RG, 31.12.1879 - I 290/79

Daten
Fall: 
Aktienzeichnung
Fundstellen: 
RGZ 2, 14
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
31.12.1879
Aktenzeichen: 
I 290/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 

* KreisG Halle
* Apellationsgericht Naumburg

Stichwörter: 

* Rechte und Pflichten im Rahmen einer Aktienzeichnung - Statutarischer Vorbehalt der Einziehung des Aktienrechtes bei Einzahlungsverzug

Unwirksamkeit der Festsetzung, daß der Zeichner sich durch Aufgabe des Aktienrechtes von weiteren Einzahlungen soll befreien dürfen. Bringt die Ausübung des Einziehungsrechtes seitens der Gesellschaft nur die Rechte des Zeichners oder auch feine Pflicht zu weiteren Einzahlungen in Wegfall?

Tatbestand

Das Statut der mit Namenaktien errichteten Aktiengesellschaft "Aktienschlächterei zu Halle" enthielt im §. 4 die Bestimmung: wer nach Ablauf der bekannt zu machenden Einzahlungstermine mit den geforderten Summen ganz oder teilweise im Reste bleibt, der verliert seine Anrechte aus der Zeichnung der Aktie und den geleisteten Zahlungen zu Gunsten der Gesellschaft, ohne von der Verpflichtung, den gezeichneten Betrag zur Gesellschaftskasse mindestens bis zur Hälfte einzuzahlen, entbunden zu werden. An Stelle der solchergestalt verfallenen Anrechte werden neue Zeichnungen angenommen.

Nachdem Beklagter auf die von ihm gezeichneten Aktien über die Hälfte des Nominalbetrages während des Bestehens der Gesellschaft eingezahlt, der Aufforderung zur Zahlung des Restes aber nicht entsprochen hatte, verfiel die Gesellschaft in Konkurs. Gegenüber dem Ansprüche des Konkursverwalters auf Zahlung des Nestes berief sich Beklagter auf gedachte Statutenbestimmung, indem er ausführte, sein Aktienrecht und damit seine Pflicht zur Restzahlung sei danach schon ohne weiteres durch seine Nichtzahlung trotz geschehener Aufforderung, zum mindesten aber in Rücksicht auf die Thatsache erloschen, daß nach seinem Zahlungsverzüge eine ordnungsmäßig berufene Generalversammlung der Aktionäre noch während Bestehens der Gesellschaft - einige Monate vor deren Eintritt in Liquidation, welcher die Konkursöffnung bald folgte - beschlossen hätte, die mit Einzahlungen sich im Rückstände befindenden Zeichner ihrer Rechte aus der Zeichnung zu Gunsten der Gesellschaft für verlustig zu erklären, sie dagegen auch ihrer noch nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu entlassen. Die zweite Instanz erachtete nach jener Statutenbestimmung den Beklagten schon ohne weiteres wegen seiner Nichtzahlung und des hierdurch eingetretenen Verlustes seines Aktienrechtes von der Restzahlung entbunden und wies die Klage ab. Dieses Erkenntnis wurde vernichtet, aber im Gegensatze zur Rechtsansicht der ersten Instanz die behauptete Fassung eines Entlassungsbeschlusses durch die Generalversammlung für erheblich erklärt.

Gründe

"Die Gründe des zweiten Erkenntnisses interpretieren den §. 4 des Statuts im Sinne eines Rechts des Zeichners einer Namensaktie, sich durch Nichtzahlung, sei es schon nach einmaliger, sei es erst nach dreimaliger Aufforderung, von der Einzahlung des gezeichneten Betrages über 50 % hinaus loszusagen. Eine solche Auffassung der gedachten Bestimmung soll sich an Art. 220 Abs. 2 H.G.B. anschließen und eine solche Vereinbarung gesetzlich zulässig sein.

Beides erscheint rechtsirrtümlich. Art. 220 Abs. 2, dahin aufgefaßt, daß mit Einziehung der Aktienrechte auch die weiteren Verpflichtungen des Zeichners wegfallen, will die gedachte Abmachung als wirksames Verstärkungsmittel für die Erfüllung der Verpflichtung des Zeichners, nicht als Mittel zu deren Schwächung, bez. als Prämie für Säumnis des Zeichners, statuieren. Die Gesellschaft soll die Aktienrechte einziehen dürfen, wenn nach ihrer Auffassung in solcher Einziehung wirklich eine Strafe für den Zeichner und ein Vorteil für sie zu finden ist. Eine Abmachung des Inhalts, daß es vom Zeichner soll abhängen können, ob er durch Aufgabe der aus den bisherigen Einzahlungen erwachsenen Rechte sich seiner weiteren Verbindlichkeit zur Restzahlung entledigen will, würde den Bestand des Grundkapitals in die Willkür des Verpflichteten stellen und dem Wesen der Aktienzeichnung wie der Erforderlichkeit der Erhaltung des Grundkapitals widersprechen.

