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RG, 15.12.1879 - I 206/79

Daten
Fall: 
Unterkonsortialbeteiligung
Fundstellen: 
RGZ 1, 76
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
15.12.1879
Aktenzeichen: 
I 206/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Mühlhausen i. Thür.
  • Appellationsgericht Halberstadt.
Stichwörter: 
  • Rechtliche Natur einer Unterkonsortialbeteiligung

Rechtliche Natur einer Unterkonsortialbeteiligung. Inwieweit kann der Unterbeteiligte dem Rückgriffe des ihn Beteiligenden Vertragsverletzungen des Syndikatsleiters, welche diesem gegenüber eine Lossagung vom Vertrage gerechtfertigt hätten, entgegenstellen? Einfluß des Ausscheidens von Konsortialen im Wege der Annullierung ihrer Beteiligung auf die Verpflichtung der übrigen.

Tatbestand

Für Rechnung eines Konsortiums hatte die Centralbank für Genossenschaften in Berlin Konsortialbeteiligungen auf das Unternehmen einer Begebung von 2 Millionen Thaler Aktien der A. G. Dannenbergerschen Kattunfabrik ausgegeben und sich in den Syndikatsbestimmungen Freiheit von Rechnungslegung und Auskunftserteilung über die Begebungsoperationen ausbedungen. Klägerin hatte eine Beteiligung von 10000 Thlr. genommen, diese aber in Höhe von 5000 Thlr. an Beklagte und von 5000 Thlr. an den Fabrikanten W. abgegeben, so daß sie für deren Rechnung, aber im eigenen Namen in rechtlicher Beziehung zur Centralbank blieb. Bei Ablauf der in den Syndikatsbestimmungen für die Dauer der Gemeinschaft bestimmten Frist hatte die Centralbank eine Verlängerung derselben um 6 Monate in Voraussetzung der Einwilligung aller Konsortialbeteiligter vorgeschlagen. Da Beklagte der Klägerin auf deren Anfrage ihre Einwilligung in die Verlängerung erklärt, der Fabrikant W. dieselbe aber verweigert hatte, so war, um der Verlängerung kein Hindernis zu bereiten, zwischen Klägerin und der Centralbank die Beteiligung der ersteren in Höhe von 5000 Thlr. rückgängig gemacht, in Höhe der anderen 5000 Thlr. aber die Verlängerung vereinbart worden. Bei Ablauf der verlängerten Frist teilte die Centralbank der Klägerin mit, daß nur die Absetzung eines geringfügigen Teiles der Aktien mit Gewinn gelungen sei, und beanspruchte von ihr Abnahme des auf ihre 5000 Thlr. Beteiligung entfallenden Betrages unbegebener Aktien zum Konsortialkurse unter entsprechender Anrechnung des auf die verkauften erzielten Gewinnes. Klägerin machte hiervon der Beklagten Mitteilung, empfing aber von ihr lediglich die Erklärung, daß sie sich zur entsprechenden Abnahme nicht für verpflichtet erachte, und daß Klägerin suchen möge, von der Abnahmepflicht entbunden zu werden. Klägerin nahm nach vergeblichen allgemeinen Reklamationen die Aktien ab. Ihrem Rückgriffe gegen die Beklagte setzte diese nunmehr eine Reihe von Thatsachen entgegen, aus welchen sich eine Verletzung des Vertrages zwischen Klägerin und der Centralbank seitens der letzteren ergeben sollte, so daß Klägerin dieser gegenüber zur Abnahme der Aktien nicht verpflichtet gewesen wäre.

Es sollte das bei Ausgabe der Konsortialbeteiligungen projektirte Aktienkapital später in erheblich höherem Maße festgesetzt und hierdurch die Aussicht einer Begebung der Aktien eine wesentlich ungünstigere geworden sein. Ferner sollten verschiedene andere Konsortialbeteiligte in die Prolongation nicht gewilligt haben. Endlich behauptete Beklagte, die Centralbank habe ein bestimmtes größeres Quantum Aktien, als sie angegeben, günstig verkauft. Beklagte erachtete sich befugt, alle diese Thatsachen ohne weiteres mit Wirkung dem erhobenen Rückgriffe der Klägerin entgegen halten zu dürfen, weil das zwischen ihr und Klägerin bestehende Unterbeteiligungsverhältnis auch unter den Syndikatsbestimmungen, beziehungsweise unter der Bedingung gehöriger Erfüllung der Vertragspflicht seitens der Centralbank stehe.

