RG, 10.12.1879 - I 191/79

Daten
Fall: 
Extinktiv-Verjährung von Forderungen
Fundstellen: 
RGZ 1, 125
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.12.1879
Aktenzeichen: 
I 191/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Duisburg.
  • Appellationsgericht Hamm.

Ist für die Extinktiv-Verjährung von Forderungen, welche ihren Sitz unter fremdem Rechte haben, aber in Alt-Preußen eingeklagt werden, auch nach dem preuß. Allgemeinen Landrechte das örtliche Recht der Obligation maßgebend?

Aus den Gründen

"Auf Grund des schriftlichen Vertrages vom 7. August 1872 verlangt der Kläger von der Beklagten für die von ihm während der Kontraktszeit beförderten Kohlen eine Nachvergütung von 3 Pfennigen pro Centner. Vom ersten Richter, dem Kreisgerichte Duisburg, in der angebrachten Art zurückgewiesen, hat er in zweiter Instanz teilweise ein obsiegliches Urteil erstritten. Die Verklagte begehrt jetzt in ihrer Revisionsschrift Aufhebung des Appellationserkenntnisses und Abweisung des Klägers. Diesem Antrage kann nicht stattgegeben werden.

Der auf das preußische Gesetz vom 31. März 1338 über die kürzeren Verjährungsfristen gestützte Verjährungseinwand ist unzutreffend.

Die Rechtsverhältnisse der Parteien aus dem Vertrage sind nach dem gemeinen Rechte zu beurteilen, mag man für diese Frage den Ort des geschlossenen beziehungsweise des erfüllten Vertrages, oder die Intention der Kontrahenten als maßgebend ansehen. Denn Diez, wo der Vertrag geschlossen, die Grube Glückauf bei Dornbach, wo die Erfüllung mit der Aufladung auf die Wagen des Klägers begonnen, und Vallendar, wo die Erfüllung mit der Ablieferung der Kohlen beendigt worden, liegen gleichmäßig im Gebiete des gemeinen Rechtes und unter diesen Umständen kann ebenso die Annahme, daß auch die Kontrahenten sich diesem Rechte haben unterwerfen wollen, keinem Bedenken unterliegen.

Das preußische Gesetz vom 31. März 1838 ist nach seinem Eingange ausdrücklich nur für den Geltungsbereich des Allgemeinen Landrechtes erlassen, findet also vorliegend keine Anwendung. Denn für die Verjährung eines Forderungsrechtes ist das örtliche Recht der Obligation maßgebend, weil die Verjährung nicht als ein Prozeßinstitut, sondern als ein Institut des materiellen Rechtes, welches den Bestand des fraglichen Forderungsrechtes berührt, aufzufassen ist.

Dies ist vom Reichsoberhandelsgerichte in den sowohl für das gemeine, wie das preußische Recht zutreffenden Gründen der Entscheidung vom 17. Oktober 1874 (Entsch. Bd. 14 Nr. 82 S. 258) überzeugend ausgeführt und genügt hier die Hinweisung darauf.

Dem gegenüber erscheint die abweichende, übrigens verschiedentlich modifizierte, Auffassung des preußischen Obertribunals nicht haltbar. Gerade nach preußischem Rechte ist die Wirkung der erlöschenden Verjährung die Aufhebung des verjährten Rechtes. Die §§. 568. 569 A.L.R. I. 9 haben diese materielle Wirkung auf den Bestand der Rechte nicht aufgehoben, sondern (infolge der zur Zeit der Abfassung des allgemeinen Landrechtes herrschenden Theorie) nur noch das Erfordernis des guten Glaubens für die Extinktivverjährung aufgestellt.

A.L.R. Einl. §. 107; I. 6. §. 54; I. 9. §§. 501. 564; I. 16. §§. 7. 377. 347. 348."