RG, 10.12.1880 - III 632/80
1. Unter welchen Voraussetzungen ist die Ehefrau während bestehender Ehe zur Rückforderung ihrer Illaten berechtigt?
2. Nimmt das bei Eingehung der Ehe vorbehaltene Vermögen der Ehefrau dadurch allein, daß es die letztere wahrend der Ehe dem Manne überläßt, den rechtlichen Charakter eines Illatums an? Beweislast hinsichtlich des Vorbehaltes.
Tatbestand
Klägerin war im Jahre 1868 mit ihrem jetzigen Ehemanne ohne Errichtung besonderer Ehepakten unter der Herrschaft des in Althessen geltenden ehelichen Güterrechts zur zweiten Ehe geschritten. Schon bei Eingehung der Ehe befand sich der Mann in zerrütteten Vermögensverhältnissen. Am 10. Januar 1878 setzten die Z.'schen Eheleute sich bezüglich des Einbringens der Ehefrau auseinander und erkannte der Mann urkundlich an, daß jene eine Anzahl Mobilien und 3000 M. Kapital zur Zeit des Abschlusses der Ehe als eigenes Vermögen besessen, das Kapital aber dem Manne behändigt und dieser solches wiederum zur Abtragung von Schulden und zu baulichen Veränderungen benutzt habe.
Am 3. Juli 1878 veräußerte der Ehemann sein Wohnhaus und wies den Käufer an, einen Teil des Kaufpreises an seine, des Verkäufers, Ehefrau auf deren Vermögen zu bezahlen, übergab auch der letzteren einen auf ihren Namen lautenden Hypothekenbrief vom 12. Juli 1878 zur Deckung.
Nunmehr legte der Beklagte als Gläubiger des Ehemannes Beschlag auf diese Hypothekforderung und provozierte dadurch eine Klage der Ehefrau auf Zurücknahme und Löschung des Arrestes.
In zweiter Instanz wurde diese Klage abgewiesen, auf Revisionsbeschwerde der Klägerin aber das Erkenntnis des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Aus den Gründen
"Die Revisionsangriffe waren teilweise für begründet zu erachten.
Das Berufungsurteil geht bei der Abweisung der erhobenen Klage davon aus, daß es sich um den Streit zweier Cessionarien handle und die vor der gerichtlichen Zwangsüberweisung der fraglichen Kaufgeldforderung an den Beklagten erfolgte freiwillige Abtretung an die Klägerin seitens ihres Ehemannes nur dann als rechtsbeständig erscheine, wenn solche nach den Grundsätzen über die Restitution der Illaten gültig habe geschehen können. Nun stehe aber dem Beklagten die sogenannte Mucianische Präsumtion zur Seite und es sei der von der Klägerin unternommene Nachweis eines die Cession rechtfertigenden Grundes mißlungen; denn die Urkunde vom 3. Juli 1878, auf welche die Klägerin sich stütze, sei beweislos und der von ihr behauptete Vorbehalt, der Nichtillation ihres Vermögens bei Eingehung der Ehe durch konkludente Handlungen, insbesondere durch spätere Überlassung ihres Vermögens an den Ehemann zum Zwecke der Schuldenzahlung, in Wegfall gekommen.
Diese Argumentation des Berufungsurteils ist ihrem ganzen Inhalte nach der Nachprüfung in der Revisionsinstanz unterworfen. Zwar sind die ehelichen Güterverhältnisse der E. Z.'schen Eheleute nach den Grundsätzen der in Althessen geltenden Errungenschaftsgemeinschaft zu beurteilen und unterliegen nach den §§. 511 und 525 C.P.O. insofern nicht der Revision, als sie ausschließlich auf Partikular-Gesetz und - Gewohnheit zurückzuführen sind. Indem aber das Berufungsurteil auf dieses Güterrecht allgemeine, teils dem römischen, teils dem gemeinen deutschen Rechte entnommene Rechtsnormen anwendet, ist die Zuständigkeit des Reichsgerichts über das Bestehen und den Inhalt der letzteren begründet, gleichviel ob diese Normen auf gesetzlicher Vorschrift oder einem deutschen Gewohnheitsrechte beruhen.
In der Sache ist der vorigen Instanz darin beizutreten, daß nach deutsch-rechtlichen Grundsätzen, wenigstens nach denjenigen des deutschfränkischen ehelichen Güterrechtes, alles Vermögen der Ehefrau, welches nicht durch einen bei Eingehung der Ehe gemachten Vorbehalt der Verfügung des Mannes entzogen wurde, als Illat anzusehen ist, zu dessen Zurückforderung die Frau nur unter denselben Voraussetzungen berechtigt erscheint, unter welchen sie nach Dotalrecht die Rückerstattung der Brautgabe (dos) verlangen kann. Die Abtretung der streitigen 3000 M., falls solche wirklich in die Ehe beigewendet worden sind, gilt daher so lange gleichsam als Schenkung unter Ehegatten und deshalb als nichtig, bis Klägerin eine jener Voraussetzungen darlegt. Sie behauptet nun zwar, daß ihr Ehemann zur Zeit der Cession überschuldet gewesen sei. Da sie jedoch zugleich selber angeführt, daß ihr Ehemann schon bei Eingehung der Ehe in zerrütteten Vermögensverhältnissen sich befunden habe, die Illaten aber außer dem Falle des Konkurses nur bei eintretender Verarmung des Mannes zurückgefordert und zurückgegeben werden dürfen, so unterliegt die in dem Kaufvertrage vom 3. Juli 1878 erfolgte Cession ohne weiteres der Anfechtung. Jedenfalls wäre es Sache der Klägerin gewesen, die näheren Umstände anzuführen, aus denen entnommen werden könnte, daß sie ihrem Manne bei Eingehung der Ehe noch mit Sicherheit ein Kapital von 3000 M. als Illat zu behändigen vermochte.