Vgl. Prot. zum H.G.B. S. 342, Jolly in Zeitschr. f. deutsches Recht B. 11 S. 386, Auerbach, Gesellschaftswesen S. 330.

In der That sind daher die Art. 220, 221 H.G.B., von denen der letztere nur besagt, daß der Aktionär seines Anrechts verlustig erklärt werden könne, mißverstanden und die Grundsätze, auf denen die Artt. 209a, 210a und 248 H.G.B. beruhen, verletzt. Bei freier Beurteilung muß die Bestimmung des §. 4. des Statuts im Sinne der Verleihung eines Rechts an die Gesellschaft auf Verlustigerklärung der Rechte aus der Zeichnung erachtet werden. Da Beklagter aber unter Beweisantretung behauptet hat, es habe die ordnungsmäßig berufene Generalversammlung der Aktionäre vom 27. März 1877 jene Verlustigerklärung ausgesprochen und die Zeichner von den rückständigen Einzahlungen entbunden, so bedarf es der Entscheidung der Frage, ob die Strafklausel, welche Art. 220 Abs. 2 gestattet, dahin zu verstehen ist, daß der Zeichner, gegen welchen die Gesellschaft die Strafe in Vollzug zu setzen beschließt, damit auch, abgesehen von der für Inhaberaktien geltenden besonderen Modalität des Art. 222 Nr. 2, den weiteren Verpflichtungen aus der Zeichnung enthoben wird, oder ob er auf Erfüllung dieser, also bei Namensaktien in Höhe des ganzen Rückstandes, gebunden bleibt. Im letztgedachten Falle wäre der §. 4 des Statuts auch in seiner Auffassung als einer Rechtsverleihung an die Gesellschaft, die Aktienrechte unter Befreiung der Zeichner von den noch ausstehenden Einzahlungen einzuziehen, ungültig.

Allein Art. 220 muß im Sinne der Zulassung einer die Verpflichtung des Zeichners gänzlich aufhebenden Einziehung der Aktienrechte verstanden werden.

Gesetzt auch, das H.G.B. bestimmte an anderer Stelle, daß der Zeichner, abgesehen von der Besonderheit bei der Inhaberaktie, seiner Verbindlichkeit aus der Zeichnung nicht, bez. nicht anders, als indem ein anderer an seiner Stelle eintrete, entbunden werden könne, so handelt es sich gerade darum, das Verhältnis zu ermitteln, in welchem dieser allgemeine Grundsatz zu der besonderen Vorschrift des Art. 220 steht. Wenn das in letzterer Vorschrift als zulässiger Statuten vorbehalt erachtete Gedinge als Gedinge der Einziehung, bez. Konfiskation der ganzen Aktie als Strafe zu erachten ist, so daß nach Sinn und Inhalt der für zulässig erachteten Stipulation eine Fortdauer des Vertragsverhältnisses bloß nach der Verpflichtungsseite als ausgeschlossen erachtet werden muß, so liegt eben eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz zu Gunsten der Möglichkeit wirksamer Bekräftigung der rechtzeitigen Erfüllung der Verpflichtung aus der Zeichnung vor.

Ein Strafgedinge, welches sich der Worte des Absatzes 2 des Art. 220 bediente, würde aber sicher keine andere Auslegung, als daß mit den eingezogenen Rechten auch alle weiteren Pflichten in Wegfall kommen, erfahren können. Wäre vorausgesetzt, daß der Zeichner trotz des ausdrücklich ausgesprochenen Verfalls seines Rechts aus der Zeichnung doch den ganzen Betrag seiner Zeichnung - also ohne Erwerb entsprechender Rechte - erlegen müßte, so hätte namentlich die besondere Hervorhebung des Verlustes der geleisteten Teilzahlungen neben dem Verluste der Anrechte aus der Zeichnung keinen rechten Sinn. Der Zweck des Art. 220 Abs. 2 ist aber kein anderer gewesen, als gegenüber den gesetzlichen Einschränkungen der Konventionalstrafen, wie sie die Civilrechte enthielten, eine erweiterte Zulässigkeit entsprechend bereits vorgefundenen Statutensatzungen, welche durch Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft zur Erfüllung der Zahlungsverbindlichkeit anzutreiben für zweckmäßig erachteten, zu normieren. Vgl. Motive zu Art. 92 Titel 3 des Entwurfs eines Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland von 1849 S. 141. Was danach für zulässig erklärt worden, ist nicht bloß die Statuierung eines Pfandrechts der Gesellschaft an dem Aktienrecht, so daß die Gesellschaft dieses für Rechnung und Gefahr des säumigen Aktionärs verkaufen dürfte, sondern der Verfall des Aktienrechts zu Gunsten der Gesellschaft, welche alsdann an Stelle des eingezogenen Aktienrechts ein neues, aber für eigene Rechnung, ausgeben mag.

