die eines Irrtums der Zeugen Karwahne und Kroyer in diesem Punkte, die als den Platz Torglers und des Fremden bei der zweiten Begegnung das zweite Sofa nahe 0 38 angeben, während Frey ihn in die Mitte des Vorraums, eher noch etwas südlicher nach 0 39 zu, verlegt.

c)

Mit Popoff will auch der Zeuge Fraktionsdiener Denschel den Angeklagten Torgler am Brandnachmittag gegen 14,20 Uhr in 0 38 und zwar an dem ersten Tische neben der Glastür zu 0 37 haben sitzen sehen. Torgler erinnert sich, auch abgesehen davon, daß er bestreitet, Popoff überhaupt gekannt zu haben, eines solchen Vorfalls nicht. Der Zeuge mußte bei einer Wiederholung des Vorfalls an Ort und Stelle auf Grund seiner Angaben zugeben, daß er mit Sicherheit Popoff nicht wiedererkennen könne. Vor allem aber ist nicht erwiesen, ob der von dem Zeugen beobachtete Vorfall überhaupt am Brandnachmittag stattgefunden hat. Als Anhalt für seine erst nach etwa 2 Wochen ausgesprochene Meinung, es sei der 27. Februar gewesen, hat er angegeben, daß es nach seiner Rückkehr von einem Botengang zur Abholung von Abzügen gewesen sei. Er kann aber nicht angeben, an welchem Tage dieser Botengang gemacht ist.

d)

Auch die Zeugen Woelky und Frau Feldmann haben den Angeklagten Torgler am 27. Februar, beide etwa um 12 3/4 Uhr, im Vorraum 0 38 mit einem Fremden sitzen sehen. Sie kennen aber beide diesen Fremden nicht und haben ihn nicht so genau gesehen, daß sie ihn näher beschreiben könnten. Insbesondere können sie nicht angeben, ob es einer der Angeklagten war. Damit verliert diese Beobachtung für die Überführung des Angeklagten Torgler, nach dessen Angabe es sich um ein Gespräch mit dem Referentenvermittler der KPD. Bruno Petersen gehandelt haben soll, jede Bedeutung. Die Angabe der Zeugen, Torgler und sein Gesprächspartner hätten das Gespräch sofort abgebrochen, als sie vorbeigekommen seien, läßt irgendwelche Schlüsse nicht zu.

e)

Ohne Bedeutung sind auch die Wahrnehmungen der Zeugen Möller und Pretsch. Sie haben Torgler am Vormittag des 27. Februar mit zwei schweren Aktentaschen in Karlshorst getroffen und wollen schon damals einen scheuen Blick an ihm bemerkt haben. Die beim Lesen der Morgenzeitung vom 28. Februar, die die Nachricht von dem Reichstagsbrand und dem angeblichen fluchtartigen Verlassen des Reichstagsgebäudes durch Torgler brachte, von dem Zeugen Möller seiner Stiefmutter, der Zeugin Pretsch, gegenüber ausgesprochene Ansicht, jetzt wisse er auch, weshalb Torgler gestern die schweren Taschen gehabt habe, beruht offenbar auf der Meinung der Zeugen, die schweren Aktentaschen hätten einen verbotenen, mit der Tat zusammenhängenden Inhalt gehabt. Diese Taschen waren demgemäß auch in der Erinnerung der Zeugen erheblich größer als gewöhnliche Aktentaschen geworden. Tatsächlich hat sich aber ergeben, wie die Zeugen bei der Augenscheinseinnahme in der Hauptverhandlung einräumen mußten, daß es sich sehr wohl um die mit Zeitungen vollgepackten und deshalb schweren Aktentaschen gehandelt haben kann, die Torgler persönlich mit sich trug und in deren einer sich bei dieser Augenscheinseinnahme in der Tat noch dieselben Zeitungen verpackt fanden, die der Angeklagte Torgler als ihren Inhalt am Morgen des 27. Februar vorher bezeichnet hatte, nämlich Zeitungen aus der letzten Woche vor dem Brand.

f)

Sind demnach für das Verhalten des Angeklagten Torgler am Brandtage Tatsachen, die auf seine Beteiligung an der Brandlegung oder -vorbereitung schließen ließen, nicht erwiesen, so sind andererseits die sonstigen für die Zeit vor dem Brandtag von der Anklage vorgebrachten Beweistatsachen, wie auch die Anklage annimmt, nicht von der Art, daß sie für sich allein genommen geeignet wären, die Schuld des Angeklagten Torgler zu beweisen. Hierbei sollen zunächst die Vorfälle in den Tagen vor dem Brand im Oberlichtumgang 0 36, bei denen van der Lubbe, Taneff und Dimitroff gesehen sein sollen und über die bei der Beteiligung der bulgarischen Angeklagten zu sprechen sein wird, außer Betracht bleiben. In Frage kommt hier zunächst der von dem Zeugen Journalisten Zimmermann bekundete Vorfall. Zimmermann, der damals, wie Torgler bekannt war, deutschnational eingestellt war, hat, wie auch der Angeklagte Torgler sich erinnert, etwa ein bis zwei Wochen vor dem Reichstagsbrand einige Worte über die politische Lage mit Torgler in der Straßenbahn gewechselt. Dabei soll Torgler geäußert haben, es sei dicke Luft; wenn erst das Fanal aufleuchte, würden sich die Herrschaften in ihre Mauselöcher verkriechen. Der Angeklagte Torgler . bestreitet das und will etwa geäußert haben: " Wer weiß, wie das noch alles kommt " oder so ähnlich. Ob den Zeugen seine Erinnerung nicht trügt, mag dahingestellt bleiben. Es ist nicht eben wahrscheinlich, daß Torgler sich zu einem politischen Gegner so geäußert hätte, jedenfalls nicht, wenn es sich um mehr als die üblichen übertreibenden Redensarten handelte. Der Zeuge ist mit seiner Bekundung erst im Laufe des Prozesses im September 1933 hervorgetreten. Daß ihn die Prozeßberichte, in denen das Wort Fanal eine gewisse Rolle spielte, unbewußt beeinflußt haben, liegt um so näher, als er damals und auch heute noch sich mit dem Plan eines Buches befaßte, das Torgler als den Typ eines Arbeiterführers zum Gegenstande hat. Aus dieser Äußerung auf eine Mitwirkung oder auch nur Kenntnis Torglers von dem Brandstiftungsplan zu schließen, von dem nicht einmal feststeht, ob er damals schon bestand, ist jedenfalls nicht angängig.- Dasselbe gilt von angeblichen Äußerungen der kommunistischen Abgeordneten Frau Kessel und Frau Schäfer während der Untersuchung, es werde den Angeklagten Torgler den Kopf kosten, die der Zeuge Otto bekundet hat. Es bleibt die Frage offen, ob diese Abgeordneten für Torglers Kopf fürchteten, weil Torgler nach ihrer Kenntnis wirklich schuldig war, oder etwa nur, weil er als politischer Angeklagter nach ihrer Meinung Gefahr lief, auf bloßen Verdacht hin unschuldig verurteilt zu werden.

g)

Ausscheiden müssen als Verdachtmomente auch die Bekundungen der Zeugen Kunzack und Lebermann, die dem Gericht wegen der Persönlichkeit der Zeugen nicht als bewiesen gelten. Kunzack will von einer Mitwirkung Torglers bei Sprengversuchen der KPD. in der Wuhlheide bei Berlin Ende September 1930 wissen. Auch abgesehen von der Einschränkung, "dem Aussehen nach habe es den Anschein gehabt, als sei es Torgler gewesen", mit der er diese Behauptung in der Hauptverhandlung wiederholt hat, ist es persönlich angesichts seiner schweren Vorstrafen und auch deshalb völlig unglaubwürdig, weil, wie ein aus dem Gefängnis an den Untersuchungsrichter gerichteter Brief vom 24. Mai 1933 ergibt, Kunzack auf Grund seiner Aussagen Urlaub, Strafaussetzung und sonstige Vorteile zu erlangen hoffte.- Völlig unglaubwürdig sowohl wegen seiner Vorbestrafung wegen Raubes und Diebstahls als auch wegen seiner geistigen Verfassung ist auch der Zeuge Lebermann, den nach seiner Bekundung Torgler Anfang 1932 unter Androhung von Erschießen und Anwendung von Gewalt zu veranlassen versucht haben soll, gegen eine große Summe Geldes den Reichstag in Brand zu stecken. Lebermann ist schon in dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 20.Oktober 1932 als moralisch minderwertiger Charakter und in dem der Berufungsstrafkammer vom 29. November 1932 als charakterschwach und moralisch minderwertig bezeichnet. Die ärztliche Beobachtung im Jahre 1933 in einem Verfahren auf Selbstbezichtigung wegen Mordes hat zwar seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 51 StGB. ergeben, das Verfahren ist aber eingestellt, weil gegen die Glaubwürdigkeit Lebermanns erhebliche Bedenken bestanden. Diese Bedenken teilt, auch im Hinblick auf den persönlichen Eindruck des Zeugen in der Hauptverhandlung, der Senat in vollem Umfange.

h)

Keinen Glauben schenkt der Senat schließlich auch der Aussage des Zeugen Grothe. Grothe, früher Mitglied des Roten Frontkämpferbundes (RFB.), hat bekundet, ein gewisser Singer habe am 3. April gelegentlich einer Sitzung in der Wohnung des Kommunisten Barz auf die Frage, wer den Reichstag angezündet habe, gesagt, er wisse Bescheid, er sei Kurier der Zentrale zur Verbindung mit dem Reichstag gewesen; der Reichstagsbrand habe das Signal zum Losschlagen sein sollen. Der Zeuge will ferner 2 Tage später bei einem Zusammentreffen mit einem gewissen Schlüter und Kempner durch Kempner erfahren habe, daß dieser in einer Reisetasche das Brandmaterial mit Äther getränkte Schwefelschnüre, die in der Veteranenstraße angefertigt seien, zum Reichstag gebracht und dort an den großen Schwarzen, genannt Jimmy, abgeliefert habe, der mit dem Angeklagten Popoff identisch sei, Torgler und Koenen hätten die Brandstifter in den Reichstag hineingelassen. Am 23. Februar sei der Plan in einer Sitzung im Karl Liebknecht-Haus, an der u.a. Thälmann und Scheer teilgenommen hätten, mit den Brandstiftern besprochen. Am 27. Februar habe nochmals eine Besprechung zwischen van der Lubbe, Popoff, Kempner, Torgler und Koenen am Großen Stern stattgefunden. Bei einem abermaligen Zusammentreffen mit Kempner etwa 14 Tage später will Grothe von Kempner noch erfahren haben, daß der geplante Aufstand infolge Verrats abgeblasen sei und bei der Benachrichtigung der Reichstagsbrandstifter der Kurierdienst wieder einmal versagt habe. Abgesehen davon, daß Grothe hiernach nur vom Hörensagen berichten kann und nicht nachprüfbar ist, wie weit, auch angenommen, er selbst spräche die Wahrheit, ihm seinerseits die Wahrheit erzählt ist, nehmen nicht nur Singer und Kempner in Abrede, daß derartige Gespräche überhaupt stattgefunden haben. Auch Barz und seine Haushälterin. Frau Beyer, wissen nichts von einer derartigen Sitzung bei ihm und halten eine Benutzung ihrer Wohnung ohne ihr Wissen für ausgeschlossen, da sie niemals auf längere Zeit unbeaufsichtigt gewesen sei. Die Untermieter in Fräulein Macke hat ihr Zimmer stets unter Verschluß gehalten. Schlüter hat Grothe nach seiner Bekundung nach dem Reichstagsbrand weder gesehen noch gesprochen. Überdies aber hat sich der Zeuge Grothe mit seinen früheren Aussagen derart in Widerspruch gesetzt, daß schon deshalb auf sein Zeugnis kein Wert zu legen ist. Nicht nur, daß er so wichtige Bekundungen wie die Äußerung Singers, der Reichstagsbrand habe das Signal zum Aufstand sein sollen, erst auf Vorhalt seiner früheren Aussagen und nicht aus der Erinnerung geben konnte und daß er in der Hauptverhandlung im Gegensatz zu früher zunächst behauptete, das Brandmaterial sei an Torgler abgeliefert. Er hat auch, als er am 19. April zunächst ohne Namensnennung auf der Polizei vernommen wurde, von geplanten Angriffen auf Polizeireviere und Ausgabe von 4 000 Stück Schußwaffen gesprochen, von denen er in der Hauptverhandlung selbst auf die ausdrückliche Frage nach Waffen nichts erwähnt hat. Er hat sodann über die Teilnehmer der Besprechung am Großen Stern fortwährend wechselnde Angaben gemacht. Bei seiner Vernehmung am 20. Juni hat er außerdem einen gewissen Kämpfer und Bierbrauer als Teilnehmer an der Sitzung bei Bars angegeben, was er in der Hauptverhandlung widerrufen hat, obwohl er das am 20. Juni, 10 Wochen nach der angeblichen Sitzung, noch genau wissen mußte Schließlich sind seine Zeitangaben bezüglich der zweiten Unterredung mit Kempner widerlegt, weil Kempner bereits seit dem 8. April in Haft gewesen ist. Die Versuche Grothes, seine bis dahin wiederholt klar gemachten Zeitangaben 3. April, 5 April und 14 Tage später, daraufhin zu berichtigen, können die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß Grothe am 19. April, wo er bereits den 3. April als Tag der Sitzung bezeichnet hat, das Datum der Unterredung noch genau wissen mußte. Im übrigen war am 23 Februar, dem Tage der angeblichen Beratung im Karl Liebknecht-Haus, dieses Haus bereits polizeilich geschlossen. Zu alledem kommt hinzu, daß Grothe anläßlich eines Unfalls im Kriege ( Sturz ) ärztlich wiederholt untersucht ist, daß bei ihm hysterische Reaktionen und Seelenstörungen festgestellt sind und daß das Urteil des Reichsversorgungsgerichts vom 11. November 1920, das seine Berufung gegen einen ablehnenden Rentenbescheid zurückweist, darauf gegründet ist, daß Grothe ein Psychopath sei, der auf die Anforderungen des Heeresdienstes krankhaft mit einer Sprachstörung und seelischen Ausfallserscheinungen reagiere.

i)

Ein weiterer Umstand, der den Angeklagten Torgler als Fraktionsvorsitzenden der Mitwirkung bei der Brandstiftung verdächtig machen soll, daß nämlich das Fraktionszimmer 0 53 a am Morgen nach dem Brand auffallend aufgeräumt gewesen sein soll, ist nur ein persönlicher Eindruck der Zeugen Weberstedt und Dröscher gewesen, der durch die Ermittelungen nicht bestätigt ist. Das Zimmer wurde überhaupt nur von der aushilfsweise tätigen Schreibmaschinenkraft Fräulein Derx zu Schreibarbeiten benutzt und diente im übrigen der Aufbewahrung von Zeitungen und Drucksachen, insbesondere dem so genannten laufenden Archiv der KPD., das in Mappen gesammelt in den Schränken lag. Fräulein Derx hat am 27. Februar dort Überhaupt nicht, sondern nur auf Zimmer 9 gearbeitet. Die Schreibmaschinen der Fraktion wechselten nach Bedarf ihren Platz in den verschiedenen Zimmern der Fraktion. Wer sie abgeholt hat und wo sie geblieben sind, war nicht festzustellen, da die Zimmer der Fraktion am 28. Februar vormittags noch frei zugänglich waren. Ob am Brandtage tage eine der Maschinen auf Zimmer 57 a gewesen ist, hat sich nicht feststellen lassen. Das Zimmer war im übrigen auch nicht geräumt, wie namentlich der Umstand beweist, daß außer Reichstagsdrucksachen und Zeitungen sich auch das Archiv der Fraktion, sein wichtigster Inhalt, noch darin befand, wie der Zeuge Dröscher bestätigt. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dieses Zimmer aufgeräumt gewesen sein sollte, während in den Zimmern 9 und 9 b alles Material zurückgeblieben ist.

k)

Schließlich läßt auch das Verhalten des Angeklagten Torgler nach dem Brande irgendwelche Schlüsse auf eine Beteiligung an der Tat oder auf ein Wissen darum nicht zu. Beim Bekanntwerden des Brandes saßen Torgler, Birkenhauer und Koenen in der Aschinger -Filiale am Bahnhof Friedrichstraße, Wie sie die Nachricht vom Brande aufgenommen haben, ist nicht festzustellen. Der Kellner, der die Nachricht an den Tisch gebracht hat, ist nicht ermittelt. Der Zeuge Persicke, der sie in dieser Zeit bedient hat, hat nichts Auffälliges bemerkt. Die Nachricht von dem Brande hat der Tisch nach Angabe des Angeklagten Torgler zunächst als schlechten Scherz aufgefaßt, so daß das vom Zeugen Geschäftsführer Hoeft beobachtete Sitzenbleiben nicht auffällig ist. Auch die Zeugen Karwahne, Frey und Kroyer, die bei Bekanntwerden der Brandnachricht im Cafe Vaterland saßen, haben nach ihrer Angabe die Nachricht zuerst als Faschingsscherz aufgefaßt und zunächst nicht darauf reagiert, Der Geschäftsführer Hoeft, der auf den Tisch schon vorher aufmerksam geworden war, hat dann erst einige Zeit nach Eintreffen der Brandnachricht dem Tisch wieder einen Blick zugeworfen. Nach seiner Bekundung fehlten einige, der Rest schien ziemlich beunruhigt Das besagt aber nichts für ein Schuldbewußtsein der Beteiligten.

