RG, 20.12.1879 - I 21/79

Daten
Fall: 
Realrecht
Fundstellen: 
RGZ 1, 183
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.12.1879
Aktenzeichen: 
I 21/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Gerichtsdeputation Salzwedel.
  • Appellationsgericht Magdeburg.
Stichwörter: 
  • Realrecht, Akkord

Der Gläubiger, der, obwohl ihm wegen seiner Forderung ein Real- oder Pfandrecht zusteht, nach Beendigung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners durch Akkord die Akkorddividende auf seine Forderung als solche ohne jeden Vorbehalt annimmt, bewirkt hierdurch Tilgung seiner ganzen Forderung, so daß er auf Grund des Real- oder Pfandrechtes keine Ansprüche mehr geltend machen kann. - Schriftlichkeit des Pfandvertrages als Erfordernis des Pfandbesitzes an verbrieften Forderungen nach preußischem Rechte.

Tatbestand

Der Banquier B. zu Salzwedel, dem für alle Forderungen an den ebenda wohnhaften Kleiderhändler N. aus einem demselben eröffneten Kredite von diesem mit seinem Grundstücke auf Höhe von 800 Thlr. Kaution bestellt worden war und außerdem zwei Lebensversicherungspolicen als Pfand übergeben worden waren, meldete im Konkurse des Schuldners seine Forderung als sich auf 4200 M. belaufend, unter Erwähnung seines Real- und Pfandrechtes, an. Der Konkurs wurde durch einen Akkord beendigt, inhalts dessen sich der Gemeinschuldner verpflichtete, 50% der Forderungen in zwei Raten von je 25% zu bestimmten Fälligkeitsterminen zu zahlen. Zu den Akkordverhandlungen war B., als durch Hypotheken- und Pfandrechte gesicherter Gläubiger, nicht zugezogen worden. Aber er erhielt und nahm ohne jeden Vorbehalt auch auf seine Forderung zu den im Akkorde bestimmten Terminen die Raten von je 25%. Die erste Rate zahlte noch der Konkursverwalter aus dem Massenbestande an B. auf ausdrücklichen Auftrag des R., die zweite Rate zahlte N. selbst. B. giebt selbst an, er habe jene Zahlungen infolge des Akkordes erhalten. Er erachtet sich aber befugt, dieselben auf seine Forderung von 4200 M. anzurechnen, und hat gegen R. auf Zahlung des darauf verbleibenden Restbetrages bei Vermeidung der Subhastation des verpfändeten Grundstückes und der Exekution in die Policen geklagt. R. dagegen erachtete die ganze Forderung für getilgt und beantragte widerklagend die Einwilligung in die Löschung der Kaution und die Herausgabe der Policen. Das Reichsgericht hat die Klage des B. abgewiesen, denselben aber nach den Anträgen der Widerklage verurteilt.

Gründe

"Es wird zunächst im Anschluß an Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 24 Nr. 56 S. 216 flg. ausgeführt, daß nach preuß. Konkursordnung §§. 39 Abs. 2, 197, 247, 263, 264 und A.L.R. I. 20 §§. 46, 47 die Anmeldung der Forderung im Konkurse als Anmeldung der eventuellen Ausfallsforderung anzusehen sei und durch diese ein Verzicht auf Real- und Pfandrecht, wie dies Beklagter auch behauptet hatte, nicht bewirkt worden sei. Es heißt dann weiter:

... Prüft man aber die Wirkungen des Akkordabschlusses auf die klägerische Forderung, so mochte Kläger nach wie vor aus den Pfändern seine Befriedigung suchen. Gegen ihre Erlöse durfte er seine volle Forderung liquidieren. In Höhe des danach sich ergebenden Ausfalles hatte er Anspruch auf die Akkorddividende. Dagegen konnte er nicht sofort ohne Realisierung der Pfänder die Akkorddividende seiner ganzen Forderung verlangen, wenn er nicht wegen derselben die Pfänder aufgab. Entsch. des preuß. Obertribunals Bd. 43 S. 423.

Es fragt sich nun, welche Einwirkung es auf die klägerische Forderung gehabt hat, daß Kläger bei dieser Lage der Sache sich auf seine angemeldete Forderung den der Akkorddividende von 50% ihres ganzen Betrages gleichkommenden Betrag zu den für die Zahlung dieser Dividende in zwei gleichen Raten bestimmten Zeiten zahlen ließ.