Die Auffassung der betreffenden Bestimmung als einer exceptionellen, welche eine Ergänzung aus einem sonstigen allgemeinen Princip der Unlöslichkeit der Zeichnerverpflichtung nicht verträgt, wird auch durch ihre Entstehungsgeschichte unterstützt.

Die Motive zum preußischen Entwurf des H.G.B. - S. 94 zu Art. 187 - beriefen sich für die Zulassung des gedachten Zwangsmittels als eines wirksamen auf den Art. 255 des Württemberger Entwurfs und auf den Art. 92 Titel 3 des Entwurfs eines Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland von 1849. In letzterem Entwurf bestimmte Art. 88, daß bei Inhaberaktien der Zeichner erst nach Zahlung von 40 % bei Statutenvorbehalt entlassen werden könne. Die Art. 89.90 enthielten für Namenaktien, was der jetzige Art. 223 im ersten Absatze, der Art. 91, was der jetzige Art. 223 im zweiten Absatze bestimmt. Alsdann folgte erst der dem jetzigen Art. 220 entsprechende Art. 92 mit der Bestimmung:

die Gesellschaft kann diejenigen, welche den Betrag ihrer Aktien nicht zur rechten Zeit einzahlen, nach einer wenigstens vier Wochen vorher geschehenen Aufforderung zur Zahlung ihrer Aktien für verlustig erklären, so daß die bereits geleisteten Einzahlungen der Gesellschaft anheimfallen.

Ganz ebenso in Stellung und Sprachweise lauteten die Artt. 252, 255 des Württemberger Entwurfs, nur mit der Besonderheit, daß dieser auch für Inhaberaktien keine Liberation nach Zahlung von 40 % kannte. In den Motiven zu Art. 255 ist ausdrücklich auf Art. 194 als Analogon hingewiesen, in welchem für die offene Handelsgesellschaft der Ausschluß des säumigen Gesellschafters aus der Gesellschaft für zulässig erklärt ist (S. 224 der Motive). In der That ist Verfall der Aktie zu Gunsten der Gesellschaft nichts anderes als Ausschluß des Aktieninhabers aus der Gesellschaft. Vgl. Thöl, Handelsrecht §. 149.

Es kommt aber außerdem in Betracht, daß ein Princip der Unlöslichkeit der Zeichnerverpflichtung bei Namensaktien der Aktiengesellschaft - Art. 184 bezieht sich lediglich auf die Namenaktien der Aktienkommanditgesellschaft, die das Gesetz von denen der Aktiengesellschaft in wesentlichen Punkten verschieden behandelt - ausdrücklich nur im Art. 223 für die daselbst behandelten Fälle ausgesprochen ist. Dort ist aber überall eine freiwillige Übertragung des Rechts aus der Zeichnung seitens des Zeichners an einen Nachmann vorausgesetzt. Daraus, daß der Zeichner einer Namensaktie durch eine freiwillige Aufgabe seiner Zeichnung nicht anders als bei Übertragung einer solchen an einen Nachmann und Annahme desselben seitens der Gesellschaft unter seiner Entlassung an seiner Stelle, übrigens aber unter subsidiarischer Forthaftung auch für ein Jahr, austreten kann, folgt nicht, daß er auch bei unfreiwilliger Entsetzung aus seinem Aktienrechte durch Einziehung desselben seitens der Gesellschaft, die von einem seitens der Gesellschaft ausbedungenen Rechte, die Aktie für seine Rechnung und Gefahr zu verkaufen, durchaus zu scheiden ist, weiter verhaftet bliebe. Der Art. 223 und die betreffende Bestimmung des Abs. 2 des Art. 220 berühren sich in keinem Punkte. Die subsidiarische Haftung im Falle des Abs. 3 des Art. 223 setzt voraus, daß der Zeichner einen Nachmann hat, gegen den er den Rückgriff zu nehmen rechtlich in der Lage ist, sofern er sich nicht etwa eines solchen Rückgriffsrechts bei Veräußerung der Aktie begeben hat.