Von Aschinger aus ist der Angeklagte Torgler auf die Brandnachricht mit der Straßenbahn zum Reichstagsgebäude gefahren, um zu sehen, ob die Zimmer der Fraktion gefährdet seien. Er hat aber infolge der polizeilichen Absperrung nicht durchdringen können und ist dann mit Birkenhauer nach dem Lokal von Stawicki in der Dircksenstraße gefahren, wo er sich mit dem vorauf gefahrenen Koenen, dem Parteisekretär Kühne und zwei Parteigenossen in Motorfahrerkleidung, Sucker und Wundersee, getroffen hat. Dem Wirt Stawicki und seinem Kellner Jeschar ist hier zwar aufgefallen, daß der Tisch nicht weiter reagierte, als die Brandnachricht in das Lokal kam./Die beiden Zeugen konnten aber nicht wissen, daß Koenen, der in diesem Augenblick schon da war, wie Jeschar bekundet, dem Tische die Nachricht bereits gebracht hatte. Die Telefongespräche, die dem Zeugen aufgefallen sind, hat Torgler mit Oehme und Fräulein Rehme geführt. Durch den Redakteur Oehme hat er erfahren, daß er und Koenen nach Zeitungsmeldungen um 22 Uhr den Reichstag fluchtartig verlassen haben sollten.

Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn Torgler es zunächst vorzog, in dieser Nacht aus Sicherheitsgründen nicht nach Hause zu fahren, sondern bei seinem Parteigenossen Kühne zu übernachten. Es ist dem Senat nicht zweifelhaft, daß diese Sicherheitsgründe in der Furcht vor einer Verhaftung lagen, wenn auch der Angeklagte Torgler aus verständlichen Gründen dies in Abrede nimmt und vorschützt, er habe den letzten Stadtbahnzug versäumt und für seine persönliche Sicherheit in Karlshorst gefürchtet. Daraus ist aber nicht auf ein Schuldbewußtsein zu schließen. Es war nur natürlich, daß Torgler Zeit zu gewinnen suchte, um am nächsten Morgen die Lage zu überblicken und sich mit Leuten seines Vertrauens zu beraten, was er auf diese in der Presse verbreitete Beschuldigung tun sollte. Wenn er sich dann mit seinem Anwalt zum Polizeipräsidium begab und das dort aufgenommene Protokoll, in dem Torgler über sein Tun am 27. Februar Rechenschaft ablegt und gegen die unrichtige Darstellung in der Presse über sein Verlassen des Reichstagsgebäudes protestiert, mit den Worten beginnt, Freiwillig erscheint der Reichstagsabgeordnete Ernst Torgler, so trifft diese Auffassung nach Ansicht des Senats im wesentlichen das Richtige. Es stand in der Tat Torgler, nachdem er am Morgen in der Kühne'schen Wohnung dessen im Rahmen der gegen zahlreiche kommunistische Funktionäre verhängten Schutzhaftbefehle erfolgte Verhaftung mit angesehen hatte und selbst einer solchen nur durch Zufall entgangen war, ebenso wie seinen übrigen Parteigenossen frei, eine Flucht zu versuchen, um der drohenden Verhaftung durch die politische Polizei zu entgehen. Wenn er sich trotzdem der Gefahr einer Verhaftung durch die Kriminalpolizei auf Grund des gegen ihn in der Presse ausgesprochenen Verdachts aussetzte so spricht das jedenfalls nicht für Schuldbewusstsein.

Ein Beweis dafür , daß der Angeklagte Torgler an der Vorbereistung oder Anlegung des Brandes im Reichstagsgebäude in irgendeiner. Form teilgenommen hat, ist danach nicht erbracht.

F. Der Angeklagte Dimitroff.

a)

Der Angeklagte Dimitroff hielt sich am Tage des Brandes in München auf. Er ist, wie die Eintragung in der Liste der Schlafwagengesellschaft beweist, in der Nacht vom 27. zum 28. Februar von dort nach Berlin zurückgefahren. Die Zeugin Roeßler, die denselben Zug benutzt hat, hat bekundet, daß Dimitroff sich mir ihr unterhalten und sich als Professor oder Dr. Hediger vorgestellt hat. Als beide am anderen Morgen beim Frühstück zusammentrafen, kamen Dimitroff die Morgenzeitungen zu Gesicht, in denen von dem Reichstagsbrand berichtet wurde. Er hat nach Bekundung der Zeugin mit dem Kopf geschüttelt und nichts weiter dazu gesagt. Der Angeklagte Dimitroff gibt an, er habe sich in München mit einem bulgarischen Arzt getroffen, der auf der Reise von Paris über München nach Bulgarien gewesen sei. Ob diese Angabe der Wahrheit entspricht, steht dahin. Die Anklage ging davon aus, daß er die Reise nur unternommen hätte, um sich ein Alibi zu verschaffen. Eine Teilnahme an der Brandstiftung und dem mit ihr begangenen Hochverrat in irgendeiner Form, wie sie die Anklage dem Angeklagten Dimitroff in der Form der Mittäterschaft zur Last legt, wäre in diesem Falle an sich auch trotz des Aufenthalts in München durchaus denkbar.

b)

Der Angeklagte Dimitroff stellt eine solche Beteiligung in Abrede. Er will sich in Deutschland mit deutschen politischen Angelegenheiten überhaupt nicht befaßt haben, sondern nur für die kommunistische Partei seiner Heimat und deren Emigranten tätig gewesen sein. Auch mit deutschen Kommunisten will er nicht in Verbindung gestanden haben. Diese Angaben verdienen jedoch ebenso wie die über den Grund seines Aufenthalts in dem angeblich für seine bulgarische Zwecke zentral gelegenen Berlin keinen Glauben. Es kann zwar nicht als bewiesen erachtet werden, daß Dimitroff, wie die Zeugin Frau Hartung zu wissen glaubt, im Winter 1928/29 Leiter der bulgarischen Gruppe in der "Roten Hilfe" in der Dorotheenstraße in Berlin gewesen ist. Hier liegt offenbar eine Verwechslung mit Theodor Dimitroff vor, der nach Angabe des Leiters der Emigrantenhilfe, des Zeugen Dittbaender, dort tätig gewesen ist.- Indessen ergibt die Aussage der Zeugin Schreiber, die in der Kaspeizerschen Wohnung Aufwartedienste verrichtete daß der Angeklagte Dimitroff entgegen seinem Leugnen dort häufig mit dem kommunistischen Abgeordneten Eberlein, dem Leiter der Peuvag, der kommunistischen Druckbetriebe der KPD. und dem Fräulein Kaspeizer zusammen in Eberleins kleinem Zimmer in der Kaspeizer'schen Wohnung gewesen ist, wo Schreibmaschinenarbeiten und sonstige schriftliche Arbeiten verrichtet wurden.- Einen Verkehr mit führenden deutschen Kommunisten auch außer den von ihm zugegebenen Besuchen bei dem Leiter der Internationalen Arbeiterhilfe, Reichstagsabgeordneten Münzenberg, der bulgarischen Angelegenheiten gegolten haben soll, ergibt auch das bei Dimitroff vorgefundene Notizenmaterial Ein kleines schwarzes Notizbuch aus dem Besitze Dimitroffs enthält eine große Zahl Fernsprechnummern, die durch Umstellung der Zahlen zum Teil geschlüsselt sind. Beispiele solcher Schlüsselungen sind die Nummer 4382 Jäger, die dem Abgeordneten Münzenberg gehörte und als 8243 eingetragen war, und die Nummern von zwei Damenbekanntschaften, die in gleicher Weise umgestellt waren. Unter diesen Nummern befindet sich auch die geschlüsselte Anschlußnummer des kommunistischen Reichstagsabgeordneten Walter Stöcker, zu dem also auch offenbar Beziehungen bestanden haben. Hinter der Nummer steht denn auch in Klammern ein Name, wie bei einigen der übrigen Nummern ebenfalls, der als Oskar Stöcker entziffert ist wobei offenbar eine Verwechslung des Vornamens vorliegt.

c)

Auch das übrige bei Dimitroff beschlagnahmte Schriftenmaterial legt die Vermutung einer Tätigkeit für deutsche kommunistische Belange nahe. In den beschlagnahmten Notizen ist von "Auswertung unserer Presse (Wien, Reichen (bach), Basel, Metz) für Deutschland" die Rede. Dimitroff versucht vergeblich, dem durch Einschaltung der Worte, für "Informierung der bulgarischen Presse über die Lage in" Deutschland einen anderen Sinn zu geben. Es finden sich ferner die Worte "Erhalten der Verbindungen zwischen der deutschen Partei und anderen Bruderparteien..." an deren Bedeutung sich Dimitroff nicht erinnern will, die aber doch ziemlich eindeutig auf eine derartige Tätigkeit Dimitroffs in Deutschland hindeuten Schließlich findet sich die Notiz. "Antrag an SPD. und ADGB., a) Freilassung der Verhafteten, b) Aufhebung des Ausnahmezustandes und Einstellung der Verfahren gegen den Arbeiterführern. Massenstreik! Wahl gemischter Ausschüsse in den Betrieben", die gleichfalls auf eine unmittelbare Beschäftigung mit Angelegenheiten der inneren deutschen Politik hindeutet im Gegensatz zu der Erklärung Dimitroffs, das beziehe sich auf die Stellungnahme der Kommunistischen Internationale zu diesen Fragen und habe lediglich der Information der bulgarischen Kommunisten dienen sollen.

d)

Daß Dimitroff der Ansicht war, daß er nicht nur seine Person durch Annahme falscher Namen vor der bulgarischen Polizei sichern müsse, sondern auch seine Tätigkeit und sein Material den Augen der deutschen Polizei entziehen müßte, ergibt auch die von ihm befolgte Vorsichtsmaßregel, neben seiner Wohnung stets in anderer Gegend ebenfalls unter falschem Namen einen getrennten Tagesraum für seine Arbeiten zu mieten und zu benutzen. Die Erklärung Dimitroffs das sei "eben seine Methode" gewesen, klärt den Zweck dieser Methode keineswegs in anderem Sinne auf.

e)

Besteht danach ein Verdacht, daß der Angeklagte Dimitroff - Mitglied des Exekutivkomitees der Komintern - in Deutschland sich mit der Förderung der Angelegenheiten der KPD. praktisch befaßt hat, so ist doch eine tatsächliche Feststellung, daß und in welcher Richtung eine solche Betätigung etwa stattgefunden hat, nicht möglich gewesen

Insbesondere lassen auch die für seine Beteiligung an dem Hochverrat durch Inbrandsetzung des Reichstagsgebäudes, die den Gegenstand der Anklage gegen ihn bildet, vorgebrachten Tatsachen keine Schlüsse zu, die ihn der Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe überführen könnten. Ungeklärt ist geblieben welche Bewandtnis es mit einem Führer "Berlin in der Tasche" hat, der sich nach Aussage des Zeugen Kriminalassistent Kynast unter dem aus der Mansfeld'schen Wohnung Dimitroffs stammenden Material befunden haben soll. In dem Führer lag in dem zweiten Kartenblatt eine grüne Broschüre über die revolutionäre Bauernbewegung in der Tschechoslowakei. Hierdurch auf diesen Plan hingelenkt entdeckte der Zeuge bei dem Schloß und der Kriminalkommissar Braschwitz nach ihm bei dem Reichstagsgebäude ein Bleistiftkreuz. Im Straßenverzeichnis pp. war u.a. die niederländische Gesandtschaft unterstrichen. Dimitroff will einen gleichen Führer im Jahre 1930 gekauft, aber wenig, seit 1933 überhaupt nicht mehr, benutzt haben. Der Führer habe in seinem Zimmer, auch während seiner Abwesenheit, herumgelegen. Dimitroff bestreitet, daß die Kreuze und Unterstreichungen von ihm herrühren. Für seine Behauptung, es liege eine Fälschung der Beamten der Kriminalpolizei vor, besteht gegenüber deren Bekundungen nicht der geringste Anhalt. Andererseits ist, wenn Dimitroff bei dem Reichstagsbrand seine Hand im Spiel gehabt hat, nicht eben sehr wahrscheinlich, daß diese Zeichen von ihm herrühren. Näher läge alsdann die Annahme, daß ein anderer, vielleicht einer der Beteiligten, der den Plan benutzt hätte, die Zeichen gemacht hätte. Der Angeklagte van der Lubbe hat dies ausdrücklich bestritten. Irgendwelche zuverlässigen Feststellungen, von wessen Hand die Kreuze und Unterstreichungen stammen, sind aber auf Grund des dem Gericht vorliegenden Beweismaterials nicht möglich. Ebensowenig ist aus dem Umstand, daß sich in dem beschlagnahmten Material zwei Ansichtspostkarten mit Ansichten von Schloß und Reichstag befunden haben, etwas herzuleiten. Dimitroff behauptet, er habe nicht zwei, sondern mehrere Karten als Rest einer Serie besessen. Die beiden Karten haben sich nach Bekundung des Kriminalbeamten; der die Beschlagnahme durchgeführt hat, des Zeugen Steinbach, in einer verschlossenen Aktentasche befunden, in die man von der Seite hineinfassen konnte. Vor Verwahrung der beschlagnahmten Sachen auf der Kriminalpolizei sind verschiedene Sachen aus der verschlossenen Mappe seitlich herausgenommen, besehen und zum Teil wieder hineingesteckt, darunter auch die fraglichen Ansichtskarten. Es ist durchaus möglich, daß hierbei einige Karten verloren gegangen sind. Zuverlässige Nachprüfungen sind nicht möglich, da eine Bestandsaufnahme des gesamten Materials bei der Beschlagnahme im einzelnen nicht erfolgt ist.

f)

Nicht erwiesen ist auch, daß der Angeklagte Dimitroff im Reichstag gewesen oder mit einem der Mitangeklagten, insbesondere dem Angeklagten van der Lubbe, zusammengekommen ist. Der Zeuge Fahrstuhlführer Kaufmann glaubt mit Bestimmtheit sagen zu können, daß er den Angeklagten Dimitroff am 23. oder 25. Februar mit dem Reichstagsabgeordneten Dr. Neubauer und dessen Sohn im Fahrstuhl II des Reichstagsgebäudes hinuntergefahren hat. Dimitroff bestreitet, seit 1921 das Reichstagsgebäude überhaupt betreten zu haben und Neubauer zu kennen. Der Zeuge Neubauer nimmt gleichfalls in Abrede, Dimitroff zu kennen. Er erinnert sich eines Vorfalls, wie ihn der Zeuge beschreibt, nicht. Der Zeuge Kaufmann hat den Angeklagten Dimitroff nach den bei den Akten befindlichen sehr guten Bildern bei seiner ersten Vernehmung nicht mit Bestimmtheit wiedererkannt. Er hat dabei mit Recht auf die Tatsache hingewiesen, daß die ganze Fahrtdauer mit den drei Personen im Aufzug nur 30 Sekunden betragen habe. Ein sicheres Wiedererkennen ist nach Ansicht des Senats unter diesen Umständen, zumal der Zeuge auf seine Dienstverrichtungen achten muß, kaum möglich, jedenfalls nicht bewiesen.

g)