Sodann aber erachtete sie das Unterbeteiligungsverhältnis deshalb für hinfällig geworden, weil Klägerin wegen der ihr zustehenden 5000 Thlr. nur hätte in Verlängerung willigen dürfen, wenn sie dies zugleich auch wegen der anderen - an W. begebenen - 5000 Thlr. gethan hätte.

Den letztgedachten Einwand erachtete der zweite Richter für zutreffend und wies die Rückgriffsklage ab.

Das Reichsgericht stellte aber das die Beklagte verurteilende erstinstanzliche Urteil wieder her aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Durch die Annahme einer Konsortialbeteiligung von 10000 Thlr. wurde Klägerin Genossin der Centralbank in betreff des projektierten Geschäftes vorteilhafter Begebung von zwei Millionen Thaler Aktien der Aktiengesellschaft Dannenberger Kattunfabrik.

Nur die Centralbank stand der Klägerin gegenüber, mochte diese Bank auch für Rechnung der Gründer oder irgend eines anderen Konsortiums, zu dessen Verfügung die Aktien standen, aufgetreten sein. Einen durch Begebung von Aktien über den Kurs von 92% entstehenden Gewinn, soweit er nach dem Verhältnis von zwei Millionen Thaler zu 10000 Thlr. auf letztere entfiel, hatte die Bank der Klägerin zu gewähren. Unbegeben gebliebene Aktien mußte Klägerin nach demselben Verhältnis von der Bank zum Kurse von 92% abnehmen.

Über den Ausgang des Begebungsprojektes hatte bei Beendigung der für die Gemeinschaftsdauer festgesetzten Zeit die Bank der Klägerin Mitteilung lediglich nach Maßgabe des vertragsmäßig festgestellten Umfanges der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht zu erteilen.

Dieser Gesellschaftsanteil der Klägerin an jenem Begebungsprojekte mit den darauf ruhenden Pflichten ist in Höhe von 5000 Thlr. unter den Parteien als Anteil der Beklagten zu erachten...

Der Streit der Parteien, ob die Erwerbung der Konsortialbeteiligung seitens der Beklagten auf Grund eines Auftrages geschehen ist, infolge dessen erst die Klägerin selbst die Erwerbung vorgenommen hat, so daß Klägerin als Kommissionärin der Beklagten den Gesellschaftsanteil erworben hätte, oder ob Klägerin einen Gesellschaftsanteil als ihr gehörig, mochte sie ihn schon erworben haben oder erst erwerben wollen, einseitig an die Beklagte abgetreten oder sie mit 5000 Thlr. an ihrem Anteile von 10000 Thlr. beteiligt hat (vgl. Art. 98 Abs. 2 H.G.B.), ist für den vorliegenden Fall müßig, da die hier in Betracht kommenden Ergebnisse in dem einen, wie im anderen Falle die gleichen sind. Auch bei der Annahme einseitiger Abtretung des Gesellschaftsanteiles der Klägerin oder der Beteiligung, der Beklagten an diesem Anteile mußte Klägerin als von der Beklagten, die in eine unmittelbare Beziehung zu der syndikatsleitenden Bank nicht treten konnte und sollte, beauftragt erachtet werden, während der Dauer des Syndikates wie bei dessen Auflösung und der Auseinandersetzung für den Anteil der Beklagten behufs Ausübung der zustehenden Rechte aufzutreten.

Bei einem gewöhnlich gearteten Gesellschaftsverhältnisse mag nun für das Verhältnis zwischen Haupt- und Unterbeteiligten das wirkliche Endergebnis der Gesellschaft im Gegensatze zu einem vom Hauptbeteiligten nur aus Irrtum, aber ohne sein Verschulden auf Grund des Verhaltens seiner Mitgesellschafter als richtig angenommenen, wenn auch durch Ausführung schon betätigten, das allein entscheidende sein.