An dieser Auffassung kann auch nicht der Umstand irre machen, daß für Inhaberaktien im Art. 222 Nr. 2 ausdrücklich die Verpflichtung, trotz der Verlustigerklärung immer in Höhe der ersten 40 %, verhaftet zu bleiben, ausgesprochen ist. Das Argument, Namensaktien müßten immer und überall entsprechend strenger als Inhaberaktien behandelt werden, so daß, wo die Zeichner der ersteren auf 40 % verhaftet seien, die der letzteren auf den vollen Betrag haftbar bleiben müßten, wenn an ihrer Stelle keine Nachfolger angenommen worden, ist nicht zutreffend. Die Nr. 3-6 des §. 2 des preußischen Eisenbahngesetzes vom 31. November 1838 behandelten alle Aktien bis nach Einzahlung der ersten 40 % gleichmäßig und ließen erst nach dieser Einzahlung die Annahme eines Cessionars an Stelle des ursprünglichen Zeichners seitens der Gesellschaft und die Einziehung des Aktienrechts gegen den säumigen Zeichner zu. Erwägt man nun, daß das Handelsgesetzbuch die Namens- und Inhaberaktien schon von Beginn an getrennt behandelt, daß die Zulässigkeit der Einziehung des Aktienrechts in Art. 220 unbeschränkt ausgesprochen ist, daß die Einschränkung, welche nach dem Gesetz von 1838 allgemein galt, nur für die Inhaberaktie, wie es in den Motiven zu Art. 190 des preußischen Entwurfs S. 94 heißt, "zur Beseitigung entstandener Zweifel" im H.G.B. ausgesprochen ist, und daß nach der Stellung von Nr. 2 und 8 des Art. 222 für Inhaberaktien, für welche die Befreiung nach Zahlung von 40 % gar nicht eintritt, weil sie im Statut nicht ausdrücklich vorbehalten, doch die Einziehung des Aktienrechts mit Erlöschen der Verpflichtung über 40 % hinaus zulässig ist, so wird man jene Bestimmung des Art. 222 Nr. 2 als eine der Inhaberaktie anhaftende Besonderheit ansehen müssen, aus welcher für die Namensaktie keine Folgerungen abzuleiten sind.
Eine Duplizität der Aktienzeichnung in dem Sinne, daß sie neben der Verpflichtung gegenüber der Aktiengesellschaft, bei welcher das Vorhandensein des Aktienrechts ihr Korrelat, noch von jenem Korrelat unabhängige Schuld gegenüber den Aktiengesellschaftsgläubigern wäre, existiert nach deutschem Rechte nicht. Auch wenn man annehmen wollte, daß bei der deutschen Aktiengesellschaft den Gesellschaftsgläubigern ein unmittelbares Recht gegen die Zeichner auf Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, insbesondere etwa bei Namensaktien, zustände, so fehlt es doch an jedem Anhalte dafür, daß diese Verbindlichkeiten den Gläubigern gegenüber einen anderen Inhalt, als der Gesellschaft gegenüber, also den von entsprechender Gewährung eines Aktienrechts gänzlich losgelösten Inhalt eines einfachen Schuldversprechens haben sollten. Will man selbst den Abs. 3 des Art. 223 im Sinne eines direkten Klage-, rechts der Gesellschaftsgläubiger verstehen, was hier dahin gestellt bleiben kann, so ist doch dessen Voraussetzung, wie bereits erwähnt, die geschehene freiwillige Übertragung des Aktienrechts seitens des Zeichners an einen neuen Erwerber.

Wenn demnach auch nicht zu leugnen ist, daß durch Anwendung solcher Konventionalstrafenklausel eine Minderung des Grundkapitals eintreten kann, so kann doch dieser Gesichtspunkt nicht zu Gunsten einer anderen Entscheidung verwertet werden. Entweder ist bei den betreffenden Bestimmungen die Möglichkeit der Eingriffe in das Princip der Erhaltung des Grundkapitals mittelst der für zulässig erachteten Klausel nicht hinreichend erkannt, oder es ist die Staatsaufsicht als ein ausreichendes Korrektiv gegen Mißbrauche der Klausel erachtet worden.