Auch der Zeuge Journalist Droescher, der als Mitarbeiter des Presseleiters der nationalsozialistischen Reichstagsfraktion, des Majors a.D. Weberstedt, im Reichstagsgebäude beschäftigt war, glaubt den Angeklagten Dimitroff einige Tage vor dem Reichstagsbrand im Reichstagsgebäude gesehen zu haben. Er traf damals im Oberlichtumgang O 36 vor den Zimmern der Kommunistischen Reichstagsfraktion den Angeklagten Torgler im Gespräch mit einem Mann, der sich an die Holzbrüstung lehnte und den er für einen Ausländer hielt. Am 22. März wurde in der Presse eine Notiz veröffentlicht, in der erwähnt wurde, die Ermittelungen hätten ergeben, daß van der Lubbe mit ausländischen Kommunisten in Verbindung gestanden hätte, die wegen des Attentats in der Kathedrale in Sofia im Jahre 1925 zum Tode bezw zu schweren Zuchthausstrafen verurteilt wären, und daß die in Frage kommenden Personen sich in Haft befänden. Der Zeuge Droescher kannte von einem Aufenthalt bei Verwandten in Bulgarien die näheren Umstände dieses Attentats, wußte auch, daß ein Dimitroff als Hauptattentäter verurteilt war und hatte Bilder von ihm gesehen, u.a. eine Postkarte mit dem Bild der gesprengten Kathedrale und des verurteilten Hauptattentäters. Als Droescher, der bereits am 20. März wegen anderer Wahrnehmungen einmal vernommen war, am 28. März zu einer erneuten Vernehmung zum Untersuchungsrichter ging, sah er in der Vorhalle die bulgarischen Angeklagten, an den Händen gefesselt, sitzen. Er sagte darauf sofort zu dem Untersuchungsrichter: "Herr Reichsgerichtsrat, was sind das für Bulgaren da draußen? Das ist doch Dimitroff aus Sofia; den kenne ich von Abbildungen her und den habe ich im Hause gesehen." Er erzählte von dem Zusammentreffen mit Torgler, mit dem er Dimitroff, den er von Abbildungen als einen der Attentäter auf die Sofioter Kathedrale kenne, zusammengesehen habe. Diese Meinung, daß nämlich der Angeklagte Dimitroff der auf der Postkarte abgebildete Kathedralenattentäter und der mit Torgler zusammen gesehene Ausländer sei, hält er auch jetzt aufrecht, bezüglich des Kathedralenattentäters auf den Vorhalt, daß ein gewisser Stefan Dimitroff der Verurteilte sei, allerdings mit der Einschränkung: "Die Gewißheit, daß es sich bei dem Angeklagten Dimitroff um den verurteilten Attentäter handle, dessen Bild er in Bulgarien gesehen habe, sei für ihn eine ziemlich große." Es ist offensichtlich, daß nach dem an früherer Stelle über die Verurteilung Stefan Dimitroffs und die Tatsache, daß dieser mit dem hier angeklagten Georgi Dimitroff nicht personengleich ist, Gesagten hier ein Irrtum des Zeugen Droescher vorliegt. Der neben dem Bild der Kathedrale abgebildete Verurteilte kann nur Stefan Dimitroff gewesen sein. Der Irrtum des Zeugen ist augenscheinlich zurückzuführen auf Gedankengänge, die die erwähnte Pressenotiz schon vorher in ihm ausgelöst hätte. Dort waren ja die Inhaftierten geradezu als die wegen des Attentats Verurteilten bezeichnet. Daß der Zeuge diese Notiz gelesen hatte, ist nicht zweifelhaft und wird auch durch seine spontane Äußerung: "Herr Reichsgerichtsrat, was sind das für Bulgaren......" bestätigt. Unter diesen Umständen lag es nahe, daß er in dem angeblich als Kathedralenattentäter Verurteilten nun auch den Ausländer zu erkennen glaubte und glaubt, den er mit dem der Reichstagsbrandstiftung beschuldigten Torgler zusammen wenige Tage vor dem Brand gesehen hatte. Damals aber sind ihm bei dessen Anblick diese vermeintlichen Erinnerungsbilder keineswegs gekommen. Er hat nach seinen Angaben gegenüber dem Untersuchungsrichter den Fremden vielmehr nur im Vorübergehen und flüchtig gesehen, und von ihm im Augenblick nur den Eindruck eines Ausländers, eines ostischen Subjekts, wie er sich ausdrückt, gehabt. Seine später gewonnene vermeintliche Gewißheit, daß es sich hier um den Angeklagten Dimitroff gehandelt habe, vermag der Senat unter diesen Umständen nicht zu teilen.

h)

Belastend ist schließlich für den Angeklagten Dimitroff vor allem die Aussage des Zeugen Helmer. Helmer ist Kellner in dem Bierrestaurant "Bayernhof" in der Potsdamer Straße in Berlin, das im allgemeinen von einem guten Publikum besucht wird. Er gibt an, daß seit Fühjahr 1932 die Angeklagten Dimitroff und Popoff mit noch zwei bis drei anderen Personen ausländischen Aussehens regelmäßig in Abständen von ein bis zwei, höchstens einmal vier Wochen, zuletzt am Brandtage selbst, im Bayernhof verkehrt hätten und behauptet, auch den Angeklagten van der Lubbe habe er 3 bis 6 mal in der Zeit von Mai bis Ende Oktober oder Anfang November 1932 in diesem Kreise gesehen. Er sei mit langer Hose und dunkler Jacke bekleidet gewesen und sei ihm als kräftig und groß, das Gesicht als ordinär und knochig und das Haar als buschig und zurückgekämmt in Erinnerung. Auch der Art des Hutaufsetzens und eines Augenzwinkern könne er sich erinnern. Beim Erscheinen des Brustbildes van der Lubbes ohne Kopfbedeckung in der Berliner Nachtausgabe vom 28. Februar - in Wahrheit ist dieses Bild erst in der Ausgabe vom 3. März erschienen - sei ihm sofort die Ähnlichkeit aufgefallen. Er habe mit seinen Kollegen darüber gesprochen und dann am 7. März Anzeige gemacht. Auf der Polizei seien ihm zunächst Bilder van der Lubbes vorgelegt worden, nach denen er ihn bestimmt wiedererkannt habe. Er erkenne ihn auch heute bestimmt wieder. Am 9. März sind dann die Angeklagten Dimitroff und Popoff, diesmal - wie Helmer bekundet, zum ersten Mal -in Begleitung Taneffs wieder im Bayernhof gewesen und darauf auf Veranlassung Helmers verhaftet.

Die Angeklagten bestreiten sämtlich. Van der Lubbe erklärt, niemals im Bayernhof gewesen zu sein, Dimitroff gibt zu, dort des öfteren verkehrt zu haben, aber niemals mit van der Lubbe. Popoff will erst seit seinem Eintreffen in Berlin Anfang November 1932 hin und wieder dort gewesen sein.

Die Bekundungen des Zeugen Helmer halten einer objektiven Nachprüfung nicht stand. Die zutreffende Angabe der charakteristischen Merkmale van der Lubbes ist zwar für eine solche Nachprüfung nicht verwertbar, weil sie wiederum durch den Zeugen erst gemacht ist, nachdem er die Merkmale aus Bildern und der persönlichen Gegenüberstellung mit van der Lubbe auf der Polizei hatte gewinnen können. Dagegen ist es auffallend und spricht für seine anfängliche Unsicherheit, daß Helmer bis zum 7. März mit der Anzeige gezögert hat, wie er denn auch dem Zeugen Major Schröder gegenüber nur geäußert hat, er hätte den Eindruck, er glaube, van der Lubbe sei mit am Tische der Bulgaren gewesen. Es stehen der Meinung Helmers aber vor allem die einmütigen Bekundungen seiner Kollegen, der übrigen Kellner des Bayernhofes, der Zeugen Römer, Hafemann, Rösch, Koch, Winkel und Rehbaum, des Zapfers Geßler und des Geschäftsführers Münkner entgegen. Diese bestreiten, zum Teil in bestimmtester Form, daß van der Lubbe jemals im Bayernhof gewesen sei. Besonderes Gewicht erhalten diese Aussagen durch die Tatsache, daß Helmer selbst im Laufe seiner Vernehmung zugeben mußte, daß die Bekundungen, die er bis dahin über den Verkehr der Bulgaren in dem Lokal gemacht hatte, zum Teil gar nicht seine eigenen Wahrnehmungen, sondern nur Mitteilungen eben dieser Kollegen gewesen waren. Bezeichnend für die Einstellung des Zeugen ist auch, daß ihn der Vorhalt, der Angeklagte Dimitroff sei erwiesenermaßen am Brandtage in München gewesen, nicht etwa veranlaßte, seine Meinung, Dimitroff und Popoff auch an diesem Tage im Bayernhof gesehen zu haben, noch einmal zu überprüfen, sondern nur, um so entschiedener bei seiner vermeintlichen Wahrnehmung zu bleiben. Daß aber seine Bekundung über van der Lubbes Aufenthalt im Bayernhof - ganz abgesehen von dem für einen Verkehr in einem derartigen Lokal kaum geeigneten Äußeren van der Lubbes - tatsächlich kaum richtig sein kann, ergibt die Feststellung, daß van der Lubbe in der fraglichen Zeit von Mai bis Anfang November, vom 12. bis 21. Juni und vom 14. Juli bis 2. Oktober in seiner Heimat in Haft gewesen ist und daß er zwischendurch am 29. Juni dort einer Gerichtsverhandlung beigewohnt und im Oktober bis Anfang November allwöchentlich seine Rente auf der Post in Leiden persönlich abgehoben hat. Es ist schwerlich denkbar, daß und weshalb van der Lubbe in der Zwischenzeit drei- bis sechsmal in Berlin im Bayernhof gewesen sein sollte. Wie weit die Unrichtigkeit der Bekundung daß der Angeklagte Popoff schon vor November 1932 in Berlin gewesen sei, nachgewiesen ist, kann späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Auch ohne diesen Nachweis muß die Bekundung Helmers über ein Zusammensein van der Lubbes mit Dimitroff und Popoff als nahezu widerlegt gelten.

Der Angeklagte Dimitroff kann danach einer Teilnahme an der Brandstiftung und dem dadurch begangenen Hochverrat nicht als überführt angesehen werden.

G. Der Angeklagte Popoff.

Dasselbe gilt vom Angeklagten Popoff.

a)

Die Nachprüfung seiner Angaben über seinen anderweitigen Aufenthalt am Nachmittag und Abend des Brandtages haben zwar zu einem Ergebnis nicht geführt. Für die Richtigkeit seiner Angaben, er sei am Nachmittag und Abend des Brandtages mit Taneff in verschiedenen Lokalen und von 21 Uhr ab in einem Lichtspieltheater am Nollendorfplatz gewesen, spricht in gewissem Grade die Tatsache, daß Taneff, der seit der Verhaftung keine Verbindung mehr mit Popoff gehabt hatte, in der Voruntersuchung von sich aus dieselben Angaben bezüglich des Lichtspieltheaters gemacht und dieses Theater an Ort und Stelle richtig bezeichnet hat. Ob die Bekundung der Hauswirte des Popoff, der Zeugen Eheleute Sobecki, über Auffindung einer Eintrittskarte zu dem am 27. Februar in diesem Theater gezeigten Film "Die Insel der Dämonen" der Wahrheit entspricht, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist daraus nicht zu entnehmen, daß diese Vorstellung gerade an diesem Tage besucht ist. Den Tag des Besuches können die Zeugen Sobecki nicht angeben. Im übrigen hat keiner der vernommenen Zeugen aus der Zahl der Angestellten des Lichtspieltheaters die Angaben Popoffs über die an diesem Abend dort beschäftigten Angestellten, ihr Aussehen und ihren Dienst und über Popoffs Suche nach einem Paar vergessener Handschuhe bestätigen können. Völlig mißlungen ist auch der Versuch Popoffs, die Kellner wieder herauszufinden, die ihn und Taneff am Abend des Brandtages in der Zeit von 19 bis 21 Uhr in der Aschinger-Filiale an der Potsdamer Straße bedient haben sollen. Die von Popoff bezeichneten Kellner haben an dem Tisch, an dem er gesessen haben will, an dem betreffenden Abend entweder nicht bedient ( Zeuge Dombeck, der nur bis 16 Uhr Dienst hatte) oder haben die Angaben Popoffs über besondere Dienstleistungen nicht bestätigen können (Zeugen Borchart und Machmar).

b)

Auch gegen Popoff besteht der Verdacht, daß seine Tätigkeit in Deutschland nicht auf bulgarische Interessen und Vorbereitung auf die Amnestie beschränkt war. Ob er vor November 1932 schon in Deutschland gewesen ist, ist ungeklärt geblieben. Der Aussage der Frau Hartung, er habe schon im Sommer 1928 bei einer Frau Ryschkowski gewohnt oder verkehrt, steht deren gegenteilige Bekundung und die Angabe des Zeugen Dittbaender entgegen, daß dieser Frau zwar ständig Emigranten, nicht aber Popoff zugewiesen sei. Für den Nachweis eines Verkehrs in der Roten Hilfe ist die Angabe der Zeugin Hartung zu unbestimmt, die des Zeugen Grothe, der Popoff dort mit Kempner zusammen gesehen haben will, wie oben erörtert, nicht glaubhaft. Keine sicheren Feststellungen ermöglichen auch die Bekundungen einer Reihe von Zeugen über einen im Sommer 1932 beobachteten Verkehr Popoffs bei dem als Kommunist bekannten Kaempfer in dessen Wohnung in der Zechliner Straße in Berlin. Den Zeugen, Nachbarn des Kaempfer, ist aufgefallen, daß von Mai bis Juli 1932 bei Kaempfer ein Russe, russischer Jude oder Agitator, wie sie ihn bezeichneten, aus- und eingegangen ist. Die Eheleute Jung und deren Schwester und Schwägerin Frau Büttner haben ihn zunächst beobachtet und dann mit den Zeugen Müller, Althaber, Vogel und Ahrendt darüber gesprochen, weil ihnen als Nationalsozialisten Kaempfer, der dauernd in kommunistischem Sinne agitierte, und sein Gebahren verdächtig war. Frau Jung und die Zeugin Fräulein Quappe haben vom Fenster der Jung'schen Wohnung aus mit dem Feldstecher schräg gegenüber die Kaempfersche Wohnung beobachtet und in dieser Wohnung den Fremden in Hemdsärmeln, mit Papier hantierend, gesehen und ein Geräusch wahrgenommen, das Frau Jung als von einer Vervielfältigungsmaschine herrührend deuten zu können glaubt. Der Zeuge Althaber hat den Fremden aus der Tür des Kaempferschen Hauses kommen sehen und hat ihn auch mit Vogel zusammen von dessen Wohnung aus bei Kaempfer mit diesem zusammen beobachtet. Auch Frau Büttner hat ihn in der Wohnung ihrer Schwester und in Kaempfers Wohnung gesehen. Die übrigen Zeugen haben den Fremden im Haus und auf der Straße gesehen. Alle glauben, in dem Angeklagten Popoff diesen Fremden wiederzuerkennen allerdings zum Teil mit Einschränkungen. So kann die Zeugin Quappe, die bei den Beobachtungen der Frau Jung beteiligt war, nicht genau sagen, ob Popoff der Fremde war. Der Zeuge Vogel, der mit Althaber beobachtete, kann ebenfalls nur sagen, Popoff könne es gewesen sein. Popoff leugnet, damals überhaupt in Deutschland gewesen zu sein und hat bereits vor der Hauptverhandlung Angaben über seinen Aufenthalt in dieser Zeit gemacht, die die auf Antrag der Verteidigung geladenen russischen Zeugen in der Hauptverhandlung bestätigt haben. Frau Weiß und Frau Iskrowa gaben an, mit Popoff und seiner Frau von April bis Juli 1932 in der Sommerfrische Tomilino bei Moskau gewesen zu sein. Die Zeugin Frau Bojkowa hat dort mit dem Ehepaar Popoff seit Mai die Wohnung geteilt. Alle diese Zeugen sowie die Zeugin Frau Arbore haben Popoff dann Ende September und Oktober 1932 in Moskau wiedergesehen. In der Zwischenzeit vom 3. August bis 13. September ist er mit seiner Frau nach Bekundung der Ärztin Frau Lissitschewa im Sanatorium Suuk-Su auf der Krim in Behandlung gewesen, Anhaltspunkte für eine bewußte Lüge dieser sämtlichen Zeugen unter ihrem Eid liegen nicht vor. Dennoch ist das Gericht, da nicht nachprüfbar ist, welchen Einflüssen die Zeugen in ihrer Heimat unterlegen sind und ob nicht die Angaben Popoffs über seinen Aufenthalt im Sommer 1932 ihnen durch die Presse oder sonstwie bekannt geworden waren, der Ansicht, daß ihre Bekundungen mit Vorsicht zu bewerten sind. Immerhin können sie gegenüber den Bekundungen der Zeugengruppe Jung nicht außer Betracht bleiben. Irrtümer sind auch bei dieser durchaus möglich, da auch sie ihre Aussage über die Wiedererkennung Popoffs unter dem Eindruck des ihnen als der Brandstiftung verdächtig gegenübergestellten Popoff gemacht haben. Sie können um so weniger außer Betracht bleiben, als Kaempfer selbst zunächst alles bestritten hat, dann aber Aussagen gemacht hat, die von der Darstellung der Zeugen erheblich abweichen. Kaempfer, ein schwer vorbestrafter und wenig glaubwürdiger Zeuge, gibt jetzt an, der Fremde, der von Mai ab das Zimmer bei ihm innegehabt und hin und wieder benutzt habe, sei Popoff gewesen. Ein Parteigenosse habe ihn als Emigranten gebracht. Er selbst habe Popoff kaum kennen gelernt und gesehen, sein Zimmer nie betreten und habe ihn nur einmal zum Anhalter Bahnhof gebracht. Daß er auch Taneff, der nach Popoff gefragt habe, die Tür geöffnet haben will. ist bezeichnend für den Wert seiner Aussage. Taneff sprach, wie unten zu erörtern sein wird, noch nicht einmal gebrochen Deutsch. Die phantasievollen Angaben Kaempfers über eine braune Flüssigkeit, mit der Popoff hantiert haben soll, legen die Vermutung nahe daß der Zeuge durch Presseberichte über das Gutachten des Sachverständigen Dr. Schatz beeinflußt ist. Die Aussage der Ehefrau Kaempfer kann neben der Aussage ihres Mannes außer Betracht bleiben, da diese offensichtlich bemüht war, sich mit den Angaben ihres Mannes nicht in Widerspruch zu setzen - Auch aus den Angaben der Zeugen Michalski und Heyta ist über einen Aufenthalt Popoffs schon im Mai 1932 in Deutschland und einen Verkehr in der russischen Handelsvertretung nichts zu entnehmen. Insbesondere kann Heyta nur Angaben über 1933 machen. Übrigens würde der Umstand, daß Popoff schom im Sommer 1932 in Deutschland gewesen wäre, Schlüsse auf eine Teilnahme an der Brandstiftung noch nicht zulassen.

