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RG, 12.12.1879 - IVa 84/79

Daten
Fall: 
Schriftform bei Bürgschaft
Fundstellen: 
RGZ 1, 24
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.12.1879
Aktenzeichen: 
IVa 84/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Schlochau.
  • Appellationsgericht Marienwerder.
Stichwörter: 
  • Schriftformerfordernis für die Übernahme einer Bürgschaft

Bedarf die von einem Nichtkaufmanne für die Forderung eines Kaufmannes aus einem Handelsgeschäfte im Geltungsgebiete des preuß. A.L.R.'s geleistete Bürgschaft der Schriftform?

Tatbestand
Der Verklagte hat mündlich eine Wechselschuld seiner Mutter von 240 Mark an den klagenden Verein (eingetragene Genossenschaft) als Selbstschuldner übernommen und ist aus dieser selbstschuldnerischen Bürgschaft belangt. Der Appellationsrichter hat den Anspruch verworfen, weil bloß die Thatsache, daß die Forderung aus einem Handelsgeschäfte einem Kaufmanne geleistet worden, zur Anwendung des Art. 277 H.G.B. nicht berechtige. Das Appellationsurteil ist vernichtet.

Gründe

"Nach Art. 317 H.G.B. ist bei Handelsgeschäften die Gültigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung nicht bedingt; Ausnahmen von dieser Regel finden nur insoweit statt, als sie in diesem Gesetzbuche ausdrücklich ausgesprochen sind.

Alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmannes, welche zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören, sind als Handelsgeschäfte anzusehen und im Zweifel gelten die von einem Kaufmanne geschlossenen Verträge als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig (Artt. 271 bis 274). Die letztere Vorschrift ist allgemein, sie bezieht sich auf alle Verträge, also auch auf Bürgschaften. Daraus folgt, daß der von einem Kaufmanne geschlossene Bürgschaftsvertrag als Handelsgeschäft anzusehen ist, und zwar auf seiten des Bürgen, wenn dieser, auf seiten des Bürgschaftsnehmers, wenn der letztere Kaufmann ist. Da nun nach Art. 277 bei jedem Rechtsgeschäfte, welches auf der Seite eines der Kontrahenten ein Handelsgeschäft ist, die Bestimmungen des vierten Buches, also auch Art. 317 in Beziehung auf beide Kontrahenten anzuwenden sind -- insofern nicht diese Bestimmungen selbst die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf den einen Teil aussprechen --, eine solche Beschränkung aber in Beziehung auf Bürgschaften im 4. Buche sich nicht vorfindet, so ergiebt sich, daß derjenige Bürgschaftsvertrag, welcher auf seiten des Bürgschaftsnehmers Handelsgeschäft ist, auch in Beziehung auf den Bürgen der Vorschrift des Art. 317 untersteht, mithin zu seiner Gültigkeit der Schriftform nicht bedarf.

Der vom Appellationsrichter zur Begründung der entgegengesetzten Ansicht herangezogene Art. 281 H.G.B. befindet nur darüber, in welchen Fällen dem Bürgen die Einrede der Teilung oder der Vorausklage nicht zusteht; er handelt aber nicht davon, unter welchen Voraussetzungen der Bürgschaftsvertrag ein Handelsgeschäft ist.

Mit Unrecht bezieht sich der Vorderrichter auf die Entscheidungen des R.O.H.G.'s Bd. 2 S. 44 und Bd. 5 S. 367. In dem ersten Erkenntnisse wird gerade gegen die Ausführung des Appellationsrichters ausgesprochen, daß Art. 281 über die Erfordernisse der Bürgschaft als Handelsgeschäft keine Bestimmung enthalte, daß vielmehr die rechtliche Natur des Bürgschaftsvertrages nach den allgemeinen Bestimmungen, d. h. nach den Artt. 271-277 beurteilt werden müsse. Und es wird, worauf es im dortigen Rechtsfalle ausschließlich ankam, nachgewiesen, daß der Bürgschaftsvertrag auf seiten des Bürgschaftsnehmers ein Handelsgeschäft sei. Die Frage der Anwendung des Art. 277 stand in jenem Falle nicht zur Entscheidung.

Das Bd. 5 Nr. 82 S. 367 der Entscheidungen des R.O.H.G.'s mitgeteilte Erkenntnis aber beschäftigt sich überhaupt nicht mit der Frage, ob die von einem Nichtkaufmanne einem Kaufmanne geleistete Bürgschaft Handelsgeschäft ist."