Rechtsirrtümlich sind dagegen die Ausführungen des Berufungsurteils über die Bedeutung und den Wegfall des von der Klägerin vor Eingehung der Ehe angeblich erklärten Vorbehaltes ihres Vermögens. Die vorige Instanz erwägt, daß, da die Klägerin die streitigen 3000 M. nach Eingehung der Ehe dem Manne eingehändigt, und dieser solche zur Bestreitung von Baukosten und Abtragung von Schulden verwendet habe, das Geld thatsächlich in das Verwaltungs- und Nutzungsrecht des Mannes eingebracht und damit auf einen etwaigen Vorbehalt des eheweiblichen Vermögens verzichtet worden sei. Eine thatsächliche Feststellung, an welche die Revisionsinstanz nach §. 524 C.P.O. gebunden ist, liegt hierin nur insofern, als eben die Aushändigung des Kapitales an den Ehemann, der dasselbe wiederum in seinen Nutzen verwendete, als erwiesen angenommen wird; die daran geknüpften Folgerungen aber bewegen sich auf dem Gebiete der rechtlichen Erörterungen.
Nun ist die Annahme, daß jede Überlassung des vorbehaltenen Vermögens der Frau (des sogenannten Rezeptitiengutes) an den Ehemann während der Dauer der Ehe einen Verzicht auf den Vorbehalt in sich schließe, zweifellos nicht begründet. Die Frau kann der Regel nach selbst während der Ehe Rechtsgeschäfte über das Rezeptitiengut unbeschränkt mit dem Manne abschließen; sie kann ihm solches ganz oder teilweise in die Verwaltung geben, auch bares Geld unter besonderem Rechtstitel behändigen, ohne daß dadurch die Natur jenes eheweiblichen Vermögens geändert wurde. Sogar die Thatsache, daß der Mann, nachdem er das Rezeptitiengut als solches empfangen, dasselbe in seinen Nutzen verwendet, enthält für sich allein noch keine Illation; eine solche würde vielmehr nur darin gefunden werben können, daß die Frau das ursprünglich vorbehaltene Vermögen dem Manne zur Nutznießung oder unter Umständen überträgt, welche eine Beiwendung in die Ehe mit rechtlicher Notwendigkeit mit sich führen.
Im vorliegenden Falle ist nur behauptet und festgestellt, daß die Klägerin das bei Eingehung der Ehe besessene Kapital demnächst ihrem Manne überlassen habe, während bestritten wurde und auch aus der Urkunde vom 10. Januar 1878 nicht erhellt, daß die Klägerin selber die Baukosten vorgelegt und die Schulden des Mannes bezahlt habe. Danach steht aber - unter der Voraussetzung, daß überhaupt bei Eingehung der Ehe der Vorbehalt der Nichtillation gemacht wurde - die Eigenschaft der fraglichen 3000M. als Illat noch nicht fest, und es muß über diese Frage, die das Berufungsurteil mit Unrecht auf sich beruhen ließ, noch nachträglich entschieden werden.
Diese Entscheidung ist, da es sich um Beweiserhebungen handelt, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, jedoch unter folgenden maßgebenden Gesichtspunkten:
Ein Zweifel darüber, daß die dem Revisionsbeklagten zwangsweise überwiesene Hypothekforderung der Revisionsklägerin zusteht, kann gar nicht erhoben werden, da diese Forderung auf den Namen der Ehefrau eingetragen ist. Insofern greift auch die sogenannte Mucianische Präsumtion nicht Platz. Gleichwohl muß die Revisionsklägerin zunächst den Nachweis führen, daß sie sich vor oder bei Eingehung der Ehe das fragliche Kapital vorbehalten habe. Denn aus den thatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils, die sich an den Hypothekenbrief vom 12. Juli 1878, den Kaufvertrag vom 3. Juli 1878 und die Vertragsurkunde vom 10. Januar 1878 anschließen, ergiebt sich, daß jener Hypothekenbrief auf Grund einer von dem Ehemann der Klägerin während bestehender Ehe vollzogenen Cession auf die Ansprüche der letzteren wegen ihres eheweiblichen Vermögens erfolgte. Sowie nun, wenn der Ehemann einen derartigen mit der Frau geschlossenen Rechtsakt als rechtsungültig angreift, die Ehefrau darthun muß, daß der Erwerb ein gesetzlich gebilligter sei, so muß sie dies auch dem jetzigen Beklagten gegenüber, der durch Zwangsüberweisung an die Stelle des Mannes getreten ist.
Einen weiteren Beweis, als den des gedachten Vorbehaltes, hat dagegen die Revisionsklägerin nicht zu führen, vielmehr liegt es, wenn ihr dieser Nachweis gelingt, dem Revisionsbeklagten ob, thatsachlich darzulegen und zu erweisen, daß eine spätere Illation des Rezeptitiengutes stattgefunden habe. Eine rechtsgenügende Behauptung in der zuletzt gedachten Richtung hat nach dem Thatbestande der Revisionsbeklagte bis jetzt noch nicht aufgestellt. Ob er damit noch nachträglich zu hören sein wird, darüber ist zur Zeit nicht zu befinden." ...