Noch nicht entschieden ist damit auch für die gewöhnlich geartete Gesellschaft, ob der Hauptbeteiligte im Verhältnisse zu seinem Unterbeteiligten Vertragsverletzungen seiner Mitgesellschafter schlechthin mit der Wirkung vertreten müsse, daß ihm sein Recht, das Gesellschaftsverhältnis wegen jener Verletzungen für hinfällig zu erachten, vom Unterbeteiligten entgegengehalten werden könnte, obwohl er selbst, weil er ohne sein Verschulden über jene Verletzungen in Unkenntnis geblieben, außer Stande gewesen war, jenes Recht geltend zu machen, und deshalb die bei der Auseinandersetzung auf ihn fallenden Pflichten erfüllt hatte.

Das Konsortialbeteiligungsverhältnis ist, insbesondere beim Vorhandensein von Syndikatsbedingungen wie die vorliegenden, ein Gesellschaftsverhältnis ganz besonderer Art. Die Verpflichtungen des Konsortialen bei Auflösung des Syndikates sind besonders und in eigentümlicher Art normiert. Er mußte das Ergebnis, welches das Syndikat angab, ohne weitere Rechenschaft und Auskunft fordern zu dürfen, als richtig annehmen und danach die als unverkauft bezeichneten Aktien nach Verhältnis seiner Beteiligung an dem vom Syndikate bestimmten Tage gegen Zahlung des Konsortialkurses abnehmen.

Die vertragsmäßige Lage des Konsortialen bestand also in der Verpflichtung, das vom Syndikate mitgeteilte Ergebnis zu acceptieren und danach das Erforderliche zu leisten, sofern er nicht in der Lage war, einen Widerspruch durch besondere Einwendungen zu begründen.

Diese eigentümliche Lage mit ihren Ergebnissen übertrug der Konsortiale durch Überlassung seines Anteiles oder eines Teiles desselben auf den Unterbeteiligten. Die Statuierung einer unzulässigen Ungleichartigkeit der Lagen wäre es aber, wenn man zulassen wollte, daß, während der Hauptbeteiligte zur Zeit der Auflösung des Syndikates bei Anwendung schuldiger Sorgfalt keine gegründeten Einwendungen gegen das vom Syndikate aufgestellte Ergebnis zu finden und ihm auch der von diesem Ergebnisse in Kenntnis gesetzte Unterbeteiligte keine solchen zu suppeditieren vermochte, der Unterbeteiligte sein Zögern in Erfüllung der ihn treffenden Verpflichtungen dazu benutzen dürfe, um nachträglich an den Tag getretenen Stoff für Einwendungen gegen das Syndikat dem Hauptbeteiligten entgegenzuhalten und diesen darauf zu verweisen, durch Kondiktionen gegen das Syndikat seine ehemalige Lage wiederherzustellen.

Gleichviel ob der Hauptbeteiligte die Beteiligung von Anfang an im Auftrage eines Hintermannes erworben oder ob er eine ohne solchen Auftrag erworbene einseitig ganz oder teilweise an den Hintermann abgetreten hat, immer muß bei der eigentümlichen Natur eines Verhältnisses, wie des vorliegenden, als Wille der Interessenten angesehen werden, daß der Hauptbeteiligte alle Verpflichtungen, welche er im Zeitpunkte der Auflösung des Syndikates bei Prüfung der Sachlage und des mitgeteilten Ergebnisses mit schuldiger Sorgfalt zu erfüllen in die Lage kam, auf den Unterbeteiligten nach Verhältnis der Beteiligung desselben im Wege des Rückgriffes sollte abwälzen dürfen. Die spätere Entdeckung von Vertragsverletzungen seitens des Syndikates kann dem Unterbeteiligten nur das Recht geben, vom Hauptbeteiligten Abtretung der diesem etwa gegen das Syndikat zustehenden Kondiktionsrechte zu verlangen.". . .