Drei Gesichtspunkte können für diese Zahlung und ihre Annahme in Betracht kommen, Entweder war es eine reine A-conto-Zahlung, indem der Schuldner ganz von den Rechten, die ihm der Akkord auch dem Kläger gegenüber verlieh, absehen wollte. Dann behielt Kläger persönliches und dingliches Recht wegen des ganzen Restes. Oder es war eine vorläufige Zahlung, deren Verrechnung erst nach den Ergebnissen der Pfandrealisation analog den Vorschriften der §§. 247, 248 Konk.O. stattzufinden hatte. Oder es sollte die persönliche Forderung, wie die jedes anderen persönlichen Gläubigers, durch die 50% getilgt werden.

Prüft man zunächst den Willen des Schuldners, so hatte dieser zu einer Zahlung im Sinne der beiden ersten Eventualitäten keine Verpflichtung. Aber sein Wille ergiebt sich auch deutlich daraus, daß die erste Rate dem Kläger der Konkursverwalter, der den Auftrag hatte, aus dem disponiblen Massenbestande die ersten 25% an die durch den Akkord betroffenen Gläubiger zu zahlen, gezahlt hat. Er hat also des Klägers Forderung, wie die Forderungen anderer persönlichen Gläubiger, durch die 25% in Höhe von 50% tilgen wollen, gleichviel ob er dabei von einem irrtümlichen Beweggrunde ausgegangen ist.

Über des Klägers Willen bei Empfang der Zahlung hat sich dieser selbst ausgesprochen. Er sagt ausdrücklich, daß er infolge des Akkordes jene Zahlungen erhalten habe; aber er meint, daß er demnach in betreff des verbliebenen Restes doch noch das Recht, diesen durch Realisierung der Pfänder zu erhalten, habe. Er behauptet selbst also nicht A-conto-Zahlung, in welchem Falle er wegen des Restes noch die persönliche und die Pfandforderung haben würde. Noch weniger behauptet er eine Zahlung, deren Verrechnung überhaupt erst, nachdem die Pfandrealisierung in Höhe der ursprünglichen Forderung stattgefunden, nach Analogie der §§. 246, 247 Konk.O. stattfinden sollte. In der That ist sein Klageanspruch mit dieser Auffassung ganz unvereinbar, da er alsdann nicht ohne weiteres die 50% der vollen Forderung behalten und noch außerdem dasjenige empfangen kann, was bis zum Restbetrage bei der Pfandrealisierung zur Hebung kommt. Endlich will Kläger auch nicht die empfangenen 50% dem Verklagten wieder zur Verfügung stellen.

Dem Kläger war, zumal er mit dem Beklagten an demselben Orte wohnte, sicherlich nicht unbekannt, in welcher Weise der Akkord zum Abschlüsse gelangt war. Seine eigene Erklärung, er habe die 50% infolge des Akkordes erhalten, kann daher nur dahin verstanden werden, daß er wohl gewußt habe, die 50% seien ihm als die auf seine Forderung fallende Akkorddividende gesandt worden, und er habe sie auch als solche angenommen. Auch wäre es, wenn er letzterer Auffassung vorbeugen wollte, seine Pflicht gewesen, von seinem vom erkennbaren Willen des Einsenders abweichenden Willen bei der Annahme der Dividende dem Einsender unverzüglich Kenntnis zu geben, damit diesem Gelegenheit gegeben wurde, ihn zur Wiederherausgabe der 50%, auf die er zur Zeit beim Behalten der Pfänder kein Recht hatte, oder zur Herausgabe der Pfänder zu nötigen. Die vom Kläger in dritter Instanz hervorgehobene Erwägung, der Gläubiger nehme, was er nur irgend an Geld bekommen könne, erscheint nicht geeignet, die vom Gesichtspunkte der Treue und des Glaubens erforderliche Konkludenz des Schlusses zu beseitigen, daß, wenn der Gläubiger eine ihm mit einem bestimmten, für ihn erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen vom Schuldner dargebotene Summe ohne einen Widerspruch annimmt, er als mit jenem Willen einverstanden zu erachten ist.

