RG, 10.12.1880 - III 346/80
Steht dem Bürgen, welcher für einen Teil einer durch Pfandrecht versicherten Forderung intercediert und Zahlung geleistet hat, ein Anspruch auf Cession der Pfandklage zu? Auslegung der 1. 2 Cod. de fide jussoribus
Aus den Gründen:
"Der Beklagte, welcher sich für 5000 Mark von einer jetzt noch aus 35000 Mark bestehenden Gesamtforderung verbürgt hat, verlangt gegen Zahlung des verbürgten Betrages die Einräumung des verhältnismäßigen Anspruchs auf die für die Gesamtforderung bestellte Hypothek und hat das diesen Anspruch zurückweisende und den Beklagten verurteilende Berufungserkenntnis als rechtsirrtümlich angefochten, weites einen Verstoß gegen die 1. 2. Cod. de fidejussor 8, 41 enthalte. Dieser Angriff kann nicht für begründet erachtet werden.
Die erwähnte Gesetzesstelle geht von dem Falle aus, wo ein Gläubiger für mehrere Forderungen dieselbe Hypothek, aber nur für eine der Forderungen einen Bürgen besitzt, und giebt hierfür die Entscheidung, daß der Gläubiger zur Abtretung seiner Pfandrechte an den Bürgen erst dann verpflichtet sein solle, wenn seine gesamte Forderung getilgt sei. Diese Gesetzesvorschrift will nicht einen Unterschied statuiert haben zwischen dem zunächst entschiedenen Falle und dem anderen, wo der Bürge nur für einen Teil der Gesamtforderung intercedierte, während die Hypothek des Gläubigers für die ganze Forderung bestellt ist, vielmehr weist schon die wörtliche Auslegung des Gesetzes darauf hin, die beiden Fälle gleichheitlich zu behandeln.
Denn für den Bürgen, der sich nur für einen Teil einer größeren Forderung verbürgt hat, ist der andere Teil derselben ganz ebenso "alia causa«, wie es eine zweite selbständige Forderung für denjenigen Bürgen ist, der nur für eine von mehreren Forderungen sich verpflichtet hat. Wenn also in diesem letzteren Falle nach dem klaren Wortlaut der 1. 2 cit. eine für die mehreren Forderungen zugleich bestellte Hypothek nicht abgetreten zu werden braucht außer nach Befriedigung des " omne debitum", so erscheint es dem Wortlaut der Gesetzesstelle entsprechend, daß im erstgenannten Falle gleichfalls nur gegen Zahlung des " omne debitum", das ist der Gesamtschuld, also des verbürgten und unverbürgten Teiles derselben die Abtretung der Pfandklage verlangt werden kann.
Auch die logische Interpretation der gedachten 1. 2 cit. muß zum gleichen Ergebnisse führen. Ohne Zweifel enthält diese Stelle eine konsequente Anwendung des dem beneficium cedendarum actionum zu Grunde liegenden Satzes, daß der Gläubiger nur da, wo er selbst keinen Schaden leidet, den Cessionsanspruch des Bürgen nicht verweigern darf. Diese Weigerung nimmt aber der römische Jurist in einem Falle als begründet an, wo der Gläubiger, welchem für mehrere Forderungen eine und dieselbe Hypothek bestellt ist, nach Befriedigung der einen Forderung zur Abtretung der Pfandklage gezwungen werden sollte, weil nach dem Grundsatze der Unteilbarkeit des Pfandrechts der Gläubiger ein Recht hat, die ganze Hypothek bis zum letzten Reste seiner Forderungen in Anspruch zu nehmen, und er in diesem Rechte beeinträchtigt würde, wenn er, nachdem erst die eine Forderung getilgt ist, seine Pfandsicherheit ganz oder auch nur teilweise aufgeben müßte. Es ist nun augenscheinlich, daß vollkommen die gleichen Erwägungen zutreffen, wenn dem Gläubiger zugemutet wird gegen Tilgung eines Teiles seiner Forderung von der für diese Gesamtforderung bestellten Hypothek irgend etwas aufzugeben. Denn, auch wenn ein Teil seiner Gesamtforderung wegfällt, hat der Gläubiger vermöge der Unteilbarkeit des Pfandrechts Anspruch auf die ganze Pfandsicherheit für den übrig gebliebenen Rest der Forderung; auch hier also würde der Gläubiger in seinem Rechte gekränkt und an seiner Sicherheit Schaden nehmen, wenn er gezwungen würde, von letzterer etwas aufzugeben, weil der für einen Teil der Forderung haftende Bürge den ihn treffenden Betrag bezahlt hat oder zu zahlen bereit ist.
Um einen diesfälligen Cessionsanspruch des Bürgen zurückzuweisen, bedürfte es übrigens nicht einmal des Vorganges der 1. 2 cit. Auch wenn diese specielle Gesetzesvorschrift nicht vorläge, müßte aus dem allgemeinen Princip der Rechtswohlthat der Klagencession gefolgert werden, daß dem Gläubiger bei Tilgung eines Teiles seiner Forderung durch den für diesen Teil haftenden Bürgen eine die Sicherheit der Restforderung beeinträchtigende Abtretung seines Pfandrechts nicht auferlegt werden darf.
Dem Angeführten zufolge hat der Appellationsrichter, indem er den Beklagten mit seinem eingangs erwähnten Verlangen abgewiesen hat, weder gegen die I. 2 Cod. de fidejussor. 8, 41 verstoßen, noch sonstwie rechtsirrtümlich geurteilt."