RG, 16.12.1879 - II 141/79

Daten
Fall: 
Benefizial-Erben
Fundstellen: 
RGZ 1, 98
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.12.1879
Aktenzeichen: 
II 141/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Frankfurt a. M.
  • Appellationsgericht daselbst.
Stichwörter: 
  • Rechtliche Stellung der Benefizial-Erben - Rechtliche Wirkung des Beneficii-Vorbehalts im Urteil

Wie hat der verklagte Erbe die Einrede, daß er nur als Benefizial-Erbe hafte, zu begründen? und welche rechtliche Wirkung hat der Vorbehalt des beneficii im Urteile?

Aus den Gründe

"Es handelt sich gegenwärtig nur darum, ob die beklagten Minorennen für die Klageforderung, den Beweis ihrer Nichtigkeit vorausgesetzt, unbeschränkt, wie Kläger beansprucht, oder aber, wie Beklagter behauptet, nur als Benefizial-Erben der ursprünglichen Schuldnerin, ihrer Mutter, haften. Es ist unbestritten, daß der beklagte Vormund vor dem Nachlaßrichter die Erklärung, für seine Mündel die Erbschaft der Mutter derselben nur unter der Rechtswohlthat des Inventars antreten zu wollen, abgegeben und in den gesetzlichen Formen und Fristen ein Nachlaß-Inventar gelegt hat, auf dessen Grund der Nachlaß unter gerichtlicher Mitwirkung reguliert ist. Dies ist ausreichend, um den beklagten Mündeln die Rechte der Benefizial-Erben zu erhalten, welche darin bestehen, daß die völlige Verschmelzung der Erbschaft mit dem eigenen Vermögen der Erben nicht eintritt, daß die Erben in Folge dessen nicht unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen, sondern nur mit der Erbschaft für die Erbschaftsschulden haften, und daß die Erbschaftsgläubiger zum Zwecke ihrer Befriedigung zunächst nur die zur Erbschaft gehörenden Vermögensstücke angreifen dürfen. Die erfolgreiche Geltendmachung der Rechte eines Benefizial-Erben ist keineswegs, wie Kläger behauptet und die Vorinstanzen rechtsirrtümlich annehmen, dadurch bedingt, daß die Erben unter Überreichung eines Nachlaß-Inventars zu den Prozeßakten oder durch ziffermäßiges Anführen des Aktiv- und Passiv-Bestandes der Erbmasse darlegen, daß die Erbschaft unzureichend sei, wieviel die Erbschaft betrage, bis zu welchem Betrage dieselbe zur Befriedigung des klagenden Erbschaftsgläubigers ausreiche, und welcher Bruchteil der Erbschaftsschulden durch vorhandenes Erbvermögen nicht gedeckt werde, oder daß die beklagten Erben gar keine Nachlaßmasse mehr in ihrem Besitze haben. Die Rechtswohlthat des Inventars soll die Erben, welche im Zweifel darüber sind, ob und inwieweit die Erbschaft zur Tilgung der darauf lastenden Schulden hinreichen werde, gegen jede ihnen durch die sich möglicherweise ergebende Insuffizienz des Nachlasses drohende Gefahr der Schmälerung ihres eigenen Vermögens sichern. Die Erben, welche auf Grund desjenigen, was ihnen über die Aktiva und Passiva bekannt ist, annehmen zu dürfen glauben, daß die Erbschaft suffizient sei, daß die Aktiva die Passiva übersteigen, können von der angegebenen Gefahr immerhin deshalb bedroht sein, weil sich entweder die Aktiva des Nachlasses durch irgend welche Zufälle als geringer, oder die Passiva des Nachlasses durch nachträgliches Auftauchen bisher unbekannter Ansprüche an die Erbschaft als größer, als die Erben annahmen, ergeben können. Gegen solche Gefahren, welche mit der unbedingten Annahme der Erbschaft verbunden sind, soll eben die Rechtswohlthat des Inventars den Erben Schutz gewähren. Die Erben brauchen, wenn sie wegen einer Erbschaftsschuld belangt werden, zunächst nur darzulegen, daß sie durch Legung des Inventars die gesetzliche Bedingung der Erlangung der Rechtswohlthat erfüllt haben; dies genügt, um ihnen die Rechte des Benefizial-Erben zuzusprechen, beziehungsweise vorzubehalten und die Exekution in das eigene Vermögen der Erben abzuwenden. Ob und inwieweit die Erbschaft, in welche zunächst nur die Hilfsvollstreckung erfolgen darf, zur Befriedigung des Gläubigers zureicht, das findet sich in der Exekutions-Instanz. Es mag zugegeben werden, daß die Hilfsvollstreckung in das eigene Vermögen der Benefizal-Erben dann zulässig werden kann, wenn der Benefizial-Erbe sich durch Dispositionen über den Aktivnachlaß den Erbschaftsgläubigern persönlich verantwortlich gemacht hat; dergleichen ist aber im vorliegenden Falle vom Kläger nicht behauptet. Schließlich mag bemerkt werden, daß die vorliegende Ausführung auch mit den Vorschriften im §. 695, 696 R.C.P.O. im Einklange steht."