RG, 19.12.1879 - I 66/79
Ist ein Darlehnsgläubiger, welcher später an den Schuldner im Spiele verloren und die Aufrechnung der Gewinnforderung auf die Darlehnsschuld mündlich bewilligt hat, nach dem Allg. Landrecht bei einem Objekte von mehr als 50 ThIr. an diese Bewilligung gebunden?
Tatbestand
Der Kläger forderte Rückzahlung eines Darlehns von 300 Mark. Der Beklagte wendete ein, daß der Kläger an ihn längere Zeit nach der Hingabe des Darlehns im Kartenspiele mehr als 300 Mark verloren, diesen Verlust nicht bezahlt, aber nach Beendigung des Spieles erklärt habe: "nun sind wir wegen des Darlehns quitt"; der Kläger habe sich also mit der Kompensation der Gewinnforderung auf die Darlehnsschuld einverstanden erklärt. Die Einrede wurde verworfen.
Aus den Gründen
"Das preuß. Obertribunal hat in einem dem vorliegenden wesentlich gleichen Falle (vgl. Entsch. Bd. 71 S. 25) mit Rücksicht darauf, daß der §. 577 A.L.R. I. 11 dem Anspruche auf Bezahlung einer Spielschuld nur die Klage, nicht auch die Einrede versage, also auch die Einrede der Kompensation als gestattet anzusehen sei, daß ferner das Gesetz (§. 578 a. a. O.) die Rückforderung der Zahlung einer Spielschuld ausschließe, den von dem Schuldner betätigten freien Willen, die Spielschuld zu tilgen, anscheinend auch dann für wirksam erachtet, wenn sich dieser Wille in der formlos bewilligten Abrechnung der Spielschuld auf eine anderweite Forderung des Verlierers an den Gewinner manifestiert habe.
Dieser Ansicht kann indeß nicht zugestimmt werden. Die Bezahlung einer Spielschuld ist rechtlich nicht erzwingbar; die Spielschuld ist nicht klagbar und deshalb an sich auch nicht kompensabel; soll der Gewinner kompensationsberechtigt werden, der Verlierer also das Recht einbüßen, seine anderweite Forderung an den Gewinner ohne Rücksicht auf seine Spielschuld einzuziehen, so bedarf es dazu eines bündigen, also auch formell rechtsbeständigen Vertrages, mithin bei einem Objekte über 150 Mark des schriftlichen Abschlusses. Die bloße Willensübereinstimmung beider Teile, daß aufgerechnet werden solle, oder daß aufgerechnet sei, reicht dazu nicht aus. Denn sie schafft nicht eine Veränderung der Thatsachen, kann also nicht unter dem Gesichtspunkte der Erfüllung der mündlichen Übereinkunft vor der Aufrufung geschützt sein."