Ist bei Abtretung der Grundschuld die Cessionserklärung zum Übergange des Gläubigerrechtes genügend?
Tatbestand
Für den Gutsbesitzer R. zu M. in Steyermark war auf einem zu Bromberg belegenen Grundstücke eine Grundschuld von 60000 M. eingetragen. Am 22. Dezember 1875 stellte R. notariell eine Urkunde aus, derzufolge er die Grundschuld der Beklagten cedierte. Cession und Grundschuldbrief sendete er später an den Rechtsanwalt H. zu Bromberg mit dem Auftrage, die Eintragung der Cession zu bewirken. Nachdem H. am 15. Juli 1876 beide Urkunden mit entsprechendem Antrage zu den Grundakten des verpfändeten Grundstücks eingereicht hatte, erfolgte die Eintragung, und der Grundschuldbrief nebst der Cession wurde am 21. August 1876 dem von H. gestellten Antrage gemäß vom Gericht der Beklagten zugestellt. Aber schon vor der Erreichung der Urkunden, nämlich am 12. Juli 1876, war über das Vermögen des R. durch Beschluß des k. k. österreichischen Landesgerichts zu G. der Konkurs eröffnet worden, und der Verwalter der Konkursmasse nahm die Grundschuld als ein zur Konkursmasse gehöriges Vermögensobjekt in Anspruch, indem er geltend machte, daß durch die Cessionserklärung der Übergang des Gläubigerrechtes auf die Beklagte sich noch nicht vollzogen hätte, die nach der Konkurseröffnung stattgehabten Rechtsakte aber der Gläubigerschaft gegenüber nichtig wären. - Die Beklagte widersprach. Sie wollte schon durch die Cessionserklärung das Gläubigerrecht erworben haben, machte aber auch, geltend, daß der Gemeinschuldner, sich schon vor der Konkurseröffnung zu ihren Gunsten des Besitzes des Grundschuldbriefes und der Cessionsurkunde entäußert hätte.
Der erste Richter wies die Klage ab, indem er das Gläubigerrecht schon mit der Cessionserklärung als auf die Beklagte übergegangen ansah. Das Gericht zweiter Instanz mißbilligte diese Auffassung, indem es Übergabe des Grundschuldbriefes an den Cessionar zum Übergange des Gläubigerrechtes für erforderlich hielt, und machte die Entscheidung von einem Eide des klagenden Konkursverwalters darüber, daß R. schon vor der Konkurseröffnung den Besitz des Grundschuldbriefes und der Cessionsurkunde zu Gunsten der Klägerin aufgegeben hätte, abhängig. In der Revisionsinstanz wurde das Urteil zweiter Instanz bestätigt.
Aus den Gründen
"Unter den Parteien steht fest, daß durch den Beschluß des k. k. österreichischen Landesgerichts zu G. vom 12. Juli 1876 der Konkurs über das Vermögen des R. eröffnet worden ist. Die Wirkung, welche diese Konkurseröffnung auf die Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners äußert, kann an und für sich nur nach österreichischem Rechte beurteilt werden. Die Wirkung der vorschriftsmäßig publizierten Konkurseröffnung besteht nach §§. 1. 2. 3 der österr. Konkursordnung vom 25. Dezember 1868 (Nr. 1 des österr. Reichsgesetzblattes für 1869) darin, daß jede Verfügung des Gemeinschuldners über sein der Exekution unterliegendes und darum zur Konkursmasse gehöriges Vermögen gegenüber der Gläubigerschaft ungültig ist. Ob aber diese Wirkung der Konkurseröffnung ohne weitere Voraussetzungen auch außerhalb Österreichs anzuerkennen sein möchte, würde darnach zu entscheiden sein, ob die fragliche Wirkung als eine die Handlungsfähigkeit des Gemeinschuldners angehende nach dem am Wohnsitze des Schuldners geltenden Rechte zu beurteilen, oder nur als die eines gerichtlichen Veräußerungsverbotes, das außerhalb der Grenzen des österreichischen Staates an und für sich keine Wirkung äußern könnte, aufzufassen wäre (vgl. von Bar, internat. Privat- und Strafrecht S. 489 flg.). Die Frage kann indes im Hinblick auf die Ministerialerklärung vom 16. Juni 1844 (preuß. G.S. 1844 S. 165) über die zwischen Preußen und der Kaiserlich österreichischen Regierung getroffene Übereinkunft zur Beförderung der Rechtspflege in Fällen des Konkurses, deren Inhalt im Prager Friedensvertrage aufrecht erhalten worden ist, auf sich beruhen. Nach der gedachten Ministerialerklärung muß angenommen werden, daß - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Falle der durch den Besitz unbeweglichen Vermögens im Inlande auf Seite des Schuldners bedingten Eröffnung eines besonderen Konkurses - der über das Vermögen eines dem österreichischen Staate