Auch die Novelle vom 11. Juni 1870 hat an dieser Sachlage nichts geändert. Den Art. 220 selbst hat sie unberührt gelassen. Es kann sich daher nur fragen, ob ihre an Stelle der Staatsgenehmigung und Staatsaufsicht getretenen Normativbestimmungen etwa die Gesellschaftsorgane in der Geltendmachung der Klausel und ihrer Wirkungen Einschränkungen unterworfen hauen, so daß der Aktionär auf eine unter Verletzung jener Einschränkungen erfolgte Willensbethätigung eines Gesellschaftsorgans seine Befreiung nicht stützen konnte. Allein auch dies ist zu verneinen. Wollte man auf die durch Vollzug der Strafklausel, so lange neue Aktionäre nicht an Stelle der alten gewonnen sind, eintretende Minderung des Grundkapitals die Bestimmung des Art. 248 in Bezug auf die Herabsetzung des Grundkapitals anwenden, so käme man zu dem Ergebnis, daß die Strafklausel erst nach Ablauf eines Jahres von beschlossener Invollzugsetzung ab und erst nach Bezahlung, bez. Sicherstellung aller bekannten Gläubiger aus dem Gesellschaftsfonds, also auch aus den zu demselben gehörigen, noch ausstehenden Einlagen, wirksam werden könnte. Dies liefe in der That auf die Unwirksamkeit der Strafklausel hinaus, während die das Entgegengesetzte bestimmende Vorschrift des Art. 220 bestehen geblieben ist und der Rechtsbestand der Klausel doch nicht bloß für den Fall gänzlicher Schuldenfreiheit der Gesellschaft beabsichtigt sein kann. Stellt Art. 220 mit seinen Konsequenzen eine Ausnahme von dem Princip der Unlöslichkeit der Zeichnerhaftung dar, so kann er auch durch die Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals, welche ein Komplement jenes Princips, soweit es gilt, darstellen, nicht berührt werden. Die Herabsetzung im Sinne des Art. 248 ist die planmäßige Veränderung der Gesellschaft durch Verkleinerung des Kapitals, mit welchem gewirtschaftet werden soll. Die Minderung, die durch Ausübung der Strafklausel stattfindet, ist die unvermeidliche Konsequenz einer Rechtsausübung, die im Interesse der bestehen bleibenden Gesellschaft gegenüber einer weiteren Verfolgung der Rechte gegen die säumigen Zeichner nach bester Einsicht hat vorgezogen werden müssen.

Läßt sich nun nicht leugnen, daß mißbräuchlich die Strafklausel benutzt werden kann, um in Wahrheit eine Kapitalsherabsetzung unter Verletzung der für solche vorgeschriebenen Kautelbestimmungen vorzunehmen, so kann hier nur die sorgfältige richterliche Prüfung des einzelnen Falles korrigierend eingreifen. Nicht die gewählte äußere Form, sondern die wirkliche Sachlage muß allerdings entscheiden. Insbesondere wird in Fällen, in welchen Gesellschaftsverluste bereits eingetreten sind, welche die schon eingezahlten Kapitalsbeträge ganz oder zum großen Teile absorbieren, die Annahme nahe liegen, daß trotz des äußerlich gewählten Behelfs eines Vollzugs der Strafklausel in Wahrheit eine gesetzwidrige Herabsetzung des Grundkapitals beabsichtigt ist, auf welche alsdann der Aktionär kein Recht gründen kann.

Im vorliegenden Falle mochte die Sachlage, insbesondere die bald darauf eingetretene Liquidation der Gesellschaft und der darauf ausgesprochene Konkurs, zu solcher Annahme genügenden Anhalt bieten. Klägerin hat aber diesen Gesichtspunkt nicht geltend gemacht, noch die Wirksamkeit des behaupteten Generalversammlungsbeschlusses mittelst einer Anfechtung im Sinne des §. 102 Nr. 2 preuß. Konkurs-Ordnung bekämpft.

Demgemäß mußte die Sache zur Beweisaufnahme über den behaupteten ordnungsmäßigen Generalversammlungsbeschluß zurückgewiesen werden.

Es wird aber zu erwägen sein, ob dem Generalversammlungsbeschluß auch wirklich der Sinn beizulegen ist, daß schon durch ihn der Vollzug der Strafklausel und die entsprechende Entstehung der Befreiung der Zeichner bewirkt werden sollte, oder ob er nur anderen Gesellschaftsorganen die Ermächtigung zu solcher Invollzugsetzung erteilt hat. Im letzteren Falle würde der Einwand mangels der Behauptung des Beklagten, daß und wann jene Ermächtigung in Ausübung gebracht worden, zu verwerfen sein."