RG, 19.11.1920 - III 220/20

Daten
Fall: 
Kaufvertrages über Schlachtpferde bei Fehlen einer behördlichen Genehmigung
Fundstellen: 
RGZ 100, 237
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.11.1920
Aktenzeichen: 
III 220/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Königsberg
  • Oberlandesgericht Königsberg

1. Enthält § 1 der Bekanntmachung der Provinzial-Fleischstelle für Ostpreußen vom 31. Oktober 1918 über den Verkehr mit Schlachtpferden (Reg.-Amtsbl. S.368) eine revisible Rechtsnorm?
2. Ist ein Kaufvertrag über Schlachtpferde nichtig, wenn der Käufer die in § 1 der genannten Bekanntmachung vorgeschriebene behördliche Ermächtigung zum Ankauf von Schlachtpferden nicht besitzt?

Tatbestand

Die Beklagten kauften am 21. Januar 1919 von der Klägerin in Königsberg Ostpr. 18 Pferde zum Preise von 39950 M. Da dieser Preis aber nur in Höhe von 32000 M berichtigt wurde, erhob die Klägerin Klage auf Zahlung des Restes. Die Beklagten machten geltend, daß das Geschäft wegen Verstoßes gegen die Verordnung der Provinzal-Fleischstelle vom 31. Oktober 1918 nichtig sei, und daß vier von den Pferden nach ihrer Verladung von der Provinzial-Fleischstelle in Königsberg als angeblich räudekranke Schlachttiere beschlagnahmt und ihnen entzogen worden seien. Das Landgericht und das Oberlandesgericht erkannten nach dem Klagebegehren. Die Revision hatte Erfolg.

Gründe

Die Parteien streiten darüber, ob unter den von den Beklagten gekauften Pferden sich Schlachttiere befanden und ob die ihnen für diesen Fall zur Last gelegten Verstöße gegen die Bekanntm. vom 31. Oktober 1918 gemäß § 134 BGB. die Nichtigkeit des Kaufgeschäfts zur Folge gehabt haben. Das Oberlandesgericht verneint das letztere mit der Begründung, daß die Bekanntmachung die Übertretung ihrer Vorschriften lediglich unter Strafe stelle, in die ihnen zuwider abgeschlossenen Rechtsgeschäfte und in die privatrechtlichen Beziehungen der schuldigen Vertragsteile zueinander aber nicht einzugreifen beabsichtige. Die Klägerin ist nun der Ansicht, daß die Revision mit der Rüge, das Oberlandesgericht habe den § 134 BGB. verletzt, sich in Wirklichkeit nur gegen die angeblich unrichtige Auslegung der allein im Bezirke des Berufungsgerichts gültigen Bekanntmachung der Provinzial-Fleischstelle, also einer irrevisiblen Rechtsnorm, richte. Dem ist jedoch, wenigstens soweit § 1 der Bekanntmachung und seine Übertretung in Frage kommen, nicht beizupflichten.

Die Verordnung vom 14. Juni 1918 zur Abänderung der Verordnung über Pferdefleisch vom 13. Dezember 1916 hat in diese einen § 2 a, eingefügt, durch welchen "vom 1. August 1918 ab der Ankauf von Pferden zur Schlachtung ... nur Kommunalbehörden und den von ihnen dazu besonders ermächtigten Personen und Stellen gestattet" und zugleich angeordnet wurde, daß zur Schlachtung bestimmte Pferde nur an diese Personen oder Stellen abgegeben werden dürfen.

Den Landeszentralbehörden wurde der Erlaß von Ausführungsanweisungen vorbehalten und die Strafvorschrift des § 6 VO. vom 13. Dezember 1916 wurde auch auf Zuwiderhandlungen gegen den neuen § 2 a, oder die auf Grund dieses Paragraphen etwa ergehenden Bestimmungen ausgedehnt. Durch gemeinschaftlichen Erlaß des preußischen Staatskommissars für Volksernährung und der preußischen Minister für Handel und Gewerbe und für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 15. Juli 1918 (PrMinBl. f. Landwirtschaft usw. S. 167) wurde die Zulassung von Personen zum Ankaufe von Schlachtpferden usw. den Provinzial-Fleischstellen übertragen und ihnen auch die Befugnis eingeräumt, über die Verwendung und Verteilung der in ihrem Bezirke geschlachteten Pferde Bestimmungen zu treffen. Dieser Erlaß bildet die Grundlage der Bekanntmachung vom 31. Oktober 1918. Sie enthält, wie ihr Wortlaut deutlich zeigt, in dem den Handel mit Schlachtpferden in Ostpreußen regelnden § 1 nicht etwa eine selbständige, nur inhaltlich mit dem Reichsrecht übereinstimmende provinzialrechtliche Gesetzesvorschrift, sondern nichts anderes als die in § 2 a BVO. vom 13. Dezember 1916 /14. Juni 1918 vorgesehene notwendige Ergänzung der letzteren durch Namhaftmachung derjenigen Personen, welchen der Ankauf von Schlachtpferden in Ostpreußen erlaubt war. Auch die Strafandrohung der Bekanntmachung ist keine selbständige. Zuwiderhandlungen gegen sie sollen vielmehr nach § 6 BVO. geahndet werden (vgl. § 15 der Bekanntm.). Die Auffassung, welche der Berufungsrichter von dem Sinne und Zwecke der Bekanntm. vom 31. Oktober 1918 hat, stellt sich daher tatsächlich als ein Urteil über die Tragweite der Verordnungen vom 13. Dezember 1916 und 14. Juni 1918, also von Reichsrecht, dar und unterliegt somit der Nachprüfung des Revisionsgerichts.