angehörigen Schuldners durch ein österreichisches Gericht erfolgten Konkurseröffnung die oben angegebene Wirkung auf die Verfügungsfähigkeit des Schuldners auch im Königreiche Preußen beizulegen ist. Denn wenn darnach das in Preußen befindliche bewegliche Vermögen des Schuldners an das österreichische Konkursgericht ausgehändigt werden soll, und nur zu Gunsten des mit einem vor Ausbruch des Konkurses erworbenen Pfand- oder Retentionsrechte versehenen Gläubigers eine Ausnahme in der Art gemacht wird, daß derselbe vor seiner vollständigen Befriedigung zur Verabfolgung der Sache nicht verpflichtet ist, so folgt, daß, wenn ein dem österreichischen Staate ungehöriger, in letzterem in Konkurs geratener Schuldner nach der Konkurseröffnung über Vermögen, das anderenfalls zur Konkursmasse gehören würde, disponiert hat, diese Verfügung in Preußen als eine berechtigte ebensowenig anerkannt werden kann, wie die von einem in Preußen in Konkurs verfallenen Schuldner nach der Konkurseröffnung vorgenommene Disposition.
Die Frage, ob das der Grundschuld korrespondierende Recht zur Zeit der Konkurseröffnung noch zum Vermögen des Gemeinschuldners gehört habe, läßt sich nur nach den im preußischen Rechte für die Übertragung des fraglichen Rechtes enthaltenen Normen beurteilen. Dabei ist folgendes zu erwägen:
Nach §. 393. A.L.R. 1.11 geht durch die Erklärung des Cedenten, daß der andere das abgetretene Recht von nun an als das seinige auszuüben befugt sein soll, und durch die Annahme dieser Erklärung das Gläubigerrecht auf den neuen Gläubiger über. Nicht notwendig zum Übergange des Gläubigerrechts ist die Aushändigung des Schuldinstrumentes. Auch die Aushändigung der Cessionserklärung an den Gläubiger ist kein durchaus notwendiges Requisit für dm Übergang des Gläubigerrechtes. (Vgl. Entsch. des Ob.-Trib. Bd. 63 S. 87; Hinschius in Behrends Zeitschrift Bd. 5 S. 437.) Daher würde im vorliegenden Falle, wenn derselbe nach der allegierten Bestimmung zu beurteilen wäre, der Umstand, daß, wie der Kläger geltend macht, der Grundschuldbrief und die Cessionsurkunde erst nach der Konkurseröffnung aus den Händen des Gemeinschuldners in die der Beklagten gelangt sein sollen, dem Übergange des Gläubigerrechtes auf die Beklagte an sich nicht notwendig entgegenstehen.
Keine Anwendung indes findet die Bestimmung des §. 393 a. a. O. auf diejenigen Forderungsrechte, über welche Inhaberpapiere ausgestellt sind. Hier ist das Forderungsrecht an die Urkunde gebunden. Die letztere ist seine Verkörperung, und der Übergang des Forderungsrechtes vollzieht sich, wie der Eigentumsübergang einer körperlichen Sache, durch Tradition der Urkunde.
In der Mitte zwischen beiderlei Forderungsrechten stehen die zumeist dem Handelsrechte ungehörigen Forderungsrechte, deren leichtere Übertragbarkeit dadurch gesichert ist, daß die über sie ausgestellten Urkunden an Ordre lauten und durch Indossament begehbar sind. Dergleichen Urkunden können durch Blankoindossament die Natur der Inhaberpapiere insoweit annehmen, als sie solchenfalls eine Übertragung des Gläubigerrechtes durch die Tradition der Urkunde gestatten. Aber, auch abgesehen von dieser Übertragbarkeit, hat - wenigstens bei der Wechselforderung, der Hauptrepräsentantin der oben besprochenen Klasse von Forderungsrechten - die Urkunde, in welcher der formale Charakter des Vertrages zur Ausprägung gelangt, wegen dieser formalen Natur eine wesentlich andere Bedeutung für die Übertragung des Forderungsrechtes, als eine gewöhnliche Schuldurkunde. Denn wenngleich eine Wechselforderung nicht bloß durch Indossament übertragen, sondern auch mit rechtlicher Wirkung cediert werden kann, so fällt doch eine solche Cession nicht in der Art unter die Bestimmung des §. 393 A.L.R. I. 11, daß die Cessionserklärung allein ohne Übergabe der Urkunde den Cessionar zum Forderungsberechtigten machen kann. Vielmehr gehört zur Übertragung des Forderungsrechtes neben der Cessionserklärung auch die Übergabe des Wechsels selbst. (Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 11 S. 251 flg. und die dort allegierte Litteratur, ferner Entsch. des obersten Gerichtshofes für Bayern vom 11. Juli 1874 in den Blättern f. Rechtsanw. Jahrgang 39 S. 268 und in Seuffert Archiv Bd. 30 Nr. 135.)
