RG, 19.12.1879 - II 79/79

Daten
Fall: 
Spareinlagen
Fundstellen: 
RGZ 1, 204
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.12.1879
Aktenzeichen: 
II 79/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Karlsruhe-Pforzheim.
  • Appellationssenat des Kreis- und Hofgerichts Karlsruhe.
Stichwörter: 
  • Recht zur Einführung von Spareinlagen durch die Gesellschafter einer Gewerbebank

Sind Spareinlagen bei einer Gewerbebank, eingetragene Genossenschaft, als Darlehn oder als deposita irregularia zu behandeln?

Aus den Gründen

"Die Gewerbebank in Bruchsal ist eine eingetragene Genossenschaft, welche nach §. 1 ihres Statutes den Zweck hat, zur Förderung des Kredites und des Erwerbes ihrer Mitglieder für gemeinschaftliche Rechnung ein Bankgeschäft zu betreiben. Nach §. 2 des Statutes wird der zur Geschäftsführung nötige Fonds außer den von den Mitgliedern einbezahlten Geschäftsanteilen und den dem Reservefonds zugewiesenen Geldern gebildet

"durch die unter solidarischer Haftbarkeit der Mitglieder zu erhebenden Spareinlagen und sonstigen Kapitalaufnahmen".

Kapitalaufnahmen unterliegen nach §. 30 k und 41 des Statutes der Genehmigung des Aufsichtsrates innerhalb der von der Generalversammlung bestimmten Grenze. Nach §. 47 des Statutes

"haben Mitglieder der Gesellschaft unbedingt, Nichtmitglieder so lange als die Generalversammlung nichts anderes beschließt, das Recht, Spareinlagen in die Gesellschaft zu machen, die aber eine andere Begünstigung als den Bezug von 4 Proz. Zinsen vom Tage der Einlage an nicht genießen; die Zinsen werden nur für volle Monate berechnet; für Spareinlagen, die nicht wenigstens volle drei Monate bei der Kasse stehen bleiben, werden keine Zinsen bezahlt; die Kasse ist jedoch nur, wenn der jeweilige Kassenbestand eine sofortige Rückzahlung nicht gestattet, berechtigt, eine Kündigungsfrist zu verlangen"
(welche je nach der Größe, der Rückzahlungen auf eine kürzere oder längere Zeit bestimmt ist).

Nachdem über das Vermögen des Kaufmanns N. die Gant ausgebrochen war, hat der Gantverwalter die zur Masse eingehenden Gelder im Gesamtbetrage von etwa 15000 M. bei der Gewerbebank Bruchsal, und zwar nach dem Zugeständnisse der jetzigen Kläger auf ein Sparbüchlein, welchem ein Abdruck des Statutes der Gewerbebank angeheftet ist, eingelegt. Die Gant ist demnächst durch Vergleich des Kridars mit den Gläubigern beendigt worden, und das Konkursgericht hat den Kridar ermächtigt, die vom Gantverwalter bei der Gewerbebank eingelegten Gelder in Empfang zu nehmen. Der Kridar hat über seine bezügliche Forderung an die Gewerbebank durch Cession an verschiedene Gläubiger verfügt; von Cessionaren wird jetzt ein Teilbetrag jener Forderung gegen die Gewerbebank eingeklagt, und es handelt sich wesentlich darum, ob die verklagte Gewerbebank berechtigt ist, gegen die eingeklagte Forderung eine ihr aus dem vor der Konkurseröffnung mit M. stattgehabten Geschäftsverkehr gegen N. im Mindestbetrage der Spareinlage des Gantverwalters zustehende Kontokorrentforderung zu kompensieren. Die Vorinstanzen haben dies verneint, der Appellationsrichter aus dem Grunde, weil er die Spareinlage als ein Depositum ansieht und der Klage auf Rückgabe dieses Depositums gegenüber die Wettschlagung durch Satz 1293 Ziffer 2 des badischen Landrechtes ausgeschlossen erachtet. Es kann unerörtert bleiben, ob jene Gesetzbestimmung auch auf das depositum irregulare oder aber nur auf das gewöhnliche Depositum Anwendung leidet; denn die Spareinlage ist überhaupt nicht als ein Depositum, auch nicht als ein depositum irregulare anzusehen, sondern als ein von dem Gantverwalter der Gewerbebank gegebenes Darlehn. Es kann zunächst darauf, daß die Beklagte selbst die fragliche Einlage in einem Akte vom 18. Nov. 1876 und auch in einer Prozeßschrift als "deponierte Gelder" bezeichnet, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden. Die Ausdrücke "Depot, deponieren, Depositum" werden, namentlich im Bankgeschäftsverkehre, vielfach gebraucht, ohne daß die Beteiligten an eine Hinterlegung im gesetzlichen Sinne denken; daß der Gantverwalter bei der Einlage Ausdrücke gebraucht hätte, welche auf die Intention schließen ließen, im gesetzlichen Sinne zu hinterlegen, ist nicht behauptet. Wenn man auch Hinterlegungen bei der Gewerbebank, selbst abgesehen von gedeckten Krediten, nicht als gänzlich ausgeschlossen ansehen will, so wird doch eine Hinterlegung bei derselben im Zweifel nicht als intendiert anzunehmen sein, da die Gewerbebank keine Hinterlegungsstelle ist, dazu vielmehr in Baden die Staatskassen bestimmt sind, und in dem Statute der Gewerbebank die Annahme von Depositen nicht unter den Geschäften der Bank erwähnt wird. Im vorliegenden Falle ist die Einlage von einem Gantverwalter gemacht, welchem im §. 732 Nr. 4 der bad. Prozeß-Ordnung die Anweisung erteilt ist:

"eingezogene Gelder, wenn deren Auszahlung nicht nahe bevorsteht, zur Hinterlegungskasse abzuliefern, insofern der Gläubigerausschuß nicht deren Anlegung auf Zinsen oder eine andere Art der Anlegung beschließt."