Der Berufungsrichter führt nun zwar zutreffend aus, zur Entkräftung der Regel des § 134 BGB. müsse aus dem übertretenen Gesetze selbst hervorgehen, daß es auf die Gültigkeit verbotswidrig abgeschlossener Rechtsgeschäfte keinen Einfluß ausüben wolle. Eine solche Gesetzesabsicht wird aber - von besonders gearteten Ausnahmefällen abgesehen - grundsätzlich stets dann zu verneinen sein, wenn sich das Verbot gleichmäßig gegen beide Teile, den Verkäufer und den Käufer, wendet und sowohl das Veräußerungs- als auch das Erwerbsgeschäft untersagt (vgl. RGZ. Bd. 60 S. 276, Bd. 78 S. 353), Das trifft im gegebenen Falle zu. Zwar will die VO. vom 13. Dezember 1916 / 14. Juni 1918 den Handel mit Schlachtpferden nicht etwa schlechthin verhindern und als sittlich verwerflich kennzeichnen, sie hält ihn vielmehr mit Rücksicht auf die schwierigen Kriegsverhältnisse zur Hebung der Volksernährung für so dringend notwendig, daß sie zur Fernhaltung unlauterer Machenschaften im Interesse der Allgemeinheit den Ankauf von Schlachtpferden nur besonders vertrauenswürdigen Personen gestattet und den Verkäufern die Verpflichtung auferlegt, die Ankaufsbefugnis ihrer Vertragsgegner zu prüfen und, falls sie nicht einwandfrei vorhanden ist, von dem beabsichtigten Verkauf Abstand zu nehmen. Sie verbietet daher jedes obligatorische Geschäft, bei welchem der Käufer von Schlachtpferden als solcher amtlich nicht zugelassen ist. Daraus folgt aber, daß sie über die von ungehorsamen Vertragsteilen verwirkte Strafe hinaus das Rechtsgeschäft selbst der privatrechtlichen Wirksamkeit entkleiden will. Von diesen Gesichtspunkten aus sind auch schuldrechtliche Verträge, die dem § 9 Nr. 2 der Bekanntm. über Brotgetreide und Mehl vom 28. Juni 1915 / 29. Juni 1916 (vgl. Urt. v. 3. März 1920 I 285/19), dem § 7 der Bekanntm. über die Regelung des Verkehrs mit Web-, Wirk- und Strickwaren vom 10. Juni 1916 (vgl. Urt. v. 14. Mai 1920 III 294/19) und der DevisenVO. v. 8. Februar 1917 (vgl. RGZ. Bd. 98 S. 254) zuwider abgeschlossen waren, für nichtig erklärt worden. Damit steht auch nicht im Widerspruche, daß Kaufgeschäfte, bei welchen dem einen oder beiden Vertragsteilen die von der VO. über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln vom 24. Juni 1916 vorgeschriebene behördliche Erlaubnis zum Handelsbetriebe fehlte (RGZ. Bd. 96 S. 343, II 377 / 19, II 415 / 19, III 294 / 19) oder bei welchen die Höchstpreis-Verordnung vom 4. August 1914 / 17. Dezember 1914 / 21. Januar 1915 oder die Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 übertreten war (vgl. RGZ. Bd. 88 S. 250, Bd. 98 S. 293) oder amtlich festgesetzte Richtpreise überschritten waren (vgl. RGZ. Bd. 97 S. 82), als gültig behandelt sind. Denn in § 9 der VO. vom 24. Juni 1916 ist nur der nicht genehmigte Handelsbetrieb, nicht aber der Abschluß oder die Erfüllung des einzelnen Geschäfts innerhalb des Handelsbetriebs unter Strafe gestellt, und in den anderen Fällen wollte das gesetzliche Gebot oder Verbot nicht dem Abschluß eines Kaufes an sich, sondern nur der Preisbestimmung über eine gewisse Höhe hinaus hinsichtlich des gesetzwidrigen Mehrbetrags die rechtliche Anerkennung versagen.

Im vorliegenden Falle haben die Beklagten nun die Ermächtigung zum Ankaufe von Schlachtpferden in Ostpreußen unstreitig nicht besessen. Das Geschäft vom 21. Januar 1919 würde daher gemäß § 139 BGB. entweder gänzlich oder doch zum mindesten hinsichtlich der auf dem Königsberger Bahnhofe beschlagnahmten vier Pferde nichtig sein, wenn diese, wie die Beklagten behaupten, Schlachttiere waren. ...