In Ansehung des in Preußen durch die neue Grundbuchgesetzgebung eingeführten Rechtsinstitutes der Grundschuld ist die Form der Übertragung in den Gesetzen nicht ausdrücklich bestimmt. Es muß also bei Entscheidung der Frage auf die innere Natur des neuen Rechtsinstitutes näher eingegangen werden. Dabei kommt folgendes in Betracht: Die Grundschuld unterscheidet sich wesentlich darin von der Hypothek, daß die letztere begriffsmäßig ein accessorisches Recht ist, während die erstere, obwohl sie ihrem ökonomischen Zwecke nach von einem anderen Ansprüche abhängen und auch zur Sicherung einer bestehenden Verbindlichkeit dienen kann, doch ihrem juristischen Wesen nach ein selbständiges, seinen Rechtsgrund in sich selbst tragendes Recht ist. Und zwar ist sie ein auf einem rein formalen Summenversprechen beruhendes Forderungsrecht, ein Formalrecht auf Leistung einer Summe, welche dem Eigentümer desjenigen Grundstücks obliegt, dessen Wert zur Sicherung der Leistung eingesetzt und bei welcher die Haftung des Schuldners auf das für die Schuld eingesetzte Grundstück beschränkt ist. (Vgl. Förster, Grundbuchrecht S. 125 flg., Theorie und Praxis Bd. 3 S. 383 flg.; vgl. auch Bremer, Hypothek und Grundschuld S. 53 flg. und Bähr, Jahrb. für Dogm. Bd. 11 S. 97 flg.) Diesem formalen Charakter des Rechtes entspricht die im §. 122 der Grundbuchordnung enthaltene Bestimmung, nach welcher eine Grundschuld ohne Ausstellung eines Grundschuldbriefes rechtlich unmöglich ist. In dem letzteren erhält die formale Natur des Rechtes ihren Ausdruck. Der formalen Natur des Rechtes entspricht auch die Zulässigkeit der Übertragung der Grundschuld durch Blankoabtretung (§. 55 des Gesetzes über den Eigentumserwerb etc. vom 5. Mai 1872). Mit der letzteren ist die Möglichkeit gegeben, der Grundschuld, ebenso wie dem mit Blankoindossament versehenen Wechsel, die Natur eines Inhaberpapieres insofern zu verschaffen, als die Übertragung des Rechtes durch die bloße Tradition des mit Blankoabtretung versehenen Grundschuldbriefes möglich wird. Aber auch, wenn nicht die Blankocession als Übertragungsform gewählt, sondern die Cessionsurkunde auf den Namen eines bestimmten Cessionars ausgestellt wird, nötigt die formale Natur der Grundschuld in ähnlicher Weise wie die des Wechsels zu der Annahme, daß zur Übertragung des Rechtes nicht bloß die Cessionserklärung, sondern auch die Übergabe der Urkunde erforderlich ist, zumal nach §. 20 des zuletzt allegierten Gesetzes auch bei der Eintragung der Grundschuld der eingetragene Grundschuldgläubiger das Verfügungsrecht über die Grundschuld erst durch die Aushändigung des Grundschuldbriefes an ihn erlangt. (Vgl. auch Bähr a. a. O. S. 89; Werner, die preuß. Grundbuch- und Hypothekengesetze Tl. 2 S. 30. 55. 112; Turnau, Grundbuchordnung S. 354, 2. Aufl.)
Von dem solchergestalt gewonnenen Gesichtspunkte aus würde die streitige Grundschuld als zur Konkursmasse des R. gehörig angesehen werden müssen, wenn anzunehmen wäre, daß eine Übergabe des Grundschuldbriefes an die Beklagte auf Grund der Cession vom 22. Dezember 1875 erst nach der publizierten Konkurseröffnung stattgefunden hätte."...