Völlig ungenügend sind allerdings die Erklärungen, die der Angeklagte Popoff über Herkunft und Zweck der bei ihm vorgefundenen und von ihm umgesetzten erheblichen Geldmittel gegeben hat. 303,40 RM über die sich fünf bei ihm vorgefundene mit Peter unterzeichnete Quittungen aus Februar 1933 verhalten, will er diesem - unbekannten - Peter zum Einkauf von russischen Zeitungen und Büchern für Bulgarien gegeben haben. 8 400 RM, 50 RM und 810 Dollar, über die ein gewisser Bruno ihm quittiert hat, soll dieser, ein durchreisender bulgarischer Kaufmann, als im Ausland gesammelte bulgarische Emigrantengelder zur Mitnahme nach Bulgarien erhalten haben. 800 Dollar fanden sich bei seiner Verhaftung in seinem Besitz. Das sind nach dem damaligen Kursstande rund 15 - 16 000 RM, über deren Herkunft und Zweck nichts festzustellen war. Auch ein Zettel mit militärischen Fachausdrücken wurde bei Popoff gefunden. Er will sie angeblich aus Zeitungen zu Sprachstudien abgeschrieben haben. Dies alles und die Tatsache, daß Popoff zu seinem Mitgefangenen, dem Zeugen Weinberger, geäußert hat, er wolle versuchen, Notizen aus seiner Wohnung, die anzugeben er sich beharrlich weigerte, beiseite schaffen lassen, bestärken den Verdacht einer illegalen Tätigkeit Popoffs in Deutschland. In welcher Richtung diese aber lag und worin sie bestanden hat, ist ungeklärt.

Insbesondere können auch die von der Anklage gegen Popoff vorgebrachten Beweistatsachen für seine den Gegenstand der Anklage bildende angebliche Beteiligung an der Inbrandsetzung des Reichstags und dem dadurch begangenen Hochverrat kein Licht auf diese Vorgänge werfen. Auch sie sind, wie sich zum Teil aus dem bereits Ausgeführten ergibt, sämtlich nicht erwiesen und Popoff ist einer solchen Beteiligung deshalb nicht überführt. Über das angebliche Zusammentreffen mit dem Angeklagten van der Lubbe im Bayernhof ist oben das Nötige bereits gesagt. Hervorzuheben ist hier, daß auch die Angabe Helmers über die Zeit - Sommer 1932 -, zu der er Popoff im Bayernhof bereits gesehen haben will, hier mit Rücksicht auf die Aussagen der russischen Zeugen den gleichen Zweifeln begegnet, die oben erörtert sind. - Auch das vom Zeugen Frey bekundete Gespräch mit dem Angeklagten Torgler in O 38 ist nicht erwiesen, ebensowenig wie nach der eigenen Meinung des Zeugen Denschel eine sichere Angabe möglich ist, daß Popoff schon um 14.20 Uhr mit Torgler dort gesessen hat. - Zu der Bekundung des Zeugen Bogun ist ergänzend zu bemerken, daß der Senat zwar nicht zweifelt, daß es einer der Mittäter war, den Bogun um 21 Uhr aus Portal II hat entkommen sehen, daß aber der Augenschein zur Überzeugung des Senats ergeben hat, daß bei der Beleuchtung vor Portal II irgendeine sichere Beobachtung, insbesondere auch der Kleidung und Gesichtszüge der fraglichen Person, vom Standpunkt des Zeugen Bogun aus nicht möglich war. Auch der Zeuge macht daher seine Angabe, er sei überzeugt, es sei Popoff gewesen, der aus dem Portal II gelaufen sei, was Popoff entschieden bestreitet, nur noch mit der Einschränkung, ein Irrtum sei nicht ausgeschlossen. - Daß und weshalb dem Zeugen Grothe bezüglich seiner Angaben über die Ablieferung des Brandmaterials an "Jimmy", den großen Schwarzen, d.h. Popoff, am Reichstagsgebäude nicht zu glauben ist, ist bereits dargelegt.

Es bleibt danach nur zu erörtern, daß auch der Aussage des Zeugen Enke, der Popoff mehrmals im Gange des zweiten Obergeschosses des Reichstagsgebäudes und einmal im Zimmer des kommunistischen Abgeordneten Felix Halle gesehen haben will, keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Der Zeuge wurde kommunistischer Betätigung verdächtigt, ihm sind dann Bilder Popoffs vorgelegt und er hat eine Darstellung gegeben, die nicht frei von Widersprüchen ist. Für sein Auffassungsvermögen ist bezeichnend, daß er auf eingehendes Befragen wiederholt mit Zeitangabe erklärte, er hätte Popoff zunächst einige Male auf dem Gang und dann bei Felix Halle gesehen, trotzdem aber bereits auf dem Gang gedacht haben wollte, der Fremde wolle zu Halle. Diese Darstellung berichtigte er erst auf Vorhalt. Sein schwaches Gedächtnis zeigt sich auch bei den Angaben über den Gegenstand seiner Vernehmung im Vorverfahren, die er in keiner Weise mehr auseinanderhalten kann. Die ganze Darstellung kann um so weniger zur Feststellung eines Verkehrs Popoffs bei der Kommunistischen Reichstagsfraktion oder gar einer Beteiligung an der Reichstagsbrandstiftung dienen, als der Zeuge selbst seine Meinung, er habe Popoff dort gesehen, in die Form faßt, "er glaube sich nicht zu irren".

H. Der Angeklagte Taneff.

Wie Dimitroff und Popoff, so ist auch der Angeklagte Taneff einer Mitwirkung bei der Brandstiftung und dem durch sie begangenen Hochverrat nicht überführt. Er ist, wie bereits ausgeführt, erst am 24. Februar nach Deutschland gekommen. Ob seine Angabe, vor dieser Zeit nicht in Deutschland gewesen zu sein, stimmt, steht dahin. Die Angabe des Zeugen Michalski, der ihn 1932 in der russischen Handelsvertretung gesehen haben will, ist zu unbestimmt, um darauf Feststellungen zu gründen. Die des Zeugen Heyta bezieht sich nur auf 1933. Der Zeuge Bannert will Taneff 1927 bis 1928 in der Emigrantenhilfe der Roten Hilfe gesehen haben, die Zeugen Kratzert und Hartung glauben sich seines Gesichts zu erinnern, während der Zeuge Dittbaender, der Leiter der Emigrantenhilfe, ihn bestimmt nicht kennen will. Über die Unglaubwürdigkeit der Aussagen Kaempfers über Taneffs Erscheinen in dessen Wohnung 1932 ist bereits gesprochen. Der Umstand, daß Taneff noch heute, wie auch der Dolmetscher Tarapanoff nach mehrmonatigem Verkehr als seine Überzeugung bestätigt, kaum ein Wort deutsch spricht, spricht nicht für einen früheren Aufenthalt in Deutschland. Nun soll allerdings auch er mit dem Angeklagten van der Lubbe am Brandtage oder am Freitag oder Sonnabend vorher, wahrscheinlich am 24. Februar, zusammen gewesen sein, zwar nicht im Bayernhof, wo Taneff auch nach der Bekundung des Zeugen Helmer zum ersten Mal am 9. März, dem Tage seiner Verhaftung, aufgetaucht ist, wohl aber im Reichstagsgebäude. Der Zeuge Weberstedt hat an diesem Tage im Oberlichtumgang O 36 und zwar in der Südwestecke, also nicht an der Seite, an der die kommunistischen Fraktionszimmer lagen, zwei Leute getroffen, deren einer einen Holzverschlag trug und die ihm durch ihren sonderbaren Größenunterschied auffielen und ihn an das Bild der Stettiner Sänger erinnerten. Der Zeuge hat dann eines Tages van der Lubbe in einer Gruppe mit dem Untersuchungsrichter und Kriminalbeamten in dem ausgebrannten Plenarsaal stehen sehen und will sofort gestutzt haben. Er glaubt, in van der Lubbe den großen Mann und in Taneff dessen Begleiter vom 24. Februar bestimmt wiederzuerkennen Der kleine sei ihm durch seinen langen Mantel, der große durch seinen Wuschelkopf aufgefallen. Diese Annahme ist jedoch außerordentlich unwahrscheinlich. Taneff spricht, wie bereits hervorgehoben, kaum ein Wort deutsch. Ihn mit dem Niederländer van der Lubbe, der gleichfalls nur gebrochen deutsch sprach und mit dem jede Verständigung für ihn ausgeschlossen war, allein im Reichstagsgebäude herumlaufen zu lassen wäre ein recht sonderbares und gewagtes Unternehmen gewesen Beide hätten bei ihrem Aussehen unbedingt damit rechnen müssen, angehalten zu werden. Wenn der vom Zeugen beobachtete Vorfall wirklich am 24. Februar sich ereignet hat, wie er für wahrscheinlich hält so steht übrigens der Annahme der Anwesenheit Taneffs im Reichstagsgebäude entgegen, daß Taneff erst an diesem Tage in Berlin eingetroffen ist. Wie hervorgehoben, führte auch der von den beiden eingeschlagene Weg nicht etwa zu den Zimmern der Kommunistischen Reichstagsfraktion. Der Zeuge Weberstedt ist hier offenbar dem auf ihn wirkenden Eindruck der Gruppe des gefesselten van der Lubbe inmitten der Richter und Kriminalbeamten in dem ausgebrannten Plenarsaal unterlegen. Bezeichnend ist daß er selbst im Gegensatz zu seiner früheren Darstellung, er habe van der Lubbe gefesselt gesehen und ihn hierbei erkannt sein Wiedererkennen van der Lubbes jetzt als das Ergebnis des Nachdenkens einer Nacht bezeichnet. Taneff hat er bei seiner ersten Vernehmung am 20. März noch nicht als den kleinen Mann bezeichnet, den er vielmehr damals nur als Italiener-Typ, etwa 1,51 m groß schilderte. Erst nach der Pressenotiz über die Bulgaren über die er annehmbarerweise auch mit seinem Mitarbeiter Droescher gesprochen hat, hat auch er in seiner Vernehmung am 28. Februar geglaubt, in einem der Bulgaren, die draußen gefesselt saßen, den zweiten der "Stettiner Sänger" zu erkennen. Diese Entwicklung der Aussage darlegen heißt die möglichen, dem Zeugen unbewußten Fehlerquellen aufzeigen, die ihrer objektiven Richtigkeit entgegenstehen und denen der Zeuge Weberstedt um so leichter zum Opfer fallen konnte, ohne sich dessen bewußt zu werden, als er ebenso wie der Zeuge Dröscher vom ersten Tage an in besonders anerkennenswerter Weise bemüht war, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Daß dem Zeugen hierbei, wie leicht erklärlich, auch so gewichtige Irrtümer unterliefen, wie der, daß er den Wuschelkopf van der Lubbes in Erinnerung zu haben glaubt, obwohl der große der beiden Münner nach seiner jetzigen Darstellung eine Schiebermütze wie van der Lubbe aufgehabt haben soll mag nur nebenbei erwähnt werden. Nach dem bei den Akten befindlichen gemeinsamen Lichtbild Taneffs und des Kaufmanns Bernstein, der häufiger bei der Kommunistischen Reichstagsfraktion verkehrte und, wie er als Zeuge bekundet hat, gerade am 24. Februar im Reichstagsgebäude gewesen ist, liegt übrigens eine Verwechslung der beiden in Hut und Mantel auffallend ähnlichen Personen um so mehr im Bereich der Möglichkeit, als Taneff 1,62, Bernstein in der Tat aber nur 1,56 m groß ist und beide die gleichen überlangen Mäntel tragen. Die Meinung des Zeugen Weberstedt, den kleinen Mann schon öfters im Reichstagsgebäude gesehen zu haben, macht diese Verwechslung nur noch wahrscheinlicher, weil Bernstein häufiger dorthin kam, Taneff aber überhaupt erst am 24. Februar nach Deutschland gekommen ist.

Nach alledem kann auch Taneff einer Beteiligung bei der Brandstiftung nicht als überführt angesehen werden.

J. Der Hochverrat van der Lubbes und seiner kommunistischen Mittäter.

I.

Ist danach zwar nicht bewiesen, daß die übrigen Angeklagten außer dem Angeklagten van der Lubbe in irgendeiner Form an der Brandstiftung beteiligt gewesen sind, so ist doch andererseits nicht zweifelhaft, welches Ziel van der Lubbe und seine Mittäter mit der Tat verfolgt haben und in welchem Lager die Mittäter und Hintermänner des Verbrechens zu suchen sind. Der Umstand, daß die Täter als Gegenstand ihres Verbrechens nichts Geringeres gewählt haben als das Parlamentsgebäude, den Sitz des Deutschen Reichstags, des damaligen Trägers der gesetzgebenden Gewalt, das die Widmung "Dem deutschen Volke" trägt, zeigt, daß es sich um einen an die Adresse dieses deutschen Volkes gerichteten politischen Alarmruf handelte. Des Eindrucks, den die Ungeheuerlichkeit einer solchen Tat weithin und bis in die entlegensten Winkel machen mußte und gemacht hat, waren sich die Täten ohne Zweifel bewußt. Er veranlaßte sie zur Wahl dieses Mittels, und die Wahl dieses Mittels weist darauf hin, daß es sich im Endziel nur um das höchste politische Ziel, den Kampf um die Macht, gehandelt haben kann.