Hieraus ist ein Argument dafür entnommen worden, daß die Intention des Gantpflegers nur auf eine Hinterlegung gerichtet gewesen sein könne; ein solcher Schluß geht aber fehl. Wenn man auch annimmt, daß der Gläubigerausschuß den Gantverwalter nicht zu einer anderweiten Anlegung ermächtigt habe, so ist doch schon jetzt klar, daß der Gantverwalter von der Instruktion im §. 732 Nr. 4 cit, abgewichen ist, da die Gewerbebank nicht die im Gesetze gemeinte Hinterlegungskasse ist. Daraus, daß der Gantverwalter der gesetzlichen Instruktion entgegen gehandelt, folgt nur, daß er der Gläubigerschaft verantwortlich ist. Welches Geschäft als vorliegend anzunehmen, ist nach anderen, von dem Amte des Güterpflegers unabhängigen Umständen zu beurteilen. Es ist einleuchtend, daß wenn die Gewerbebank Spareinlagen annimmt, sie dabei ohne alle Rücksicht darauf, wer der Einlegende ist, nur der Bestimmung ihres Statutes folgen kann. Die entscheidende Frage, welche jedoch hier nicht generell für alle Bankgeschäfte, sondern nur konkret nach dem vorgelegten Statute der Gewerbebank entschieden werden kann und soll, ist also die: ob die vorliegenden Spareinlagen nach den Bestimmungen des Statutes als Deposita oder aber als Darlehn anzusehen sind. Es kann dem Appellationsrichter darin zugestimmt werden, daß es wesentlich darauf ankommt, ob vorzugsweise und zunächst das Interesse des Einlegenden die Einlage veranlaßt hat, oder aber das Interesse des Empfängers oder beider Teile. Darüber waltet kein Zweifel ob, daß die beiderseitige Intention dahin ging, daß die Gewerbebank sofort nach der Einlage Eigentümerin der eingelegten nummi, der species, werden und nur in genere restituieren sollte. Ob das aber allein zur Annahme eines Darlehns hinreichen würde, kann unentschieden bleiben, da andere entscheidende Momente dafür vorliegen, daß die Gewerbebank die Einlagen nicht lediglich im Interesse der Einlegenden, sondern auch im eigenen Interesse annimmt, um die zum Geschäftsbetriebe nötigen Fonds zu erlangen. Der §. 1 des Statutes stellt in dieser Beziehung die Spareinlagen neben die "sonstigen" Kapitalaufnahmen, sieht also die Spareinlagen als eine species der Gattung "Kapitalaufnahmen" an. Beide werden auch im übrigen im Statute analog behandelt. Für Kapitalaufnahmen muß die Generalversammlung die Grenzen bestimmen; in Bezug auf Spareinlagen wird der Generalversammlung das Recht vorbehalten, das "Recht" der Nichtmitglieder zu Einlagen zu beschränken. Aus der Bestimmung des §. 47 des Statutes, daß Mitglieder unbedingt, Nichtmitglieder mit jener Beschränkung ein "Recht" zu Spareinlagen haben, läßt sich nicht folgern, daß Einlagen lediglich im Interesse der Einlegenden angenommen würden; es kann nicht beabsichtigt sein, namentlich den Nichtmitgliedern ein wirkliches "Recht" auf Annahme von Einlagen einzuräumen; die Bestimmung ist nur als eine Instruktion für die Verwaltung der Gewerbebank aufzufassen, Einlagen von Nichtmitgliedern nicht zurückzuweisen, so lange nicht die Generalversammlung etwas anderes beschließt. Auch daraus, daß §. 47 des Statutes dem Publikum eine bequeme Gelegenheit bietet, sich der Aufbewahrung von Geldern zu entledigen, einen mäßigen Zins zu erhalten, und in kurzen Fristen das eingelegte Geld zurückerhalten und zu anderen Zwecken verwenden zu können, läßt sich nicht auf die Absicht bloßer Hinterlegung schließen. Die Bank gewährt dem Publikum diese Bequemlichkeit im eigenen Interesse, um möglichst viel Kapital für ihren Betriebsfonds zu gewinnen, sorgt aber zugleich im eigenen Interesse durch Bestimmung angemessener Kündigungsfristen dafür, daß ihr durch die stipulierten Rückzahlungen keine Verlegenheit bereitet werde. Auch die Höhe des stipulierten Zinses zu 4 Prozent, welche für ein Depositum ungewöhnlich sein dürfte und die geräumigen Kündigungsfristen sprechen gegen die Annahme eines Depositum, vielmehr dafür, daß es den Einlegern nicht um bloße Aufbewahrung, sondern um eine nutzbare Anlegung disponibler Geldbeträge zu thun ist. Andererseits ist dem Interesse der Bank, die Einlagen möglichst lange ihrem Betriebsfonds zu erhalten, durch die Bestimmung Rechnung getragen, daß Einlagen, welche nicht volle drei Monate bei der Kasse stehen bleiben, nicht verzinst werden. Das Ergebnis ist, daß die Spareinlagen überwiegend im Interesse der Bank angenommen, jedenfalls aber nicht allein oder vorzugsweise im Interesse der Einleger gemacht und angenommen worden, vielmehr dem Interesse beider Beteiligten dienen. Daher ist ein Darlehn als intendiert anzunehmen."