Es folgt nun die Darlegung, daß Klägerin trotz Anwendung schuldiger Sorgfalt keinen Anlaß hatte, das Vorhandensein derjenigen Vertragsverletzungen seitens der Centralbank, welche ihr Beklagte jetzt entgegenhält, zur Zeit der erteilten Abrechnung anzunehmen oder auch nur den Verdacht solcher Verletzungen zu hegen. In betreff des Einwandes unrechtmäßiger Zustimmung der Klägerin zur Verlängerung der Frist heißt es alsdann:

"Die Prolongation war seitens der Centralbank gefordert in Voraussetzung der Genehmigung aller Konsortialen, ihre Genehmigung seitens Beklagten muß daher auch nur als unter dieser Voraussetzung erfolgt angesehen werden. Nun hat allerdings Klägerin wegen der Weigerung des W. die Prolongation nicht auf ihren vollen Konsortialanteil genehmigt. Aber der als Nichtgenehmigung zu erachtende Gegensatz zur Prolongationszustimmung besteht lediglich darin, daß mit dem Nichtzustimmenden die Gemeinschaft bei Ablauf des ursprünglichen Endtermines realisiert wird. Diese Realisierung durch Aushändigung der auf den ausscheidenden Konsortialen entfallenden unbegebenen Aktien hat allerdings für die unter den Zustimmenden weiter fortzusetzende Gemeinschaft eingreifende Wirkungen.

Einmal vermindert sich der Betrag des Aktienquantums, in Höhe dessen das Syndikat mit den zustimmenden Konsortialen in der weiteren Gemeinschaft bleibt, und die Repartition bei Beendigung der zweiten Gemeinschaftsdauer muß nun auf anderen Grundlagen, als denen der ersten Gemeinschaft, erfolgen. Sodann aber verändert der freihändige und in der Verfügung unbeschränkte Besitz von Aktien in der Hand der Ausgeschiedenen erheblich die Aussichten auf den Erfolg der fortdauernden Gemeinschaft und die Möglichkeit der Erzielung eines ersten günstigen Kurses für die in Gemeinschaft verbliebenen Aktien.

Dagegen muß die völlige Stornierung der Konsortialbeteiligung, die nicht zustimmen will, seitens des Syndikates der wirklichen Prolongationszustimmung gleich erachtet werden. Die Ausführung der Beklagten, durch Entlassung derjenigen Konsortialen, welche nicht prolongieren wollten, aus ihren Verbindlichkeiten sei die Lage der Prolongierenden verschlimmert worden, da die Anzahl der haftbaren Beteiligten sich vermindert und ihr Anteil an den unbegebenen Aktien sich erhöht habe, beruht auf einer völligen Verkennung des Verhältnisses. Für das Verhältnis des einzelnen Konsortialen ist das Vorhandensein, die Zahl und die Beteiligungshöhe anderer Konsortialen ganz ohne Belang. Ihm steht allein der Syndikatsleiter gegenüber, welcher gegenüber 6 seiner Beteiligung das ganze angegebene Aktienkapital, gleichviel für wessen Rechnung, vertritt.

Nach Verhältnis dieses Gesamtkapitales zu der genommenen Beteiligung des einzelnen Konsortialen wird zwischen ihnen der durch Begebung - an dritte Käufer, nicht an andere Konsortialen - zu erzielende Gewinn, beziehungsweise die Pflicht, Aktien abzunehmen, reguliert. So wenig es den einzelnen Konsortialen rechtlich interessiert, ob der Syndikatsleiter außer dieser seiner Beteiligung noch andere abgesetzt hat, so wenig ist es für ihn von Belang, ob eine abgesetzte Beteiligung wieder zurückgezogen ist. ...

Die Stornierung in Höhe von 5000 Thlr. ans die an W. gegebene Beteiligung und nicht pro rata auf jede von beiden Unterbeteiligungen zu beziehen, war Klägerin berechtigt, da sich Beklagte und W. entgegengesetzt entschieden hatten und W. nicht gezwungen werden konnte, auch nur in Höhe von 2500 Thlr. zu prolongieren. Daß etwa Klägerin die Verpflichtung gehabt hätte, der Beklagten den Entschluß des W. mitzuteilen, damit dieser auf den Entschluß der Beklagten, ob sie prolongieren wolle oder nicht, wirken könne, dafür fehlt es an jedem Anhalte und Beklagte selbst hat dahin gehende Behauptungen nicht aufgestellt." ...