Die Frage, wo in diesem Kampf der Angreifer zu suchen ist, dem die Tat und ihre Folgen, sofern alles planmäßig nach dem Willen der Täter verlaufen wäre, den erhofften Nutzen gebracht hätte, beantwortet sich aus der politischen Lage zur Zeit des Brandes. Am 30. Januar 1933 war durch das Vertrauen des Reichspräsidenten Adolf Hitler, dem Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ( NSDAP ) das Amt des Reichskanzlers übertragen und unter seiner Führung eine Regierung aus Männern dieser Partei und der nationalen Rechten gebildet. Damit war die Bahn frei gemacht für die Errichtung des Dritten Reiches und für eine Erneuerung der politischen Zustände von innen heraus unter Überwindung der von linksradikaler Seite künstlich in das Volk hineingetragenen Klassengegensätze. Die letzte Stunde der Parteien, die das deutsche Volk zum Spielball ihrer Klassenkampfparole gemacht hatten, der Marxisten und Kommunisten, hatte geschlagen. Eine Welle des Vertrauens schlug dem Führer Adolf Hitler entgegen und gab die Gewähr, daß die für den 5. März angesetzten Neuwahlen für den Reichstag einen überwältigenden Erfolg für die NSDAP. bedeuten würden. Es war mit Sicherheit vorauszusehen, daß diese Wahlen ihr nicht nur die Stimmen derer wieder zuführen würden, die bei den Novemberwahlen 1932 aus patriotischer Ungeduld abgeschwenkt waren, sondern darüber hinaus einen erheblichen Stimmenzuwachs bis tief in die Reihen der Linken hinein bringen würden. Die Partei hatte, wie der Zeuge Reichsminister Dr.Goebbels mit Recht ausgeführt hat, den Wahlerfolg in der Tasche, Daß er noch gesteigert wurde durch den Zustrom derer die aus dem dank des energischen Zufassens der Regierung zum völligen Mißlingen verurteilten verbrecherischen Anschlage erkannten, wie nahe an den Abgrund die Urheber des Verbrechens das deutsche Volk bereits gebracht hatten, gibt nicht einmal den Schein einer Berechtigung, nunmehr den Spieß umzudrehen und nach dem bekannten Wort " Haltet den Dieb " den ganzen Anschlag in ein nationalsozialistisches Provokateurstück zu Wahlzwecken umzufälschen. Jedem Deutschen ist klar, daß die Männer, denen das deutsche Volk seine Errettung vor dem bolschewistischen Chaos verdankt und die es einer inneren Erneuerung und Gesundung entgegenführen, einer solchen verbrecherischen Gesinnung, wie sie diese Tat verrät, niemals fähig wären. Der Senat hält es daher auch für unter der Würde eines deutschen Gerichts, auf die niedrigen Verdächtigungen, die in dieser Beziehung von vaterlandslosen Leuten in Schmähschriften (Braunbuch) im Dienste einer Lügenpropaganda ausgesprochen sind, die sich selber richtet, überhaupt nur einzugehen. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß im Laufe dieses Verfahrens, wie an geeigneten Stellen bereits festgestellt ist, alle diese Lügen eine vernichtende Widerlegung gefunden haben, und daß die Männer, die eine törichte und böswillige Erfindung als die angeblichen Täter hingestellt hat, die Zeugen Heines, Graf Helldorf und Schultz, unterstützt von unanfechtbaren Beweismitteln für ihren Aufenthalt zur Zeit der Brandstiftung, unter ihrem Eid die Unmöglichkeit ihrer Täterschaft dargetan haben. Nur in den Reihen derjenigen also sind die Täter zu suchen, die an dem Gelingen des Anschlags ein Interesse gehabt hätten, die in dem Kampf um die Macht durch die Machtergreifung Hitlers in den Hintergrund gedrängt waren und für die es gleichermaßen eine Existenzfrage war, dem verhaßten Gegner diese Macht wieder zu entreißen, wie es in der Linie ihres politischen Programms lag, diesen Kampf mit Gewalt durchzuführen und auch vor den äußersten und verbrecherischsten Mitteln nicht zurückzuschrecken. Die Partei aber, deren Ziele und Methoden in dieser Richtung lagen, war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD.), die Partei des Hochverrats, wie sie sich in ihrer Presse (zum Beispiel: Sächsische Arbeiter-Zeitung vom 18. Juni 1929) offen bezeichnet hat. Sie arbeitete, wie das Reichsgericht in zahlreichen Urteilen seit langen Jahren festgestellt hat, auf den gewaltsamen Sturz der Verfassung des Deutschen Reiches hin. Sie wollte an die Stelle der vom Volk ausgehenden Staatsgewalt und ihrer Ausübung durch die verfassungsmäßig berufenen Organe des Reiches und der Länder ( Art.1 und 5 RVerf.) und an die Stelle der Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz ( Art. 109 RVerf.) durch das Mittel des bewaffneten Aufstandes die Diktatur des Proletariats setzen und einen Arbeiter- und Bauernstaat nach russischem Muster errichten. Sie rechnete mit dem Beginn dieses revolutionären Kampfes für die nächste ihr günstige revolutionäre Situation, die ihr Gelegenheit geben würde, mit Aussicht auf Erfolg den bewaffneten Aufstand und den Bürgerkrieg zur Ergreifung der Macht entweder unmittelbar oder auf dem Wege über den politischen Massenstreik und den Generalstreik zu entfesseln und durchzuführen. In ihrem Lager sind also die Urheber dieses Anschlags und die Mittäter van der Lubbes offenbar zu suchen.

Diese aus der politischen Lage zur Zeit der Tat und der Einstellung der in Deutschland in Frage kommenden politischen Parteien gewonnene Überzeugung wird durchaus bestätigt durch die Tatsache, daß der Angeklagte van der Lubbe, wie eingangs bereits des näheren ausgeführt ist, Kommunist ist und seine Gedankengänge auch trotz ihrer persönlichen Färbung durchaus in den Rahmen der Aufstandspläne der KPD. passen, wie er denn auch selbst sich nicht nur in den Gesprächen auf der Zahlstelle und bei Starker, sondern auch bei seinen Vernehmungen im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung stets als Kommunist bekannt hat. Er hat aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung auch offensichtlich vor der Tat Verbindung mit Kommunisten gesucht und gehabt. Schon der Umstand, daß er seine Schritte nach Neukölln, der Hochburg der Kommunisten, lenkte, läßt in dieser Richtung Schlüsse zu. Seine Betätigung dort in den Gesprächen an der Zahlstelle, bei Schlaffke und bei Starker bestätigt diese Annahme. Seine zur Tat aufhetzenden Reden liegen ganz in der Linie eines aktiven Kampfes gegen den verhaßten nationalsozialistischen Gegner und einer Machtergreifung im Wege der Revolution. Und wenn man ihn auf die Frage nach der kommunistischen Zentrale auch zunächst nicht zu dieser hinwies, sondern einstweilen mit in den Erwerbslosenausschuß und in die Quartiere der Neuköllner Kommunisten nahm, so sind doch dort offenbar Beziehungen angeknüpft, die mit der einen Übernachtung nicht erledigt waren. Der wiederholte Besuch am Freitag bei Starker, der mit der Angabe van der Lubbes, er sei " aus Interesse " geschehen, nicht erklärt ist, beweist, daß hier Verbindungen angeknüpft sind, die annehmbarerweise im Zusammenhang mit der Tat stehen, zu der das Stichwort in den Gesprächen auf der Zahlstelle vom Anstecken öffentlicher Gebäude bereits gesprochen war. Über diese Gespräche läßt sich nicht, wie die Verteidigung van der Lubbes will, hinweggehen als Äußerungen des Unwillens, wie man sie hundertfach erlebe. Es ist nicht zu übersehen, daß diesen Äußerungen die Tat gefolgt ist. Es bestehen daher nach Ansicht des Senats hier Zusammenhänge mit der Tat und Verbindungen van der Lubbes mit kommunistischen Kreisen. Welcher Art diese Verbindungen gewesen sind und wie sie sich weiter ausgewirkt und zu einer Beteiligung van der Lubbes an der Brandstiftung geführt haben, hat sich nicht aufklären lassen. Daß aber andere Dinge der Tat vorauf gegangen sind als nur einsame Spaziergänge van der Lubbes in den Straßen Berlins, plötzliche unmotivierte Entschlüsse und der Einkauf einiger Kohlenanzünder, beweist auch die beharrliche Schweigsamkeit, in die sich der Angeklagte van der Lubbe bereits im Vorverfahren über sein Tun und Treiben am 23. und 24. Februar und weiter am 26. Februar und am 27. Februar bis zum Brande gehüllt hat. Ohne Zweifel haben in dieser Zeit Vorbereitungen und Verabredungen stattgefunden. Dafür spricht auch der Umstand daß van der Lubbe die Übernachtung bei Starker und die Frage nach der kommunistischen Zentrale abgeleugnet hat, sowie sein offensichtlich gespieltes Nichtwiedererkennen des Zeugen Jahnecke in der Hauptverhandlung, als dieser ihn mit den Worten " Marinus kennst Du mich?" ansprach. In dieser Hinsicht ist nicht ohne Interesse, daß Hennigsdorf wohin van der Lubbe auf seiner angeblichen Sonntagswanderung nach Spandau aus Zufall gekommen sein will, ein zu 2/3 kommunistisch eingestellter Industrieort war und daß van der Lubbe dort mit bekannten Kommunisten und der Schwester eines Kommunistenführers zusammen gesehen ist, ohne daß er irgendwie glaubhafte Erklärungen dafür gegeben hat, wie er zu diesen Leuten gekommen ist und was er mit ihnen besprochen hat. Bleiben danach auch die Vorgänge, die zwischen van der Lubbe und seinen Mittätern der Tat voraufgegangen sind, im einzelnen unaufgeklärt, so sprechen doch alle Umstände auch hier dafür daß die Mittäter van der Lubbes in den Kreisen der KPD. zu suchen sind.

Dem kann auch nicht mit Erfolg der bekannte Einwand entgegengesetzt werden, die KPD. verwerfe den individuellen Terror und daher widerspreche ein Verbrechen putschistischer Elemente, wie es die Reichstagsbrandstiftung sei, ihren Grundsätzen. Die jahrelang auf allen Gassen ausgegebene Losung "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft" war nichts anderes als die unmißverständliche Aufforderung zum individuellen Terror. Der Versuch ihr den Sinn einer Wahlparole unterzulegen und zu behaupten es sei an einen Kampf mit geistigen Waffen dabei gedacht, trägt allzu deutlich den Stempel einer leeren Ausrede . Der Verlauf der Kämpfe der Angehörigen der Sturm-Abteilungen (SA.) der NSDAP. mit den kommunistischen Elementen der Straße, namentlich im Jahre 1932, und die zahlreichen Blutopfer dieser Partei sprechen eine beredte Sprache für die hier vertretene Auffassung. Es muß auch bezweifelt werden, daß die KPD, in der Erkenntnis der verheerenden Wirkung dieser Parole bemüht gewesen wäre sie zu unterdrücken. Irgendein Erfolg der für die Ernstlichkeit dieser Bemühungen spräche, ist nicht zu bemerken gewesen. Selbst ein nach seiner politischen Einstellung im Sinne der KPD so unverdächtiger Zeuge wie der Zeuge Kratzert gibt zwar an, an die Ehrlichkeit des Willens der Partei, diese Parole als Terrorparole zu unterdrücken, geglaubt zu haben hat aber auch nicht den Eindruck gehabt, daß sich diese Ansicht der Parteileitung durchgesetzt hätte. Dem ist nur hinzuzufügen daß das Zentralkomitee der KPD. bei ernstem Willen zweifellos in der Lage gewesen wäre seinen Willen durchzusetzen.

In Wahrheit aber bestand dieser Wille nicht. Die Ablehnung des Terrors nach außen hin war vielmehr nichts als eine taktische Maßnahme, um die Partei nicht gegenüber den breiten Massen der Arbeiterschaft, die noch nicht im kommunistischen Lager standen und die es zu gewinnen galt, zu diskreditieren. Entscheidend aber ist, daß es sich bei der Inbrandsetzung des Reichstagsgebäudes gar nicht um einen Akt des individuellen Terrors handelte, sondern um einen Akt des sogenannten Massenterrors, der den Auftakt zum politischen Massenstreik und anschließenden Massenaufstand bilden sollte. Daß solche Terrorakte aber keineswegs zu verwerfen seien, sagt mit ausdrücklichen Worten Alfred Langer (Kippenberg ) in seiner als Lehrbuch von der Partei benutzten Schrift "Der Weg zum Sieg" auf S. 27/28, wenn er ausführt:

"Was die einzelnen individuellen Gewaltakte wie verschiedene Partisanenaktionen, Sprengungen, Zerstörungen, Expropriationen, Überfälle auf einzelne Personen usw. betrifft, so wäre es falsch, diese Akte leichtfertig zu verdammen oder sich von ihnen loszusagen, etwa mit der Begründung, daß wir für den Massenkampf, aber nicht für individuelle Akte sind.

Richtig ist, daß es immer auf den Massenkampf ankommt. Man kann ihn durch keine einzelnen Gewaltakte ersetzen. Alle solche Versuche und Anschauungen sind als äußerst gefährlich aufs schärfste zu verurteilen. Es kann aber Gewaltakte geben, die von der breiten Masse verstand den sind und zum Erfolg des Massenkampfes beitragen. Solche Gewaltakte können keineswegs verurteilt, sondern müssen gebilligt und in besonderen Fällen direkt organisiert werden."

Um einen solchen Akt handelt es sich hier.

Die Verschleierungstaktik, die uns in dem Beispiel dieser Terrorparolen entgegentritt und bereits eingangs bei Erwähnung der Scheinaustritte berührt ist, das Bestreben also, die Partei von der Verantwortlichkeit für alle Handlungen freizuhalten, die ihr schaden könnten, war, wie gerichtsbekannt, in der KPD. zum System ausgebildet, Auf ihr beruht das verwickelte Neben- und Durcheinander legaler und illegaler Organisationen mit ihrer teils auf den Kreis der Parteiangehörigen beschränkten, teils allen linksradikalen Elementen zugänglichen Mitgliedschaft. Dienten sie alle in Wahrheit der Verwirklichung kommunistischer Ideen und damit dem Ziel der Machtergreifung, so war man doch bemüht, die Partei und insbesondere ihren durch seinen Wirkungskreis besonders auf die legale Betätigung abgestellten parlamentarischen Flügel, dessen Vorsitzender der Angeklagte Torgler war, nach außen hin legal zu erhalten, indem man es vermied, diese mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für illegale Handlungen irgendwelcher Art zu belasten, insbesondere ihre Mitglieder zu solchen Handlungen heranzuziehen oder ihre Hand dabei im Spiel haben zu lassen. Nach dem Grundsatz, die rechte Hand nicht wissen zu lassen, was die linke tut, rief man außer den Jugendorganisationen neben der Partei Organisationen aller Art, namentlich aber Wehrorganisationen, ins Leben, die teils wie der trotz 1929 erfolgten Verbots illegal weiterbestehende Rote Frontkämpferbund ( RFB.) die Bürgerkriegsvorbereitung und -durchführung offen als ihr Ziel bekannten, teils unter dem Deckmantel der Verteidigung gegen faschistische Angriffe und des Zusammenschlusses zu wirtschaftlichen Kampforganisationen die breiten Massen zu gewinnen suchten, in Wahrheit aber alle dem gleichen Ziele zustrebten, wie der Kampfbund gegen den Faschismus ( KgF.), der Rote Massenselbstschutz ( RMSS.), die Häuserschutzstaffeln und die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition ( RGO. ). Im Dienst des gleichen Endzieles standen schließlich auch die allgemeinen Hilfsorganisationen wie die Rote Hilfe und die Internationale Arbeiterhilfe. Alle diese Organisationen und eine große Anzahl sonstiger scheinbar harmloser oder unpolitischen Zielendienender Verbände und Vereine traten nach außen - offen oder versteckt - als die Träger der Hochverratsbestrebungen der KPD. auf. Die Partei selbst blieb vorsichtig im Hintergrund. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß alle diese Organisationen ihres Geistes Kinder waren, Gebilde, denen sie, einerlei wie weit der Kreis der Mitglieder gezogen war, ihren Stempel aufdrückte, die ihren Zwecken dienten und von ihr unter der Hand ihre Direktiven empfingen. Es ist daher von vornherein ein zur Erfolglosigkeit verurteilter Versuch, die Verantwortlichkeit für Handlungen, die aus diesen Kreisen kamen, von der Partei, die sich hütete, selbst hervorzutreten, abzuwälzen. Mochte auch eine geschickte Regie dafür sorgen, daß sich unter den etwaiger illegaler Handlungen überführten Tätern niemals leitende Funktionäre aus den Kreisen der Partei befanden oder gar nachweisbare Weisungen von verantwortlichen Parteistellen festzustellen waren: die Verantwortung für das Heranreifen der Früchte ihrer jahrelangen planmäßigen Bürgerkriegshetze und -vorbereitung, die Tatsache, daß alle diese Organisationen ihre Schöpfungen waren und alle Taten dieser Mitglieder als Taten der KPD. zu werten sind, können solche taktischen Manöver nicht aus der Welt schaffen. Jeder, der in diesem nicht auf den engen Parteirahmen beschränkten, sondern durch die wahren inneren Zusammenhänge bestimmten kommunistischen Lager stand, wie das für die Mittäter van der Lubbes oben dargetan ist und feststeht, stand damit, wenn er Teilnehmer der Brandstiftung war, bei dieser Tat im Dienst der KPD. und ihrer Hochverratspläne.