Demnach kann nur angenommen werden, daß Kläger entweder wissentlich den baldigen Empfang von 50% seiner Forderung und die damit bewirkte volle Abfindung einer Rechtslage, in welcher er zunächst auf die zweifelhaften Ergebnisse der von ihm zu betreibenden Realisierung der Pfänder angewiesen war und erst alsdann auf das übrige Vermögen des Beklagten (vielleicht dann beim Nichtmehrvorhandensein disponibler Mittel ohne Erfolg) zurückgreifen konnte, vorgezogen hat, oder daß er beim Empfange der 50% von dem Rechtsirrtume ausgegangen ist, er behalte, trotz der Wirkungen dieses Empfanges auf die persönliche Forderung, doch noch in Höhe des thatsächlich nicht empfangenen Betrages dieser Forderung seine Pfandrechte. Dieser Rechtsirrtum in Bezug auf die accessorische Qualität der Pfandrechte kann nicht hindern, die notwendigen Ergebnisse aus seiner Willensbethätigung zu ziehen. Indem er jene 50%, als Akkordbetrag auf seine persönliche Forderung annahm, wurde diese persönliche Forderung getilgt. Bei Wegfall der Forderung durch Tilgung können für die getilgte Forderung Pfandrechte nicht mehr zur Geltung gebracht werben.

Nun hatte allerdings der klägerische Anspruch, soweit er aus den Pfändern zu realisieren war, gegenüber der einfachen Konkursforderung insofern einen weiteren Umfang, als gegen die Pfänder auch die Zinsen des klägerischen Anspruches seit der Konkurseröffnung geltend gemacht werden konnten, während für die Konkursforderung der Zinsenlauf mit der Konkurseröffnung gehemmt wurde. (§. 12 Konk.O.) Allein jene Hemmung tritt nur zu Gunsten der Konkursmasse, nicht gegenüber der Person des Gemeinschuldners ein. (Vgl. Wentzel und Klose, Kommentar zur preuß. Konk.O. S. 98, auch Motive zur deutschen Gemeinschuldordnung S. 351.)

Der Akkord ergriff aber die anderweit nicht gedeckten Gläubigerforderungen nicht bloß in Höhe des Betrages, auf dessen Geltendmachung im Konkurse sie aus Rücksichten zu Gunsten der Konkursmasse beschränkt waren, sondern in Höhe ihres vollen, den Gegenstand der Verhaftung des Gemeinschuldners ausmachenden Betrages. Durch Bestätigung des Akkordes zu 50% der angemeldeten Konkursforderungen wurden die Forderungen auch mit den Accessionen, für welche der Gemeinschuldner verhaftet war, auf 50% des Betrages der Konkursforderungen herabgesetzt. Die Tilgung, welche durch Annahme der 50% seitens des Klägers als Akkordrate seiner Forderung bewirkt wurde, hat sich daher auch auf die Zinsen erstreckt, so daß auch in Bezug auf diese es für die Aufrechthaltung eines Pfandrechtes an der Grundlage der Fortexistenz eines Forderungsrechtes fehlt....

Erwähnt soll hierbei nur noch werden, daß an den beiden Versicherungspolicen ein gültiges Pfandrecht überhaupt nicht entstanden, da beide Policen nicht als wirkliche Inhaberpapiere, sondern lediglich als Legitimationspapiere für die aus den betreffenden Versicherungsverträgen herrührenden Forderungen zu erachten sind, Art. 309 H.G.B. aber, wenn man ihn überhaupt auf Forderungen anwenden will, zur gültigen Faustpfandbestellung die Besitzübertragung auf den Gläubiger nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes erfordert, und es nach preußischem Rechte zur wirksamen Pfandbesitzübertragung an verbrieften Forderungen auf einen benannten Gläubiger eines schriftlichen Verpfändungsaktes bedarf, an dem es hier fehlt.

§. 1 der Verordn. v. 9. Dezember 1839, A.L.R. I. 11 §. 394, I. 20 §§. 512, 515, 516, vgl. auch Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 3 Nr. 33 S. 160; 6 Nr. 39 S. 198; 9 Nr. 75 S. 242.. . ."