Wenn demgegenüber geltend gemacht wird, es habe aber jedenfalls an der für das Gelingen derartiger Aufstandspläne nach feststehender Lehre erforderlichen revolutionären Situation gefehlt, so ist auch das nicht richtig. In dieser Richtung ist ausgeführt, ein Kampf der Partei gegen den Faschismus in diesem Augenblick sei völlig aussichtslos gewesen. Die KPD. als Sektion der Komintern mache keine Spielereien. Sie sei völlig in die Verteidigung gedrängt gewesen und habe sich daher in dieser Verteidigungshaltung darauf beschränkt? ihre seit Jahren verfolgten Bemühungen um die Herstellung der Einheitsfront mit den Arbeitermassen der übrigen linksradikalen Parteien, insbesondere der SPD., zum Erfolge zu führen und in Verbindung damit alle Kräfte für einen erfolgreichen Abschluß der bevorstehenden Reichstagswahlen einzusetzen, um der Macht der NSDAP. im Parlament und in den wirtschaftlichen Kämpfen ein entsprechendes Gegengewicht entgegensetzen zu können. Dem steht jedoch entgegen, daß für ein kampfloses Zurückweichen der KPD. nach der Machtübernahme durch die NSDAP. am 30. Januar 1933 ohne den geringsten Versuch, das jahrelang vorbereitete und erstrebte politische Ziel zu erreichen, nicht der mindeste Anlaß vorlag. Im Gegenteil war es, wie die Zeugen Reichsminister Dr.Goebbels und Preußischer Ministerpräsident Göring zutreffend ausgeführt haben, für die KPD. die letzte Möglichkeit, den Kampf zu wagen. Jedes Abwarten, bis die NSDAP. den Staatsapparat, den sie erst vor kurzem übernommen hatte und völlig reorganisieren mußte, sicher in die Hand bekam und bis sie fest im Sattel saß, mußte diese Aussichten auf lange Sicht, wenn nicht für immer, zunichte machen. Dabei war es nur natürlich, wenn daneben die Vorbereitungen für den Wahlkampf ihren Fortgang nahmen, zumal nach außen hin das Gesicht gewahrt werden mußte. Das war auch der Grund, den Kampf um die Macht, der in den bewaffneten Aufstand, den Bürgerkrieg ausmünden sollte, unter der Flagge der Abwehr des Faschismus zu führen. Tatsächlich war dies nur eine halbe Wahrheit insofern, als es im Wesen dieses Kampfes gegen den politischen Gegner lag, sich nach dessen Überwindung mit Gewalt an seine Stelle zu setzen und nach der Machtübernahme mit den Waffen das eigene Ziel der Errichtung eines Sowjet-Deutschlands durchzusetzen. Schon in dem so genannten Tscheka-Urteil gegen Neumann und Genossen vom 22.April 1925 hat der damalige Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik den gleichen Gedanken dahin zum Ausdruck gebracht, daß zwar die KPD. der faschistischen Richtung die Revolution von links entgegenstelle, dabei aber nicht die von den Faschisten gestützte Regierung wiederherstellen, sondern eine Arbeiterregierung gewaltsam aufrichten wolle.

Daß es für solche Entwicklung der Dinge nicht eines vor dem Reichstagsbrand ausgegebenen Aufstandsbefehls der KPD. zum schlagartigen Einsetzen eines bewaffneten Aufstandes am Abend des Brandes oder gar einer Anweisung zur Anzündung des Reichstagsgebäudes bedurfte oder eine solche auch nur denkbar gewesen wäre, liegt nach dem Erörterten auf der Hand. Die Entwicklung der Dinge war vielmehr von den hinter der Reichstagsbrandstiftung stehenden kommunistischen Kreisen augenscheinlich so gedacht, daß man durch ein weithin sichtbares Fanal, wie es der Brand des Deutschen Reichstagsgebäudes war, ein die Arbeiterschaft bis in die Reihen der Sozialdemokratie in ihren Tiefen aufrüttelndes Zeichen geben wollte, sie damit aufrührerischen Massenaktionen über den Kopf ihrer noch zögernden sozialdemokratischen Führer hinweg geneigt machen wollte. Im Falle des Gelingens dieses Planes der Schaffung der revolutionären Situation durch die revolutionierende Wirkung des Brandereignisses sollte nach dem Willen der kommunistischen Urheber die Führung der KPD., die bis dahin vorsichtig im Hintergrund blieb, durch Ausgabe der Generalstreiklosung die Dinge zum bewaffneten Aufstand und dem erstrebten Ziel der Machtergreifung durch die KPD. treiben. Daß diese Führung nicht gezögert haben würde, ist außer Zweifel. Die vermutete Wirkung blieb jedoch aus. Die Durchführung der Generalstreiklosung ist, wie der ehemalige kommunistische Reichstagsabgeordnete Heckert in einem Artikel, überschrieben " Vom Kampf der Kommunistischen Partei in Deutschland ", erschienen in einer KI. betitelten illegalen Schriftenfolge, gedruckt in Basel, Heft 10 vom 7. Juli 1933, schreibt, an dem Verhalten der SPD. gescheitert, wodurch die KPD., die den Kampf gegen den Faschismus entfaltet habe zum Rückzug gezwungen gewesen sei. Dies und das energische Eingreifen der Regierung, die sofort nach der Machtübernahme ihr Augenmerk auf diese Dinge gerichtet hatte und, wie die u.a. dem Polizeiführer West vom preußischen Polizeiminister erteilten umfassenden Vollmachten zur Bekämpfung der kommunistischen Gefahr beweisen, vorbeugende Maßregeln getroffen hatte, insbesondere die Verhaftung aller maßgebenden kommunistischen Funktionäre und die Lahmlegung der Führung noch in der Brandnacht, haben den Plan zum Scheitern gebracht.

II.

Wie klar man sich in den Kreisen der KPD. bereits im Herbst 1932 war, daß die revolutionäre Situation für Durchführung ihrer Aufstandspläne in Deutschland heranreife, wie zielbewußt man die Vorbereitungen für diese gewaltsame Auseinandersetzung betrieb, wie in dem Maße, in dem der Augenblick der Entscheidung näher kam, auch die Terrormaßnahmen sich mehrten, wie schließlich diese ganze Agitation nach der Machtübernahme der NSDAP. im Februar 1933 nicht etwa resigniert abflaute, sondern im Gegenteil verstärkt einsetzte und sich bis zu konkreten Angriffsvorbereitungen verdichtete, ergibt klar das Bild der Beweisaufnahme. Es zeigt, in welcher Weise die Angriffspläne in der kommunistischen Presse innerhalb der Parteiorganisationen und in den örtlichen Verbänden ideologisch und technisch vorbereitet waren.

Schon das XI.Plenum des Exekutiv-Komitees der Kommunistischen Internationale (Ekki), des leitenden Organs in der Zeit zwischen den Weltkongressen, dem höchsten Organ der Komintern, hatte im Februar 1931 in seinen Beschlüssen zum Ausdruck gebracht, daß in Deutschland die Zeit wieder heranreife, um die Wirtschaftsnot auszunutzen zur Erringung der Macht im Staate. Das XII. Ekki-Plenum, das im September 1932 in Moskau tagte, sagt dann in seiner Resolution über die internationale Lage und die Aufgaben der Sektionen der Kommunistischen Internationale über die nahe Zukunft und speziell in Beziehung auf Deutschland und die KPD. (abgedruckt in Heft 9/10 des Jahrgangs 15 vom September/Oktober 1932 der Zeitschrift "Die Internationale", herausgegeben vom Zentralkomitee der KPD.), das Folgende:

"Im gegenwärtigen Augenblick vollzieht sich gerade der Übergang zu einem neuen Turnus großer Zusammenstöße zwischen den Klassen und den Staaten, zu einem neuen Turnus von Revolutionen und Kriegen. ...In Deutschland eine außerordentliche Verschärfung der Klassenantagonismen: einerseits Wachstum des revolutionären Massenkampfes, beschleunigtes Ansteigen der Voraussetzungen der revolutionären Krise.......Die jetzige Situation ist mit plötzlichen Explosionen und jähen Wendungen geschwängert. Dies verpflichtet jede kommunistische Partei, bereit zu sein, um bei einem raschen Eintritt revolutionärer Ereignisse rasch die Formen und Methoden des Kampfes zu wechseln..."

Im gleichen Sinn spricht ein Artikel der " Inprekorr " ( Internationale Pressekorrespondenz ) vom 4. Oktober 1932 davon, daß die Fristen bis zur Ausreifung der revolutionären Krise kurz bemessen sind und zu den besonderen Aufgaben der Kommunistischen Partei Deutschlands die Heranführung der Massen an den Generalstreik gehöre. Dieselbe Korrespondenz bringt in ihrer Nr. 86 vom 18. Oktober 1932 einen Artikel der "Prawda", des Organs der russischen KP., in dem es heißt, daß die revolutionäre Bewegung, die in der ganzen Welt schärfere Formen annehme, gewisse Länder wie Deutschland dicht an die revolutionäre Krise heranführe.

Dieser Auffassung der richtunggebenden Komintern hat sich die KPD. in den auf ihrer Reichsparteikonferenz am 15./17.Oktober 1932 angenommenen Beschlüssen vollinhaltlich angeschlossen. Im Punkt 7 der dort gefaßten Resolution ist die Rede von der Aufgabe, die Massen für den politischen Generalstreik zu schulen und zu mobilisieren. Punkt 12 spricht davon, daß alle Maßnahmen getroffen werden sollten, die Partei, den KJVD. und die revolutionären Massenorganisationen zu erhöhter Schlagfertigkeit zu bringen für die Kämpfe mit dem Ziel der Heranführung der Massen an den Kampf um die Macht.

Die im Dezember 1932 und Januar 1933 in ganz Deutschland abgehaltenen Bezirkstagungen und die anschließenden Unterbezirksversammlungen stellten sich ebenfalls durchweg auf den Boden dieser Beschlüsse. Unter den vielen mündlichen Äußerungen von Parteifunktionären gelegentlich dieser Tagung verdienen hervorgehoben zu werden eine Äußerung Scheers auf dem Essener Bezirkstag am 7. und 8. Januar 1933, in der er von der nahen Zukunft spricht, in der sich die Klassengegensätze verschärfen würden und die es erforderlich mache, daß die Arbeiterschaft über Teilstreiks zu politischen Massenstreiks übergehe, sowie eine Äußerung Thälmanns aus seiner für die gleiche Tagung geplanten, später als Broschüre erschienenen Rede. In dieser "Die Ruhrpartei im Kampf um die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklassen für den Kampf um die Macht" betitelten, als Manuskript gedruckten Schrift heißt es auf S. 16:

"Das bedeutet, daß wir unseren Einfluß unter den Massen verbreitern und vertiefen müssen, daß wir hier in schnellerem Tempo als im übrigen Deutschland die Massen über Wirtschaftskämpfe, Teilaktionen und Massenkämpfe hinweg an die entscheidenden Positionen des Kampfes um die Macht heranführen müssen."

Die Beschlüsse dieser Bezirks- und Unterbezirkstagungen wurden alsbald in die Tat umgesetzt. Auf dem Bezirksparteitag in Wuppertal am 3. und 4. Dezember 1932 erhielt bereits jeder Funktionär eine Mappe, in der u.a. Karten mit Einzeichnungen aller industriellen Betriebe, Stützpunkte Eisenbahnanlagen, Flugplätze, Kraftwerke, Kasernen und Wohnungen hoher Beamter enthalten sind. Der Zeuge Kriminalsekretär Brosig-Düsseldorf, der eine solche Mappe überreicht hat bekundet weiter daß in der Wohnung eines flüchtigen kommunistischen Funktionärs in Düsseldorf das Klischee dieser Karten und eine Menge Generalstabskarten gefunden sind. Die der Vorbereitung des Bürgerkrieges dienende Zersetzung der Reichswehr und der Polizei und die ideologische Bearbeitung der Massen für den kommenden Straßenkampf setzte in erhöhtem Maße ein. Militärische Schulungskurse und Geländeübungen wurden zahlreich veranstaltet. Waffen- und Sprengstoffdiebstähle waren schon im Jahre 1931 häufig Gegenstand der Verurteilung von Angehörigen der KPD, durch das Reichsgericht gewesen. Diese Verfahren - es sei nur an die Urteile des Senats gegen Rabenmüller und Genossen ( Überbrück ) vom 9. Juli 1932 und Behring und Genossen vom 26. Oktober 1932 erinnert - hatten zur Feststellung umfangreicher Waffen- und Sprengstofflager der KPD. geführt. Im Winter 1932/33 mehrten sich die Meldungen über Waffen- und Sprengstoffdiebstähle. In Königsberg, Elbing und Labiau wurden nach Bekundungen des Zeugen Kriminalkommissar Hohmann im Frühjahr und Sommer 1932 ganze Wagenladungen von Waffen im Besitze von Kommunisten gefunden. In Hamburg wurden, wie der Zeuge Kriminalkommissar Will aussagt, nicht weniger als 60 Kilo Sprengstoff gefunden. Auch im Bezirk Frankfurt a.M. (Zeuge Kriminalkommissar Schäfer), Meißen und Falkenstein (Zeuge Untersuchungsrichter Lösche) wurden Sprengstoffdiebstähle festgestellt. Eine erhöhte Tätigkeit kam auch in einer Zunahme der Terrorakte und zwar besonders im Laufe des Februar 1933 zum Ausdruck. So fanden in Altona und in Hamburg in mindestens 12 bis 13 Fällen planmäßige Feuerüberfälle auf SA-Lokale statt, u.a. am 26. November auf ein Lokal am Lockstedter Weg und die sogenannte Falkenburg in Hamburg und am 20. Dezember 1932 bei Erdmann in Altona, bei denen es Tote und Verwundete gab. Kommunistische Terrorgruppen drangen in diese Lokale ein und schossen blindlings auf die anwesenden Gäste. Man schreckte auch nicht vor Bombenwürfen in die Lokale zurück. Der RFB. und die sonstigen Kampforganisationen der KPD. befanden sich in Alarmzustand und hielten ihre Parteilokale dauernd besetzt (Zeugen Kriminalkommissare Will und Staeglich). Am 26. Februar 1933 wurde eine kommunistische Bombengruppe mit drei 10=pfündigen Bomben und Maschinenpistolen eingesetzt zu einem Überfall auf Demonstrationszüge der SPD. in Hamburg und der SA. in Altona, deren Zusammentreffen an der Hamburg - Altonaer Grenze in der Eimsbütteler Straße zur Ausführung der Tat benutzt werden sollte. Im letzten Augenblick wurde durch das Eingreifen der Polizei und Ablenken der Umzüge die Ausführung vereitelt (Zeuge Staeglich).

Daß man aber speziell im Februar 1933 nach der Machtübernahme durch die NSDAP. gar nicht daran dachte, von den Plänen zur Austragung der Gegensätze und zum Kampf um die Macht mit Waffengewalt abzugehen, sondern im Gegenteil für die erwartete gewaltsame Entscheidung vorbereitet war und sich bereit hielt, zeigen schließlich sowohl das Bild der kommunistischen Presse aller Art in diesem Monat wie auch die Feststellungen über eine erhöhte Tätigkeit der Ortsgruppen aus allen Teilen des Reichs unmittelbar vor dem Reichstagsbrand. Hierfür nur einige Beispiele.

a)

Die Presse des Monats Februar 1933 spricht eine besonders deutliche Sprache in diesem Sinne.

1.

Die "Rote Fahne" vom 1. Februar 1933 schreibt:

"Der Feind bläst zum Kampf...... Proletarische Organisationen aller Art, eure Stunde ist gekommen, man will eure Partei verbieten. Handelt!"

Dieselbe Zeitung vom 10. Februar 1933 schreibt:

"Die Kommunistische Partei mobilisiert nicht darum das arbeitende Deutschland für die Wahl ihrer Liste 3 weil ein parlamentarischer Erfolg den Sieg über den Faschismus entscheiden würde. Sie ruft zur Wahl der KPD. als der einzigen Partei der antifaschistischen Tat nur in Verbindung mit der außerparlamentarischen Kampfmobilisierung der proletarischen Einheit. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren."

Dieselbe Zeitung vom 11. Februar 1933 bringt eine Ansprache des kommunistischen Abgeordneten Pieck, in der es u.a. heißt:

"Lassen wir uns nicht vertrösten auf die Möglichkeit, auf anderem Wege als dem des Kampfes unsere Feinde zu überwinden. Warten wir nicht mehr."

2.

In einem am 1. Februar 1933 verbreiteten Rundschreiben an die Berliner Unterbezirke, das in die Hände der Polizei gefallen ist, heißt es:

"Die Partei bleibt in Großalarm.......Verbot der Partei, das heißt Generalalarm,......das heißt sofortige Mobilisierung des Agitprop-Apparates."

und am Schluß:

"Genossen, immer ernster und zugespitzter wird die Situation."

3.

Eine Anzahl Druckschriften und Flugblätter, deren Herstellung oder Verbreitung in den Februar 1933 nach der Machtübernahme durch die NSDAP. fällt und deren Hersteller, Verfasser oder Verbreiter wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Reichsgericht verurteilt sind, zeigen ebenfalls, daß der Ruf zum Kampf und dessen Vorbereitung bis Ende Februar unvermindert fortgesetzt ist und der Kampf als nahe bevorstehend angesehen wurde.

Nr. 26 des " Echo des Ostens " vom 31.Januar 1933 - Urteil Schneider vom 13. Oktober 1933 - fordert auf. die Betriebe streikfertig zu machen und sich bereit zu machen für den großen Kampf, der jetzt bevorstehe, und sagt, es gelte die Heranführung der Massen an den politischen Massenstreik und Generalstreik.

Nr. 32 des " Echo des Ostens " vom 20. Februar 1933 - dasselbe Urteil - schreibt u.a.:

"Wir Kommunisten werden niemals dulden, die Kampfkraft der Massen durch die Parole des Sichabwirtschaftenlassens der Hitler-Regierung einzuschläfern. ...... Wir Kommunisten wollen das sofortige Handeln der Massen. Wir wollen sofort kämpfen. Wir wollen jede Entfaltung Festigung und Konsolidierung der Hitler-Papen-Hugenberg-Diktatur verhindern."

Nr. 3 des 15. Jahrgangs der "Roten Sturmfahne", gedruckt im Februar 1933 - Urteil Parlow vom 27. September 1933 - ruft zum Generalstreik als der entscheidenden Kampfwaffe des antifaschistischen Massenkampfes auf.

Die Druckschrift "Schlesischer Sturm", Kampfblatt der schlesischen Arbeiter und Bauern, Nr.1 vom Februar 1933 - Urteil Belkiewicz vom 13, Oktober 1933 - schreibt, ohne sich an gesetzliche Bestimmungen zu klammern und ohne durch die Blume zu reden, wolle sie den Arbeitern sagen, daß sie auch heute wieder wie im November 1918 zum politischen Massenstreik greifen müßten. Sie ruft zum Generalstreik, fordert auf, die Handhabung der Waffen zu lernen und bringt ein Zitat Lenins, das die Überleitung des Krieges in den Bürgerkrieg als die einzige sozialistische Arbeit bezeichnet.

In der Wochenschrift "Die Kommune" Nr. 5 vom Februar 1933 - Urteil Klug und Genossen vom 11.Oktober 1933 - heißt es.

"Es lebe der Kampf! Vom kühnen Vormarsch zu entscheidenden Klassenschlachten."

und weiter.

"Laßt euch nicht einlullen vom süßen Gerede der SPD.. Wenn sie sagt, daß man auf dem Boden der Verfassung kämpfen muß, dann sagen wir der Arbeiterschaft: das ist Lug und Trug."

Ein Anfang Februar in Charlottenburg verteiltes Flugblatt - Urteil Arensdorf und Genossen vom 13. Juli 1933 - behauptet, es gebe nur einen Ausweg. Diesen zeige das revolutionäre Proletariat und die Krise werde nur überwunden, wenn die revolutionäre Arbeiterschaft im Bündnis mit den armen Bauern ihre Geschicke selbst in die Hand nehme und die Unterdrücker zum Teufel jage.

Ein am 8. Februar 1933 in Herten verbreitetes Flugblatt - Urteil Roth und Genossen vom 30. Juni 1933 - ruft zum Generalstreik im Ruhrgebiet und meint, wenn man einig sei, dann jage man dieses Schurkengesindel in 24 Stunden zum Teufel.

Ein am 23. Februar 1933 in Müggelheim bei Berlin aufgefundenes Flugblatt - Urteil Stiller vom 10. Oktober 1933 - führt aus:

"Wenn je in den letzten 14 Jahren, dann mahnen diese Tage und Wochen zur allerhöchsten, mutigsten, kampfentschlossensten antifaschistischen Einheit... in den nächsten Tagen und Wochen erhöhte Alarmstufe für alle Feinde des Faschismus in Stadt und Land...In diesem Kampf geht es nicht um die Wahlstimme am 5. März... Die Waffen in die Hände des Proletariats und der armen Bauern, Generalstreik zum Sturz der Hitler-Papen-Hugenberg-Diktatur..."

4.

Die kommunistische Zeitung "Der Kämpfer" vom 23. Februar 1933 schreibt:

"Die Entscheidungen in dem gewaltigen Kampf zwischen Faschismus und Marxismus fallen nicht mit dem Stimmzettel ... Wir schmieden die Einheitsfront der Tat. Zehntausende demonstrieren den Willen der Massen zum geschlossenen revolutionären Kampf. Für den revolutionären Kampf schmieden wir die Einheitsfront der Tat."

5.

Ein in Düsseldorf bei Aushebung einer kommunistischen Geheimdruckerei beschlagnahmtes Bundschreiben, betitelt "An alle Gaustäbe und Agitpropleiter" und "An alle Stäbe und Osna-Führer" spricht von der Entscheidung der nächsten Tage und Wochen.

b)

Über Aufstandspläne und -vorbereitungen der Ortsgruppen im Februar 1933 haben ferner die Vernehmungen einer Anzahl von Zeugen Aufschluß gegeben, gegen die wegen dieser den Hochverrat der KPD. vorbereitenden Handlungen als Angeschuldigte zur Zeit die Voruntersuchung schwebt.

1.

So sind in den Ortsgruppen des Erzgebirges Mitte Februar 1933 auf Anordnung der Bezirksleitung die Parteigenossen aufgefordert, sich zu bewaffnen im Hinblick auf die gleichzeitige Anweisung, die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern herzustellen zwecks Vorbereitung des Generalstreiks, aus dem sich die Kämpfe um die Machtergreifung entwickeln sollten. Man glaubte nicht, daß es noch zur Wahl kommen würde, vielmehr daß es jeden Augenblick losgehen werde. Es sind auch Waffen aus der Tschechoslowakei beschafft mit zu diesem Zweck gesammelten Geldern. Auch Sprengstoff wurde entwendet (Zeugen Kaldenbach, Reuter, Schreiber, Max Löser, Elster, Zimmermann, Lorenz, Kurt Erich Löser und Märtn).

2.

Im Vogtlande ist am 24. Februar 1933 von dem Unterbezirksleiter Janka gleichfalls darauf hingewiesen, daß man die Proklamierung des Generalstreiks anstrebe daß die in Aussicht stehenden Ereignisse, insbesondere auch Kämpfe mit der SA. bei einem Marsch auf Berlin, sich schnell zu schärferen Kämpfen fortentwickeln könnten und man sich bewaffnen müsse ( Zeugen Becher und Schmalfuß ).

3.

In Döbeln (Sachsen) hat gegen Ende Februar 1933 der Zeuge Drechsel auf Veranlassung der örtlichen Parteileitung die Frage der Bewaffnung im Hinblick auf die verschärfte politische Situation erörtert.

4.

In Grünberg (Schlesien) ist in der Gründerversammlung des RMSS. Anfang Februar 1933 und in weiteren Zellensitzungen insbesondere die politische Lage und die Frage der Bewaffnung im Hinblick auf den bevorstehenden bewaffneten Aufstand erörtert (Zeuge Barnitzke).

5.

In Freienwalde hat am 1. März 1933 der von Berlin entsandte Funktionär Jessel über Generalstreik und bewaffneten Aufstand gesprochen und auch die Waffenfrage erörtert , so daß die Parteigenossen den Eindruck hatten, daß der Aufstand nahe bevorstehe (Zeugen Jessel, Felix, Hannemann und Seeger).

6.

In Herdecke (Westfalen) wartete man in dem damals neu organisierten RFB. im Februar 1933 täglich und stündlich auf das Losschlagen, nachdem die Mitglieder seit Ende Januar 1933 in Alarmbereitschaft lagen. In diesem Sinne war auch auf einer Sitzung des engeren Führerrats des Obergaus des RFB. in Düsseldorf verhandelt. In Schwerte benutzte man einen SA.-Aufmarsch als Vorwand, um dorthin einen Führerstab zusammenzuziehen. Man wartete einige Tage auf einen Befehl zu einer Aktion, der aber ausblieb (Zeugen Kassebaum, Zerweis und Brandt).

7

In Sagan (Schlesien) wurde von dem Funktionär des KgF. Streit die Meinung geäußert, der Reichstagsbrand sei das Signal gewesen für die KPD., leider seien aber Kuriere abgefangen (Zeuge Grünwald ).

K. Die innere Tatseite.

a)

Was die innere Tatseite betrifft, so bedarf sie, da der Angeklagte van der Lubbe hinsichtlich der Brandstiftung unzweifelhaft gewußt hat, daß das Wohlfahrtsamt fremdes Eigentum war und im Rathaus und Schloß sich Wohnungen befanden, im Reichstagsgebäude aber sich ständig Personen, nachts jedenfalls ein Nachtpförtner, aufhielt, einer besonderen Feststellung nur, soweit der durch die Brandstiftungen begangene Hochverrat in Frage kommt. Hier steht nun nicht nur nach dem oben Ausgeführten fest, daß van der Lubbe im planmäßigen Zusammenwirken mit seinen Mittätern gehandelt hat und ihre auf Entfachung von Aufruhr und Bürgerkrieg zum Zweck der Eroberung der politischen Macht im Wege des gewaltsamen Verfassungssturzes gerichteten Pläne gekannt und ihre Absichten geteilt hat. Seit 8 Jahren stand er in der kommunistischen Bewegung, lebte ganz für ihre Ziele, Ihm als intelligenten Menschen, wie er von allen Beteiligten, die vor der Tat und im Vorverfahren mit ihm zu tun hatten, geschildert wird, waren die kommunistischen Gedankengänge durchaus geläufig und diese Ziele auch durchaus klar. Er wußte, daß das Ziel der Partei auch in Deutschland der Sturz der Verfassung zur Aufrichtung eines Sowjet-Deutschland mit Gewalt war und ihn hinderte seine gerade gegen die Lauheit der Parteiführung gerichtete Einstellung gegen die Parteibonzen sicherlich nicht, sich im Augenblick, wo ihm Gelegenheit zur Tat gegeben wurde, in den Dienst dieser Sache zu stellen. Er hat aber auch vor der Tat und im Vorverfahren klar zum Ausdruck gebracht, daß dies auch ganz unabhängig von dem Plan seiner Mittäter und Hintermänner seine eigenen Absichten und Ziele bei der Brandstiftung gewesen sind. Das ergaben seine Reden bei den Neuköllner Kommunisten, in denen er zum Ausdruck brachte, daß er im kommunistischen Sinne tätig sein und etwas machen wolle, daß Revolution gemacht werden müsse, das Volk entfacht werden und die Revolution vorwärts getrieben werden müsse. Es ergibt sich aus seinen Angaben im Vorverfahren gegenüber dem Zeugen Kriminalkommissar Zirpins, seine Tat sei eine politische, es habe unbedingt etwas geschehen müssen, und aus dem was er bei seiner Vernehmung in der Brandnacht durch den Zeugen Kriminalkommissar Heisig auf die Frage, warum er den Reichstag angezündet habe, geäußert hat. Damals hat er geantwortet, daß die Arbeiter sich auflehnen sollten gegen die Staatsordnung, um die Macht zu bekommen, damit sie den Staat regierten. Das käme nicht von selbst. Die Arbeiter sollten denken, daß es ein Symbol für einen gemeinsamen Aufstand gegen die Ordnung des Staates sei. Er hätte ihnen ein Vorbild geben wollen, es könnte auch ein Signal sein, Sie sollten damit angeregt werden, endlich ihre Rechte durchzudrücken. Auch vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung hat van der Lubbe als sein Ziel bezeichnet gegen das kapitalistische System zu protestieren und die werktätigen Klassen zum tatkräftigen Auftreten durch Revolution zur Vernichtung dieses Systems zu veranlassen. Hier kehrt übrigens das Wort Protest nicht als bloßer Protest, sondern im Zusammenhang mit dem dadurch hervorzurufenden Aufruhr wieder. Aus seinem Gebrauch durch van der Lubbe bei seiner Verhaftung kann man deshalb keineswegs auf eine nur auf Protest gerichtete Demonstrationsabsicht van der Lubbes bei der Tat schließen. Das alles zeigt deutlich, daß es auch van der Lubbe persönlich darum zu tun war, die Massen zu Aufruhr und Aufstand zu entfachen, um sich in den Besitz der Macht im Staate zu setzen, mögen auch seine Vorstellungen darüber, wie dieser Staat der Arbeiter und Bauern später aussehen sollte, im einzelnen abweichend und reichlich unklar sein.

b)

Der Senat hat auch keinen Zweifel, daß der Angeklagte van der Lubbe die Tat nicht in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, daß er vielmehr im Sinne des § 51 StGB. für sein Handeln voll verantwortlich ist. Er schließt sich insoweit den übereinstimmenden und überzeugend begründeten Gutachten der medizinischen Sachverständigen Professor Dr.Bonnhoefer, Regierungsobermedizinalrat Dr. Schütz und Dr. Zutt an, die bei van der Lubbe keinerlei Anzeichen einer geistigen Erkrankung haben feststellen können.

L. Rechtliche Würdigung.

a)

Nach dem vorstehend festgestellten Sachverhalt hat der Angeklagte van der Lubbe versucht, das Wohlfahrtsamt am Mittelweg in Neukölln, ein Gebäude, das in fremdem Eigentum stand, in Brand zu setzen. Die Brandstiftung ist nicht zur Vollendung gekommen, weil das Gebäude nirgends nachweisbar Feuer gefangen hat (§§ 308, 43 StGB.). Anders bei Rathaus und Schloß, Gebäuden, die zur Wohnung von Menschen dienten und die von ihm in Brand gesetzt sind insofern, als das Feuer sich von Kohlenanzündern Gebäudeteilen mitgeteilt hat und diese Gebäudeteile selbst weitergebrannt haben ( § 306 Nr. 2 StGB.). Dasselbe war im Reichstagsgebäude, einer Räumlichkeit, die zeitweise und auch zur Zeit der Brandstiftung zum Aufenthalt von Menschen diente, der Fall. Auch hier ist, besonders auch durch die von van der Lubbe vorgenommenen Brandlegungen, das Gebäude selbst an verschiedenen Stellen in Brand geraten (§ 306 Nr. 3 StGB.). Im Reichstagsgebäude hat van der Lubbe außerdem in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern im Sinne des § 47 StGB. gehandelt, deren jeder wie auch van der Lubbe selbst, die Tat des anderen als die seine gewollt hat und die ihrerseits gleichfalls sowohl im Umgang des Plenarsaals wie insbesondere im Plenarsaal selbst das Reichstagsgebäude in Brand gesetzt haben. Alle diese Tatumstände waren dem Angeklagten van der Lubbe bekannt. Er wußte auch um Zweck und Ziel der sämtlichen Brandstiftungen, hatte insbesondere bei der Brandstiftung im Rathaus, Schloß und Reichstag die Absicht, mit ihrer Hilfe einen Aufruhr zu erregen, den von der KPD. geplant ten bewaffneten Aufstand und Bürgerkrieg zu entfesseln, bei dem, wie er wußte, öffentliche Zusammenrottungen stattfinden würden, die zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes und zur Nötigung von Beamten zur Unterlassung von Amtshandlungen mit vereinten Kräften führen sollten (§§ 307 Nr. 2 mit 114, 115 StGB. ). Er hat schließlich das von der KPD. und ihren Anhängern, insbesondere auch den Mittätern und Urhebern der Tat seit langem geplante Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reiches in ihrer zur Zeit der Tat geltenden, damals übrigens noch unveränderten Fassung gewaltsam zu ändern, durch die Brandstiftungen gleichseitig, also in Tateinheit im Sinne des § 73 StGB. unmittelbar zur Ausführung gebracht ( §§ 81 Nr.2, 82 StGB.). Allen diesen Handlungen lag der Vorsatz der Brandstiftung und des hochverräterischen Unternehmens von vornherein einheitlich zu Grunde. Die Einzelakte richteten sich gegen dasselbe Rechtsgut, die verfassungsmäßig festgestellte Staatsform des Deutschen Reiches, und, lagen zeitlich zusammen. Die Straftat des Angeklagten van der Lubbe stellt sich also als eine fortgesetzte Handlung dar. Der Angeklagte ist eines fortgesetzten, zum Teil gemeinschaftlichen (§ 47 StGB.) Verbrechens gegen die §§ 81 Nr. 2, 82 StGB. in Tateinheit ( § 73 StGB.) mit aufrührerischer ( §§ 306 Nr.2 und 3, 307 Nr.2 StGB.) und versuchter einfacher Brandstiftung ( §§ 308, 43 StGB.) schuldig und nach den genannten Gesetzesbestimmungen in Verbindung mit § 5 Abs.1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. Teil I S. 83) und § 1 des Gesetzes über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe vom 29. März 1933 (RGB1. Teil I S. 151) zu bestrafen.

b)

Dagegen sind die Angeklagten Torgler, Dimitroff, Popoff und Taneff des ihnen in der Anklage zur Last gelegten Verbrechens der Brandstiftung im Reichstagsgebäude nach den §§ 306 Nr.3, 307 Nr. 2 StGB. in Tateinheit mit einem Verbrechen des hochverräterischen Unternehmens nach den §§ 81 Nr. 2,82 StGB. nicht überführt.

Dem Angeklagten Torgler sind im Laufe des Verfahrens im Zusammenhang mit der hochverräterischen Beteiligung zur Teilnahme am Reichstagsbrand noch weiter als Hochverrat zur Last gelegt seine Beteiligung an den Einheitsfrontverhandlungen mit der SPD. und anderen linksradikalen Parteien und die Abfassung eines Artikels im "Roten Wähler " Nr. 1/2 vom Februar 1933, in dem unter der Überschrift "Nicht abwarten, sondern handeln" die sozialdemokratischen und christlichen Arbeiter aufgefordert werden, in den Betrieben und Stempelstellen zusammenzutreten und die einheitliche Kampffront herzustellen, um gemeinsam den Faschismus zu schlagen. Diese beiden Vorkommnisse können Gegenstand der Urteilsfindung hier nur sein, soweit sie einen Teil der in der Anklage, d.h. dem Eröffnungsbeschluß und nach dessen Fortfall der an seine Stelle getretenen Anklageformel bezeichneten Tat darstellen (§ 264 StPO.). Unter dieser Tat ist der von der - nötigenfalls aus dem übrigen Inhalt der Anklageschrift zu erläuternden - Anklageformel umfaßte Vorgang zu verstehen mit allen damit zusammenhängenden oder darauf bezüglichen Vorkommnissen und tatsächlichen Umständen, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar erscheinen zu lassen ( RGSt.Bd.61 S. 314 (317) und die dort zitierten sowie spätere). Dieser Vorgang ist hier für die übrigen Angeklagten, abgesehen von dem Angeklagten van der Lubbe, lediglich die ihnen zur Last gelegte Inbrandsetzung des Reichstagsgebäudes und der durch diese unternommene Versuch eines gewaltsamen Verfassungssturzes (Unternehmen des Hochverrats i.S. der §§ 81 Nr.2, 82 StGB.). Diese Auffassung bestätigt der Inhalt der Anklageschrift durch seine Ausführung über den Hochverrat ausdrücklich (vgl. S. 217: Hochverrat durch Brandstiftung als Beginn der geplanten Revolution). Irgendwelche sonstige über den Rahmen dieses konkreten durch die Brandstiftung begangenen Hochverrats hinausgehende, ebenfalls als Hochverrat zu wertende Vorkommnisse enthält und erwähnt die Anklageschrift nicht. Die oben erwähnten, im Laufe der Verhandlung hervorgetretenen Vorkommnisse könnten daher Gegenstand der Urteilsfindung nur sein, soweit sie etwa durch einen einheitlichen Vorsatz mit dieser Brandstiftung und dem durch sie begangenen Hochverrat zu einer einzigen fortgesetzten Handlung zusammengefaßt werden und damit notwendigerweise zu einem einzigen Vorgang im oben bezeichneten Sinne mit ihr werden. Ein solcher Vorsatz des Angeklagten Torgler wäre durchaus denkbar, wenn Torgler der Reichstagsbrandstiftung und des durch sie begangenen Hochverrats überführt wäre. Es wäre alsdann der Annahme beizutreten, daß Torgler bei Abfassung des zeitlich der Brandstiftung naheliegenden Artikels und bei den bis zuletzt fortgeführten Einheitsfrontverhandlungen nicht sowohl einen Zusammenschluß der Arbeiter zu gemeinschaftlichen parlamentarischen und wirtschaftlichen Kämpfen als vielmehr eine Heranziehung der Massen zu seinem bereits geplanten Hochverratsunternehmen durch Inbrandsetzung des Reichstags beabsichtigt hätte. Mit der Unmöglichkeit der Feststellung einer Beteiligung Torglers an dieser Tat aber fällt auch die Möglichkeit fort, für die Abfassung des Artikels und seine Beteiligung an den Einheitsfrontverhandlungen einen solchen Zusammenhang anzunehmen und diese Vorkommnisse zu dem allein den Gegenstand der Urteilsfindung bildenden Vorgang der Reichstagsbrandstiftung und des durch sie begangenen Hochverrats in Beziehung zu setzen.

Der Angeklagte Torgler ist mithin ebenso wie die Angeklagten Dimitroff, Popoff und Taneff der in der Anklage bezeichneten Tat als nicht überführt anzusehen.

Diese Angeklagten sind mangels Beweises freizusprechen.

M. Die Strafe.

Die Strafe für den Angeklagten van der Lubbe ist gemäß § 73 StGB. dem § 307 StGB. in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 und § 1 des Gesetzes über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe vom 29. März 1933 zu entnehmen. § 307 StGB. in der Fassung des genannten § 5 der Verordnung vom 28. Februar 1933 droht, ebenso wie der § 81 StGB., Todesstrafe an, jedoch ohne die in § 81 vorgesehene Möglichkeit der Zubilligung mildernder Umstände. Der § 5 dieser Verordnung gilt, wie das Gesetz vom 29. März 1933 in § 1 bestimmt, auch für Taten, die in der Zeit zwischen dem 31. Januar und dem 28. Februar 1933 begangen sind.

Die Rechtsgültigkeit dieses Gesetzes ist von der Verteidigung in Zweifel gezogen teils mit der Begründung, der in § 2 Abs.1 StGB. zum Ausdruck gebrachte Rechtsgrundsatz stände der nachträglichen Anordnung einer Rückwirkung entgegen und das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933 (RGBl. Teil I S. 141), auf Grund dessen das Gesetz vom 29. März 1933 als sogenanntes Regierungsgesetz erlassen wäre, enthielte nicht eine Ermächtigung zum Erlaß so weitgehender Vorschriften, teils mit der Begründung, die Anordnung einer Rückwirkung stände im Widerspruch zu dem im Strafrecht des nationalsozialistischen Staates geltenden Grundsatz der Generalprävention. Die Prüfung der Rechtsgültigkeit auf Grund des richterlichen Prüfungsrechts (vgl. für den bisherigen Rechtszustand u.a. RGSt.Bd. 56 S.177, RGZ.Bd. 111 S. 320) - seine Anwendbarkeit auch gegenüber Regierungsgesetzen im autoritären Volksstaat in dieser Werdezeit eines neuen Verfassungsrechts vorausgesetzt als unabweisbare Pflicht des nur dem Gesetz unterworfenen Richters, zu prüfen, ob das, was er anwendet, Gesetz ist, - führt jedoch zu dem Ergebnis, daß hier dem Regierungsgesetzgeber für die von ihm getroffene, Anordnung der Rückwirkung Grenzen weder ausdrücklich noch begrifflich gezogen waren, die der Gültigkeit der genannten Gesetze entgegenständen. Das Gesetz vom 24. März 1933, das gemäß Art. 76 der RVerf. bei Anwesenheit von mehr als zwei Dritteln aller vorhandenen Mitglieder mit einer Zweidrittel-Majorität aller Anwesenden vom Reichstag angenommen und am 24. März vom Reichspräsidenten ordnungsmäßig ausgefertigt, verkündet und in Kraft getreten ist, schafft in seinem Art. I einen nach keiner hier interessierenden Richtung hin eingeschränkten neuen Weg der Gesetzgebung neben dem bisher in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren, nämlich den des Erlasses von Reichsgesetzen durch die Reichsregierung. Das auf Grund dieser Bestimmung als so genanntes Regierungsgesetz erlassene und ordnungsmäßig veröffentlichte Gesetz vom 29. März 1933 hebt für den von ihm geregelten Fall den Grundsatz des § 2 Abs. 1 StGB. - eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde - auf, nicht dagegen den des Art 116 RVerf. - eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde -. Denn nicht die Strafbarkeit der aufrührerischen Brandstiftung ( wie des Hochverrats ) ist rückwirkend bestimmt, sondern lediglich die Strafe für die schuldhafte Verwirkung des bereits vorher strafbaren Tatbestandes erhöht.- Der § 2 Abs. 1 StGB. aber kann formell durch den Gesetzgeber jederzeit - auch unbeschadet seines Fortbestandes für den Regelfall - durch entgegenstehende Gesetzesbestimmung im Einzelfall außer Kraft gesetzt werden und könnte das als einfaches Reichsgesetz selbst dann, wenn der Gesetzgeber nicht wie hier nach dem Gesetz vom 24. März 1933 auch zum Erlaß verfassungsändernder Reichsgesetze als Regierungsgesetze befugt wäre. Der Gesetzgeber ist aber auch inhaltlich nicht gehindert für das Gebiet des Strafrechts, jedenfalls soweit die Strafbarkeit einer Handlung zur Zeit der Tat feststand die von ihm selbst aufgestellte Schranke, die die Änderung einer zur Zeit der Tat noch nicht angedrohten Strafe verbietet beiseite zu schieben und an die Stelle der zur Zeit der Tat angedrohten eine schärfere Strafe zu setzen. Ein Grundsatz der Nichtrückwirkung ist soweit es sich nicht um die Anordnung der Strafbarkeit sondern lediglich um eine Strafschärfung handelt, dem Strafrecht nicht wesentlich und besteht nicht. Grundsätzliche Rückwirkung findet sich in älteren - auch deutschen - wie noch geltenden Strafrechtssystemen mehrfach (Einzelheiten bei Traeger "Zeitliche Herrschaft des Strafgesetzes" in der Vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Berlin 1908 Liebmann Allg. Teil, VI. Band §§ 3 bis 6 und 9). Auch die deutsche Gesetzgebung der Nachkriegszeit kennt sie in der Verordnung vom 6. Februar 1924 über Vermögensstrafen und bußen in Art. XIV Abs 4 Rückwirkung straf schärfender Bestimmungen wird auch im übrigen - mag auch der Zweck der Generalprävention, jedenfalls soweit die abschreckende Wirkung der Norm, nicht die der Strafe in Frage kommt rückwirkend nicht mehr erreichbar sein - gerade auch vom Standpunkt des Strafrechts im nationalsozialistischen Staat mit Recht angeordnet. Ein grundsätzlicher Anspruch des Täters auf die zur Zeit der Tat angedrohte Strafe - deren Art und Höhe sein Vorsatz nicht einmal zu umfassen braucht - etwa als Gegenstück zu den wohlerworbenen Rechten des Privatrechts kann nicht anerkannt werden. Das staatliche Interesse erfordert vielmehr, daß das der vermutlich besseren Einsicht des Gesetzgebers entsprungene spätere Gesetz sofort und möglichst umfassend angewendet wird.

Der somit auf den vorliegenden Fall anzuwendende § 5 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Februar 1933 bestimmt, daß mit dem Tode die Verbrechen zu bestrafen sind, die das Strafgesetztbuch in den §§ 81 (Hochverrat J ..., 307 (Brandstiftung )... mit lebenslangem Zuchthaus bedroht. Diese Bestimmung ist dem seit Erlaß der Reichsverfassung von 1919 gegenstandslos gewordenen § 4 EinfG. StGB.nachgebildet. Ihr Wortlaut hatte schon für dessen Bereich Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten gegeben. Während von der einen Seite, zumeist ohne Begründung, die Meinung vertreten wurde, die Todesstrafe trete an die Stelle der lebenslangen Zuchthausstrafe nur, wenn im konkreten Fall auf diese erkannt werde, und ein dem Richter eingeräumtes Wahlrecht zwischen lebenslanger Zuchthausstrafe und zeitiger Freiheitsstrafe gehe durch die Einführung der Todesstrafe nicht verloren, betonte die Gegenmeinung, daß die Todesstrafe als einzige Strafe für alle die dort genannten Verbrechen eingeführt werde, die bis dahin mit lebenslangem Zuchthaus bedroht waren (vgl. die Zitate bei 01shausen Kommentar zum StGB. 10. Aufl.Anm.9 zu § 4 EinfG.StGB.). Der Senat hält wegen der Fassung der Gesetzesbestimmung die letzte Auslegung für die zutreffende. Das Gesetz sagt nicht, daß mit dem Tode die genannten Verbrechen zu bestrafen seien, soweit das StGB. sie mit lebenslangem Zuchthaus bedrohe oder die das StGB. ausschließlich mit lebenslangem Zuchthaus bedrohe, noch daß an die Stelle der angedrohten lebenslangen Zuchthausstrafe - soweit sie nämlich im Einzelfall verwirkt sei - die Todesstrafe treten solle. Es droht vielmehr die Todesstrafe schlechthin an für die Verbrechen, die in den §§ 81, 307 u.a. mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind. An der Tatsache, daß sie mit dieser Strafe beim Inkrafttreten der Verordnung bedroht waren, ändert der Umstand, daß neben der Strafe wahlweise mildere Strafen zugelassen waren, nichts.

Der Rechtsprechung zu § 1 StGB., der die Dreiteilung der Straftaten abstellt ebenfalls auf die Frage, mit welcher Strafe eine Handlung bedroht ist, ist denn auch die gesetzesterminologische Unterscheidung zwischen der allgemein angedrohten und der im Einzelfall verwirkten Strafe durchaus geläufig (RGSt.Bd. 3 S. 52, Bd.42 S.397 u.a.)

Danach hat der Angeklagte van der Lubbe die als einzige Strafe im Gesetz angedrohte Todesstrafe verwirkt. Bei der Schwere seiner Straftat wäre im übrigen nach Ansicht des Senats auch nach der anderen Auslegung nur die Höchststrafe in Frage gekommen und somit auch in diesem Falle an Stelle der eigentlich verwirkten lebenslangen Zuchthausstrafe auf Todesstrafe zu erkennen gewesen.

Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte beruht auf § 32 StGB., die Entscheidung über die Kosten auf den §§ 465 und 467 StPO.

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Marinus van der Lubbe im Gerichtssaal.jpg55.2 KB